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Full text of "Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst"

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Sieorl  des  Stiftes  Möxstadt. 


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ARCHIV 

flir 


FRANKFURTS  GESCHICHTE 

und 

KUNST. 


T"   1 

Neue  Folge.  / 


3-f 

Herausgegeben 

von  dem 

Vereine  für  Geschiebte  und  Alterthumskunde 

zu  Frankfurt  am  Main. 


Dritter  Band. 


Mit  Abbildungen. 


rKANKH  KT  a.  M. 

1  Di    Selbst-Verlage    des  Vereins. 
In  Commission  bei  Heinrich  Keller. 

1865. 


Druck  von  Augutt  OtterrUth  In  Frankfurt  n.  M. 


ZentralMhüothek 


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Inhalt 


Seit« 


Zur  Urgeschichte  des  Rhein-  und  Mainlandea.    Von  Professor  Dr.  J.  Becker  1 

Des  Kanonicus  Job  Rohrbach  am  Bartholomäusstifte  Frankfurter  Chronik 
vom  Jahr  1494—1502.  Zum  erstenmale  herausgegeben  von  Georg  Eduard 
8teitz,  Doctor  der  Theologie  47 

Die  Strassen  der  Frankenfurt   Von  Dr.  Friedrich  Schärft   Mit  einer  Karte.  206 

Das  Recht  der  hohen  Mark,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  angren- 
zenden Seulberg-Erlenbacher  Hark.  Von  Dr.  Friedrich  Scharff    .   .   .  255 

Beiträge  zur  Geschichte  des  Collegiatstifts  Mörstadt  aus  dem  Frankfurter 
Stadtarchive  von  Dr.  L.  H.  Euler  483 

Angelegenheiten  der  reformirten  Gemeinden  nach  den  Protocollen  des  lutheri- 
schen Predigerministeriums.   Mitgetheilt  von  Pfarrer  Basse  504 

Die  Auflösung  des  Grossherzogthums  Frankfurt.  Ein  geschichtlicher  Rück- 
blick auf  die  beiden  letzten  Monate  des  Jahres  1813.  Von  Dr.  W.  F. 
C.  Stricker   512 

Lorenz  Heister  geb.  im  Jahr  1683  zu  Frankfurt,  gest.  1758  zu  Helmstädt 

Von  Dr.  Eduard  Heyden  522 

Johann  Michael  von  Loen,  Goethes  Grossoheim.    Von  Dr.  Eduard  Heyden  .  534 


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Der  Verein  für  Geschichte  and  AlterthumBktmde  hat  bis  jetsst  folgende 

Schriften  veröffentlicht: 

1)  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst  Neue  Folge.  Band  I.  IL  Mit 
Abbildungen.  Frankfurt  1860.  1862.  (Schliesst  sich  an  das  gleichnamige  von 
der  Gesellschaft  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst  in  8  Heften  1839—1858 
herausgegebene  Archiv  an.) 

2)  Mitteilungen  an  die  Mitglieder  des  Vereins  Band  1  II.  Frankfurt  1860-1864. 
Dritter  Band  Nummer  1,  ausgegeben  April  1865.  Frankfurt 

3)  Des  Canonicus  Baldemar  von  Peterweil  Beschreibung  der  kaiscrl  Stadt 
Frankfurt  am  Main  aus  dem  14.  Jahrhundert  Urschrift  mit  Cebers.  und 
Er).  Herausgegeben  von  Dr.  L  H.  Euler.  Frankfurt  1858.  (Ist  besonderer 
Abdruck  aus  Nr.  1  der  Mittheilungen.) 

4}  Das  steinerne  Haus  und  die  Familie  von  Meiern  in  Frankfurt.  Frankfurt  1869. 
'Besonderer  Abdruck  aus  Bd.  L  Nr.  3  der  Mittheilungen.) 

5)  Nenjahrsblatt  für  1859.  -  Dorf  und  Schloss  Rödelheim.  Beitrage  zu  der 
Geschichte  derselben  von  Dr.  L.  H.  Euler.  Frankfurt  1859.  4". 

6)  Desgl.  für  1860.  —  Der  Frankfurter  Chronist  A.  A.  von  Lersner,  von  Dr. 
E.  Heyden.   Frankfurt  1860.  4». 

7)  Desgl.  für  1861.  —  Die  Melanchthons-  und  Lutherherbergen  zu  Frankfurt 
am  Main :  Clans  Brommen  Haus,  Lisa's  von  Rückingen  Haus,  Wolf  Parente's 
Haus.  Eine  Untersuchung  zur  topograph.  Geschichte  der  alten  Reichsstadt 
von  G.  E.  Steitz,  Doctor  der  Theologie.   Frankfurt  1861.  4°. 

8)  Desgl.  für  1862.  —  Samuel  Thomas  von  Soemmering,  der  Heilkunde  Doctor, 
k.  baier.  Geheimerath,  nach  seinem  Leben  und  Wirken  geschildert  von  Dr.  med. 
W.  Stricker.  Frankfurt  1862.  4«. 

9)  Desgl.  für  1863.  -  Drei  römische  Votivhände  aus  den  Rheinlanden,  von  Dr. 
J.  Becker.   Frankfurt  186a  4». 

10;  Desgl.  für  1864  und  für  1865.  Johann  David  Passavant  Ein  Lebensbild  von 
Dr.  A.  Cornill.   Abth.  I.  II.   Frankfurt  1864.  1865.  4«. 

H)  Die  Heddernheimer  Votivhand.    Eine  römische  Bronze  ans  der  Dr.  Romer 
Büchner'schen  Sammlung  der  XX.  Versammlung  deutscher  Philologen,  Schul- 
männer und  Orientslisten  zu  ehrerb.  Begriissung  vorgelegt  von  dem  Verein 
für  Geschichte  und  Alterthumskunde.  Frankfurt  1861.  4°.   (Mit  dem  innern 


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Titel:  Die  Heddernheimer  Bronzehand.  Ein  Vothrdenkmal  des  Juppiter  Doli- 
chenoß  mit  den  übrigen  Dolichenus- Denkmälern  ans  Heddernheim  zusammen- 
gestellt von  Prof.  Dr.  J.  Becker.) 

12)  Aerzte,  Heilanstalten,  Geisteskranke  im  mittelalterlichen  Frankfurt  a.  M.  Zwei 
Abhandlungen  von  Dr.  0.  L.  Kriegk.  Der  Dr.  Senkenberg.  Stiftung  sur  Feier 
ihres  lOOjähr.  Bestehens  dargebracht  von  dem  Verein  für  Geschichte  und 
Alterthumskunde.   Frankfurt  1863.  4». 

18)  Oertüche  Beschreibung  der  Stadt  Frankfurt  am  Main  von  Johann  Georg 
Battonn,  gew.  geistl.  Rath,  Custos  und  Canonicus  des  St.  Bartholomäusstifts. 
Aus  dessen  Nachlass  herausgegeben  von  dem  Vereine  für  Geschichte  und 
Alterthumskunde  durch  den  zeitigen  Director  desselben  Dr.  jur.  L.  H.  Euler. 
Heft  I.  D.  III.   Frankfurt  1861-1864. 


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Zur  Urgeschichte  des  Rhein-  und  Nainlandes. 


Von  Professor  Dr.  J.  Becker. 

(vgl.  Archir.  N.S.  I.  8. 1— «&) 


Mythologische  Namen  römisch-keltischer  Badeorte 

in  Gallien. 

i  Zur  Gründung  von  grösseren  und  kleineren  Städten  und  Ansied- 
hingen gaben  bekanntlich  schon  in  uralter  Zeit  die  ihrer  wohlthätigen 
Wirkungen  wegen  bei  Römern  wie  Kelten  gleich  hoch  verehrten 
und  v ergöttlichten  Mineralquellen  und  Heilbäder  einen  so  natürlichen 
Anlass  *,  dass  es  nicht  auffallen  kann  insbesondere  auch  in  den  Reise- 
handbüchern des  Alterthums,  den  ltinerarien,  einer  grossen  Menge 
von  Oertlichkeiten  zu  begegnen,  welche  entweder  einfach  und 
schlechthin  mit  der  Bezeichnung  Aquae  belegt  sind,  oder  letztere 
noch  durch  einen  näher  erklärenden  Beisatz  erweitern,  der  sich 
(meist  in  der  Form  des  Adjektivums)  bald  auf  die  Natur  der 
Heilquellen  als  calidae,  frigidae,  amarae  oder  sonstige  Verhältnisse 
(vivae,  regiae  u.  a.  m.)  bezieht,  bald  auch  nur  das  Volk  (Aquae 
Allobrogum,  Convenarum,  Jasae  —  Jasorum  Orelli  508,  Plin.  N.  H. 
III,  28)  oder  den  Namen  der  Stadt  nennt,  wo  sie  sich  befinden, 
wie  Statiellac,  Lesitanae,  Selinuntiae  u.  a.  m.   Eine  dritte  Classe 


»  Vgl.  Plin.  N.  H.  XXXI,  2:  urbesque  condunt  aquae,  sicut  Pnteolos  in 
Campania,  Statiellas  in  Liguria,  Sextias  in  Narboncnsi  provincia.  Ebenso 
wurde  im  Mittelalter  eine  Reibe  von  Abteien  und  Klostern  z.  B.  in  Frankreich 
an  ehedem  heiligen  Quellen  begründet  und  darnach  benannt:  vgl.  B.  M.  Lorsch 
Geschichte  der  Balneologie,  Hydroposie  und  Pegologie  (Wttrzburg  1863)  S.  17, 
der  S.  68  mit  Recht  darauf  hinweisend  sagt:  „Wie  viele  Ortschaften  wurden 
noch  unter  römischer  Herrschaft  nach  ihren  Heilwässern  benannt!  Wie  viele 
tragen  noch  immer  im  Namen  die  Anzeige,  dass  sie  durch  Quellen  ausgezeich- 
net sind!  Man  denke  nur  an  die  Orte,  welche  Aix,  Baden,  Bath  heissen. 
Selbst  Grafschaften  und  ein  Königreich  sind  so  benannt.  In  deutschen  Orts- 
namen deutet  die  Endung  „ach"  auf  die  Gegenwart  von  Wasser.4' 

1 


dieser  erklärenden  Beisätze  zu  Aquae  erhält  weiter  durch  das  nomen 
gentilicium,  wie  Sextiae,  Aureliae,  Flaviae,  Domitianae,  eine  Beziehung 
auf  die  Namen  der  ersten  Gründer  und  Stifter  von  Niederlassungen 
bei  denselben.    Eine  vierte  Classe  dieser  Beisätze  endlich  deutet 
entweder  auf  my  thologische  Bezüge,  wie  bei  den  italischen  Aquae 
Apollinares,  oder  ist  ihrer  Bedeutung  nach  mehr  oder  weniger  dunkel 
und  uns   unverständlich,  wie  Aquae  Balissae,  Labanae,  Labodes, 
Aravenae,  Tatelae,  Albulae,  Voconac.    Die  Mehrzahl  dieser  letztem 
nennt  das  unter  dem  Namen  der  Tabula  Peutingcriana  überkommene 
Jtincrarium  fast  allein  nur,  und  es  wird  sich  weiterhin  zeigen,  dass 
auch  grade  sie  noch  einige  andere  als  Aquae  bezeichnete  Orts- 
namen allein  überliefert  hat,  welche  in  mythologischer  Hinsicht- 
die  bedeutsamsten  Einblicke  in  den  Cultus  der  Heilquellen  und  Mi- 
neralbädcr,  namentlich  bei  den  Kelten,  gestatten:  eine  Ueberliefe- 
rung,  welche  die  hohe  Wichtigkeit  der  Tab.  Peuting.  auch  von  die- 
sem bis  jetzt  noch  gar  nicht  gewürdigten  mythologischen  Standpunkte 
aus  aufs  Neue  darthut.    Es  findet  sich   auf  dieser  Tafel  nämlich 
ausser  jenen  adjektivischen  Beisätzen  zu  Aquae  eine  wenn  auch 
kleine  Anzahl  solcher,  welche  in  dem  Genitiv  eines  Substanti  vums 
bestehen:  es  sind  die  Aquae  Originis,  A.  Passeris  (Martial  VI, 
42,  6  =  A.  Passerianac  bei  Orelli-Henzen  6634),  A.  Tauri  (Tab. 
Peuting.  segm.  IV.  F.  ed.Scheyb)  und  A.  Casaris  (d.  h.  wol  Caesaris 
ebendort  segiu.  III.  F.),  deren  Beinamen  auf  verschiedene  mehr  oder 
weniger  bekannte  Anlässe  und  Ausgangspunkte  zurückweisen,  die 
hier  nicht  näher  betrachtet  werden  können.  Wichtig  und  bedeutsam 
ist  nun  aber ,  dass  ausser  diesen  unzweifelhaft  römischen  Benen- 
nungen eine  weitere  Anzahl  ebenso  unzweifelhaft  keltischer  Bei- 
namen von  Aquae  in  den  Itinerarien,   insbesondere  wieder  in  der 
Tab.  Peuting.,  überliefert  ist,  welche  sich  als  Genetive  der  Namen 
von  Gottheiten  herausstellen,  denen  die  Heilquellen  selbst  gewid- 
met und  heilig  waren.    Wiewohl  nämlich  bei  einer  grossen  Anzahl 
dieser  heilkräftigen  Quellen   zahlreiche   Votivinschriften  bezeugen, 
dass  die  Römer  bei  der  dauernden  Besitznahme  der  Keltenländer 
ihre  Quell-  und  lleilgottheiteu,  wie  die  Nymphae,  Apollo,  Aescula- 
pius,  Hygia  und  Hercules,  an  die  Stelle  der  einheimischen  setzten, 
so  haben  sich  doch  letztere  —  sowohl  männliche  als  weibliche  — 
vielfach  neben  und  trotz  jenen  erhalten  und  in  dem  Cultus  der  Sieger 
und  der  Besiegten  fortgelebt  2. 


2  Vgl.  Cic.  nat.  1).  III.  20:  ergo  et  flunrina  et  fontes  sunt  (Iii;  Plin.  H.  N. 
XXXI,  2:  aquae  augent  nomerum  deoruio  nominibus  variis. 


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-  3 


A.  Männliche  Quell-'  und  Badegottlielten. 

Was  zunächst  die  männlichen  Quell-  und  Badegottheiten  aul 
keltischem  Gebiete  angeht,  bo  lassen  sich  unter  ihnen  einesteils 
solche  unterscheiden,  wclehe  durch  eine  weitere  Verbreitung  mehr 
oder  weniger  den  Charakter  allgemeiner  und  gemeinsamer 
Götter  annehmen,  anderntheils  solche,  die,  wie  es  scheint,  fast  nur 
mehr  1  o  c  a  1  einzelnen  bestimmten  Quellen  und  Bädern  zukommen. 
Zahlreiche  inschriftliche  Zeugnisse  nennen  uns  diese  Gottheiten 
entweder  immer  allein  oder  abwechselnd  theils  mit  einer  homogenen 
römischen  identifizirt,  theils  auch  ohne  diese  Zusammenstellung. 
Die  römische  Gottheit  aber,  welche  solchergestalt  mit  den  sowohl 
mehr  allgemeinen,  als  auch  den  besondern  localen  keltischen  Bade- 
gottheiten identifizirt  zu  werden  pflegt,  ist  immer  nur  eine  und  die- 
selbe, nämlich  Apollo.  Der  Grund  dieser  Erscheinung  liegt  nahe. 
Schon  Caesar  (b.  g.  VI,  17)  fand  unter  den  Hauptgottheiten  der 
Gallier  einen  vor,  welchen  er  als  den  vorzugsweisen  Heilgott  der- 
selben charakterisirt  uud  geradezu  so  mit  dem  römischen  Apollo 
identifizirt,  wie  er  den  gallischen  Teutates  durch  Mercurius,  den 
Esus  oder  wahrscheinlicher  den  Camulus  durch  Mars,  den  Taranis 
durch  Juppiter,  die  Belisaina  durch  Minerva  wiedergibt:  in  gleicher 
Weise  entsprach  sein  Apollo  dem  keltischen  Belenus.  Wiewohl 
dieser  nämlich  sowohl  als  Sonnengott  wie  als  Orakelspender  dem 
römischen  Apollo  vergleichbar  war  und  daher  auch  nach  ausdrück- 
lichen Zeugnissen  der  Alten  von  seinen  Verehrern  mit  diesem  iden- 
tificirt  wurde,  so  trifft  doch  auch  das  bei  Caesar  vom  Apollo  bemerkte 
(Apollincm  morbos  depellere)  auf  ihn  genau  zu,  da  auch  er,  wie  alle 
übrigen  mit  Apollo  zusammengestellten  gallischen  Götter,  besonders 
als  ileilgott  verehrt  erscheint  Zwei  Inschriften  (Grut.  p.  73,  3; 
44,4)  bezeugen  nämlich  den  Belenus  als  Hcilquellengott  (Fons) 
und  es  sind  solche  ihm  geweihte  Heilquellen  und  Tempel  ebenso 
nachgewiesen,  wie  es  ausgemacht  ist,  dass  man  die  göttliche  Heil- 
thätigkeit  der  mit  Apollo  identifizirten  allgemeinen  und  localen  Gott- 
heiten ganz  besonders  in  der  mit  dem  wohlthätigen  Einflüsse  der 
Sonnenwürme  verbunden  gedachten  Einwirkung  der  heissen  und 
mineralischen  Quellen  sich  äussern  und  hervortreten  zu  sehen  glaubte  3. 
Es  ist  daher  auch  nur  dem  Zufalle  zuzuschreiben,  dass  einige  unter 
den  localen  Badegottheiten  der  Kelten  auf  ihren  Votivaltären  nicht 

3  Vgl.  Annalen  des  Vereins  fiir  Nassauische  Alterthumakundo  und  Geschichts- 
forschung IV.  S.  365—381  u.  Lerach  S.  29.  33. 

1« 


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I 


_    4  - 

mit  Apollo  zusammengestellt  werden:  diejenigen  unter  ihnen,  welche 
bald  ohne,  bald  mit  ihm  in  den  Votivinschriften  identifizirt  erscheinen, 
beweisen  vielmehr,  dass  auch  jene  vorerwähnten  ohne  Zweifel  gleich- 
falls als  Apollin  es  bezeichnet  werden  konnten  und  wurden.  Hier- 
her gehört 

1.  Der  Schutz-  und  Badegott  des  alten  Lux  o  vi  um,  des  noch 
heute,  wie  im  Alterthume  und  Mittelalter  durch  seine  warmen  Mine- 
ralquellen bekannten  Luxeuil  in  der  Frauche-Comte,  welcher  auf  den 
ihm  gewidmeten  Votivinschriften  Luxovius,  Lixovius  oder 
Li  s  so  vi  us  genannt,  theilweise  auf  denselben  Denkmälern  mit  einer 
Brixia,  Briciazu  gemeinsamer  Verehrung  verbunden  ist,  welche 
Göttin  man  theils  zu  dem  nahen  Bache  B  reue  hin,  theils  zu  dem 
Dorfe  Saint-Br  es  so  n  bei  Luxeuil  in  Bezug  brachte  *.  Noch  die  ersten 
christlichen  Missionäre  fanden  dort  unter  den  Trümmern  der  in  den  * 
Stürmen  der  Völkerwanderung  untergegangenen  Badestadt  eine 
„densitas  imaginum  lapidcarum"  d.  h.  doch  wol  eine  Menge 
noch  nicht  umgestürzter  Götterbilder  und  Votivaltäre  aus  der  römischen 
Zeit  vor  5.    Weiter  gehört  hierher 

2.  der  Deus  Lixo,  der  Schutz-  und  Badegott  des  gleichfalls 
auch  heute  noch  als  Badeort  bekannten  Bagneres-de-Luchon 
im  südwestlichen  Frankreich.  Vier  dortselbst  oder  in  der  Umgegend 
gefundene  Inschriften  bezeugen  seine  Verehrimg6 

3.  Von  demselben  sprachlichen  Stamme  wie  Lixo  scheint  auch 
des  Deus  Lexis  Namen  abgeleitet  zu  sein:  er  war  der  Schützer 
und  Vorsteher  der  am  Eingange  des  Thaies  von  Aran  in  den  Pyre- 
näen gelegenen  „eaux  de  Lez,a  über  welche  Ed.  Barry  unter  Zu- 
sammenstellung der  bezüglichen  Funde  ausführlich  gehandelt  hat  7 : 
ausser  mehreren  den  Nymphae  dieser  Quellen  geweihten  Votivaltären 
hat  sich  auch  einer  mit  der  Widmung 

LEXI 
DEO 
C.SABI 
HORT.  F. 
gefunden.    Ebendahin  gehört  ferner 

♦  Vgl.  Orelil  2024.  Rainguel  description  de  Luxeuil  p.  28.  Greppo 
Etudes  sur  les  eaux  minerales  et  thermales  de  ia  Qaule  (Paris  1846)  p  123 
not.  2  u.  p.  126. 

&  Vit.  SS.  Columbani  et  Agili  in  den  Act.  SS.  Benedict.  II.,  12,  13,  317. 
vgl.  Grimm  Myth.  I.  S.  73.  99. 

«  Vgl.  Greppo  a.  a.  0.  p.  69)  n.  12.  Du  Mege  Archeologie  pyreneenne 
p.  212.  Orelli-Hen2en  5897. 

*  Rev.  archeol.  1857  XIII,  2  p.  677-  688. 


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5  - 


4.  als  Hauptschutzgott  der  Stadt  wie  ihrer  berühmten  Quelle 
der  auch  auf  Münzen  verewigte  Deus  Nemausus  der  gallo -römi- 
schen Colonia  Augusta  Nemausus  Neptunia  Volcamm  Arecomicorum, 
welche  in  der  Tab.  Peuting.  segm.  I.  F.  noch  mit  dem  alten,  später, 
wie  es  scheint,  wieder  aufgetauchten  Namen  Nenniso  belegt  ist, 
heut  zu  Tage  Nim  es  im  südöstlichen  Frankreich.  Schon  Ausonius8 
stellt  diese  Quelle  neben  die  unten  zu  erwähnende  Di  von  a  und  den 
Patavinischen  Aponus,  während  eine  nicht  geringe  Anzahl  grie- 
chischer und  römischer  Votivwidmungen  die  andauernde  Verehrung 
ihres  Gottes  bezeugt9. 

5.  Schliesslich  lässt  sich  hier  noch  eine  Gottheit  Ussubius  an- 
reihen, welche  in  einer  Votivinschrift  aus  Mas  d'Agenais  (Ddp.  de 
Lot-et-Garonne)  tiberliefert  ist.  Sowohl  die  Tab.  Peuting.  segm.  I.  A. 
nennt  einen  Ort  Vesubio,  als  auch  das  Itin.  Antonini  p.  220  ein 
Ussubium  auf  der  Strasse  von  Burdigala  nach  Argantomagus : 
die  zulet/t  genannte  Namensform  stimmt  genau  mit  der  Inschrift 
selbst : 

TVTELAE  AVG 
VSSVBIO.LABRVM 
SILVINVS  SCI 
PIONIS.F.AN 
TISTES.  D 

wobei  die  Widmung  eines  labrum  durch  einen  antistes  auf  einen 
Tempel  des  Gottes  und  Badgebäude  mit  Sicherheit  schliessen 
lässt 

Wiewohl  alle  vorgenannten  Badegottheiten,  wie  schon  bemerkt, 
nirgends  mit  Apollo  identtäzirt  oder  zusammengestellt  werden,  so 
kann  doch  kaum  bezweifelt  werden,  dasB  dieses  bei  der  so  offen- 
kundig vorliegenden  Vermischung  gallischer  und  römischer  Glaubens- 
anschauungen geschehen  konnte  und  sicherlich  auch  geschehen  ist. 
Es  beweiset  dieses  die  zweite  Classe  dieser  gallischen  Badegott- 
heiten, welche  entweder  gleichfalls  nur  an  und  für  sich  mit  blossem 
Namen  genannt  oder  zur  Bezeichnung  ihrer  göttlichen  Vorstandsehaft 
mit  ihren  Heilquellen  (Aquae)  so  verbunden  werden,  dass  letztere 
ihnen  gradezu  zugeschrieben  und  nach  ihnen  benannt  sind.   Es  sind 


o  Nob.  urb.  XIV.  Bordigal.  33  ff. 

»  Vgl  Orelli  1345.  2032.  4220.  Reines.  8ynt.  inscript.  p.  848,  107. 
Maffei  Mus.  Veron.  p.  CGCCXIII,  8.  E.  Gerhard'»  Archaeolog.  Anzeiger  1853. 
Nr.  50.  8.  297. 

«•  Vgl.  Memoire»  de  la  societe  archeoL  du  midi  de  la  France  I.  p.  253-267. 


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dieses  Aponus,  Neras,  Nisineius  und  Bormo  oder  Borvo, 
nach  Welchen  die  ihnen  zugehörigen  heilkräftigen  Quellen:  Aquae 
Aponi,  Aquae  Neri,  Aquae  Nisineii  und  Aquae  Bormonis  genannt 
werden.  Die  zuletzt  erwähnte  Gottheit  Bormo  oder  Borvo  kommt 
aber  auch  ausserdem  auf  einem  ihrer  Denkmäler  noch  als  Apollo 
Borvo  vor,  so  dass  demnach  auch  ein  Rücksckluss  auf  die  übrigen 
vorhergenannten  Quellgötter  bezüglich  einer  gleichen  Identifizirung 
mit  dem  römischen  Gotte  wol  verstattet  ist,  zumal  auch  ein  bri- 
tannischer Deus  Maponus  gleichfalls  weiter  als  Apollo  Maponus 
inschriftlich  beglaubigt  ist,  wie  sich  unten  näher  zeigen  wird. 

6.  Aponus  —  Aquae  Aponi.  Die  heissc  Schwefelquelle  zu 
Abano  bei  Padua  (Pataviumr  daher  Aquae  Patavinae,  Patavinorura 
aquae  calidae  Plin.  N.  H.  II,  103)  war  sowohl  wegen  ihrer  heil- 
wirkenden, als  auch  ihrer  Weissager isc hen  Kraft  bis  in  die 
spätesten  Zeiten  berühmt  und  wird  theils  einfach  Aponus,  thcils 
numen  Aponi,  theils  fons  oder  fontes  Aponi,  theils  endlich 
auf  sieben  Inschriften  Aquae  Aponi  genannt11. 

7.  Nerus  —  Aquae  Neri.  Auch  diesen  Badeort  nennt  nur 
allein  die  Tab.  Peuting.  segm.  I.  E.,  jedoch  ohne  Beisetzung  des  sonst 
bei  den  Aquae  sich  findenden  viereckigen  Gebäudes,  auf  der  Strasse 
von  Avaricum  (Bourges)  nach  Augustoncmetum  (Clermont)  zwischen 
Mcdiolanum  (Chäteau-Mcillant)  und  Cantilia  (Sidon.  Apollin.  epist. 
IV,  13,  wol  Chantelle-la-Vielle).  Sein  Namen  findet  sich  zunächst  auf 
folgendem  Bruchstücke  eines  zu  Alichamps  gefundenen  Meilensteins  12 : 


FELICI .  A  VG .  TRIB  .P.  COS.  III 
P.P.  PROCOS .  A  V  AR .  L.X11I 
MEDI  .XII.  NERI .  XX  V 
Demnach  hat  man  diesen  Namen  auf  das  noch  jetzt  durch  seine 
Quellen,  sowie  die  i.  J.  1820  erfolgte  Aufdeckung  römischer  Bade- 
substruktionen  (Dampfbäder,  ähnlich  deu  zu  Aix  in  Savoyen  blosge- 
legten),  Statuen,  Säulen,  Kapitelle  und    anderer  architektonischen 
Ornamente  bekannt  gewordene  Neris-les  Bains  im  Departement 
de  l'Allier  bezogen,  woselbst  aueh  wie  in  vielen  andern  Badeorten 
eine  Bronzestatuette  der  Diana 13  gefunden  wurde,   über  welche 


"  Salotifer  Aponus  Cassiod.  Varr.  leett.  2,  39.  Suet.  Tib.  14.  Auson.  a.a.O. 
Lucan.  Phars.  VII,  202.  Claudian.  Idyll.  VI.  Orelli  1880.  Martial.  VI.  42,  6. 
Orelli  1643.  1644.  2620.3011.  MaffeiMus.  Veron.  p.  LXXXIX,  l.  Murat.  p.87,8;  12. 

«2  Caylas  Recueil  d'Antiq.  III.  p.  371  ff. 

13  Vgl.  Greppo  a.  a.  0.  p.  45—51.  Walckenaer  Gcogr.  des  Gaules  I.  p.  372. 
III.  p.  66.  d'Anville  Notice  de  Tancienne  Gaule  p.  77. 


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—    7  - 


Gottheit  als  Vorsteherin  von  Bfcdcrn  unten  noch  Näheres  erwähnt 
ist.  Mit  Unrecht  und  ohne  allen  Grund  wollte  d'Anville  in  der 
Tab.  Peuting.  Aquae  N  e  r  a  e  lesen,  was  wenigsten»,  wie  schon  G  r  e  p  p  o 
bemerkt,  Äqnae  Neriae  heissen  müsste:  aber  auch  andere  theil weise 
erat  in  der  neueren  Zeit  ebendort  aufgefundene  Steinschriften  beweisen, 
das»  der  Quellgott  Nerus  und  danach  seine  Wasser  Aquae  Neri 
Wessen.  Ein  von  Greppo  "  angeführtes  Fragment  hat  NENNERIO 
-OVH—  VISSV;  eine  andere  ebendort  i.  J.  1796  gefundene,  jetzt 
„dans  une  petite  villa  apelle*c  les  Billoux",  einige  Minuten  von  Neris 
aufbewahrte  Inschrift  lautet  nach  Greppo  p.  47: 

NVMINIBVS 
AVGVSTORVM 
ET  IVNONIBVS 
VICANI 
NERIOMAGIENSE8 
während  de  Caumont  Bulletin  monumental  vol.  XXI  (1855)  p.  00 
in  der  letzten  Zeile  NERIONACENSES  bietet,  welche  adjektivische 
Form  offenbar  auch  in  dem  obenerwähnten  Fragmente  NENNERIO— 
vorliegt:  es  hat  sich  also  gewiss  schon  in  uralter  Zeit  bei  den  dem 
Nerus  geweihten  Mineralquellen  eine  kleine  Ansiedlung  (vicus)  ge- 
bildet, deren  einheimische  Local Vorsteherinnen,  die  bekannten  galli- 
schen Muttergottheiten,  Deac  Matres  oder  Matronae,  in  obiger  In- 
schrift als  Junones   romanisirt   sind.    Weit  wichtiger  als  dieses 
Denkmal  ist  die  folgende  leider  fragmentirte  Aufschrift  einer  Tafel 
aus  weissem  Marmor  bei  Greppo  p.  58: 

.  .  .  IINIB .  AVG  ET  NERI_ 

 Sn  .  EQVES .  ER .  IIVIR  .  II 

 LVCII .  IVIIIEQ  .  ESTRIS .  FILII 

 AS .  PORTIO VS .  QVIBVS .  FONTES 

 OMNIBVS  .  SVIS .  ORNAMENTIS 

weil  sie  neben  den  NVMTNA  AVGVSTORVM  ausdrücklich  wiederum 
auch  das  NVMEN  NERI,  sowie  seine  fontes,  die  Säulenhallen  des 
Badegebäudes  und  dessen  architektonische  und  statuarische  Aus- 
schmückungen (ornamenta)  erwähnt.  Vier  Inschriften  hegen  dem- 
nach als  sprechende  Urkunden  des  Quell-  und  Badegottes  Nerus 
vor  und  bestätigen  evident  die  Richtigkeit  der  Ortsbezeichnung 
Aquae  Neri  in  der  Tab.  Peuting. 

«♦  Greppo  p.  50  nach  Barailon  Recherche»  sur  Pancienne  ville  rotnaine  de 
Neris  (Paris  1806,  8)  p.  142  o.  58.  NERVS  hat  sich  als  Töpfernamen  auf  Stem- 
peln zu  London,  Paris  und  Erna  gefunden:  vgl*  Fröhner  Insc.  terr.  coct. 
ras.  n.  1683—85. 


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8  - 


8.  Nisineius  —  Aquae  Nisineii.  Wie  die  Aquae  Neri, 
60  sind  auch  diese  Aquae  einzig  und  allein  nur  durch  die  Tab. 
Peutiug.  segm.  I.  C.  überliefert,  woselbst  sich,  auf  der  Strasse  von 
Avaricum  (Bourges)  nach  Augustodunum  (Autun),  neben  dem  Namen 
auch  wieder  das  mehr  erwähnte  viereckige  Gebäude  eingezeichnet 
findet:  übereinstimmend  15  nimmt  man  daher  Bourbon-Laucy 
(Sadne  et  Loire)  als  die  Aquae  Nisineii  an;  diese  können  aber 
nach  Analogie  der  übrigen  Aquae  nur  von  einem  Quellgotte  NiBi- 
neius,  nicht  von  „quelque  personnage  distingue*"  dieses  Namens,  wie 
Greppo  meint,  ihre  Namensbezeichnung  empfangen  haben.  Mit 
gleicher  Evidenz  bezieht  man  aber«  auch  darauf  die  an  Constantin 
gerichteten  Worte  des  Eumenius  panegyr.  VI,  22  bezüglich  der 
„aquae  calentesa  bei  den  Aeduern:  „miraberis  profecto  illam  quoque 
numinis  tui  sedem  et  calcntes  aqua»  sine  ullo  solis  ardontis  in- 
dicio,  quarum  nulla  tristitia  est  saporis  aut  halitus,  sed  talis  haustu 
et  odore  sinceritas,  qualis  fontium  frigidorum."  Das  numen  tu  um 
ist  natürlich  Apollo,  wie  auB  Vergleichung  von  cap.  21  erhellt. 
Es  lag  nahe  auch  den  heutigen  Namen  der  Stadt  auf  den  Namen 
des  Gottes  Niaineius  zurückzuführen:  d'Anville  leitet  das  l'Anci 
von  dem  Namen  Ancellus,  Anceau  ab,  wie  er  auch  bei  dem  unten 
zu  erwähnenden  Bourbou-l'Archambault  auf  einen  Erchembaldus  zu- 
rückgelit.  Miliin  dagegen  legt  dem  Lancy  sofort  den  Namen  des 
Nisineius  zu  Grunde,  zumal  der  Namen  der  Stadt  bei  älteren 
französischen  Autoren  theils  Bourbon  nensy,  theils  Bourbon  —  Nansy 
lautet;  auch  Greppo  will  Nansy  aus  Nisineius  entstanden  wissen. 
Doch  dieses  Alles  bleibt  umsomehr  blosse  Vermuthung,  als  sicherlich 
auch  der  erste  Theil  des  modernen  Namens  von  dem  gleich  zu  er- 
wähnenden Gotte  Bonno  oder  Borvo  abgeleitet  ist. 

'J.  Bormo  (Borvo)  —  Apollo  Borvo  —  Aquae  Bormonis. 
Nicht  weniger  als  4  Badeorte  sind  es,  au  welche  sich  Namen  und 
Denkmäler  des  Gottes  Bormo  oder  Borvo  knüpfen.  Schon  darum 
allein  müsste  seine  mythologische  Bedeutung  als  eine  allgemeinere, 
auf  Wasser  und  Bäder  überhaupt  bezügliche  vermuthet  werden,  wenn 
auch  andere  diese  Vermuthung  evident  bestätigende  Momente  nicht 
vorlägen.  Es  begegnet  aber  der  dem  Worte  zu  Grunde  liegende 
Stamm  nicht  blos  in  Ortsnamen  vieler  zum  Theil  weit  von  einander 
liegenden  Gegenden,  sondern  es  liegt  dabei  auch  in  vielen  Fällen 
eine  Beziehung  auf  W'asser  oder  wasserreiches  Land  nahe  oder  ist 


•*  Vgl.  Valesius  Notitia  Galliarum  p.  104.  d'Anville  p.  78  Walckenaer  I. 
p.  372.  III.  p.  68.  Greppo  p.  51—59. 


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-    9  - 


leicht  nachzuweisen.  Ganz  abgesehen  von  ßoqßoQos  ist  den  Fran- 
zosen noch  jetzt  la  bourbc  eine  sumpfig- morastische  Niederung: 
eine  Beschaffenheit  des  Terrains,  auf  welche  sich  ohne  Zweifel  auch 
die  bei  anderer  Gelegenheit 16  näher  erörterten  Localnamcn  Borma, 
Bormanum,  Bormani,  Lueus  Bormani  oder  Bormanae,  Bor- 
mana,  Borbitoraagus  (Worms  in  einer  wasserreichen  Niederung  am 
Rhein),  das  heutige  Bormcs  an  der  Kflste  von  Südfrankreich, 
sämmtlich  im  Gebiete  des  alten  Gallien  ebenso  beziehen,  wie  die 
Aquae  Bormiae»,  das  heutige  Bormio  18  am  Wormser  Joch  im 
Veltlin  und  das  makedonische  Worms  Bormissus  mit  dem  Grabe 
des  Euripides  in  der  Umgebung  zweier  Quellen,  endlich  vielleicht 
auch  der  von  den  Nymphen  in  die  Fluthen  gezogene  und  alljährlich 
durch  feierliches  Todtenfest  beklagte  Mariandynische  Wasserheros 
Bufftog.  Zu  allen  diesen  offenbar  von  demselben  Stamme  ausgegan- 
genen Local-  und  Personennamen  gesellt  sich  jetzt  auch  weiter  noch 
ein  hispanischer  Deus  Bor  man  i  c  us  19,  um  insbesondere  die  Zahl 
derjenigen  Ableitungen  zu  vervollständigen,  welche  dem  reinkeltischen 
Sprachgebiete  angehören  und  zur  Genüge  bezeugen,  dass,  wie  oben 
bemerkt,  die  Bedeutung  auch  des  Bormo  oder  Borvo  die  mehr 
allgemeine  eines  Wassergottes  war,  die  dann  wol  ihre  besondere 
Beziehuug  auf  Mineralquellen  und  Heilbäder  erhielt  und  den  in  den 
Votivinschriften  begegnenden  Gott  namentlich  in  seiner  Identifizirung 
mit  Apollo  als  Badeheilgott  erkennen  lässt.  Die  vorerwähnten 
vier  Badeorte,  deren  moderne  Namen  noch  auf  diese  Gottheit  zu- 
rückweisen, sind  nun  aber  folgende  ; 

Bourbon  l'Archarabault  (Allier):  wiewohl  an  diesem  Orte 
bis  jetzt  gar  keine  Votivaltäre  des  Bormo  (Borvo)  zu  Tage  getreten 
sind,  so  hat  man  doch  dort  die  Ueberreste  eines  römischen  Amphi- 
theaters, einer  Wasserleitung,  Bäder,  Ziegeln  von  der  Badeheizung  unter 
einer,  wie  es  scheint,  verschwenderischen  Anwendung  von  Marmor  und 
Porphyr  gefunden.  So  sicher  es  aber  nur  dem  Zufalle  zuzuschreiben 
ist,  dass  bis  jetzt  keine  Denkmäler  jener  Gottheit  daselbst  aufgefun- 
den wurden,  so  sicher  hat  dennoch  dieselbe  dem  Orte  seinen  Namen 
gegeben.  Dafür  zeugt  der  heutige  Namen  dieses  Badeorts  nicht 
weniger  als  der  mittelalterliche  und  antike.    Sirmond*0  fuhrt  aus 

•*  Vgl.  Bonner  Jahrb.  XXXIII.  XXXIV.  S.  15  ff. 
17  Caaeiodor.  Varr.  leett.  X.  29. 

Lersch  a.  a.  0.  S.  166. 
•»  Vgl.  Hübner  in  den  Monatsberichten  der  K.  Akad.  der  Wiss.  zu  Berlin 
1861  S.  801  f. 

*°  Sirmond  ad  Sidon.  not.  p.  48. 


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—  10 


einem  alten  Chronisten  folgende  Stelle  an:  „Aquitamam  ingressu» 
quacdam  oppida  et  castella  manu  cepit,  in  quibus  praeeipua  fuere 
Burbonium,  Cantillia,  Clarus  mons":  hier  kann  sich  das  Bur- 
bonium  nur  auf  unsern  Badeort  beziehen.  Dazu  kommt  endlich 
das  wichtige  ZeugnisB  der  Tab.  Peuting.  segm.  I.  C.  mit  ihren 
„Aquae  Borraonis",  eingeschrieben  wiederum  neben  einem  vier- 
eckigen Gebäude  auf  der  Strasse  von  Augustodunum  (Autun)  nach 
Avaricum  (Bourges)  zwischen  Suillia  oder  Sitillia  (Thiel)  und 
Degena  (De*eise):  einstimmig  haben  die  französischen  Archäologen  21 
darin  Bourbon  -  l'Archambault  erkannt  und  angenommen.  Weiter 
gehört  hierher 

Bourbon-Lancy:  in  diesem  schon  oben  bei  den  Aquae 
Nisineii  besprochenen  Badeorte  fanden  sich  drei  Votivinschriften, 
deren  zwei  unzweifelhaft  Borvoni  et  Damonae,  eine  Bormoni 
etDamonae  gewidmet  ist28.  Desselben  Badegottes  Verehrimg 
beurkundet  ferner  auch  jetzt  noch  der  N  amen  von 

Bourbonne  -  les  -  Bains  (Haute  Marne),  sowie  zwei  dort- 
selbst  zu  Tage  geförderte  Votivaltäre,  welche  Borvoni  et  Damo- 
nae und  Dco  Apolliui  Borvoni  et  Damonae,  demnach  also 
demselben  Götterpaare  gewidmet  sind  23.  Auch  diesen  Ort  wollte 
d'Anville2*  in  einem  der  mehrerwälmten  viereckigen  Badegebäude 
der  Tab.  Peuting.  segm.  II.  A.  auf  der  Strasse  von  Andomatunura 
(Langres)  nach  Tullum  (Toul)  erkennen ,  bei  welchen  kein  Na- 
men beigeschrieben  ist:  er  vermuthete  demnach,  dass  auch  hier 
ein  Ort  Aquae  Bormonis  d.  h.  eben  das  heutige  Bourbonne-les- 
Bains  gewesen  sei.  Dass  zwei  Badeorte  nach  einer  Gottheit  be- 
nannt worden  seien,  hat  bei  der  allgemeinen  Bedeutung  des  Deua 
Bormo  nicht  allein  Nichts  auffallendes,  sondern  wird  sich  weiter 
auch  durch  ein  analoges  Beispiel  evident  bestätigen  lassen.  Kndlich 
ist  die  Verehrung  des  Bormo  auch  durch  zwei  Inschriften  beglaubigt, 
welche  sich 

zu  Aix-les-Bains  in  Savoyen  gefunden  haben.  Die  erste 
dieser  Inschriften  ist  ungenau  zuerst  von  Albanis  de  Beaumont2s 
also  mitgetheilt  worden: 


"  Vgl.  Valesius  Notit.  Gali.  p.  104.  a.  d'Anvillo  noticc  p.  74.  Walckenaer  I. 
p.  372.  III.  p.  67.  Greppo  p.  25—27.  L.  Renicr  anauaire  de  la  soci^tc*  des  An- 
tiquaire« de  France,  1850,  p.  247. 

"  Greppo  p.  56  u.  57. 

"  Greppo  p.  28  u.  29.  Orclli-Hoxizen  5880. 

*•  Notice  p.  75. 

«  Description  des  Alpes  Grecqaea  et  Cottienaoe  pl.  XIX,  9. 


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QVRMIVS 

CVIICVS 

BONVS.M 
etwa»  besser  von  Greppo26: 

GVLILIVS 

CVRICVS 
BOMV.V.S.L.M 
zuletzt  endlich  genauer  von  Allmer27: 

CVLIIIVS 

CVTICVS 
BORVVSLM 

d.  h.  wol:  Gaius  Vettiua  Cuticus  Bormoni  uti  voverat  solvit  luben« 
merito.  Ebenderselbe  theilt  dann  weiter  a.  u.  a.  O.  p.  7  auch  die 
zweite  dieser  Inschriften  folgendermassen  mit: 

M  LIC1N  RVSO  BORM  VVSLM 

Wiewohl  unter  diesen  sieben  Votivinschriften  des  Bormo  oder 
Borvo  nur  eine  ist,  in  welcher,  wie  oben  schon  bemerkt,  dieser 
Gutt  mit  Apollo  identitizirt  erscheint,  so  kann  dieses  doch  ebenso- 
wenig auffallen,  wie  die  danebenstehende  Thatsache,  dass  vier  die- 
ser C^uell-  und  Badegottheiten  immer  nur  in  der  Zusammenstellung 
mit  Apollo  begegnen.  Dass  dieses  nur  dem  Zufalle  beizumessen  ist, 
welcher  bis  jetzt  noch  kein  inschriftliches  Zeugniss  an 's  Tageslicht 
gefördert  hat,  das  diese  Götter  nur  mit  ihrem  einheimischen  Namen 
allein  aufwiese:  daftir  zeugen  zwei  Votivinschriften  eines  Deus 
Maponus,  welcher,  obgleich  Britannien  angehörig,  doch  füglich 
hier  eingereiht  werden  darf. 

10.  Maponus  —  Apollo  Maponus  —  Aquae  Maponi. 
Die  eine  dieser  Votivinschriften ,  zu  Armthwaitc  in  Gumbcrland  ge- 
funden, ist,  neben  den  Numina  Augustorum,  in  erster  Stelle  Deo 
Mapono,  die  andere  aus  Ribchester  aber  Deo  saneto  Apollini 
Mapono  gewidmet:  letztere  zeigt  auf  der  einen  Seite  den  Apollo 
mit  der  Leier,  auf  den  beiden  andern  weibliche  Gestalten  mit  Blumen- 
körbchen ».  Dass  aber  auch  dieser  locale  Apollo  Maponus  ein 
^uell-  und  Badegott  gewesen,  darauf  weiset,  wenn  nicht  Alles  trügt, 


^  Greppo  p.  156. 

»  Sur  deux  inscriptions  votives  en  Phon  neun  de  la  deesse  (!!)  Bormo,  pro- 
tectrice,  ä  l'epoque  romaine,  des  eaux  thermales  d'Aix  en  Savoio  ot  sur  l'ety 
mologic  du  mot  BOVKBON.  Lyon  1859.  8.  p.  6. 

26  Vgl.  Colüngwood  Bruce  im  Archaeological  Journal  1855  p.  47.  p.  226. 
Briunnia  liomana  ed.  Camden-Gough  III  p.  378.  ed.  Camden-Öibson  II.  p.974. 
Th.  Wrigbt  the  Celt,  the  Roman,  tbe  Saxon  p.  263.  OrelU-Hensen  5900. 


-    12  - 


eine  in  diesem  Bezüge  unschätzbare  Notiz  des  Geographus  Ravennaa  2  9, 
welcher  unter  andern  britannischen  Oertern  auch  ein  jetzt  nicht  leicht 
mehr  näher  bestimmbares  Maponi  auffuhrt,  dessen  eigenthümliche 
Form  einen  Genitiv  vermuthen  lässt,  bei  welchem  ein  zugehöriger 
Nominativ,  wie  öfter,  ausgefallen  ist:  dieser  Nominativ  dürfte  aber 
kaum  ein  anderes  Wort  als  eben  „Aquae*  gewesen  sein:  es  wären 
demnach  auch  für  Apollo  Maponus  die  nach  ihm  benannten 
Aquac  Maponi  nachgewiesen. 

Was  nun  aber  jene  vorerwähnten  vier  Badegottheiten  angeht, 
welche  auf  Inschriften  immer  nur  mit  Apollo  identifizirt  werden, 
so  sind  es  Apollo  Cobledulitavus,  Apollo  Grannus,  Apollo 
Livius  und  Apollo  Toutiorix,  von  denen  der  erste  dem  südwest- 
lichen Frankreich,  die  übrigen  den  Rheiu-  und  Mainlanden  angehören. 

11.  Apollo  Cobledulitavus:  seine  Heimath  ist  das  alte  Pe- 
trueorii,  jetzt  Perigueux  in  Südfrankreich;  wiewohl  man  dort 
selbst  nämlich  erst  in  neuerer  Zeit  die  Substruktionen  römischer 
Badeanlagen  aufdeckte,  so  war  doch  deren  einstige  Existenz  be- 
reits durch  folgende,  schon  seit  längerer  Zeit  aufgefundene,  jetzt  „dans 
les  ruines  du  chateau  de  Barriere"  aufbewahrte  Inschrift  beurkundet30: 


ET  DEO  APOLLINI 
COBLEDVLITAVO 
M .  POMPEIVS .  C .  POMP 
SANCTI  SACERDOT 
ARENSIS .  FIL .  QVIR .  LIB 
SACERDOS .  ARENSIS 
QV1  TEMPLVM  DEA . 
TVTELAE  ET  THERMA 
PVBL1C  .  VTRAQ .  Ol 
VETVSTAE  COLLAB 
SVA  PEOVNIA  REST 
V.S.L.M 

Diese  leider  fragmentirte  Inschrift  ist  nach  Anleitung  von  Zeile 
7.  8.  im  Anfange  DEAE  TVTELAE  zu  ergänzen:  eine  Gottheit, 
deren  Verehrung  durch  zahlreiche  Votivinschriften  aus  dem  südwest- 
lichen Frankreich  dokumentirt  ist;  ebenso  ist  Zeile  9  VTRAQ  .  Ol 
wol  einfach  in  VTRAQVE  zu  verbessern,  mit  welchem  Worte  das 
templum  der  Dea  Tutela  und  die  thermae  publicae  zusammen  bezeich- 


»  p.  436,  20  ed.  Pinder  u.  Parthey. 

30  Vgl.  Revue  dea  sodetes  eavantes  1866.  IV.  p.  106. 


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-    13  — 


net  werden;  gleicherweise  ist  in  dem  angeblichen  VETVSTAE  von 
Zeile  10  die  Verbindung  von  A  und  T  übersehen,  da  es  VETVSTATK 
heissen  muss.  Unerklärlich  bleibt  der  SACERDOS  ARENSIS,  des- 
»en  Würde  die  beiden  in  der  Inschrift  genannten  Pompejer,  Vater 
and  Sohn,  bekleideten;  mit  Abbe  Audi  er  ne  einen  sacerdos  Marlis 
zu  verstehen,  ist  mehr  als  zweifelhaft.  Die  thermae  publicae  aber 
beziehen  sich  offenbar  auf  Apollo  Cobledulitavus,  welcher  ohne 
Zweifel  als  der  Quell-  und  Badegott  deren  Schutzgottheit  und  Vor- 
steher war. 

12.  Apollo  Grannus  —  Aquae  Granni.  Die  Bedeutung  die- 
ses weitverehrten  Heilgottes  erhellt  zunächst  aus  einer  Nachricht  des 
CassiusDio31  über  die  Krankheit  des  Caracalla,  welcher  während  der- 
selben verschiedene  Heilgötter  ohne  Erfolg  anrief,  darunter  auch  den 

Apollo  Grannus:  „yaQ  6  AnoUxav  6  rqavvoq  ov&  6  Aonlymos  ov&'  b 
läqantq  xaintq  nolka  ftiv  ixmioani  avxv  wpüt}aiva.  Zu  diesem  Zeug- 
nisse kommen  noch  siebzahn  meist  in  Süddeutschland  und  den  Rhein- 
landen, einzeln  auch  in  Rom,  Siebenbürgen  und  dem  Grabe  eines 
normannischen  Häuptlings  am  Mälarsee  in  Schweden  aufgefundene 
Voü\Whriften«,  welche  APOLLINI  GRANNO  gewidmet  sind :  auf 
einigen  derselben  ist  er  zugleich  mit  den  NYMPHAE,  der  HYGIA  und 
einer  gleichfalls  keltischen  DEA  SIRONA  zusammengestellt,  wodurch 
einerseits  für  ihn  selbst  auch  die  Bedeutung  als  Heilgott  und  zwar 
insbesondere  durch  Heilquellen  bestätigt,  andererseits  auch  das  Wesen 
»einer  zuletzterwähnten  göttlichen  Begleiterin  vermuthungsweise  näher 
festgestellt  werden  kann.  Schon  die  bemerkenswerthe  Thatsache, 
dass  die  bei  weitem  grössere  Anzahl  dieser  Votivinschriften  das  Rhein- 
land zum  Fundgebiete  hat,  weiset  darauf  hin,  dass  die  „Aquac 
Granni  a  ebendort  gesucht  werden  müssen,  und  man  hat  daher 
längst  schon  dieselben  in  den  Heilquellen  von  Aachen  mit  um  so 
grösserem  Rechte  wiedergefunden,  als  ihr  Namen  fast  unverändert 
in  derselben  Form  durch  das  ganze  Mittelalter  fortgelebt  hat33.  Die 
reiche  Urkundensammlung  des  Niederrheins  von  Lacomblet  ent- 
hält im  ersten  Bande  eine  zahlreiche  Menge  von  Dokumenten  aus 
dem  IX.  bis  XII.  Jahrhunderte,  unter  welchen  nur  drei  in  der 
Subscription  als  Ort  der  Ausstellung  „Aquis"  schlechthin  aufweisen; 
eine  hat  „apud  Aquis  granum",  eine  andere  „in  aquis  gra- 

3i  Lib.  LXXVII,  15  vol.  II.  p.  413  ed.  I.  Bekker. 
"  Vgl.  Orelli-Henzen  Ind.  s.  v.  p.  23. 

"  Vgl.  Vftlesius  Notit.  Gall.  p.28.  Eckhart  de  Apolline  Granno  in  Euchen- 
beekeri  Analect.  Hassiac.  Marburg  1728.  collect.  III.  n.  XI.  p.  220-244.  Bimard 
diatrib.  ad  Murat  coL  59.  Greppo  p.  159—161. 


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u  _ 


n  ensi  palatio",  die  weitaus  grössere  Anzahl  (16)  bietet  „Aquis 
Grani",  theils  in  einem,  theils  in  zwei  Wörtern  geschrieben; 
ebenso  hat  auch  Einhard  in  seiner  Vita  Caroli  M.,  während 
eine  von  F  röhner3*  mitgetheilte  mittelalterliche  Hofdichtung 
„ad  Aqua  s  Grani"  anführt  Man  ersieht  aus  allen  diesen 
Erwähnungen,  dass,  wenn  irgendwo,  grade  dort  sich  der  römische 
Namen  „Aquae  Granni"  lange  erhalten  hat,  wenn  auch  die  Form 
Aquis  granum  (eine  an  sich  ungeheuerliche  Wortbildung!)  da- 
rauf hinweiset,  dass  die  ursprüngliche  mythologische  Bedeutung  uud 
Beziehung  des  „Gran  nus"  völlig  verloren  ging,  wie  auch  die  Schrei- 
bung des  „Grani"  mit  einem  N  bezeugt.  Wie  in  vielen  analogen 
Fällen  35  schon  im  Alterthume  geschah,  Hess  man  allroählig  den  Zu- 
satz „Granni"  ganz  fallen,  wonach  sodann  aus  dem  übrig  bleibenden 
„Aquae"  das  deutsche  Aachen  und  das  französische  Aix  wurde, 
welchem  letztern  sodann  theils  wol  zur  Unterscheidung  von  dem  pro- 
vencalischen  und  savoyschen  Aix,  theils  vielleicht  auch  zur  Bezeich- 
nung der  religiös-kirchlichen  Bedeutung  der  Stadt  —  und  wie  zum 
Gegensatz  gegen  den  heidnischen  „Grannus"  —  noch  das  charak- 
teristische „la  Chapellc"  hinzugefügt  wurde. 

13.  Apollo  Livius.  Demselben  Rheingebiete  gehört  weiter 
auch  der  auf  einer  Votivinschrift  aus  Dietkirchen  bei  Bonn  zu  Tage 
getretene  Apollo  Livius  an36.  Der  anscheinend  römische  Beinamen 
Livius  darf*  hier  nicht  befremden:  auch  Zeuss37  weiset  nach,  dass 
dieser  angeblich  römische  Namen  keltischer  Abstammung  sei :  Plinius 
H.  N.  III,  4  erwähnt  eine  Stadt  Glanum  Li  vi,  ein  pagus  Livius 
findet  sich  auf  einer  Inschrift  aus  Brescia,  eine  Frau  Cracca  Livo- 
nis  filia  ist  gleichfalls  inschriftlich  beglaubigt36:  lauter  unzweifelhaft 
keltische  Personen-  und  Ortsnamen.  Eckhart39  bezieht  den  Apollo 
Livius  auf  den  zwischen  Kaisers werder  und  Ordingen  auf  dem 
linken  Rheinufer  liegenden  Ort  Linne:  wiewohl  dieses  nur  Vercnu- 
tliung  ist,  so  liegt  doch  die  Annahme  sehr  nahe,  dass  Apollo  Livius 
der  göttliche  Vorsteher  einer  der  zahlreichen  kleineren  Mineral-  und 
Heilquellen  Rheinpreussens  gewesen  ist,  welche  schon  den  Römern 
bekannt  waren. 


■**  Vgl.  Haupt*  Zeitschrift  f.  deutsches  Altertlunu.  XI.  S.  IG. 
35  Vgl.  AnnaJcn  des  Nassau'schcn  Verein»  VII,  1.  S.  122. 
'«  Vgl.  Hüpsch  Epigr.  p.  6  n.  12.  Orelli  2021. 
>»  Gram.  Celt  p.  24. 

*  Octavio  Rossi  Le  Memoric  Bresciane  od.  Vinaccesi  p.  233  n.  16.  Murat. 
77,  16.  Orelli  4901. 

39  de  Apolline  Oranuo  a.  a.  0.  p.  225. 


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-  15 

14.  Apollo  Toutiorix.  Wie  die  „Aquac  Granni"  haben 
sicherlich  auch  die  heissen  Quellen  des  heutigen  Wiesbaden  eine 
der  ersten  Stellen  unter  den  von  den  Römern  benutzten  Heilquellen 
der  beiden  Germanien  eingenommen,  und  es  wäre  auffallend,  wenn 
uns  nicht  auch  über  die  Localgottheit  derselben  irgend  ein  Zeug- 
niss  überkommen  wäre.  Bekanntlich  erwähnt  zuerst  Plinius  N.  H. 
XXX 1, 2,  17  die  „fontes calidi  trans Rhenum"  zu  „M attiacumin Ger- 
mania",  welcher  Ort  'offenbar  mit  dem  Mama*6v  des  Ptolcmaeus  II, 
11,29  und  dem  heutigen  Wiesbaden  identisch  ist40.  Wenn  nun  auch 
Ammianus  Marcellinus  XXIX,  4  dieselben  Quellen  „Aquae  Mat- 
tiacac"  nennt,  so  haben  beide  Zeugnisse  zunächst  nur  die  Benen- 
nung der  Quellen  nach  der  sie  umwohnenden  Völkerschaft  der  Mat- 
tiaci  im  Auge:  sowie  aber  z.  B.  die  Aquae  Patavinae  als  identisch 
erkannt  wurden  mit  „  Aquae  Aponia,  so  darf  auch  wol  auf  eine 
analoge  Schutzgottheit  fUr  die  heissen  Quellen  des  alten  Mattiacum 
geschlossen  werden.  Und  in  der  That  wurde  schon  i.  J.  1784  bei 
der  Fundamentirung  des  Gasthauses  zum  Schützeuhof  in  Wiesbaden 
selbst  eine  grosse  i.  J.  1852  von  da  ins  Museum  verbrachte  Votivinschrift 
aufgefunden,  welche  die  Gelübdeerfüllung  eines  Centurionen  der  VII. 
Legion  verewigt,  der  offenbar  in  den  Heilquellen  seine  Genesung  ge- 
funden hatte.  Dieser  höchst  wahrscheinlich  zwischen  den  Jahren  222 
bis  235  n.  Chr.  gestiftete  Votivaltar  aber  ist  APOLLINI  TOVT10RIG1 
geweiht,  dem  einzigen  Apollo,  welcher,  unseres  Wissens,  auf  den  In- 
schriften des  römischen  Nassau  begegnet41.  Es  kann  wohl  kaum 
einem  Zweifel  unterliegen,  dass  dieser  einzig  dastehende  Apollo 
Toutiorix  als  Hcilgott  und  sicherlich  als  Vorsteher  der  heilkräfti- 
gen Quellen  des  alten  Mattiacum  anzusehen  ist,  welche  demnach 
auch  wol  als  „Aquae  Toutiorigis"  bezeichnet  worden  sein  moch- 
ten, wiewol  ein  ausdrückliches  Zeugniss  darUber  nicht  vorliegt. 

B.  Weibliche  Quell-  um]  Badegotlheiten. 

Neben  diese  männlichen  Quell-  und  Badegottheiten  der  Kelten 
stellen  sich  nun  aber  auch  eine  Anzahl  weiblicher,  ohne  dass  je- 
doch bei  diesen  eine  römische  Gottheit  nachgewiesen  werden  kann, 
welche  mit  ihnen  so  identifizirt  worden  wäre,  wie  Apollo  mit  jenen. 
Der  Grund  dieser  Erscheinung  liegt  ganz  nahe:  es  finden  sich  näm- 
lich fast  an  allen  durch  Mineral-  und  Heilquellen  ausgezeichneten 


40  Vgl.  Annalen  a.  a.  0.  S.  76,  133  f. 

«  Orelli  2069.  Aanalen  IV.  S.  375  u.  518  n.  48. 


16  - 


Orten  der  ehemaligen  Nordprovinzen  des  römischen  Reiches  vom 
Fugse  der  Pyrenäen  bis  an  den  Rhein  und  die  Donau  zahlreiche  Vo- 
tivaltäre  der  Nyraphae:  diese  aber  waren  bei  den  Römern  bekannt- 
lich die  eigentlichen  Vorsteherinnen  der  Quellen,  in  welchen  sie  ver- 
ehrt wurden;  eine  besondere  weibliche  Gottheit  gab  es  daher  bei 
ihnen  nicht,  welche  in  analoger  Weise,  wie  Apollo  mit  den  männ- 
lichen, also  mit  den  weiblichen  Quell-  und  Badegottheiten  bei  der 
Amalgamirung  keltischen  und  römischen  Glaubens  hätte  identifizirt 
werden  können.  Dazu  kommt,  dass  überhaupt  auch  die  nachweis- 
liche und  mutlimassliche  Zahl  der  weiblichen  Gottheiten  dieser  Art 
nur  klein  ist  und  sich  im  Ganzen  auf  sechs  bis  sieben  beläuft.  Voran- 
zustellen ist 

1.  Segesta  —  Aquae  Segestae.  Zwei  an  verschiedenen 
Stellen  der  Tab.  Peuting.  neben  das  mehrerwähnte  viereckige  Ge- 
bäude eingezeichnete  Namen  von  Badeorten  sind  offenbar  von  einer 
und  derselben  Gottheit  abgeleitet,  welche  gleich  dem  Bormo  und 
der  unten  näher  zu  besprechenden  Sir o na  eine  allgemeinere 
Bedeutung  gehabt  haben  muss.  Einerseits  nämlich  führt  die  Tab. 
Peuting.  segm.  f.  F.  einen  Ort  „Aquae  Segete"  im  Gebiete  der 
Segusiavi  auf,  welchen  man  jetzt  gemeinlich  in  Moind  bei  Mont- 
brison  sucht42;  andererseits  findet  sich  ebendort  segm.  I.  C.  im  Ge- 
biete der  Senones  gleichfalls  ein  Bad  „Aquae  Segestae u  einge- 
zeichnet, welches  man  in  Montbouis  zwischen  Chanllon-sur-Loing 
und  Montargis  wiederzufinden  meint49.  Es  kann  keinem  Zweifel 
unterliegen,  dass  diese  Badegottheit  Segesta  (denn  also  ist  an 
beiden  Stellen  der  Tab.  Peuting.  zu  lesen)  gar  Nichts  mit  der  römi- 
schen Segetia44  oder  Seia  oder  Segesta46  als  die  zufallige  Na- 
mensidentität  gemein  hat,  sondern  vielmehr  als  eine  einheimische 
gallische  Göttin  anzusehen  ist  Plinius  N.  H.  III,  5  und  19  erwähnt 
Städte  des  Namens  Segesta  aus  dem  Gebiete  der  Ligurischen  Ti- 
gulli  und  der  keltischen  Carni:  in  letzterer  Stelle  ist  nämlich  Se- 
gesta statt  der  Vulgate  Segeste  aus  dem  trefflichen  Parisinus  A  (6796) 
ohne  Bedenken  in  den  Text  aufzunehmen.  Dazu  kann  noch  Se- 
gestica  als  Namen  einer  durch  den  Zusammenfluss  des  Savus  und 
der  Colapis  gebildeten  Insel  aus  demselben  Schriftsteller  III,  25,  28 


*»  Vgl.  Forbiger  Hdbch.  d.  a.  Geogr.  III  S.  210.  Aug.  Beruard  description 
du  pays  des  Segusiaves,  Lyon  1858,  p.  94. 
43  Greppo  p.  71-86. 

Vgl.  Augustin.  Civ.  Dei.  IV,  8,  26  vol.  I.  p.  145  ed.  Strange. 
4*  Vgl.  Plin.  N.  H.  XVIII,  2. 


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-    17  - 


gefügt  werden.  Der  Segeeta  reiht  Bich  zunächst  eine  britannische 
Quell-  und  Badgottheit  an,  da  bei  ihr  genau  dasselbe  Verhältniss  ob- 
waltet, wie  bei  dem  oben  mit  aufgeführten  britannischen  Apollo  Ma- 
ponus:  diese  Gottheit  ist 

2.  Sulis  —  Sulis  Minerva  —  Aquae  Sulis.  Das  Itine- 
rarium  Antonini 46  fuhrt  nämlich  einen  Ort  auf,  welcher  in  der  ge- 
wöhnlichen Lesung  mit  „Aquis  So  Iis"  bezeichnet  wird.  Während 
Ptolemaeös47  ihn  einfach  vdnta  d^ü,  aquae  calidae,  nennt,  und  man 
denselben  längst  in  dem  heutigen  durch  seine  heissen  Quellen,  wie 
durch  seine  zahlreichen  römischen  Alterthümer  bekannten  Badeort 
Bath  erkannt  hat,  stand  die  unverfälschte  Schreibung  seines  Namens 
noch  nicht  fest.  Da  unter  den  Handschriften  des  Irin.  Anton,  die 
zweite  Hand  des  dem  VIII  Jahrhunderte  angehörigen  codex  Vindo- 
bonensis  (L)  und  der  mit  ihm  eng  verwandte  Reroensis  (I:  praefat. 
p.  XVII),  sowie  der  mit  ihm  meist  Übereinstimmende  Vaticanus  1883 
(N:  praefat  p.  XX)  jedoch  „Aquis  Sulis"  bieten,  so  ist  bereite 
von  E.  Hubner48  auf  diese  Leseart  als  die  allein  richtige  hingewie- 
sen worden,  zumal  nun  auch  die  inschriftlichen  Zeugnisse  die- 
selbe evident  und  Uberraschend  bestätigen.  Ganz  abgesehen  davon, 
dass,  wie  Hübner  bemerkt,  „Aquae  Soüs"  schon  mythologisch  ganz 
unwahrscheinlich  ist  (denn  die  „Aquae  Apollinares"  bei  Vicarello  in 
Italien  können  bei  der  ganz  verschiedenen  Beziehung  des  Apollini- 
schen bei  ihx  er  Benennung  gar  nicht  verglichen  werden) :  liegen  näm- 
lich sechs  inschriftliche  Votivwidmungen  aus  Bath  vor,  von  denen 
drei  einer  DEA  SVLIS  (denn  also  lautet  der  Nominativ  zu  dem 
gleichlautenden  Genitiv  und  dem  Dativ  SVLI  dieser  Inschriften) 
schlechthin,  drei  andere  aber  einer  DEA  SVLIS  MINERVA  ge- 
weiht sind49:  der  englische  Alterthumsforscher Ly  sons50  hat  daher,  wie 
Hübner  bemerkt,  den  Namen  der  Göttin  mit  den  „Aquae  Sulis" 
zusammengestellt  und  allerlei  etymologische  Versuche  daran  geknüpft. 
Dass  es  dieser  nicht  bedarf,  erhellt  aus  unserer  ganzen  Erörterung, 
wonach  einerseits  bei  der  evidenten  Uebereinstimmung  der  besten 
handschriftlichen  und  inschriftlichen  Urkunden  über  den  Namen  der 
„Aquae  Sulis8  ebensowenig  Zweifel  mehr  sein  kann,  wie  anderer- 


4S  p.  486,  3  ed.  Wesseling;  p.  233  ed.  Pinder  u.  Parthey. 
4»  p.  73,  16  ed.  Tauchnitz. 

Rhein.  Mus.  f.  Philol.  N.  F.  XIV  S.  349. 
*»  Lysons  Reüqniae  Britannico-Romanae  (London  1813.  fol.)  vol.  I.  Tab.  X, 
1,  2,  3,  4;  Tab.  VI,  6;  XIII,  2.  Orelli  2052.  Orelli-Henaen  5914. 
*•  Lysons  vol.  I.  p.  9.  not.  c. 

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-    18  - 

seita  darüber,  dass  jene  ,Aquae"  ganz  und  gar  nach  Analogie  der 
meisten  vorerwähnten  Badeorte  ebendiesen  ihren  Namen  von  ihrer 
einheimischen  keltischen  Schlitzgottheit  erhalten  haben.  Ganz  beson- 
ders bemerkenswerth  ist  nun  aber  die  Identinzirung  derselben  mit 
der  römischen  Minerva,  wie  sie  in  drei  Inschriften  klar  vorliegt 
Es  würde  hier  zu  weit  führen,  das  Wesen  der  keltischen  Bei isama, 
welche  die  Römer  wol  zunächst  mit  ihrer  Minerva  identifizirten, 
sowie  anderweitige  Identifizirungen  keltischer  Göttinnen  mit  ebender- 
selben, insbesondere  mit  Rücksicht  auf  Caesar  b.  g.  VI,  17,  näher 
zu  erörtern;  eine  bemerkenswerthe  Thatsache  dagegen  darf  nicht 
Ubersehen  werden,  das  unzweideutige  Zeugniss  nämlich,  welches  da- 
rüber vorliegt,  dass,  bei  dem  allmähligen  Untergange  der  alten  kel- 
tischen Götterwelt  und  dem  vollständigen  Siege  der  Götter  Roms, 
auch  in  Bath  die  einheimische  Öulis  zuletzt  ganz  und  gar  der  rö- 
mischen Minerva  gewichen  ist,  unter  deren  Schutz  sodann  alle  jene 
Heilquellen  kamen.  Es  berichtet  nämlich  C.  Julius  Solinus51  bei  sei- 
ner Beschreibung  Britanniens:  „Circuitus  Britanniae  quadragies  oc- 
ties  septuaginta  quinque  milia  (passuum)  sunt  In  quo  spatio  magna 
et  multa  flumina,  fontes  calidi  opiparo  exculti  apparatu  ad  usus 
mortalium:  quibus  fontibus  praesul  est  Minervae  numen, 
in  cuhis  aedc  perpetui  ignes  numquam  canescunt  in  favillas,  sed  ubi 
ignis  tabuit,  vertit  in  globos  saxeos.a  Die  zuletzt  erwähnte  Thatsache 
von  einem  ewigen  Feuer  scheint  auch  einem  Chronisten  des  14.  Jahr- 
hunderts bekannt  gewesen  zu  sein,  welcher  dasselbe  in  einen  dem 
Apollo  und  der  Minerva  geheiligten  Tempel  versetzt5*.  Ueberhaupt 
dauerte  die  Bedeutung  und  Frequenz  des  Badeorts  Bath  sicherlich 
unter  lebendiger  Bewahrung  der  lokalen  Traditionen  durch  das  ganze 
Mittelalter  fort,  wie  ausser  den  mannigfachen  Restaurationen  der  dor- 
tigen Thermen  von  geistlicher  und  weltlicher  Seite,  sowie  den  Bad- 
besuchen  selbst  der  königlichen  Familie68  insbesondere  noch  ein  Be- 
richt aus  dem  Jahre  1671  mit  den  Worten  meldet:  „Illuc  omnis  ge- 
neris  omnisque  conditionis  viri  foeminaeque,  sanitatis,  imo  delitiarum 
causa  tota  ex  Britannia  confluunt"64 

Auf  dieselbe  britannische  Dea  Sulis  bezieht  sich  vielleicht  auch 
ein  auf  der  Tab.  Peuting.  segm.  1.  A  in  dem  Gebiete  der  Britannien 


»  C.  Julii  Solini  polyhistor  ed.  Salmas.  (Plinianae  Excrcitt.),  Utrecht  1689, 
fol.  cap.  XXII.  p.  31.p.  114  f.  ed.  Tb.  Mommsen. 
"  Lerscb  a.  a.  0.  S.  29. 
"  Lorsch  a.  a.  0.  S.  161  u.  165. 
w  Lorsch  a.  a.  0.  S.  204. 


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-    19  - 


gegenüber  auf  der  Westküste  Frankreich  wohnenden  Veneti  einge- 
«eichneter  Ort  S  u  1  i  m,  welchen  d'A  n  v  i  1 1  e «  Su  1  i  s  nennt  und  Wa  1  c  k  e- 
uaerw  nach  Hennebon  in  Morbihau  verlegt:  ein  Ort,  der  nach  Pa- 
tiasier57  Mineralquellen  enthält ;  ob  aber  auch  römische  Alterthümer, 
ist  nicht  bekannt  Diesen  beiden  Göttinnen  reihen  sich  am  besten 
zwei  schon  genannte  göttliche  Begleiterinnen  des  Apollo  an. 

3.  Damona:  sowohl  auf  den  beiden  zu  Bourbonne-les-Bains  als 
den  drei  zu  Bourbon-Lancy  gefundenen  Votivaltären  des  Bormo  oder 
Borvo  ist  diese  Göttin  mit  Apollo  zu  einem  Götterpaare  verbunden, 
so  dass  wol  aus  der  Natur  und  dem  Wesen  ihres  (Begleiters  auf  ihr 
eigenes  Wesen  ein  Schluss  erlaubt  ist,  wie  dieses  auch  bei  andern 
ähnlichen  Götterpaaren  aus  der  römisch-keltischen  Mythologie  nahe- 
gelegt ist.  Bemerkenswerth  ist  bei  diesen  Votivinschriften  noch,  dass 
eine  derselben  einen  C.  Damin ius  Ferox,  civis  Lingonus,  zum 
Stifter  hat,  dessen  Namen  so  sehr  an  den  der  Damona  anklingt, 
dasa  eine  Art  besonderen  Namenspatronatsverhältnisses  vorzuliegen 
«hebt58.  Derselbe  Wortstamm  liegt  übrigens  offenbar  auch  den 
keltischen  Personennamen  Dama,  Damo  und  Damio  zu  Grunde89. 

4.  Sirona.  Wie  Damona  mit  (Apollo)  Bormo  oder  Borvo,  so 
ist  auch  Sirona  auf  vier  der  obenerwähnten  Votivaltäre  des 
Apollo  Grannus  mit  diesem  zu  einem  Götterpaare  verbunden  und 
darf  desshalb  wol  ebenfalls  als  eine  wohlthätige  Heil-  und  Quellgott- 
heit angesehen  werden.  Bestätigt  wird  dieses  ganz  besonders  durch 
eine  vor  nicht  langer  Zeit  in  dem  obenerwähnten  Badeort  Luxeuil 
(Luxovium)  aufgefundene  Votivinschrift,  welche  ebenso  wie  eine  an- 
dere von  der  unten  zu  erwähnenden  Quelle  bei  Nierst  ein,  vielleicht 
auch  eine  dritte  aus  G raube  bei  Soulosse  in  Frankreich,  nur  dem 
Apollo  allein  ohne  weitere  Beinamen  und  der  Sirona  gewidmet  ist: 
auch  diese  beiden  Fundstätten  und  diese  Zusammenstellung  der  Si- 
rona mit  dem  römischen  Heilgotte  kann  nur  die  jener  Göttin  beige- 
legte Bedeutuug  bekräftigen.  Dass  aber,  wie  auch  wol  bei  der 
Damona,  diese  Bedeutung  weniger  eine  locale,  an  eine  bestimmte 
Heilquelle  vorzugsweise  geknüpfte,  sondern  vielmehr,  wie  bei  Bormo, 


»  Notice  p.  622. 

*  Geogr.  III.  p.  58. 

"  Manuel  dea  eaux  niinerales  de  la  France  p.  557 

*  Vgl.  Orelli-Henzen  5880.  Zeitschrift  f.  d.  Alter'thumsw.  1845  S.  56  und 
1*1  8.  119  ff. 

*  Vgt.  Wiener  Jhrb.  1846.  GXV1.  Anzbl.  S.  59.  Stuart  Caledonia  Romana 
t»b  V.  5  p.  192.  Overbeck  Katalog  des  Bonn.  Mus.  S.  73  n.  146.  Fabrett. 
P  465,  96.  Bullet,  dell'  inst.  arch.  1848  p.  110.  Orelli  1658. 

2* 


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-    20  - 

eine  allgemeinere  war;  dafür  zeugen  überdies«  noch  sieben 
weitere  Votivinschriften,  welche  nicht  nur  der  Dea  Sirona  allein 
gewidmet  sind,  sondern  auch  durch  ihre  Auffindung  in  dem  weiten 
Gebiete  von  Bretten  in  Siebenbürgen  bis  tief  nach  Frankreich  hinein 
zugleich  genugsam  die  weite  Verbreitung  ihres  Cultus  und  damit 
sicherlich  auch  die  allgemeinere  Bedeutung  ihres  Wesens  beurkun- 
den60.  Der  Damona  und  Sirona  schliesst  sich  zunächst  an  die 

5.  Divona,  jene  berühmte  Quelle  zu  Burdigala  (Bordeaux), 
welche  man  jetzt  in  der  Quelle  von  Fondaudege  zu  sehen  glaubt: 
bekannt  ist  das  hohe  Lob,  welches  ihr  Ausonius  gegen  Ende  des 
vierten  Jahrhunderts  spendet61: 

Salve  fons  ignote  ortu,  sacer,  ahne,  perennis, 
Vitree,  glauce,  profunde,  sonore,  illinis,  opace; 
Salve  urbis  genius,  medico  potabilis  haustu, 
Divona  Celtarum  lingua  fons  addite  Divis, 
und  an  Güte  Uber  die  Wasser  des  Aponus  und  Nemausus  stellt 
Burdigala  gehörte  bekanntlich  zu  dem  Gebiete  der  Bituriges  Vivisci, 
während  auch  die  Hauptstadt  der  Cadurci,  das  jetzige  Cahors,  gleich- 
falls Divona  hiess62.   Ausser  den  vorgenannten  Quell-  und  Badegott- 
heiten lassen  sich  noch  einige  andere  Göttinnen  mit  fast  gleicher 
Sicherheit  demselben  mythologischen  Kreise  einreihen.  Zuvörderst 
ist  aus  diesen 


"  Vgl.  Bonner  Jahrb.  XX.  S.  108  f.  XXVII.  S.  80-82.  Orelli-Henzen  Ind. 
b.  v.  p.  38. 

«»  Clar.  nrb.  XIV,  29  ff. 

81  Vgl.  Forbiger  a.  a.  0.  III.  S.  165.  Chaudruc  de  Crazannes  in  Rev  ar- 
cheol.  1841  p.  165—170.  Greppo  p.  113  f.  Mit  Unrecht  verlegt  Lersch  a.a.O. 
S.  15  f.  die  Quelle  Divona  nach  Bagneres-de-Luchon,  dessen  Badegottheit  Lixo 
oben  von  uns  nachgewiesen  wurde.  Zur  Divona  fons  mag  hier  noch  die  Ura 
fons  verglichen  werden,  welcher  ein  auf  dem  rechten  Ufer  der  Vidourle  bei 
der  alten  Stadt  Ambrusaium  im  Gardiiepartement  gefundener  Votivaltar  geweiht 
ist,  der  sich  jetzt  im  Museum  der  Stadt  Nimes  befindet  und  in  der  Mitte  der 
Vorderseite  einen  mit  der  patera  libirenden  verschleierten  Priester  zeigt,  ober- 
und  unterhalb  dessen  die  Inschrift 

AVGVST 
LARIBVS 
CVLTORES  VRAE 
FONTIS 

vertheilt  ist.  Diese  Ura  fons  ist  bald  auf  die  Vidourle  selbst,  bald  auf  den 
Bach  Eure,  dessen  Wasser  ehemals  mit  der  Quelle  Airan  nach  Nimes  geleitet 
waren,  bald  auf  die  fontaine  d'Urre  bei  Uzes  unweit  Nimes  gedeutet  worden: 
vgl.  Annales  encyclopediques  tom.  III.  (1818)  p.  271.  Greppo  p.  213.  Boissieu 
Insc.  de  Lyon  p.49  n.  XXX11.  Comarmond  descript.  du  museelapidaire  de  Lyon  p.351 
n.587  pl.lXn.587.  Cataloguedumus.d.Nimesp.71.Annal.dell'inst.arch.l853.p.58. 


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-  21 


6.  Acionna  hervorzuheben,  welcher  die  nachfolgende  Votivin- 
schrift  einer  quadratischen  Platte  gewidmet  ist,  die  bei  den  Ausgra- 
bungen der  Fontaine  de  l'Etuve*e  zu  Fleury  unweit  Orleans  zu  Tage 
gefördert  wurde63: 

AVG .  ACIONNA  E 
SACRVM 

CAPILLVS  ILLIO 
MARI.F.PORTICM 

CVM  SVIS  ORNA 
MENTIS.V.S.L.M 

Uebcreinstiinracnd  sehen  alle  Erklärer  dieser  Inschrift  in  der  ACI- 
ONNA die  Göttin  der  Quelle  de  l'Etuvtfe  selbst :  eine  Ansicht,  welche 
insbesondere  durch  die  Vergleichung  der  einen  zu  Neris-les-Bains  ge- 
fundenen und  dem  NERVS  gewidmeten  Inschrift  eine  grosse  Stütze 
erhält.  Beide  Inschriften  beurkunden  die  Errichtung  einer  Säulen- 
halle d.  h.  einer  eleganten  (cum  suis  ornamentis)  Trink-  und  Spa- 
zierhalle  für  die  Kurgäste  um  die  betreffenden  Heilquellen  von  Sei- 
ten genesener  und  daher  gegen  die  Quellgottheit  dankbarer  Bade- 
gäste; wie  zu  Neris-les-Bains,  so  wird  demnach  also  auch  hier  die 
darüber  sprechende  Votivurkunde  der  wohlthätigen  Gottheit  selber 
gelten.    Wie  Acionna  darf  dann  auch  wol 

7.  BlandafÜr  die  Mineralquellen  des  auch  durch  anderwei- 
tige Inschriftenfunde 64  bemerkenswerthen  Belley  (Belicensis  vicus) 
im  Departement  de  l'Ain  als  Schutzgöttin  und  Vorsteherin  mit  gutem 
Grunde  vermuthet  werden.  Es  liegt  für  diese  Vermuthung  bis  jetzt 
freilich  nur  eine  einzige  im  dortigen  Präfekturgebäude  aufbewahrte 
inschriftliche  Urkunde  vor,  welche  Greppo  p.  182  also  mittheilt: 

D .  BLANDE 
CAESIA .  RV 
FINA .  PRO .  SA 
LVTE . BELLI 
RVFIANI .  FIL 
EX.V 


a  Vgl.  B.  Stark  Städteleben ,  Kunst  und  Altertbum  in  Frankreich,  Jena 
1865,  8.  S.  613.  Mem.  et  dissert  d.  1.  soe.  d.  Antiq.  d.  France,  VII  praef. 
p.  69  uod  XI  (1835)  p.  291.  de  Wal  Myth.  sept.  mon.  epigr  p.  8  n.  X.  Musee 
d'Orleans:  explication  des  tableaux ,  antiquites  etc.  Orleans  1851  p.  186. 
Greppo  p.  267  f. 

"  Reines.  Synt  p.  209.  CCXVI.  CCXVIL  Orelli  1898. 


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-    22  — 


Zu  dem  Namen  der  Göttin,  der  vielleicht  eine  Zusammenziehung 
aus  Belanda  ist  und  damit  an  den  oben  erwähnten  Belcnus,  den 
Namen  des  Belicensis  vicus  selbst,  die  gallische  Völkerschaft  der 
Belind  i  und  andere  Bildungen  ähnlicher  Art  erinnern  würde,  lassen 
sich  aber  zunächst  der  Namen  der  hispanischen  Stadt  Blandae  bei 
Plin.  N.  H  III,  3,  sowie  ein  Helvetier  Bland us  Vindaluconis  filius 
bei  Mo  mm  Ben  Insc.  Helv.  290  vergleichen.  Wie  Blanda,  so  dürfte 
weiter  auch 

8.  Düna  als  Quellgöttin  in  einer  von  zwei  Votivinschriften  auf- 
zufassen sein,  welche,  zu  Bouhy  zwischen  St.  Amand  und  Entrains 
gefunden,  dem  MARS  BOLVINNVS  gewidmet  sind65.  Während 
nämlich  dieser  Gott  einer  der  zahlreichen  gallischen  mit  dem  römi- 
schen Mars  identifizirten66  Kriegsgötter,  zugleich  aber  als  die  Local- 
gottheit  des  dem  Fundorte  Bouhy  benachbarten  Dorfe  Bonlin  nicht 
zu  verkennen  ist,  wird  die  mit  ihm  gepaarte  Du  na  sicherlich  als 
Vorsteherin  der,  wie  LeBlant  hervorhebt,  den  Römern  wohlbekann- 
ten Mineralquellen  von  Bouhy  mit  allem  Rechte  anzunehmen 
sein    Der  Düna  schliesst  sich  endlich  an 

0.  Mcduna  und  10.  Devercana,  beide  durch  einen  kleinen 
in  dem  rheinpreussischen  Badeort  Bertrich  gefundenen  Votivaltar 
beurkundet67  und  vielleicht  als  Vorsteherinnen  dortiger  Quellen  ver- 
ehrt : 

DEVERCANE 
ET  MEDVNE 
L.TACCITVS 
V.S.L.M 

Zur  Vervollständigung  dessen,  was  bereits  oben  über  diejenigen 
römischen  und  griechischen  Gottheiten  angedeutet  worden  ist,  welche 
noch  ausser  und  neben  dem  ersten  und  vorzüglichsten  Heilgotte 
Apollo  bei  der  im  Laufe  der  Zeiten  immer  gewaltigem  Ueberwucht 
des  Glaubens  der  siegreichen  Eroberer  über  die  Götterwelt  der  be- 
siegten Kelten  an  die  Stelle  der  einheimischen  Quell-  und  Badegott- 
heiten getreten  sind,  erscheint  es  nicht  unangemessen,  einige  Bemer- 
kungen über  Hercules,  Aesculapius  und  Hygia,  sowie  ins- 
besondere über  Diana  als  Badevorstcherin  beizufügen.    Mit  Recht 


«  Vgl.  de  Caumont  Ballet,  monum.  vol.  XX  (1854)  p.  252.  Lc  Blant  In- 
sertptions  ebrettennes  de  la  Gaule,  Paris  1856,  4.  I.  p.28.  Bonner  Jahrb.  XXIX 
XXX.  p.  171  f. 

«  Rhein.  Mus.  f.  Piniol.  N.  F.  XVII.  S.  18.  A.  7. 

«'  Bonner  Jahrb.  XXVIII.  8.109.  XXIX  XXX.  S.  78  -82.  n.  170. 


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wird  unter  diesen  Hercules  als  die  personifizirte  gewaltige  Natur- 
kraft sei  sie  neptunischer  oder  vulkanischer  Art  vorangestellt,  zumal 
sich  diese  doppelte  Art  der  Naturwirkung  grade  in  der  Mineral-  und 
Heilquelle  so  offenkundig  dokumentirt.  Aus  diesem  Grunde  waren 
vorzugsweise  alle  hei  äsen  Quellen  ihm  geweiht  und  nach  ihm  be- 
nannt: seine  Tempel  erhoben  sich  allenthalben  bei  denselben  und  er 
selbst  wurde  als  Hercules  salutiier  Heilgott  wie  Apollo  6S.  Nicht 
minder  grade  bei  den  Heilquellen  und  wiederum  insbesondere  bei  den 
warmen  verehrt  erscheint  Aesculapius  mit  seiner  göttlichen  Be- 
gleiterin Hygia:  auch  ihre  Tempel  und  Bilder,  sowie  die  ihnen  zur 
glücklichen  Genesung  (pro  salute)  Krkrankter  geweihten  Votivaltäre 
fanden  sich  bei  vielen  J I eilquellen  durch  das  Kömerreich  69,  so  insbe- 
sondere auch  in  unseren  Rhein-  und  Mainlanden,  in  welchen  der 
Sauerbrunnen  bei  Godesberg  unweit  Bonn  gleichfalls  als  Fundort 
einer  beiden  Gottheiten  geweihten  Yotivinschrift  bekannt  ist70.  An 
Hygia  schliessen  sich  zunächst  die  in  zahlreichen  inschriftlichen  Ur- 
kunden überlieferten  Nymphae,  Uber  welche  bereits  oben  ebenso 
wie  über  die  an  die  Stelle  der  Dea  Sulis  getretene  britannische 
Minerva  gesprochen  worden  ist  Ks  erübrigt  sonach  noch  Diana 
in  ihrer  besonder!)  Beziehung  zu  Heilwassern  einer  kurzen  Betrach- 
tung zu  unterziehen  und  namentlich  die  wenigen  Spuren  zusammen- 
zustellen, welche  auf  ihre  Verehrung  an  Mineralquellen  Galliens  und 
vor  allem  der  Rhein-  und  Mainlande  hindeuten.  Wie  Artemis,  so 
wurde  auch  Diana,  die  göttliche  Vorsteherin  der  Waldgebirge  und 
der  Jagd,  bei  den  Quellen  verehrt;  gleich  dem  Sonnen-  und  Quellen- 
heilgott Apollo,  wurde  wol  auch  sie  als  Göttin  der  Nacht,  des  in 
den  Quellen  sich  spiegelnden  Mondes,  als  Schützerin  der  dieselben 
umgebenden  Waldungen  in  enge  religiöse  Beziehung  zu  jenen  ge- 
bracht71. Schon  oben  ist  der  Fund  einer  Statuette  der  Diana  zu 
Neris-les-Bains  erwähnt  worden:  ein  ebenso  unverkennbares 
Zeugnis»  ihres  nahen  Verhältnisses  zu  den  dortigen  Quellen,  wie  zu 
L  <?  o  m  o  n  t  im  Departement  de  la  Meurthe,  woselbst  sich  bei  einem 
Gehölze  eine  Quelle  findet,  welche  der  localen  Tradition  nach  der 
Diana  geheiligt  gewesen  sein  soll:  eine  Ueberlieferung ,  die  sich 
evident  durch  die  Auffindung  einer  Anzahl  Medaillen  von  Blei 


tt  Vgl.  Lersch  a.  a.  0.  8.  16  u.  230. 
«9  Vgl.  Lersch  8.  27—29. 

70  Steiner  cod.  inao.  Rom.  Danub.  et  Rhen.  n.  1006. 
"  Vgl.  Lersch  8.  22.  230. 


-    24  - 

mit  dem  Bilde  dieser  Göttin  bestätigt  hat7»;  es  bilden  diese 
Medaillen  eine  der  zahlreichen  Sorten  von  Heilgaben  ex  voto,  die 
man  nach  erlangter  Genesung  zum  Danke  in  die  Quellen  zu  werfen 
pflegte73.  —  In  gleicher  Weise  wie  in  dem  innern  so  treten  aber 
auch  die  Spuren  dieser  Dianenenverehrung  bei  den  Mineralquellen 
auch  in  dem  rhein-  und  mainländischen  Gallien  hervor.  Zunächst  ist 
hier  das  römische  Bad  zu  Badenweiler  im  Schwarzwalde  als 
Fundstätte  von  zwei  theilweise  leider  bruchstUcklichen  Votiv- 
in Schriften  zu  bezeichnen7*,  deren  eine  einem  wohlerhaltenen  Votiv- 
altare  angehört,  welcher  sich  vor  der  geöffneten  Vorderseite  der 
Mittelhallc  (vestibulum),  die  von  den  Höfen  aus  in  das  einst  gross- 
artige Badegebäude  fuhrt,  noch  jetzt  befindet,  ganz  charakteristisch 
demnach  den  Eintretenden  sogleich  die  Schutzgöttin  und  Vorsteherin 
der  Heilbäder  vor  Augen  stellte:  es  war  dieses  Diana  Abnoba. 
Die  Dea  Abnoba75  war  bekanntlich  die  göttliche  Personification 
des  Schwarzwaldes  *(mons  Abnoba),  worauB  sich  einerseits  ihre  Iden- 
tiflzirung  mit  Diana,  andererseits  deren  Verehrung  im  römischen 
Badenweiler  leicht  erklärt  Die  Ausdehnung  des  Schwarzwaldes 
durch  das  ganze  heutige  Baden  lässt  es  weiter  sehr  natürlich  finden, 
dass  dieselbe  Diana  Abnoba  auch  in  der  Hauptstadt  desselben,  bei 
den  berühmten  Quellen  von  Baden-Baden,  gleichfalls  ihre  Ver- 
ehrung gefunden  habe,  wie  eine  im  Sommer  d.  J.  1845  dort  zu  Tage 
geförderte  2"  hohe  Statuette  von  Erz  genugsam  beurkundet,  welche 
eine  Diana  und  ohne  Zweifel  eine  Diana  Abnoba  vorstellt,  wie 
sie  eben  den  Bogen  spannt7*.  Dieselbe  Verdrängung  der  einheimi- 
schen Localgottheit  durch  Diana  liegt  ferner  auch  bei  dem  rhein- 
preussischen  Bade  Bertrich  vor,  dessen  vermuthliche  Vorsteherinnen 
Devercana  und  Meduna  oben  besprochen  worden  sind.  Ebendort 
in  der  Bonbeuerner  Flur,  einem  Abhänge,  an  welchem  sieh  in  etwa 
30*  Länge  die  Grundmauern  eines  Gebäudes  hinziehen,  wurde  näm- 
lich i.  J.  1860  eine  V/t'  hohe  Figur  der  Diana  aus  feinem  alabaster- 


»  Vgl  Alfred  Maury  in  Rcv.  nrcheolog.  N.  S.  I  (1860)  p.  59  not.  7  nach 
Lepage  le  departement  de  la  Meurthe  II.  p.  291  f. 

»  Vgl.  über  diese  Heilgaben  (stipes)  in  Quellen,  Flüssen,  Seen  ausser  Lcrsch 
S.  43-49.  Becker-Marquardt  Rom.  Alterth.  IV  S.  157  A.  920. 

»  Vgl.  H.  Leibnitz  Die  römischen  Bäder  bei  Badenweiler  im  Schwarzwald 
Loipzig  1855  S.  11  und  Taf.  II  6g.  1.  Steiner  a.  a.  0.  845  u  846. 

T&  Vgl.  Orelli  4974.  Fickler  Die  Donauquellen  und  das  Abnobagebirge  der 
Alten,  Carlsruhe  1840,  S.  86.  A.  58.  Fröhner  Die  groasherzogl.  Sammlung 
vaterländischer  Altcrthümer  zu  Carlsruhe  (1860)  S.  16  n  39. 

«  Vgl.  Ph.  Kappencgger  Aurelia  Aqueusis,  die  Stadt  Baden  als  römische 
Niederlassung,  Mannheim  1853,  S.  21.  n.  10,  2. 


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-    25  - 

ähnlichem  Marmor  gefunden,  neben  welcher  die  Hindin  herlauft, 
die  von  dem  an  ihr  aufspringenden  Hunde  so  eben  ereilt  wird:  die 
Göttin,  mit  dem  Köcher  auf  dem  Rücken  (der  rechte  Arm,  welcher 
den  Bogen  hielt,  fehlt),  in  dem  ärmellosen  dorischen  Chiton,  ist  als 
rasch  dahin  eilende  Jagd^öttin  dargestellt 11 .  Da  diese  Figur  der 
Göttin,  ohne  sonderlich  feine  Ausführung  fabrikmässig  gearbeitet, 
ohne  eigentlich  künstlerischen  Werth  ist,  in  den  rheinischen  Römer- 
ansiedlungen  aber  Darstellungen  der  Diana  Uberhaupt  als  selten 
bezeichnet  werden  müssen;  so  ist  ihr  Vorkommen  in  dem  kleinen 
Römerbad  offenbar  daher  zu  erklären,  dass  die  fragliche  Figur  ohne 
Zweifel  als  Bild  der  Badevorsteherin  auf  öffentliche  Kosten  in  irgend 
einer  gallischen  Fabrik  bestellt  und  in  der  Nähe  des  Hauptbadege- 
bäudes  errichtet  worden  ist.  —  Eine  vierte  unzweideutige  Spur  der 
Verehrung  der  Diana  als  Badevorstehorin  findet  sich  endlich  in 
der  Vita  S.  Remacli  c.  12,  woselbst  von  einer  Wanderung  des  Hei- 
ligen in  dieArdennen  also  berichtet  wird:  „Warchinnam  rivulum 
accedit,  invenit  illic  certa  indicia  loca  illa  quondam  idolatriae  misse 
maneipata.  Erant  illic  lapides  Dianae  et  id  genus  portentosis  no- 
minibus  inscripti  vel  effigies  eorum  habentes;  fontes  etiam  homi- 
num  quidem  usibus  apti,  sed  gentilismi  erroribus  polluti  atque  ob  id 
etiamnum  daemonum  infestationi  obnoxii."  Die  „lapides  Dianae  por- 
tentosis nominibus  inscripti8  und  die  „effigies"  beziehen  sich  sowohl 
auf  Bilder  der  Diana  und  anderer  römischen  Götter,  als  auch  auf 
Votivaltäre  mit  und  ohne  solche  Bilder.  Die  Diana  aber,  welche 
hier  bei  den  Heilquellen  verehrt  wurde,  war  ohne  Zweifel  die  Diana 
des  Ardennenwaldes  (Arduenna)  selbst  Wie  nämlich  der  oben  er- 
wähnte Schwarzwald  bei  den  Anwohnern  als  Dea  Abnoba  vergött- 
licht  wurde,  so  der  Ardennerwald  als  Dea  Arduinna,  deren  Denk- 
mäler zum  Theil  gerade  am  Rande  desselben  gefunden  wurden78. 
Gleich  der  Abnoba  aber  wurde  auch  Arduinna  gradezu  mit  Diana 
identifizirt  als  Dian  a  Ar  du  in  na  und  sie  ist  es,  welche  in  der  oben- 
erwähnten Stelle  der  Vita  S.  Remacli  gemeint  wird.  —  Aus  dieser 
göttlichen  Funktion  der  Diana  als  Quell-  und  Badevorsteherin,  wie 
sie  in  den  vorerwähnten  wenigen,  aber  unzweideutigen  Spuren  vor- 
liegt, erklärt  sich  denn  auch  zur  Genüge,  wie  sie  nicht  blos  als  eine 
Waldgöttin  „Diana  nemorensisa,  sondern  gradezu  auch  als  eine 
„reg  i  na  audarum"  bezeichnet  werden  konnte,  wie  es  auf  einer 
Inschrift  aus  den  „Aquae  Jasae",  dem  heutigen  Warasdin  in 
Siebenbürgen,  bei  Gruter  p.  XXXIX,  8  geschieht 

"  Vgl.  Bonner  Jahrb.  XXVIII.  S.106  f.  XXIX.  XXX.  S.  78  f. 
»  Vgl.  Bonner  Jahrb.  XXIX  XXX.  S.  64—  77. 


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-    26  - 
IV. 

Rheinlandische  Heilbäder  und  Mineralquellen  in 

Römerzeiten. 

Wiewohl  in  der  voraufgehenden  Zusammenstellung  der  vorzugs- 
weise in  Gallien  und  seinen  rheinischen  Vorlanden  verehrten  Quell- 
und  Badegottheiten  sowohl  keltischen  als  römischen  Glaubens  bereits 
mehrfache  Veranlassung  gegeben  war,  die  vornehmsten  theilweise 
offenbar  schon  vor  der  römischen  Occupation  von  den  Ureinwohnern 
benutzten  Heil-  und  Mineralquellen ,  sowie  die  dabei  entstandenen 
Ansiedlungen  zu  erwähnen :  so  dürfte  es  doch  zur  allseitigen  Vervoll- 
ständigung dieses  kleinen  Beitrages  zur  Urgeschichte  der  rheinischen 
Bäder  nicht  unerwünscht  sein,  auch  diejenigen  Heilbäder  in  Kürze 
aufzuführen,  welche  oben  keine  Erwähnung  gefunden  haben.  Zuvör- 
derst —  um  bei  dem  Oberrheine  zu  beginnen  —  sind  hier  die  bei- 
den Baden,  sowie  das  schon  berührte  Badenweiler  nebst  dem 
elsässischcn  Niederbronn  voranzustellen. 

1.  Baden  im  schweizerischen  Canton  Aargau  war,  wie  man  aus 
Tacitus  79  ersieht,  ein  bei  den  dortigen  ohne  Zweifel  schon  von  den 
Ureinwohnern  viel  benutzten  Quellen,  erwachsener  Ort  der  Helvc- 
tier,  bei  welchen  die  Römer  ein  Standlager  errichtet  hatten,  dessen 
obligater  Tross  (canabenses)  mit  den  Einwohnern  allmählig  (longa 
pace)  zu  einem  Städtchen  erblühte,  das  bereits  die  Formen  eines 
römischen  Municipiums  angenommen  hatte,  als  das  in  den  Militärun- 
ruhen nach  Neroa  Tod  eingetretene  Missverhältniss  zwischen  den 
Helvetiern  und  dem  in  Obergermanien  command ir enden  Caecina  letz- 
teren veranlasste  das  Städtchen  im  J.  72  n.  Chr.  zu  zerstören.  Spä- 
ter wieder  hengeatellt  und  durch  eine  der  Isis  gewidmete  Votivin- 
schrift  aus  Wettingen  bei  Baden  als  v  i  c  u  s  A  q  u  e  n  s  i  u  m  beurkundet80, 
erlag  es  ohne  Zweifel  in  den  Zeiten  des  sinkenden  Reiches  den  das 
Zehntland  überschwemmenden  Alamannen  und  findet  sieh  selbst  1110 
noch  in  diesem  Zustande.    In  den  Jahren  1344  und  1388  wurde  es 


"  Caecina  belli  avidus  proximam  quamque  oulpam  anteqaam  poeniteret. 
ultum  ibat:  mota  propere  castra, vastati  agri  (Helvetiorum),  diroptus  longa 
pace  in  modum  munieipii  exstruetus  locus,  amoeno  salnbriuin 
aquarum  osa  freqaens.  Tacit  Hist  I.  c.  67. 

*  Vgl.  Orelli  457.  Mominsen  Insc.  Uelv.  241. 


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-    27  - 

wiederholt  verwüstet,  erhob  sich  aber  dann,  wie  es  acheint,  rasch  zu 
einem  Badeorte,  in  welchem  man  i.  J.  1480  an  3000  Kurgaste  zählte. 
Ausser  obigen  und  andern  Inschriften  wurde  der  längere  Aufenthalt 
der  Römer  dortselbst  schon  ums  Jahr  1420  durch  bemerkenswerthe 
Funde  von  Erz-  und  Goldmünzen,  Hausgeräthe,  Statuetten,  Ringen 
und  Würfeln  bezeugt,  welche  Fundstücke  zum  grossen  Theile  als 
Heilgaben  in  den  Quellen  selbst  gefunden  wurden81.  Würfel  be- 
ziehen sich  dabei  bekanntlich  auf  die  den  Quellen  zugeschriebene 
weissagerische  Kraft. 

2.  Badenwoilerim  badischen  Oberrheinkreis  ist  schon  oben  be- 
rührt worden.  Seine  noch  jetzt  grossartigen  Badesubstruktionen  ge- 
hören zu  den  besterhaltencn  von  allen  römischen  Bädern  in  Germa- 
nien, nehmen  eine  Fläche  von  126  Quadratruthen  ein  und  waren 
seit  langem  ergiebig  an  verschiedenartigen  Fundstücken,  wie  Löflei- 
chen, Glöckchen,  Haften,  Schnallen,  Ohrgehängen,  Larapen,  Gläsern, 
Thonwaaren,  die  nur  zum  Theil  als  Heilgaben  (stipes)  angesehen 
werden  können;  viele  dieser  Gegenstände  gehörten  auch  dem  Bad- 
gebrauche selbst  an.  Ausser  den  beiden  obenerwähnten  Votivaltären 
der  Diana  Abnoba  ist  weitaus  der  interessanteste  Fund  ein  silber- 
nes Amulottäfolchen  mit  mystischen  Formeln,  dergleichen  auch 
anderwärts  in  Quellen  gefunden  wurden  und  in  dieselben  unter  aber- 
gläubischer Anrufung  von  Dämonen  zur  Abwehr  von  Ucbeln,  Erhaltung 
der  Gesundheit  oder  ähnlichen  Zwecken  hineingeworfen  worden  wa- 
ren 8>.  Dieses  Täfelchen  gehört  der  Zeit  des  sinkenden  Reiches  an 
und  dürfte  somit  die  fortdauernde  Benutzung  dieser  Bäder  bis  ins 
4.  Jahrhundert  bezeugen,  womit  auch  die  Reihenfolge  der  dort  zu 
Tage  geforderten  64  Bronze-,  21  Kupfermünzen  nebst  mehreren  sil- 
bernen und  einer  goldenen  Philipps  des  Macedonicrs  zusammentrifft, 


Mommsen  a.  a.  0.  240-244.  Lersch  S.  26.  47.  129.  148.  107.  172. 
82  Schon  langst  vor  der  A.  74  erwähnten  Schrift  von  Leibnitz  sind  dio 
Badesubstructionen  von  Badenwoiler  von  A.  G.  Preuschen  Denkmäler  von  alten 
phisischen  und  politischen  Rovoluzionen  in  Deutschland,  besonders  in  Rhein - 
Kegenden  (Prankf.  a.M.  1787.  8)  S.  97— 238  und  ihre  Fundausbeute  ausführlich 
besprochen  worden.  Zu  dem  dort  S.  209  ff.  eingehend  behandelten  zehnzciligen 
Inhalt  des  Silberplattchena  sind  die  in  den  Bädern  von  Amölie-les-Bains  (liev. 
archöolog.  IV.  anneo  I.  part.  1847.  p.  409 — 414.  pl.  71.  n.  1—8)  gefundenen 
Bleiblättchen,  weiter  das  Silborpl&ttchcn  von  Poitiers  (Beiträge  sur  vergleichen- 
den Sprachforschung  von  Kuhn  und  Schleicher  III,  2.  S.  170  n.  14-  S.  175  u. 
212.  IV,  1.  S.  160  f.,  sowio  die  gnostiseben  Amuletsteine  (Monatsberichte  der 
Berliner  Akademie  1855.  Nov.  8.701  f.  Rev.  archeolog.  III.  annee.  I.  part.  1846. 
p.  200.  H.  Monin  Monuments  des  anciens  idiomes  gaulois,  Paris  et  Besangon 
1861,  8.  p.  25.  27  f.  182  f.)  zu  vergleichen. 


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-    28  - 


indem  sie  mit  Claudius  in  der  Mitte  des  ersten  Jahrhunderts  be- 
ginnen und  mit  Oonstantin  dem  Qrossen  aufhören83.  Welchen  Na- 
men die  Ansiedlung  bei  den  wol  mehr  von  den  Umwohnern  und  zu- 
gereisten Kurgästen,  als  von  dem  römischen  Militär  benutzten  Quellen 
gehabt,  ist  in  tiefes  Dunkel  gehüllt,  da  nur  spärliche  inschrifüiche 
Urkunden  bis  jetzt  dort  zu  Tage  getreten  sind84. 

3.  B  a  d  e  n  im  badischen  Mittelrheinkreise  war  von  uralten  Zeiten  bis 
in  unsere  Tage  der  bevorzugte  Badeort  der  eleganten  und  vornehmen 
Welt  Wie  die  Quellen  bei  Badenweiler,  so  sind  ohne  Zweifel  auch 
die  von  Baden  den  Römern  bei  der  Occupation  des  sog.  Zehntlandes 
(agri  decumates)  d.  h.  des  Gebietes  zwischen  Oberrhein  und  Ober- 
donau85 bekannt  und  sodann  alsbald  ebenfalls  Anlass  zu  einer  An- 
siedlung geworden,  deren  Anfange  sicherlich  unter  Trajan  fallen, 
auf  den  die  älteste  Steinschrift  von  Baden  zurückweiset86.  Diese 
Ansiedlung  erhielt  wie  überall  in  analogen  Fällen  den  Namen 
„Aquac"  und  ist  sodann  der  Mittelpunkt  eines  jener  grössern 
Gemeinwesen  (respublica,  civitas)  geworden,  welche  die  Römer  durch 
ganz  Gallien  organisirt  haben.  Besonderer  Gönner  und  Beförderer 
scheint  dann  auch  Hadrian  gewesen  zu  sein  und  unter  ihm  wol 
bildete  sich  die  Badestadt  „Aquae"  als  Hauptort  einer  auf  einer 
Inschrift  vom  Jahre  197  n.  Chr. 87  genannten  „Respublica  Aquen- 
sium"  heraus,  die  ihre  Blüthe  aber,  wenn  nicht  Alles  trügt, 
unter  M.  Aurelius  Antoninus  Caracalla  (um  213  n.  Chr.)  erreichte, 
welcher  auf  seiner  Rheinreise  offenbar  auch  dort  verweilte  und  das 
von  ihm  allwärts  geförderte  Badeleben  in  neuen  Aufschwung  brachte. 
Von  ihm  nahm  jetzt  die  ganze  Civität,  deren  Mittelpunkt  die  Stadt 
„Aquae"  war,  den  Beinamen  Aurelia  an  und  erscheint  demnach 
aufsog.  Meilenzeigern  der  vou  „Aquae"  ausgehenden  Hauptstrassc 
vom  J.  213 — 222  als  „Civitas  Aurelia  Aque  nsium"88.  Dass 


*»  Die  bezüglichen  Münzen  von  Claudius,  Veapasian,  Trajan,  Hadrian  und 
den  Antoninen  s.  bei  Preuachen  S.  187  ff. 

"  Das  C1V1T.  VV  auf  einem  Gefässdeckel  bei  Preuachen  S.  183,  14  u.  193 
(Steiner  848)  kann  bei  seiner  Räthselhaftigkeit  nicht  in  Betracht  kommen. 

w  Vgl.  Tacit.  Germ  c.  29. 

«*  Vgl.  Fröhner  a.  a.  0.  n.  60. 

m  Fröhner  n.  61. 

«*  Vgl.  Fröhner  a.  a.  0.  n.  72.  73.  74.  75.  76.  Lersch  S.  130.  Wie  diese 
civitaa  Aquensinm,  ao  nahmen  sicherlich  damals  noch  andere  Orte  des  Zehnt- 
landea  den  gleichen  ehrenden  Beinamen  von  Caracalla  an:  dahin  gehört  offen- 
bar auch  der  vicua  Aurelina,  das  römische  Oeh ringen  in  Würtemberg, 
wie  eine  i.  J.  1861  dort  aufgefundene  Steinschrift  auad.  J.232  n.  Chr.  dargethan  hat: 
vgl.  Th.  Mommsen  in  E.  Gerhards  Archäoiog.  Anz.  1861.  N.  154.  155.  S.  230* 


Digiti.  -^glp 


-    29  - 


die  locale  Tradition  von  dem  an  die  Namen  der  Kaiser  Hadrian 
und  Caracalla  sich  knüpfenden  Aufschwung  der  dortigen  Bäder 
selbst  durch  das  ganze  Mittelalter  sich  erhielt,  bezeugt  eine  Schen- 
kungsurkunde aus  dem  Kloster  Weissenburg  im  Elsass  aus  dem 
Jahre  676,  in  welcher  der  König  Dagobert  II.  vergabt:  „balnea 
illa  trans  Rhenum  in  pago  Aucicensi  sita,  quae  Antho- 
uius  et  Adrianus  quondam  imperatores  suo  opere  aedi- 
fi  caverunt"89.  Die  meisten  Forscher  haben  hier  ohne  Zweifel 
richtig  in  dem  „Anthonius"  den  Antoninus  Caracalla  erkannt90. 
Es  bedarf  keiner  besonderen  Erwähnung,  dass  seit  langer  Zeit  eine 
bis  in  die  jüngsten  Tage  herab  fortgehende  Aufdeckung  zahlreicher 
Reste  aus  dem  römischen  Baden  ein  lebendiges  Bild  der  einstigen 
Blttthe  dieses  Badeorts  vor  Augen  stellen.  Umfangreiche  Mauerreste 
und  Substruktionen  von  Bädern  und  Gebäuden,  Grabsteine  von 
Militär-  und  Civilpersonen,  Legionsziegelstempel,  Reliefs,  Votivaltäre 
und  Münzen  zeugen  noch  jetzt  von  der  bürgerlichen  und  militäri- 
schen Bedeutsamkeit  des  Orts:  insbesondere  weiset  ein  dem  Gotte 
Neptun  von  einer  Schiffergilde  (contubernium  nautarum)  gewidmeter 
Altar  auf  eine  Lebhaftigkeit  des  Handels  und  Verkehrs  auf  der  Oos, 
Murg,  Alb  und  dem  Rheine  hin,  wie  sie  nur  ein  blühendes  reiches 
Leben  und  seine  mannigfachen  Bedürfnisse  hervorzurufen  vermögen 
Wie  Badenweiler  erlag  sicherlich  auch  die  in  Baden  Jahrhunderte 
lang  blühende  Cultur  der  alles  zerstörenden  Wuth  der  anstürmenden 
Alamannen,  wahrscheinlich  schon  gegen  die  Mitte  des  3.  Jahrhunderts92, 
bis  die  vereinten  Bemühungen  christlicher  Mönche  und  eines  fränki- 
schen Königes  auch  dort  die  Jahrhunderte  hindurch  in  Trümmern 
liegenden  Culturstätten  einer  untergegangenen  Welt  wieder  zu  neue- 
rer Lebensentfaltung  beriefen.  Davon  zeugt  die  obenerwähnte  Weis- 
senburger  Schenkungsurkunde,  welcher  ein  weiteres  Zeugnis« 98  Uber 
die  Existenz  Badens  erst  für  das  11.  Jahrhundert  beigefügt  werden 
kann,  wiewohl  nicht  zu  bezweifeln  steht,  dass  auch  dieser  Badeort, 
wie  das  schweizerische  Baden,  sich  eines  grossen  Zulaufs  während 
de»  Mittelalters  zu  erfreuen  hatte.  Der  Namen  „Bad  derKüngen" 


►9  Hon.  Boic  31  p.  1.  Lerech  p.  141.  160.  Rappenegger  a.  a.  0.  S.  8  f.  IL 
90  Vgl.  Rappenegger  8.  4. 

S1  Rappenegger  8. 12— 26,  woselbst  die  einzelnen  Kategorien  der  Fundstücke 
behandelt  sind:  8.26-35  sind  insbesondere  die  Inschriften  zusammengestellt, 
womit  Fröbner  n.  2-5.  6.  8.  9.  11.  12.  14. 15.  37.  38  41.  42.  48.  60-63.  65. 66 
7G.  77.  78.  86-91  zu  vergleichen  ist 

«  Lorsch  8-  132  nimmt  die  Zerstörung  gegen  234  n.  Chr.  an. 

93  Vgl.  Rappenegger  8.  11. 


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and  später  im  13.  Jahrhundert,  unter  österreichischer  Herrschaft, 
„Herzogenbad"*4  wenigstens  weiset  um  so  überzeugender  darauf 
hin,  als  auch  Kaiser  Friedrich  III.  auf  einor  Reise  nach  Strasburg 
i.  J.  1473,  sowie  sein  Sohn  Maximilian  I.  i.  J.  1517  dortselbst  die 
Heilquellen  benutzten95.  —  Zum  Oberrhein  gehört  endlich  noch 

4.  der  Salzbrunnen  zu  Niederbronn  im  Elsas»,  dessen  Be- 
nützung durch  die  Römer  dreihundert  in  denselben  als  Heilgabeu 
geworfene  römische  Münzen  bezeugen,  welche  i.  J.  1592  aufgefunden 
wurden  *. 

Weit  zahlreicher,  wenn  auch  im  Ganzen  wohl  nicht  bedeutender 
als  die  Heilbäder  am  Oberrhein  erweisen  sich  diejenigen  Mineral-  und 
Heilquellen,  welche  den  Römern  am  Mittel  -  und  Niederrhein  bekannt 
und  in  Benutzung  genommen  wurden.  Voranzustellen  ist  unter  diesen 

5.  die  im  April  1803  wiederentdeckte  Schwefelquelle  zu  Nier- 
stein unweit  Oppenheim  oberhalb  Mainz,  bei  deren  Aufraumung  die 
römische  Fassung  derselben,  Trümmer  von  Bauwerken,  darunter  eine 
kleine  Säule,  ein  Becken  ron  Stein,  Statuetten  von  gebrannter  Erde, 
nebst  14  Kupfermünzen  aus  den  Jahren  86  bis  267  n.  Chr.  in  der 
Quelle  selbst  gefunden  wurden.  Üass  die  meisten  dieser  letzteren  ein 
frisches  Gepräge  aufzeigten  und  von  runden  Gypskugeln  umgeben 
waren,  weiset  darauf  hin,  das»  sie  als  U  eilgaben  (stipes)  von  Gene- 
senen in  die  Quelle  gelegt  worden  waren.  Zugleich  bekundet  die 
Reihenfolge,  dass  die  Quelle  wenigstens  seit  Domitian  bis  zu  der 
für  das  ganze  Rheinland  so  bedeutsamen  Wiederherstellung  der  rö- 
mischen Macht  am  Rhein  durch  Postumus  im  Gebrauche  war.  Zu 
allen  diesen  Urkunden  kommt  nun  aber  noch  die  schon  oben  er- 
wähnte Votivwidmung  einer  Julia  Frontina  an  Apollo  den  Quellen- 
hcilgutt  und  seine  keltische  Begleiterin  Sirona,  welche  Inschrift 
dem  rheinischen  Alterthumsforscher  Fr.  Lehne  Veranlassung  gab, 
die  Quelle  selbst  als  „Sirona bad"  zu  benennen97.  Der  in  einer 
Urkunde  Carlomanns  v.  J.  742  als  Neris te in  zum  erstenmale  vor- 
kommende Namen  des  nahen  Nierstein  gab  ihm  dabei  zugleich 
einen  Anhalt  zu  der  im  Hinblick  auf  die  obenerwähnten  doppelten 
„Aquae  Bormonis"  und  „Aquae  Segestae"  ansprechenden 


*  Vgl.  Lerech  S.  165,  wenn  anders  Lorsch  hierbei  nicht  Baden-Baden 
mit  Baden  bei  Wien  verwechselt. 

»  Vgl.  Lorsch  8.  172  u  186. 

*  Lersch  S.  47. 

**  Vgl.  Das  Sironabad  bei  Nierstein  n.  seine  Mineralquelle.  Mainz  1827.  8., 
besonders  S.  1-13  (Lehne  Ges.  Sehr.  III.  8.  51-68).  Lersch  8  48. 


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31  - 


Vermuthung,  dass  der  Ort  selbst  wegen  seiner  Quelle  „Aqua« 
Neri*,  wie  das  römische  Neris-les- Hains  geheissen  habe98.  Zur  Be- 
gründung dieser  Ansicht  bedarf  es  vor  Allem  einer  genauen  sprach- 
lichen Untersuchung  der  Bedeutung  des  ersten  Theils  des  Namens 
„Nierstein".  Dieser  Mineralquelle  reihen  sich  nun  weiter  die 
Heilquellen  und  Mineralwasser  des  Taunus  und  der  angrenzenden 
Lande  an.    Dahin  gehört  vor  allem 

6.  Wiesbaden,  Mattiacum,  Aquae  Mattiacae,  dessen  bereits 
oben  besprochene  Quellgotth eit  Apollo  Toutiorix  zur  I lin Wei- 
sung" auf  die  Entstehungsgeschichte  der  Badestadt,  des  bei  ihr  von 
den  Römern  errichteten  Castells  und  die  Ausbeute  der  Funde  beider 
Oertlichkeiten  Veranlassung  gegeben  hat  Weit  geringer  noch  als 
zu  Wiesbaden  sind  die  Ergebnisse  der  Funde  aus  der  Römerzeit  in 
der  Badestadt 

7.  Ems,  wiewohl  die  Nähe  des  vorüberziehenden  Pfahlgrabens 
(Ihnes  imperü  transrhenanus),  eine  an  demselben  errichtete  Wacht- 
atation,  sowie  sonstige  antiquarische  Funde100  hinter  dem  Pfarrgar- 
ten am  Spiess,  bei  sämmtlichen  Neubauten  von  Dorf-Ems  und  bei 
den  1853  vorgenommenen  Kanal  -  Anlagen  der  Hauptstrasse  die 
dauernde  Occupation  des  Orts  in  Römerzeiten  ausser  Zweifel  stellen. 
Zahlreiche  Gräber  mit  ihren  gewöhnlichen  Beigaben  an  Thon-  und 
Glasgefassen,  Lampen  u.  a.  m.  sind  dabei  aufgedeckt  worden,  wozu 
endlich  im  Herbste  1858  auch  die  erste,  leider  bruchstückliohe,  in- 
schriftliche Urkunde  über  die  wahrscheinlich  durch  eine  dort  statio- 
nirte  Militärabtheilung  bewirkte  Erbauung  eines  grössern  Gebäudes 
hinzukam,  an  welchem  letztern  der  Stein  wohl  zugleich  als  Votiv- 
tafel  zu  Ehren  des  kaiserlichen  Hauses,  insbesondere  für  das  Wohl 
des  regierenden  Kaisers  Septimius  Severus  und  seiner  Söhne  Cara- 
calla  und  Geta,  demnach  also  im  Anfange  des  dritten  Jalirhunderts, 
angebracht  worden  war,  welche  Zeit  überhaupt  wol  als  der  Höhe- 
punkt der  ungestörten  Blüthe  der  rheinischen  Bäder  in  Römerzeiten 
angesehen  werden  kann.  Dass  es  meist  nur  dem  Zufalle  oder  andern 
jetzt  unbekannten  Ursachen  zuzuschreiben  ist,  wenn  die  Spuren  des 

*  Vgl.  Eckhart  comment.  de  rebus  Franciae  orientalis.  Wirceburgi  1729. 
foL  Tom.  I.  lib.  XXIH.  c.  V.  p.  891.  Dr.  Ph.  A.  F.  Walther  Das  Groaaherzog- 
tbum  Hessen.  Darmatadt  1854.  8.  8. 513.  Förstemann  Altdeutsches  Namenbuch  IL 
S.  1072  u.  Deutsche  Ortsnamen.  Nordhausen  1863.  8.  S.  129,  welcher  jedoch 
Naristagne  a.  d.  J.  823  als  die  älteste  Form  des  Namens  anführt  nnd 
Neris  fein  erst  a.  d.  J.  882  beibringt. 

*  Vgl.  A.  40. 

t«>  Vgl.  Annalen  VI,  2.  8.343-347.  Archiv  f.  Frankfurts  Geschichte  u  Kunst. 
N.  F.  I  (1860).  8.  30-84. 


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32  - 


Aufenthaltes  der  Römer  an  dem  einen  Orte  bis  jetzt  zahlreicher  und 
bedeutsamer  zu  Tage  getreten  sind,  als  an  dem  andern,  dafür  legt 
weiter  unter  den  Nassau'schen  Bädern  auch 

8.  Schlangenbad  vollgiltiges  Zeugniss  ab:  obwohl  nämlich  an 
diesem  Badeorte  unseres  Wissens  bis  jetzt  kein  antiquarischer  Fund 
als  Urkunde  einer  Benutzung  seiner  Quellen  durch  die  Römer  ge- 
macht worden  ist,  so  hat  dennoch  die  N  a  tu  r  forsc  h  un  g  im  er- 
freulichen Bunde  mit  der  Alterthumskunde  dort  eine  in  ihrer  Art 
eben  so  überraschende  wie  untrügliche  Spur  des  Gebrauchs  der  dor- 
tigen Heilquellen  im  Alterthume  nachgewiesen.  Das  Verdienst  dieser 
schätzbaren  Entdeckung  gebührt  dem  Scharfblicke  des  gelehrten  En- 
tomologen Hrn.  Senator  C.II.  G.  von  Heyden  zu  Frankfurt  a.  M., 
welcher  in  den  „Jahrbüchern  des  Vereins  für  Naturkunde  im 
Herzogthum  Nassau"101  folgende  Beobachtungen  niedergelegt  hat: 

„So  viel  mir  bekannt  ist,  werden  die  milchwarmen  Quellen  von 
Schlangenbad  zuerst  1640  von  Merian  und  1650  von  Winkel- 
mann erwähnt,  jedoch  noch  nicht  als  Badeort.  Die  drei  Mühlen, 
welche  hier  standen,  hiessen  die  warmen  Mühlen,  der  Bach  der  warme 
Bach.  Tabernämontanus,  der  1581  in  seinem  Wasserschatz  die 
Mineralquellen  der  Niedergrafschaft  Katzenelnbogen  beschrieb, 
scheint  sie  noch  nicht  gekannt  zu  haben.  Als  der  Ort  zuerst  als 
Bad  benützt  wurde,  nannte  man  ihn  das  Karlsthaler  oder  Bärstädter 
Bad.  Niesen,  in  seinein  Bericht  über  Schwalbach,  nennt  schon  1687 
Schlangenbad.  Die  Quellen  sollen  1657  einem  Dr.  Gloxin  aus  Worms 
gehört  haben.  Landgraf  Moritz  von  Hessen  liess  hier  1694  die  ersten 
Gebäude  auffuhren.  Im  Jahre  1817  besuchte  ich  Schlangenbad,  be- 
sonders um  die  daselbst  vorkommende  Schlange  näher  kennen  zu 
lernen,  die  damals  und  auch  noch  später  ziemlich  allgemein  als  die 
gemeine  Natter  (Tropidonotus  Natrix  L.)  angenommen  wurde.  Ich 
fand,  dass  es  die  gelbliche  Natter  (Calopeltis  flavescens  Scop.)  ist. 
Nau,  der  die  Amphibien  der  Umgegend  von  Mainz  fleissig  beob- 
achtete, hat  sie  trotz  der  Nähe  von  Schlangenbad  nicht  gekannt. 
In  seinen  1791  erschienenen  „Neuen  Entdeckungen  und  Beobachtun- 
gen8 beschreibt  und  bildet  er  eine  angeblich  neue  Schlange  ab,  die 
er  aus  Oesterreich  erhalten  hatte.  Es  ist  dieses  ebenfalls  Trop.  fla- 
vescens und  er  würde  sie  sicher  erwähnt  haben,  wenn  sie  ihm  auch  von 
Schlangenbad  bekannt  gewesen  wäre.  —  Dieselbe  Schlange  wurde 
von  einigen  Naturforschern  als  Coluber  Aesculapii  (verschieden  von 
der  indischen  Col.  Aesculapii  Lin.)  beschrieben  und  ist  solche  nicht  ver- 


«o»  H.  XVI.  S.  963-265. 


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-    33  - 


schieden  von  der  berühmten  Aesculaps-  oder  Epidaurus  Schlange, 
welche  ab  Symbol  der  wohltätigen  Gottheit  betrachtet  und  ab 
Attribut  des  Aesculaps  um  seinen  Stab  gewunden  ist  Zur  Zeit,  als 
Q.  Fabius  und  C.  Brutus  Consuln  waren,  herrschte  in  Korn  die  Pest, 
und  wurden,  um  solche  zum  Aufhören  zu  bringen,  damals  viele 
Schlangen  von  Epidaurus  geholt,  auf  der  Tiberinsel  ausgesetzt  und 
daselbst  verehrt.  Noch  jetzt  soll  daselbst  in  den  Gärten  des  heiligen 
Bartholomäus  ihr  Bild  in  Marmor  ausgehaueu  zu  sehen  sein.  Gegen- 
wärtig ist  diese  Schlange  um  Rom  noch  sehr  häufig,  was  wohl  in 
früheren  Zeiten  nicht  war,  da  man  sonst  nicht  nöthig  gehabt  hätte, 
sie  von  Epidaurus  zu  holen.  Die  Schlangenbader  Schlange  gehört 
dem  südlichen  Europa  an  und  war  sie  in  Deutschland  nur  aus  dem 
südlichen  Tyrol  bekannt  Ihr  ganz  vereinzeltes  Vorkommen  bei 
Sclilangcnbad  macht  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  Quellen  daselbst 
schon  von  den  Römern  als  Heilquellen  benutzt  wurden  und  desshalb 
diese  Schlange  von  ihnen  dahin  gebracht  worden  ist  Begünstigt 
durch  die  steinige  Umgebung  Schlangeubads  hat  sich  dieselbe  so 
isolirt  von  ihrem  eigentlichen  Vaterlando  hier  erhalten  können.  Es 
ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  Römer  an  die  ihnen  bekannten 
Quellen  von  Wiesbaden  ebenfallt)  Schlangen  eingeführt  hatten, 
die  aber  im  Laufe  der  Zeiten  daselbst  wieder  verschwunden  sind. 
Einige  Jahre  später  habe  ich  dieselbe  Schlange  bei  Baden-Baden 
gefunden,  dessen  Mineralquellen  ebenfalls  schon  den  Römern  bekannt 
waren. 

Sicher  interessant  ist  es,  dass  ich  (1819)  bei  dem  ebenso  den 
Römern  schon  bekannten  Bade  Ems  eine  Schlange  —  Tropidonotus 
tessellatus  Laur.  —  entdeckte,  die  sonst  auch  nur  dem  südlicheren 
Europa  angehört  Ich  zweifele  nicht,  dass  sich  dieselbe  hier  auf  ge- 
eignetem Terrain  auch  aus  den  Zeiten  der  Römer  erhalten  hat.  Bei 
ihr  ist  noch  zu  bemerken,  dass  sie  vor  andern  verwandten  Arten  die 
besondere  Lebensweise  hat,  sich  gerne  längere  Zeit  im  Wasser  auf- 
zuhalten. Noch  jetzt  entspringen  bei  Ems  mehrere  warme  Quellen 
im  Flussbette  der  Lahn  und  findet  man  hier  und  in  den  Abzugs- 
gräben der  Bäder  die  Schlange  nicht  selten.  Es  wäre  hiernach  mög- 
lich ,  dass  den  Römern  diese  Eigentümlichkeit  der  Schlange  schon 
bekannt  war,  auch  dass  sie  in  Rücksicht  der  verschiedenen  Wirkungen 
auf  die  Gesundheit  dieser  Quellen  auch  •verschiedene  Schlangenarten 
an  dieselben  ausgesetzt  haben. 

Um  das  Römerbad  Baden  weiter  im  Schwarzwalde,  das  ich 
mehrmals  besuchte,  konnte  ich  keine  der  Gegend  eigentümliche 
Schlangenart  auffinden." 

3 


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Vorstehende  werthvollen  Beobachtungen  des  Hrn.  v.  Heyden 
constatiren  zuvörderst  die  gewichtige  Thatsache,  dass  Bich  bei  den 
von  den  Römern  benutzten  Quellen  von  Baden-Baden  sowohl, 
als  auch  bei  Schlangenbad  eine  Schlangenart  findet,  welche  nur 
dem  sudlichen  Europa  angehört  und  in  Deutschland  nur  aus  Sttd- 
tyrol  bekannt  war:  es  ist  dies  die  sog.  Aesculaps-  oder  Epidaurus- 
schlange;  weiter  sodann,  dass  anch  bei  dem  den  Römern  ebenso  be- 
kannten Bade  E  m  s  gleichfalls  eine  Schlangenart  vorkommt,  die  sonst 
auch  nur  dem  südlichen  Europa  angehört.    Es  wird  an  diese  That- 
sache mit  gutem  Grunde  die  Vermuthung  geknüpft,  dass  diese  Schlan- 
gen von  Italien  her  durch  die  Römer  an  diese  Quellen  eingeführt 
worden,  demnach  sich  ehemals  auch  wol  zu  Wiesbaden  vorgefun- 
den haben,  daselbst  aber  im  Laufe  der  Zeit  wieder  verschwunden 
seien.    Die  Schlange  als  Symbol  dep  Acsculap  ist  zu  bekannt,  als 
dass  nicht  sofort  deren  Einführung  an  die,  wie  oben  bemerkt,  auch 
unter  dem  Schutze  dieses  Heilgottes  stehenden  Quellen  als  ein  reli- 
giöses Moment  erkannt  werden  sollte.     Erklärlich  ist  demnach, 
wenn  auch  seine  Begleiterin  Hygia1M  gleichfalls  mit  diesem  Symhol 
ausgestattet  erscheint  und  in  der  That  zeigt  auch  eine  zu  Tiberias 
in  Palästina  gefundene  Münze  Hygia  mit  der  Schlange,  auf 
einer  Anhöhe  sitzend,  aus  welcher  mehrere  Quellen  entspringen103. 
Auch  der  Isis,  welche,  wie  schon  oben  bemerkt,  an  Heilbädern  ihre 
besondern  Verehrer  fand,  war  die  Schlange  heilig104.    Nach  allem 
diesem  darf  der  oben  ausgesprochenen  Vermuthung,  dass  dereinst 
auch  zu   Wiesbaden  (und   wol  auch   zu   Badenweiler  und 
Aachen)  solche  südländische  Schlangen  von  den  Römern  einge- 
führt waren,   volle   Berechtigung   zugestanden  werden.   —  Nicht 
unerwähnt   mag    hierbei   bleiben,   dass  auch   das  germanische 
Heidenthum  die  Schlange   mit  den    Heilquellen  in  Verbindung 
bringt.    Grimm  D.  M.  S.  554  sagt  darüber:  „Das schwedische  Volk 
schreibt  die  Kraft  einiger  Heilquellen  weissen   Schlangen  zu. 
1809  strömten  Tausende  aus  llalland  und  Vestergötland  zu  dem 
wunderthätigeu   Helsjö  (einem   kleinen  See  unweit  Rampegärde) ; 
mau  erzählte  sich,  Kinder  am  Strande  das  Vieh  hütend  hätten  dieses 


101  Vgl.  M aerob.  Saturn»! .  I,  24  :  siuwlacria  ctAesculapii  etSalutis  Droco 
subiungitur;  humana  Corpora  velut  innrmitatia  pelJe  deposita  ail  pristinuou  re- 
virescunt  virorem,  ut  vir  esc  mit  draconcs  per  annos  siuguloa  pelle  nenectuli» 
exuta. 

Vgl.  Kersch  S.  29 
«»♦  Vgl.  Lerech  S.  lä  u.  20. 


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-  35 

Jahr  Ober  oft  eine  schöne  Jungfrau  am  Ufer  sitzen  sehen,  sie  hielt 
in  ihrer  Hand  eine  Schlange  und  wies  sie  ihnen.  Nur  alle  hundert 
Jahre  erscheint  diese  Wasserjungfrau  mit  der  Schlange.  Bcxells 
Mailand  2,  320.  3,  303."  Wie  bei  den  Römern  Aesculapius  und 
Hygia  als  Vorsteher  der  Heilquellen  mit  dem  symbolischen  Attribute 
der  Schlange  ausgestattet  sind,  so  hier  die  in  der  Sage  zur  Fee 
gewordene  ursprüngliche  altheidnische  Quellgottheit.  —  Den  Tau- 
nusbädern ist  noch  anzuschliessen  der  Mineralbrunnen  von: 

9.  »Schwalheim  im  kurhessischen  Amte  Dorheim,  eine  halbe 
Stunde  von  Bad  Nauheim,  in  dessen  Bereiche  1862  ein  ansehn- 
licher Fund  keltischer  Münzen  gemacht  wurde <°5.  Dicht  an  die- 
sem Sauerbrunnen  ziehen  die  Spuren  des  alten  Steindannnes ,  d.  h. 
der  Römerstrasse  vorbei  und  die  ungefähr  alle  IT)  .fahre  vorgenom- 
menen Ausfegungen  des  Brunnens  selber  haben  jedesmal  eine  klei- 
nere oder  grössere  Anzahl  von  römischenMünzen,  darunter  auch 
eine  goldene,  zu  Tage  gefördert,  welche  ohne  Zweifel  nach  und 
nach  im  Laufe  der  Zeit  als  Heilgaben  (stipes)  hineingeworfen  wor- 
den waren.  Im  Jahre  1811  fand  man  fast  30,  i.  J.  1827  etwa  35, 
im  September  1831  noch  weitere  5  mit  den  Bildnissen  des  Vespasian, 
Titus,  Domitian,  Nerva,  Trajan ,  Hadrian  und  Antoninus  Pius'06. 
Schon  in  uralter  Zeit  suchte  und  schöpfte  man  also  auch  hier,  unter 
dem  wohltlmtigcn  Einflüsse  der  dankbar  bedachten  Quellgottheit,  Ge- 
nesung und  neues  Wohlsein  aus  dieser  „Lebensquelle"  der  Natur, 
wie  sie  in  goldenen  Lettern  auf  schwarzer  Marmortafel  über  dem 
Eingänge  zum  dasigen  Kurhause  in  folgendem  Distichon: 

Kons  vitae  saliens  gemmas  effundit  in  herbam : 
Mergc,  puer,  pateram,  sub  pede  vita  fluit. 
genannt  wird,  welches  der  bekannte  Genosse  Barthe*lmy's,  der  poetische 
Panegyriker  der  napoleonischen  Glorie,  Mery,  bei  Gelegenheit  einer 
Badekur  verfasst  haben  soll.  Nicht  unerwähnt  darf  hier  auch  die 
einige  Stunden  südlich  von  Nauheim  und  Schwalheim  auf  grossher- 
zoglich  hessischem  Gebiete  entspringende  mineralische  Quelle  von 

10.  Vilbel  bleiben,  an  welchem  Orte  ausser  nicht  unbeträcht- 
lichen Substruktionen  von  Gebäuden   und   Badeanlagen  auch  der 


*•»  Vgl.  Mittheil uugen  an  die  Mitglieder  des  Vereins  für  hessische  Geschichte 
und  Landeskunde  1862.  Nr.  7  S.  8. 

Vgl.  Hanauisches  Magazin  1.(1778)  St.  17.  S.  WO.  Ph.  Dieftenbach  Ueher 
Alterthümer  in  und  um  Friedberg,  Glessen  1829,  S.  8  u.  9.  A.**  Ders.  im  Ar- 
<hi?  für  Hess.  Gesch.  u.  Alterth.  IV  S.  248,  258.  Periodische  Blätter  der 
uiittelrheinischen  Geschichts-  u.  Alterthumsvercine  iar»f>.  Nr.  7.  S.  238  f.  II. 
Lersrh  S  47. 

3* 


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36  - 


prachtvolle,  jetzt  im  Museum  zu  Darmstadt  bewahrte,  MoBaikboden  zu 
Tage  gefördert  wurde,  welcher  ohne  Zweifel  zur  Villa  eines  reichen 
Provinzialen  gehörte  und  einen  sprechenden  Beweis  von  dem  Coni- 
fort  der  Bewohner  jener  äussersten  Gegenden  des  Romcrreiches  ab- 
gibt Es  berechtigt  dieses  zu  der  Annahme  107,  dass  auch  der  Ge- 
sundbrunnen und  eine  warme  Quelle  dortselbst  schon  in  den  ältesten 
Zeiten  den  Anlass  zu  einer  Absiedlung  gaben,  welcher  sicherlich  um 
so  mehr  die  den  Alten  an  sich  schon  unentbehrlichen  Bäder  nicht 
gefehlt  haben  werden. 

Wie  am  Mittelrheine,  so  kannten  und  benutzten  die  Römer  auch 
am  Niederrheine  alle  diejenigen  Heilquellen  und  Mineralwasser, 
welche  die  Neuzeit  theilweise  erst  wieder  auffand  und  dem  Hcilge- 
brauche  zugänglich  machte.    Es  gehören  dahin  zunächst : 

11.  Die  Säuerlinge  am  Laacher  See,  wie  verschiedene  Bau- 
überreste von  Quellcinfassungen  aus  römischer  Zeit  beurkunden, 
welche  unter  andern  bei  Burgbrohl  gefunden  wurden«'8,  wie  denn 
Uberhaupt  das  in  naturwissenschaftlicher  wie  antiquarischer  Hinsicht 
gleicher  Weise  interessante  Brohlthal  auch  bezüglich  seiner 
Quellen  für  die  römische  Zeit  bedeutsam  ist.  Noch  i.  J.  1862 
hat  man  bei  Aushebung  der  römischen  Fundameute  des  in  einein 
Seitenthalchcn  jenes  Thaies  gelegenen  Heilbrunuens  in  dcrQuell- 
spälte  des  Felsens,  die  etwa  auf  V/t'  zugänglich  war,  gegen  100 
meist  Kupfer-  theilweise  auch  Bronze-  und  Silber- Münzen  mit 
zum  Theil  noch  sehr  wohl  erhaltenen  Umschriften  uud  Köpfen  ge- 
funden: diese  offenbar  als  Heilgaben  in  die  Quelle  geworfenen  Mün- 
zen erstrecken  sich  von  den  letzten  Zeiten  der  römischen  Republik 
bis  auf  Constantin  den  Grossen  1M.    Nicht  weit  von  da  entfernt  liegt 

12.  Der  Siedinger  (Riedinger)  Dreis,  eine  Sauerquelle  bei 
Gerolstein  (Kreis  Daun,  Regierungsbezirk  Trier)  in  der  Eifel,  bei 
deren  Wiederherstellung  i.  J.  1778  man  als  sprechende  Urkunden 
ihrer  Benutzung  in  römischer  Zeit  143  römische  Münzen  grössten- 
theils  von  Maximinus  auffand  41°.  Eine  almliche  kleine  Mineralquelle 
scheint 

l0T  Vgl.  Dr.  Bosslor    Die  Römers  tätte  bei  Vilbel  in  dem  vorgenannten 
Archiv.  X,  1  Nr.  I  besonders  S.  5  u.  35. 
»<*  Vgl.  Lersch  S.  129. 

,os  Vgl.  Job.  Freudenberg  Das  Denkmal  des  Hercules  Saxanua  im  Krohl 
thale,  Bonn  1862,  S.  3.  A.  1.  Lersch  S.  47. 

110  Vgl.  J.  S.  Schannat  Eiflia  illustrata  oder  geographische  und  historische 
Beschreibung  der  Eifel.   Aus  dem  lateinischen  Mauuscript  übersetzt  und  mit 
Anmerkungen  und  Zusätzen  bereichert  von  Georg  Biirsch.    Leipzig  1850  ff.  8 
III,  2,  1  S.  40  f.    Lerach  S  47. 


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37 


13.  Der  Birresborn  in  der  Bürgermeisterei  Mürlenbach  (Kreis 
Prüm,  Regierungsbezirk  Trier)  in  geringer  Entfernung  vom  rechten 
Ufer  der  Kyll  am  Fusse  eines  Grauwacken-Platcaus  zu  sein:  auch 
dort  haben  die  in  der  Nähe  dcB  Brunnens  aufgefundenen  Münzen 
bezeugt,  dass  dieser  Born  gleichfalls  den  Römern  wol  bekannt  war 
Zu  den  bedeutenderen  Heilbädern  der  Rhcinlandc  aber  in  römischer, 
mittelalterlicher  und  neuerer  Zeit  gehört  weiter  auch 

14.  Bertlich,  gewöhnlich  Bertrich,  in  den  100  Fuss  tiefen 
Thälern  des  Uesbaches  in  der  Bürgermeisterei  Lützerath  (Kreis 
Cochem,  Regierungsbezirk  Trier),  an  dessen  warmen  Quellen  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  die  unzweideutigen  Spuren  der  dauernden  Be- 
nutzung in  Römerzeiten  zu  Tage  getreten  sind.  Bereits  i.  J.  1843 
fand  man  20*  unter  dem  jetzigen  Boden  den  alten  Römerbru  nnen, 
welcher  5*  breit  und  V  lang  in  den  Felsen  gehauen  und  wenigstens 
27'  tief  ist.  Auch  entdeckte  man  in  der  Nähe  dieses  Brunnenschachtes 
ein  altes  mit  römischen  Ziegeln  gemauertes,  gemeinschaftliches 
Bad  von  etwa  12'  im  Gevierte,  in  welchem  eine  grosse  Amphora 
lag.  Mehrcrcmals  hat  man  überdies»  bei  Bertrich  römische  Mün- 
zen gefunden,  unter  andern  eine  Goldmünze  des  Vcspasian  und  eine 
Münze  ConBtantins  des  Grossen.  Der  wiederaufgefundene  alte  Römer- 
brunnen wurde  neu  gefasst  und  durch  eine  wohlgelungene  Leitung 
der  Quellen  die  Mächtigkeit  der  Thermen  bedeutend  verstärkt  m. 
Weitere  Aufdeckungen  folgten  i.  J.  1860  bei  Anlage  des  neuen  Bades, 
wobei,  ausser  dem  oben  besprochenen  Votivaltärchen  der  Devcr- 
cana  und  Meduna  und  der  Marmorfigur  der  Diana,  die  30*  lange 
Grundmauer  eines  Gebäudes  biosgelegt  wurde,  auf  dessen  Mörtelestrich, 
ausser  Hirschgeweihen  (die  sich  vielleicht  auf  den  Cult  der  Diana 
beziehen),  Statuetten  von  Thon  u.  a.  m.,  wiederum  Münzen  von 
Hadrian,  Commodus,  den  Antoninen  und  Valentinian  vorgefunden 
wurden  tl3.  Welche  Bedeutung  diese  Thermae  ad  S.  Bertricum  oder 
Aquac  Bertlichianac,  wie  sie  in  Urkunden  genannt  werden,  im  Mittel- 
alter gewannen,  davon  zeugen  die  wiederholten  Restaurationen  des 
Erzbischofs  Johann  von  Trier  in  den  Jahren  14f)6  und  1471,  sodass 
sich  dort  selbst  während  des  16.  Jahrhunderts  ein  reges  Badeleben 
entfaltete.  Später  kam  das  Bad  in  VTergessenhei  t,  bis  es  um  1 741  zu  neuem 
Rufe  gelangte,  aber  erst  28  Jahre  später  durch  die  Fürsorge  des 
letzten  Kurfürsten  von  Trier  wiederum  so  aufblühte,  dass  sich  dar- 

"i  Vgl.  Schaunat  III,  2,  1  S.  279  f. 
«'»  Vgl.  Schamiat  III.  1,  2  S.  288-291. 
Vgl.  Bonner  Jahrb.  XXVIII  S.  109. 


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-  38 

nach  unter  französischer ,  später  unter  prcussischcr  Herrschaft  die 
Frequenz  immer  mohr  hob  Ausser  dem  schon  oben  erwähnten 
Säuerling  bei  Godesberg,  welcher  ebenfalls  den  Römern  bekannt 
war,  erübrigt  schliesslich  noch  der  Thermen  von 

15.  Aachen  zu  gedenken,  dessen  Namen  „Aquae  Granni" 
bereits  oben  auf  die  Bedeutung  seiner  Heilquellen  in  römischer  Zeit 
hinzuweisen  veranlasste.  Schon  längst  hat  man  dort  bei  der  Kaiser- 
quelle die  Substruktionen  von  Bädern  mit  Hohlziegeln,  sowie  Mün- 
zen aufgefunden116,  neuerdings  auch  bei  den  im  dortigen  Münster 
nach  dem  Grabe  Karls  des  Grossen  angestellten  Nachgrabungen  116. 
Paas  auch  die  uahlicgenden  Quellen  von  Burtscheid  gleichfalls  schon 
von  den  Römern  benützt  wurden,  ist  um  so  wahrscheinlicher,  weil 
auch  eine  Leitung  für  kaltes  Wasser  dortselbst  als  ein  Römer  werk 
erkannt  wurde117. 


V. 

Mythologisches  zu  den  Itinerarien. 

Ausser  den  oben  erörterten  mit  „Aquae"  gebildeten  Ortsnamen 
machen  sich  unter  der  grossen  Menge  der  in  den  Itinerarien  über- 
lieferten Localbezeichnungen  verschiedener  Art  neben  der  zahlreichen 
Classc  blosser  Eigennamen  weiter  auch  noch  andere  von  ähnlicher 
Bildung  bemerkbar,  welche  gleichfalls  aus  einem  lateinischen 
Appell ativum  nebst  zugehörigem  Adjektive  oder  Nominativ  oder 
Genitiv  eines  Eigenname nB  zusammengesetzt  sind.  Ganz  analog 
unsern  zahllosen  Ortsnamen  auf  heim,  dorf,  berg,  bürg,  markt, 
brücken,  hafen,  gau  u.  a.  m.  haben  die  Appellativa  theils  eine  auf 
natürliche  Verhältnisse  der  mannigfachsten  Art  bezügliche  Be- 
deutung, wie  mons,  pons  und  portus,  theils  weisen  sie  auf  militä- 
rische (castra,  eastellum,  praetorium,  turris)  oder  bürgerliche 
(pagus,  vicus,  forum)  Ansiedlungen  hin,  theils  endlich  geben  sie  sich 
als  ursprünglich  religiöse  Mittelpunkte  zu  erkennen,  um  welche  sich 
meistens  wol  ein  bürgerliches  Gemeinwesen  kleineren  oder  grösseren 

Vgl.  Lorsch  S.  168. 
"*  Vgl.  Lorsch  S.  47  128  A.  129.  141. 

Vgl.  Bonner  Jahrb.  XXXIII.  XXXIV.  8.  223. 
Vgl.  Lersch  S.  141. 


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I  anfangs  bildete ,  dag  von  ihnen  seinen  Namen  erhielt:  hierher  ge- 
hören die  Bezeichnungen  als  compitum,  templum, fanura,  lucus. 
Für  compitum  liegt  unseres  Wissens  nur  die  eine  Stelle  im  It. 
Ant.  p.  145  der  Berliner  Ausgabe  vor,  woselbst  ein  Ort  Compi- 
tum aufgeführt  ist,  welcher  ebendort  p.  143  mit  sub  Anagniao 
und  in  der  Tab.  Peuting.  segm.  V.  E.  mit  Conpito  Anagnino 
bezeichnet  wird  :  die  Schreibung  Conpito  lässt  vielleicht  auch  in 
der  mutatio  Conpetu  des  It  Hierosol  p.  289  eine  ähnliche  auf 
ein  compitum  zurückzuführende  Ortsbezeichnung  vermutheiL  Gleiche 
Bewandtniss  scheint  es  auch  mit  den  als  templum  charakterisirten 
Namen  der  Tab.  Peuting.  zu  haben  (vgl.  Index  bei  Schcyb  p.  XI), 
bei  welchen  auf  der  Tafel  selbst  überall  ein  einzelnes  Haus,  offen- 
bar als  Andeutung  des  Tempels  eingezeichnet  ist:  es  findet  sich  so 
templum  Jovis,  Minervac,  Veneris,  Heren  Iis  (zweimal)  und  Augusti. 
Von  grösserer  Bedeutung  aber  in  mythologischer  Hinsicht  sind  die 
durch  fanum  und  lucus  als  heilige  Stätten  gekennzeichneten  Oert- 
lichkeiten,  insoferne  sie  zugleich  auf  ein  anderes  uichtrömisches 
Glaubensgebiet  hinüberführen,  welches  ausserdem  hauptsächlich  nur 
durch  inschri  f  1 1  i c h e Zeugnisse  beurkundet  ist.  Beide  vorerwähnte 
Wörter  werden  bemerkenswerther  Weise  bei  diesen  Ortsbezeichnun- 
gen entweder  in  üblicher  Art  vor  ihren  zugehörigen  Genetiv  gesetzt 
oder  aber  sie  folgen  demselben  nach  und  werden  bisweilen  sogar 
mit  demselben  zu  oinom  Worte  verbunden. 

■ 

Fanum. 

1.    Fanum  Cocidi.  2.  Haevacfanum. 

Sowol  der  Geograph  us  Raven nas  p.  258,  11  und  326,  6  als  auch 
Guido  p.  462,  11  und  505,  4  erwähnen  das  jetzige  Fano  in  Umbrien, 
die  Colonia  Julia  Fanestris,  mit  der  blossen  Bezeichnung  Fanum, 
während  die  Tab.  Peuting.  segm.  IV.  B  mit  ihrem  fano  Furtunae  (sie) 
und  die  It.  Ant.  p.  126  und  Hierosol.  p.  615  mit  fano  Fortunae 
deutlich  noch  auf  die  erste  Tempelanlage,  das  uqov  tijc  Tvjpj<;,  hin- 
weisen (vgl.  F orbiger  Hdb.  d  Geogr.  I,  618),  deren  Namen  durch 
die  analogen  Ortsnamen  eines  fanum  Martis  (Tab.  Peuting.  segm.  I. 
It.  Ant  p.  387)  und  ebenso  eines  fanum  Minervac  (It  Ant.  p.  364) 
in  Gallien  bestätigt  wird.  Es  darf  daher  gewiss  auch  bei  dem  von 
dem  It  Ant.  p.  80  angeführten  fanum  Carisi  auf  der  Insel  Sar- 
dinien in  dem  zweiten  Worte  gleichfalls  der  Namen  einer  einheimischen 
sardiseben  Gottheit  vermuthet  werden,  zumal  auch  die  von  Forbiger 
S.  825  dazu  verglichenen  Ka^vatoi  des  Ptolemaeus  den  nichtrömischen 


40  - 


Ursprung  des  Wortes  weiter  zu  beurkunden  scheinen  Schwieriger 
ist  die  Entscheidung  über  ein  fünftes  fanura,  das  fanum  fugitivum  in 
Umbricn  bei  Guido  p.  419,17,  welches  das  It.  Hierosol.  p.  613  mu- 
tatio  fani  fugitivi  und  die  Tab.  Peuting.  segm.  IV.  F.  fano  fugitivi 
•  nennt.  Ks  scheint  demnach  der  Namen  fanum  fugitivi  gewesen,  seinem 
Ursprünge  nach  aber  dunkel  zu  sein,  da  fugitivi  wol  nichts  mit  dem 
Namen  einer  Gottheit  zu  schaffen  hat,  wie  in  den  vorhergehenden 
Fällen  und  offenbar  auch  in  den  beiden  folgenden,  welche  gleichfalls 
wieder  nichtrömisdhc  d.  h.  keltische  Götternamen  als  Ausgangs- 
punkte von  Ortsnamen  aufzeigen  und  damit  zugleich  auf  die  alten 
Quellen  zurückführen ,  die  den  bekanntlich  oft  bis  zur  Ungeheuer- 
lichkeit entstellten  Ortsbezeichnungen  des  Geographus  Ravcnnas  ganz 
unzweideutig  zu  Grunde  liegen.  Dieser  erwähnt  nämlich  unter  den 
zahlreichen  theilweise  auch  von  Ptolemaeus  aufgeführten  Ortsnamen 
Britanniens,  welche  in  grader  Richtung  von  Meer  zu  Meer  liegen 
sollen,  p.  433,4  einen  Ort,  welchen  die  Ausgabon  Fanoecd  i,  der 
treffliche  cod.  Parisinus  allein  (und  daher  die  Berliner  Ausgabe) 
Fano  codi,  der  Vaticanus  und  Basiliensis  dagegen  übereinstimmend 
Fanococidi  nennen  und  dieses  ist  die  allein  richtige  Leseart.  Es  haben 
nämlich  schon  die  beiden  englischen  Archäologen  Roach  Smith  Col- 
lect, antiq.  II.  p.  201  und  Collingwood  Bruce  the  Roman  Wall  p.  381 
edit.  II.  auf  etwa  10  zu  ßankshead  und  Howgill,  in  deren  Nähe  man 
den  besagten  Ort  des  Ravennaten  sucht  und  setzt,  wie  auch  zu  Bir- 
doswald,  Netherby  und  Blcatarn,  meist  Orte-  an  der  Britannien  quer 
durchschneidenden  Linie  des  Antoninischen  Wallos,  aufgefundene 
Votivaltärc  hingewiesen,  welche  einem  DEVS  OOCIPIVS  gewid- 
met sind,  der  auf  denselben  auch,  wie  zahlreiche  andere  keltische 
Götter,  mit  dem  römischen  Mars  identifizirt  wird.  Fanum  Cocidi 
(Cocidii)  ist  also  dem  obenerwähnten  fanum  Martis  ganz  analog  und 
damit  in  jenem  bisher  ganz  rätltselhaften  Ortsnamen  bei  dem  Raven- 
naten ein  neues  gewichtiges  Zeugniss  für  den  Cult  dieser  britanni- 
schen Gottheit  gewonnen.  Von  ähnlicher  j\rt  ist  der  zweite  Fall. 
Unter  den  auch  hier  wieder  grösstenteils  bis  zur  Unkenntlichkeit 
entstellten  Locainamen  am  Niederrhein  nennt  derRavennatc  p.  228,4 
einen  schon  vielfach  der  historischen  Interpretation  unterstellten  Ort 
Coadulfa veris,  an  dessen  Stelle  die  Tab.  Peuting.  segm.  I.  B.u.C. 
die  beiden  Ortsnamen  Carvone  und  Oastra  Herculis  bietet. 
Unmittelbar  hinter  demselben  bringt  der  Geographus  Ravennas  weiter 
einen  Ort  Evitano  (mit  der  Variante  evitario  in  dem  Basiliensis), 
statt  dessen  die  Tab.  Peuting.  segm.  I.  B.  hinwieder  Lev  efano  auf- 
fuhrt.   Aus  der  Vergleichung  dieser  beiden  Namen  ersieht  man  deut- 


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-  41 

lieh,  dass  in  dem  Texte  de»  Gcographus  bisweilen  die  Anfangs- 
buchstaben der  Namen  weggefallen  sind,  andererseits  liegt  ebenso 
klar  vor,  dass  Lcvcfano  aus  Lcve  d.  h.  Levac  oder  Laevae  und 
fano  zusammengesetzt  ist  Die  Erwähnung  des  Orte«  Castro  Herculis 
aber  und  die  Auffindung  einer  Anzahl  einem  kelto-römisehcn  HER- 
OVLES  MAGVSANVS  gewidmeter  Votivaltärc  an  verschiedenen 
Orten  Hollands  hat  daher  Alfred  Maury  (Rev.  archcol.  1849.  p.  237: 
vgl.  Beucker  de  orig.  iur.  frisic.  p.  294)  zu  der  ansprechenden  Ver- 
muthung  Anlass  gegeben,  dass  in  beiden  Ttinerarien  Haevaefano 
zu  verbessern  sei,  da  ein  zu  Malburgen  in  IIolländisch-Geldern  zu 
Tage  geförderter  Votivaltar  HERCVLI  MAOVSANO  ET  HAEVAK 
(Orelli  2005)  geweiht  ist:  eine  Textesveränderung  der  Itinerarien, 
welcher  in  paläographischer  Hinsicht  kaum  ein  erhebliches  Bedenken 
entgegengestellt  werden  kann.  Es  wäre  demnach  nahe  bei  den  Castra 
Herculis,  welcher  Gott  dort  gewiss  leicht  zu  einer  Idcntifizirung  mit 
dem  einheimischen  Dcus  MAGVSANVS  kommen  konnte,  ein  t  an  um 
liaevac  d.  h.  ein  seiner  göttlichen  Begleiterin,  der  gleichfalls  ein- 
heimischen, nicht-römischen  HAK  VA  geweihtes  Heiligthum  nachge- 
wiesen, um  welches  sieh  als  Mittelpunkt  auch  eine  gleichnamige  An- 
»icdlung  gebildet  haben  mag. 

Lucus. 

1.  Lucus  Bormanae.    2.  Poenilucus.    3.  Stailueus.  4.  Sage- 
luc u  s. 

Denselben  mythologischen  Ausgangspunkt  und  Anlass,  wie  die 
mit  fanum  gebildeten  Ortsnamen,  haben  auch  die  mit  lueiis  zusam- 
mengesetzten, deren  zweiter  Thcil  meistens  der  Genitiv  cinea Götter- 
namens ist;  wie  dort  ein  heiliges  Gebäude,  so  gab  hier  ein  heiliger 
Hain  wol  öfter  die  natürliche  Veranlassung  zu  einer  Ansicdlung, 
welche  sich  im  Laufe  der  Zeit  zu  einem  grössern  Gemeinwesen  er- 
weitern mochte.  Heilige  Haine  aber  waren  dem  römischen  wie  kel- 
tischen Cultus  gemeinsam  und  es  kann  daher  auch  hier  nicht  auf- 
fallen, lucus  mit  Namen  von  Gottheiten  aus  beiden  Mythologiecn  zu- 
sammengestellt zu  sehen.  Italien  selbst  gehören  der  lucus  Feroniae 
(Plin.  N.  II.  IUI,  5,  8)  und  der  locus  Angitiae  an,  dessen  gleich- 
namiger Ort  noch  in  dem  heutigen  Luco  fortlebt  (Forbiger  S.  642); 
auch  das  süd-italische  Lucos  der  Tab.  Peuting.  segm.  VI.  B.  gründet 
sich  sicherlich  auf  eine  gleiche  heilige  Waldstätto,  wenn  auch  die 
Gottheit,  welcher  dieselbe  ursprünglich  geweiht  war,  grade  so  nicht 


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-  42 


mit  überliefert  ist,  wie  oben  bei  dem  Ravennaten  das  blosse  Fanum, 
statt  Fanum  Fortunae  steht,  wie  weiter  schlechthin  Lucus  im  lt. 
Ant.  p.  170,  It.  HierosoL  p.  263,  Tab.  Peuting.  segm.  II.  D.  und  bei 
dem  Geogr.  Rav.  p.  241  (mit  den  Varianten  tueo  undtueo)  statt  lucua 
Augusti  (Luc  en  Die  in  Frankreich:  Plin.  N.  H.  III,  4,  5)  und  eben 
«o  im  It  HierosoL  p.  203.  204  statt  Lucus  Augusti  (Lugo  in  Spanien) 
gesetzt  ist,  wobei  beiläufig  bemerkt  sei,  dass  Lucus  Asturum  (Asto- 
rum:  Geogr.  Rav.  p.  320,  16),  jiov*^  'Aoiovq*'*,  einer  der  kleinen 
Orte  im  Gebiete  der  hispanischen  Astures,  deren  Haupt-  und  Natio- 
nalheiligthum gewesen  zu  sein  scheint  Diese  Benennung  naheliegen- 
der Ansiedlungen  nach  solchen  heiligen  Hainen  einheimischer  Gott- 
heiten bezeugt  auch  der  grosse  Wald  Bouconne  im  südwestlichen 
Frankreich  am  Fusse  der  Pyrenäen,  an  dessen  westlichem  Saume  die 
Spuren  einer  römischen  Niederlassung  gefunden  werden,  welche  die 
locale  Ueberlieferung  gleichfalls  mit  dem  Namen  Bouconne  be- 
zeichnet; es  erwähnt  nun  aber  das  It.  Hierosol.  p.  261,  11  westlich 
von  Tolosa  an  der  Strasse  nach  Burdigala  unter  andern  Orten  eine 
mutatio  Bucconis,  welchen  Ort  Bucconae  man  in  dem  Flecken 
Empeaux  und  Ile-en-Jourdain  erkennen  wollte :  mit  grösserer  Wahr- 
scheinlichkeit ist  aber  diese  mutatio  vielmehr  in  der  obenerwähnten 
gleichnamigen  römischen  Ansiedlung  am  Rande  des  Waldes 
Bouconne  zu  suchen.  Ganz  analog  dem  italischen  lucus  Feroniac  und 
Angitiae  ist  weiter  auf  gallischem  Gebiete  auch  der  Namen  des  uloo* 
oder  vielmehr  ^rfyoanj«.  lucus  Andartae,  der  britannischen 
Siegesgöttin  bei  Cass.  Dio  LXII,  2  gebildet  und  es  lassen  sich  nach 
dieser  Analogie  auch  die  Namen  anderer  keltischen  Gottheiten  fest- 
stellen ,  welche  bis  jetzt  ganz  unerkannt  in  solchen  Ortsnamen  der 
ltinerarien  verborgen  waren.  Es  erwähnen  nämlich  das  It.  Ant.  p. 
141.  Tab.  Peuting.  segm.  II.  F.  Geogr.  Rav.  p.  270,  8;  338  ,  4  und 
Guido  p.  476,  U;  512,25  einen  liguri sehen  Ort,  dessen  Namen 
sie  in  seinem  ersten  Theile  Lucus  im  Ganzen  übereinstimmend, 
mehr  oder  minder  abweichend  aber  in  seinem  zweiten  Theile  über- 
liefern: es  ist  das  zwischen  Albingaunum  und  Costa  Balenae  aufgeführte 
Lucus  Bormuni.  Von  den  Handschriften  des  It.  Ant.  haben  nur 
der  treffliche  Parisinus  D  und  der  Scorialensis  Luco,  alle  übrigen 
Loco;  in  gleicher  Weise  weichen  von  der  Vulgatc  Bormani  der  eine 
Florentius  mit  bormoni,  der  Scorialensis  mit  bormaci  und  am 
auffallendsten  der  vorerwähnte  Parisinus  mit  bormaniac  ab;  die 
Tab.  Peuting.  segin.  II.  F.  hat  Luco  Borain ni  mit  offenbarer  Vcr- 
schrcibuug  statt  Bormani.  Noch  weiter  ab  liegen  die  Lesearten 
des  Ravennaten  und  des  Guido.   Jener  bietet  an  erster  Stelle  Luco 


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-    43  - 

Vermanis,  ebenso  auch  an  zweiter  Stelle,  woselbst  jedoch  der  Va- 
ticanus  und  Parisinus  Loco  Germania,  die  Ausgaben  Loco  Ber- 
manis  haben.  Die  Handschriften  des  Guido  haben  an  erster  Stelle 
Loco  oder  Leco  Vermanis  oder  Vernanis,  an  zweiter  Loco 
Germinis.  Auffallend  ist  hierbei,  dass  während  It  Ant  und  Tab. 
Peuting.  auf  ein  Bor  man  i  hinführen,  bei  dem  Ravcnnaten  und  Guido 
dieses  Wort  auf  i  s  ausgeht,  was  als  leicht  aus  einem  i  e  entstanden, 
auf  das  bormaniae  des  Parisinus  I)  zurückweisen  würde.  Zunächst 
ist  aber  als  Nominativ  zu  Bormani  ein  Bormanus  festzuhalten  und 
ist  liierzu  die  ganze  Reihe  theils  dem  Stamme,  theils  der  ableitenden 
Endung  nach  verwandten  und  analogen  Bildungen  zu  vergleichen, 
welche  oben  S.  9  zusammengestellt  worden  sind,  unter  denen  die 
beiden  letztern  dem  Bormanus  am  nächsten  kommen  und  ebenso 
wie  Lucus  Bormani  selbst  auf  eine  einzige  keltische  Gottheit 
zuruckzudeuten  scheinen,  welche  entweder  ein  Deus  Bormanus 
oder  eine  Dea  Bormana  gewesen  ist  Und  in  derThat  lassen  sieh 
wol  beide  nachweisen.  Einerseits  nämlich  hat  Hübner  118  zwei 
Votivinschriften  aus  Spanien,  demnach  also  ebenfalls  aus  einem  Kclten- 
lande,  mitgetheilt,  welche  einem  DEVS  BORMANICVS  gewidmet 
sind  und  andererseits  hat  sich,  nicht  allzufern o  von  demjenigen  Land- 
striche Galliens,  welchem  die  Orte  Lucus  Bormani  und  das  Pli- 
nianische  Bormani  angehören,  zu  Saint-  Vulbas  (dep.  de  l'Ain)  eine 
Votivara  mit  folgender  Inschrift  gefunden  119 : 

BORMANAE 
AVG  SACR 
CAPRI 
A :  TRATINVS 


als  deren  Scbluss  ein  Fragment  gelten  darf,  das  sich  in  der  Mauer 
einer  Mühle  desselben  Dorfes  befindet: 

SABJNIANVS 
DSD 

Demnach  darf  wol  das  LucusBormani  auf  jenen  Gott  BORMANVS 
oder  BORMANICVS  bezogen  oder,  soferne  Bormani  leicht  aus  Bor- 
manc  d.  h.  Hormanae  verschrieben  werden  konnte,  in  Lucus  Bor- 
manae  geändert  werden,  wovon  auch  der  treffliche  parisinus  D  des 

"*  Vgl.  Anrak.  Iii. 

119  Vgl.  Guillemot  introduetion  a  la  monograpliio  du  Bugcy  p.  105.  Allmor 
8ur  dem  inscriptions  votives  (vgl.  Anrak  27)  p.  18.  Bonner  Jahrb.  XXXUI. 
XXXIV  S.  17. 


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-    44  - 

It.  Ant.  in  seinem  Bormaniac  eine  unzweideutige  Spur  erhalten  zu 
haben  acheint. 

Eine  ähnliche,  schon  frühe,  wie  es  scheint,  allgemein  gewordene 
Verderbniss  der  ursprünglichen  Namensform  hat  auch  die  Bezeich- 
nung der  Alpes  Poenniae  und  Alles,  was  mit  derselben  zusammen- 
hängt, betroffen.    Fast  tiberall  nämlich  zeigen  die  späteren  hand- 
schriftlichen Quellen  und  Urkunden  eine  Entstellung  des  Poeninus 
in  das  wegen  seines  Anklangs  an  Apenninus  naheliegende  Penn  in  us, 
so  dass  die  Varianten  der  Handschriften  beide  Formen  untereinander 
mischen,  wie  ein  Blick  auf  Tab.  Peuting.  III.  D;  II.  C;  II.  B.  und 
den  Ravcnnaten  p.  237  genugsam  zeigt     Schon  längst  aber  hat  '*> 
die  Uebereinstimraung  der  besten  Handschriften  und  der  Inschriften 
dargethan,  dass  nur  Pocninus  die  allein  richtige  Forin  des  Namens 
ist,  deren  Entstellung  in  Pcoeninus  und  Puocninus  in  zwei  Inschriften 
nur  als  Schreibfehler  anzusehen  und  ohne  alle  Bedeutung  ist 121.  Mit 
Recht  hebt  daher  Mommsen  a.  u.  a.  O.  hervor,  dass  nach  allem 
diesem  die  auch  von  Zeuss  (gr.  celt.  p.  77.  1)9)  noch  adoptärto  land- 
läufige Ableitung  von  dem  gallischen  penn  ebensowenig  stichhaltig 
sei,  als  die  von  Livius  XXI,  38  gemachte  Angabe,  wonach  die  vallis 
Poenina  von  der  Localgotthcit  der  Vcragri ,  dem  später  mit  dem 
römischen  Juppitcr  identifizirten  Dcus  Poeninus,  ihren  Namen  erhal- 
ten habe,  aus  sprachlichen  Gründen  angenommen  werden  könne,  da 
vielmehr  für  beide  Ableitungen  eine  gemeinsame  Wurzel  voraus- 
zusetzen sei.    Es  ist  nämlich  evident,  dass  das  Attribut  Poeninus  zu 
Alpes,  Vallis  und  dem  DEVS  der  Vcragri 122  nur  als  eine  adjektivische 
Ableitung  von  einer  kürzern  Wurzel  Poen  angesehen  werden  kann. 
Diese  Wurzel  selbst  aber  hat  Mommsen  sicherlich  ebenso  über- 
zeugend in  dem  Namen  der  rätischen  "Alm?  Motval  bei  Ptol.  II,  12,  2 
in  ihrer  ursprünglichen  Form  nachgewiesen ,  als  andererseits  scharf- 
sinnig auch  in  dem  ganz  entstellten  Pennelocus  der  Itinerarien 

,JÜ  Vgl.  Th  Mommsen  Dio  Schweiz  in  römischor  Zeit.  (Mittheilungen  <ler 
Antiq.  Ucscllsch  in  Zürich  IX,  2,  1  1S54)  S.  «.  A  ti. 

«2«  Vgl.  Strabo  III,  6;  Ptol.  III  p.  171  ed.  Wilberg;  Pliu.  N.  H.  III,  17, 
21;  Tacit.  Hist.  I,  Gl,  70,  87;  IV,  68;  Ammian.  Maro.  XV,  10;  Llv.  V,  35; 
XXI,  38;  Zosim.  Hist.  VI,  3;  Grut.  p.  37h.  tf;  Maffei  Ver.  illustr.  VIII  p.  335; 
Orelli  3888;  Mommsen  Insc  Hclv.  p.  7-10;  Honncr  Jahrb.  IX  S.  Ol  und  XI 
S.  11-14. 

Da  mehr  als  21  auf  dem  grossen  St.  I3crnhard  aufgefundene  Votivin- 
schriften  den  Poeninus  als  männliche  Gottheit  beurkunden,  so  kann  des  Scr 
vius  (zu  Vergil.  Aen.  X,  13.  vol.  I  p.  547  ed.  Lion)  Dea  Ponnina  nur  auf 
einem  Irrthnme  beruhen  und  ist  wol  mit  Deyks  (Bonner  Jahrb.  XI  S.  10)  in  Dens 
Poeninus  zu  verbessern. 


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-    45  - 

vermuthet  Dieser  Ort,  ohne  Zweifel  das  heutige  Villeneuve  in 
Wallis,  wird  im  It  Ant  p  167  durch  die  5  Handschriften  DJLNP, 
auf  deren  Uebereinstiramung  p.  XXXIII  der  Berliner  Ausgabe  ein 
grosses  Gewicht  gelegt  wird,  als  Penne  locos,  durch  die  übrigen 
als  Penne  locus  bezeichnet,  während  die  Tab.  Peuting.  segm.  II. 
B.  Pennolucos  und  der  Vaticanus  nebst  dem  Parisinus  des  Raven - 
naten  p.  237  Pennolocus,  der  Basiliensis  Pennolicus  bietet.  Das 
ftlr  die  Abschreiber  unverständliche,  aber  in  der  Tab.  Peuting.  glück- 
lich bewahrte  lucos  musste,  wie  man  sieht,  sich  die  Aenderung  in 
das  naheliegende  locus  gefallen  lassen,  ganz  analog  der  oben  er- 
wähnten Stelle  des  Lucus  Bormani  im  It.  Ant.  p.  141 ,  woselbst  nur 
zwei  Handschriften  luco,  alle  Übrigen  aber  loco  haben.  Es  kann 
aber  kein  Zweifel  sein,  dass  in  dem  lucos  der  Tab.  Peuting  nur 
eine  keltisirte  Nominativform  statt  lucus  zu  sehen  ist,  da  bekannt- 
lich diese  Endung  os  als  eine  keltische  statt  der  lateinischen  us  auf 
zahlreichen  keltischen  Münzlegenden  sowol  als  in  inschriftlichen  Eigen- 
namen keltischen  Gepräges  gewöhnlich  ist,  somit  also  auch  bei  Orts- 
namen wird  zur  Anwendung  gekommen  sein  m.  Der  erste  Theil 
dieser  mit  lucos  zusammengesetzten  Localbezeichnung  aber  hat  nun 
ohne  Zweifel  dieselbe  Wandelung  des  Poeno  oderPoene  in  Pernio 
oder  Penne  erlitten,  wie  sie  in  Penninus  aus  Poeninus  offenbar  vorliegt. 
Es  haben  daher  Wesseling  (zu  It.  Ant  p.  352)  und  H.  Meyer  15M 
den  Namen  dieser  römisch -gallischen  Station  als  Poenilucus  (Poeui- 
lucos)  d.  h.  Hain  des  Poenus  hergestellt:  eine  uralte  einheimische 
Gottheit  Poenus  inuss  demnach  also  auch  sprachlich  Anlas«  und 
Ausgang  der  Benennung  gewesen  sein,  womit  das  ganze  Rhonethal 
(vallis),  sodann  der  dazu  gehörige  Alpcnzug  (Alpes  Poeninae),  end- 
lich der  auf  der  Höhe  des  grossen  St.  Bernhard  verehrte  Juppiter 
optiinus  maximus  belegt  wurde  :  wie  überall  ging  auch  hier  der 
Localgott  in  der  Identifizirung  mit  dem  siegreichen  Römergotte  unter 
Dass  im  Laufe  der  Zeit  und  bei  der  Verdunklung  der  ursprünglichen 
Bedeutung  des  Wortes  sich  leicht  aus  Poenilucos  ein  Penne  —  oder 
Pennolucos  oder  locus  für  den  bei  dem  uralten  Haine  des  Poenus 
entstandenen  Ort  als  Namcnsform  bilden  konnte,  liegt  auf  der  Hand : 
vielleicht  enthält  auch  das  Pennolicus  der  Baseler  Handschrift  des 
Haveunaten  noch  eine  Spur  des  ursprünglichen  Namens,  da  es  wie 
eine  Verschreibung  aus  Pen ni locus  oder  Penuilucos  d.  h.  Poenilucos 

Vgl.  Kuhn  u.  Schleicher  Sprachvergl.  Beiträge  III,  2  8.  181»  f. 
,J*  Die  römischen  Alpenstraasen  iu  der  Schweiz  (Mittheflungen  der  Antiq 
Gesellscfa.  in  Zürich  XUI,  2,  4)  S.  120. 


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-    46  - 


erscheint  Wie  fanum,  so  ist  nämlich  auch  lucus  dein  Namen  der 
Gottheit  nachgesetzt  d.  Ii.  angehängt  worden,  so  dass  sich  statt  Lucus 
Poeni  ein  Poenilucus,  wie  oben  Haevaefanum,  feststellte.  Für 
diese  Art  der  Namenbildung  zeugt  vielleicht  auch  der  Ortsnamen 
St ai lucus  in  der  Tab.  Peuting.  segm.  IV.  C,  dessen  erster  Theil 
sich  sowol  sonst  noch  in  derselben  Tab.  Peuting.  segm.  XII.  B. ,  als 
auch  auf  römisch-keltischen  Inschriften  nachweisen  lässt:123 

 SVGASSIS 

 HANIVS 

.  .  .  DIAE.STAI.  F. 

.  .  .  SVGASI  ET  STAIG, 
und  somit  ebenfalls  wenigstens  auf  einen  Personennamen  STAIVS 
zurückweiset,  der  wol  auch  als  Götternamen  vorkam. 

Dieselbe  Namenbildung  mit  lucus,  aber  auch  dieselbe  Verwech- 
selung des  Wortes  mit  locus,  scheint  endlich  auch  in  einem  dritten 
Ortsnamen  vorzuliegen,  welchen  das  It.  Ant.  p.  226  Segeloco,  p. 
228  aber  Ageloco  nennt:  auch  der  Ravennate  bezeichnet  offenbar 
denselben  Ort  in  gewohnter  Entstellung  mit  Segeloes:  aus  diesen 
Formen  dürfte  sich  ohne  Zwang  die  Verbesserung  Segelucus  oder 
Sagelucus  herleiten  lassen,  sodass  Sagaclucus  wiederum,  wie 
üben  Haevaefnnum  gebildet  wäre;  ist  auch  in  Britannien  selbst  (wo- 
hin jener  Ort  gehört)  keine  DEA  SAGA  bis  jetzt  nachgewiesen, 
so  begegnet  eine  solche  jedoch  auf  folgender  römisch  -  keltischer  Iii- 
KL'hrift  Spaniens:  1,6 

SAGAE 
MAVRVS 
CAVDI 
V.L  AS 


"s  V'ffl.  Octavi.  Kossi  Muiuor.  Brest',  ed.  Vinacceai  p.  277  n.  2T>. 

Vgl.  Ceaii  Heriuudez  Suuimario  de  In*  Antteiiedades  Kouisiia»  que  hay 
en  EspaHa,  Madrid  1*32,  fol.  p.  422. 


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I 


Des  Kiinonicus  Job  Rohrbach  am  Bartholomäusstiftc 

Frankfurter  Chronik 

vom  Jahre   1494  —  1502. 

Zum  ersten  Male  herausgegeben 
von 

Georg  Eduard  Steits,  Doctor  der  Theologie. 


Einleitung. 

In  den  folgenden  Blättern  lege  ich  den  Geschichtsfreunden  meiner 
Vaterstadt  das  Tagebuch  des  im  Jahre  1502  in  jugendlichem  Alter 
verstorbenen  Kanonicus  Job  Rohrbach  vor,  in  welche«  dieser  die  Er- 
eignisse seiner  Familie ,  seiner  Freunde  und  seiner  Mitbürger  vom 
Jahre  1494  bis  1502  eingetrageil  und  aufgezeichnet  hat.  Ich  habe 
bereits  von  der  Wiederauttindune:  dieser  interessanten  Handschrift  in 
der  Einleitung  zu  der  Familienchronik  Bernhard  Rohrbachs  im  2. 
Bande  der  neuen  Folge  dieses  Archives  S.  415  Nachricht  gegeben 
und  vor  zwei  Jahren  in  den  Versammlungen  des  Frankfurter  Ver- 
eines für  Geschichte  und  Altcrthumskunde  in  drei  Vorträgen  den 
reichhaltigen  Inhalt  derselben  entfaltet  (Vergl.  Frankfurter  Patricier- 
leben  zu  Ende  des  fünfzehnten  Jahrhunderts,  Frankfurter  Conver- 
sationsblatt  1863  Nr.  4—7.  10-20.  25-28).  Was  in  jenen  9  Jahren 
in  Scherz  und  Ernst,  in  Lieb  und  Leid  die  Bürgerschaft  bewegte, 
tritt  uns  in  diesen  fortlaufenden  handschriftlichen  Aufzeichnungen  iu 
einer  Reihe  von  Bildern  entgegen,  die  mit  naivem  Sinne,  in  leichten 
Umrissen  absichtslos  hingeworfen,  uns  den  Blick  in  die  stillen  Kreise 
des  häuslichen  und  bürgerlichen  Lebens  und  seiner  Sitte  eröffnen, 
über  die  man  damals  nur  selten  etwas  niederschrieb  und  auch  das 
Wenige  nur  als  Anhalt  für  die  eigene  Erinnerung,  nicht  um  die 
Neugierde  der  künftigen  Geschlechter  zu  befriedigen.  Das  Büchlein, 
in  welchem  Job  1 73  Blätter  mit  eigener  Hand  beschrieben  hat,  wurde, 
in  Pergara entumschlag  geheftet,  in  der  Familie  Rohrbach  als  ehr- 
würdiges Erbstück  bis  zum  Erlöschen  des  Mannstammes  bewahrt; 
mit  Margaretha,  der  letzten  dieses  Geschlechtes,  der  Gattin  Johann 
Adolfs  von  Glauburg,  ging  es  wohl  1579  in  den  Besitz  dieser  Familie 


■ 


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-    48  - 


über  und  wurde  von  einem  Gliede  derselben  um  1<$6  mit  Zusätzen 
und  Randbemerkungen  versehen.  Durch  welche  Umstünde  es  in  die 
Hände  meines  Grossoheims,  des  Finanzrathes,  nachmaligen  Schöffen 
und  Bürgermeisters  Georg  Steitz,  kam,  ist  mir  unbekannt.  Von  ihm 
vererbte  es  auf  seinen  Neffen,  den  Herrn  Rath  Georg  Finger,  der  es 
mir  mit  gewohnter  Liberalität  zur  Benützung  anvertraute  und  dem 
ich  dafür  jetzt  auch  öffentlich  den  herzlichsten  Dank  aussprechen 
darf.  Der  selige  Böhmer,  den  meine  Mittheilungen  daraus  in  dem 
Conversationsblatte  noch  auf  seinem  schweren  Krankenlager  im 
höchsten  Grade  fesselten,  hatte  das  Büchlein  uie  gesehen.  Seine 
Vermuthung,  dass  es  wohl  Fichard  gekannt  haben  dürfte,  ist  nicht 
begründet :  dieser  würde  sonst  manche  Angaben  in  seiner  Geschlechter- 
geschichte  (z.  B.  Uber  den  Tod  Gilbert  Holzhausens  zum  Spangen- 
berg, den  er  irrthümlich  erst  1496  setzt)  berichtigt  und  ergänzt  haben. 
Der  Einzige,  der  es  gekannt,  aber  weder  in  seinem  Werthc  gewür- 
digt, noch  auch  eingehend  benutzt  hat,  war  der  selige  Römer.  Welche 
reiche  Quellen  und  Ströme  würden  sich  erst  für  die  vaterstädtische 
Geschichte  eröffnen,  wenn  die  Familie  Holzbausen  ihr  Archiv,  in 
das  so  viele  Archive  einzelner  Geschlechterfamilien  übergegangen 
sind,  nicht  mehr  in  ängstlicher  Zurückhaltung,  für  die  kehl  Grund 
vorliegt,  der  Benutzung  verschlösse,  sondern  die  Möglichkeit  gewährte, 
die  uuvergesslicheu  Verdienste  ihrer  grossen  Ahnen,  wie  sie  es  ver- 
dienen, zum  Gegenstand  der  Bewunderung  für  die  Nachwelt  zu 
machen ! 

Die  ältere  Geschichte  der  Familie  Rohrbach  darf  ich  hier  als 
bekannt  voraussetzen,  da  die  Familienchronik  Bernhards  darüber 
erschöpfende  Nachrichten  gibt  Ich  beschränke  mich  daher  nur  auf 
die  Erinnerung,  dass  dieselbe  durch  Konrad  Rohrbach,  gestorben 
1400,  nach  Frankfurt  kam,  dass  sie  durch  Handel  mit  Elsässer 
Weinen  und  durch  Heirathen  frühzeitig  ein  bedeutendes  Vermögen 
und  ein  ausgedehntes  Grundeigeuthum  erwarb,  dass  schon  Konrads 
beide  Enkel  Johann  (im  Jahre  1444)  und  Heinrich  der  Alte  in  den 
Rath  erkoren,  und  dass  auch  die  beiden  Söhne  des  letzteren,  Heinrich 
der  Junge  und  Bernhard,  im  Laufe  des  Jahrhunderts  die  Nachfolger 
ihres  Vaters  auf  dessen  Rathsitze  wurden. 

Job  oder  Hiob  Rohrbach,  der  dritte  Sohn  Bernhards,  der  von 
seinem  Vater  die  Neigung  zur  Aufzeichnung  städtischer  Begeben- 
heiten geerbt  zu  haben  scheint,  wurde  am  27.  December  1409  ge- 
boren und  von  dem  Kanonicus  zu  St.  Leonhard  Wernherus  Erbstadt 
aus  der  Taufe  gehoben.  Die  Firmelung  empfing  er  1477,  als  er  im 
achten  Jahre  stand.    Da  als  sein  Firmpathe  „Antonius  Armigeri,  siu 


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49  - 


Rector  zu  St.  Bartholome™8  erwähnt  wird,  so  dürfen  wir  daraus 
schliessen,  dass  er  die  Stiftsschnle  daselbst  besucht  und  in  ihr  seine 
erste  wissenschaftliche  Bildung  empfangen  habe.  Als  sein  Vater 
Bernhard  am  <>.  December  1482,  erst  36  Jahre  alt,  starb,  waren  von 
dessen  neun  Kindern  nur  noch  sechs  am  Leben.  Die  Wittwe  Elgin 
Rohrbach  war  eine  Tochter  des  verstorbenen  Schöffen  Konrad  Holz- 
hausen und  dessen  Ehefrau  Engin,  einer  geborenen  Sassen  *.  Sie 
wohnte  in  dem  Wixhäuser  (dem  heutigen  Augsburger)  Hof,  dessen 
östliche  und  westliche  Seite  damals  noch  nicht  mit  Häusern  verbaut 
und  wie  heute  zur  Strasse  eingeengt  waren,  während  das  Gebäude 
selbst,  mit  Thurm  und  Erker  stattlich  geschmückt,  die  ganze  nörd- 
liche Breite  des  Hofes  einnahm  und  mit  seiner  Facade  nach  Süden 
schaute.  Ausserdem  besass  sie  noch  immer  das  Haus  Ehrenfels  in 
der  Schnurgasse  und  einen  grossen  Hof  auf  der  Eschenheimergasse 
mit  mehreren  Zinshäusern,  über  dessen  Eingang  Bie  im  Jahre  1496 
das  Rohrbach 'sehe  und  Holzhausen'sche  Wappen  aufrichten  Hess. 
Auch  ein  Rohrbach'scher  Garten,  ohne  Zweifel  der  jüngst  verkaufte 
grosse  Bleichgarten  auf  der  Breitengasse  und  dem  Klapperfeld,  wird 
von  Job  häufig  erwähnt  *. 

Von  den  drei  Söhnen  trat  der  jüngste,  Konrad,  schon  am  8.  April 
1 493  nach  eben  zurückgelegtem  zwölften  Lebensjahre  eine  Reise  nach 
Augsburg  und  Venedig  an,  von  der  er  erst  im  März  1498,  also  im 
siebzehnten  Lebensjahre,  zurückkehrte.  Die  Dauer  seiner  Abwesen- 
heit, seine  zarte  Jugend  und  der  längere' Aufenthalt  in  diesen  Städten, 
welche  die  grossen  Mittelpunkte  des  Handels  zwischen  Deutschland 
und  Italien  bildeten,  legt  die  Annahme  nahe,  dass  sich  Konrad  dem 
Kaufmannsstande  widmete  und  dass  der  Zweck  dieser  Reise  seine 
merkantilische  Ausbildung  war8.  Wenige  Tage  vor  Konrads  Abreise 
war  auch  der  älteste  Sohn  Bernhard,  damals  26  Jahre  alt,  am  26. 
März  1493  nach  Italien  gezogen  *,  weilte  längere  Zeit  in  Rom  und 
erreichte  erst  zwei  Jahre  später  mit  Ludwig  Holzhausen  die  Heimath. 
Als  beide  auf  dem  Rückwege  am  20.  Mai  1495  eben  auf  einem  Roll- 
wagen Worms  verlassen  wollten,  begegnete  ihnen,  wie  es  scheint, 
von  Ungefähr  dort  Job  Rohrbach  mit  mehreren  Frankfurtern,  Karl 


'  Bernhard  Rohrbach's  Familienchronik  §.  94-105  (bes.  §.  96);  §.  124.  Job 
Rohrbsch  Chronik  §.  1. 

i  Job'»  Chronik  §.  89  flg.  §.  78,  81,  9,  14  etc. 

3  Ibid.  §  3  u.  87.  Dafür  spricht  auch  sein  späterer  Aufenthalt  in  Antwer- 
pen §.  10. 
4. 

4 


—    50  — 

Hynsberg,  Ulrich  Neuhausen,  Bechtold  Heller,  Johann  zum  Jungen, 
Wolf  Blum,  dem  Sc  hulth  eisen  Ludwig  zum  Paradies ,  dem  Doctor 
Adam  Heymbach  und  Anderen.  Sofort  kehrten  sie  mit  ihnen  in  die 
Stadt  zurück  und  feierten  mehrere  Tage  lang  ein  fröhliches  Wieder- 
sehen.   Begleitet  von  vier  Dienern  fuhren  sie  in  einem  Kollwagen 
am  24.  Mai,  ihrer  fünfzehn,  nach  Oppenheim,  von  da  am  25.  zu 
Schiffe  nach  Mainz  und  mit  dem  Mainzer  Marktschiff,  welches  bereits 
das  gewöhnliche  Beförderungsmittel  für  Reisende  aller  Stände  war, 
nach  Frankfurt5.    Schon  im  Jahre  1496  sehen  wir  Bernhard  das 
Ross  besteigen  zu  einer  neuen  italienischen  Reise,  die  ihn  sechs  Mo- 
nate lang  dem  Familienkreise  fern  hält  und  wiederum  bis  nach  Rom, 
von  Job  schlechthin  urbs  genannt,  führt  *.    Ueberhaupt  ist  der  Zug 
nach  Italien  eine  charakteristische  Erscheinung  in  dem  Leben  der 
reichen  Frankfurter  jener  Zeit    Auch  von  Haman  Holzhausen  lesen 
wir,  dass  er  in  seiner  Jugend  sich  dort  aufgehalten  und  für  sich  und 
seinen  Reisegenossen  Jakob  Kühorn  einen  Ablassbrief  erwirkt  habe, 
der  im  Jahre  1491  auf  die  Glieder  von  Beider  Familien  ausgedehnt 
wurde.    Im  September  1494  treten  abermals  drei  junge  Frankfurter, 
Loy  Jostenhofer,  ein  Sohn  des  Johannes  von  Rhein  und  Magister 
Wolfgang  Heller  die  Reise  nach  Italien,  und  da  sie  Briefe  für  Bern- 
hard Rohrbach  mitnahmen,  so  scheint  es,  nach  Rom  anT.    Was  sie 
dorthin  zog,  war  gewiss  nicht  blos  die  Herrlichkeit  des  Landes ,  die 
noch  heute  jedem,  der  es  zu  sehen  das  Glück  hatte ,  in  frischer  Er- 
innerung bleibt,  sondern  zugleich  die  Sprache ,  die  durch  eine  allge- 
mein bewunderte  Literatur  vertreten,  als  ein  noth wendiger  Besitz  Aller 
galt,  die  auf  höhere  Bildung  Anspruch  machten.  Auch  Job,  obgleich 
wir  nicht  erfahren,  dass  er  das  Land  selbst  bereiste,  hat  nichts  desto- 
weniger  diese  Sprache  erlernt :  unter  den  wenigen  Büchern ,  die  er 
auf  Anlass  seiner  Anschaffungen  und  der  ihm  gewordenen  Geschenke 
erwähnt,  führt  er  namentlich  die  sämmtlichen  Werke  des  Francesco 
Petrarcha,  eine  Liebesgabe  des  befreundeten  Dr.  Florentius  von 
Veningen,  auf.   Uebrigens  waren  jene  Reisen  damals  noch  mit  weit 
grösseren  Gefahren  verbunden,  als  in  unseren  Tagen  und  es  fehlt 
nicht  an  Beispielen  ,   dass  Manche  jener  Jünglinge  die  Befriedigung 
ihrer  Sehnsucht  nach  der  Heimath  der  Kunst  und  der  wiederaufleben- 
den classischen  Bildung  mit  dem  Leben  büssen  mussten:  Job  selbst 


>  §.  6.  cf.  §.  52. 
«  §.  8. 
'  §.  5. 


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-    51  - 


erzählt  uns,  dass  Wolfgang  Heller  mit  seinem  Gefährten  Otto  Kron- 
berger  auf  der  Heimreise  im  Gebiete  von  Siena  elendiglich  ermordet 
worden  sei.  Am  25.  August  1495  Hessen  der  gebeugte  Vater  Bechthold 
Heller  und  die  Brüder  des  Gemordeten,  Jakob,  Bechthold  der  Jün- 
gere und  Caspar,  ihm  in  der  Bartholouiüuskirche  die  Exequien  ver- 
anstalten 8. 

Die  beiden  älteren  Schweätprn  Anna  und  Afra  wurden  durch 
den  Willen  der  Mutter  dem  Klosterleben  bestimmt  Im  Jahre  1488, 
wo  jene  vierzehn,  diese  zwölf  Jahre  alt  war,  schloss  Elgin  mit 
Anna  Kückerin ,  Priorin  zu  den  Weissfrauen ,  einen  Vertrag,  kraft 
dessen  ihren  beiden  Töchtern  zwei  Pfründen  zugesichert  und  dem 
Kloster  eine  Summe  von  250  fl.  für  jede  ausgesetzt  wurde,  wogegen 
es  auf  ihre  Erbschaft  Verzicht  leistete.  1490  wurde  diese  Summe  für 
Anna,  1492  für  Afra  ausgezahlt  nebst  10  fl.  für  die  Kleider  jeder. 
Sie  traten  also  um  diese  Zeit  ihr  Noviziat  an9.  Schon  im  Jahre  1488 
werden  beide  in  einer  dem  Convente  ausgestellten  Ablassbulle  ge- 
nannt10; den  Schleier  nahmen  sie  indessen  erst  am  6.  August  1494 
mit  vierzehn  anderen  Jungfrauen  H.  Anna,  damals  zwanzig  Jahre  alt, 
überlebte  nur  um  wenige  Wochen  ihre  Einkleidung,  sie  verschied 
am  23.  August  in  dem  Kloster  ii.  Ihre  Schwester  Afra  vertrauerte  in 
den  öden  Mauern  ihre  Jugendzeit  unter  frommen  Uebungen  und 
kleinlichen  weiblichen  Handarbeiten;  ihrem  Bruder  Job  verfertigte 
sie  aus  Seide  einen  Zweig  mit  drei  weissgefüllten  Knospen,  drei 
Eicheln,  zwei  rothgefüllten  Blumen  und  vielen  anderen  kleinen  Blüm- 
chen :  das  wehmüthige  Bild  eines  vertrockneten  und  verkümmerten 
Lebens 13. 

Nur  die  jüngste  Tochter  Martha  war  bestimmt,  als  Gattin  und 
Mutter  das  Loos  des  Weibes  in  den  Freuden  und  Leiden  des  Haus- 
standes zu  tragen.  Sie  vermählte  sich  1495,  siebzehn  Jahre  alt,  mit 
Karl  Hynsberg  und  die  Schilderang  der  Förmlichkeiten,  womit  dies 
geschah,  bildet  einen  der  interessantesten  Absehuitte  unserer  Hand- 
schrift1* 

Am  11.  Mai  149o  kamen  in  dem  Klappergarten  von  Katharina 
Holzhausen  im  Beisein  Jobs,  Gilbert  Holzhausen's  und  Jakob  Neu- 


*  §.  268. 

9  Fichard  Geschlechtergeschichte. 
«•  Lerener  I,  II,  79. 
»  §.  72. 
»»  §.  73. 
«  §.  7*. 
»  §.  78-81. 

4» 


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-    52  - 


hausen's  Elgin  Rohrbach  die  Mutter  and  Karl  Hynsberg  tiberein,  dass 
der  letztere  Martha  zur  Ehe  nehmen  solle.  Am  16.  Mai  wurden  die 
beiden  gleichlautenden  Exemplare  der  ehelichen  Briefe  versiegelt, 
von  Seiten  des  Bräutigams  durch  Doctor  Ludwig  zum  Paradies,  Schul- 
theiss,  mit  seinem  Amtssiegel,  Ort  zum  Jungen  und  Konrad  Neuhaus ; 
von  Marthas  wegen  durch  Georg  Frosch,  Harn  an  Holzhausen  und 
Job  Rohrbach,  der  zu  dieser  Handlung  bemerkt:  „Und  ist  das  erste 
Mal,  dass  ich  gesiegelt  habe,  denn  meiner  Schwester  zu  lieb,  Hess 
ich  das  Siegel  graben."  „Am  18.  Mai  lud  man —  erzählt  er  weiter  — 
von  beiden  Seiten  Frunde,  zu  vollenbringen  und  zu  beschliessen  die 
Ehe  zwischen  Karlen  Hynsberg  und  Martha  Rohrbächerin,  myner 
Schwester,  und  hat  Karl  syne  Frunde  durch  synen  Knecht  lassen 
laden  und  myne  Mutter  ihre  Frunde  von  Marthen  wegen  lassen 
laden  durch  Meister  Niclasen  Schorrebrant,  den  man  nennt  den  Arm- 
brüster  —  die  Jungfrauen,  die  nit  zu  gehören,  die  lädt  man  durch 
ein  Meyd  des  Morgens.  Und  sind  die  Frunde  geladen  worden  von 
beyden  Seiten  des  Morgens,  also  dass  man  die  hat  gebeten  zu  kom- 
men zwischen  zwölf  und  ein  Uhr  zu  den  BarfÜssern ,  die  Frauen 
und  Jungfrauen  in  das  Hus  myner  Mutter.  Also  ist  es  auch  vollen- 
gangen.  Und  so  die  Mannen  von  beiden  Seiten  zun  BarfÜssern  ka- 
men, schickten  sie  ein  Knecht  zu  den  Frauen  ins  Haus,  Hessen t  fra- 
gen: „War  es  den  Frauen  gelegen,  wollten  sie  kommen."  Entboten 
ihnen  die  Frauen:  „Es  war'  ihnen  gelegen."  Da  thet  Georg  Frosch 
ein  Abred,  also  lutend  in  der  Meinung:  „Als  beredt  und  betheidingt 
wär'  zwischen  Karlen  Hynsburg  und  Jungfrauwen  Marthen  ein  Ehe, 
mit  beider  Seiten  Frunde  Rath,  Wissen  und  Willen,  die  also  zu  be- 
schliessen bat'  er  sie  darby  zu  sin."  Dess  sie  all'  gutwillig  waren  und 
gingen  von  den  BarfÜssern  in  myner  Mutter  Hus  zu  der  Brut  und 
den  Frauen  und  Jungfrauen.  Da  im  Hus  thet  Georg  aber  wie  vor 
ein  Abred,  nach  der  nahm  Herr  Johann  Brun  (von  Brunfels)  Jung- 
frau Marthen  und  Karlen  und  gab  sie  zusammen  zu  der  heiligen 
Ehe  ein  vierteler  Stund  nach  einer  Uhr  Nachmittag."  Man  nannte 
diese  ganze  Handlung  den  Handschlag  oder  den  Weinkauf.  Die 
Zahl  der  Gebotenen  von  Seiten  des  Bräutigams,  welche  den  Fami- 
lien Heringen,  Hynsberg ,  Marpurg  zum  Paradies,  zum  Jungen  und 
Neuhaus  angehörten,  betrug  11,  die  von  Seiten  der  Braut,  die  Rohr- 
bache, Holzhausen,  Frosche,  Blume,  Glauburger  und  Holzheimer 
waren  28;  6  waren  als  nicht  in  der  Stadt  anwesend  oder  krank 
nicht  erschienen;  die  Sassen  waren  wegen  Trauer  ausgeblieben,  was, 
wie  Job  versichert,  nicht  als  vollgiltiger  Entschuldigungsgrund  ange- 
sehen wurde.    Jungfrauen  waren  vier  gebeten.   Nach  vollzogenem 


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53  - 


Handschlag  begab  sich  der  Bräutigam  auf  die  Stube  des  Hauses 
Löwenstein  und  lud  die  jungen,  d.  h.  unverheiratheten  Gesellen, 
welche  man  dort  vorfand,  zum  Nachtmahle:  es  waren  ihrer  acht,  ein 
neunter  war  von  der  Mutter  der  Braut  geladen ;  ein  zehnter,  Jo- 
hann Brunn,  war  zugezogen  worden,  weil  er  als  Priester  die  Verlo- 
bung vollzog.  Diese  Ordnung  stand  so  unverbrüchlich  fest,  dass,  als 
Bernhard  Weiss  am  18.  August,  dem  Tage  des  Handschlags,  die 
jungen  Gesellen  durch  einen  Diener  von  Haus  zu  Haus  zum  Nacht- 
mahl laden  Hess,  Job  dies  als  eine  Abweichung  von  der  hergebrach- 
ten Sitte  ausdrücklich  tadelt.  Der  Bräutigam  scheint  dies  selbst  ge- 
fohlt zu  haben,  denn  am  folgenden  Tage  brachte  er  nochmals  per- 
sönlich die  Einladung  an  die  jungen  Gesellen  auf  die  Stube  und 
sandte  dieselbe  auch  den  Jungfrauen  zu  und  es  wurde  zum  zweiten 
Male  geschmausst  und  auf  dem  Römer  getanzt18. 

Erst  sechs  Wochen  später  fand  die  kirchliche  Bestätigung  der 
Ehe  statt:  Karl  von  Hynsberg  wurde  am  1.  Juli  von  seinen  beiden 
Schwägern  Bernhard,  der  unterdessen  von  seiner  ersten  Romfahrt 
zurückgekehrt  war,  und  Job  zur  Kirche  geleitet,  Martha  von  ihrer 
Mutter,  von  ihrer  Schwiegermutter,  Gutgen  Heringen,  und  von  den 
Jungfrauen  Anna  und  Agnes  Blum.  Nach  Job's  Darstellung  scheint 
es,  als  ob  dieses  der  ganze  Hochzeitzug  und  somit  die  kirchliche 
Trauung  derjenige  Act  gewesen  sei ,  der  von  Seiten  der  Verwandten 
und  Freunde  die  spärlichste  Betheiligung  fand.  Am  6.  Juli  folgte 
die  eigentliche  Hochzeit,  welche  in  dem  dem  ChurfUrsten  von  Trier 
zugehörigen  Hof,  damals  noch  der  „Monzhof"  oder  Münzhof  genannt, 
gefeiert  wurde.  Die  Geladenen  aasen  und  tanzten  dort,  am  Abend 
aber  geleitete  man  das  junge  Paar  in  die  Wohnung  der  Schwieger- 
mutter, den  Wixhäuser  Hof,  wo  die  Braut  in  der  gemalten  Stube, 
die  sich  über  dem  gewölbten  Saale  befand,  dem  Bräutigam  beigelegt 
wurde.  Man  bezeichnete  dieses  Beilager  treffend  mit  den  Ausdrücken 
apponere  sponsam  sponso  oder  consummatio  roatrimonii  in  thoro.  Es 
war  dabei  üblich,  dass  einer  der  Brautführer  ihr  den  linken  Schuh 
auszog  und  ihn  dem  andern  gab.  Job,  der  durch  einen  Fieberanfall 
verhindert  gewesen  war,  dem  Hochzeitsschmauss  und  Tanz  beizu- 
wohnen, wollte  sich  wenigstens  diese  Dienstleistung  nicht  nehmen 
lassen,  er  hatte  sich  unter  dem  Ehebette  versteckt,  und  als  seine 
Schwester  sich  diesem  näherte,  zog  er  ihr  rasch  den  rechten  Schuh 
aus,  aber  Jakob  Neuhausen,  mit  der  Sitte  genauer  bekannt,  entklei- 


»  §.  330. 


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-    54  - 

dete  sie  des  linken  und  überreichte  ihn  Gilbert  Holzhansen :  er  hatte, 
wie  Job  zufügt,  das  Richtigere  getroffen  (et  ille  rectius  me  egit). 
Dreizehn  Tage  später,  am  19.  Juli,  wurde  Martha  Rohrbächerin  in 
den  Hof  ihres  Eheherrn,  den  Fodenhof,  feierlich  geleitet  und  ibm 
übergeben.  Man  sah  es  ungern,  wenn  der  Pomp,  womit  man  diese 
Hochzeiten  ausstattete,  irgendwie  eingeschränkt  wurde.  Als  im  Jahre 
1490  Johann  Knoblauch  nur  den  engsten  Kreis  seiner  Hausfreunde 
zu  dieser  Vorfeier  seines  Beilagers  zuzog,  sah  Job  darin  einen  lie- 
weis  seines  übermässigen  Geizes  *6,  und  als  am  29.  October  1498 
Dr.  Johann  Glauburg  in  seine  dritte  Ehe  mit  Margaretha  Horngin 
trat  und  den  üblichen  Hochzeitsschmauss  unterlassen  wollte,  brach- 
ten Friedrich  von  der  Filsch,  Clas  von  Rückingen,  Ludwig  Holt- 
hausen und  Job  Rohrbach  ohne  sein  Wissen  einen  Pfeifer  in  sein 
Haus  und  eröffneten  dort  den  Tanz17. 

Diese  ganze  Darstellung  zeigt  deutlich,  dass  man  zu  Ende  des 
fünfzehnten  Jahrhunderts  den  Abschluss  einer  Ehe  vornehmlich  aus 
dem  Gesichtspunkt  eines  bürgerlichen  Vertrags  betrachtete  und  dabei 
die  kirchliche  Trauung  nur  als  die  Bestätigung  des  bereits  vollgilti- 
gen  Vertrags  vor  der  Kirche  ansah.  Noch  deutlicher  ■  trat  dies  in  der 
älteren  Sitte  hervor.  Dass  der  kirchlichen  Einsegnung  der  Ehe 
der  Handschlag  oder  der  Weinkauf18  vorausging,  bei  welchem 
die  Freunde ,  d.  h.  die  Verwandten  des  Bräutigams  und  der 
Braut  ihre  Zustimmung  zu  der  Verchlichung  gaben  und  das 
Paar  durch  einen  Anwesenden  zusammengegeben  wurde ,  also 
die  Verlobung  im  Familienkreise,  haben  wir  bereits  bei 
der  Ehe  Karl  Hynsberg's  mit  Martha  Rohrbach  gesehen.  Die- 
ses Zusammengeben  geschah  früher  einfach  durch  ein  Familien- 
glied.  Bernhard  Rohrbach  der  Vater  und  Elgin  Holzhausen  wurden 
durch  den  Bruder  des  Vaters  der  Braut,  durch  den  Schöffen  Jo- 
hann von  Holz  hausen,  zusammengegeben  (Bernhards  Familien- 
chronik §.  1(3).  Eine  wesentliche  Veränderung  bei  dem  Handschlag 
finden  wir  zur  Zeit  Jobs.  So  oft  er  fast  desselben  umständlicher  er- 
wähnt, werden  die  Brautleute  im  Hause  der  Mutter  der  Braut  durch 
einen  Kleriker  zusammengegeben.  Von  Johannes  Brun,  der  die- 
sen Act  bei  Jobs  Schwester  und  Karl  Hynsberg  vollzioht,  wird  uns 
deutlich  bemerkt,  er  sei  (obgleich  er  nicht  zu  den  Verwandten  ge- 
hörte) eingeladen  gewesen,  weil  er  als  Priester  die  Verlobung  voll- 


i«  §.  291. 
"  §.  257. 
»  §.  23  u.  106. 


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-    55  - 


zogen  habe  (invitatus,  quia  despondit  iste  sacerdos).  Gilbrccbt  Holz- 
bausen und  Katbarina  Sassen  wurden  am  16.  December  1499  von 
Georg  Schwarzenberg,  Cantor  und Canonicus  zu  St.  Barth oloniäi,  zu- 
sammen gegeben  i9.  Am  14.  October  1498  gibt  Job  Rohrbach  die 
Schwester  seiner  Köchin  Agnes,  Klgin  von  Sprendlingen,  und  Giesaen 
Henn  im  Wixhauser  Hof  zusammen  und  bemerkt:  „Und  ist  das  die 
erste  Ehe,  die  ich  gemacht  und  zusamen  geben  hab;  Gott  geb,  dass 
wohl  gerathe!  Amen!"  Er  war  kurz  vorher  Kanonikus  geworden  2o. 
So  wurde  allmählig  die  Verlobung  aus  einem  bürgerlichen  Familien- 
act  zu  einem  geistlichen  Hausact.  Dieser  Uebergang  fällt  zwischen 
die  Jahre  1470  biß  1490.  Die  eigentliche  kirchliche  Trauung  bestand 
in  der  Erklärung  des  ehelichen  Consenses  vor  Pfarrer  und  Zeugen, 
die  man  „priesterliche  Benediction"  nannte.  So  heisst  es  von 
Clas  Stalburg  und  Margaretha  vom  Rhyn,  sie  hätten  am  21.  October 
149^  in  der  Kirche  ihre  Ehe  solemnisirt  und  von  dem  Stadtpfarrer 
Doctor  Conrad  Ilensel  die  Benediction  empfangen81.  Von  Gilbrecht 
Holzhausen  und  Krinchen  Sassen  wird  gesagt,  sie  seien  in  der  Kirche 
am  10.  Februar  1500  „int  h  ronis  irt"  worden M.  Auch  Job  gab  im 
Jahre  1501 23  seinen  Bruder  Bernhard  und  dessen  Braut  nicht  blos 
als  Verwandter,  sondern  als  Kleriker  zusammen. 

Eigentliche  Hochzeitsgeschenke  finden  wir  hier  und  da  erwähnt. 
Als  nämlich  Dr.  Bernhard  K Ilhorn  sich  am  9.  November  1500  in 
Mainz  mit  der  nachgelassenen  Tochter  des  kurfürstlichen  Kanzlers 
Georg  Hell,  genannt  Pfeffer,  vermählte  und,  wie  es  scheint,  eine 
prächtige  Hochzeit  veranstaltete ,  fuhren  unter  Anderen  auch  die 
Brüder  Bernhard  und  Job  mit  dem  Schiffe  des  Rathes  nach  Mainz 
hinab,  dort  lebten  sie  bis  zum  13.  November  vier  Tage  herrlich  und 
in  Freuden  (Laute,  imo  lautissime  viximus  et  triumphavimus),  dann 
schenkte  jeder  einen  Ducaten,  den  er  für  einen  Gulden  nnd  neun 
Schillinge  erstanden  hatte.  Ebenso  schenkte  Job  dem  Gilbrecht 
Holzhausen  und  seiner  jungen  Ehefrau  bei  der  Hochzeit,  am 
10.  Februar  1500,  weil  er,  wie  er  Bagt,  beiden  blutsverwandt  war,  drei 
Gulden ;  vorher  hatte  er,  wie  er  selbst  sagt ,  noch  kein  Hochzeits- 

19  §,  284. 

20  §.  107.  Nur  einmal  finden  wir  §.  261,  dass  Verlobte  nicht  durch  einen 
Kleriker,  sondern  einen  Laien,  nämlich  Clas  Rückingen  zusammen  gegeben 
werden.  Denn  dass  nnter  diesem  der  Vater,  nicht  der  Sobn  verstanden  werden 
muss,  geht  daraas  hervor,  dass  der  Letztere  erst  viel  spater  Kleriker  wurde. 

11  §.  322. 

»  §.  284.  Vergl.  über  diesen  Ausdruck  meinen  Artikel  Inthronisation  in 
den  Supplementen  von  Herzogs  theologischer  Realencyclopädie. 
"  §.  10. 


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-    56  — 


geschenk  gemacht'4.  Indessen  ist  diese  Bemerkung  nur  von  wirk- 
lichen Geldgeschenken,  nicht  von  symbolischen  Gaben  zu  verstehen: 
so  erzählt  Job  selbst,  seine  Mutter  und  sein  Bruder  Bernhard  hät- 
ten am  25.  Januar  1496  dem  städtischen  Syndikus  Eberhard  Rosen- 
acker und  seiner  Neuvermählten,  jene  einen  Goldgulden,  dieser  ausser 
einem  Goldgulden  auch  eine  Münze,  die  man  „einen  engelisch'4  ge- 
nannt, er,  Job,  dagegen  drei  Würfel  und  zwei  Nadeln,  eine  mit 
einem  grauen ,  die  andere  mit  einem  blauen  Faden,  geschenkt  2K 

Neben  den  Pathengeschenken ,  wie  Bie  nach  Bernhards  Fami- 
lienchronik der  Pathe  dem  Täufling  machte,  wird  zum  ersten  Male 
von  Job  eine  Verehrung  desselben  an  die  Wöchnerin  erwähnt ;  »o 
schenkt  Goffert  von  Kleben  der  Ehefrau  des  Haman  Holzhausen 
bei  der  Taufe  ihres  Söhnleins  Georg  fünf  Goldgulden  **.  Die  Taufen 
wurden  damals  entweder  an  dem  Tage  der  Geburt  oder  an  dem 
darauf  folgenden  vollzogen.  Ebenso  fanden  die  Beerdigungen  meist 
schon  am  Tage  nach  dem  Tode  statt 

Eigentliche  Haussteuern  scheinen  nur  in  dem  Falle  üblich  ge- 
wesen zu  sein,  wenn  die  Eheleute  einen  eigenen  Hausstand  gründe- 
ten. Dieser  Fall  trat  bei  Haman  Holzhausen  ein.  „Am  4.  Septem- 
ber 1495",  berichtet  Job,  „hat  Haman  Holzhausen  mit  samt  Margarethen 
Froscbin37,  seiner  Hausfrau  (er  hatte  sich  mit  dieser  schon  1491 
vermählt),  zum  ersten,  als  einer,  der  eigen  Haus  halten  will,  im 
Monzhof,  den  man  auch  den  Trier'schen  Hof  nennet,  gessen,  und 
darnach  uf  den  5.  Tag  des  Septembers  haben  sie  zum  ersten  drin 
geschlafen,  also  sind  sie  ganz  zu  Hus  gezogen.  Item  darnach  uff 
den  13.  Tag  des  Septembers  habent  myn  Mutter  und  Krinchen  Holz- 
huserin  zu  Spangenberg  gekocht  und  die  Kost  in  Monzhof 
getragen  und  haben  den  neuen  Husluten  geschenkt  den  Mittags- 
imbiss,    und  hat  myn  Mutter  geschenkt  ein  schön  kupfern  Kes- 

"  §.  293.  284. 

"  §.  308.  Die  drei  Würfel  erscheinen  auch  unter  den  Gaben,  welche  der 
Pathe  dem  Täuflinge  zu  schenken  pflegte,  in  Bernhards  Familienchronik  §.  95. 

"  §.  279.  Ich  habe  vennuthet,  dass  die  Abbreviatur  bei  don  Pathenge- 
schenken, die  in  Bernhards  Familienchronik  aufgeführt  werden,  III  ald  th.  zu 
lesen  sei  und  Turnosen  bezeichne  (zu  §.  95).  Es  ist  aber,  wie  ich  aus  Jobs 
Handschrift  ersehe,  wahrscheinlich  HI.  ald  h.  zu  lesen  und  demgemäss  drei  alte 
Heller  zu  verstehen.  Diese  Gabe  neben  grösseren  Münzen  kann  wie  die  drei 
Würfel  nur  symbolisch  gemeint  Bein. 

21  Es  ist  dies  ein  Gcdächtnissfehler.  Nicht  Margarethe,  die  Gattin  Ha- 
uian's,  —  sie  war  eine  Tochter  des  churmaiozischeu  Kanzlers  Georg  Hell, 
gen.  Pfeffer,  vergl.  §.  279  —  Bondern  Katbarina  Wolzhausen  zum  Spangenberg, 
war  eine  geborne  Froschin. 


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-  57 

sei,  da  man  Gläser  in  waschet,  kostet  ein  Gulden  vier  Schilling,  und 
ich  ein  Schindellad,  darin  standen  klein  hölzerin  Büchslin  sieben, 
das«  sie  Species  (Spezereicn)  darin  thun  sollen,  die  in  die  Küchen 
gehören;  Krinchcn  zu  Spangenberg  schenkt  ein  Schleier;  Ludwig 
Holzhausen,  ihr  Sohn,  schenkt  ein  Instrument  von  Messing,  da  man 
die  Pfann  uffsetzet,  kostet  15  Albus;  Klgin,  ihre  Tochter,  ein  gross 
hölzerin  Hofschüssel,  da  man  Teller  über  Tisch  einwirft,  wenn  man 
ein  Essen  uff  will  heben.  Und  des  Mittags,  was  wir  aasen,  schenkt 
myn  Mutter  und  Krinchen  zu  Spangenberg,  und  aasen  da  myn 
Mutter,  myn  Bruder  Bernhard  und  ich,  Katharin  zu  Spangenberg, 
Ludwig,  ihr  Sohn,  Elgin,  ihre  Tochter,  Herr  Johann  Brun;  des 
Nachts  lud  uns  allesamt  herwieder  Haman  uff  sine  Kosten.  So  pfle- 
get es  denen  zu  geschehen,  die  ihr  eigen  Hus  halten  wollen,  und 
wann  der  Mann  und  die  Frau  beide,  oder  eins  von  ihnen  zuvor 
nicht  geehelicht  gewesen  ist"*8. 

Gastmähler  waren  damals  überhaupt  ungemein  beliebt  und  eins 
gab  nicht  selten  den  Anlass  zu  einem  andern  oder  gar  zu  mehreren, 
die  sich  ihm  anreihten.  Als  am  1.  Juli  1496  die  Herren  des  Käthes 
nach  altem  Brauch  das  berühmte  Hirschessen  abhielten  (in  welcher 
Weise  dies  geschah ,  ersieht  man  aus  Jobs  classischem  Ausdruck : 
Bacchanalia  cervi  peragunt),  veranstaltete  Clara,  Johann  Glauburgs 
Ehetrau,  in  dem  Hause  des  Ambrosius  Glauburg  (weil  in  dem  Gar- 
ten ihres  Gatten  daB  Hirschgelag  stattfand),  ein,  wie  es  scheint,  nicht 
minder  opulentes  Mahl,  zu  welchem  auch  Job  mit  seiner  Mutter, 
seiner  Schwester  und  seinem  Schwager  geladen  war:  zwei  Tage 
wurde  in  Freuden  geschmaust  und  getrunken  und  erst  am  dritten 
Tage,  dem  der  Maria  Magdalena,  wurde  zu  Oberrad ,  dessen  Patro- 
nin sie  war,  die  Gasterei  zu  Ehren  derselben  in  gleicher  Weise  ge- 
schlossen n.  In  Frankfurt  wurde  der  5.  Januar,  die  Vigilie  des 
Dreikönigs-  oder  Epiphanienfestes,  durch  ein  Gastmahl  verwandter 
und  engverbundener  Familien  begangen,  bei  welchem  man  durch  das 
Loos  den  König  für  das  folgende  Mahl  bestimmte,  das  wenige  Wo- 
chen später  veranstaltet  werden  musste.  So  erzählt  Job :  „Am  5.  Ja- 
nuar 1496  wurde  ich  am  Epiphanienabend  in  meiner  Abwesenheit 
im  Goldstein  durch  das  Loos  zum  König  gewählt,  des  Königs  Gast- 
mahl wurde  am  3.  Februar  begangen"  30.    Leider  hat  er  uns  nichts 

*  §.  220. 

29  §.  211.    Das  Datum  muss  auf  Irrthum  beruhen;  da  der  Marien  Magda 
lenentag  nämlich  auf  den  22.  Juli  fällt,  so  kann  das  Hirschessen  erst  am  20. 
Juli  stattgefunden  haben. 

*>  §.  225. 


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-    58  - 


Näheres  über  die  übliche  Form  einer  Feier  berichtet,  deren  meines 
Wissens  kein  anderer  Frankfurter  Berichterstatter  gedenkt.  Es  wird 
daher  Manchem  willkommen  sein,  einige  Winke  über  ihre  Begehung 
in  andern  Ländern  zu  empfangen.  Der  Dreikönigs  tag,  mit  welchem 
die  Zwölfte,  d.  h.  die  zwölf  heiligen  Nächte  oder  Julnächte  schlös- 
sen und  der  darum  in  England  the  twelfth  day  oder  the  twelfth 
night  heisst,  in  Deutschland  aber  der  Berchtcntag  genannt  wurde, 
weil  an  ihm  die  segnende  Göttin  Peratha  oder  Frau  Berchta  (Frau 
Holla)  ihren  Umzug  beendigte,  wurde  bei  allen  germanischen  Völ- 
kern heilig  gehalten.  Am  Vorabende  desselben  waren  in  England 
Vermummungen  üblich,  die  mancherlei  Verwechslungen  und  Irrun- 
gen im  Gefolge  führten :  diese  Sitte  klingt  noch  an  in  dem  Titel  von 
Shakespeare's  allerliebstem  Lustspiel :  twelfnight  (der  heilige  Drei- 
königsabend) oder  „was  ihr  wollt".  Am  Tage  selbst  wird  in  Eng- 
land noch  heute  der  Königskuchen  gespeist,  der  von  bedeutendem 
Umfang  die  Grundlage  für  ein  aus  Kandiszucker  aufgebautes  und 
von  Conditorfiguren  umstelltes  gothisches  Gebäude  abgibt;  der  für 
die  königliche  Familie  bereitete  hatte  vor  einigen  Jahren  ein  Ge- 
wicht von  einem  vollen  Centner.  Am  Abende  findet  in  den  Familien 
grosse  Gesellschaft  statt,  und  es  werden  durch  das  Loos  der  König 
und  die  Königin,  sowie  die  sämmtlichen  Aemter  des  Hofstaates  be- 
stellt. Zur  Zeit  der  Königin  Elisabeth  geschah  die  Königswahl  durch 
eine  in  den  Kuchen  gebacken e  schwarze  und  weisse  Bohne;  jetzt 
in  der  Regel  durch  Zettel,  und  da  nach  altem  Brauche  dem  Königs- 
paare die  Pflicht  obliegt,  die  Kosten  des  Gastmahls  zu  bestreiten, 
so  sucht  man  es  so  einzurichten,  dass  diese  Loose  in  die  Hände  des 
Hausherrn  und  der  Hausfrau  gespielt  werden.  In  Flandern  trägt  der 
König  eine  Krone,  und  so  oft  er  den  Becher  an  den  Mund  setzt, 
ruft  jeder  Anwesende:  der  König  trinkt!  wer  es  versäumt,  wird  von 
dem  Hofnarren  mit  einem  schwarzen  Striche  im  Gesichte  gekenn- 
zeichnet. An  dem  Rhein  war  die  Königswahl  und  das  Königsgelag 
gleichfalls  Sitte;  die  Wahl  geschah  durch  Zettel,  in  der  Eifel  gleich- 
falls durch  die  schwarze  und  weisse  Bohne.  Zum  Theil  haben  sich 
Ueberreste  dieses  Brauches  noch  heute  sporadisch  erhalten 31 .  In 
Frankfurt  haben  ohne  Zweifel  auch  Frauen  Theil  genommen,  da  die 
Wahl  Jobs  in  dem  Goldsteine,  der  Behausung  der  verwittweten 
Katharina  Holzhausen ,  stattfand;  dagegen  erscheint  es  als  locale 


31  Vergl.  Reinsberg- Düringsfeld,  das  festliche  Jahr.  Leipzig  1868,  zum 
Januar. 


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-    59  - 

Eigentümlichkeit ,  dass  am  Epiphanienabend  nur  die  Königswahl 
vollzogen,  dagegen  des  Königs  Gastmahl  erst  mehrere  Wochen  spä- 
ter abgehalten  wurde:  ftlr  das  letztere  gibt,  wie  wir  vernehmen,  Job 
den  3.  Februar,  also  den  Tag  nach  Maria  Lichtmess,  an;  beruht 
dieses  Datum  nicht  auf  einer  Zufälligkeit,  so  würde  es  auch  für  un- 
sere Gegend  als  letzte  Spur  des  in  manchen  Städten  Englands  frü- 
her bestandenen  Gebrauches  gelten  können,  die  Nachfeier  des  Christ- 
festes bis  zur  Lichtmess  auszudehnen. 

Eine  andere  Sitte  bestand  darin,  dass  ein  Mann  einer  Fran 
oder  eine  Frau  einem  Manne  beim  Mahle  einen  Kranz  aufsetzte 
and  dem,  welchem  dies  geschah,  die  Nöthigung  auferlegte,  selbst  ein 
Gastmahl  zu  halten.  War  dies  ein  Unverheirateter  oder  wenigstens 
ein  solcher,  der  keinen  eignen  Haushalt  hatte,  so  waren  ihm  darin 
Andere  behülflich  So  erzählt  Job  in  einem  lateinisch  abgefaßten 
Berichte  aus  dem  Jahre  1500,  wo  er  bereits  Kanonikus  zu  St.  Bar- 
tholomäi  und  Episteler,  d.  h.  Subdiakonus  war:  ^Aiu  3.  Juni  hatte 
ich  Gäste  zum  Abendmahl;  das  kam  so:  am  28.  Mai  lud  Ambrosius 
Dietrich,  Protonotar  des  Reichskammergerichts,  zum  Abendmahl  im 
Hause  Jacobs  Neuhaus  mehrere  Frauen  mit  ihren  Ehemännern  und 
einigen  Andern.  Nach  gehaltener  Mahlzeit  setzten  scherzend  die 
Frauen  dem  Ulrich  Neuhaus  den  Kranz  auf,  dass  er  am  folgenden 
Abend  ein  Mahl  gebe,  worauf  Ulrich  auf  die  Bitte  der  Frauen  und 
weil  meine  Mutter  ihm  ihr  Haus,  ihre  Köchin,  Holz  und  das  Uebrige 
anbot,  Alle  auf  den  folgenden  Tag  einlud ;  auch  wurde  beschlossen, 
dass  jede  Hausfamilie,  mochten  ihrer  Einer  oder  Mehrere  in  einem 
Hause  sein,  zwei  Maass  Weines  stellen  sollte,  und  so  kamen  wir  auf 
den  folgenden  Tag  in  unserem  Hause  zusammen  Ulrich  setzte  den 
Kranz  der  Ursula  Schwarzenbergerb,  diese  setzte  ihn  mir,  Job,  aul 
und  so  lud  ich  die  ganze  Gesellschaft  zum  Abendmahl  auf  den 
3.  Juni;  ich  hatte  aber  bei  diesem  Mahle  folgende  Personen:  meine 
Mutter  Elgin,  meinen  Bruder  Bernhard,  Georg  Neubaus,  Ulrich  Neu- 
baus, Gilbert  Holzhausen,  seine  Hausfrau  Katharina,  Katharina,  die 
Wittwe  Gilberts  Holzhausen  zu  Spangenberg,  ihren  Sohn  Ludwig,  Ur- 
sula Schwarzenbergerin,  Ottilia  zu  Schwanau,  Friedrich  Faut  und  seine 
Hausfrau  Margaretha,  Nicolaus  Schorrebrant,  den  man  nennt  Arm- 
brüster, Karl  Honsberg,  meinen  Schwager,  mit  seiner  Ehefrau  Martha, 
meiner  Schwester.  Haman  Holzhauscn  mit  seiner  Ehefrau  Marga- 
retha kam  nicht,  weil  er  krank  war32."  Am  Schlüsse  setzte  Job  den 
Kranz  der  Katharina  zum  Spangenberg  auf.   Es  war  dies  die  erste 


"  §.  221. 


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60  - 


Gasterei,  die  er  veranstaltete,  und  sie  bildete  ein  so  wichtiges  Ereig- 
nis8  in  seinem  Leben,  dass  er  daran  die  Reflexion  knüpft:  auf  einen 
Mittwoch  sei  er  geboren  ,  an  einem  Mittwoch  sei  er  in  den  Besitz 
seiner  Präbende  gekommen,  an  einem  Mittwoch  habe  er  zum  ersten. 
Male  Gäste  bewirthet. 

Job  hat  uns  aber  auch  ausführlich  belehrt,  wie  es  bei  diesem 
für  ihn  so  wichtigen  Mahle  mit  den  {Speisen  bestellt  gewesen  sei. 
Er  fügt  nämlich  hinzu:  »Wir  gaben  diese  Gerichte  oder  Trachten  : 
zum  ersten  Erbsen  mit  Zucker;  darnach  in  jeglich  Schüssel  vier 
junge  Hühner  und  ein  Stück  Hammelfleisch  gedämpft  mit  Cybeben, 
grossen  und  kleinen  Rosinen,  Muscaten  und  Muscatbluuien,  darnach 
gesottene  Scheffen  oder  Schoten,  darnach  Gebratenes,  je  in  eine 
Schüssel  vier  junge  Hühner,  einen  Hammelsbug,  eine  halbe  Gans 
und  frisches  Solz,  darauf  Käse  und  Kirschen  zur  Gollaz,  am  Abend 
Käse,  Confect,  Rettig  und  zwei  Malken,  das  eine  in  den  Schüsseln, 
das  andere  uss  dem  Hafen  zu  trinken*  33. 

Diese  Berichte  haben  uns  zugleich  einen  Blick  in  den  Freundes- 
kreis der  Rohrbach'schen  Familie  eröffnet  und  es  sei  mir  gestattet, 
einige  dieser  Verwandten  näher  hervorzuheben.  Die  eine  ist 
Katharine  Holzhausen,  geborne  Sch warzenbergerin ,  die  Wittwe  des 
Schöffen  Johann  Holzhausen,  die  Mutter  Hainaus  und  Gilbrechts, 
deren  letzterer  von  Schurg31  als  Feind  des  Klerus  bezeichnet  wird, 

33  Die  verschiedenen  Gänge  des  Mahles  Warden  also  nicht  sowohl  durch 
die  Gattungen  der  Speisen ,  als  durch  die  Art  ihrer  Zubereitung  abgegrenzt, 
daher  denn  dieselben  Fleischarten  im  zweiten  und  vierten  Gange,  nur  anders 
bereitet,  wiederkehren.  Ebenso  unterscheidet  mau  noch  heute  im  italienischen 
Pranzo  vier  Hauptgerichte:  Bollito,  fritto,  umido  und  arrosto.  Scheffen  ist 
nach  Scbmellers  Bayrischem  Wörterbuch  schwäbischer  Name  für  Schoten.  Wer 
sich  über  die  Küche  deB  Mittelalters  belehren  will,  findet  reiches  Material  dazu 
in  dem  von  dem  literarischen  Vereine  zu  Stuttgart  in  dem  neunten  Bande 
seiner  Bibliothek  publicirten:  „Buche  von  guter  Speise".  Solsz  scheint  iden- 
tisch mit  „Salse";  im  34.  Recept  wird  die  Bereitung  so  angegeben:  „Nimm 
saure  Weinbeeren  und  thue  Salbey,  zwei  Knoblauchshäuptcr  und  Speck  dazu; 
stoss  es  zusammen,  drücke  es  und  gieb  es  für  einen  guten  Salse."  Nach  Re- 
cept 49  sollen  die  Ingredienzien  aus  Wein,  Honigseim,  Ingwer,  Pfeffer,  Knob- 
lauch und  Riem  bestehen.  Die  Textesworte:  „fyrssess  solsa"  bei  Job  Rohrbach 
getraue  ich  mich  nicht  mit  voller  Sicherheit  zu  erklären :  wahrscheinlich  ist 
fyrss  provincicller  Ausdruck  für  frisch.  Aus  Salse  sind  die  Wörter  Sauce,  Salat 
und  Sulz  (das  letztere  in  Schwaben  eine  .Fleischgelee)  entstanden.  „Malk" 
scheint  mit  melken,  Milch,  zusammenzuhängen  und  eine  ArtCrßme  zu  bezeich- 
nen ,  daher  es  ebenso  gut  aus  Schüsseln  gegessen .  als  aus  Schalen  getrunken 
werden  konnte.   Sämmtliche  Speisen  wurden  stark  gewürzt. 

3*  Anno  1514  die  7  mensis  Junii,  quae  fuit  quarta  Pentecostes  obiit Gilbrecht 
Holtsbausen  znm  Goltstein,  osorCleri.  Msc.  Schurg  auf  der  Stadtbibliothek> 
p.  198. 


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-    61  - 


während  ersterer  der  thätigste  Beförderer  des  Reformationswerkes 
in  Frankfurt  wurde.  Katharina'»  Wohnung  war  der  Goldstein  am 
Eingang  der  heutigen  Buchgasse;  in  ihm  muss  eine  Kapelle  ge- 
wesen sein,  wenigstens  wird  in  einem  Berichte  Jobs  ein  eigner Holz- 
hausen'scher  Kaplan  zum  Goldstein  erwähnt36.  Dieses  Haus  ging, 
wie  ich  an  anderem  Orte36  nachgewiesen  habe,  von  Katharina  auf 
ihren  jüngeren  Sohn  Gilbert  und  nach  dessen  Tode  1514  auf  seinen 
in  demselben  Jahre  geborenen  gleichnamigen  Sohn  zweiter  Ehe  über, 
während  dessen  Minderjährigkeit  es  die  Wohnung  Nesen's  und  Mi- 
cylTs  und  der  erste  Sitz  der  lateinischen  Schule  gewesen  ist  Die 
andere  Katharina  oder  Krinchen  Holzhausen  war  eine  geborne 
Frosch,  hatte  sich  am  15.  August  1469  mit  einem  andern  Gilbert 
Holzhausen  verlobt,  aber  erst  1471  vermählt37;  im  Jahre  1479  er- 
öffnete sie  mit  ihrem  Ehemann  ihren  eignen  Haushalt  in  dem  Hause 
zum  Spangenberg  zunächst  der  Liebfrauenkirche  auf  dem  Berge; 
1494  starb  am  25.  April  ihr  Gatte36;  sie  ist  es,  die,  nach  der  Auf- 
zeichnung des  jüngeren  Matthias  Ritter,  Luther  im  Jahre  1521,  als 
er  auf  den  Tag  nach  Worms  zog,  in  seiner  Herberge  zum  Strauss 
begrüsste,  bewirthete  und  mit  weissagenden  Worten  ermuthigte3'. 
Sie  hat  noch  am  4.  August  1523  nach  Ausweis  ihres  Testamentes 
gelebt.  Ihr  älterer  Sohn  war  Ludwig,  der  jüngere  Blasius  Holzhau- 
sen, von  dem  Job  berichtet,  dass  er  und  der  junge  Gilbert  zum 
Goldstein  ihn  am  8.  November  1494  nach  Mainz  zu  dem  Kanzler 
Georg  Heller,  genannt  Pfeffer,  geleitet  haben,  damit  er  dort  seine 
Studien  betreibe40.  Diese  Abwesenheit  von  der  Vaterstadt  ist  der 
Grund,  warum  er  in  den  fröhlichen  geselligen  Kreisen  des  Rohrbach- 
schen  Hauses  nicht  genannt  wird.  Im  Jahre  1521  war  er  mit  Phi- 
lipp Fürstenberg  Abgeordneter  der  Stadt  auf  dem  Wormser  Reichs- 
tage. Man  ersieht  zugleich  aus  diesen  Berichten,  dass  der  alte  Be- 
griff der  Freundschaft  im  Sinne  von  Verwandtschaft,  wie  er 
noch  heute  im  Munde  des  Frankfurter  Bürgers  lebt,  damals  seine 
volle  Wahrheit  in  den  socialen  Lebensverhältnissen  hatte:  die  Ver- 
hältnisse der  Freundschaft  ruhten  meist  auf  dem  Grunde  der  Ver- 
wandtschaft. 


»  §.  277. 

34  Steitz,  Luthers-  und  Melanchtbonaherbergen  S.  90  flg. 

31  §.  274.  Dass  Fichard  unsere  Handschrift  nicht  gekannt  habe,  erglebt 
sich  daraus,  dass  er  in  der  Geschlechtergeschichte  zweifelt,  ob  diese  Vermählung 
1469  oder  1471  anzusetzen  sei. 

3»  §.  277. 

3>  Luthers-  und  Melanchthonsherbergen  S.  16  flg. 
§.  16. 


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-    62  - 


Sonst  rausa  das  Leben  in  Frankfurt  sich  in  ziemlich  einförmigen 
Buhnen  bewegt  haben  und  der  Kreis  der  Interessen  ein  sehr  be- 
schränkter gewesen  sein.    Ein  Gang  nach  Hausen  um  in  der  Nied 
zu  fischen  ,  ein  Kitt  zu  dem  Amtmann  auf  den  Goldstein  oder  in 
Bonames,  wo  dann  die  Nacht  fröhlich  verprasst  und  die  Schmause- 
reien in  Frankfurt  fortgesetzt  wurden,  ein  Ausflug  nach  Mainz  oder 
nach  Wiesbaden,  eine  Badekur  daselbst  oder  in  Ems,  eine  Heise 
bis  Köln  oder  Worms,  waren  Unterbrechungen,  welche  in  das  ein- 
förmige  Alltagsleben    einige    Mannigfaltigkeit   und  Abwechslung 
brachten.  Die  Heirathen,  die  Geburten,  die  Sterbfälle  und  Leichen- 
begängnisse waren  Ereignisse,  denen  sich  vor  Allem  die  Theilnabme 
zuwandte  und  die  gleichfalls  zu  Schmausereien  und  Gelagen  Veran- 
lassung gaben.  In  dem  Jahre  1500  wurde  es  Sitte,  dass  die  Leichen 
vornehmer  und  reicher  Bürger  unter  dem  Vortritt  des  gesammten 
Klerus  der  Pfarrkirche  und  der  Schüler  der  Stiftsschulen  und  unter 
dem  Geläute  der  Glocken  zu  Grabe  getragen  wurden.    Früher  war 
dies  nur  bei  den  Bestattungen  von  Klerikern  üblich,  bei  Laien  aber 
unerhört  gewesen41.  Als  die  Exequien  für  Arnold  Schwarzenberger 
drei  Tage  nach  dessen  Tod,  am  29.  October  1500,  bei  den  Carmeli- 
tern  beendigt  waren,  versammelte  sich  der  ganze  Rath,  sämmtliche 
Prälaten  und  Kanoniker  des  Barth olomäusstiftes  und  viele  andere 
Geladenen  zum  Mittagsmahl  in  dem  Sterbhause  und  erfüllten  die 
Stätte  der  Trauer  mit  den  lauten  Klängen  der  Freude42.  Einfacher 
vielleicht,  aber  um  so  wehmüthiger  mag  eine  andere  Todtenfeier 
gewesen  sein,  deren  Job  gedenkt   Lysgin  Sassen,  die  durch  seltene 
Schönheit  und  Anmuth  ausgezeichnete  Tochter  Hen  Sassens,  hatte 
sich  1496  mit  Johann  Frosch  verlobt;  beider  Eltern  und  Verwandte 
waren  mit  dieser  Verbindung  einverstanden,  aber   ein  Hindernis« 
stand  ihnen  entgegen;  Bräutigam  und  Braut  waren  im  dritten  und 
vierten  Grad  verwandt,  die  päpstliche  Dispensation  musste  nachge- 
sucht werden,  sie  traf  ein,  aber  bereits  hatte  ein  unheilbares  Siech- 
thum sich  in  dem  Kerne  der  zarten  Blüthe  ausgebildet;  rasch  schritt 
die  Krankheit  fort  und  statt  des  Brautkranzes  schmückte  die  Stirne 
der  lieblichen  Jungfrau  die  Todtenkrone  **.  Sie  verschied  am  Oster- 
tage  1497.    Auch  bei  Karl  Hynsperg  und  Martha  Rohrbach  stellte 
sich  später  heraus,  dass  sie  im  dritten  und  vierten  Grad  verwandt 
waren  —  Fichard  hat  in  seiner  Geschlechtergeschichte  diese  Ver- 


§.  286.  306.  326.  88. 
«  §.  320. 
«  §.  310. 


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-    63  - 


wandtschaft  durch  eine  eigene  Tabelle  erläutert  —  aber  da  die  Ehe 
in  allen  Formen  rechtsgültig  abgeschlossen  war,  so  wurde  dieses 
lösende  Hinderniss  durch  einen  nachträglichen  päpstlichen  Dispens 
gehoben. 

Eine  dauernde  Unterbrechung  und  Trübung  erfuhr  im  Jahre 
1496  die  Unbefangenheit  und  der  heitre  Frohsinn  des  bürgerlichen 
Lehens  durch  das  erste  Auftreten  der  Syphilis  oder  der  französischen 
Krankheit  Job  Rohrbach  ist  der  Einzige,  dem  wir  darüber  eine 
Rande  verdanken.  Er  erzählt :  „Anno  1496  zur  Sommerszeit  oder  im 
Frfiiijahr  ist  ein  ungchört  grusslich  und  erschrockenlich  Krankheit 
unter  die  Teutschen  von  den  Walen  kommen;  die  Walen  haben  sie 
krieget  von  den  Franzosen  und  wird  die  Krankheit  genennet  Mal 
Franzos  und  regiert  fast  in  deutschen  Landen,  noch  viel  mehr  in 
ltalia  und  Francia.  Die  Krankheit  macht  den  Menschen  unsäglich 
nngeschaflen  [missgestalt  | ;  welcher  sie  hat ,  ist  über  ganz  sin  leib 
toII  schwarz  rother  Blattern,  währt  ein  Theil  [bei  den  Einen] 
ein  halb  Jahr,  den  andern  dreiviertel,  den  andern  ein  ganz  Jahr  und 
nach  dem  bleiben  die  Flecken  an  ihnen  zuweilen  lange.  Ungestalter 
Ding  hat  kein  Mensch  nie  gesehen ,  von  solcher  oder  dergleichen 
Krankheit  nie  kein  Mensch  mehr  gehört,  auch  findet  kein  Arzt  da- 
Ton  nicht  geschrieben,  ausser  so  viel  man  irgend  dawider  ersann*4." 
Auch  in  Jobs  nächster  Umgebung  entfaltete  die  Krankheit  ihre 
furchtbare  Wirkungen.  Sein  Bruder  Bernhard  wurde  im  Jahre  1498 
in  so  heftiger  Weise  von  ihr  befallen ,  dass  er  sich  dem  mensch- 
lichen Anblick  und  Umgang  völlig  entzog;  er  zog  sich  nämlich  am 
11.  Juli  in  die  Einsamkeit  seines  Gartens ,  wahrscheinlich  auf  dem 
Klapperfelde,  zurück  und  rasierte,  ohne  Zweifel  wegen  der  Ge- 
schwüre auf  seinem  Kopfe,  sein  Haupthaar  am  23.  völlig  ab.  Doch 
var  das  Uebel  bei  ihm  von  kürzerer  Dauer  als  bei  vielen  Andern ; 
wn  8.  Januar  des  Jahres  1499  konnte  er  bereits  wieder  in  sein  Haus 
zurückkehren46.   Was  Lersner  erzählt:  „1497  und  1498  haben  die 


M  §.  172. 

*$  §.  9.  Es  muss  übrigens  hier  ausdrücklich  bemerkt  werden,  dass  die  Seuche  in 
ihrem  ersten  Auftreten  epidemisch  war  und  auch  ohne  unmittelbare  Berührung 
ansteckte.  Wir  dürfen  daher  keineswegs  im  einzelnen  Falle  der  Ansteckung 
»nf  sittliche  Vergehen  sch Hessen,  obgleich  über  diese  das  Urtheil  in  jener  Zeit, 
an  weit  leichtfertigeres  war,  als  in  unseren  Tagen.  Hutten  giebt  das  siebente 
Jahr  nach  Entstehung  der  Krankheit,  also  etwa  das  Jahr  1500  als  die  Zeit- 
penze  an,  von  welcher  an  sie  nur  durch  Contagium ,  namentlich  durch  ge. 
fchlechtüche  Berührung  sich  fortpflanzte,  vergl.  de  Guiaci  medieina  et  morbo 
yi  c  1.  und  über  die  Krankheit  überhaupt  Strauss,  ülr  Hutten  I,  333  flg. 


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-    64  - 

• 

Franzosen  allhier  stark  regieret,  also  dass  auch  vornehme  Personen 
damit  inficiert  gewesen  und  man  die  Badstuben  zuhalten  müssen"  **, 
ist  nur  eine  Bestätigung  des  Berichtes  von  Job,  dessen  Handsclirift  ihm 
wahrscheinlich  nicht  unbekannt  gewesen  ist.  Auch  die  Notiz  über 
das  Grassiren  der  Blattern  im  Jahre  1496 47  bezieht  sich ,  wie  ich 
glaube,  auf  dieselbe  Krankheit ,  als  deren  Symptome  Job  ja  aus- 
drücklich ..schwarz  rothe  Blattern'11  angibt.  Uebrigens  scheinen  die 
Mittel  der  Arzneikunde  in  jener  Zeit  noch  sehr  einfach  und  be- 
schränkt gewesen  zu  sein:  eine  Klistier,  welche  ihm  der  Apotheker 
Jodocus  applicirte,  ein  Syrop  und  Pulver  zum  Purgieren,  eine  Ader- 
lass  am  linken  Fusse  sind  die  einzigen,  deren  Job  in  seinen  man- 
niclifachen  Krankheiten  erwähnt48. 

Wir  wenden  uns  von  dem  häuslichen  zum  öffentlichen  Leben. 
Die  Mittelpunkte  des  regsten  geselligen  Verkehrs  bildeten  die  Trink- 
stuben. Bernhard  und  Job  Rohrbach  schlössen  sich  zunächst  der 
Gesellschaft  Lebenstein  oder  Löwenstein  an,  welche  sich  früher  im 
Hause  Limburg  zu  versammeln  pflegte  (in  welchem  in  unseren  Ta- 
gen eine  Zeit  lang  wieder  die  alte  Trinkstube  eröffnet  war),  und  seit 
dem  Jahre  1486  in  das  Haus  Löwenstein  rechts  vom  Römer  über- 
gesiedelt war.  Am  5.  Juni  1494  hielt  Job  seine  erste  Zeche  auf  der 
Stube  und  verprasste  dort  sechs  Heller49.  Aber  da  er  noch  nicht 
förmlich  eingetreten  war  und  das  Gesellenrecht  erworben  hatte ,  so 
wurde  ihm  und  Konrad  zum  Jungen  um  Fastnacht  1495  nur  aus- 
nahmsweise verstattet,  „ihren  Pfennig  mit  den  Andern  dort  zu  ver- 
zehren", mit  dem  Bescheid:  „Wolle  er  für  die  andere  Fastnacht  Ge- 
sellschaft halten,  so  solle  er  Geselle  werden" 80.  Am  19.  Februar 
des  genannten  Jahres  wurde  die  Gesellschaft  zum  Abendessen  mit 
den  Frauen  eingeladen  und  jeder  zahlte  dabei  sechs  Albus ;  den 
Abend  beschloss  ein  Tanz  auf  der  Stube  mit  Fackeln  oder  Lichtern  M. 
Am  26.  Februar  Dienstag  vor  Fastnacht  wurden  bereits  die  Festlich- 
keiten mit  einem  Nachtessen  auf  der  Stube  eröffnet ;  am  Sonntag 
und  Montag  den  1.  und  2.  März  auch  die  Frauen  zugezogen;  am 
Dienstag  „uff  aller  Mann  Fassnacht"  und  am  Aschermittwoch  kam 
zu  dem  Abendessen  auch  ein  Mittagsmahl;  nach  diesem  stachen  am 


♦«  I,  II,  32. 
4»  II,  II,  36. 

*»  §.  21.  25.  70.  Vergl.  auch  Krieffk,  Aerzte,  Heilanstalten  n.  Geisteskranke 
im  mittelalterlichen  Frankfurt.  1863. 
♦»  §.  11. 
»o  §.  177. 
»«  §.  176. 


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-  65 


Dienstag  Jörg  Reiss  and  Niclas  von  Babenhausen,  früher  Amtmann 
auf  dem  Goldstein ,  mit  „Kronlin" 52,  der  erstere  behielt  den  Sieg ; 
am  Aschermittwoch  stachen,  als  die  Frauen  aus  Glauburg's  Garten 
zurückkehrten,  „vier  Reisige  mit  Kolben",  zwei  mit  Namen  Martin 
und  Eberhard  waren  Knechte  des  von  Heusenstamm,  zwei  mit  Namen 
Weissbrod  und  Ruttlinger  Söldner  der  Stadt ;  Weissbrod  fällte  zu 
mehreren  Malen  die  Heusenstammer  Knechte  und  ..blieb  doch  hart 
sitzen".  Hierauf  „stachen  mit  Kroulyn"  Konrad  zum  Jungen  und 
Konrad  Mones.  Am  Donnerstag  nach  Aschermittwoch  assen  die  Ge- 
sellen allein  ohne  die  Frauen  auf  der  Stube  zu  Mittag ;  es  rechneten 
die  Küchenmeister  Clas  von  Rückingen  und  Ulrich  Neuhausen,  des- 
gleichen die  Weinmeister  Johann  Holzhejmer  und  Philipp  Weiss  ab, 
die  Kosten  betrugen  auf  jeden  der  43  Gesellen  drei  Gulden;  dabei 
sprang  noch  ein  Abendessen  für  Männer  und  Frauen  an  demselben 
Tage  heraus.  Frauen  mussten  nur  am  Aschermittwoch  einen  Albus, 
Wittfrauen  dagegen  nach  freier  Wahl  vier  Hühner  oder  vier  Schil- 
linge geben ;  Jungfrauen  waren  ganz  frei ;  es  waren  28  Frauen  und 
Jungfrauen,  welche  „Gesellschaft  hielten".  Donnerstag  Abend  assen 
Männer  und  Frauen  auf  der  Stube.  Ein  Gesellennachtessen,  das  auf 
den  Kopf  drei  Schillinge  machte,  beschloss  am  Sonntag  Invocavit 
die  Fassnachtprasserei  im  Jahre  1495  53.  Auch  sonst  boten  Geschenke 
an  Wildprett  einen  Anlass  zu  Gesellenessen;  so  wurden  Männer  und 
.Frauen  am  2.  October  1494  eingeladen,  weil  Ambrosius  Glauburg 


*2  Eine  nähere  Erklärung  fordern  die  Ausdrücke  „mit  kronlyn"  und  „mit 
kolben  stecheu".  Stechen  bezeichnet  Oberhaupt  im  Mittelalter  turnieren  und 
wird  vou  allen  Gattungen  der  Turnierkämpfe  gebraucht .  namentlich  sofern 
dieselben  ohne  Ernst  und  zum  heitern  Spiele  dienten.  Nach  Bttsching's  Ritter- 
zeit und  Ritterwesen  I.,  168  gebrauchte  man  bei  den  Turnieren  zweierlei  Lau 
zen,  die  spitzen  zum  sogenannten  Scharfrennen  oder  zum  ernstlichen  Kampfe, 
die  stumpfen  dagegen,  welche  von  den  Kronen,  mit  denen  dieselben  oben  an 
der  Spitze  versehen  waren,  „Krönige"  genannt  wurden,  blos  zum  Scherzapiele. 
Die  Krone  muss  demnach  ein  an  der  Spitze  der  Lanze  befindliches,  etwa  ge- 
kerbtes Stichblatt  gewesen  sein.  Man  vergleiche  auch  das  von  Kl  über  über- 
setzte und  erläuterte  Werk:  Das  Ritterwesen  des  Mittelalters  von  de  la  Curne 
de  Sainte-Palaye  II,  97.  Die  bei  den  Turnieren,  den  Zweikämpfen  und  krie- 
gerischen Ocfechten  üblichen  Kolben  waren  von  Holz,  und  Bind  ebensowohl 
von  dem  Morgenstern,  einer  eisernen  mit  Stacheln  versehenen  Kugel  an  einem 
hölzernen  Stiele,  als  von  den  kleinen  metallnen  Kolben  zu  unterscheiden,  welche 
seepterartig  geformt  und  am  Knaufe  zierlich  durchbrochen,  den  Rittern  mehr 
zum  Schmuck  dienten ,  zu  ernstlichen  Kämpfen  aber  nicht  die  ausreichende 
Stärke  hatten.  Doch  erwähnt  unten  Job  eine  clava  ferrea,  einen  eisernen 
Streitkolben,  als  Waffe,  die  er  besessen  hat.  (§.  49.) 
«  §.  177. 

5 


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-    66  - 


drei  Hasen,  am  27.  December,  weil  derselbe  zwei  Hasen,  und  am 
10.  Februar  1495,  weil  der  Schultheiss  Ludwig  zum  Paradies  einen 
Hirsch  geschenkt  hatte54.  Noch  erhob  die  Gesellschaft  als  solche 
keinen  Anspruch  auf  Adel:  Job  bemerkt  ausdrücklich,  dass  die  43 
Theilnehmer  an  der  Fastnacht  Edele  und  Andere  gewesen  seien, 
(leberhaupt  vereinigten  sich  die  Adeligen  mit  den  Andern  im  Be- 
wußtsein ihres  gemeinsamen  Bürgerthums,  und  obgleich  nach  einer 
Notiz  Bernhards  auf  der  Pergamentdecke  seiner  Familienchronik 
die  Rohrbachc  »ich  schon  im  Jahre  1470  einen  Adelsbricf  erwirkt 
hatten ,  so  redet  doch  Job  nur  vou  seinen  Brüdern  Bernhard  und 
Konrad  Rohrbach  und  seiner  Mutter  „der  Rohrbacherin".  Noch 
1526  schreibt  Margaretha  llorngin  an  ihren  in  Wittenberg  studieren- 
den Sohn  Johanu  Glauburger,  dass  drei  um  die  Hand  der  Anna 
Knoblauch  werben,  zwei  Edelleute  und  Johann  Wolf  Rohr- 
bach, der  Frau  Ursula  von  der  grünen  Thür  Sohn.  Job  sagt  eon- 
stant:  Hanum  oder  Gilbrecht  Holzhausen,  Johannes  Glauburger  u.  s.w. 
Solche,  die  wirklich  ritterlichem  Gesehlechte  angehörten  oder  aus  ihm 
stammten,  wie  die  Heusenstamm,  Babenhausen  und  Andere  bezeichnet 
er  meist  mit  uobilis  oder  er  giebt  ihnen,  wie  dem  Clas  von  Rückingen 
und  Johann  von  Holzheim  bisweilen  das  Prädicat  „von",  obgleich 
auch  dies  kein  sicheres  Zeichen  des  Adels  ist,  wie  wir  von  der  Fa- 
milie Meiern  wissen55.  In  aller  Naivetät  erzählt  er,  dass  bei  der 
Taufe  des  Clas  Stallburger,  desselben,  den  mau  später  den  Reichen 
nannte  —  die  Bilder  seiner  Eltern  befinden  sich,  in  Oel  gemalt,  noch 
in  der  Gallerie  des  Städel'schen  Institutes  —  am  10.  März  1501  der 
Schneider  Clas  von  Haffern,  —  trotz  des  Wörtleins  „von"  vor  seinem 
Namen  schwerlich  ein  Adeliger  —  Pathe  gestanden  habe  5<t.  Den 
Titel  „Herr"  giebt  er  in  seinen  Aufzeichnungen  nur  den  Geistlichen. 

Ein  ungemein  wichtiges  Ercigniss  war  im  Jahre  1495  die  Er- 
öffnung des  Reichskammergerichts  in  Frankfurt.  Schon  im  Monate 
September  miethete  der  Rath  die  Räumlichkeiten  dazu  in  dem  Hause 
zum  Braunfels  auf  vier  Jahre  um  dreissig  Gulden  für  das  Jahr. 
Hierauf  wurde  ein  Podium  mit  Sitzen  ftlr  den  Kammerrichter  und 
die  Beisitzer  und  eine  eigene  Bühne  für  die  Procuratoren  und  Redner 
erbaut :  dem  Richter  wurde  eine  Art  Loge  mit  Fenstern  hergerichtet, 
die  Bänke  der  Assessoren  und  Notare  mit  Tuch  ausgeschlagen.  Stufen 

w  §.  173-175. 

4*  Euler,  das  steinerne  Haus  und  die  Familie  von  Meiern,  Mitteilungen 
unseres  Vereines  B.  I.  S.  228. 
»«  §.  322. 


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führten  zu  dem  Podium  hinauf.  Am  30.  September  14ü5  bestieg  der 
römische  König  Maximilian  die  Büiine  und  verpflichtete  den  Richter 
Graf  Kytel  Friedrich  von  Hohenzollern  und  die  Assessoren  und  No- 
tare, so  weit  sich  dieselben  bereits  in  der  Stadt  befanden ;  die,  welche 
später  eintrafen ,  ebenso  die  niederen  Beamten ,  legten  ihren  Eid  in 
die  Hände  des  Kammerrichters  ab.  Am  3.  November  hielt  dieser 
die  erste  Sitzung;  zu  seiner  Rechten  sasseu  diejenigen  Assessoren, 
welche  den  Doctorgrad  hatten,  zu  seiner  Linken  die  nicht  graduirten 
Adeligen  (nobiles),  unter  ihnen  nennt  Job  einen  Grafen  von  Eber- 
atein.  Nach  Eröffnung  der  Audienz  erinnerte  der  Graf  von  Zollern 
die  Procuratoren,  dass  sie  in  ihrer  Sach waltung  nach  der  zu  Worms 
ertheilten  Instruction  zu  verfahren  hätten,  und  versprach,  dass  etwaige 
Mängel  an  derselben  im  Laufe  der  Zeit  verbessert  werden  sollten.  • 
Hierauf  trat  im  Namen  der  Majestät  der  königliche  Fiscal  Dr.  En- 
gelender als  Klüger  gegen  einen  Grafen  v  Mörs  auf.  Acht  Procura- 
toren waren  zugegen,  zwei  Socretärc  fUhrten  das  Protocoll,  ein  dritter 
war  bestimmt,  den  gefällten  Richterspruch  zu  verlesen.  Es  war  dies, 
wie  Job  sagt,  die  erste  Audienz  des  Kammergerichts,  „denn  obgleich 
der  Richter  schon  mehrere  Sitzungen  in  Worms  gehalten  hatte,  so 
waren  diese  doch,  wie  mäuniglich  bekannt,  nur  ein  Vorspiel  und  Bild 
von  dieser1'  57. 

Am  2.  November  1495  begab  sich  des  römischen  Königs  Perse- 
vant68 nach  dem  Römer  „und  hat  alle  Fehdebriefe  vom  Römer  ab- 
genommen, aus  Ursache,  dass  unser  Herr,  der  König,  alle  Fehden, 
die  diese  Stadt  auf  das  Mal  hat,  hingelegt  hatte"  w  Für  Frankfurt 
trog  diese  Verkündigung  des  Landfriedens  vorerst  sehr  fühlbare 
Folgen.  Die  Stadt  hatte  erbitterte  Feinde  in  dem  umwohnenden 
Raubadel,  namentlich  in  Jost  Fruud  und  den  Herren  von  Hutten, 
die  ihr  Gebiet  seit  längerer  Zeit  beunruhigten  und  schädigten.  Im 


«  §.  111-113. 

Jh  Persevant  von  dem  französischen  poursuivant  wurde  der  Gehülfe  nnd 
Lehrling  des  üerolds  genannt,  und  bezeichnete  in  Frankreich  den  ersten  der 
Grade,  durch  welche  JÜngHngo  aar  Ritterwtirdo  geleitet  wurden.  Die  Perse- 
vanten  begleiteten  den  Herold  und  geboten,  wenn  dieser  ausrief,  dem  Volke 
Stillschweigen.  Sie  lernton  von  dem  Herold  die  Wappenkunde,  trugen  Kitter- 
helm und  Lanze  und  folgten  im  Kriege  dem  Heere,  daher  der  Name  Waffen- 
persevant.  Im  Frieden  wurden  sie  auf  Kelsen  geschickt  und  besuchten  die 
Höfe  der  Grossen,  um  sich  mit  den  höfischen  und  ritterlichen  Sitten,  mit  Tur- 
nieren und  Waffenübungen  vertraut  zu  machen.  „Des  römischen  Königs  Per 
sevant"  bei  Job  scheint  einfach  einen  Bevollmächtigten  aus  des  Königs  Gefolge 
oder  vielleicht  den  Herold  selbst  zu  bezeichnen. 

»  §.  114. 

5» 


■ 


—    68  — 

März  1493  hatte  das  „Gemperlyn",  die  Glocke,  welche  die  Ankunft 
von  Feinden  anzeigte,  die  Bürger  und  Söldner  aufgerufen,  weil  solches 
Gesindel  eine  Heerde  weggetrieben  hatte,  obgleich  diese  nicht  Frank 
furter  Eigenthuin  war.  Am  8.  Januar  1495  steckten  sie  eine  Scheune 
in  Oberrad  in  Brand ;  am  8.  Mai  ertönte  abermals  das  „Gemperlyn*, 
Jost  Frund  und  die  Hutten'schen  beabsichtigten  einen  Raubeinfall  in 
das  städtische  Gebiet;  Alles  eilte  so  rasch  zu  den  Waffen,  daas  für 
dieses  Mal  die  Feinde  die  Flucht  ergriffen.  Am  7.  Juni  vernahm 
man  auf's  Neue  den  Schreckensklang;  sie  hatten  diesmal  100  Kühe 
der  Gemeinde  zu  Niederrad  geraubt  und  die  Hilfe  der  Stadt  kam 
zu  spät.  Am  23.  Juli  überfielen  sie  zwei  Frankfurter  Fischer  in  der 
Nähe  von  Rurapenheim  und  misshandelten  sie  so  schwer,  daas  der 
eine  als  Leiche  in  die  Stadt  gebracht  wurde,  der  andere  in  der  Nacht 
seinen  Geist  aufgab.  Zwei  Tage  später  raubten  sie  in  Dortelweil 
19  Kühe  und  27  Pferde  sammt  ihrem  Geschirre.  Am  17.  August 
verbrannten  sie  Thüren  und  Planken  auf  dem  Knoblauchs  Hof,  dem 
Gute  Wolf  Blums.  Am  26.  August  überfallen  sie  nochmals  Dortel- 
weil und  treiben  ausser  einigen  Pferden  viele  Kühe,  Schweine  und 
5U0  Schafe  fort.  Au  demselben  Tage,  an  welchem  Maximilian  den 
Kammerrichter,  die  Assessoren  und  Notare  in  Pflicht  nahm,  ver- 
brannten Jost  Frund  und  die  Hutten'schen  in  Bonames  acht  Häuser, 
und  wagten  es  Tags  darauf,  der  Stadt  einen  Fehdebrief  zu  übersen- 
den. So  gross  war  der  Schrecken,  den  diese  Vorgänge  verbreiteten, 
Jans,  als  am  4.  October  eine  Mainzische  Reiterscbaar  in  die  Nähe  der 
Stadt  kam,  man  schon  die  Räuber  vor  den  Thoren  zu  erblicken 
meinte,  Sturm  läutete  und  die  Bürger  bewaffnet  hinaus  eilten,  aber 
im  Angesichte  der  vermeintlichen  Feinde  ihren  Irrthum  erkannten 
und  wieder  zurückkehrten60.  Diesen  Belästigungen  und  Beängstigun- 
gen frecher  Raubritter  setzte  wenigstens  für  Frankfurt  der  Landfriede 
zunächst  ein  Ziel.  Job  Rohrbach  erwähnt  ihrer  von  diesem  Zeit- 
punkte an  nicht  mehr. 

Mit  der  Eröffnung  des  Reichskammergerichtes  traf  ein  anderes 
Ereignis«  zusammen,  das  wenigstens  in  die  Gestaltung  des  geselligen 
Lebens  in  Frankfurt  sehr  fühlbar  eingriff.  Im  Monat  November  1495 
kaufte  nämlich  ein  Mitglied  der  Gesellschaft  auf  Löwenstein ,  Daniel 
Bromm,  „Schöffe  und  Rath  der  Stadt  Frankfurt,  das  Hus  Laderam, 
gelegen  uff  dem  Eck  neben  dem  Römer  gegen  dem  Hus  Limburg 
über,  mitsamt  dem  HiiBrath,  der  vor  die  Gäst  gehört,  die  in  der 


w  t  137  142. 


i 

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Mess  darin  herberigen,  und  bezahlte  dafür  acht  und  zwanzig  hundert 
Goldguldenu  und  zwar  von  der  Wittwe  Anna  Schule  und  ihren 
beiden  Enkeln,  Peter  und  Thomas  Sossenheiraer  62,  die  nach  Fichard 
schon  früher  dies  ihr  Besitzthum  dem  Rathe  zum  Kaufe  fUr  4000 
Gulden  angeboten  hatten,  aber  abschlaglich  beschieden  worden  waren, 
weil  das  Haus  sich  nur  mit  100  Gulden  verzinste  und  somit  der 
Kaufpreis  zu  hoch  gestellt  war.  Unmittelbar  nach  vollzogenem  An- 
kaufe bot  Daniel  Bromm  das  Haus  Laderam,  wie  Job  ausführlich 
berichtet,  der  StubcngesellBchaft  zu  Löwenstein  zum  Kaufe  um  die 
gleiche  Summe  an ;  die  Gesellschaft  ging  darauf  ein  und  beschloss, 
dem  Daniel  Bromm  sofort  tausend  Gulden  als  Angabe  abzutragen» 
das  übrige  aber  mit  vier  Procent  bis  zur  völligen  Ablösung  zu  ver- 
zinsen, so  dass,  so  oft  sie  ihm  zweihundert  Gulden  abzahle,  der  jähr- 
liche Zins  sich  um  acht  Gulden  verringere.  Um  diese  Summen  auf- 
zubringen, zahlte  jeder  Gesolle  am  Andreastage  1495  zwanzig  Gul- 
den und  wurde  weiter  festgesetzt,  dass  die  gleiche  Summe  inskünftige 
von  jedem  Sohn  eines  Gesellen  bei  seinem  Eintritte  als  Einstand 
entrichtet  werden,  dagegen  jeder,  der  durch  Beweibung  Mitglied 
werde,  dreissig  Gulden  zahlen  solle.  Ebenso  wurde  mit  denen,  welche 
auf  dem  Hause  Gülten  stehen  hatten  —  es  standen  nämlich  darauf 
15  Gulden  -  der  Vertrag  geschlossen,  dass  dieselben  im  Laufe  der 
Zeit  mit  achtzehn  für  einen  Gulden  abgelöst  werden  sollten  €3.  Es 
ergiebt  sich  aus  dieser  Erzählung,  dass  dor  Kauf  des  Daniel  Bromm 
wohl  schwerlich  ein  blosser  Scheinkauf  gewesen  ist,  wie  man  jüngst 
vermuthet  hatM.  Auch  die  weitere  Darstellung  des  Job  Rohrbach 
zeigt  klar,  dass  die  Gesellschaft  den  Verkauf  des  Hauses  an  sie  unter 
den  angegebenen  Bedingungen  als  ein  grosses  Verdienst  Daniel 
Bromm's  angesehen  und  ihn  als  ihren  Wohlthäter  dankbar  verehrt 
habe.  Ebenso  leuchtet  ein,  dass  die  Trinkstube  auf  Laderam  nicht 
eine  neue  Gesellschaft,  sondern  die  bisherige  „auf  Löwenstein*  in 
sich  vereinigt  habe,  wenn  auch  die  Bedeutung,  die  sie  schon  in  den 
nächsten  Jahren  erhielt,  wesentlich  dazu  beitragen  mochte,  ihr  neue 
Mitglieder  von  andern  Stubengesellschaften  zuzuführen.  Die  Gesell- 
schaft übertrug  zwar  sofort  auf  ihr  neues  Eigenthum  den  Namen  des 


*'  Nach  der  gewöhnlichen,  wie  mir  scheint,  authentischeren  Angabe,  betrug 
der  Kaufpreis  nur  2600  Gulden. 

"  Vergl.  meine  Bemerkungen  zu  §.  316. 
"  §.  179. 

"  Römer  -  Büchner,  Die  Entwicklung  der  Stadt  Verfassung  und  die  Bürger 
vereine  der  Stadt  Prankfurt  am  Main,  Frankf.  1855  S.  224. 


-    70  - 

Hauses,  in  welchem  sie  sich  vor  dem  Jahre  1486  zu  versammeln 
pflegte,  und  nannte  es  Alt-Limpurg M,  gleichwohl  kommt  dieser  Name 
bei  Job  Rohrbach  noch  nicht  vor,  dieser  nennt  nach  wie  vor  Hau» 
und  Gesellschaft  Laderam,  und  es  scheint  somit  diese  Benennung  als 
die  herkömmliche  noch  längere  Zeit  sich  im  Munde  der  Gesellen  und 
des  Volkes  erhalten  zu  haben. 

Das  Zusammentreffen  dieses  Kaufes  mit  der  Eröffnung  des  Reicha- 
kammergerichts  in  hiesiger  Stadt  war  freilich  nur  ein  zufälliges,  aber 
für  die  Gesellschaft  von  sehr  wichtigen  Folgen  begleitet.  Zählten 
auch  ihre  Gesellen  zu  den  angesehensten  Familien  der  Stadt,  so  war 
dies  doch,  wie  die  Familienchronik  Bernhard  Rohrbach's  zeigt,  nur 
ein  Vorzug,  den  sie  mit  anderen  Trinkstuben  theilte,  wie  denn  der 
Fall  nicht  selten  war,  dass  man  verschiedenen  Stubcngesellschaften 
zu  gleicher  Zeit  angehörte  w.  Nach  Dr.  Römcr's  Nachweisen  scheinen 
mehrere  Gesellen  der  bisherigen  Gesellschaft  Löwenstein  nicht  mit 
den  Uebrigcn  nach  Laderam  übergesiedelt  zu  sein",  dagegen  warb 
die  Gesellschaft  neue  Genossen  und  zwar  mit  solchem  Erfolge,  das» 
Frauenstein  1503  nur  noch  ein  und  zwanzig  Glieder  zählto68.  So 
hob  sich  die  Gesellschaft  auf  Laderam  oder  Alt-Limpurg  nun  mächtig 
über  die  anderen  Vereine  empor;  die  reichsten  und  angesehensten 
Familien  dei  Stadt  vereinigten  sich  in  ihrem  Schoosc.  Durch  da« 
Reichskammergericht  nahm  im  Jahre  1495  eine  Anzahl  hochgestellter 
Fremden  ihren  Wohnsitz  in  der  Stadt:  von  den  Assessoren  bestand 
die  eine  Hälfto  ans  Doctoren  beider  Rechte,  die  andere  aus  Dynasten 
und  Edeln ;  der  Karamerrichtcr  war  ein  Reichsfürst ;  acht  Procura- 
toren  dienten  als  Sachwalter;  ausserdem  werden  Protonotarc  erwähnt. 
Die  Meisten  derselben  scheinen  in  der  erweiterten  Gesellschaft  auf 
Laderam  einen  willkommenen  Mittelpunkt  geselliger  Vereinigung  ge- 
sucht und  gefunden  zu  haben.  Zwar  mussten  anfangs  die  Sitten  und 
der  Rang  der  Gäste  dem  Frankfurter  Bürgerthum  als  ein  fremdes 
Element  erscheinen,  in  dessen  Umgebung  man  sich  beengt  fühlte: 
„im  Jahre  149  ".  fiel,  wie  Job  erzählt,  die  Fastnacht  auf  den  16.  Febr., 
es  fand  an  ihr  keine  Zusainmcnborufung  der  Gesellschaft  oder  Stube 
statt,  es  war  eine  Stille,  als  wären  alle  ausgestorben,  denn  die  Hin- 
dernisse waren  uns  die  Assessoren  und  die  übrigen  adeligen  Doctoren, 
nebst  den  Advocatcn  und  Procuratoren ,  denn  diese   waren  allzu 


65  Römer  •  Büchner  a.  a.  0. 

ffi  B.  Rohrbach's  Familienchronik  §.  106—112 

«  Römer -Büchner  S.  226. 

»  Römer -Büchner  S.  216. 


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-  71 


zahlreich  gegenwärtig*  Aber  schon  nach  einem  Jahre  waren  diese 
Schranken  der  Zurückhaltung  gefallen,  die  getrennten  Elemente 
hatten  sich  verschmolzen  und  die  Gesellschaft  entfaltete  ein  reges 
und  fröhliches  Leben.  Am31.December  1496  speiste  sie  zum  ersten 
Male  auf  der  grossen  Stube  des  Hauses  Laderam:  Philipp  Kaltofen 
versieht  die  Stelle  des  Wirthes  oder  des  obsonii  magister.  Am  1. 
Januar  1497  folgt  ein  neues  Gastmahl,  dem  als  Wirth  Walther  Isen- 
berg vorsteht  Auch  Bernhard  und  Job  Rohrbach  nehmen  zum  ers- 
ten Male  Theil  und  bekunden  ihr  Geselleurecht  mit  den  2t)  Denaren, 
die  sie  zu  Neujahr  dem  Stubenknecht  Friedrich  schenken 70.  Ein 
neues  Mahl  einigt  am  Tago  der  heiligen  Dreikönige  nicht  blos 
die  Gesellen,  sondern  auch  Andere:  Hans  vom  Rhyn,  der  ältere 
Bürgermeister,  und  Ulrich  Neuhaus  fuhren  als  Wirthe  den  Vorsitz  : 
als  Gesellen  werden  38  Glieder  der  Familion  Marpurg  zum  Para- 
dies, Heymbach,  vom  Rheine,  Scheidt,  Glauburg,  Sassen,  zum  Jungen, 
Frosch,  Weiss,  Stralenberg,  Bromm,  Mones,  Neuhaus,  Völker,  Reiss, 
Ifaane,  Sossenheim,  Rohrbach,  Holzhcim,  Uffstoin,  Heusenstamm, 
MartrorT,  Stallburg,  Blum  aufgeführt;  zwei  Licentiaten,  ein  Rosenberg, 
ein  Frosch,  ein  Sossenheimer,  ein  Dyrmayer  und  der  Rathschreiber 
Melchior  sind  als  Gäste  gegenwärtig,  die  Gesammtzahl  beträgt  47  71. 
Schon  am  12.  Januar  erfolgt  eine  neue  Zusammenberufung  zum 
Abendessen,  an  dem  auch  Frauen  und  Jungfrauen  theilnehmen :  es 
waren  im  Ganzen  achtzig  Personen;  Küchenmeister  waren  Johann 
Frosch  und  Ulrich  Neuhaus;  ausser  den  genannten  Familien  finden 
wir  die  Namen  Holzhausen,  Hynaberg,  Humbracht,  Ergersheim, 
Soh warzen berger,  Rückingen,  Knoblauch,  Fant,  Alzey;  als  Gäste 
werden  nur  der  Licentiat  Engel  von  Hotzfeld  und  der  Meister  (Ma- 
gister?) Bingen  von  Nördlingen  aufgeführt.  Da  sich  unter  den  aus- 
drücklich als  Gesellen  Aufgeführten  die  Namen  von  Mehreren  be- 
finden, welche  wie  Johann  von  Glauburg,  Johann  von  Rückingen, 
Johann  Frosch,  Jakob  Weiss  und  Johann  Holzheimer  nach  Faust  s 
von  Ascbaffcnburg  Angabe72  anfangs  den  Ueberzug  nach  der  neuen 
Stube  abgelehnt  haben  sollen,  so  kann  dieser  ohnehin  nur  von  We- 
nigen versuchte  Widerstand  nicht  von  Dauer  gewesen  sein.  Bei 
dieser  Mahlzeit  führten  Gilbrecht  Holzhausen  und  Job  Rohrbaeh  zu- 
erst einen  Reigen  mit  Lichtern  auf  und  geleiteten  darin  auf  Bofehl 


Jobs  Chronik  §.  180. 
*»  §.  181. 
"  §.  183. 

»  Körner -Büchner  S.  226. 


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der  älteren  Gesellen  die  junge  Braut  de«  Bernhard  Weiss  zu  Daniel 
Bromm,  um  diesen  dadurch  zu  ehren,  weil  er  sich  gegen  die  Gesell- 
schaft so  freundlich  und  freigebig  benommen  und  ihr  sein  Haus  zum 
kostenden  Preise  (justo  pretio)  abgetreten  habe.  Nach  beendigtem 
Maltlc  erschien  auch  der  Markgraf  Jakob  von  Baden,  der  als  Kam- 
merrichtcr  an  die  Stelle  Eytel  Friedrichs  von  Hohenzollcrn  getreten 
war,  mit  mehreren  Assessoren,  Procuratoren  und  Adeligen  des  Kam- 
mergerichts und  nahm  mit  ihnen  am  Tanze  Theil  Die  Kosten  des 
Mahles  betrugen  fünf  Schillinge,  welche  Job  von  seinem  Bruder 
Bernhard  geschenkt  erhielt73. 

Mit  besonderem  Glänze  wurden  nun  die  Fastnachtstage  des 
Jahres  1497  auf  Laderam  begangen.  Die  jungen  Gesellen,  denen 
früher  gerade  in  diesen  Tagen  kein  Antheil  zustand,  wurden  schon 
am  22.  Januar  auf  die  Stube  entboten,  und  es  wurde  ihnen  hier  von 
dem  Schultlieissen  Dr.  Ludwig  zum  Paradies  eröffnet :  „dass  ihnen 
allen  und  jeglichen  erlaubt  sei,  uff  der  Stuben  und  in  der  Gesell- 
schaft zu  sein  und  um  ihr  Geld  zu  zehren,  doch  seien  Bie  gebeten 
und  befohlen,  züchtig  sich  zu  halten  mit  Tanzen  und  willig  mit  Essen 
vortragen,  auch  im  Tanz  sich  nit  in  die  Arm  umfahen  als  sonst, 
sondern  anstatt  desselben  Armfahens  den  Frauen  die  Hand  geben 
und  züchtig  neigen."  Man  sieht,  dass  der  Wahlspruch:  „züchtig 
fröhlich  mit  guten  Sitten",  wie  ihn  eine  alte  hölzerne  Tafel  de» 
Hauses  Frauenstein  aus  dem  fünfzehnten  Jahrhundert  bewahrt,  da- 
mals in  den  Trinkstuben  noch  immer  als  Regel  galt.  Zu  gleicher 
Zeit  Hess  man  den  Markgrafen  Jakob  von  Baden,  alle  Beisitzer  und 
etliche  Advocaten  und  Procuratoren  des  Kammergerichts  wissen,  „wie 
man  eine  Gesellschaft  halten  wolle,  wollten  sie  darby  sin,  so  möge 
sie  die  Gesellschaft  fast  wohl  leiden,  dass  sie  ihr  Geld  by  der  Ge- 
sellschaft verzehren".  Desgleichen  liess  mau  auch  Etliche  wissen, 
„die  in  der  Canzlei  sin  zur  Zit  der  Gesellschaft".  Die  Fastnachts- 
lustbarkciten  wurden  mit  Nachtimbiss  und  Tanz  am  Sonntag  Esto- 
mihi  den  5.  Februar  eröffnet.  Tags  darauf,  „uff  den  Montag  zu 
Unteren  (Nach mittags)  haben  vier  Burger  ein  Gesellenstechen  ge- 
habt mit  Kronlin,  mit  Namen  Conrad  zum  Jungen,  lleilman  Stralen- 
berg,  Conrad  Mones  und  Clas  Stalburg".  Hierauf  erscheinen  wieder 
zum  Nachtmahl  alle  die,  welche  zur  Gesellschaft  gehörten  oder  ge- 
laden waren.  Dienstag  nach  dem  gemeinsamen  Mittagsmahl  fand  der 
feierliche  Umzug  sämmtlicher  Gesellen  uach  dem  deutschen  Haus, 
St.  Johann  und  St  Antonien  statt;  da  Job  ausdrücklich  bemerkt, 


"  §.  185.   Zum  Folgenden  §.  186. 


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73 


das*  Jakob  von  Baden  und  die  Assessoren  an  diesem  Umzüge  keinen 
Antheil  genommen,  sondern  erst  zum  Nachtmahl  und  Tanz  alle  wie- 
der gekommen  seien,  so  dürfen  wir  wohl  annehmen,  dass  sie  ausser- 
dem die  sämmtlichen  Fastnachtsergötzungen  mit  der  Gesellschaft  gc- 
theilt  haben;  am  Aschermittwoch  hielten  Männer  und  Frauen  den 
Mittag  und  Abend  auf  der  Stube;  nach  dem  Mittagsmahlc  wählten 
die  letzteren  nach  alter  Gewohnheit  zwei  Küchenmeister  zu  der  grünen 
Suppe7*,  Clas  von  Rückingen  und  llcn  Stralenbcrger,  beide Wittwer, 
dann  zogen  sie  hinaus  in  Hen  Glauburg's  Garten ;  dorthin  kamen  der 
Markgraf  und  etliche  Beisitzer  geritten  und  verbrachten  mit  ihnen 
den  Nachmittag,  den  Abend  aber  auf  der  Stube.  Beim  Mittagsmahlc 
der  Männer  am  Dienstage  fand  die  Uechnungsablage  statt ;  die  Kosten 
betrugen  auf  den  Bürger  drei,  des  Rathes  Amtleute  und  andere 
Edelleute  gaben  nur  anderthalb,  von  dem  Markgrafen  und  den  übri- 
gen Verwandten  des  Reichskammergerichts  nahm  man  nur  je  einen 
Gulden.  Ich  bezweifle,  ob  man  mit  Grund  darauf  die  Regel  anwen- 
den konnte  :  „wer  fremden  Gästen  gegen  Geld  Zehrung  giebt,  ist  doch 
gewiss  Wirth*  n.  Am  Donnerstag  zu  Nacht  assen  die  Gesellen  aber 
mala  mit  einander  den  „Manderkäse  '  76 ;  und  also  hatte,  wie  Job  naiv 
zufügt,  diese  Prasserei  ein  Ende. 

Der  einförmige  Gang  des  Alltagslebens  wurde  auch  durch  die 
Processionen  unterbrochen,  in  welchen  man  damals  das  Allerheiligste 


"  Die  grüne  Suppe  wurde  von  den  Frauen,  auf  ihre  Kosten  gestellt  und 
in  einem  Garten  gegessen.  Jede  Portion  wurde  nebst  eiuer  gesalzenen  Bricke 
und  einem  Fläring  von  einem  Paare,  wahrscheinlich  einem  Gesellen  und  einer 
Frao,  veraehrt.  Vergl.  Römer- Büchner,  Wohlleben  der  Gesellsch.  Limb.  S.  5.  — 
Hierauf  zogen  Männer  und  Frauen  in  Procession  durch  die  Stadt  nach  der 
Stube. 

75  Diese  Bemerkung  ist  nämlich  der  einzige  Gewinn,  den  Kömer- Büchner 
S.  225  Aam-  seiner  „Entwicklung  der  Verfassung'*  u.  s  w.  aus  dem  von  ihm 
eingesehenen  Job'schen  Manuscripte,  das  er  nach  der  Glauburgischen  Aufschrift: 
..M.  S.  de  Stirpe  Rorbachiana,  Ulatt  79'*  citirt,  zu  ziehen  wusste.  Seine  tenden- 
ziöse Antipathie  gegen  die  Gesellschaft  Limburg,  die  trübend  durch  das  reiche 
Material  seiner  verdienstlichen  historischen  Arbeiten  durchzieht,  ist  übrigens 
leicht  erklärlich,  wenn  man  die  einseitige  Bewunderung  und  Lobpreisung  er- 
wägt, in  der  sich  der  gelehrte  Fichard  kaum  genug  zu  thun  weiss. 

»  Der  Mandelkäse  wurde  nach  dorn  erwähnten  Buche  des  Stuttgarter  Ver- 
eines Ree.  72  aus  gestossenen  Mandelkernen  bereitet,  zu  denen  man  Milch  goss 
und  Eier  schlug;  diesen  Teig  lioss  man  erkalten,  legte  ihn  dann  auf  einen 
Teller  und  bestreute  ihn  mit  Zucker.  Der  Mandelkäse  wurde  durch  Frauen 
bereitet,  welche  jährlich  dazu  von  der  Gesellschaft  gewählt  wurden.  Dazu 
Khben  die  Küchenmeister  Fische,  die  Rrodroeister  Brod  und  Backwerk,  die 
Lichtmeister  Licht  Vergl.  Römer -Büchner,  Wohlleben  der  Gesellschaft  Limburg 


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-    74  - 

nicht  blos  durch  die  Kirchen,  sondern  auch  durch  die  Strassen  der 
»Stadt  trug Der  prachtvolle  Aufzug,  den  man  mit  allem  erdenk- 
lichen Glanz  ausstattete,  die  in  Sammt  und  Gold  strotzenden  Crc- 
wänder  der  ministrirenden  Geistlichen,   der  zahlreiche  Klerus  der 
drei  Stifter,  die  Mönche,  Nonnen  und  geistlichen  Ritter  in  ihren 
malerischen  Ordenstrachten,  die  Glieder  des  Rathes  in  ihren  Mänteln, 
machten  diese  kirchlichen  Aufzüge  zugleich  zu  einem  Volksfeste  und 
gewährten  ein  romantisches  Schauspiel,  das  nicht  blos  die  Andacht 
durch  das  Mysterium,  sondern  auch  die  Sinne  durch  den  Wechsel 
seiner  mannigfachen  Gestalten  und  seiner  bunten  schillernden  Farben 
beschäftigte  und  erregte.    Solcher  Processionen  wurden  vornehmlich 
drei  im  Jahre  veranstaltet,  nämlich  am  Sonntag  Exaudi  (am  Kirch- 
weih  tage  der  Barfüsser),  bei  welcher  stets  ein  Glied  von  Bernhard 
Rohrbach's  des  Alten  Stamm  mit  einem  vön  ihm  gewählten  Genossen 
den  das  Sacrameut  tragenden  Priester  führte 7H,  am  Frohnleichnams- 
feste  und  am  Tage  Maria  Magdalenä.   Job  unterlägst  nicht,  diese 
Processionen  in  jedem  Jahre  umständlich  zu  beschreiben,  besonders 
wenn  er  dabei  persönlich  betheiligt  war.    Die  glänzendste  ist  die 
Frohnleichnarasprocession  am  25.  Mai  1497  gewesen  :  Herr  Johann 
Greifenstein,  Dccan  zu'  St.  Bartholomäi,  trug  das  Sacrament,  ihn 
führten  die  beiden  ältesten  Schöffen,  Hen  Glauburg  und  Johann  vom 
Rheine,  vier  Bürger,  unter  Urnen  Philipp  Ugclnheiraer,  Georg  Roiss 
und  Job  Rohrbach,  trugen  den  Baldachin,  den  man  in  Frankfurt 
den  Kasten  nannte;  vier  andere:   Heinrich  Weiss,  Ortgyn  zum 
Jungen,  Ulrich  Neuhaus  und  Georg  Martroff  gingen  mit  brennenden 
Kerzen  zur  Seite ;  dem  Baldachin  folgte  unmittelbar  der  Kammer- 
richter Markgraf  Jakob  von  Baden  mit  sechs  Beisitzern  und  mehre- 
ren Procuratoren,  an  sie  schlössen  sich  der  Rath  und  die  Bürger 
an 79.  Auch  solche  Feste  wurden  mit  Schmauscreien  beschlossen.  Am 
Abende  dieses  Tages  luden  Eberhard  von  Heusenstamm  und  seine 
Ehefrau  Gutgin  in  ihren  Garten  vor  der  Stadt,  genannt  die  Nio- 
denau,  zum  Abendessen  Fremde  und  Einheimische :  den  Markgrafen 
Jakob  von  Baden,  welcher  auch  hier  seines  Ranges  nicht  vergass 
(denn  er  brachte  „den  Dorliuger*  und  zwei  andere  nobile»  mit,  dass 
sie  ihm  bei  Tische  dienten),  zwei  Doctorcn,  Georg  von  Nideck  und 
.Johannes  Pleniger,  so  wie  Vitus  von  Walrod,  goldenen  Ritter  (d.  h. 


"  Vcrgl.  den  Abschnitt  Cultus  §.  190  flg. 

*•  Vergl.  Aber  die  Stiftung  dieser  Proccsaion  B.  Kohrbach  6  Familien- 
chronik §.  27 

"  Jobs  Chronik  §.  198. 


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75  - 


wohl,  der  die  goldnen  Sporen  beim  Ritterschlag  empfangen  hatte), 
alle  drei  Beisitzer  und  Edclleute,  zwei  Reichsschatzmeister,  der  eine 
hiess  Goffart  von  Klchcn,  den  Oomtliur  des  deutschen  Herrenordens 
Pankratius  von  Rheinstein,  einen  Procurator  des  Rcichskammer- 
gerichts.  Unter  diesen  bewegen  sich  Glauburger,  vom  Rheino, 
Knoblauche,  Schwarzenberger,  Ergersheimer,  Holzhäuser,  Rohrbachc, 
Weisse,  sämmtlich  Gesellen  der  Stubengcsellschaft  Laderam  oder 
Limburg,  und  Job  rühmt  die  opulente  Bewirthung  der  Gäste,  zu 
deren  ehrenvoller  Behandlung  der  Hausherr  aufbietet,  was  er  ver- 
mag so.  Es  war  dies  das  Abschicdsfcst  für  den  Markgrafen.  Schon 
am  12.  Mai  hatte  er  die  letzto  Audienz  gehalten ;  am  2G.  Mai ,  den 
Tag  nach  Frohnlcichnam,  reiste  er  mit  den  Assessoren  nach  Worms, 
dem  zukünftigen  Sitze  des  Reichskammergerichts  Auch  in  der 
Ferne  gedachte  er  in  wohlwollender  Erinnerung  seines  Aufenthaltes 
iu  unseren  Mauern  und  der  frohen  Stunden,  die  or  auf  Laderam  zu- 
gebracht hatte;  noch  zwei  Jahre  später,  am  21.  Januar  1499,  ver- 
speisten Männer  und  Frauen  Abends  den  Hirsch,  den  Markgraf  Jakob 
von  Baden  der  Stubcngesellschaft  geschenkt  hatte  82.  Diese  blühte 
immer  sichtlicher  auf;  während  der  Fraucnstein  auf  wenige  Gesellen 
zusammengeschmolzen  war,  so  zählte  die  Stube  auf  Laderam  die 
meisten  Schöffen  und  Rathsinannen  zu  Gliedern  ihres  Vereines;  ihre 
Gesellen  führten  den  Priester  bei  den  Processioncn ,  trugen  den 
Kasten,  begleiteten  ihn  mit  Kerzen;  an  Fastnacht  veranstalten  sie 
öffentliche  Aufzüge,  Gartenfahrten  und  Gcsellenstechen;  seit  dem 
Jahre  1500  werden  ihre  Leichen  von  dem  gesammten  Klerus  der 
Pfarrkirche  zu  Grabe  geleitet;  ohne  Zweifel  trug  auch  der  vertraute 
Umgang  mit  den  Verwandten  des  Rciehskamniergcriehts,  mit  Reichs- 
tursten und  Reichsgrafen,  dazu  bei,  ihre  Ansprüche  zu  steigern,  das 
Verlangen  nach  Erhöhung  ihres  Ranges  und  nach  Adelsbriefcn  zu 
erwecken  und  ihr  Leben  mit  jenem  glänzenden  Luxus  auszustatten, 
zu  dem  ihr  Rcichthum  ihnen  die  Mittel  bot,  den  aber  schon  in  der 
ersten  Hälfte  des  sechzehnten  Jahrhunderts  ein  Theil  der  Bürger- 
schaft mit  unverhohlenem  Unmuthe  betrachtete  und  bisweilen  mit 
beissendem  Spotte  gcisselte.  Durch  das  Aufblühen  des  römischen 
Kechtsstudiuins  war  der  römische  Rechtsbegriff  des  Patriciers  in 
Deutschland  im  fünfzehnten  Jahrhundert  bekanntgeworden  und  wurde 
auf  deutsche  städtische  Verhältnisse  angewandt;  in  Frankfurt  wird 


*»  §.  116. 
bl  §.  115. 
".§.  187. 


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-  76 


er  nicht  Mos  durch  einheimische  Juristen,  sondern  auch  durch  die 
Doctoren  des  Reichskammergerichts  unter  den  Gesellen  von  Laderam 
Eingang  gefunden  haben ,  und  bald  erwuchs  er  zu  einer  Lieblings- 
idee,  deren  Verwirklichung  mit  allem  Eifer  des  Ehrgeizes  angestrebt 
wurde.  So  bildet  sich  allmählig  aus  der  Stubengesellschaft  zu  La- 
deram  oder  Alt-Limpurg  ein  städtisches  Patriciat ;  das  bürgerliche 
Bewusstsein  und  Wesen,  das  sie  sich  als  Gesellschaft  auf  Jjöwenstein 
zu  bewahren  verstanden  hatte,  wurde  ihren  Gliedern  fremder,  und 
der  Aufwand,  zum  TheSI  auch  der  Ueberrauth,  des  Junkerthuma  *»3 
trat  an  die  Stelle  der  alten  soliden  Einfachheit. 

Nächst  den  Processionen  boten  die  Passionsspiele  ein  zwar  sel- 
tenes, aber  darum  um  so  fesselnderes  und  noch  weit  volkstümlicheres 
Schauspiel  dar,  in  welchem  Scherz  und  Ernst,  kirchlicher  Geist  und 
der  Sinn  für  weltliche  Lustbarkeit,  wie  in  dem  Volksleben  des  Mittel- 
alters überhaupt,  sich  in  wunderbarer  Mischung  poetisch  durchdrangen. 
Wie  wir  aus  den  Frankfurter  Collectanccn  desKanonikuß  undCustos 


yi  Der  Name  Junkherr  kommt  bei  Job  nirgends  vor;  dagegen  nennt  sein 
Vater  Bernhard  in  der  Familienchronik  (§.  70)  den  jüngeren  Bürgermeister 
„Junkhcrrn-Bürgermeister",  den  älteren  „Schöffen  Bürgermeister".  Dies  ent- 
spricht aber  nur  dem  Sprachgebrauch ,  nach  welchem  die  Glieder  der  zweiten 
Rathsbank  Junkherru,  d.  h.  jüngere  Herrn  imGegensatze  zu  den  älteren  Raths- 
glicdern ,  den  Schöffen,  genannt  wurden,  und  bezeichnet  somit  einen  auf  da8 
Amt,  aber  keineswegs  auf  die  Geburt  und  das  Geschlecht  gegründeten  Rang. 
Noch  heute  nennen  die  niederen  Bediensteten  im  Römer  den  jüngeren  Bürger- 
meister den  ,  jungen  Herrn".  Diesem  deutschen  Sprachgebrauche  entsprechend 
finden  wir  bei  Job  Rohrbach  die  lateinischen  Ausdrücke  scabinus  und  domicel- 
lus gebraucht.  Da  nämlich  der  ältere  Bürgermeister  aus  der  Schöffen-,  der 
jüngere  Bürgermeister  aus  der  Rathsbank  gewählt  wurde ,  sagt  er  in  seinen 
Notizen  über  die  Burgermeisterwahlen  stets,  jeuer  sei  tamquam  senior  oder 
tamquam  scabinus,  dieser  tamquam  junior  oder  tamquam  dorn ic eil us  Bür- 
germeister geworden,  vergl.  §.  120.  121.  123  124.  125.  128  Ebenso  heisst  es 
§  127  von  Jacob  Straluubcrger,  (iiibrecht  Holzhausen  und  Thomas  Mass,  sie 
seien  am  10.  Juli  1401)  in  consilium  franckfurdiense  et  in  consulares  und  zwar 
o  ran  es  ut  domicelli  erwählt  worden.  Consularis  ist  also  der  allgemeine 
Begriff,  der  sich  wieder  in  scabinus.  domicellus  und  vulgaris  speeificirt.  Dem- 
getnass  berichtet  Job  §.  104,  als  er  im  Namen  seiner  sämratlichen  Hausgenossen 
die  Reichsschatzung  am  9.  April  1107  entrichtet  habe,  seien  zum  Empfange 
derselben  vom  Rathc  verordnet  gewesen,  sein  Vetter  Georg  Frosch  tamquam 
scabinus,  sein  Vetter  Haman  Holzhausen  ut  domicellus  und  nicht  zugegen  sei 
gewesen  Johannes  Hechten  tamquam  de  vulgaribus.  Es  ergiebt  sich  somit  aus 
Bernhards  und  Jobs  Chroniken,  dass  nach  Frankfurter  Au»druckswei«e  domi- 
cellus und  Junkherr  ein  Rathsglied  zweiter  Bank  bezeichnete.  In  anderer 
Bedeutung  wird  uns  unten  das  Wort  domicellus  in  einer  älteren  Rohrbachischen 
Urkunde  begegnen. 


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Philipp  Schurg  am  Bartholomäusstifte  (f  1601 )  M  ersehen,  sind  solcher 
Schauspiele  vier,  nämlich  in  den  Jahren  1467,  1468,  1498  und  1506 
hier  aufgeführt  worden  S5.  Das  im  Jahre  141*8  gegebene,  welches 
unter  der  Leitung  eines  Vicars  an  der  Liebfrauenkirche,  Jakob  Kol- 
messer stattfand,  wird  von  Job  Rohrbaeh  nach  seinem  Gegenstaude 
und  seinem  ganzen  Verlaufe  beschrieben.  Es  erhellt  aus  dieser  Be- 
schreibung, dass  es  nicht,  wie  Fichard  annahm,  von  den  Schülern 
des  Bartholomäusstiftes,  sondern  von  einem  Vereine  von  Männern 
gegeben  wurde,  der  sich  dazu  aus  Geistlichen  und  Laien  frei  gebil- 
det hatte.  Job  erzählt:  „Im  Jahre  1498  am  4.  Juni,  dem  2.  Pfingst- 
tage ,  wurde  hier  vor  dem  Rathhause,  dem  Römer,  auf  einer  dazu 
eigens  aufgebauten  Bühne  ein  Schauspiel  veranstaltet,  an  welchem 
280  Personen,  mit  Gewändern  und  Anderem,  wie  es  sich  ziemte, 
wohl  gekleidet,  Theil  nahmen.  Sie  spielten  an  diesem  Tage  zuerst 
die  Aufopferung  des  einzigen  Sohnes  Abrahams,  die  Geschichte  der 
Susanna,  des  reichen  Mannes  und  des  armen  Lazarus  und  des  ver- 
lorenen Sohnes.  Als  dies  vorüber  war,  bekleidete  sich  Balthasar, 
der  Pfarrer  in  Ober-Eschersheim  (nach  Schurg  wohl  richtiger :  Esch- 
bach) mit  einem  grauen  Gewände  (denn  vorher  hatte  er  den  himm- 
lischen Vater  gegeben)  und  eröffnete,  mit  einem  Diadem  gekrönt,  die 
Person  Christi  darstellend,  die  Passion,  deren  ganzen  Verlauf  er  im 
Spiele  durchführte.  Er  begann  mit  der  Wahl  der  Apostel.  Am  f>. 
Juni  spielte  er  die  Leidensgeschichte  bis  zur  Gefangennehmung  im 
Garten ;  als  Gefangener  wurde  er  hierauf  durch  die  Strassen  unserer 
Stadt  gefUhrt.  Am  6.  Juni,  dem  Mittwoch  und  Quatember,  wurde 
er  abermals  lange  durch  die  Stadt  geführt,  und  als  sie  die  Bühne 


•*  Ob  Philipp  Schurg  wirklich  der  Verfasser  dieses  Manuscriptes  sei,  scheint 
mir  noch  einer  Untersuchung  zu  bedürfen.  Auf  dem  Umschlage  desselben 
kündigt  er  sich  nur  als  Besitzer  des  Buches  au:  possidet  tue  Pb.  Schurg,  eine 
Thatsacbe,  weiche  wenigstens  zur  Zeit  noch  die  Verranthung  begünstigt,  dass 
Schurg  die  Autorschaft  erst  einem  MissverstSndniss  des  Verfertigen  der  Aus- 
zugs in  der  Uffenbachischen  Manuscriptensammlung  zu  danken  hahen  könne. 
Dieser  Auszug  scheint  übrigens  nur  eine  Compilation  Schurg  "scher  und  König 
»tein'scber  Notizen  zu  sein. 

«•  M.  S.  Schurg  p.  186  flg.  Anno  gratiae  1498  fuit  ludus  passionis  Francoforti 
*t  fuere  in  illo  265  personae.  Saluator  dominus  Balthasar,  parochus  in  Esch- 
bach, Rector  D.  Joannes  Kolmesser.  Anno  150G  iterum  fuit  Indus  passionis 
Francofurti  Salvator  Wilhelmus  S  tei  n  de  Cassel,  parochus  trium 
reg  am  in  Sachsenbausen.  Rector  Dominus  Joannes  Kolmesser  et  Dominus 
Petrus  Seigenstadt,  vicarii  montis  B.  Mariae  Virginia.  Fuerunt  personae  in 
ludo  267.  Anno  1467  fuit  ludus  passionis  Francofurti.  Salvator  Ewaldus  Totteti- 
feld.  Rector  Dominus  Enolpbus.  Anno  1468  foit  ludus  extremi  indicii  et  Anti- 
christi.  Rector  Joannes  Vag. 


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betreten  hatten,  vor  Hannas  etc.,  dann  schlugen  sie  ihn  an  das  Kreuz, 
an  welchem  er  beinahe  zwei  Stunden  hing.  Am  7.  Juni,  dem  Don- 
nerstag nach  Pfingsten,  trugen  sie  sein  Kreuz  mit  denen  der  Räuber 
vor  das  Thor  von  Haddenhausen.  Am  11.  Juni  luden  die  Theil- 
nehmer  am  Spiele  den  ganzen  Rath  zum  Mittagessen ;  dieser  schenkte 
ihnen  zwei  Ohm  Wein  und  20  Goldgulden;  ebenso  bewilligte  er 
ihnen  die  Bretter  und  Balken,  woraus  die  Bühne  erbaut  wurde,  in 
grosser  Menge,  aber  unter  der  Bedingung,  dass  sie  dieselben  zurück- 
gäben, und  das,  was  daran  verdorben  oder  zerschlagen  wäre,  be- 
zahlten ;  auch  mehrere  andere  Bürger  und  kirchliche  Personen  luden 
sie  ein,  welche  sie  dafür  beschenkten.  Ebenso  zahlte  jeder  Theil- 
nehmer  am  Spiele  und  jede  Person  (wohl  von  den  Zuschauern?)  der 
Gesellschaft  anfangs  einen  Ort,  wovon  die  Zuriistungen  zum  Spiel 
bestritten  wurden"  86. 

Der  vorherrschend  kirchliche  Charakter  dieses  Spieles  zeigte  sich 
in  einer  Nachwirkung  desselben  :  am  Magdaleucntag ,  dem  22.  Juli 
149X,  trug  das  Sacrament  wieder  der  Dccan  Johannes  Greifensteiu, 
Hen  Glauburg  und  Hans  vom  Rheine  führten  ihn;  Georg  Neuhaus, 
Job  Rohrbach,  Arnold  Reysa,  Philipps  Ugclnhcimcr  trugen  den  Kasten, 
Ludwig  liolzhausen,  Georg  Martroff,  Heilmann  Stralenberg,  Ulrich 
Neuhaus  die  Kerzen;  diejenigen  aber,  welche  die  Passion  gespielt 
hatten,  folgten  dem  Rathe  in  der  Procession,  angekleidet  nach  dem 
Charakter,  den  sie  dargestellt  hatten ;  den  Erlöser  stellten  diesmal 
fünf  dar,  der  eine  als  Gefangenen ,  der  andere  in  weissem  Kleide, 
der  dritte  trug  die  Säule,  der  vierte  das  Kreuz,  der  fünfte  zeigte  ihn 
auferstanden,  und  dieser  war  es,  der  während  des  Spieles  selbst  alles 
wie  Jesus  gethan  und  geduldet  hatte  *7.  Dafür,  dass  Job  den  Kasten 
getragen  hatte,  gab  ihm  am  3.  Januar  1491)  der  Bürgermeister  Mi- 
chael Schwarzenberger  statt  der  zwei  alten  Bleygen,  die  er  mit  seiner 
Mühewaltung  verdient  hatte,  drei  neue.  Mit  dem  neuen  Jahre  waren 
nämlich  die  alten  mit  den  zwei  „Brachen"  (zwei  Hunden)  und  den  zwei 
Trauben  abgeschätzt  worden ;  die  neuen  zeigten  auf  ihrem  Gepräge  „eine 
Kanne  sonder  Litt  oder  Deckel",  aus  der  zwei  Trauben  wachsen  und 
zu  beiden  Seiten  herabhängen.  Das  eine  gab  er  seiner  Mutter,  das 
andere  seinem  Bruder  Bernhard,  das  dritte  dem  Kanonikus  Herrn 
Eberhard  Becker.  Als  am  18.  Juni  14D9  Johannes  Hess  in  der 
Pfarre  auf  der  grossen  Orgel,  obgleich  kaum  so  viel  Claven  und 


»c  §.  214. 
w  §.  215 


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Pfeifen,  dass  es  geschehen  konnte,  gestimmt  waren,  den  Gesang  des 
Salve  regina  begleitete ,  schenkte  auch  ihm  Job  ein  Rathsblcygcn  **. 

Bei  der  Magdalcnenprocession  im  Jahre  1497  hatte  das  Sacra- 
ment  Nicolaus  Kruder,  Bischof  von  Samland,  ein  Frankfurter  Kind, 
getragen  89,  was  ich  gerne  hier  erwähne ,  theils  um  das  Andenken 
eines  sonst  unbekannten,  zu  hohen  kirchlichen  Würden  emporge- 
stiegenen Bürgersohnes  jener  Zeit  zu  erneuern,  theils  weil  solehe 
Notizen  zum  Thoil  die  Thatsaehc  erklären  mögen,  dass  hiesige 
Kirchen  von  auswärtigen,  fern  wohnenden  Bischöfen  mit  Ablasspri- 
vilegien ausgestattet  wurden.  Audi  Frankfurter  Laien  finden  wir  in 
dem  Dienste  auswärtiger  KirchenfÜrsten,  so  war  Dr.  Georg  Hell,  ge- 
nannt Pfeifer,  Kanzler  des  Kurfürsten  von  Mainz;  er  nahm  ein 
trauriges  Ende,  am  5.  August  1498  fiel  er  im  Münzhof  dahier  in 
eine  noch  nicht  völlig  ausgebaute  Cloakc,  und  starb  bald,  nachdem 
man  ihn  herausgezogen  hatte90. 

Wie  gerne  man  überhaupt  aus  kirchlichen  Handlungen  ein 
Schauspiel  machte,  beweist  das  Gepränge,  womit  am  19. August  1494 
eiue  Judentaufe  in  der  Bartholomäikirche  vollzogen  wurde.  Eine 
schwäbische  Jüdin  begehrte  freiwillig  die  Taufe,  wie  sie  behauptete, 
von  der  Jungfrau  Maria  selbst  dazu  veranlasst,  eine  Motivirung,  wie 
sie  bekanntlich  bis  zu  unseren  Zeiten  in  speeifisch  römischen  Kreisen 
wiederkehrt  Um  diesem  Acte  eine  grössere  Feierlichkeit  zu  geben, 
hatte  man  vor  dem  Hauptaltare  eine  Bühne  aufgeschlagen  und  auf 
diese  das  Taufbecken  gestellt  Die  angesehensten  Jungfrauen  der 
Stadt  erboten  sich  zu  Pathinnen  und  geleiteten  die  Neophytiu  in 
Procession  zur  Kirche.  Mit  ihr  bestiegen  zwei  derselben ,  Anna 
Blumin  und  Christina  Froschin,  die  Bühne.  Nach  vollzogener  Taufe 
stimmte  das  versammelte  Volk  den  Gesang  an  :  „Nun  bitten  wir  den 
beigen  Geist".  Hierauf  führten  die  Jungfrauen  sie  wiederum  in 
feierlichem  Aufzuge  nach  dem  Hause  des  Pfarrers91.  Ein  anderes 
kirchliches  Schauspiel,  das  selbst  damals  den  Verständigen  zum  An- 
stoss  gereichte,  bereiteten  im  Jahre  1496  der  Frankfurter  Gemeinde 
die  Dominikaner.  „Am  3.  April  nämlich,  dem  Ostersonntag,  predig- 
ten, wie  Job  erzählt,  bei  den  Predigern  drei  zu  gleicher  Zeit:  der 
Lector  auf  dem  Kirchhofe,  der  Subprior  in  der  Kirche,  ein  dritter  in 
dem  Kreuzgang  (in  ambitu)  und  überschrieen  einander  so,  dass  aus 


«»  §.  216.  217. 
8»  §.  199. 
»  §.  266. 
»•  §.  203. 


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diesen  Reden  dem  Volke  keine  Erbauung  (devotio),  sondern  nur  Ver- 
wirrung (confuaio)  erwuchs"  9J. 

Charakteristisch  ist  es,  dass  Job  nirgends  der  Jagd  als  Be- 
schäftigung und  Belustigung  der  höheren  Stände,  wohl  aber  neben 
dem  Reiten,  dem  Fischfange  und   dem  Stechen  mit  Krönlein  und 
Kolben,  namentlich  der  Schiessübungen  gedenkt.    Die,  welche  man 
später  Patricier  oder  Junker  nannte,  hatten  ihren  eigenen  Schiessplatz 
auf  dem  heutigen  Holzgraben,  den  man  damals  noch  den  Schies* 
graben  nannte,  unmittelbar  hinter  der  Kirche  unserer  lieben  Frauen 
auf  dem  Berge.  Eine  solche  Schiessbelustigung  wird  uns  in  sehr  an 
schaulicher  Weise  geschildert :  „Anno  1496  am  20.  Juli  sind  uff  dem 
Schiessgraben  zwischen  den  Porten  by  sant  Katheriuen  Kirchen  nach 
Mittag  zusammenkommen  in  einer  guten  ehrlichen  Gesellschaft  Dr. 
Florentius  von  Veningen,  Katharina  Holzhuserin,  Haman,  ihr  Sohu, 
und  Margret,  Hamans  Husfrau,  Gilbrecht,  auch  ihr  Sohn,  Eilchin 
Rohrbächerin  und  ich  Job,  ihr  Sohn,  Katherina,  Gilbrechts  Holzhusen 
seliger  Gedächtniss  Wittwe,  Ludwig,  ihr  Sohn,  Karl  Honsberg  und 
Martha,  sin  Husfrau,  min  Joben  Schwester,  Johann  Holzheiiner,  und 
haben  des  Unterens  (Nachmittags)  die  Gesellen,  welche  wollten,  ge- 
schossen, um  ziemliche  Kleinodien  von  Zinnwerk;  des  Nachts  hat  je 
ein  Husgesäss  zwei  Maass  Wins  bracht,  und  nach  dem  Nachtmal 
geschossen,  Frauen  und  Mann,  wer  da  wollte,  bis  um  zehne,  also 
dass  drei  Licht  by  das  Blatt  (die  Scheibe)  gesteckt  worden  und  eins 
vor  den  Anzeiger,  und  nach  dem  Nachtmahl  sind  dazu  kommen  Ort 
zum  Jungen,  der  jüngere,  und  Herr  Albrecht  Prolin,  der  Hulzhuserin 
zu  Goldstein  Kaplan.'1    Ob  dieses  Schiessen  mit  Armbrüsten  oder  mit 
Büchsen  stattfand,  wird  uus  mcht  berichtet ;  doch  ist  mir  das  Erstere 
wahrscheinlich  M.    Der  Büchsen  bediente  man  sich  unzweifelhaft  bei 
den  öffentlichen  Schiessen,   an  welchen  Bürger  aller  Stände  und 
namentlich  auch  der  Zünfte  Theil  nahmen.    Ueber  diese  liegen  uns 
zwei  Berichte  Jobs  vor. 

„Arn  13.  Novembris  14%  hat  hie  ein  Schiessen  angefangen  mit 
der  Handbüchse,  das  hat  gewährt  drei  Tag  und  sind  der  Schützen 


»»  §.  194. 

>3  Diese  Verrauthung  stützt  sich  theils  auf  den  Umstand,  dass  Job  Rohr- 
bach unter  seinen  Anschaffungen  und  Geschenken  zwar  eine  Armbrust,  aber 
nie  eine  Büchse  erwähnt,  theils  auf  die  freundliche  Mittheilung  des  Herrn  Se- 
nators Dr.  v.  Heyden,  der  den  noch  am  Anfang  dieses  Jahrhunderts  bestehen- 
den Scbieesplatz  auf  dem  Graben  in  seiner  Jugend  selbst  gesehen  und  mir 
ausdrücklich  versichert  hat,  dass  derselbe  nuch  damals  noch  ausschliesslich  von 
den  Stahlschützen,  d.  h.  den  Armbrustschtttzen,  benutzt  wurde. 


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106  gewesen  und  der  Kleinod,  darumb  man  geschossen  hat,  fünf  und 
zwanzig,  mit  Namen  drei  Ochsen,  ein  schwarzer  Hut  mit  einer  sil- 
bernen Röhre,  vier  Ellen  schwarzen  Schamelot  und  zwanzig  zinner- 
ner Kleinod,  ab  Flaschen,  Gläser,  Fass,  Gelten,  Teller,  Kannen  etc. 
Den  besten  Ochsen  gewann  Einer  heisst  Thomas,  Büchsenmeisters 
Sohn,  sitzt  bei  der  Bockenheimer  Porten;    den  andern  Ochsen  ge- 
wann Conrad  Neuhaus,  min  Vetter,  den  dritten  ein  Büchsenmeister 
Ton  Menz ;    den  Hut  mit  der  silbernen  Röhre  N.  N.  Schuhläpper 
(Schuhflicker)  by  Sant  Johann,  den  Schamelot  gewann  Dyll,  ein 
Lederverkaufer  uff  dem  Krautmarkt,   die  Sau  gewann  Hans  Syd, 
unser  Schmied,  und  haben  die  Frankfurter  Schützen  neunzehn  Klein- 
heit (Kleinod)  unter  den  fünf  und  zwanzig  und  die  Hauptkleinod 
alle,  usgenommen  den  dritten  Ochsen.  Und  haben  sie  geschossen  uff 
dem  Fischerfeld  in  zween  Schirm  (Scheiben)  und  die  Läng  des 
Schusses  vom  Stand  an  bis  zum  Schirm  ist  336  Ellen:  mit  einer 
Schnur  ist  es  also  gemessen  worden.    Item  hatte  Schnabels  Sohn 
eine  Pritsch,  und  welcher  Schütze  sechs  Schüsse  nach  einander  des 
Schirmes  fehlte,  den  schlug  man  mit  der  Pritschen  oder  musst  vier 
Denar  geben,  and  schössen  die  Schützen  zehn  Schuss.    Auch  sind 
der  Kleinod,  zum  Ritterschuss  verordnet,  mit  Namen  zwei  Hüt'  und 
ein  Barret  und  ein  silberner  Landsknecht  mit  einer  silbernen  Helle- 
barten."   Im  Jahre  1500  fand  abermals  ein  Schiessen  mit  der  Hand- 
büchsen  auf  dem  Fischerfelde  statt,  an  welchem  siebenzig  Männer, 
sieben  aus  Mainz,  drei  von  Oppenheim,  einer  von  Gelnhausen,  drei 
von  Oberrad,  alle  Uebrigen  hiesige  Bürger,  theilnahmen.    Der  Rath 
hatte  dazu  den  Ochsen  und  zehn  Viertel  Wein  gegeben.   Den  Och- 
sen trug  damals  des  Rath  es  Schmied,  das  damastene  Wams  ein  Fi- 
scher davon,  den  silbernen  Becher  Bernhard  Weiss.    Es  waren  im 
Ganzen  dreissig  Kleinodien,  von  denen  die  von  Mainz  und  die  von 
Oppenheim  je  eins  in  ihre  Herberge  brachten.    Die  Oberräder  ge- 
wannen den  Hut  mit  der  silbernen  Röhre  im  Ritterschuss.  Auf  dem 
Schiessplatze  waren  drei  Zelte  aufgeschlagen,  zwei  für  die  Schützen, 
das  dritte  zum  Spiel    Auch  war  eine  Kegelbahn  eingerichtet,  auf 
welcher  „ein  Schieb"  mit  einem  Heller,  drei  mit  einem  Weisspfennig 
bezahlt  wurden;  sämmtliche  Kegelpreise  fielen  den  Frankfurtern  zu. 
Auch  diese  Lustbarkeit  währte  drei  Tage94. 

Manche  Gebräuche  des  Volkslebens  finden  wir  in  Jobs  Auf- 
zeichnungen zu  unserem  Bedauern  mehr  flüchtig  angedeutet,  als  aus- 
fuhrlich beschrieben.   Der  Anfang  des  Jahres  war  noch  nicht  über- 


»  §.  218.  219. 

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einstimmend  festgesetzt.   Tbeil weise  datirte  man  Neujahr  von  dem 
Christfeste  an,  und  folglich  vou  dem  25.  December,  theilweise  von 
dem  Feste  der  Beschneidung  Christi,  also  von  dem  1.  Januar.  Eine 
Differenz  konnte  sich  dabei  nur  für  die  Tage  ergeben,  welche  zwischen 
diesen  beiden  Terminen  in  der  Mitte  lagen.   Job  Rohrbach  versäumt 
darum  bei  den  Daten  dieses  Zeitabschnittes  nie  anzugeben,  welcher 
Anfang  gemeint  ist ;  er  sagt :  „im  Jahr  1497,  das  Jahr  vom  Anfang 
des  Januars  beginnend;  oder  am  30.  December  1502,  des  Jahres  An- 
fang von  dem  Geburtsfeste  gerechnet" ;  im  letztem  Falle  ist  also  das 
Jahr  1501  gemeint95.    Das  Verwaltungsjahr  lief  ursprünglich  wie 
noch  im  sechzehnten  Jahrhundert  vom  1.  Mai  bis  zum  1.  Mai :  an 
diesem  Tage,  wenn  er  nicht  auf  einen  Sonntag  fiel,  wurden  die 
Bürgermeister  gewählt  und  die  Aerater  im  Regimente  neu  besetzt  **. 
Die  Kathsprotocolle,  wie  die  Stadtrechnungsbücher,  fangen  von  diesem 
Termin  an.    Es  war  die  Zeit  der  alten  germanischen  Mai  Versamm- 
lungen, sowie  der  feierlichen  Gerichtssitzungen,  die  man  Maigedinge 
nannte.    Auch  sonst  hatte  in  dem  Leben  der  germanischen  Stämme 
der  1.  Mai  eine  grosse  Bedeutung     Mit  ihm  beginut  die  schöne 
Sommerzeit,  die  mau  selbst  geradezu  Mai  nannte,  in  der  nicht  nur 
die  Natur  zum  Leben  erwacht  und  sich  in  das  bunte  Festgewand 
der  Farben  kleidet,  sondern  auch  in  den  menschlichen  Herzen  Lust 
und  Liebe  sich  in  frischem  jungem  Triebe  regen.    In  vielen  symbo- 
lischen Gebräuchen  wurde  dies  ausgedrückt    In  manchen  Gegenden 
wurde    am    Sonntage    Lätare   in  der  Mitfasten    der  winterliche 
Tod  ausgetragen,  oder  auch  der  Winter  verbrannt  und  der  Sommer 
singend  begrüsst.     Am  Anfang  des  Mai's  wurden  im  heidnischen 
Norden  hohe  Feste  gefeiert:  Gottheiten,  in  denen  sich  der  Sommer 
oder  der  Frühling  persqnificirte ,  hielten   ihren  segnenden  Umzug. 
Am  1.  Mai  wurde  noch  bis  in  die  neuere  Zeit  in  England,  Frank- 
reich, Deutschland  und  dem  seandinavischeu  Norden  in  mancherlei 
Weise  der  Sommersanfang  begangen,  „der  Sommer  empfangen  ' ;  der 
Mai  wurde  festlich  eingeholt:  dahin  gehörte  das  Maireiten,  die  Er- 
nennung der  Maigrafen  und  Aehnliches;  Mayen,  d.  h.  entweder  Mai 
bäume  oder  Maibusche,  Maizweige  und  Maisträusse  wurden  in  die 
Gemeinden  gebracht.   Die  Maibäume  wurden  theils  an  den  Haupt- 
platz des  Ortes,  vor  die  Küche  oder  das  Rathhaus  gesetzt,  theils 
auch  in  grosserer  Anzahl  vor  andere  Häuser,  besonders  Solcher,  die 
man  auszeichnen  wollte,  gepflanzt:  die  Maibusche  oder  Sträusse  hef- 


*  8-  71  und  §  17.  33.  97.  17». 
"  f  119  flg 


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tete  man  vor  die  Thtiren  der  Frauen  und  Jungfrauen  M.  Die  letztere 
Sitte  bestand  in  Frankfurt  und  war  besonders  unter  den  Gesellen 
der  Trinkstuben  Üblich.  Diese  „steckten  Mayen  und  Briefe  den 
Jungfrauen  und  Frauen",  um  deren  Gunst  sie  sich  bewarben  und  denen 
sie  dadurch  ihre  Verehrung  bezeugen  wollten.  Die  Briefe  enthielten  ein 
Bild  mit  einer  Devise.  Lersner  erwähnt  einige  derselben :  am  1.  Mai 
1464  steckte  Adolf  Knoblauch  seiner  Verehrten  einen  Mayen  mit  der 
Devise :  „Und  ich,  wie  kann  ich  offenbar,  um  den  unwiderstehlichen 
Zauber  ihrer  Beize  anzudeuten;  dieser  Gedanke  war  in  dem  Bilde 
durch  einen  Mann  versinnlicht,  der  mit  einem  Siebe  Wasser  aus  einem 
Bache  zu  schöpfen  versuchte.  Heu  Knoblauch  fugte  zu  seinem  Mayen 
eine  Hand,  welche  ein  Gewicht  an  einer  Schnur  in  einen  Brunnen 
hinabliees,  mit  der  Umschrift:  „Falscher  Grund  ist  myra  Herz  onkund4*98. 
Gegen  Ende  des  Mittelalters  fand  man  diesen  poetischen  Brauch  un- 
vereinbar mit  der  züchtigen  Sitte,  durch  die  man  die  Fröhlichkeit 
gemässigt  wissen  wollte;  Job  Rohrbach  erzählt:  „Anno  1495  prima 
maji  nec  poatea  (am  1.  Mai  1495  und  später)  hat  man  keiner  Jung 
frauen  oderWittfrauen  oder  Frauen  uff  unser  Stoben  oder  derglichen 
May  noch  Brief  gesteckt  nach  alter  Gewohnheit".  Aus  seinen  Be- 
merkungen zu  den  Jahren  1496  und  1497  ersehen  wir  überdies,  dass 
man  die  Mayen  nicht  nur  ,,vor  der  Jungfrauen  und  Frauen  Thor", 
sondern  an  die  HausthUren  selbst  gesteckt  hatte,  und  dass  „soliches 
geschehen  war  von  den  jungen  Gesellen*,  also  von  den  Unverheira- 
teten •».  Eines  andern  Gebrauches  gedenkt  er  zum  Jahre  1494.  Am 
Tage  des  Apostel  Bartholomäus  nämlich  legte  er  den  beiden  Mägden 
seiner  Mutter  das  Loos,  und  die  Köchin  Katharina  zog  sich  den 
Apostel  Matthias,  die  Hausmagd  Margaretha  den  Thomas  10°.  Der 
Zweck  dieses  Loosziehens  war  ohne  Zweifal  die  Wahl  eines  Schute- 
heiligen.  Wie  sehr  überhaupt  selbst  gebildete  Männer  jener  Zeit 
zum  Superstitiösen  neigten,  zeigt  ein  Recept,  das  Job  Rohrbach  von 
einem  Bürger  zu  Speyer,  Peter  Dradh,  empfangen,  das  ihm  der  Pro- 
tonotar  des  Kammergerichts,  Johannes  Storch,  aus  eigener  Erfahrung 
als  probat  empfohlen  und  er  in  seinen  Aufzeichnungen  gewissenhaft 
eingetragen  hat.  Es  lautet :  „Wenn  man  brauchbares  Bauholz  haben 
und  dasselbe  vor  Schwamm  und  Fäulniss  bewahren  will,  so  darf  es 


"  Reinsberg-Dttringsfeld,  das  festliche  Jahr.  Hai. 
*  Lersner  II,  I,  804. 
»»  §.  222-224. 
«oo  f.  226. 

6» 


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nur  bei  abnehmendem  Monde  und  von  einem  solchen  gefallt  werden, 
der  an  diesem  Tage  und  der  vorhergegangenen  Nacht  mit  keinem 
Weibe,  auch  nicht  dem  seinigen,  Umgang  gepflogen  hat  Willst  du 
Steine  zum  Bau  deines  Hauses  setzen,  die  nicht  nässen  oder  aua- 
schwitzen, wie  es  leicht  im  Winter  und  sonst  zu  geschehen  pflegt,  so 
betrachte  genau  den  Steinbruch  und  lasse  an  der  Ostseite  desselben 
graben,  besonders  wenn  die  Steine  in  die  Wände  der  Stuben  gefügt 
werden  sollen.  Schlachtest  du  Schweine,  um  für  das  Haus  Speck 
und  im  ganzen  Jahre  Fleisch  zu  haben,  dann  thue  es  bei  abnehmen- 
dem Mond,  damit  der  Speck  und  das  Fett  nicht  so  reichlich  aua- 
fliesse,  wie  es  bisweilen  zu  geschehen  pflegt"  1<M. 

Im  Allgemeinen  herrschte  noch  Einfachheit  der  Sitte  und  ehr- 
bare Zucht   Doch  fehlte  es  auch  nicht  an  mancherlei  Unfug  und 
Muthwillen.   Am  12.  November  1494  wurden  Nachts  in  der  Krämer- 
gasse —  so  nannte  man  die  Strasse,  die  von  St  Bartholomäi  nach 
dem  Samstagsberg  führt,  den  heutigen  Markt  —  alle  FUsse,  d.  h. 
Hölzer,  welche  vor  den  Thüren  hingen  und  mit  welchen  die  Eintre- 
tenden zu  klopfen  pflegten,  damit  ihnen  aufgethan  werde,  abgerissen 
und  Uber  die  Mauern  auf  den  Kirchhof  der  Dominikaner  geworfen. 
Auch  wurden  einige  Fenster  der  Kirche  des  Predigerklosters  einge- 
worfen.   Die  Urheber  dieses  nächtlichen  Unfugs  wurden  nicht  er- 
mittelt m.   Doch  fehlte  es  auch  nicht  an  schwereren  Vergehen  und 
sie  werden  mit  der  ganzen  Härte,  wie  sie  der  damaligen  Rechtspflege 
eignete,  geahndet.    So  wurden  am  6.  April  1496  drei  Räuber  ver- 
brannt, die  ausser  anderen  Verbrechen  in  Dieburg  die  Monstranzen 
und  das  Gefüss  mit  den  Hostien  gestohlen  —  einer  hatte  deren  sech- 
zehn, der  andere  weniger  verschlungen  —  mehrere  Almosenstöcke  ge- 
plündert und  in  Frankfurt  bei  St  Peter  einen  Mann  getödtet,  andere 
beraubt  hatten.    Nach  Lersner  wurden  ihnen  Infuln  auf  das  Haupt 
gesetzt,  auf  welchen  ihre  Verbrechen  abgebildet  waren  103.    Ein  An- 
derer wurde  am  1.  September  1497  gehenkt,  weil  er  einen  Kelch 
geraubt,  am   16.  September  1496    ein    Jude  verbrannt,    weil  er 
eine  Münze  beschnitten  hatte  ,M.  Hans  Drach  wurde  wegen  Unzucht 
an  einer  Ehefrau  und  ihrer  Schwiegermutter  am  7.  Januar  1497  ent- 
hauptet106.   Doch  pflegte  man  die  Hinrichtungen  von  Adeligen  der 

§.  227. 
•02  8-  143. 

§.  152.  Lersuer  II,  I,  688. 
«"  §.  161.  148. 
'•»  §.  150. 


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-    85  - 


Oeffentlichkeit  zu  entziehen.  So  wurde  Einer  (Lersner  nennt  ihn 
Hans  Flogel  von  Babenberg),  der  wegen  Aufrühre  (oder  wie  Lersner 
angiebt  wegen  seiner  Mithülfe  an  der  Ermordung  von  Moschel 
Henschin)  in  der  Messe  eingezogen  worden  war,  aus  Rücksicht  auf 
seine  Eltern  am  26.  September  1496  Nachts  bei  geschlossenen  Thoren 
am  Maine  enthauptet  und  auf  dem  Kirchhof  zum  heiligen  Geist  be- 
graben 10*.  Bisweilen  entzog  indessen  das  Asylrecht  der  Kirchen  den 
Verbrecher  dem  Arm  der  strafenden  Gerechtigkeit  Als  Harnes  Sohn 
aus  Sachsenhausen  mit  einem  Schererknecht  mit  gewaltsamem  Ein- 
bruch in  das  Haus  zum  Ellenbogen  (A.  67)  bei  den  Predigern  bei 
Nacht  gedrungen  war  und  einen  daselbst  wohnenden  Bürger  mit 
seiner  Geliebten  misshandelt  hatte,  fluchtete  er  mit  Tagesanbruch  zu 
den  Barfussern,  sein  Helfershelfer  zu  den  Antonitern,  und  so  ent- 
kamen sie  beide  107. 

Das  Verhältniss  zu  den  Dienstboten  war  noch  ein  patriarchalisches 
und  ungleich  enger  als  in  unseren  Tagen.  Sie  nahmen  an  allen 
Freuden  und  Leiden  Theü.  Job  Rohrbach  legt  der  Köchin  und  der 
Hausmagd  seiner  Mutter  die  Loose.  Er  ist  bemüht,  in  schwierigen 
Fallen  und  Verlegenheiten  ihnen  mit  Rath  und  That  zu  helfen.  Ihre 
Treue  wurde  durch  Legate  belohnt.  Um  so  schwerer  wurde  Untreue 
geahndet.  Die  Köchin  Karl  HynBberg's  wurde  wegen  Diebstahls  auf 
den  Katharinenthurm  gebracht,  und  weil  sie  nicht  gestehen  wollte, 
dreimal  an  einem  Tage  mit  einem  Stricke  in  die  Höhe  gezogen  und 
ihre  Glieder  auseinander  gerenkt.  Selbst  dem  harten  Sinne  der  Zeit 
musste  diese  Behandlung  anstossig  erscheinen.  Auf  die  Fürbitte 
zweier  Fürsten  und  dreier  Fürstinnen,  welche  auf  der  Reise  nach 
Aachen  durch  Frankfurt  kamen,  wird  sie  der  Stadt  verwiesen  108. 

Auch  baulicher  Veränderungen  gedenkt  Job  in  seinen  Tage- 
büchern. Im  Jahre  1494  wird  der  Befestigungathurm  bei  der  Mainzer- 
pforte bis  zum  Gct'ängniss  abgebrochen,  neu  aufgebaut  und  mit  weisser 
Farbe  angestrichen.  Auf  Peter  und  Paul  im  Jahre  1494  schlug  der 
Blitz  in  den  Bockenheimer  Thurm ,  schädigte  den  ThUrmcr  und 
dessen  Frau  und  verbrannte  das  Gebäude;  erst  1496  wurde  er  auf 
dem  alten  Fundamente  neu  autgeführt.  Im  April  1496  wurde  der 
Rosazoll  auf  dem  Rossmarkt  erbaut ;  da  Job  die  Lage  des  Hauses 
..uff  dem  Rossmarkt  uff  dem  Hircz graben1'  angiebt,  so  kann  es  noch 
nicht  das  spätere  sein,  welches  auf  dem  Grund  des  heutigen  Zeit- 


w«  S.  1*6.  Lersner  a.  a.  0.  687. 
»«  §.  204. 

•*  §.  147  vgl.  §.  117. 


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mann'schen  Hauses  neben  St.  Maternus  stand.  1496  errichtete  der 
Rath  die  Mehlwage  auf  der  Eschenheimer  Gasse  nahe  bei  der  Pforte 
und  führte  einen  neuen  Brunnen  auf  jener  auf,  wie  es  scheint,  den 
ersten  in  dieser  Gegend;  er  gab  dazu  nur  eine  Beisteuer,  das  übrige 
mussten  die  Nachbaren  zahlen.  Die  interessanteste  Mittheilung,  die 
wir  in  diesem  Punkte  erhalten,  ist  offenbar  die  folgende:  „Anno 
1495  im  Monat  Junii  oder  kurz  zuvor  hat  der  Rath  die  Krämen  von 
der  Weber  Kaufhaus  an  bis  hervor  an  das  Eck  der  BarfUsser  lassen 
von  neuem  anfangen  uffzuschlagen  und  dieselbige  Gasse  weiterge- 
macht und  zugegeben,  also  dass  sie  von  dens elbigen  Krämen  um 
fünf  Werkachuhe  weiter  ist,  denn  sie  vor  war  und  hat  man  zum 
ersten  feil  gehabt  in  denselbigcn  neuen  Krämen  in  der  Herbst- 
raess  Anno  95".  Wir  ersehen  daraus  ganz  bestimmt,  wann  und  auf 
welchen  Anlass  der  Name  dieser  Strasse  entstanden  ist.  Da  die  Öat- 
liche  Seite  derselben  mit  Häusern  verbaut  war,  so  haben  wir  diese 
offenbar  beweglichen  Krämen  auf  der  Westseite  längs  der  Kirch hof- 
mauer  der  Barfüsser  zu  suchen.  Diese  muss  darum  um  ein  bedeu- 
tendes hinter  der  Linie  der  Strasse,  welche  durch  das  Kaufhaus  der 
Weber  und  die  an  das  Braunfels  südlich  sich  anreihenden  Häuser 
bezeichnet  war,  zurückgetreten  sein.  Die  Krämen  standen  demnach 
an  der  Stelle  der  heutigen  Börse  109. 

Nach  diesen  Mittheilungen  über  die  allgemeinen  Lebensverhält- 
nisse der  alten  Reichsstadt  und  insbesondere  über  die  Sitten  und  das 
Treiben  der  höheren  Stände,  stellen  wir  noch  in  der  Kürze  zusam- 
men, was  Job  Rohrbach  über  sein  eigenes  Leben  darin  in  der  Hand- 
schrift niedergelegt  hat.  Ueber  den  Gang  seiner  Bildung  erfahren 
wir  leider  gar  nichts;  nur  dass  er  die  ersten  Elemente  derselben  in 
der  Stiftsschulc  zu  St.  Bartholomäi  empfangen  habe,  konnten  wir 
aus  einer  kurzen  Notiz  seines  Vaters  Bernhard  entnehmen.  Dass  er 
später  eine  Hochschule  besucht  habe,  wird  nicht  gesagt ;  vermuthen 
aber  dürfen  wir  es  aus  einer  Aufzeichnung,  welche  berichtet,  da&s 
sich  Elgin  Rohrbächerin  die  Ausbildung  ihrer  Söhne  durch  Schulen 
und  Reisen  nicht  geringe  Summen  kosten  liess.  „Im  Jahre  1495, 
sagt  er  nämlich  1,ü,  am  12.  Tag  des  Monats  August  schenkte  unsere 
Mutter  nach  dem  Mittagsmahle  meinem  Bruder  Bernhard  und  mir 
alle  Kosten,  welche  wir  in  fremden  Ländern  und  im  Studiren  aufge- 
wandt hatten,  und  ebenso  alle  Bücher,  und  zwar  mit  dem  Bedinge, 

i°»  Vrgl.  Bauten  und  Hänser  §.  156.  157.  154.  15b.  155. 
"0  §.  22. 


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das«  nach  Ihrem  Tode,  den  Gottes  Gnade  noch  lange  fern  halten 
möge,  diese  genannten  Ausgaben  und  Bücher  nicht  mit  in  die  Thei» 
long  fallen ,  sondern  vorweg  abgezogen ,  und  dann  erst  das  übrige 
Vermögen  zu  gleichen  Theilen  vertheilt  werden  solle.  Zu  grösserer 
Gültigkeit  hat  sie  diese  Schenkung  mit  eigener  Hand  in  das  Rechen- 
buch unseres  Vaters  eingeschrieben/4  Diese  Vermuthung  wird  noch 
durch  eine  andere  Notiz  bestätigt.  Er  bemerkt  nämlich  Ui,  bis  zur 
Zeit  der  männlichen  Reife  und  der  Gegenwart  ihrer  abwesenden 
Söhne  habe  Elgiu  Rohrbach  bei  der  von  ihrem  früh  verstorbenen 
Gatten  gestifteten  Procession  der  Minoriten  am  Exaudisonntage  zwei 
Männer  substituirt,  welche  den  das  Sacrament  tragenden  Priester  an 
ihrer  Statt  führen  sollten :  demgemäss  sei  er  zum  erstenmale  im 
Jahre  1494  in  die  Ausübung  dieses  Rechtes  eingetreten ,  was  uns 
wohl  zu  dem  gesicherten  Schlüsse  berechtigt,  dass  ihn  bis  dahin  nicht 
bloss  seine  Jugend  —  er  stand  im  Jahre  1494  im  25.  Lebensjahre  — 
sondern  auch  seine  Entfernung  von  der  Vaterstadt  daran  verhin- 
dert habe.  Von  jetzt  an  hat  er  hier  seinen  dauernden  Aufenthalt 
und  schwört  am  4.  Februar  1496  mit  Gilbrecht  Ilolzhausen  und  Hans 
Frand  den  Bürgereid 112.  Der  lateinischen  Sprache  war  Job  voll- 
kommen mächtig;  aber  jenes  verderbten  Ijateins,  wie  wir  es  etwa  in 
den  epistolis  obscurorum  virorum  nachgeahmt  finden;  von  dem  Wieder- 
«.Twachen  der  klassischen  Studieu  giebt  seine  Schreibart  kein  Zeugniss. 
Er  bildet  die  Casus  der  Wörter  der  zweiten  Declination  öfter  nach  der 
vierten;  er  gebraucht  den  indicativ,  wo  der  Conjunctiv  stehen  müsste; 
tein  Satzbau  entbehrt  die  gegliederte  Perioden  bildung,  ist  überhaupt 
mehr  deutsch  als  römisch.  Was  er  eigentlich  studirt  hat,  wird  nicht 
angedeutet:  aus  den  Rechtsgeschäften,  die  er  seiner  Mutter  besorgt, 
sollte  man  fast  schliessen,  dass  es  die  Jurisprudenz  gewesen  wäre. 
In  seinen  früheren  Aufzeichnungen  deutet  nichts  auf  die  Bestimmung 
zum  geistlichen  Stande  und  Berufe:  was  er  uns  erzählt,  spricht  für 
da«  Gegentheil.  Im  Jahre  1494  nach  Ostern  schenkt  ihm  Johann 
Kropp  im  Hause  des  Johann  von  Meiern,  wahrscheinlich  bei  einem 
fröhlichen  Gelage,  eine  halbe  Quart  Malvasier  mit  dem  Bedinge,  das* 
er,  sobald    er   sich    verheirathe ,    eine    ganze    Quart  dagegen 

111  §.  190  und  191.  Man  beachte  die  Ausdrücke :  „post  mortem  patris  us- 
qoe  ad  tempus  pubertatis  nostrae  et  praesentiae  mater  nostra  substituit 
ättos"  etc.  und  ,,sed  quia  post  obitum  patres  omnes  nos  aetate  ad  eatn  rem 
minores  eramus,  ac  etiam  cum  aetas  nos  ablitauit,  absentes  eranius 
ideoque  mater  nostra  Semper  duos  .  .  .  nomine  noatro  elegit"  etc. 

«"  i  12. 


-    88  - 


setze  113.  Am  19.  September  desselben  Jahres  erhält  er  von  seiner 
Mutter  einen  Brustharnisch,  nebst  einem  Koller;  eine  Armbrust  und 
eine  Eisenbrust11*  nebst  einigen  Pfeilen  und  einem  Instrument,  um 
die  Armbrust  zu  spannen:  wie  Elgin  Rohrbacherin  überhaupt  ihre 
Gaben  stets  mit  einer  gewissen  Feierlichkeit  vor  Zeugen  zu  über- 
reichen pflegte,  so  geschah  es  auch  hier  in  Gegenwart  seiner  Schwester 
Martha  und  Gilbert  Holzhausen's  <15.  In  demselben  Jahre  kaufte  er 
sich  einen  eisernen  Streitkolben,  den  er  „Fusthammer"  nennt  und 
ein  langes  Messer  mit  Scheide  116 ;  1495  wird  er  mit  einem  langen 
Degen  beschenkt  117 ;  1496  mit  einem  zweischneidigen  Degen  von 
mäBsiger  Länge  und  einem  weissen  gewundenen  Griff,  einer  Gabe 
des  Kanonikus  Ludwig  Truchsess  zu  Mainz  118.  Degen  pflegten 
übrigens  noch  im  sechzehnten  Jahrhundert  die  Kleriker  zu  tragen11'. 
Mit  besonderer  Vorliebe  verweilt  er  bei  der  Beschreibung  von  Klei- 
dungsstücken und  deren  Anschaffung  Er  erzählt  uns,  dass  sein 
Grossvater  Heinrich  von  Engel  Fröschen  am  14.  Mai  1466  eine  Horn 
fessel  für  145  Gulden  gekauft  und  für  ihre  Reparatur  sieben  Gulden 
gegeben,  und  dass  dieselbe  von  seiner  Mutter  an  seine  Schwester 
Martha  durch  Schenkung  übergegangen  sei  **.  Nach  Faust  von 
Aschaftenburg  war  dieser  Schmuck,  der  mit  einer  für  jene  Zeit  so 
ungeheuren  Summe  bezahlt  wurde,  eine  Borde  von  der  Breite  einer 
Hand,  aus  Sammt  oder  Guldenstücken  gemacht,  die  an  der  einen 
Schulter  befestigt,  sich  über  die  Brust  bis  unter  den  andern  Arm 
hinschlang:  sie  war  überdies  mit  Perlen  und  blumigen  Federn,  mit 
Silber  und  vergoldeten  Schellen  reichlich  besetzt  und  ihr  Schall  wurde 
darum  weithin  vernommen;  daher  sagte  ein  noch  im  sechzehnten 
Jahrhundert  gewöhnliches  Sprüchwort:  „Wo  die  Herren  sein,  da 
klingeln  die  Schellen'1  iai.  Auch  Job  liebte  eine  bunte  Kleidung.  Bald 

'»  §.  24. 

11  *  „Unter  das  Wams",  sagt  Klüber  a.  a.  0.  II.  luf>,  legte  man  noch  ein 
Bruststück  von  Eisenblech,  das  statt  eines  Kürasses  diente,  der  den  Körper 
undurchdringlich  machte.  Doch  hält  er  es  selbst  ftir  wahrscheinlicher ,  da*f> 
man  dieses  Bruststück  zwischen  das  Wams  und  den  Panier  gelegt  habe. 
Wahrscheinlich  ist  dieses  die  Eisenbrust  Job's  gewesen. 

•»  §.  43. 
§.  49. 

»"  §.  4. 

»••»  §.  54. 

Steitz:  Cnipius  Andronicus,  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  and 
Kunst.  Neue  Folge,  I,  195 
■»  §.  2. 

»»  Römer:  Wohlleben  der  Gesellsch.  Limburg  S.  26. 


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-  89 


erscheint  er  in  schwarz  gefärbtem  barchenten  Wams  und  rothen 
Hosen ,  bald  in  einem  neuen  leberfarbenen  Mantel,  mit  einem  neuen 
Gürtel  umgürtet  und  „einem  neuen  welsch  Säcklin"  behängt  Eine 
besondere  Mannigfaltigkeit  muss  er  in  seiner  Kopfbedeckung  gesucht 
haben,  er  erwähnt  schwarze,  rothe  und  blutrothe  Hute  und  Barrette 
in  allen  möglichen  Farben,  venetianische  und  andere.  In  jeder  Messe 
kauft  er  mehrere  beinerne  Kämme,  einmal  werden  ihm  deren  sechs 
zum  Geschenk  gemacht 1W.  In  der  Fastenmess  1495  schenkt  ihm 
seine  Base  Clara  ein  mit  Gold  und  einer  goldenen  wolkigen  Schnur 
gesticktes  Brusttuch,  seine  Base  Margaretha  ein  anderes  von  gelbem 
Sammt in.  Während  alle  diese  Anschaffungen  einen  unverkennbaren 
Zug  der  Eitelkeit  und  Prachtliebe  verrathen,  macht  es  dagegen  einen 
sehr  naiven  Eindruck,  wenn  er  vom  Jahre  1497  berichtet:  „am  10. 
April  hat  mir  min  liebe  Mutter  an  lassen  schneiden  zehn 
Ellen  schwarz  londisch  Tuch,  mit  Namen  fünf  Ellen  zu  einem  Kock 
und  4*/t  Ellen  zu  einem  Mantel  und  ein  halb  Elle  zu  einem  Zipfel,  uff 
dass,  ob.  Jemands  stürbe  von  unsern  Versippten  und  Verwandten 
(davor  Gott  woll  mit  Seligkeit  einen  jeden  lang  gefristen),  dass  ich 
fürters  nit  dort"  Kleider,  als  vor  oft  geschehen  ist,  entlehnen"  iU.  Bis 
zum  Jahre  1499  nimmt  er  an  dem  Treiben  auf  der  Trinkstube  un- 
befangen Antheil,  schiesst  er  auf  dem  Schiessplatze  und  lebt,  wie  ein 
anderer  junger  Mann  seines  Standes.  Als  am  1.  August  1496  Pfalz- 
graf Philipp  mit  sieben  Söhnen,  einer  Tochter  und  der  Tochter  des 
Herzogs  Georg  von  Bayern  eine  Zusammenkunft  im  deutschen  Herren- 
haus mit  seiner  Schwiegermutter,  dem  Herzog  Johann  von  Sachsen, 
dessen  Bruder,  dem  Bisehof  von  Magdeburg,  und  einigen  Fürstinnen 
veranstaltete,  wobei  mehrere  Tage  im  deutschen  Haus  und  im  Trier- 
sehen  Hof  festlich  geschmaust  und  getanzt  wurde,  hielt  Job  Rohr- 
bach mit  drei  andern  Bürgern  auf  Befehl  des  Käthes  eine  Nacht 
und  einen  Tag  auf  dem  jenseitigen  Brückenthurm  in  Waffen  die 
Ehrenwache 185.  Unter  seinen  Anschaffungen  werden  Bücher  selten 
erwähnt:  im  Jahre  1495  ein  formulare  advocatorum  und  ein  Gebct- 
büchlein  im  kleinsten  Format,  zum  Ersatz  für  ein  anderes,  das  der 
Haushund  „Fürst"  zerrissen  hatte  iU.  Erst  von  dem  Jahre  1497  an 
werden  Wörterbücher,  Predigten  des  Bruders  Robert  Charocholi  über 


■22  Vergl.  Anschaffungen  und  Geschenke  Job  Kohrbach's.  §.  41  flg. 
'»  §.  49. 

§.  58. 
'»  §.  117.  118. 
>"  §.  50. 


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-  90 


die  Sünden  und  die  Heiligen,  Schriften  über  die  Decretalien,  Gebet- 
bücher und  auch  ein  Mainzer  Brevier  aufgeführt i2T.    Von  jetzt  an 
gehen  auch  die  hellen  und  bunten  Farben  seiner  Kleidung  immer 
mehr  in  das  Dunkle  und  zuletzt  in  Schwarz  über  i2s.  In  dem  lebens- 
frohen Job  ist  eine  unverkennbare  Schwenkung  nach  dem  geistlichen 
Stande   eingetreten.     Diesen  Wendepunkt  scheint  gleichfalls  das 
Reichskammergericht  in  sein  Leben  gebracht  zu  haben.    Einer  der 
Procuratoren  desselben,  Dr.  Florentius  von  Veningen,  trat  in  sehr 
nahe  Beziehungen  zum  Kohrbach'schen  Hause  129 ;   an  ihn  schloss 
sich   vorzugsweise  Job  an ;  die    religiöse    Richtung   des  Mannes 
scheint  schon  dadurch  angedeutet,  dass  Job  auch  ihm  ein  Exemplar 
der  Sermonen  des  Robert  Charocholi  kauft  13°.    Nach  der  Verlegung- 
des  Gerichtshofes  nach  Worms  begleiteten  ihn  am  30.  Mai  1497 
Jakob  Neuhaus,  Bernhard  und  Job  Rohrbach  bis  Höchst  131 ;  aber 
schon  am  19.  Juni  begiebt  sich  der  letztere  zu  ihm  nach  Worms  <3* 
und  scheint  dort  ununterbrochen  bis  zum  29.  März  des  folgenden 
Jahres  geblieben  zu  sein.    Am  zweiten  Christtag  tritt  er  mit  ihm 
eine  zwölt'tütpge  Reise  nach  Speier  und  Landau  an,  wo  ihnen  überall 
von  den  Spitzen  der  geistlichen  und  weltlichen  Behörden  und  Andern 
Gastmähler  und  Schmausereien  veranstaltet  wurden.    Am  Tage  Jo- 
hannis des  Evangelisten  speisen  sie  mit  dem  ganzen  Klerus  der  Ka- 
thedrale von  Speier,    den  ganzen  Tag  der  unschuldigen  Kindlein 
verbringen  sie  schmausend  bei  dem  Bischof  an  dessen  Hofe  13S. 
Wir  werden  wohl  schwerlich  irren,  wenn  wir  annehmen,  dass  dieser 
dreivierteljährige  Aufenthalt  in  Worms  dazu  bestimmt  war,  ihm  die 
specielle  Appretur  zum  geistlichen  Stande  zu  geben.    Im  April  und 
Juni  1498  finden  wir  ihn  öfter  in  Mainz,  Wonnsund  Köln:  vielleicht 
suchte  er  irgend  ein  Pfründe  ,34. 

Bald  darauf  eröffnete  sich  ihm  eine  solche  am  Bartholomäusstifto. 
Als  am  19.  August  1498  der  Scholaster  und  Canonikus  Johannes 
Sommer  gestorben  war,  ernannte  am  folgenden  Tage  das  Capitel  den 
Canonikus  Eberhard  Becker  zum  Scholaster  und  Job  Rohrbach  ein- 

* 

§.  57.  60.  61. 
*»  §.  55  flg. 
■»  §.  28.  29. 
"°  §.  57. 

§.  58. 
'»  §.  31. 

§.  33.  34 

§.  35.  37. 


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<timmig  zum  Canonikus.  Nur  der  Decan  Johannes  Greifenstein  war 
seiner  Wahl  entgegen.  Ala  sich  Job  am  30.  August  im  Chore  im 
superpellicium ,  dem  weissen  bis  zu  den  Knieen  herabreichenden 
Obergewand  mit  offenen  Aermeln,  das  alle  Kleriker  tragen,  prasen- 
tirte,  und  dem  Decan  seine  Residenz  insinuirte,  damit  er  den  Tag 
anmerke,  antwortete  dieser :  Die  Insinuation  gelte ,  soweit  sie  kann 
valeat,  in  quantum  valere  potest) !  um  seinen  Vorbehalt  in  Beziehung 
auf  die  Rechtsgiltigkeit  der  Wahl  auszudrücken.  Als  demselben 
während  der  Vesper  Johannes  Ugelnheimer  im  Namen  des  neuen 
Canonikus  12  Albus  für  den  üblichen  Einstandswein  (den  vinum  ad- 
missionis)  überreichte,  versagte  er  die  Annahme :  „gebt  sie,  wem  ihr 
wollt;  ich  werde  diesen  nimmer  für  einen  Canonikus  halten/'  Hier- 
auf insinuirte  Job  seine  Residenz  dem  Scholaster  und  Cantor,  die  sie 
zu  notiren  versprachen.  Trotzdem  trug  er  bei  der  Procession  nach, 
der  Michaelskapeile  am  2.  September  das  Rauchfass  und  hielt  bei 
dem  Amte  die  Patene.  Am  Michaelstag  erschien  er  in  seinem 
figenen  superpellicium ;  am  3.  October  erhielt  er  die  niederen  Weihen 
in  der  Kirche  des  Predigerordens  ,35.  Dies  hielt  ihn  indessen  nicht 
ab,  mit  anderen  jungen  Freunden  am  29.  October  auf  die  Hochzeit 
des  Dr.  Johann  von  Glauburg  den  Pfeifer  zu  bringen  und  dort  zu 
tanzen 1S*  Fichard  fand  dies  so  auffallend ,  dass  er  in  seiner  Ge- 
schlechtergeschichte daraus  schloss,  Job  könne  damals  noch  nicht 
Canonikus  gewesen  sein;  allein  man  darf  das  Leben  des  Mittelalters 
nicht  nach  unserem  Maassstab  beurtheilen. 

Die  Residenz,  d.  h.  die  Pflicht  der  Kleriker,  sich  an  dem  Orte  ihres 
Amtes  persönlich  aufzuhalten,  erstreckte  sich  damals  meist  nur  auf  die 
ersten  sechs  Monate ;  erst  das  Concil  zu  Trient  hat  die  gelockerten  Bande 
der  Ordnung  wieder  straffer  angezogen  137.  Sechs  Monate  nach 
seinem  Eintritte  am  lö.  März  zeigte  daher  Job  dem  Kapitel  an,  dass 
seine  Residenzpflicht  vollständig  erfüllt  sei  und  erbat  sich  nach  dem 
Vorgange  Anderer  Dispensation.  Da  erhob  sich  der  Decan  und  er- 
klärte: er  wolle  bei  diesem  Acte  nicht  zugegen  sein,  nicht  aus  Un- 
moth  gegen  den  Petenten,  der  ihm  darum  nicht  zürnen  dürfe;  er 
möge  sein  Verlangen  von  denen  sich  gewähren  lassen,  die  ihn  prä- 


«»  §.  62. 

138  §.  257.  Fichard'B  Bemerkung  beweist  wiederum,  dass  er  unsere  Hand 
schrift  nicht  gekannt  hat. 

»'  Sess.  XXIV  de  reform.  o.  XII:  Kein  Kleriker,  Canoniker  oder  Priben- 
dar  soll  über  drei  Monate  von  Beiner  Kirche  entfernt  sein. 


-    92  - 


sentirt  hätten;  er  für  seine  Person  wolle  (ilr  jetzt  ihm  nicht  hinder- 
lich sein.   Damit  verliess  er  das  Capitel.    Die  übrigen  Capitularen 
und  der  Stadtpfarrer,  der  bekannte  Volksredner  Dr.  Conrad  Hetiael, 
erkliirten  hierauf  die  Residenzpflicht  ihres  neuen  Collegen  Mir  voll- 
ständig erledigt  und  gaben  ihm  Freiheit,  zu  gehen,  wohin  er  wolle 
Wir  ersehen  daraus,  dass  auch  die  Canoniker  des  Bartholomäusstiftes 
nach  den  Gewohnheitendesselben  nur  sechs  Monate  im  Jahre  verpflichtet 
waren,  hier  anwesend  zu  sein ;  nach  Ablauf  dieser  Zeit  konnton  sie 
ihren  Aufenthalt  wählen,  wo  sie  wollten,  und  auch  auswärts  die  Ein- 
künfte ihrer  Präbende  verzehren.     Ordentlicher  Weise   sollten  sie 
während  dieser  Zeit  keinen  Antheil  an  den  täglichen  Distributionen 
der  Präsenzen  haben     Es  war  daher  jedenfalls  rechtswidrig,  dass 
Cochläus,  der  nur  zwei  Jahre  Decan  am  Liebfrauenstifte  gewesen 
war,  als  ihm  der  Aufenthalt  in  der  Stadt  durch  seine  Angriffe  gegen 
Luther  verleidet  wude,  am  12.  December  1522  mit  Notar  und  Zeugen 
vor  dem  Capitel  erschien  und  nicht  nur  den  Fortbezug  seines  Decanatge- 
h altes  und  seiner  Präbende  als  Canoniker,  sondern  auch  der  täglichen 
Distributionen  verlangte,  „damit  er  anderswo  sicherer  leben  möcht". 
Das  Capitel  war  vollkommen  berechtigt,  gegen  diese  Forderung  zu  pro- 
testiren  139.  Am  30.  März  1499,  am  Samstag  vor  Ostern,  erhielt  Job  die 
Subdiakonats weihe  in  der  Kathedrale  zu  Mainz  und  las  in  Gegenwart  des 
Erzbisehofs  Berthold  die  Epistel  beim  Hochamt      Jetzt  erst  stimmte 
der  Decan  Greifenstein  seiner  Zulassung  zum  Capitel  zu  und  instal- 
lirte  ihn  am  5  Mai ,41.    Sein  bisheriger  Widerstand  kann  sich  daher 
nur  auf  die  herkömmliche  Anschauung  gestützt  haben,  dass  ein  Laie 
nicht  Mitglied  des  Capitels  sein  dürfe,  und  dass  mindestens  der  SSub- 
diakonat  Bedingung  zur  rechtsgiltigen  Aufnahme  in  dasselbe  sei  14>. 
Die  zwölf  Canonikate  des  Bartholomäusstil  ick  waren  nach  den  Namen 
der  Apostel  benannt;  Job  erhielt,  wie  er  selbst  sagt,  den  Cauonikat 
des   Johannes  (es  ist  demnach   ein  Irrthum,    wenn   ihn  Fichard 
Wetteravia  132 ,  als  Canonikus  des  Jakobus  Zebedäi  aufführt) ;  am 
27.  December  1499,  dem  Tag  Johannes  des  Evangelisten,  an  welchem 

§•  63. 

«»  M.  S.  Königatein  auf  dem  Stadtarchiv  zu  dem  12.  Dec.  1522.    In  dem 
Auazuge  der  Uffenbachiachen  Manuscripte  auf  der  Stadtbibliothek  p.  80. 
«•  §.  64. 
'♦«  §.  65. 

»*»  Dies  wurde  auch  durch  das  Tridentinum  a  a  0.  bestätigt:  Neminem 
etiam  deineeps  ad  digoitatem,  canonicatum  aut  portionem  reeipiant,  nisl  qui 
eo  ordine  aacro  .  .  .  ait  initiatus,  quem  illa  dignitas,  aut  canoni 
catus  aut  portio  requirit. 


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er  vor  dreissig  Jahren  geboren  war,  trug  er  zum  ersten  Male  das 
Almosen  vom  Chore  aus  und  erwies  sich  an  diesem  Tage  als  Cano- 
nikus  dieses  Apostels ui.  Freilich  verknüpfte  sich  damit  nicht  sofort 
der  Entschluss,  auch  von  nun  an  sich  einer  apostolischen  Lebensweise 
zu  befleissigen :  er  lässt  sicli  noch  im  Jahre  1500  von  Frauen  Kränze 
aufsetzen,  veranstaltet  ihnen  ein  Abendessen  und  setzt  den  Kranz 
wieder  einer  anderen  auf. 

So  nahte  für  ihn  die  Zeit  der  letzten  Weihen  :  am  letzten  Februar 
1501,  am  Sonntage  Invocavit,  schenkte  ihm  nach  dem  Mittagsmahle 
»eine  Mutter  von  freien  Stücken,  ohne  Jemand*  Angehen  oder  Drin- 
gen, mit  berathem  Muthe  ein  grosses  Messbuch  in  rothem  Leder  ge- 
bunden und  geschmückt  mit  Feldern,  in  welchen  die  Wappen  seiner 
Ahnen  väterlicher  Linie  sich  befanden,  dessgleichen  eine  Casula  d.  h. 
ein  Messgewand  von  rothem  geblümtem  Sammt,  eine  Alba,  Stola, 
Humerale,  Manipulus  und  Cingulum  (es  sind  dies  die  leinenen  Ge- 
wänder, das  Schweisstuch  und  der  Gürtel,  welche  dem  Priester  unter 
Angabe  der  symbolischen  Bedeutung  bei  der  Weihe  gereicht  werden, 
und  die  er  in  der  Messe  trägt).  Diese  Schenkung  geschah  in  Gegen- 
wart der  Agnes,  der  Köchin  des  Hauses.  Unmittelbar  darauf  fügte 
Elgin  ein  kleines,  älteres  Messbuch  bei.  Nach  der  Vesper  setzte  sie 
ihren  älteren  Sohn  Bernhard  von  der  Schenkung  in  KenntnisB  und 
verehrte  ihm,  um  ihn  nicht  zu  verkürzeu,  zwei  wahrscheinlich  künst- 
lich gearbeitete  Kasten.  Am  Abend  fand  ein  Familienessen  im  Hause 
Bernhards  statt,  bei  welchem  die  Mutter  öffentlich  ihre  Schenkung 
bekräftigte  **♦. 

Noch  besitzt  unsere  Stadtbibliothek  das  Missale,  welches  Elgin 
Rohrbach  ihrem  Sohne  Job  geschenkt  hat.  Es  ist  schön  auf  Perga- 
ment geschrieben,  hat  gemalte  Initialen  und  323  Blätter  in  Folio. 
Es  befindet  sich  noch  in  der  Mitte  des  hinteren  Deckels  ein  Erzschild 
mit  dem  Rohrbachischen  Wappen  in  Relief:  zwei  Hände,  welche  die 
Glieder  einer  Kette  von  beiden  Seiten  her  umfasst  halten.  Vier 
Erzschilder  in  den  Ecken  tragen  je  zwei  in  der  Diagonale  von  der 
rechten  oberen  nach  der  linken  unteren  Ecke  das  Rohrbachische,  die 
beiden  anderen  das  Werstadtische  Wappen  (im  mittleren  Querbalken 
drei  Dreiecke,  im  oberen  Felde  zwei  aufrecht  stehende  Linien,  jede 
oben  nach  rechts,  unten  nach  links  mit  einer  kürzereu  Linie  im 
spitzen  Winkel  verbunden,  dieselbe  Figur  einmal  im  unteren  Felde). 


«♦J  8.  65. 
§.  66. 


-    94  — 


Auf  der  vorderen  Decke  Bind  die  kleinen  Eckschilder  dieselben,  da 
gegen  fehlt  das  grosse  Mittelschild,  welches  wahrscheinlich  das  Wer 
stadtische  Wappen  darstellte.  Entweder  hatte  Heinrich  Rohrbach 
der  Aeltere ,  Bernhards  Vater,  der  Gatte  Gudegins  von  Wer- 
stadt,  dasselbe  abschreiben  lassen,  oder  war  es  eine  Gabe  seines 
kunstliebenden  Schwiegervaters  Ulrich  von  Werstadt,  der  es  ftir  das 
junge  Ehepaar  bestimmt  hatte.  Am  14.  März  1465  schenkte  es 
Heinrich  Rohrbach  seinem  damals  neunzehn  Jahre  alten  ältesten 
Sohne  Bernhard  vor  zwei  Zeugen.  Die  Schenkungsurkunde  ist  Blatt 
321  eingetragen  und  lautet  also  : 

„Ich  Heinrich  rorbach  der  elter,  scheffen  zu  franckfurt,  be- 
nennen mit  dieser  myner  eygen  bantschrifft,  daz  ich  dies 
..myn  missale  von  eygem  willen  gegeben  han  mym  soue 
,,bernhart  rorbach,  vnd  han  zu  gezugenys  gebetten  die  ersa 
„men  heru  niclas  masel  hart,  vicarium  zu  sant  bartholomeus, 
,.vnd  petrum  storczisen,  bacularium,  myn  schriber,  daz  sie 
„hervnder  auch  in  hantschrift  geschriben  han  anno  domini 
„1465  ady  *«*  14  marcij/' 

„Et  ego  nicolaus  maselhart  de  omstat,  vicarius  ecclesie 
sancti  Bartholomei  protestor  propria  manu  ex  expeticione 
Domicelli  mei  iUf  heinrici  Horbachs 8enioris,scabini  francken- 
fordensis,  superioribus  scriptis  sie  peractis  pro  vero  interftüsse 
testimonio 

„Et  ego  petrus  storczisen  superdictus  similiter  protestor 
manu  propria  me  expeticione  domicelli  mei  henrici  Hor- 
bachs senioris  et  scabiui  frauckfurdensis  superioribus  scriptis 
sie  peractis  pro  vero  interfuisse  testimonio." 
Folio  113i»  ist  das  Rohrbachische  und  Holzhausen'sche  Wappen  ein- 
gemalt, was  erst  nach  dieser  Schenkung,  nachdem  Bernhard  im  Sep- 


Ady  hier  u.  Bernh.  Familienchronik  §.  88.  90.  92  ebenso  in  Bernhards 
italiänischer  Notiz  bei  Job  §.  7.  ist  aas  dem  Italifinischen :  a'  di  oder  addi  —  in 
giorno  entlehnt  und  dient  zur  Bezeichnung  desMonatsdatums:  am  Tage  des  u.s.  w. 

•♦s  Schwieriger  ist  hier  der  Gebrauch  von  domicellus  zu  erklären,  weil  da 
durch  der  altere  Heinrich  Rohrbach  nicht  als  Rathsglied  der  2.  Bank  bezeichnet 
sein  kann,  denn  er  war  bereits  Schöffe;  noch  als  junger  Mann  von  vornehmer 
Geburt  (entsprechend  dem  deutschen  Junker),  denn  er  war  bereits  55  Jahre 
alt.  Wahrscheinlich  bedeutet  es  hier  nur  den  angesehenen  einflussreichen  Mann 
Uberhaupt  und  in  der  Verbindung  domicellus  mens  speciell  den  Gönner.  Auf 
solche  Bezeichnungen  zumeist  bat  Ficbard  seine  hochgespannte  Anschauung  von 
der  Abkunft  und  dem  Range  der  Limburger  im  Mittelalter  basirt,  und  doch  ist 
domicellus  ein  so  weitschichtiges  und  vieldeutiges  Wort,  dasa  es  sogar  den  Be- 
griff eines  vornehmeren  Dieners  ausdrücken  kann.   Vergl.  Du  Cange  s.  v. 


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I 


-    95  - 

tember  1466  seine  Ehe  mit  Elgin  Holzhausen  vollzogen  hatte,  ge- 
schehen sein  kann. 

Wir  kehren  zu  Job  zurück  und  begleiten  ihn  weiter  auf  seiner 
priesterlichen  Laufbahn.  Am  6.  März  1501,  am  Samstag  nach  Ascher- 
mittwoch, wurde  er  in  der  Carmeliterkirche  zu  Mainz  zum  Dia- 
konus geweiht,  las  darauf  das  Evangelium  und  ministrirte  dem  Weih  • 
bischofe  beim  Hochamte  ,l7.  Da  er  am  6.  Juni  desselben  Jahres,  am 
Dreifaltigkeitsfeste  in  der  Bartholomäuskirche  seine  erste  Messe 
{Primiz)  sang,  so  muss  er  vorher  auch  die  Priesterweihe  empfangen 
haben,  deren  Ertheilung  er  nicht  angemerkt  hat lW. 

Wir  lesen  von  vielen  hiesigen  Patriciersöhnen,  dass  sie  Canon i- 
kate,  Cantorien,  Scholasterien  und  Decanate  149  an  den  hiesigen  Stif- 
tern erlangten ;  nicht  selten  bekleideten  sie  mehrere  dieser  Aemter 
gleichzeitig  an  zwei  hiesigen  Stiften,  oder  hier  und  in  Mainz.  So 
wurde  Johann  vom  Rhein  im  Jahre  1499  Decan  von  St.  Leonhard 
and  hielt  am  13.  October  seine  Primiz  an  dieser  Stiftskirche,  zu  der 
auch  Job  eingeladen  war154;  da  Primiz  stets  die  erste  Messe  bezeich- 
net, so  ersehen  wir,  dass  er  die  Priesterweihe  sich  erst  nach  seiner 
Wahl  zum  Decan  geben  Hess,  wesshalb  auch  sein  Name  in  dem 
grossen  Verzeichnisse  von  Canonikem  zu  St  Leonhard  bei  Lersner 
(II,  II,  185)  vor  dem  Jahre  1499  nicht  vorkommt.  Mit  seinem  De- 
canate verbindet  er  in  den  Jahren  1503  bis  1509  ein  Canonikat  an 
dem  Bartholomäusstifte.  So  lesen  wir  von  Nikiaue  Hücker,  dass  er 
nicht  nur  im v Jahre  1512  Canonikus  am  hiesigen  Bartholomäusstifte 
geworden,  sondern  gleichzeitig  Decan  des  Stiftes  der  heiligen  Petrus 
and  Alexander  zu  Aschaffenburg  gewesen  ist,  und  doch  war  er  nicht 
einmal  Priester,  denn  im  Jahre  1514  resignirte  er  zu  Gunsten  seines 
Bruders  Philipp  und  entsagte  noch  vor  der  Priesterweihe  dem  geist- 
lichen Stande.  Umgekehrt  trat  Johann  von  Rückingen  erst  als  Witt- 
wer  in  den  geistlichen  Stand  und  erhielt  1503  den  ceremoniellen 


§.  67. 
>»*  §.  69. 

•*»  Den  hiesigen  Stiftern  stand  der  Probst  zu  St.  Bartbolomäi  vor,  der  als 
ArchidiaconuB  des  Niedgans,  zu  welchem  Frankfurt  gehörte,  seine  Resideuz  zu 
Mainz  hatte.  Unmittelbar  wurde  jedes  Stift  durch  seinen  Decan  geleitet ;  unter 
diesen  standen  zunächst  der  Scholas ter  oder  Scbolasticus ,  dem  die  Pflege 
der  kirchlichen  Wissenschaft,  und  derC^ntor,  dem  die  des  kirchlichen  Ge- 
sanges oblag.  Diese  vier  waren  die  Prälaten  des  Stiftes ,  das  zwölf  Canoniker 
«od  eine  grosse  Anzahl  von  Vicaren  hatte,  üeber  andere  Aemter  vergl.  man 
Helfenstein,  Entwicklung  des  Schulwesens  in  Fraukfurt. 

'M  §.  208. 


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-    96  - 


Besitz  derCantorie  zu  St.  Bartholoraäi  m.  Diese  Züge  deuten  darauf 
hin;  dass  die  geistlichen  Pfründen  von  hiesigen  Patriciern  als  Sine- 
kuren betrachtet  wurden,  in  deren  Besitze  wohl  die  Meisten,  wie  es 
Job  Rohrbach  that,  das  heitere  genussreiche  Leben  ihrer  Standesge- 
nossen in  allen  Züchten  fortsetzten,  die  Trinkstuben  besuchten  und 
mit  den  Frauen  ehrbaren  Scherz  und  Kurzweil  trieben.  Trotzdem 
war  Job  gewiss  im  Sinne  seiner  Zeit  ein  guter  katholischer  Christ; 
führte  mit  andächtiger  Devotion  den  das  Sacrament  tragenden  Priester 
am  Exaudisonntage  und  besuchte  mit  seiner  Mutter  das  heilige  Kreuz 
vor  den  Mauern  von  Mainz,  um  ihm  seine  Verehrung  zu  erweisen  15Ä. 

Wir  wenden  uns  zu  den  übrigen  Gliedern  des  Geschlechtes. 
Noch  Mancher  derselben  ward  in  den  Rath  gewählt  und  hat 
dem  Gemeinwesen  nach  dem  Vorbilde  der  Vorfahren  gedient.  Es 
war  zunächst  Karl  Hynsberg  vorbehalten,  den  Glanz  dieser 
Stellung  und  ihres  Einflusses  über  die  Familie  seiner  Frau 
zu  verbreiten.  Schon  vor  seiner  Verehelich ung  mit  Martha  Rohr- 
bach war  er  1487  Rathsglied  und  1492  Schöffe  geworden. 
Am  ersten  Mai  1498  wurde  er  als  solcher  zum  älteren,  Michael 
Schwarzenberger  als  domiccllus  zum  jüngeren  Bürgermeister  gewählt. 
Sein  Amtsjahr  ist  durch  ein  für  Frankfurt  sehr  wichtiges  und  ein- 
greifendes Ereigniss  merkwürdig  geworden,  als  dessen  Urheber  die 
öffentliche  Meinung  ihn  damals  bezeichnete.  Da  Job  aus  nahe  lie- 
genden Gründen  darüber  schweigt,  ho  müssen  wir  unsere  Nachrich- 
ten aus  einer  anderen  Quelle,  dem  mehrfach  erwähnten  Schurgischen 
ManuBcripte,  schöpfen.  Die  zweite  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  ist 
unheilvoll  für  die  Juden  in  Deutschland  gewesen  ;  nicht  bloss  der 
Clerus  und  das  Volk,  sondern  zum  Theil  auch  die  Magistrate  und  die 
Fürsten  nahmen  wider  sie  Parthei  und  vereinigten  sich  zu  ihrer 
Unterdrückung :  fanatische  Prediger  wie  der  bekannte  Minoritenpater 
•Johannes  von  Capistrano  gössen  das  Oel  ihrer  wilden  Beredsamkeit 
in  diese  Flammen.  In  Breslau  wurden  die  Juden  1453  eingekerkert, 
gefoltert,  ihrer  Güter  beraubt  und  nach  blutigen  Hinrichtungen  Ein- 
zelner in  Masse  der  Stadt  verwiesen,  weil  man  sie  beschuldigte,  ge- 
stohlene Hostien  gekauft  und  an  ihnen  durch  Stiche  und  Ruthen- 
streiche ihren  Haas  gegen  Christum  gekühlt  zu  haben,  andere  schle- 
sische  Städte  folgten  diesem  Vorgange,  dem  König  Ladislaus  seibat 


•5'  Fichard  Wetteravia  S.  134.  110.  Philipp  Hell  gen.  Pfeffer,  der  Sohn  des 
Mainzer  Kanzlers  vereinigte  in  »ich  die  Stellen  eines  Canonikns  zn  St.  Barthoio 
maus  und  eines  Pr&bendarius  zu  Aschaffenburg  §.  205  n.  207. 

im  §.  80. 


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-    97  - 


seine  Billigung  schenkte,  1453  setzte  ihnen  Bischof  Gottfried  von 
Würzburg  Frist,  binnen  deren  sie  sein  Stift  geräumt  haben  müssten : 
1484  vertrieb  Hans  von  Glogau  die  Juden  seiner  Stadt,  weil  er  in 
ihnen  „einen  Schaden  des  gemeinen  Nutzens  und  ein  Verderbniss 
armer  Leute"  erblickte  1M.  Dieses  Beispiel  ging  fllr  Nürnberg  nicht 
verloren.  Auf  Ansuchen  des  Rathes  gebot  am  5.  Juli  1498  König 
Maximilian  1.  den  dortigen  Juden  auf  Zeit  und  Ziel,  die  ihnen  der 
Rath  setzen  werde,  mit  ihrer  fahrenden  Habe  aus  der  Stadt  zu  ziehen ; 
dem  Schultheise  aber  befahl  er  Häuser,  Synagoge  und  liegende 
Guter  der  Juden,  so  wie  ihren  Leichenhof,  ab  königliche  Gilter  in 
seinem  Namen  einzuziehen.  Motivirt  wird  diese  Massregel  in  einem 
Schreiben  an  den  Rath  damit,  „weil  die  Judenschaft  Uber  die  Anzahl,  auf 
welche  die  Stadt  gefreit  worden  sei,  sich  bedeutend  vermehrt,  weil  die 
Bürger  durch  deren  wucherliche  Händel  und  betrügliche  Vcrsehreibun- 
gen  in  Schulden  gerathen  seien,  und  wenn  hierin  keine  Acnderung 
eintrete,  noch  mehr  herabkommen  würden,  endlich  weil  mehrere 
Personen  in  ihrer  Bosheit  von  den  Juden  bestärkt  und  dadurch  Dieb- 
stähle und  andere  böse  Händel  veranlasst  worden  Beien"  164.  Mögen 
auch  die  Juden  allerdings  durch  ungeheure  Wucherziusen  eine  Plage 
für  den  bedrängten  Bürger  geworden  sein  und  augenblickliche  Ver- 
legenheiten nur  allzuoft  zu  seinem  völligen  Ruin  benutzt  haben  — 
mit  ihrer  Austreibung  musste  sich  zugleich  ein  Quell  rascher  Hülf- 
leistung verschliessen,  der  sonst  offen  stand.  Um  daher  dem  armen 
Handwerksmann  die  Möglichkeit  zu  sichern,  gegen  billigen  Zins  auf 
Pfand,  Bürgschaft  und  Versicherung  jeder  Zeit  Darlehen  zu  erhalten, 
privilegirte  Maximilian  die  Stadt  Nürnberg  zur  Errichtung  von 
Wechselbänken  iSb.  lu  demselben  Jahre  erfolgte  die  Austreibung  aus 
der  Reichsstadt  Nördlingen.  Als  Thatsache  wird  nun  berichtet,  dass 
die  Reicheren  dieser  aus  Nürnberg  Vertriebenen  sich  1498  nach  Frank- 
furt wandten,  dass  sogar  die  grosse  Synagoge  für  Deutschland,  deren 
Sitz  früher  Nürnberg  war,  hierher  verlegt  und  dass  die  Zahl  der 
Juden  in  hiesiger  Stadt  gegen  früher  ungemein  vermehrt  wurde.  Der 
Clerus  und  die  Bürger  aber,  welche  diesen  Zuwachs  bei  der  vorhan- 
denen Abneigung  nur  mit  Missgunst  wahrnahmen,  wollten  sogar 


l»  Vcrgl.  die  interessante  Schrift:  Schlesische  Urkunden  zur  Geschichte 
der  Juden  im  Mittelalter  von  Dr.  L.  Oelsner.  Wien  1864.  S.  35  flg.  In  Be- 
treff Würzburgs  auch  Wiener,  Kegesten  zur  Geschichte  der  Juden  in  Deutschi, 
während  des  Mittelalters.  1862.   S.  201. 

»»♦  Wiener  a.  a.  0.  3.  208. 

i"  Wiener  ebenda«.  Oelsner  S.  9. 

7 


-    98  — 


wissen,  dass  angesehene  Senat. nglieder  nach  ihnen  Boten  gesandt  und 
sie  förmlich  zur  UeberBiedlung  nach  Frankfurt  aufgefordert,  ja  man 
bezichtigte  geradezu  den  jüngeren  Bürgermeister  Karl  Hynsberg,  das« 
er  unter  Begünstigung  und  Beistand  von  Seiten  des  Hans  vom  Rheine, 
eines  der  ältesten  Schöffen,  dies  heimlich  in  das  Werk  gesetzt  habe. 
Diese  Anklagen  des  Volksmundes  müssen  doch  mehr  als  blosses 
Gerücht  gewesen  sein :  wenigstens  trat  der  Stadtpfarrer  Dr.  Conrad 
Honsel  öffentlich  gegen  die  beiden  Schöffen  auf  und  strafte  sie  von 
der  Kanzel  mit  einer  donnernden  Philippica;  er  wurde  deshalb  von 
ihnen  bei  dem  Kapitel  belangt,  wahrscheinlich  ohne  Erfolg  16€. 


»6  M.  S.  Schurg  p.  233  seq. :  „Anno  1498  favore  et  licentia  Maximilian! 
regia  Romanorum  Norimbergenses  expulerunt  Judaeos,  ex  his  ditiores  Judaei, 
ibidem  expulsi,  venernnt  Francofnrtum  et  Francofurti  facta  est  depost  maior 
Synagoga  in  tota  Alemannia,  quae  prins  fnit  Norimbergae.  Collegerunt  sie 
Francofurtum plures  Judaeos,  quam  prius habuerunt,  dicebatur,  quod  majores 
ex  senat u  Francofurtensi  misissent  nuncios  ad  Judaeos  expulsos  veniendi  ad  se. 
Nota:  Consules  tum  temporis  Francofurti  fuerunt  Carolus  Hinßbergk  et  Michael 
Schwartzenberger.  Dicebatur,  quod  dictus  Carolus  Hinßbergk  boc  subordi- 
naverit  cum  favore  et  adiutorio  D.  Joannis  vom  Rhein  senioris,  Scabini.  Nota 
bene:  Plebanus  dominus  doctor  Conrad  Hensel  concionatus  fuit  publice  contra 
praedictos  duos,  videlicet  Joannem  vom  Rhein  et  Carolum,  quare  conquereban- 
tur  coram  Capitulo.  Eodem  anno  ex  ci  vi  täte  Nortlingcnsi  expulsi  sunt."  Es 
ist  demnach  unrichtig,  wenn  Kirchner  I,  453  meint,  neben  Karl  von  Hinsberg 
sei  der  älteste  Schöffe  Schwarzenberger  Urheber  des  Planes  gewesen.  Michael 
Schwarzenberger  war  damals  überdies  nicht  Schöffe,  sondern  domicellns ,  sonst 
hätte  er  nicht  jüngerer  Bürgermeister  sein  können,  üeber  Conrad  Hensel1« 
Tod  bat  das  M.  S. Schurg  S.  198  die  Notiz:  „Anno  1505  quarta ante dominicam 
Palmarum  vitam  cum  morte  commutavit  dominus  Conradus  Hensel  de  Cassel  in 
Hassia,  sacrae  Theologiae  Doctor  et  parochus  ecclesiae  S.  Bartholomaei." 
Leisner  sagt  von  ihm  II,  A.  205:  „Da  er  verlangte,  man  sollte  ihm  alle  Glocken 
läuten,  giebt  er  gegen  Abend  unter  dem  Läuten  seinen  Geist  auf;'  er  ist  ein 
rechter  Prophet  seines  Vaterlandes  gewesen  und  hat  viele  bevorstehende  Ge- 
fahren geweissagt,  mit  ihm  sind  alle  Zünfte  zur  Leiche  gegangen,  so  sonsten 
niemals  geschehen."  Seit  dem  Anfange  des  vorigen  Jahrhunderts  ist  Conrad 
Hensel  unter  die  Vorläufer  der  Reformation  gerechnet  worden.  Namentlich 
weiss  es  der  Pfarrer  Diefenbach  dahier  in  seinem  „bekehrten  Juden"  S.  117.  Anm. 
zu  rühmen ,  er  habe  mit  seinen  christeifrigen  Predigten  die  Gemüther  in  Frank- 
furt zur  nachmaligen  willigen  Aufnahme  des  Evangeliums  disponirt  und  er- 
bietet sich  dafür  den  urkundlichen  Beweis  beizubringen.  Diese  Urkunden  sind 
ohne  Zweifel  die  Aufzeichnungen  des  Decan  zu  St.  Bartholomaei  Job.  Latomus, 
welcher  selbst  von  glaubwürdigen  Leuten  gehört  haben  will,  Conrad  Hensel 
habe  viel  Widriges,  was  hiesiger  Stadt  und  der  Pfaffheit  begegnen  würde, 
vorausgesagt.  In  welchem  Sinne  er  dies  getban,  ersieht  man  aus  den  Aensse- 
rungen,  die  ihm  Latomus  in  den  Mund  legt:  „von  dem  Stuhle,  auf  welchem  ich 
jetzt  stehe,  werden  Ketzer  predigen,  hier,  hier  werden  sie  stehen  in  grauen 
Röcken,  glaubet  ihnen  nicht!"  (vergl.  Ritter  ev.  Denkmal  p.  14).  Abge- 


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-    99  - 


Nach  Ablauf  seines  Amtsjahres  unternahm  Karl  Honsberg  in 
städtischen  Geschäften  am  3.  Mai  1499  eine  Reise  nach  der  schwär 
bigchen  Reichsstadt  Ueberlingen  am  Bodensee.  Mehrere  seiner  Ver- 
wandten und  Freunde,  unter  ihnen  Job,  gaben  ihm  zu  Pferde  das 
Geleite  bis  zum  Hirscbsprung.  Die  Frauen,  nämlich  seine  Mutter 
und  seine  Gattin,  Elgin  Rohrbach  und  Michael  Schwarzenberger's 
Ehefrau  geleiteten  ihn  im  Wagen  «T.  Ueberhaupt  bildete  der  Hirsch- 
sprung,  der  im  Walde  durch  zwei  Steinsäulen  bezeichnet  war,  die 
Grenze,  bis  zu  welcher  man  die  nach  Süden  Reisenden  geleitete: 
hier  hatten  auch  drei  Jahre  früher  Karl  Hynsberg,  Gilbrecht  Holz- 
hausen und  Job  von  Bernhard  Rohrbach,  als  dieser  seine  zweite 
Romfahrt  antrat,  Abschied  genommen  1M. 

Im  folgenden  Jahre  wurde  Karl  Hynsberg  durch  den  am  16. 
December  1500  erfolgten  Tod  seiner  Mutter  Guttgin  Heringen  Erbe 
des  Fürstenecks  und  wurde  nun  nach  der  Sitte  der  Zeit  „Karl  Hyns- 
berg zum  Ftirsteneck0  genannt.  Charakteristisch  ist,  dass  Job  be- 
merkt, sie  habe  zwei  Söhne  Wigand  und  Karl  hinterlassen 1M,  während 
er  doch  selbst 1W  noch  einen  dritten  Sohn  Johann  aufiuhrt,  der  nach 
Fichard  erst  1504  gestorben  ist.  Der  Grund  liegt  darin,  dass  dieser  in 
Wahnsinn  verfallen  war.  Job  erzählt1«1:  „Im  Jahre  1497  am  5.  März, 
dem  Sonntag  Lätare  erhielt  Johann  Hynsberg  nach  einem  Zank  und 
Ungebührlichkeiten,  die  er  im  Hause  sich  erlaubt  hatte,  zu  Hause 
nrit  vollem  Rechte  Ohrfeigen,  hierauf  wurde  er  nach  der  Vesper  auf 
dem  Markt  vor  dem  Römer  ergriffen  und  öffentlich  durch  die  Diener 
des  Rathes  in  das  Gefängniss  zum  heiligen  Geistfhospitale]  gebracht 
Am  sechsten  Mai  desselben  Jahres  wurde  er  aus  dem  Gefängniss  be- 
freit und  entlassen.  Hierauf  wird  er  im  Januar  des  folgenden  Jahres 
wieder  im  Gefängniss  eingesperrt,  worin  er  noch  jetzt  sitzt".  Diese 



sehen  davon,  dass  Joh.  Latomus,  der  von  1551  hier  Costos,  von  1561— 98  Dechant 
war,  doch  den  Ereignissen  zn  ferne  stand,  als  daas  er  aus  mündlicher  Ueber- 
lieferung  mehr  als  Sagen  berichten  konnte,  so  bewebt  auch  das,  was  er  mit- 
t heilt,  mehr  gegen,  als  für  den  reformatorischen  Sinn  Conrad  Honsels,  und  be- 
zeugt, dass  er  die  grosse  kirchliche  Umwälzung  des  XVI.  Jahrhunderts,  wenn 
er  sie  erlebt  hätte,  mehr  für  ein  Unheil ,  als  für  ein  Glück ,  gehalten  haben 
wurde. 

«»  §.  84. 
,w  §.  8. 
i»  §.  86. 
««•  §.  80. 
'««  S.  85. 

7* 


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—    100    —  * 

Darstellung  macht  den  Eindruck,  als  ob, der  Wahnsfynsanfall  am 
5.  März  1497  der  erste  gewesen  sei ;  es  scheint  daher  auf  einem  Irr- 
thum zu  beruhen,  wenn  Fichard  in  der  Geschlechtergeschichte1'2  dieses 
Ereigniss  schon  in  den  Anfang  der  80er  Jahre  und  die  Erledigung 
Johann  Hynsberg's  aus  dem  Kerker  in  das  Jahr  1488  verlegt.  Mit 
Jobs  Bericht  stimmt  auch,  dass  nach  Fichard  1498  Guttgin  Hynsberg 
ihren  geisteskranken  Sohn  in  das  Hospital  zum  heiligen  Geist  ein- 
kaufte und  dass  ihm  Vormünder  gesetzt  wurden.  Er  war  nun  für 
die  Welt  und  seine  Familie  bereits  lebend  abgestorben. 

Im  Jahre  1501  am  14.  Januar  Abends  nach  vier  Uhr  gab  Job 
Rohrbach  seinen  älteren  Bruder  Bernhard  (dieser  war  damals  vier- 
unddreissig  Jahre  alt)  und  Ursula,  die  Tochter  Johannes  von  Moln- 
heim  oder  Meiern,  die  nachgelassene  Wittwe  Walther  Schwarzen- 
bergs, im  Hause  der  Braut,  es  hiess  Eisfeld  (Buchgasse  J.  204),  und 
im  Kreise  der  beiderseitigen  Verwandten  ehelich  zusammen.  An 
demselben  Tage  waren  die  Urkunden  der  Ausstattung,  die  instru- 
menta dotaüa,  besiegelt  worden.  Am  6.  Februar  fand  die  kirchliche 
Bestätigung  der  Ehe,  am  10.  Februar  das  Beilager,  am  11.  die  Hoch- 
zeit statt.  Sein  Bruder  Conrad  weilte  noch  seit  der  Rückkehr  aus 
Italien  in  den  Niederlanden,  in  Antwerpen  ,63. 

Es  war  der  letzte  Freudenschimmer,  der  um  diese  Zeit  über  dem 
Wixhauser  Hofe  aufging.  Am  19.  December,  am  vierten  Advents- 
sonntage des  Jahres  1500  verschied  Elgin  Rohrbächerin  mit  dem 
letzten  Glockenschlag  der  Mitternacht 1M.  Job  fühlte  sich  von  der 
Krankheit  seiner  „einzigen  und  gütigsten  Mutter"  so  tief  erschüttert, 
dass  er  bald  darauf  einen  stechenden  Schmerz  in  der  linken  Seite 
empfand.  Der  Sitte  der  Zeit  gemäss  suchte  er  sich  durch  einen 
Aderlass  am  Fusse  zwischen  der  grossen  und  zweiten  Zehe  zu  helfen ; 
er  nennt  es  seine  erste  Blutentziehung;  ein  Glauburger  fügt  1636 
hinzu :  „es  war  auch  die  letzte,  wie  ja  bei  der  Aenderung  der  Natur 
in  dem  fortgeschrittenen  Alter  Jeden  grosse  Gefahren  zu  umschweben 
pflegen;  dieser  Job  starb  am  15.  Mai  1502"  165.  Er  stand  im  drei- 
unddreissigsten  Jahre  und  war  nur  ein  Jahr  Priester  gewesen. 
Lersner  bemerkt  *«« :  „1504  (1.  1502)  stiftet  Job  Rohrbach  in  das  St. 
Bartholomäistift  einen  ganzen  Ornat  uff  den  hohen  Altar,  ist  ein 


im  Familie  Hynsberg. 

§.  10. 

§.  70. 
*"  §.  71. 
•«  II,  202  flg. 


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-    101  - 

gülden  Stüde  in  grün  mit  seiner  Zugehör  und  einen  Barth  olomäum 
mit  Perlen  künstlich  gestickt,  item  noch  einen  ganzen  Ornat  zu  dem 
hohen  Altar,  ist  auch  ein  gülden  Stück  in  weiss  mit  allem  Zugehör; 
item  ein  roth  und  ein  schwarz  sammet  Messgewand;  item  ein  Mess- 
bucli,  beschlagen  und  inwendig  figuriret  mit Rohrbach's  Wappen,  item 
einen  Kelch,  wieget  zwei  Mark  Silber  und  12V«  Loth,  verguldet,  item 
zwei  silberne  Messkannen,  wiegen  zwei  Mark  21/*  Loth",  und  noch 
andere  Sachen  mehr.  Nach  Fichard  vermachte  er  dem  Stifte  ausser- 
dem 500,  seiner  Magd  Agnes  100,  seinem  Knechte  Martin  40  Gulden, 
seinen  Brüdern  Bernhard  und  Conrad  das  Haus,  „da  er,  Job,  inne 
gesessen,  der  Wixhauser  Uof  genannt".  Seine  Schwester  Martha  be- 
dachte er  nach  Fichard  nur  mit  einem  überguldeten  Kopf  (Kelch). 
Im  Jahr  1504  reversirte  sich  das  Stift  über  den  Empfang  sämmtlicher 
Vermachtnisse.  Conrad ,  sein  jüngster  Bruder,  scheint  schwächlich 
gewesen  zu  sein,  da  er  schon  im  Jahre  1502,  in  seinem  einundzwan- 
zigsten Jahre,  seine  letztwillige  Verfügung  traf;  et  starb  1510  unver- 
heiratet. In  seinem  Testamente  wird  die  Schwester  Afra  im  Weiss- 
frauenkloster  zum  letzten  Male  erwähnt  Karl  Hynsberg  war  dreimal 
verheirathet  gewesen,  in  erster  Ehe  1485  mit  Elgin  Weiss  von  Lim- 
burg, in  zweiter  1490  mit  Agnes  Neuhaus,  in  dritter  1495  mit  Martha 
Rohrbach ;  nur  die  erste  Ehe  war  kinderlos ;  aus  der  zweiten  stammte 
Ulrich,  der  Stammhalter  des  Geschlechts  und  eine  Tochter  Margaretha. 
Martha  Rohrbach  starb  1514;  von  ihren  fünf  Kindern  Uberlebte  sie 
nur  Ortwin,  der  Geistlicher  wurde  (was  ich  zur  Berichtigung  einer 
ungenauen  Angabe  im  Archive  unseres  Vereins,  Neue  Folge  II.  415 
bemerke).  Bernhard  folgte  seiner  Schwester  Martha  schon  im  fol- 
genden Jahre  am  21.  November;  er  erreichte  unter  seinen  sämmt- 
lichen  Geschwistern  allein  daB  Alter  von  48  Jahren.  Auch  pflanzte 
er  allein  mit  seiner  Gattin  Ursula  Meiern  das  Rohrbach'sche  Geschlecht 
fort  Er  war  1510  in  den  Rath  gekommen  und  1511  Schöffe  ge- 
worden. Seine  Gemahlin  überlebte  :ihn  um  mehrere  Jahre.  Beach- 
tenswerte ist  ihr  am  22.  März  1524  errichtetes  Testament,  weil  es 
durch  die  darin  angeordnete  Stiftung  von  Seelenmessen  noch  den 
gut  katholischen  Glauben  in  der  ersten  Sturm-  und  Drangperiode  der 
reformatorischen  Bewegung  verräth. 

So  harmlos  lebte  man  noch  unter  den  grossen  Erschütterungen 
der  Zeit  dahin  und  so  fest  schien,  bei  aller  Theilnahme,  die  man  ihnen 
widmete,  das  Alte  begründet,  dass  man  den  grossen  Umschwung 
nicht  ahnete,  den  schon  die  nächsten  Jahre  in  alle  bestehenden  Ver- 
hältnisse bringen  sollten.  Und  doch  haben  wir  uns,  wie  schon  ange- 
deutet wurde,  mit  dieser  Darstellung  in  einem  Kreise  bewegt,  aus 


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welchem  die  Reformation  in  Frankfurt  hervorgegangen  ist;  jene 
heitere,  gesellige  Katharina  Holzhausen  zum  Spangenberg  war  es, 
die  am  14.  April  1521  den  kühnen  Mönch  auf  seiner  Reise  nach 
Worms  mit  zwei  Maas  Malvasier  erquickt  und  ihm  die  Hände  ge- 
küsst  hat,  die  sich  erinnerte,  von  ihren  Eltern  vernommen  zu  haben, 
es  werde  Einer  erstehen,  der  den  Immunitäten  des  Papstes  wider- 
sprechen werde,  und  deren  heisser  Wunsch  es  war,  Bruder  Martin 
möge  der  Geweissagte  sein ;  Ha  man  Holzhausen  ist  der  thätigste  Be- 
förderer der  Reformation  geworden  und  auch  die  jüngeren  Rohrbache 
wandten  sich  später  dem  neuen  Glauben  zu.  Wie  sollen  wir  es  be- 
greifen, dass  keine  Aeusserung  Jobs  uns  etwas  errathen  lässt ,  was 
dieser  reformatorischen  Stimmung  günstig  erscheint  und  für  sie 
Zeugniss  giebt?  Ich  glaube,  man  geht  zu  weit,  wenn  man  schon  damals 
eine  bestimmte  Form  positiver  evangelischer  Ueberzeugung 
bei  diesen  Personen  und  in  ihren  Kreisen  voraussetzt.  Alle  waren 
gut  katholisch  gesinnt  und  überzeugt;  aber  daraus  folgt  nicht,  dass 
man  auch  mit  den  Ansprüchen  der  Hierarchie  und  des  Clerus  sich 
einverstanden  fühlte :  je  mehr  man  sich  in  frommer  Unbefangenheit 
mit  den  Lehren  und  Uebungen  der  Kirche  einig  wusBte,  weil  man 
überhaupt  über  sie  nicht  grübelte,  um  so  drückender  konnte  man 
jene  Anmassungen  empfinden,  um  so  entschiedener  ihnen  entgegen- 
treten, um  so  zuversichtlicher  auf  eine  Reformation  der  Kirche  an 
Haupt  und  Gliedern  nach  dieser  Seite  hin,  der  praktischen,  hoffen. 
Dass  dies  die  Stimmung  jener  Kreise  war,  ersehen  wir  schon  daraus, 
dass  ein  Glied  desselben,  nämlich  Gilbrecht  Holzhausen  zum  Gold- 
Stein  im  Schurgiachen  Manuscripte  den  Namen  osor  Cleri  fuhrt  Der- 
selbe Name  wird  früher  dem  am  22.  Mai  1499  verstorbenen  Henn 
oder  Johann  Glauburg  beigelegt  ,67.  Ohne  Zweifel  werden  Karl 
Hynsberg  und  Johann  vom  Rheine,  die  Begünstiger  der  Juden,  die 
von  Conrad  Hensel  als  solche  Öffentlich  Bekämpften  und  seine  An- 
kläger vor  dem  Capitel,  nebst  manchem  Andern  168  unter  dieselbe 


'«  S.  199.  Anno  1499  die  22  Maji  [vergl.  Jobs  Chronik  §.  259]  obüt  Henno 
de  Glauburgk,  scabinus  Francofordiensis,  osor  Cleri. 

168  Unter  die  Feinde  des  Clerus  wird  auch  Clas  Rückingen,  der  Vater 
Lisas  Rückingen,  der  hospita  Melanchthon's,  gehört  haben.  In  der  Urkunde 
Nro.  504  des  Leonhardaarehiv  klagt  am  Dienstag  nach  Kiliani  (am  10.  Juli) 
1509  der  Scholaster  zu  St  Leonhard,  Nicolaus  Kuhn,  „wie  daa  sich  begeben 
hatte,  das  nechten"  [gestern]  „zu  obents  nach  dem  salve  zwischen  sieben  u. 
achten  ich  stunde  uff  dem  Heyne  by  dem  erwirdigen  herrn  Friederich  zum 
Wedel,  euere  rats  genossen  und  elter  meister",  [Friedrich  von  Altzey,  Licentiat, 
1490  Rsthsgeselle  u.  Schöffe  vom  1  Mai  1506  bis  1509  älterer  Bürgermeister] 


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103  - 


Kategorie  gestellt  worden  sein.  So  dürfte  sich  erklären,  dass  Katha- 
rina Holzhausen  zum  Spangenberg  die  zukünftige  Reformation  von 
dem  kühnen  Protest  Luther's  gegen  die  Immunitäten  de« 
Papstes  erwartet 

Noch  einmal  wendet  sich  unsere  Darstellung  zu  dem  Rohrbach 
sehen  Geachlechte.  Bernhard  hinterliess  zwei  Söhne.  Johann  Wolf 
geb.  1506,  und  Friedrich  geb.  1508.  Bei  dem  älteren  fällt  uns  der 
doppelte  Vorname  auf,  das  erste  Beispiel  in  der  Gescblechtergeschichte 
Frankfurts.  Kr  bewarb  sich  um  Anna  Knoblauch  und  seine  Mutter 
Ursula,  welche  diese  Parthie  begünstigte,  hatte  als  Brautwerber  Phi- 
lipp Fürstenberg  ersehen.  Aber  es  sollte  hier  das  alte  Sprüchwort 
wahr  werden  :  „Wer  das  Glück  hat,  führt  die  Braut  heim",  Johann 
Wolf  musste  hinter  einem  begünstigten  Nebenbuhler  Dr.  Johann 
Glauburger  zurücktreten,  dessen  Bewerbung  selbst  Philipp  Fürsten- 
berg  im  Stillen  wärmer  unterstützt  zu  haben  scheint  i69.  Er  wusste 
sich  für  diese  Zurückweisung  dadurch  zu  entschädigen,  dass  er  noch  in 
demselben  Jahre  1526  seine  Hand  der  Margaretha  Reyss  reichte. 
Das  eheliche  Glück  beider  war  von  kurzer  Dauer.  Am  27.  Juli  fuhr 
der  junge  Ehemann  mit  seinem  Schwiegervater  und  Schwager  auf  dem 
Frühschiff  nach  Mainz,  fiel  aus  Ungeschick  oder,  wie  Königstein  anzu- 
deuten scheint,  durch  allzartes  Schicklichkeitsgefühl  bei  Kostheim  in  den 
Main  und  ertrank  17°.  Sein  Bruder  Friedrich  heirathete  1528  Katharina 
Knoblauch,  und  nach  deren  Tod  1543  Stephanie  Hynsberg.  Er  kam 
1535  in  den  Rath,  bekleidete  1539  das  jüngere  Bürgermeisteramt, 


„hart  äff  dein  ufer  oder  Staden"  [Gestade]  „ist  komen  hintervertig  Claas  Rückin- 
gen ratsman,  als  ob  er  nicht  by  sinnen  gewest,  mich  mit  sampt  herr  Friedrichen 
gewaltiglieh  in  den  Main  stossen  wollen  u.  auch  bynahe  geschehen,  güchaam 
wir  übeltheter  weren,  die  dag  also  verschuldet  betten,  onaogesehen  priester- 
licher wirde  und  fryheit,  auch  stand  u.  ere  des  frommen  erbaren  man'B  Fried- 
rich'« zum  Wedel;  darnach  mit  wehrhaftiger  hand  sin  degen  gefasst,  mit  viel 
bösen  muotwilligen  vorwenden,  untuglichen  scheltworten  übergeben  [verrftthe- 
risch  angegriffen]  und  angefallen."  Er  sagt  später  auch,  Claa  habe  „geschlagen 
in  einer  fry  Stadt  und  am  Strom  des  wassers  fryheit  gebrochen". 

Fichard's  Archiv  II.  12ti.  Die  Angabe  Margaretha  Horngin's,  dass  er 
damals  „nit  mehr  denn  19  iar  alt"  gewesen  sei,  beruht  demnach  auf  Unkunde- 
Er  stand  im  22.  Lebensjahre. 

»»  Königstein  :  „Anno  1527  den  27  Julij,  im  frweschiff  ist  Johau  wolf,  genant 
Korbar,  im  abefaren  vff  das  schiff  gestigen,  sein  notturft  zuthun,  vndvß  schick* 
lichbeit  in  den  Meyn  nit  weit  von  Costem  gestürzt  vnd  also  ertrunken ,  got 
wolle  der  sei  g.  vnd  barmhertzig  sein  etc.  Sein  swiger  vnd  b wager  vnder 
ander  Erbar  lewde  sein  auch  im  schiff  gewest,  aber  nimand  hat  kunnen 
helffen. 


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-    10*  - 

wurde  1542  Schöff  und  starb  am  4.  Decembcr  1553.  Aus  seiner 
ersten  Ehe  (die  zweite  war  kinderlos)  überlebten  ihn  zwei  Kinder, 
Heinrich,  geb  153.,  und  Ursula.  Die  letztere,  geb.  1534,  heirathete 
1550  Jeremias  Bromm,  Claus'  jüngeren  Bruder,  später  1565  Hans 
Hector  von  Holzhausen,  sie  starb  1580.  Ihr  älterer  Bruder  Heinrich, 
der  1567  die  jüngere  Schwester  seiner  Stiefmutter,  Anna  Hynsberg,  ge. 
ehelicht  hatte,  kam  1566  in  den  Rath  und  mit  ihm  erlosch  am  18.  Februar 
1570  der  Kohrbach 'sehe  Mannstamm.  Denn  von  seinen  drei  Kindern 
waren  die  älteste  Katharine  (geb.  1561)  und  der  jüngste  Johann 
Hector  (geb.  1566)  vor  dem  Vater  jung  gestorben;  nur  die  mittlere 
Tochter  Margarethe  (geb.  1563)  überlebte  den  Vater;  sie  heirathete 
1579  Johann  Adolf  von  Glauburg,  starb  aber  schon  1597  34  Jahre 
alt,  die  letzte  ihres  Geschlechtes,  das  zwei  Jahrhundertc  in  Frankfurt 
geblüht  hatte. 

Mit  diesen  Bemerkungen,  durch  welche  wir  die  schlichten  Berichte 
des  treuherzigen  Job  ergänzen,  scheiden  wir  —  gewiss  nicht  ohne  ein  Ge- 
fühl stillen  Dankes  —  von  einem  Manne,  der,  einer  der  wenigen  unter 
seinen  Zeitgenossen,  es  der  Mühe  werth  erachtet  hat,  seine  einfachen  Er- 
lebnisse in  der  Vaterstadt  aufzuzeichnen  und  dadurch,  ohne  es  zu  wissen 
und  zu  beabsichtigen,  sie  nicht  blos  den  künftigen  Geschlechtern 
überliefert  ,  sondern  ihnen  überdies  einen  Blick  in  Verhältnisse  auf- 
gethan  hat,  die  nur  selten  von  gleichzeitigen  Schriftstellern  berührt 
werden. 


Noch  bin  ich  den  Lesern  Rechenschaft  über  die  Grundsätze 
schuldig,  die  mich  bei  der  Bearbeitung  des  Textes  geleitet  haben. 
Da  die  Handschrift  ein  Tagebuch  ist,  so  ist  in  ihr  die  chronologische 
Reihenfolge  der  Notizen  strenge  eingehalten.  Die  Beibehaltung  dieser 
Ordnung  wäre  für  den  Herausgeber  allerdings  sehr  bequem  gewesen, 
aber  gewiss  nicht  für  den  Leser.  Dieser  würde  so  das  Zusammen- 
gehörige getrennt,  das  Fremde  verbunden,  die  Leetüre  ermüdend, 
den  Gebrauch  erschwert  gefunden  haben.  Ich  habe  mich  daher  nach 
längerem  Bedenken  doch  dazu  entschlossen,  die  sachliche  Anordnung 
der  einzelnen  Notizen  vorzuziehen.  So  sind  vier  grössere  Theile 
entstanden  :  der  erste  enthält  die  Rohrbach 'sehe  Familienchronik,  der 
zweite  die  städtische  Chronik,  der  dritte  die  Sittenchronik,  der  vierte 
die  allgemeine  F amilienehronik  ;  die  drei  ersten  Theile  zerfallen  wieder 
in  eine  Reihe  kleinerer  Abschnitte,  der  letzte  Theil  ist  alphabetisch 


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—    105  — 


geordnet.  '  Jede  einzelne  Notiz  int  zur  Erleichterung  der  Citation 
paragraphirt  und  das  Blatt  der  Handschrift  angegeben.  Ueberall 
sind  Remissivnoten  beigefügt,  welche  auf  das  Vorkommen  desselben 
Namens  und  derselben  Sache  in  anderen  Theilen  hinweisen.  Beson- 
ders Hess  es  sich  der  Herausgeber  angelegen  sein,  den  letzten  Tlicil  . 
mit  solchen  Remissivnoten  reichlich  auszustatten.  Ueberall  ist  be- 
merkt, wo  in  der  Chronik  der  Name  eines  Gliedes  Frankfurter  Fa- 
milien vorkommt.  In  verwickeiteren  Fällen  sind  die  Verwandtschafts- 
grade nachgewiesen.  Dieser  Theil,  den  ich  Geschlechterchronik 
nennen  möchte,  wenn  damals  dieser  Begriff",  mit  dem  sieh  die  politische 
Bevorrechtigung  so  eng  verknüpft,  schon  »o  bestimmt  nachgewiesen  . 
werden  könnte,  wird  namentlich  zur  Vervollständigung  und  theil- 
weisen  Berichtigung  von  Fichard's  Gesehlecbtcrgeschiehte  viele  Bei- 
träge bieten;  ich  erinnere  beispielshalber  an  Johann  Frosch  zum 
Burggrafen  und  Johann  Frosch  zum  Aßen  [Fichard:  im  Sandhof], 
die  Fichard  so  eonfundirt  hat,  dass  er  die  zweite  Hausfrau  des  letz- 
teren, Rylgin  Voclkcr,  und  die  Kinder  dieser  Ehe  dem  ersteren  zu- 
schreibt. Denn  hier  muss,  wie  ich  glaube,  das  Zcugniss  des  Zeitge- 
nossen Job  unbedingt  entscheiden,  zumal  er  mit  beiden  verwandt 
war  und  alle  Nebenumstände  dieser  Verehelichung  und  der  ihr  fol- 
genden Kindtaufen  auf  das  genaueste  angiebt  Ich  habe  anfangs 
lange  geschwankt,  ob  ich  die  ganze  Chronik  oder  nur  das  Wichtigere 
aus  ihr  herausgeben  sollte;  nicht  blos  der  Wunsch  einsichtsvoller 
Freunde,  sondern  auch  die  eigene  Ueberzeugung  entschied  für  das 
letztere.  Dem  Interesse  der  Dilettanten  könnte  eine  Auswahl  ge- 
nügen: das  der  exaeten  Geschichtsforschung  forderte  unbedingt  das 
Oanze.  Die  Orthographie  und  selbst  die  Sprachfehler  sind  strenge 
beibehalten,  nur  hier  und  da  ist  in  Klammern  auf  das  Richtige  hin- 
gewiesen. Die  Handschrift  ist  gut,  aber  mit  vielen  Abbreviaturen, 
geschrieben.  Die  Entzifferung  der  letzteren  hatte  oft  grosse  Schwie- 
rigkeiten und  selbst  geübte  Leser  von  Handschriften  wussten  keinen 
Rath:  nur  fortgesetzte  Uebuug  und  Vergleichung  konnte  allmälig 
die  Hindernisse  überwinden.  In  sehr  wenigen  zweifelhaften 
Fällen  rausste  der  Herausgeber  sich  für  das  Wahrscheinlichere 
entscheiden  nnd  hat  dies  durch  ein  eingeschaltetes  Frage- 
zeichen angedeutet.  Möge  die  viele  Mühe,  die  er  sich  gegeben  hat* 
um  das  Werk  durch  seine  Bearbeitung  dem  Gebrauche  zugänglicher 
zu  machen,  nicht  ohne  Frucht  für  die  eingehendere  Kenntniss  unserer 
reichsstädtischen  Vorzeit  bleiben  1 


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Text 

L  Familie  Rohrbach. 


1.    Bernhard  und  Elgin  Rohrbach. 

§.  1.  [toi.  10J  Anno  1466  vicesima  prima  ianuarii  sponsalia  con- 
traxerunt  pater  meus  Bernhardus  Rorbach  et  Eylchin,  mater 
mea,  filia  Conradi  hulczhusens  et  Anne  Sachsen,  deinde  decima  nona 
septembris  bcnedictionem  matrimonii  in  facie  ecclesie  receperunt,  de- 
post  vicesima  secunda  septembris  consumarunt  matrimonium  in  nup- 
tiis  et  tlioro. 

Nativitates  nostras  in  quodam  alio  libro  scripsi. 

[cf.  B.  Rohrbach's  Familienchronik  §.  103— 105|. 
§.  2.    [fol.  1  lj  Hoc  de  manu  patris :  Emit  auus  meus  den  horn- 
fessel,  quem  mater  mea  dedit  marth$,  pro  145  fl.  Eum  reformare  fecit, 
pro  quo  dedit  fl.  7.  Emit  autem  ab  Engel  froschen  anno  1466  die 
17  maii. 

[Elgin's  Tod  §.  70.] 

2.    Bernhard  Rohrbach. 

§.  3.  [fol.  1]  Anno  1493  vicesima  sexta  marcij  abiit  bernhar- 
dus  frater  meus.  Eodem  anno  postea, octava  die  Apprilis,  abiit frater 
meus  Conrad us  et  erat  prima  sua  abitio.  Rediit  bernhardus  anno 
1495  die  25  maij  et  ludwicus  hulczhusen  cum  eo  una  rursus. 
Bernhardus  sexta  maij  abiit  ad  Italiam  anno  96.  Rediit  Bernhardus 
septima  octobris  anno  96.    [§.  8.] 

§.  4.  [fol.  5 1  Anno  1494  die  3»  Augusti  solui  ego  iob  rorbach 
Conrado  biescher,  famulo  doctoris  iohannis  gleubergers,  ex 
parte  matris  XVII  fl.  auri,  IX  alb.  in  ecclesia  S.  bartholomei  ante* 
horologium,  quos  ipse  aeeeptavit  ex  parte  domini  petri  queych, 
propositi  in  markstat,  qui  queych  mutuauit  eosdem  fratri  bernhardo 
Senis,  iuxta  condicionem  quitancie,  quam  dictus  Conradus  biescher 


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matri  ex  parte  queych  presentauit.  Actum  die  tricessima  Augusti. 
Si  erres,  vide  obligationem  fratris,  quam  ipse  pro  eisdem  queych  dedit, 
que  plane  informabit  te. 

§.  5.  [fol.  8]  Anno  1494  sedecima  novembris  arripuerunt  iter 
versus  ytaliam  Loy  iostenhoffer  senior,  filius  iohannis  ryn,  no- 
mine  ,  magister  wolffgangus  heller  [§.  268]  etc.,  cui  tradidi 

literas  matemas  et  ipsis  colligata  erat  obligatio  Alexandripellen- 
dorffs,  quam  simul  ipsi  commisi,  vt  fratri  differret 

§.  6  [fol.  25]  Anno  1495  die  vicesima  maij  itter  arripuimus  vna 
simul  versus  wormatiam  doctor  ludwicus  Scultetus,  karolus  hensperg, 
aflinis  meus,  vdalricus  nuhusen  etego,  et  die  21.  maij  wormatiam  veni- 
muB  et  ingressu  ciuitatis  inueni  fratrem  meum  Bemhardum  et  ludwi 
com  hulczhusen,  qui  nouiter  venerunt  italia,  in  quadriga,  vulgo  que 
dicitur  Rollwage,  volentes  ire  franckfurdiam,  qui  ob  complacentiara 
mei  de  quadriga  descenderunt  et  manserunt  mecum  wormatie  vsque 
ad  24  diem  mensis.  Eo  cnim  die  prandio  pcracto  conduximus  quadri- 
gam,  que  Rollwagen  vulgo  dicitur,  et  in  ea  sederunt  quindecim  nostre 
ciuitatis  franckf.  incolc  vel  fiüi :  doctor  adam  heymbach ,  Iohan  zum 
jungen,  karolus  henspurg,  Bernhardus  rorbach,  Job  rorbach,  Ludwi- 
cus hulczbusen,  Bechtoldus  heller  junior,  vdalricus  nuhuß,  Gerhardus 
xur  Kan,  ....  morsfeit,  wolf  blum  et  quatuor  famuli.  Et  in  qua- 
driga iuimus  usque  ad  oppenheyra  de  wormatia,  25  die  mane 
nauigauimus  in  naui  de  oppenheym  vsque  ad  maguntiam  et  cum 
peruenimus  maguntiam,  inuenimus  nauem  forensem,  quam  ingressi 
franckfurdiam  nauigauimus. 

§.  7.  [fol.  27.  Nota  raarginalis  Bernhardi  manu  exarata]  Adi  XI 
del  detto  mese  io  beruh ardo  cascai  a  Maganza  a  santo  Victore  in 
tal  modo,  che  non  credette  tornare  alla  pristina  sanita,  e  fu  in  casa 
del  decano,  cive  di  raißwigo  *,  di  Silberberg.   [Juni  1495] 

§.  8.  [fol.  55]  Anno  domini  1496  maij  sexta  die  abiit  Bernhardus 
germanus  meus  ad  vrbem  eratque  dies  veneris,  et  eo  equum  ascen- 
dente,  vndecima  »onuit  hora.  Habuit  comitem  vsque  ad  horneck  do- 
minum florentium  de  veningen,  vtriusq.  juris  doctorem,  cum  famulo. 
Conduximus  cum  nos  tres  vsque  ad  saltum  cerui,  qui  duobus  erectis 
lapidibus  signatus,  karolus  hynsberg,  affinis  noster,  Gylbertus  hulcz- 
busen, cognatus  noster,  et  ego  pariter.  Rediit  septima  octobris  anno, 
quo  supra. 


1  miswigo,  vielleicht  Meuswick,  im  Stift  Lüttich  im  westphälischen  Kreise 
telegen. 


§.  9.  [fol.  117]  Vndecima  Julij  Anno  1498  germanus  [am  Rande: 
Bernhard  um  Horbach]  cepit  habitare  in  solitudine  ortus  [1.  liortij;  ob 
morbuin  Gallorum,  quem  patiebatur,  vicesiraa  tertia  mensis  eiusdem 
abrasit  crines  capitis  cadein  de  causa.  Redijt  in  doinum  deinde  in 
anno  1499  octaua  ianuarij. 


3.    Ehe  Bernhard  Rohrbach'». 

§.  10.  [fol.  163]  Anno  domini  1501  deeima  quarta  januarij ,  et 
erat  die»  iouis,  vespere  post  quartam  horam  parura,  ego  Job  Horbach 
coniunxi  matrimonial! ter  per  verba  de  presenti  Bernhardum  Horbach 
germanum  meuin,  natum  ex  Bernhardo  rorbach  pie,  memorie  et 
Eylljgyn)  hultzhuseryn ,  et  vrsulain,  relictam  quondam  waltlieri 
Seh  wartzen  bergers,  natam  vero  ex  ioliane  de  molnheym  et  gretgyn 
dorfelderin  pie  memoria  Acta  in  domo,  E  lß  feit  nuneupata,  preaen- 
tibus  matre  mea,  sorore,  Michaele  Öchwartzenbergere  et  Katherine 
illius  legittimc,  iacobi  et  georgii  ncuhul>en,  iohane  de  molnheym  et 
gretgyn  sue  uxoris,  jacobus  heller,  kryngyn  uxor.  Hij  fuere  preaentes 
inytioni  matrimonij.  Ad  cenum  auperuenit  etMilchior,  scriba  ciuitatis. 
Non  affuit  karolus  affinis,  quia  lugebat  matrem.  Conradua  frater 
erat  antwerpie.  Eodem  die  dotalia  instrumenta  inter  eos  etc.  fuere 
sigillata  sex  sigillis,  quorum  vnura  meum  est. 

Eodem  anno  sexta  febniarij  et  die  beate  dorothee  Virginia,  et 
pro  illo  anno  extitit  dies  sabathi  ante  dominicam  aeptuagesimam, 
ratihabitio  et  solemnizatio  matiimonij  supradicti  habita  est  in  fatie 
ecclesie.  Eodem  anno,  deeima  vero  febniarij,  primum  aimul  condor- 
mierunt,  et  erat  dies  Mereurij  post  dominicam  septuagosirac.  Altera, 
que  dies  iouis  erat,  dies  nuptiarum  babitus  est  cum  amicis  etc. 

4.    Job  Rohrbach. 

»)  Lebenscreignissc  im  Allgemeinen. 

§.  11.  [fol.  1]  Anno  1494  in  die  seti  bonifacii,  quo  est  dies  quinta 
Junii,  primam  peregi  czecham  in  stuba  mea  ezu  lebenstein  et  solvi 
VI  h. 

§.  12.  [fol  1]  Anno  1494  post  pascam  donavit  mihi  Johannes 
Knopp  mediam  quartam  malmaseti  ea  condieione,  ut  cum  ducerem 
uxorem  legitimam,  solverem  quartam  integram.  Actum  franckfordie 
in  domo  Johannis  de  molnheym 


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§.  13.  [fol.  2]  Secunda  die  junii  in  anno  1494  equitavimus  ad 
bonmesB  et  in  societate  erant ,  videlicet  niater  mea,  sororque  et 
Jacobus  et  Udalricus  nuhusen  et  heynricus  de  Andernacli  et  ego  cum 
duobus  soldatis,  cenauimus  in  Castro,  tenebat  enim  locum  officialis 
Johann  holczheimer  in  dicta  ciuitate  et  Castro.  Tercia  antem  die 
junii  omnes  rediebamus,  supervenerunt  autem  Gorg  reyss  et  Gorg 
matroff,  qui  eadem  die  mane  equitarunt  usque  ad  bonmess  et  in  re- 
deundo  tennerunt  societatera  nobis. 

§.  14.  ffol.  3]  Anno  1494  die  Junii  undecima  equitavi  cum 
nobili  nicolao  de  babenhusen  ad  Castrum  zum  goltsteyn,  nec  ego  in 
dicto  castro  antea  fui  (tenebat  enim  locum  officialis  in  dicto  castro, 
quia  pater  suus,  henn  de  babenhusen,  longo  tempore  in  eo  fuit  officialis 
et  mortuo  patre  prefatus  uicolaus  ad  tempus  vicem  officialis  funge- 
batur),  et  ibidem  noctem  in  gaudio  peregi.  Altera  die,  que  erat  dies 

XII  Junii,  redii  cum  prefato  nicolao  et  Anna  matre  sua,  et 

pransi  sunt  cum  matre.  Prandio  peracto  in  navicula  parva  omnes 
infra  scripti  descendimus  cum  Anna  et  filio  ejus,  nicolao  de  baben- 
husen, ad  dictum  Castrum  zum  goltsteyn,  videlicet  Eylchin  rorbecherin 
et  ego  iob  et  soror  mea  martha  et  mergin  uxor  junghens,  vicini 
nostri,  et  consurapsimus  noctem  ibidem  in  gaudio.  Tredecima  autem 
die  Junii  omnes  supra  nominati  redibamus  et  adduxinius  luchelin  de 
haczsteyn,  uxorem  heyncz  kryegen,  et  raansiinus  in  orto  [horto]  nocte 
illa  et  altera  die  usque  post  sextam  horam  post  meridiem,  quia  tunc 
reversi  sunt  nicolaus  cum  matre  ad  Castrum  zum  goltsteyn  et  nos 
alii  ad  domum. 

§.  15.  [fol.  8]  Anno  1494  decima  quarta  nouembris  for  ich  zu 
nacht  myt  vlrich  nuhussen  off  syn  schieden. 

§.  16.  [fol.  9]  Anno  1494  decima  octaua  nouembris  in  naui  des- 
cendimus Gylbertus  hulczhuseu  et  ego  iob,  adduximus  nobiscum 
Blasium  de  hulczhuseu  ad  maguntiam  ad  domum  Georgii  helle, 
Sigilliferi  episcopi  maguntini,  vbi  gratia  studii  est.  Et  est  primus 
exitus  sui  de  franckfurdia. 

§.  17.  [foL  20]  Anno  1495  secunda  maij  Katherina  hulczhuserin 
et  mater  mea  iuerunt  ad  Wisbaden,  dehinc  5»*  maij  Gylbertus  et  ego 
descendimus  maguntiam  et  conuenerunt  prefate  ad  nos  in  domo  d. 
heynrici  de  sylberberg,  vbi  omnes  hospitati  eramus.  6«*  maij  mater 
intrauit  maguntiam  et  ego  vna  etc.  et  emit  mihi  VI  vlnas  panni, 
leberfarb  pro  vj  fl.,  7""*  maij  rediuimus  omnes  simul.  Ex  iam  dicto 
panno  confecta  est  vestis,  que  vulgari  nostra  hasack  [cf.  §.  191] 


-    HO  - 


appellatur ,  subducta  pellicula ,  vulgo  merderkeln*  dicta ,  quam 
veatem  indui  die  nathiitatia  Christi,  anno  1495,  annum  ab  initio 
ianuarij  inchoando. 

§.  18.  [fol.  26]  Anno  1495  penultima  maij  descendi  maguntiam 
ex  parte  nostre  familie  ad  primitias  domini  alberti  brollyn  3; 
inuitauerat  enim  omnes  noa,  sed  nec  mater,  [g.  necj  frater,  nec  soror 
interesse  poterant,  descenditque  mecum  Katherina  hulczhuserin,  Agnes 
yrgeschameryn,  Gylbertua  hulczhusen,  fiKus  Katherine,  qui  omnes 
aderant  priiuitiis,  et  cantauit  priniitias  die  vltima  maij,  que  tunc  erat 
dominica  exaudi,  in  eboro  ferreo  in  eccleaia  maiori  magunti§  et  pro- 
pinaui  ipsi  duoe  fl.  ex  parte  matris,  fratris  et  mei.  Debinc  secunda 
junij  mane  Eatherina  hulczh userin  et  Agnes  yrgeschamerin  mane  de 
maguntia  iuerunt  ad  wisbaden  et  ego  redii  franckfurdiam.  Bedierunt 
autem  domina  Katherina,  relicta  iohannia  hulczhusens,  et  Agnes 
yrgeschameryn  de  termis  wissbaden  franckfurdiam  vltima  die  Junij. 

§.  19.  [fol.  27 J  Anno  1495  tertia  Junij  solatij  causa  iuimus  pis- 
catum  ad  husen,  videlicet  mater  mea,  Bernhardus,  frater  ineus,  niartha, 
soror  mea,  ego  iob,  Katherina  hulczhuserin,  relicta  Gylberti,  ludwi- 
cub  filiua  eius,  hamandus  hulzhusen,  margareta  uxor  sua,  Jacobus 
nuhusen  et  Magareta,  uxor  friderici  faut,  et  ibi  peregimus  diem  in 
gaudio  et  nocte  rediuimus  circa  horam  aextam,  nec  febres  terciane 
arripuerunt  me,  qui  et  Semper  altero  die  frigora  et  calores  sustuiui 
septies,  vsque  destruxeruntque  ac  exhauserunt  vires  meas  omni- 
modo;  tarnen  de  gratis  dei  dereliquerunt  me  febres  die  deeima  sexta 
Junij,  sed  rehabui  et  durarunt  itterum  vsque  .... 

§.  20.  [fol.  27]  Anno  1495  aexta  Junij  descenderunt  in  naui 
mater  mea,  frater  meus  bernhardus,  martha  aorror  mea,  katherina, 
relicta  Gylberti  hulczhuaens,  ludwicus  filius  suus ,  Margreta,  hamandi 
hulczhuaens  vxor,  karolus  henspurg;  aic  namque  mulierea  iuerunt  ad 
wiabaden  pro  aolatio  katherine  hulczhuserin,  viri  vero  expectarunt 
mulieres  maguntiam.  Duodecima  die  Junij  redierunt  mater,  frater, 
aoror  et  karolus  henspurg,  eo  quod  ego  infirmabur,  et  ludwicus  hulcz- 
husen  venit  cum  ipsis,  sed  rursus  deacendit  Ceteri  manserunt  maguntia 
penes  cancellariam. 

[Bernhard  fallt  in  Mainz.  §.  7] 

§.  21.  [fol.  27]  Anno  1495  die  tredeeima  junij  sumpsi  primam 
clisteriam  ex  persuasione  doctoria  iodoci  medici  et  dedit 


*  Köl,  köle,  Halatheil  beim  Pelzwerk. 

3  Spater  Kaplan  von  Katharina  Holzhaosen  in  ihrem  Hause  zum  Goldstein 
vergl.  §.  217. 


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mihi  eam  iodocua  appotecarius.  Antea  ullam  habui,  nec  recepi 
temporibus  vite  mee. 

§.  22.  [fol.  33]  Anno  1495  die  duodecima  mensis  Augusti  pran- 
dio  peracto  raater  donauit  Bernharde  germano  meo  et  mihi  omnes 
expensas,  quas  consumpsimus  in  partibun  alienis  et  studijs,  item 
et  libroa,  eaque  condicione  donauit,  ut  preeipue  hec  habeamua  adeo, 
quod  in  diuisione  bonorum  poat  mortem  matris  (quam  deus  sua  gratia 
cum  salute  longa  velit  perseruare,)  expenBe  et  libri  predicti  non  veniant 
imponenda  cum  aliis  rebus,  sed  preeipue  hec  capere  debeamus,  dehinc 
ad  equalea  portiones  cum  aliis  admitti.  Et  ut  valeat  donatio,  sua  manu 
inscripsit  in  librum  reddituum  patris  hanc  donationem. 

§.  23.  [fol.  35]  Anno  1495  quarta  septembris  hatt  Hartmann.... 
der  Bcherrer,  Elsen  ....  der  kochmeytt  zum  goltsteyn  die  Ehe  ge- 
lobett  vnd  verheyssen  vnd  den  winkauff  gedruncken.  Dehinc 
nuptie  habite  sunt  zu  lympurg  19octobris,  et  interfuere  genitrix  mea, 
soror  martha  et  frater  bernhardus  et  ego,  anno,  quo  supra. 

§.  24.  [fol.  49]  Anno  domini  bisextili  1496  die  quarta  februarij 
iurauünua  vna  simul  ciuilitatem,  hoc  est  iuramentum  ciuium  franck- 
fordensium,  videlicet  GylbertuB  hulczhusen,  ego  iob  rorbach,  hans 
frunt,  filius  heyncz  fruntt.  Prestitit  nobis  iuramentum  Jacobus  geych. 
Actum  ym  Romer  yn  der  rechenmeyster  Stoben.  Soluit  quilibet  II  15 
pro  intitulatione.   Prefatus  hans  frunt  obijt  in  anno  1497,  die  .  .  . 

§.  25.  [fol.  54]  Anno  1496  die  19  Apprilis  ineepi  bibere  Siro- 
pium  tempore  eo,  cum  ibam  ad  lectum  dormitum,  etocto  bibi  ordine 
post  octo  dies  et  26  die  prefati  mensis  aeeepi  pulueres  in  vino  mane 
hora  quarta,  que  purgarunt  ventrem  et  quatuor  sedes  operabantur. 

§.  26.  [fol.  55J  Anno  1496  duodecima  maij,  eoque  die  colebatur 
festum  gloriose  ascensionis  in  celum  Jesu  Christi  redemptoris,  suseepi 
infantem  de  fönte  baptismatis,  quem  secundum  meum  nomen  nominaui, 
Job  videlicet ,  primumque  meum  est,  retro  namque  alium  de  bap 
tismatis  fönte  non  eleuaul  Nomen  genitoris  infantuli  ....  genitrieb 
vero  nomen  est  kryn,  soror  gissen  he  ns,  laboratoria  nostri,  legitima 
uxor  prefati  genitoria. 

§.  27.  [foL  56]  Anno  1496  die  18  maij  mater,  ego  et  Ludwicus 
hulezhuaen  iuimua  ad  wisbaden,  deinde  25  maij  de  wisbaden  iui  ego 
ad  costem  [Koatheim],  volena  ibidem  ad  naueni  forenaem,  sed  nequiui 
ob  Talidis8imum  ventum  flantem  et  ea  nocte  quieui  maguntie  ibidem- 
que  amisi  canera  nostrum  moezschelgyn,  aicque  26  redij  franckfurdiam. 
Rediit  de  wisbaden  ad  franckfurdiam  genitrix  28  maij.  Rutbub  die  trice- 
stmaOUbertus  hulczhusen  et  ego  pariter  de  franckfurdia  iuimua  ad  wis- 
baden ad  matrem  »uam  et  rediebamus  noa  pariter  cum  matre  vltima  maij. 


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§.  28.  [foL  56]  Anno  1496  die  20  junij  cum  doctore  Florentio 
Licentiatus  georgius  schrottlyn  et  ego  iuimus  mane  iii  naui  mogun- 
tiam  et  maguutie  currum  conduximus  eodem  die  et  vehebamur  ad 
wormatiam,  et  die  25  junij  vehebamur  de  wormatia  ad  spiram;  ibidem 
maiiBiraus  vsque  ad  25  junij ;  co  enim  die  de  spira  vehebamur  ad 
maguntiam,  26  junij  ascendimus  mane  in  naui  franckfurdiam 

[Job  Rohrbach  hält  in  Sachsenhausen  mehreren  anwesenden 
Fürsten  15  Stunden  lang  Ehrenwache.   §.  118.] 

§.  29.  [fol.  61]  Anno  1496  quarta  Augusti  dominus  doctor  Floren- 
tius de  veningen  et  ego  vna  profecti  sumus  maguntiam,  quinta  Augusti 
de  maguntia  ad  wormatiam,  sexta  Augusti  ascendimus  ad  spiram, 
durauimus  ibidem  vlique  ad  diem  nonam  Augusti.  Ea  namque  die 
iuimus  ad  oppidum  Landawc,  quod  distat  a  spira  railiaribus  quatuor; 
moram  ibi  egimus  vsque  ad  sedecimam  Augusti,  qua  nunc  reversi 
sumus  ad  Spiram.  Iilic  mansiraus  vsque  ad  vicesimam  primam  Augusti. 
Fadem  die  ad  wormatiam  venimus,  vicesima  secunda  augusti 
rediebamus  maguntiam,  ibidem  moram  egimus  vsque  ad  vicesimam 
quintam  Augusti,  illa  namque  die  rediuiraus  franckfurdiam. 

§.  30.  [fol.  88]  Anno  1497  die  secunda  maij  iuimus  pariter 
gemtrix  et  ego  vna  cum  katherina,  relicta  gilberti  hulczhusens,  et 
Ludwicus  hulczhusen,  katherine  filius  ad  wisbaden  ibique  visitauimus 
katherinam,  rclictam  iohannis  hulczhusen,  quc  infirmabatur.  Duraui- 
mus ibidem  vsque  ad  quintam  maij.  Ea  namque  die  maguntiam  veni- 
mus. Sexta  maij  mater  et  ego  pro  deuotioue  visitauimus  sanctam 
crucem  extra  muros  maguntinos.  Septima  maij  et  dorainica  post  ascen- 
sionis  rediebamus  mater  et  ego  franckfurdiam.  Alii  manserunt  cum 
vxore  cancellarij,  doctoris  pcffer. 

§.  31.  [fol.  91]  Anno  1497  die  tricesima  maij  nobilis  vir  doctor 
florentius  de  veningen,  Iuditij  camerc  celeberrimus  Advocatus,  abiit 
deque  franckfurdia  transtulit  se  cum  libris  atque  omni  suppelectili 
wormatiam.  Cum  eo  descendimus  in  naui  nos  tres,  Iacobus  neuhusen, 
Bernhardus  Horbach  et  ego  Job,  frater  suus,  usque  ad  hoest,  de  boest 
pedestres  rediimus  franckfordiam.  Eodem  die  indui  nigram  simplicem 
tunicam,  cuius  mentio  habetur  fol.  87  [§.  58].  Eodem  die  prima  cerasa 
comedi  pro  illo  anno. 

§.  32.  |fol.  93]  Anno  1497  decima  nona  junij  exiui  franckfurdiam 
et  veni  eo  die  wormatiam,  ibidem  intraui  habitationem  domini  florentij, 
V.  I.  doctoris  ac  ex  suis  progenitoribus  nobilis. 

§.  33.  [fol.  104]  Anno  domini  1497.annum  ab  exordio  Januarij 
inchoando,  ipsa  die  Steffani  prothomartiria,  que  est  26  decembris, 
ascendi  cum  nobili  V.  I.  doctore,  domino  florentio  de  veningen,  spiram, 


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die  Johanis  evangeliste  pransi  sumus  in  cetu  omnium  clericorum  maioris 
ecclesie  spirensis,  intereratque  et  dominus  episcopus  ea  die;  cQnauimus 
com  episcopo  in  sua  curia  die  inocentum  tota;  cum  Petro  drach  fuimus 
29  decembris  nocte  inuitati  a  consulibua  spirensibus.  Tricesima  de- 
cembris  ascendimus  ad  landauwe,  31  eiusdem  pransi  sumus  ibidem 
cum  sculteto.  .  .  .  Depost  secunda  ianuarij  anuo  1498  a  consulibus 
inuitati  comparuimus  et  in  prandio  et  in  cena.  Tertia  januarij  rursus 
iuimus  ad  spiram,  ibidemque  mansimus  usque  in  quintam  diem  eius- 
dem, in  quo  rediuimus  wormatiam. 

§.  34.  [fol.  93]  Anno  1498  vicesima  nona  martij  exiui  wormatiam 
et  tricesima  eiusdem,  que  erat  tunc  veneris  post  letare,  redij  franck- 
furdiam. 

35.  [fol.  113J  Anno  141*8  die  19  apprilis  et  quinta  pasce.  des- 
cendi  maguntiam,  2ü  ascendi  wormatiam,  vicesima  prima  descendi 
a  wormatia  maguntiam,  23  descendi  in  naui  de  maguntia  et  24  eius- 
dem mensis  venimus  Bemhardus  et  ego  pariter  coloniam,  ibidem  ego 
mansi  vsque  ad  vndecimam  maij  illius  supra  dicti  anni,  illa  die  Iacobus 
neuhusen  et  ego  ascendimus  usque  ad  wyntcr,  12  die  ad  cappel, 
14  ad  bacheracb,  15  versus  maguntiam,  sedecima  maij  ego  solus 
ascendi  wormatiam,  de  wormatia  descendi  24  maij  vna  cum  domino 
Florentio  de  veningen  maguntiam,  et  erat  pro  tunc  dies  ascensionis 
domini,  26  maij  de  maguntia  solus  ascendi  franckfurdiam. 

§.  36.  [fol.  116]  Anno  1498  die  16  junij  iuimus  genitrix  et  ego 
et  Katherina,  relicta  uxor  Gilberti  hulczhusens  in  spangenberg,  vna 
cum  aliis  ad  hanawe,  vbi  in  [17]  eiusdem  mensis  dominus  Caspar.  .  .  ., 
filius  sculteti,  ibidem  suas  primitias  seu  primum  suum  diuinum  cele- 

brauit,  ad  quod  vocati  eramus.  Inuitauit  nos  dominus  plo- 

banus  in  steynheim.  Ibidem  die  18  fere  tota  fuimus,  nisi  quod  noctu 
regressi  fuimus  ad  hanawe.  Decima  nona  sumus  reuersi  mensis  eius- 
dem. [Dieser  Plebanus  zu  Steinheim  ist  Niemand  anders  als  der 
bekannte  Johannes  de  Jndagine.] 

§.  37.  [fol.  117]  Anno  1498  prima  julij  iui  maguntiam,  secunda 
ascendi  wurmatiam,  ibidem  duraui  vsque  ad  nonam  julij ,  qua  redij 
moguntiam,  decima  autem  franckfurdiam. 

§.  38.    [fol.  127]  Vicesima  nona  octobris  nuptie  habit«?  et  consu- 

mate  inter  zu  nasawe  et  Katherinam,  filiam  Eberharts  des 

motters  [§.  39],  ad  quas  vocati  fuimus  mater  egoque  et  comparui- 
mus. Actum  die  supradicto,  anno  1498.  [cf.  §.  39  ]. 

§.  39.  [fol.  144]  Anno  1499  vicesima  octaua  augusti  et  die 
mercurij  per  suseeptionem  infantis,  quem  secundum  nomen  meuin, 
iob  videlicet,  vocaui,  compater  sum  factus  Casparis  de  nasawe  et 

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Katherine,  filie.  Eberhardi  des  sackdregers,  vxoris  dicti  Casparis,  et 
is  in  ordine  est  secundus,  quem  suscepi. 

[Job  tanzt  auf  der  Hochzeit  des  Dr.  Joh  Glauburg  als  Cano- 

nicua  §.  257.] 
[Job'a  Gastmahl  1500  §.  221.] 
§.  40.  [fol.  155]  Job  zag,  meus  patrinus.  Anno  domini  1500  die 
21.  junij,  que  exstitit  dominica  infra  octauam  corporis  Christi,  de 
fönte  baptismatis  suscepi  infantera,  quem  secundura  meum  nomen, 
videlicet  Job,  vocaui,  filium  Hanß  krehers,  eyna  sporers,  et  £113,  vxoris 
sue,  et  is  per  ordinem  est  tertius,  quem  auscepimua  etc.  Mortuus  est 
intra  dies  puerperij  infans. 


b)  Anschaffungen  und  Geschenke  Job  Rohrbach's. 

§.  41.  |  fol.  4]  Anno  dßi  1490  in  die  S.  Laurencij  indui  primuro 
lambasium  pictum,  w"r  den  thobin,  coloris  morgensgrauwe  una  cum 
caligis  eiusdem  coloris. 

§.  42.  [fol.  6]  Anno  1494  quarta  aeptembris  indui  nigras  caligas 
ad  antiquum  lambasium  nigrum. 

§.  43.  [fol.  6]  Anno  1494  xix  aeptembris  donauit  mihi  mater 
loricam,  colerium  lorice,  balistarn  vnd  eyn  ysaen  bruat,  cum  aliquibua 
telia  et  inatrumento,  quo  baliata  tenditur,  presentibus  Gilberte  hulcz- 
huaen  et  aorore  mea  Martha. 

§.  44.  [fol.  7]  Anno  1494  nona  nouembria  thett  ich  eyn  schwarcz 
gefyrne8t  barchen  wameß  zu  mynen  rotten  hossen. 

§.  45.  [fol.  8]  Anno  1494  duodecima  nouembria  poat  meridiem 
in  domo  zum  goltateyn  donauit  mihi  Gylbertua  hulczhuaen  ymagines 
pictaa  duaa,  quarum  quelibet  habet  formam  vite  et  mortia.  Mas 
caput  tenet  vite  et  corpua  mortuum;  e  contrario  ymago  femine,  et  sunt 
picta  super  pannum,  pannuB  autem  bituminatua  et  affixus  est  ad 
afferulaa.  Donum  comitiase  de  atolberg. 

§.  46.  [fol.  15]  Anno  1495  decima  nona  februarij  thet  ich  eynen 
neuwen  leberfarben  mantell  vmb  vnd  eyn  neuwen  gyrttell  vnd  eyn 
neuwen  welsch  secklin  hing  ich  by  mich. 

§.  47.  [fol.  17]  Anno  1495  tertia  marcij  indui  caligas,  wulgo 
roaet,  una  cum  lambasio. 

§.  48.  [fol.  18]  Anno  1494  in  nundinis  quadragesimalibus  emi 
cultrum  longum  sandalie  manubro  pro  i  fl.  iii  alb.,  item  clauam  fer- 
reain,  eyn  fusthamer  pro  xi  alb.,  item  duoa  pileoB,  nigrum  et  rubeum, 


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pro  quindecim  albia,  item  duo  byrreta  aPhilKppo  vgelnheymer,  rubeum 
videlicet  et  sanguineum,  emi  pro  xl  ß  franckf. 

49.  [fol.  18]  Anno  1495  yn  der  fasten  meß  hab  ich  mir  kaufft 
eyn  esser  vor  viii  alb.,  item  hat  myr  myn  waU  Clar  eyn  brostuch 
gestyckt  myt  golt  vnd  eyn  gülden  wolckicht  schnor  daruff  geschenckt, 
kost  ii  gld.  minus  i  ort  Item  myn  wa£  Margret  geschenckt  eyn  gel 
samett  brostuch.  Item  Erben  tagel  hat  myr  geschenckt  eyn  langen 
thegen,  item  vi  beyner  kern. 

[Geschenk  von  Elgin  an  Job  in  Mainz.  Mai  1495.  §.  17.] 

§.  50.  [fol.  36]  Empta  et  donata  in  nundinis  autumnalibus 
anno  1495. 

Eyn  schwarczen  hutt  kauft  ich  vor  vii  alb. 

Eyn  vocabularium  Catholicon  pro  i  fl.  iiii  alb. 

Item  formulare  advocatorum  et  procuratorum  et  orationale  in 

forma  minima  pro  fl  Vnum  orationale  laniendo  rupit 

cauis  noster  füi*st. 

§.  51.  [fol.  53]  In  nundinis  quadragesimalibus  anno  1496  emi 
byretum  nigrum  venetianum  pro  xiiü  alb.  in  vigilia  annuntiationis 
beate  Marie. 

Die  29  martij  emi  iij  ulnas  velon  Rosetten  färbe,  ulnam  pro 

ii  fl-  iii      summa  5  fl.  18  0.  De  prefata  summa  donauit  mihi  mater 

iii  fl  ;  indui  vii  junü  anno  supra. 

Item  nigrum  byretum  donauit  mihi  Katherina  hulczhuserin  zum 
goltatein  uecunda  apprilis,  que  erat  vigilia  pascatis. 

Vnum  pater  noster  de  corallo,  cui  sunt  viginti  corrali  numero  et 
duo  argentei  et  deaurati  kneyff,  et  est  de  optimo  corallo,  donauit  mihi 
Margreta  cognata  zum  thorn,  [§.  244],  die  15  apprilis  eo  die  celebra- 
batur  festum  Corone  et  Lancee. 

§.  52.  [fol.  54]  Anno  1496  vicesima  sexta  apprilis  perfectus  est 
annulus  per  Danielem  ....  aurifabrum,  in  quo  est  lapis  impositus, 
cui  insculpta  sunt  arma  mea,  suppositis  veris  coloribus  armorum, 
pro  quibus  conficiendis  exsoluit  germanus  meus  Bernhardus  rorbach 
rotne  duos  ducatos  largiter,  donoqne  dedit  mihi;  pro  factura  annuli 
ducatum  unum  exsoluit  et  hunc  donauit,  item  magnam  partem  auri 
donauit,  ex  quo  auro  annulus  formatus  est 

§.  53.  [foL  61]  Anno  1496  secunda  augusti  donaui  domino  doc- 
tori  Florentio  de  Venningen  aleam  paratam  cum  asseribus.  Pro  alea 
dedi  aureum,  pro  tabulis  sex  ß ,  pro  ferramento,  quibus  clauditur  et 
aperitur,  5  albos. 

8* 


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§.  54.    [foL  62]  In  nundinis  autumnalibus  anno  1496 
emit  mihi  mater  pectinem  coraenm  pro  xiii  den.; 
duos  pectines  corneos  emi  pro  26  den.; 

eyphum   de   ligno  fraxino,   wulgariter  eschenhulcz,  pro 
6  ß.  emi; 

pro  tabula  lignea,  in  qua  scribitur,  20  den.; 
pro  iii  pectinibus  ligneis  6  alb.; 
pro  pileo  nigro  7  alb.. 
Franeiscum  petrarcham  in  omnibus  operibus  die  16  septembris 
donauit  mihi  doctor  Florentius  de  veningen. 

Eyn  thegen  myt  eym  wissen  gewunden  hefft  ist  lang,  vnd  doch 
nyt  zu  fyll,  kaufft  vor  24  alb.,  vnd  schnyt  zu  beyden  sytten,  donaoit 
illum  frater  D.  Laurentio  truchses,  canonico  maioris  ecclesie  mogun- 
tinensis,  etc.  act.  22  martij  et  mercurij  post  palmarum  anno  1497. 

§.  55.  [fol.  <38]  Anno  1496  vicesima  sexta  uouembris  emit  mihi 
gcnitrix  vi  vlnas  panni  eyner  tunckelen  färb  oder  rauchfarb,  vlnam 
pro  22  l\  Emit  ab  Hartmudo  gryff,  curauitque  mihi  subduci  nigri« 
pellibus  induique  eam  primum  quarta  decembris,  que  est  dies  »acre 
Barbare  virginis. 

§.  56.    [fol.  73]  Anno  1497  secunda  ianuarij  donaui  aliam  Käthe- 
rine  hulczhuseryn  zum  goltstcyn,  pro  qua  solui  6  alb.;  asseres,  que 
in  ea  sunt,  donauit  mihi  mater.  Donaui  insuper  vnum  paruura  col- 
tellum,  quorum  quatuor  habui  de  colonia,  pro  quibus  solui  22  alb. 
§.  57.    [fol.  84]  In  nundinis  quadragesimalibus  anno  1497 
duos  pectines  emi  pro  7  alb.,  eyn  eser*  pro  9  alb.; 
sex  [vier?]  Elen  schwarczen  meylendeschen samet  kaufft  myn  bru- 
der  vnd  zweyen  zu  wamessen,  die  Ell  vor  ii  gülden  iiii  ß,  fach 
in  summa  xiii  fl.  Emptura  20  martij  et  die  lune  post  palma- 
rum: indui  diploidem  factam  ex  veloto  prenotato,  die  21  maij, 
beate  dominica  trinitatis  Anno  1497. 
6  alb.  vor  zwen  stcynen  krug  zu  lougen  ultima  martij. 
2  kleyn  bettbüchlin  kosten  vi  alb.  yn  zu  bynden  vnd  funff  alb. 

rohe,  unum  dedi  germano  Bernhardo. 
Sermones  fratris  Roberti  charocholi,  duas  partes,  de  peccatis 
videlicet  et  de  sanctis,  pro  quibus  solui  16  &  Et  pro  ligatura 
eius  iiii  alb.,  itterum  emi  partera  de  sanctis  pro  octo  quam 
dedi  doctori  Florentio  de  veningen. 
§.  58.    [fol.  87]    Anno  1497  die  decima  apprilis  hat  mir  myn 
liebe  mutter  an  lassen  schniden  x  eilen  schwarcz  londeach  tuch,  mitt 

 — -*  

♦  Eser = Beutel. 


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namen  v  eilen  zu  eym  rock  vnd  iiiij  elen  zu  eym  mantell  vnd  eyn 
halb  eil  zu  eynem  zyppffel,  vff  das,  ob  yemants  storb  von  vnseren 
voreipten  vnd  gewanten,  da  vor  gott  wol  mitt  selligkeyt  eyn  jeden 
lang  gefliesten,  das  ich  furters  nit  dorff  kleyder,  als  vor  offt  gesche- 
hen ist  [dorff]  cntlehenen.  Soluit  pro  vlua  decem  et  octo  solidos  et 
qoatuor  obulos,  suma  autem  decem  vlnarum  septem  fl.  sedecim  ß  iiii  h. 
Tonicam  induj  die  tricesima  maij  anno  supra. 

§  59.  [fol.  100 1  Anno  1497  decima  octaua  septembris  misit  frater 
wurraatiam  mihi  scriptorum  magnum  cum  variis  capsulum,  pro  quo 
soluit  x  alb.  Depost  23  misit  mihi  idem  frater  optimum  rubcum  du- 
plum  biretum  Scharlach,  item  pcctiuem  corneum  cum  receptaculo  suo, 
factum  [facto]  de  corrio. 

§.  60.  [fol.  112]  Anno  1498  die  5ta  apprilis  emi  spcculatorem  in 
impressura  ipsius  Baptist?  de  tortis  cum  additionibus  do.  Andree,  pro 
ligatura  illius  dedi  ii  alb.  et  pro  corpore  libri  seu  libro  ipso  4  fl. 

§.  61.    [fol.  119)  In  nundinis  autumnalibus  anno  1498. 

Emi  practicam  ferrariensis,  Tractatura  clausularum,  Summam 
Gottfredi  super  tit  decretalium  pro  ii  fl.  et  in  unum  volumen 
feci  illigari. 

Breviarium  maguntinum,  impressum  venetiis,  ligatum  pro  i  fl. 
Vocabularium,  vbi  theutonicum  latino  prcponitur,  et  vocabu- 
larium  doctoris  Jodoci  etc.  pro  8  alb.  et  in  unum  feci  ligarl 
Eyn  lideren  brun  kleyn  wezschen  oder  aser  pro  8  alb. 
[Elgin  Horbach  schenkt  ihrem  Sohn  Job  das  Familienmissale 
und  die  priesterliche  Kleidung.  §.  66.] 


c)  Job  Rohrbach*  Canonikat  und  Weihen. 

§.  62.  [fol.  120]  Anno  1498  vicesima  Augusti  dominus  Johannes 
wimer,  canonicus  et  scolasticus  hic  in  ecclesia  sua  diui  Bartholome! 
sepultus  est,  obiit  autem  19  eiusdcm;  domini  autem  de  capitulo  con- 
corditer  mc  ad  praebendam  elegerunt,  solo  domino  Johanne  gryffen- 
stein  obstrepente,  illiusque  possessionem  mihi  traddiderunt  vicesima 
augusti  iam  memorati  sub  completorio,  et  erat  dies  mercurii,  sicque 
die  mercurii  natus,  die  mercurii  praebendam  adeptus.  Deinde  domi- 
nus Eberhardus  becker  scolastriam  obtinuit.  Ego  primum  chorum 
ingressus  induto  superpelitio  die  veneris  et  ultima  augusti  post  nouam 
boram  de  die  iusinuaviquc  residentiam  decano,  ut  diem  notarct,  qui 
rcspondit:  valeat,  in  quantum  valcre  potest.  Sub  vesperis  vero  die  illa 
obtulit  sibi  dominus  Johannes  ugelnheimer  xü  albos  pro  vino  admis- 


sioiÜB,  quoß  accipere  renuit,  dicendo:  cos  dandos,  cui  vellent,  me  pro 
canonico  minime  reputaret;  hac  de  causa  motu»  residentiam  tone 
inchoatam  et  scolastico  et  cantori  ittidem  insinuavi,  ät  diem  et  horam 
notarentj  qui  et  polliciti  mihi  sunt.  Depost  dominica  et  secunda  sep- 
tembris  anno,  quo  supra,  primum  ivi  in  processione  ad  sanetum 
Michaclem  in  aspersione  aque  benedicte,  in  vigilia  natiuitatis  Marie 
et  die  ipsa  portavi  thuribulum  et  tenui  patenam  sub  officio.  Super- 
peiitium  proprium  novum  primum  indui  ipso  die  ac  die  Michael 
archangeli  supradicto  anno.  Die  raercurii  post  Michael  et  tertia 
octobris  suseepi  hic  (apud  fratres  predicatores  in  capella  chori  ibi- 
dem, que  sita  est  in  latere  dextro,  dum  vertea  ante  altare  fatiem) 
ordinem  aecolitatus.  Secunda  decembris  et  prima  dominica  aduentus 
anno,  quo  supra,  indui  primum  cappam  nigram,  que  more  ecclesiarum 
hic  solet  differri  tempore  aduentus,  septuagesime  et  quadragesime  etc. 

[Bernhard  Rohrbach  tanzt  auf  der  Hochzeit  Dr.  Johanns  von 
Glauburg  und  der  Margaretha  Horngin  am  29.  October  desselben 
Jahres  §.  257.] 

§.  63.  [fol.  120]  Anno  domini  1499  die  veneria  post  domin icam 
letare,  que  erat  dies  xv  martii,  insinuaui  dominis  de  capitulo  capituli 
congregati  [fol.  121]  residentiam  meam  completam  fore  et  me  porro 
relaxari  ad  ambulandum  etc.  more  aliorum  petii.  Cum  hoc  iam  pre- 
tendebam,  decanus  cum  intellexit,  de  capitulo  surrexit  et  abiit  dicendo 
intra  hoßtinm  [ostium]  capituli  ad  me,  se  non  velle  interesse  huic 
actui,  non  in  despectum  meum,  quare  Uli  succensere  non  deberem, 
sed  debere  me  petere  ab  hiis,  qui  me  presentarunt,  que  intenderem; 
non  se  mihi  esse  molestum,  sed  se  contentari  ait  b  presenti  in 
persona  mea,  nec  quitquam  [quidquara]  contra  me  velle 
machinarl  Quibus  dictis  ad  ceteros  dominps  capitulares  vocatus,  ubi 
petii,  uti  supra  dixi,  me  ab  oncre  residentie  relaxare,  ex  quo  com- 
pleverim  more  ecclesiae,  qui  me  abire  parum  iubebant  dehberando 
se;  habita  deliberatione,  me  revocarunt,  et  dominus  plebanus  nomine 
capitularium  respondit,  completam  meam  residentiam  fore  et  dominos 
pro  sufficiente  eam  diiudicasse,  ideoque  se  me  ab  hoc  die  liberasse  etc. 
QuibuB  pro  hoc  cgi  grates  immortales.  Fuerunt  autem  hij,  quiapproba- 
runt  residentiam  meam  pro  sufficiente,  dominus  Eberhardus  becker, 
scolastieuß,  dominus  Georgius  Schwarzenberg,  cantor,  doctor  Conra- 
dus  hensell,  plebanus,  dominus  Erhardus  dincickhe)*mer  et  dominus 
Johannes  ugelnheimer,  hij  erant  capituli  congregati  et  petioni  meae 
annuerunt,  dominus  wilnawe,  alias  ruwenheimer,  uon  erat,  quia  tunc 
non  exibat  doinum;  dominus  Heimanus  ytzBtein  erat  maguntie,  vbi 
comparuit  in  causa  quadam  ut  produetua  testis. 


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§.  64.  ffol.  121]  Anno  domini  1499  penultima  martü  et  sabatho 
ante  pasce  ordinatus  in  metropolitana  ecclesia  sum  in  subdiaconum, 
ubi  etiam  legi  sub  officio  epistolam,  presente  in  eboro  domino 
Archiepiscopo  maguntino  Bertholdo  etc.,  ac  ministravi  eo  tunc  ad 
officium  ac  corpus  domini  sumpsi  satisfaciendo  pasce. 

§.  65.  [/ol.  121]  Anno  1499  vicesima  quinta  maji,  que  erat 
aabatbum  post  pentecosten  et  dies  S.  Vrbani,  [fol.  122]  reeeptus  sum 
in  capitulura,  consentiente  decano,  qui  et  me  inBtallavit  Et  illo  eodem 
die  in  vesperis  inchoavi  officium  meum  imponendo  in  vesperis  etc. 
Et  die  sequenti,  quando  celebrabatur  festum  sanetissime  trinitatis,  in 
matun'nis  et  secundis  vesperis  imponendo,  legendo  lectionem  etc., 
et  fuit  primum  meum;  in  missa  vero  ministraui,  legi  epistolam  et  hec 
prima,  quam  franckfurdie  legi.  Suscepi  etiam  illo  die  prima«  presen- 
tias,  videlicet  novem  h.,  pro  djacono  habui  d.  Heymanum  de  ytzsteyn, 
canonicum  ofifitiura  vero  celebrabat  decanus  Johannes  de  gryffenstein. 
Anno  99  in  die  nativitatis  b.  Marie  ministrauit  ad  offitium  mecum  d. 
Nicolaus  schell,  vicarius,  qui  legit  euangelium,  ego  vero  canonicam 
epistolam;  contigit  ex  eo,  quia  ego  ordinem  dyaconatus  non  habui. 
Anno  1500  die  28  [27]  decembris  et  die  veneris,  calculando  annum 
a  nativitate  christi,  ipsa  die  diui  Johannis  apostoli  et  euangelistc  gestiui 
primum  publice  a  choro  almusium  in  honorc  Jhesu  christi  ac  predicti 
diui  Johannis,  in  cuius  die  sum  natus,  qui  et  mihi  sortc  apostolus 
obuenit,  et  quia  canonici  munus  apostolorum  representat,  ego  mc  illo 
die  ut  canonicum  exhibui  [supple:  ejus],  cuius  fraor  sepius  intercessione. 

§.  66.  [fol  167]  Anno  döi  1501  dominica  invoeavit  et  ultima 
februarij,  prandio  iam  acto,  Genitrix  sua  sponte,  non  rogata,  nec  vllo 
instante,  sed  animo  deliberato,  donauit  magnum  missale  scriptum  et  in 
loci»  conuenientibus  notatum,  subduetum  rubco  corrio  et  decoratum 
monilibus,  in  quibus  arma  progenitorum  nostrorum  ex  linca  paterna 
formata;  item  casulam  rubcam  von  rottem  geblümten  Samat  cum 
alba,  stola,  manipulo,  humerale,  cingulo;  hac  die  et  anno,  quo  supra, 
donauit  mihi,  ut  premittitur.  Actum  presente  Agnete,  coque  nostre 
|coqua  nostraj.  Eodem  die  paulo  post  donauit  et  Missale  aliud  anti- 
quum  et  minoris  quantitatis  alio;  illo  die  post  vesperas  retulit  Bern- 
hardo  fratri  donationem  suam  mihi,  vt  premittitur  supra,  factam  a  sc 
et  donauit  Uli  duas  cistas  illo  tunc.  Eodem  die,  quo  supra,  cenavimus 
mater,  ego,  Carolus,  Martha  in  domo  Bemhardi  fratris  et  Vrsule  et 
ibi  publice  mater  omnibus  in  cena  retulit  supradictam  donationem  a 
se,  ut  premittitur  in  me  factam  etc. 

§.  67.  (fol.  122]  Anno  1501  sexta  martij  et  sabbatho  quatuor 
temporum  post  cinerum  fui  ordinatus  in  dyaconum  maguntic  ad  car- 


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melitaB,  ibi  contuiuo  legi  euangelium  et  ministraui  ad  officium  episcopo, 
qui  ordiiies  contulit. 

§.  68.  [fol.  122]  Anno  1501  die  vicesima  maij,  que  erat  dies 
gloriose  ascensionis  Jhcsu  christi  in  celum,  legi  franckfurdie  euange- 
lium pro  primo,  Johane  gryffensteyn  celebrante  offitium  et  domino 
Nicoiao  hugonis  legentc  epistolam. 

§.  69.  [foL  122]  Anno  1501  sexta  junij,  que  tunc  erat  sacra- 
tissime  trinitatis,  hic  in  ecclesia  diui  Bartholomei  apostoli  cecini  pri- 
mam  meam  missam  de  festo  predicto  et  habui  pro  adstante  dominum 
Johanem  gryffensteyn,  decanum  eiusdem  ecclesie,  et  pro  ministrantibus 
dominum  Heymandum  ytzsteyn  canonicum  et  dominum  Nicolaum  schell 
vicarium,  detulique  per  cireuitum  ecclesie  in  processione  caput  saneti 
Bartholomei  et  touui  secundas  vesperas  eiusdem  diei  vice  decani,  sieque 
compleui  opus  seu  ofiitium  sacerdotij,  divina  annuente  gratia,  precor 
autem  conditorem,  vt  hoc  primum  meum  offitium  vna  cum  reliqnis 
futuris  benigne  pieque  suseipiat,  vt  mihi  omnibusque  et  vniversis  con- 
ducat  in  vitam  et  gaudium  cternum.  Amen. 

d)  Tod  der  Elgin  Rohrbach. 

§.  70.  [fol.  171]  Anno  domini  1501  die  deeima  nona  decembris, 
que  exstitit  eo  tunc  quarta  dominica  aduentus,  domina  Eylchin,  relicta 
Bernhardi  rorbachs,  patris  mei,  primogenita  vero  ex  Conrado  hultz- 
husen  et  Anne  sachssen,  post  graues  languores  domino  suo  reddidit 
spiritum  corde  et  mente  quicta,  mca  unica  atque  amantissima  genitrix, 
quam  suseipere  in  synum  suc  gratie  dignetur  omnipotens,  pius  et 
prupitius  deus,  intime  oro;  obijt  autem  dicta  mca  genitrix  memorato 
anno  et  die,  precise  post  duodeeimum  iam  tactura  in  nocte.  [cf.  Bern- 
hards Familienchronik.  §.  124.] 

e)  Letzte  Krankheit  Job  Rohrbach'e. 

§.71.  [foL  17?]  Anno  domini  a  natiuitatc  auspicando  1502 
minui  sanguinem  in  vena  ea,  que  in  sinistro  pede  inter  magnam 
pedicam  et  eam,  que  Uli  proximior  adheret;  suseepi  enim  (ob  terro- 
rem  infirmitatis  matris  mee  et  mortem)  dolorem  latcris  sinistri  vehe- 
mentem, qui  per  minutionem  illam  mitigatus  est.  Actum  anno  supra- 
dicto  die  tricesima  decembris,  et  hec  minutio  est  prima. 

[Alia  manus  subseripsit:  et  ultima.  1636. 

Ut  solent  in  provectioris  aetatis  alteratione 

omnem  magna  coraitari  pericula. 
Job  hie  moritur  1602.  15  Maij.] 


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5.   Anna  und  Afra  Rohrbach. 


§.  72.  [fol.  4]  Anno  1494  scxta  augusti  velamina  sunt  imposita 
religiosis  sponsis  xvi,  Ann?  et  Affre,  sororibus  meis.  'Actum  zu  den 
wissenfrauwen  yn  der  Kirchen. 

§.  73-  [fol.  4]  Anno  1494  in  vigilia  Bartholome^  que  est  23  dies 
augu*ti,  mane  circa  horam  terciam  Anni  rorbecherin,  virgo,  soror 
mea,  obdormiuit  in  domino  franckfurdie  apud  virgines  zun  wissen 
frauwen,  de  quarum  nuniero  et  ipsa  erat,  cuius  anime  propitiari 
diguetur  miscricordissimus  deus.  Exequie  quoad  diem  primum  celc- 
brate  sunt  die  Bartholoinei  cum  vigiliis,  altera  die  missa.  Actum  zun 
wissen  frauwen.  Dies  repctitionis  excquiarum  cum  vigiliis  xxviii  au- 
gusti  et  cum  missa  xxix  peractus  est  iu  prcfata  ecclcsia. 

§.  74.  [fol.  9]  Anno  1494  vicesima  sccunda  nouembris  gab  mir 
myn  Schwester  Affra  zun  wissen  ffrauweu  eyn  zwyg,  gemacht  von 
*yden,  hatt  drij  wißgefolt  ackeleyen,  drij  eychlin  vnd  sust  zwo  roitt- 
gefolt  blumen  niyt  fyll  anderen  kleinen  blumchin. 

6.   Martha  Rohrbach. 

§.  75.  [fol  7|  Anno  1494  vndeeima  octobris  Martha  rorbecherin, 
soror  mea,  e  sacro  fönte  baptismatis  leuauit  infantem  Gissenhenn, 
quam  nomine  suo,  videlicet  Martha,  nuneupauit.  Mortua  est  infans. 
Non  eo  minus  vertun  est,  eo  quod  deletum  sit.  [Die  Notiz  ist  nämlich, 
wie  öfter,  im  Manuscripte  ausgestrichen.] 


7.   Karl  Hynsberg. 

§.  76.  [fol.  3]  Anno  1494  duodeeima  julii  natus  Vdalricus  hens- 
perg  ex  Karolo  hensperg  et  Agnete  neuhuserin.  Hanc  nativitatem 
retulit  mihi  Vdalricus  neuhusen,  dicti  infantis  compater. 

§.  77.  (fol  5J  Amio  1494  septima  septembris  obiit  Agnes  nuhusen, 
uxor  Karoli  henspergs. 

8.    Karl  Hynsberg's  Ehe  mit  Martha  Rohrbach. 

§.  78.  [fol.  21]  Anno  1495  die  undeeima  maij  yn  dem  klapper- 
garten Katherine,  relicte  Johanis  hulczhusen,  concluserunt  et  consen- 


serunt  mater  et  Karolus  henspurg,  ut  videlicct  Karolus  duceret  in 
uxorem  Martham,  sororem  meam,  presentibus  ibidem  Jacobo  neu- 
heuser,  Gilberto  hulczhusen  et  me. 

§.  79.  [fol.  21  j  Anno  1495  die  16  maij,  eratquc  dies  saturni,  synt  vor- 
sieglet worden  zwen  elichs  brieff  glichludent,  antreffen  Karlen  hens- 
purg vnd  Martha  rorbecherin,  myner  schwester,  vnd  von  Karies  wegen 
hatt  versieglett  doctor  Ludwig  zum  paradiß,  schulteyß  etc  myt  synes 
ambcz  siegell,  Ortt  zum  jungen  vnd  Conratt  nuhuß,  von  Martha  we- 
gen haben  vorsiglet  Gorg  frosch,  Haman  hulczhusen  vnd  ich,  Job 
rorbach,  yr  bruder,  vnd  ist  das  erstmall,  das  ich  gesiglet  hab,  den 
myner  schwester  zu  lieb  ließ  ich  das  Biegel  graben. 

§.80.  [fol.21]  Anno  1495  die  18  mensismaij,  cratque  dies  lune,  hatt 
man  von  beydcr  syttcn  frund  geladen  zu  follen  bringen  vnd  zu  bcschlies- 
sen  die  ehe  zwischen  Karlen  henspurg  vnd  Martlia  rorbecherin  myner 
schwester,  vnd  hatt  Karlen  syn  frund  durch  syn  knccht  lassen  laden 
vnd  myn  mutter  yr  frund  von  Martha  wegen  lassen  laden  durch 
meysterNiclassen  schorrebrant,  den  man  nent  den  armbruster  —  die 
jungfrawen,  die  nyt  zu  gehören,  die  ledt  man  durch  eyn  meyt  des 
morgents  —  vnd  synt  die  frund  geladen  worden  von  beyden  sytten 
des  morgencz,  also  das  man  die  man  von  beyden  sytten  hatt  gepetten 
zu  komen  zwischen  XII  vnd  cyner  uwer  zu  barfusscn,  die  frawen 
vnd  jnngfrawcn  yn  das  hu!3  myner  mutter.  Also  ist  ens  auch  folien- 
gangen. Vnd  so  die  man  von  beyden  sytten  zu  barfusscn  koment, 
schickten  sie  eyn  [fol.  22]  knecht  zu  den  frawen  yns  huß,  liessend 
fragen:  wer  ens  den  frawen  gelegent,  woltent  sie  komen.  Entbottent 
ynen  die  frawen  :  ens  wer  en  gelegen.  Da  thet  Gorg  frosch  eyn 
abred  also  luttent  yn  der  meynuug :  Alß  beredt  vnd  betteydingt  wer 
zwischen  Karlen  henspurg  vnd  jungfrawe  Marth  en  eyn  ehe,  mytt 
beyder  sytten  frund  radt,  wissen  vnd  willen  die  also  zu  beschossen, 
pett  er  sie  dar  by  zu  syn.  Des  sie  al  guttwillig  waren  vnd  gyngen 
von  den  barfusscr  yn  myner  mutter  huß  zu  der  brudt  vnd  den  frawen 
vnd  jungfrawen.  Da  ym  huß  thett  Gorg  aber  wie  for  eyn  abredt; 
nach  der  nam  her  Johann  brun  jungfraw  Marthen  vnd  Karlen  vnd 
gab  sie  zu  samen  zu  der  heyligen  ehe  vnd  war  eyn  sollich  fyrteller 
stund  nach  eyner  uwer  nachmyttag. 

Diß  hie  nach  geschrieben  synt  die  frund,  die  von  Karlen  hens- 
purgs  vnd  Martha  rorbecherin  wegen  gebeden  worden  zu  komen  zu 
dem  winckauff  ader  hantschlag,  vnd  wo  eyn  solich  o  bystett,  die 
koment  nyt   Vnd  zum  ersten  von  karlens  sytten : 
Guttgyn  heringen,  Karies  mutter. 


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123  — 


Karlen,  der  brudgamer,  \ 
o  Wigrint(noneratincivitate)  >    henspurg,  gebruder. 
Johan  ' 

Doctor  Ludwig  zum  paradiß,  schultheys, 
Asyn  heryngen,  gyn  husfrawe. 
Ort  zum  jungen. 

Kryngyn  heringen,  syn  husfrawe,  Karies  anfrawc. 

[fol.  23]  Conratt  nuhuß  1 

Margrett,  gyn  husfrawe,  >  gebruder. 
Virich  nuhuß  J 

Von  Martha  wegen  wurden  gebetten : 
Ey Ichin  rorbeclierin,  Marthas  mutter, 
Martha  rorbecherin, 
Job  rorbach, 

Be   hart   /    rorbach  wurden  nyt  gebetten,  den  sie  waren  nyt 
tt     (    ZU  ^ranc^^ur*  (era*  namque  Bernhardt  in  via  ex- 
1    eundi  italiam,  Conradus  vero  erat  venetns). 
Katherin  hulczhuserin  zu  goltsteyn. 

Haman 

Margret,  syn  husfrawe, 
Gylbrecht 

o  Kryngin  zu  Spangenberg  in-  }  hulczhuser. 

firma  erat, 
o  Eylchin,  yr  tochter, 
Margrett  zum  thorn 


Gorg 

Gorg,  syn  sun, 
o  Wickerward  nyt  gebetten,  den! 
er  war  nytt  yn  der  stadt, 
Enchin,  i  .  , 

Magret,  j  dochter' 

Wolff 
Enchin,  i 

Agnes,    i  syn  dochter 
Lysz,  \ 
o  Mylchar,  syn  sun,  ward  nyt  ge-l 

betten,  den  er  war  auch  nyt' 

hie. 


frösch. 


blüm. 


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-    124  - 

o  Hen  1 

o  Kryngyn,  syn  husfrawe,        i  gachg) 

°  J^J^y11  T  j^j  n0Q  veniebaut  allegabant 

o  Kryngyn  /  '  ... 

■»     .  causam  luctus,  sed  causa  lila 

o  Luwig,  svn  sun,  war  nyt  ge-l  , 

,  ?     "  j  .1  non  excusat  plene. 

laden,  den  er  war  nyt  zu  1  1 

franckfurt.  / 

o  [fol.  24]  Doctor  Jobann  glauburg  non  erat  in  civitate. 
Johann  von  holtzheymer. 
Katbcryn,  die  alt  rorbeehcrin.    [§.  87] 

Die  jungft'rawen,  die  nyt  zu  gehörten  vnd  doch  geladen  warent: 

ICristyn  froschin  zum  burgreffen, 
Kryngyn  stralnbergcryn, 
Kryngyn  dyrmeyenn, 
Kryngyn  humbrechtin. 

Die  jungen  gesellen,  die  lud  Karlen  alle,  nach  dem  der  hant- 
schlag geschehen  war,  welche  anders  uff  der  stoben  den  selbigen  tag 
waren,  vnd  koment  zum  nachtmall,  die  hernach  geschrieben : 

Jacob     t       t  n 

Gorg     \   noDuP,  gebruder. 

Georg  martroff. 
Johann  hau. 
Ambrosius  glauburg. 
Conrat  zum  jungen. 
Philipps  ogelnheymer. 
Bernhart  wyß. 

philipps  von  stocken,  nobilis,  inuitatus  per  matrem  et  ille  le- 
gittimus  est. 

her  Johann  brun,  inuitatus,  quia  despondit  iste  sacerdos. 

§  81.  [fol  28]  Solemnizatio  matrimonii  Karoli  et  Martha. 

Anno  14Dö  prima  die  julii,  que  est  vigilia  visitacionis  b.  Marie, 
post  horam  octavam  raane  in  facie  ecclesie  solemnizatum  est  matri- 
monium  Karoli  henspürgs  et  Marthe,  germane  mec.  Et  cum  Karolo 
ad  ecclesiam  iuimus  frater  meus  Bernhardus  et  ego  et  non  alius,  cum 
sororc  inater  nostra,  soerus  sua  una  cum  Anna  et  Agnete,  filiabus 
Wolf  bllimes.  Deinde  sexta  julii  eodem  anno,  quo  supra,  nuptie  acte 
sunt,  ita  videlicct :  vocati  ad  nuptias,  ederunt,  biberunt  ac  trepudiarunt 
in  curia  dfli  archipresulis  treuerensis,  vulgo  monezhoff  dicta. 
spousa  vero  sponso  est  apposita  in  domo  wixhuserhoff  publice 
nuneupata,  in  camera  picta,  sita  super  testudinem.  Ego  autem  nuptiis 


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penitus  non  interfui,  febribus  prepeditus,  sed  cum  sponsaapponebatur 
sponso,  ego  occultatus  sub  lectu  [fol.  29]  extraxi  dextrum  calceum, 
Jacobus  nuhusen  me  prevenit  extrahendo  sinistrum  et  ille  rectiua 
me  egit,  cum  tum  dedit  Gylberto  hulezhusen. 

§.  82.  [fol.  29J  Anno  1495  decima  nonajulii  Martha  rorbecherin, 
soror  nostra,  traducta  est  ad  curiam  Karoli  henspurga,  mariti  sui,  der 
foden  h  o  ff  nuncupata[mj. 

9.   Kinder  dieser  Ehe. 

§.  83.  [fol.  69)  Anno  1496  in  die  diue  Barbare  virginis,  que  est 
qoarta  dies  decembris,  natus  est  ex  Karolo  henBpurg  et  Martha,  sorore 
mea,  Ludwicus,  primogenitus maxime  Marthe,  habuit  namque  Caro- 
lus  antea  duas  vxores.  Quinta  decembris  baptismate  renatus  est.  E 
fönte  baptismatis  suscepit  infantulum  Ludwicus  de  paradiso,  iuris 
vtriusque  doctor  ac  miles  huius  opidique  scultetus.  Deinde  anno 
1497  die  16  octobris  peperit  Carolum,  de  quo  latius  in  chartalOl; 
obijt  [fol.  KU  :  Anno  1497  die  sedecima  octobris  natus  est  secundo- 
genitus  Caroli  et  Marthe  sororis  infra  XII  et  primam  horas  de  die; 
vocatus  patris  sui  nomine  videlicet  Carolus  hjTisperg.  Infantis  com- 
pater  Dyß  hengyn.  Arbitror  infantem  17  eiusdem  baptizatum,  me 
tunc  wormatie  existente.  Mortuus  est  infana.]  Anno  1499  decima 
quinta  junij  genuit  filiura,  quem  et  Karolum  noininauit,  vide  in  141. 
[fol.  141 :  Anno  1499  sabatho  et  decima  quinta  junij  cx  Karolo  hens- 
perg  Martha,  soror  mea,  genuit  filium  suum  Karolum  ante  horam  duo- 
decimam  de  die ,  qui  baptizatus  die  dominica  sequenti.  Compater 
infantis  est  Michel  schwartzenberg,  et  is  iu  genitura  tertiua  est  filius 
Marthe  in  ordine;  obiit  paulo  post.J  Anno  1500 peperit  Ort  13  iunij, 
de  quo  in  charta  154.  [fol.  154:  Anno  1500,  anno  iubileo  et  bisextili, 
peperit  Martha,  soror  mea,  ex  Karolo  hynaberg  quartum  filium  trede- 
cima  iunij,  qui  baptizatus  die  sequenti,  que  erat  dominica  trinitatis. 
Nomen  nati  estOrtt;  compater  estOrtt  zum  iungen  senior  et  viduus, 
in  octobri  obiit  eodem  anno.] 


10.  Städtische  Dienste  Karl  Hynsberg's. 

Wahl  zum  älteren  Bürgermeister  §.  124. 

§.  84.  [foL  138J  Anno  1499  in  die  inuentionis  sancte  crucis  et 
tertia  maij  Karolus -hynsperg,  affinis  meus,  arripuit  itter  ad  oberlingen, 
raisBus  a  consilio,   quem  plures  comitati  sunt  vsque  ad  Saltum 


-    126  - 


cerui,  inter  quos  etiam  ego  cum  illia  pariter  equitaui  super  equum 
Jacobi  neuhusen,  magistri  ciuium.  Mulieres  etiam  curru  vehebantur, 
videlicet  mater  Karoli  et  vxor  sua,  mater  raea  et  vxor  Michael 
Schwarzenbergs. 

11.    Wahnsinn  von  Johann  Hynsberg,  Karls  Bruder. 

§.  85.  [fol.  83]  Anno  1497  quinta  martij  et  dorainica  L«?tare 
Iohann  hynttberg  post  altercationem  et  insolentias  in  domo  habi- 
tas  alapas  in  domo  iustissime  accepit,  deinde  post  vesperas  in  foro 
ante  pretorium  apprehensus,  publice  per  pedellos  magistratuum  ductus 
in  carcem  sancti  Spiritus,  depost  decima  sexta  maij  eodem  anno  de 
carcere  laxatus  et  emissus  est  Depost  vero  sequenti  anno  in  mense 
Januarij  itterum  carceri  includitur,  in  quo  nunc  residet,  actum  me 
existente  wormatie    [cf.  §.  33.  34.]. 


12.   Tod  der  Guttgyn  Hynsberg,  Karls  Mutter. 

§.  86.  [fol.  160]  Anno  1500  sedecima  decembris  obijt  honesta 
Guttgyn  heryngen,  relicta  karoli  hynßbergs.  Reliquit  filios  duos, 
Wigandum  videlicet  et  Carolum  sororium  nostruin,  et  Annam,  vxorein 
quondam  domini  Johannis  reiß,  aduocati  huius  oppidi. 

13.    Conrad  Rohrbach. 

§.  87.  [Nicht  numerirtes  Vorblatt]  Anno  1493  octava  aprill 
abiit  primum  Conradus,  frater  meus,  de  franckfurdia  ad  Augustam, 
de  Augusta  Venetias,  de  Venetiis  rediit  franckfurdiam  in  anno  1498 
in  mense  martij.  Ibidem  duravit  usque  diem  octavatn  junii  anni  jam 
dicti.  £a  die  adduxit  eum  secum  Ludwicus  martroff  ad  Alemaniam 
Bassam. 

[Conrad  weilt  zu  Antwerpen  §.  10.] 

14.    Tod  der  Katharina,  Heinrich  Rohrbach's  Wittwe, 

Jobs  Tante. 

§.  88.  [fol.  157]  Katherina  Rorbechin.  Anno  1500  sexta  octobris 
ac  die  martis  noctu  vndecima  hora  vel  circa  eam  obijt  Katherina, 
relicta  Henrici  rorbachs,  patrui  mei,  et  septima  eiusdem  mensis  ae- 


pulta  est  in  ecclesia  nostra  comitatumque  funus  fuit  cum  sacerdotibns 
ac  scolaribus  etc.  [cf.  Bernhards  Familienchronik  §.  86  seq.] 

15.    Grundbesitz  der  Familie  Rohrbach. 

§.  89.  [foL  5]  Anno  1494  xxviii  augusti  locauit  mater  Celaria 
in  domo  Ernfelß  duo  illa  contigua  Wolff  brente  pro  v  fl.  ad 
annum  iiii,,ID,  incipiet  autein  annus  currere  ipso  die  Mihael  proximi 
venturi,  locauit  autem  certis  condicionibus,  de  quibus  ipsa  nouit. 

§.  90.  [foL  34]  Anno  1495  in  mense  augusti  hat  die  mutter  die 
zwen  herd  zu  ernfelß  myt  schyffersteyn  lassen  beseczen  vnd  gancz 
neuwe  machen,  auch  eyn  neuwe  blanck  lassen  machen  im  Esch- 
heimerhoff  vff  der  lynckten  sytten,  alß  man  zu  hoff  yn  gett,  fahct 
daselbst  neben  dem  stall  anvndstoat  an  reckklessen  scheuwer,  auch 
hatt  sie  die  spicher  ym  hoff  lassen  bynden,  wo  ens  noitt  ist  gewest. 
[Eodem  anno  die  16  mensis  nouembris  hat  myn  mutter  zwen  neuwe 
steynstock  vor  den  keller  zu  Ernfels  lassen  machen,  not.  margin.] 

§.  91.  [fol.  35]  Anno  1495  die  3  septeinbris  ist  eyn  gancz 
neu  wer  offe  ußgemacht  vnd  bereydt  worden  yn  der  grossen  stoben. 

§.  92.  [fol.  50]  Anno  dnj  1496  in  die  cathedre  beati  Petri,  erat- 
qne  tunc  dies  lune  post  dominicam  inuocauit,  feci  annectere  stubelle 
raee  seram  cum  duabus  clavibus  [duabus],  pro  hijs  solui  octo  ß. 

§.,93.  [fol.  59]  Anno  1496  hat  myn  liebe  mutter  den  hoffyn 
der  Escheymergassen  ynwendig  vnd  vßwendig  vnd  desglichen 
die  spicher  vnd  stel,  scheuwer  vnd  yn  allen  zynßhuseren  darby 
lassen  bynden,  machen,  kleyben,  wedderbarten,  estrichen,  vßgenomen 
das  hynderst  zynßhuß  im  gesslyn,  das  also  onreyn  ward  gehalten 
durch  die  daryn  wonnend,  das  man  dar  vmb  nyt  mocht  das  selbig 
hui*  myt  estrich  beschlagen;  sust  syn  die  andern  zwey  hußlin  myt- 
sampt  dem  hoff  gancz  vßbereyt,  auch  zwen  ganzer  neuwer  offen 
gemacht,  eyner  yn  die  stoben  des  huß,  das  ym  hoff  lyt,  der  ander 
yn  das  huß  zwischeym  hoff  vnd  dem  eck ;  auch  den  hoff  ynwendig 
vnd  vUwendig,  vor  vnd  [suppl.  die]  zynßhusser,  wo  sie  czur  gassen 
zu  gan,  lassen  wissen  vnd  malen,  auch  forn  an  hoff  myns  vatter 
seligen  vnd  yr  wappen  lassen  mallen,  dar  uor  gab  sie  viü  ß,  vnd  ist 
der  hoff  gancz  vßbereyt  worden,  wie  obstet,  die  vicesima  octaua 
julij  anno,  quo  supra. 

§.  94.  [fol.  64]  Anno  1496  prima  octobris  duplicate  value  circa 
fenestras  anterioris  partis  maioris  stube  erecte  ac  perfecte  sunt  Eodem 
anno,  antea  videlicet  quam  value  erigebantur,  stuba  magna  et  aula,  que 


128  - 


precise  ante  stubam  est,  wulgariter  der  ern,  dealbate  et  coloribiiB 
variis,  vt  vides,  colorate  sunt. 

§.  95.  [fol.  85]  Anno  1497  in  martio  et  apprili  hat  myn  mutter 
lassen  das  dach  heben  ober  dem  stall  ynn  vnserera  huß  vnd  etlich 
neuwe  balcken  vnd  suellen  darunter  lasseu  ziehen. 


16.   Besitz  und  Vermögensverhältnisse  derFamilie  Rohr- 
bach im  Allgemeinen. 

§.  96.  [fol.  3]  Anno  1494  die  junii  xv  tradidit  mater  binas  sigil- 
lätas  litteras  Nicoiao  armbruster,  unas  super  iiii  morgen  et 
xxxvii  rudon  bratorum  [pratorum],  »ecundas  impignoratas  pro  vi  flo- 
renis,  videlicet  caveant  de  xii  achtel  vel  malder  siliginis,  sed  sunt 
impignoratae,  quousque  de  littcris  aliis  caventes  [caventibus?]  de  sex 
florenis  mater  prouideatur  [provideat].  Item  habuit  et  antea  diu  litteras 
caventes  desuper  iij  flor. 

§.  97.  [fol.  8]  [Anno  1494  duodeeima  novembrisj.  Item  hat  myn 
mutter  Gylbrechte  die  schnydbanck  geluwten. 

§.  98.  [fol.  45]  Anno  1495  die  tricesiraa  decembris,  an u um  ab 
initio  ianuarij  inchoando,  solui  ex  parte  matris  exaetionem, 
quam  domini  de  consulatu  imposuerunt  eodem  anno  et  solui  novein 
aureos  et  duodeeim  solidos,  et  vi  d.  pro  xviii  15  census,  quem  censum 
soluit  magistcr  iohannitarum,  et  hij  restituent  eosdem  vi  d.  Haue 
solutionem  feci  in  stubella  vff  dem  romer  sederuntq.  ex  parte  con- 
sulatus,  qui  hanc  exaetionem  a nie  reeeperunt,  Cristianus  fo Icker, 
tanquin  scabinus,  Johann  zum  iungen,  tanquain  domicellus 

et  Scheffer  hen  senior,  vt  vnus  ex  plebeijs,  et  tan- 

quam  scriptor.  Jn  alia  stubella,  in  qua  picti  sunt  prineipes  Becundum 

ordinem,  sederunt  Ortt  zum  iungen,  tanquam  scabinus  

Eisdem,  dempto  quod  non  erat  CriBtianus  foleker  eodem  in 
loco,  et  eandem  quantitatem  videlicet  viiij  fl.  17  h.  ex  parte  matris 
solui.  Actum  anno  domini  1496  die  decembris  vicesima  [1.  tricesima]. 

§.  99.  [fol.  53]  Anno  1496  die  octaua  hab  ich  possesion  ent- 
phangen  von  wegen  myner  mutter  von  dem  schultheyssen  vnd  schef- 
fen  zu  kaldebach  by  bonmeß  vber  die  x  achtel  korngiüte,  die  myn 
mutter  kaufft  hatt  vor  hundert  gülden  vmb  Cuncz  schwalbach  iuxta 
litteras,  quarum  initium  151:  Joh.  Cuncz  von  Bchwalbach  vnd  ich 
Else  etc.  et  finis  litterarum  est:  Geben  nach  christi  vnsers  herren 
geburt  dusent  vierhundert  nunzig  vnd  sechs  iar  vff  fritag  nehst  noch 
vuser  lieben  frawen  tag  zu  latin  genant  anuntiationis.   Aderat  ibi 


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—    129  - 


Waltherus  de  fisch born,  priraua  officialia  in  bonmeU,  quem  et  acul- 
tetua  et  acabini  et  venditor  rogarunt  pro  sigülo  et  venditoria  vxor, 
preaente  me  et  Nicoiao  achorrebrant,  vulgo  Niclaa  armbru- 
ster genannt,  qui  ob  eorum  precea  aigilluin  auum  appendit 

§.  100.  [tbl.  63]  Anno  1496  ö.  aeptembria  aigillaui  octo  quitan- 
tiaa  matri.  Prima  x  fl.  sub  titulo  reemptionia  in  geylnhuaen;  aecunda 
xiü  fl.  coutinebat  ad  vitam  matri»;  tertia  xx  fl.  aub  titulo  reemptionia 
in  vlma;  quarta  xiü  fl.  ad  vitam  matris  in  norenberg;  quinta  xiü  fl. 
ad  vitam  meam,  olim  etiam  ad  vitam  Anne  aorororia,  in  erfordia; 
»exta  xiiii  fl.  aub  titulo  reemptionia  in  erfurdia;  aeptima  xiü  fl.  ad 
vitam  Bernhardi  fratria  in  erfurdia;  octaua  x  fl.  8ub  titulo  reemptionia 
in  hochheym.  Fratri  mco  aigillaui  vnam  quitantiam  auper  8  fl.  ad 
ritam  auam  et  matria  in  erfurdia.  Anno  1498  aigillaui  decem  quitau- 
tiaa  matri,  fratri  duaa. 

§.  101.  [fol.  66]  Anno  1496  hab  ich  eyn  gewalczbrieff  versiegelt 
zu  vorzyhen5  vff  zwen  morgen  ackera  vnd  fünf  fyrtell  raynner 
iiü  rüden,  gelegen  ynn  der  bockenheymer  termyni,  die  myn  mutter 
vor  ym  iar  1490  verkauffit  hatt  Claaaen  mertcllern  vnd  Heu  ym 
hoff,  der  iunfirawen  zu  wyaaen  frawen  lantaydell,  vnd  hatt[en]  die  buwe- 
cen  keyn  genügen  dran,  aie  werent  dan  noch  gewonheytyr8  gerichtcz 
gewert.  Darvmb  gaben  Bernhart,  myn  bruder,  vnd  Martha,  rayu 
achweater,  myr  eyn  gewalczbrieff  von  yrcr  zweyher  wegen  zu  vorzy- 
hen ;  alao  bracht  ich  diaaen  gewalczbrieff  vor  daa  siezen  gericht  zu 
bockenheym,  den  liesaen  aie  zu  vnd  darnach  vorzieh  ich  von  wegen 
myna  brudera  vnd  achweater  vnd  mynet  wegen.  Alao  wurden  wir  vi* 
dem  laut  von  gerichcz  wegen  druü  geaetzt  vnd  die  obgenanten  bue- 
ren  dryngeaeezt  vnd  den  gewalczbrieff  wolt  myr  daa  gericht  nyt 
widder  geben.  Actum  anno  1496  die  octaua  nouembria.  Von  myna 
bruder  Conracz  wegen  könnt  ich  nyt  vorzyhen,  den  er  waa  zu 
Venedig. 

§.  102.  [tbl.  69]  Anno  1496  die  viceaima  decembria  aolui  exae- 
tionem  ex  parte  matria,  videlicet  nouem  flor.  duodeeim  l>.  et  vi  h., 
dominia  de  conaulatu  traddidique  Johanni  zum  jungen  et  Schef- 
fer benu  et  aderat  «eriptor  Johannca  achncglin.  Cristianua  fol- 
cker  debebat  adesse,  aed  uon  erat.  Actum  in  prima  stubella  veraua 
gradus  vff  dem  Romer,  vide  supra  in  anno  95.  [§.  98.]  Die  30  de- 
cembria tandundem  [1.  tantundemj  ex  parte  matris. 

§.  103.  [fol.  84]  Anno  1497  deeima  quarta  martij  aigillaui  matri 
octo  quitantias,  primam  de  x  fl.  titulo  reemptionia  in  ciuitate  geylu- 


»  verzichteu. 

9 


• 


—    130  — 


Imsen,  secundam  xx  fl.  sub  titulo  reeraptionis  vlme,  tertiam  xiü  fl. 
ad  vitara  matris  norrenberge,  quartam  de  x  fl.  rediraendis  in  villa 
hocheym,  quintam  xiü  fl.  ad  vitam  matris  argentine,  sextam  xiü  fl. 
iid  vitam  meam  et  Anne  sororis,  nunc  defuncte,  erfurdie,  septimam 
de  xiü  fl.  redimendis  erfordie,  octauam  xiü  fl.  ad  vitam  fratri«  Bern- 
Ii  ardi  erfurdie.  Fratri  sigillaui  vnam  de  octo  fl.  ad  vitara  suam  et  matris. 

Anno  1498  ipsa  die  Petri  et  Pauli  sigillaui  matri  quitantias  8  de 
20  fl.  sub  titulo  reemptionis,  quos  praestant  vlmenses,  debitos  autern 
ipso  die  natiuitatis  Johannis  baptiste. 

Dum  vero  ego  wurmatie  fueram,  sigillauit  frater  Bernbardns 
quedam,  que  nescio,  attamen  alias  nihil  preter  quitantias. 

§.  104.    ffol.  86 j    Anno  1497   die  uona  appril   solui  ex  parte 
matris,  fratris  Bemhardi,  Boler  hens,  Agnes,  coque  nostre,  et  All, 
Cuncz  flecken  tochter  von  sprcnlingen,  in  solutionem  regii  exactio 
nis  iuxta  decretum  a  tota  vniversali  congregatione  iraperij  worniati«- 
ordinatum,  videlicet  in  anno  1495,  videlicet  quilibet  in  bonis  haben« 
quingenta  soluat  medium  aureum  renensem,  habens  mille  soluit  aureum. 
et  si  vltra  mille  millia  habcret,  non  tarnen  prestaret  nisi  aureum, 
habentes  vero  minus  quingentis  vel  etiam  nihil  habentes,  vt  famuli 
et  famule  alüque,  dummodo  etatera  quindecim  annorum  habeant 
soluit   queque   persona   vicesimam   quartam    partem   fl.  renensis. 
Sicque  ego  die  prefata  pro  me  solui  1  fl. ,  pro  reliquis  quatuor  per- 
Ronis  iiii  1>  monet?  franckfurdensis.  Hij  |?]  autem  ordinati  erant  a 
consulatu  pro  colligenda  dicta  exactione  (xeorgius  froscli,  affinis 
meus,  tamquam  scabinus,  Hamandus  hulczhusen,  cognatu» 
meus,  vt  domicellus,  et  quum  solui  ego,  eo  tunc  non  erat  preaens 
Bechten  iohannes,  tamquam  de  vulgaribus.  Et  quidem  aderat 
scriptor  Johannes  schneglin.    Hecquc  prima  est  solutio,  quam  nos 
pretati  soluimus,  sie-  enim  soluetur  ad  quindecennium  iuxta  ordina- 
tionem  supra  dictam.  [Spätere  Notiz:]  Sed  depost  nünime  practica- 
tum,  eo  quod  peeunie  hec  non  vertebantur  in  publicum  profec- 
tum  etc. 

Dienstboten  im  Rohrbach'schen  Hause. 

§.  liß.  |fol.  G9|  Anno  149C  die  deeima  nona  octobris  hennanus 
de  Liech  locauit  operas  suas  matri,  die  vero  17  decembris  abijt  de 
vuluntate  matris. 

(Diebstahl  einer  Magd  des  Hynsbergischen  Hauses  §.  147.] 
§.  1(X>.    [toi.  1  IT  |    Sedecima  julij  anno  1498  Hensell  juuenis 
noster,  filius  Cremer  hens,  abijt  de  domo  nostra,  non  petita  venia 


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et  insalutato  hospite,  adeo,  quo  se  contulerit,  ignoremus ;  nec  quitquam 
abstulit,  sed  vestibus  exiguis,  non  etiam  indutus  caligis,  sed  camisia, 
toga,  pallio  et  capotro  indutus  abijt. 

§.  107.  [fol.  124]  Anno  1498  decima  quarta  octobris  ist  mir 
stompfflichen  anbracht  durch  Eylchin  von  sprendelingen,  wie  sie  sich 
filhcht  ongeuerlich  mit  Worten  vorlauffen  mag  haben  gegen  Giessen 
henn  [cf.  §.  26  u.  75] ,  die  Ee  berurn,  doch  glaub  sie  nit,  das  schaden 
bring,  oder  wie  dem  allen  hab  sie  eyn  ring  von  im  genomen  vnd 
besorg  sich  vß  syner  red,  sie  hab  mer  vnd  witter  geredt,  dan  sie 
vonueynet  Darumb  so  er  sie  haben  woll,  woll  sie  im  gefolgig  syn  etc. 
Uff  das  hab  ich  noch  irem  brudcr  vnd  ires  bruders  schwer  [swßher] 
(geschickt  vnd  den  bruder  gegen  ir  widder  vertragen,  der  den  fast 
on willig  war,  das  sie  von  solichem  handel  im  noch  vnß  keyn  wissen 
gethan  hat,  noch  dem  giessen  heu  befoln  [foL  125]  syn  frund  mit 
im  zu  bringen;  hat  er  also  bracht  sin  vater  Cunczen  zinghen  vnd 

hansen  siner  Schwester  man,  myn  geuatter.  Da  sie  also  by 

ein  ander  qwamen ,  noch  filen  furhaiten  vnd  nach  Gelegenheit  irrer 
beider  ist  nichts  witter  beschlossen  worden,  dan  das  eyn  kuntschafft 
abgeredt  ist  worden  noch  gewohnheit  disser  stat  zwischen  innen,  wo 
sie  Kind  gepur,  die  will  auch  dergemelt  giessen  henn,  [suppl.  der]  zwo 
dochter  von  der  furderigen  frawen  hett,  vnd  das,  so  ens  eyn  erbar  ratt 
hie  verwilliget  vnd  zugeb,  sust  so  ens  nit  zugelassen  durch  den  ratt 
wurd,  sal  ens  noch  gemeynen  rechten  vnd  gewonheitt  gehalten  wer- 
den. Noch  dieser  abredung  byn  ich  vud  zinghen  von  frunden  Eyl- 
chin das  also  zu  eroffnen  verordenet  wordeu,  das  ich  auch  also  in 
myner  mutter  kochen  gethan  hab  in  by  wesen  des  icz  genanten  zing- 
hens  vnd  der  gedachten  Eylchins  Schwester,  vnser  meyt  AgneUeu 
[§.  104],  vnd  eyner  frawen.  Als  aber  solichs  gescheen  war,  begerten 
die  frund,  das  der  hantschlag  geschee,  vnd  hatten  mich,  Jop,  das 
ich  sie  zusamen  geb,  das  ich  den  also  gethan  hab  vff  den  obgemel- 
ten  tag  vmb  drij  wuer  [Uhr]  noch  mittag.  Actum  hec  omnia  in  domo 
nostra,  der  wixhuser  hoff  genant,  in  presentia  pr^dictorum, item 
et  Jacobi  nehusen,  viri  consularis,  et  meister  Niclaß  armbruster, 
quos  specialiter  ego  huic  cause,  vt  'Interessent,  vocaui;  mater  etiam 
huic  actui  pro  tunc  interfuit.  Vnd  das  die  erste  Ehe,  die  ich  gemacht 
vnd  zu  sam  geben  hab,  got  geb,  das  wolgerat  Amen. 

§.  106.  [fol.  126]  Barbara,  Hanl*  kneyffen,  doliatoris  ac  incole 
opidi  huius,  et  Eliten  filia,  introijt  domura  nostram  ad  famulandum 
genitrici  als  eyn  vndermeyt,  24  octobria  anno  1498.  Abijt  de  post, 
kathedra  Petri,  anno  99. 


9* 


II.    Frankfurter  Sachen. 


1.  Zeitgeschichtliches. 

§.  109.  [fol.  3]  Anno  1494  die  junij  14  wormatienses  iurarunt 
fidelitatem  serenisaimo  regi  Maximiliano  etc.  solutique  sunt  a  ditione 
palantini,  si  est,  vt  fertur. 

§.  110.  [fol.  73]  Anno  1497  prima  ianuarij,  vt  arbitror,  obiit 
generosus  comes  Johannes  de  ysenberg,  frater  comiti»  Ludwici  de 
ysenberg,  dominus  in  budyngen. 

2.  Das  Reichskammergericht  in  Frankfurt. 

§.  111.  [fol.  38 J  Anno  1495  in  mense  septembre  consules  franck- 
furdenses  aulam  ad  caraeram  in  domo  zu  brunfels  conduxerunt  qua- 
tuor  annis  ea  lege,  vt  pro  quolibet  anno  30  fl.  exsoluerent  pro 
mercede,  et  si  intra  prefatos  anno»  renuntiarent  conductioni,  tunc 
ydificata  manebunt  dominis  domus  et  censum  pro  temporis  rata  soluere 
tenentur.  Hac  conuentione  habita,  mox  macliina  et  sedes  cum  scamnis 
construuntur  pro  iudice  camerc  regalis  et  assessoribus.  Stacio  etiam 
propria  pro  procuratoribus  seu  oratoribus  causarum  ordinatur.  Et 
fenestris  ornatur  deinde  iudicis  tribunal  et  asscssorum  et  tabellionum 
scamna  pannis  decorantur.  Novus  ascensus  ad  aulam  per  gradus 
struitur.  Hec  aula  sie  expedita  iudici  regalis  iudicii  et  suis  assessori- 
bus est  deputata,  in  qua  audit  causas  et  sententias  profert.  Anno 
1495  vltima  septembris  ascendit  Serenissimus  [fol.  39]  Maximillia- 
nus,  romanorum  rex,  aulam  et  iuramenta  a  generoso  domino,  do- 
mino  Yttell  Friderich  de  zolert  comite,  tamquam  iudice  aeeepit 
et  ab  Omnibus  assessoribus  aduocatis  procuratoribus  et  tabellionibus 
sieque  prefati  omnes  regi  in  propria  persona  assistenti  iurarunt  et  [?] 
verum  in  hijs,  qui  tunc  aderant,  hij  vero,  qui  neglexerunt  vel  non 
aderant,  depost  iudici  iuramenta  prestiterunt. 


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133  — 


§.  112.  Deinde  tercia  die  nouembriß  anno,  quo  supra,  genero- 
sus  dominus  comes  de  zoler  iudex  aulam  asccndit  et  iuramenta 
prestitit  quibusdam  aasessoribus  et  uni  ex  tabellionibus,  qui  antea  non 
iurarunt,  dehinc  in  suara  sedem  sedit  et  assessores  partim  ad  dexteram 
locauit,  et  hi  erant  doctorea,  partim  ad  sinistram  et  hij  nobile»  erant, 

uon  tarnen  doctores,  eratque  unus  ex  nobilibus  comes  dictus  

de  Ebersteyn.  Cumque  sedebant,  mandauit  iudex  procuratoribus ,  ut 
causas  iuxta  normam  ipsis  traditam  wormatie  agitarent,  et  si  in  ea 
emergeret  quis  defectus,  emendaretur  per  eum  successu  temporis. 

Et  primam  doctor  engelender,  fiscalis  regia,  agitabat  causam 

ex  parte  regie  maiestatis  tanquam  actoris  aduersum  comitem  

de  mörß.  Et  in  hac  prima  audientia  sedebat  iudex  prefatus  cum  quin- 

que  doctoribus  in  dextra  et  comes  de  ebersteyn  cum  tribus 

nobilibus  in  sinistra  iudicis.  Item  aderant  duo  scriptores,  qui  acta, 
quae  aguntur  in  iuditio,  scribebant,  quorum  vnus  Johanes  starck, 
alter  Ambrosius  dietherich  appellatur,  et  hij  duo  secretarij  dicuntur. 
AliuH  etiam  erat  scriptor,  qui  instrumenta  legebat  publice.  Erat  et  quar- 
tus  et  iste  specialis  erat  scriptor  iudicis.  Item  erat  et  pedellus.  Item 
aderant  octo  procuratores  seu  oratores  causarum.  Et  hec  fuit  prima 
cessio  iudicis  seu  prima  audientia  camere  regalis;  licet  wormatie 
sepius  audientiam  dederit,  tarnen  revera  non  nisi  ymago  hujus  fuit, 
ut  omnibus  patet.  Hoc  acto,  ex  camera,  que,  adhpret  aule  prefat?, 
stuba  formatur,  ornatur  [fol.  40]  fenestris  et  scamnis  etc.  et  in  ea 
causas  et  sententias  tractant. 

§.  113.  Anno  1495  27  die  nouembris  prestitit  comes  Yttell 
Friderich,  iudex  regalis  iuditij  camere,  iuramenta  Jacobo  leyer  et 
Cunz  schryner  tamquam  cursoribus,  qui  iurarunt  die,  quo  supra. 
Anno  1495  die  secunda  nouembris  doctor  Bernhardus  scheflerlyn 
prestitit  iuramentura  assessoris,  et  iurauit  quidam  nuntius  eodem  die. 

§.  114.  Secunda  nouembris  Anno  1495  hatt  des  romischen 
konigs  perseuant  alle  phede  bricfF  von  romer  abgenomen  vß  vrsach, 
das  vnser  her  der  konig  alle  phede,  die  disse  statt  vff  das  mall  hat, 
hingelacht  hatt 

§.  115.  [fol.  88]  Anno  1497  duodeeima  maij  marchio  Iacobus 
.  ...  de  baden,  Iudex  iuditij  camert?  vna  cum  aBsessoribus  vltimam 
prebuerunt  audientiam.  Ex  eo  enim  die  iuditium  camere  translatum 
est  a  franckfurdia  wormatiam. 

§.  116.  [fol.  90]  Eodem  die  [sc.  corporis  christi  et  vicesima 
quinta  maij  anno  1497]  inuitavit  Eberhardus  de  busestheym  et 
G-uttgyn,  uxor  sua,  ad  cenam  ad  ortum,  quem  habet  extra  muros, 
dictus  nydennawe,  videlicet  marchionem  lacobum  de  baden  supradic- 


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-    134  - 

tum  (qui  secum  habuit  den  dorlinger  et  duou  alios  nobile«  sibi  ser- 
uientcs  ad  tabulam),  doctorem  [fol.  91 1  de  nideck,  Iohannem  pleniger, 
Vitum  de  walrod,  equitem  auratum,  omnes  hij  assessores  iuditij 

camere  nobilesque,  scliaczmeyrter  imperij,  comendatorem 

domus  dominorum  theutonicorum,  nomine  Pancratius  de  rynstein, 
GofTartde  klehen,  auch  schaczmeyster,  Fridericum  von  fylsch,  capi- 
taneum  franckfurdensem,  doctorum  Valentinum  cum  Mar- 
gareta sua  legittima,  iuditij  camere  procuratores,  Henn  glauburg, 
Ciaram  uxor[em]  suam,  Hans  von  ryn,  Syflart  knobelach,  Ceciliam, 
uxorem  suam,  Vrsulam,  relicta[m)  Walten  schwarczenberg's ,  Agne- 
tem,  relictam  Hertuani  yrgerscheym's,  Otiliam,  relictam  Arnoldi 
glauburgs,  Katherinam,  relictam  Gilberti  hulczhusens,  Ludwicum  hulcz- 
husen,  dicte  katherino  filium,  Elchin,  relictam  Bernhardi  rorbachs, 
Bernhardum  et  Job  rorbach,  nati  dicte  Eylchins,  Margretam,  uxorem 
Hamandi  hulczhusen,  Fronicam,  legittimam  Iacobi  wissen,  Fridericum 
[Georgium]  flach,  Annam,  uxorem  eius,  officialem  zum  goltsteyn,  Ag- 
netem,  virginem  et  filiam  Steffashans.  Hos  omnes  prcfatus  Eberhar- 
dus  laute  honorifice  admodum  cibauit  ac  tractauit.  Deindc  die  vicesima 
sexta  maij  abiit  marchio  cum  aliquibus  assessoribus  wormatiam. 


3.   Fremde  Fürsten  in  Frankfurt. 

§.  117.  ffol.  60]  Anno  1496  prima  augusti  aduenit  franckfur- 
diam  illustris  dominus  Philippus  palatinus  cum  filüs  septem  et  filia 
vna  ac  cum  filio  ducis  Georgii  de  Bauaria.  Aduencrunt  etiam  epis- 

copus medburgensis,  nomine  ac  ejus  frater  Johannes,  dux 

de  Saxonia;  cum  Ulis  aducitur  mater  vxoris  palatini  prefati  cum 
duabus  alijs  prineipissis.  Et  leti  cum  triumpho  conuiuia  eclebrabant, 
trepudiando  in  domo  dominorum  theutonicorum  et  in  domo  dorn  in  i 
treuerensis  episcopi.  Tercia  augusti  abierunt. 

§.  1 18.  [fol.  6:  »]  Anno  96  prima  die  augusti  Johann  kreutter  macella- 
rius,  vt  vnus  de  consilio,  egoJob  rorbach,  Jost  kronberger,  Jobann 
klopphcym,  nos  quatuor  ex  mandato  dominorum  de  consilio  ob  aducn- 
tum  prineipum  supra  scriptorum  armati  ascendimus  hora  secunda 
post  meridiem  pro  custodia  seu  vigilia  noctis  et  diei  facienda  turrim 
supra  pontem,  quo  propinquior  est  domo  dominorum  theutonicorum, 
wulgo  der  neuwe  brocken  thorn  genant.  Moram  in  ca  feeimus  vsque 
in  secundam  augusti,  tunc  manc  hora  quinta  descendimus. 


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4.   Raths-  und  Bürgermeisterwahlen. 

§.  119.  [fol.  1|  Anno  1493  secunda  maji  Hamandus  de  hultz- 
husen  et  Siffridus  klobelach  assumpti  sunt  in  consilium  franck- 
fordie. 

§.  120.  [fol.  20)  Anno  1495  prima  maij  electi  sunt  de  consilio 
franckf.  in  magistros  ciuium  Johann  glauburg,  tamquam  scabi- 
nus  et  senior,  et  Claß  rockingen,  tanquam  junior,  et  precedenti 
anno  fuerunt  daniel  brom,  tamquam  scabinus,  et  Johann  zum 
iungen. 

§.  121.  [fol.  55 J  Anno  domini  1496  prima  die  maij  in  magistros 
ciuium  sunt  electi  Johannes  de  ryn,  vt  senior,  et  Conradua 
schy  tt. 

§.  122.  [fol.  87]  Anno  1497  in  die  marci  euangeliste,  que  est 
25  apprillis  assumpti  sunt  in  consulares  Wolff  blum  senior,  affinis 
meus,  Johann  hann,  Claß  stalburg. 

§.  123.  [fol.  88]  Anno  domini  1497  prima  maij  et  die  lune, 
rogationis  ebdomade,  in  magistros  ciuium  sunt  electi  Fridericus  de 
Alczen,  licentiatus  juris,  tamquam  scabinus,  etllcynricus  de 
rynn,  vt  domicellus., 

§.  124.  [fol.  114]  Anno  1498  prima  maij  in  magistros  ciuium 
franckfurdic  electi  sunt  Karo  Ins  hynsperg,  vt  scabinus,  et 
Michael  schwarezenberg,  vt  domicellus,  hij  duo  antca  nunquam 
prefuere  ofHtio  tali. 

§.  125.  [fol.  138]  Anno  1499  prima  maij  electi  in  magistros 
ciuium  Örtt  zum  jungen  scabinus  et  Jacobus  neuhusen,  vt 
domicellus. 

§.  126.  [fol.  141]  Anno  1499  nona  iulij  duo  hij,  videlicet  Con- 
radsehytt  et  Hamandus  hulczhusen,  in  scabinos  franckfurdenses 
sunt  electi. 

§.  127.  [fol.  141 1  Anno  1499  sedeciraa  julij  aeeepti  sunt  in  con- 
silium franckf.  et  in  consulares  ercati  Jacobus  stralnberg,  nondum 
vxoratus,  Gilbcrtus  hulczhusen  viduus  etThomaß  maP  vxorem 
Habens,  omnes  vt  domicelli. 

§.  128.  [fol.  152]  Anno  domini  1500,  qui  erat  jubileus  et  bisex- 
tilis,  prima  die  maij  in  magistros  ciuium  sunt  electi  Cristianus 
foleker,  vt  scabinus,  et  Wolff  blumc  iuiiior,  tamquam  domicellus. 
Ncc  quisquam  illorum  prefuit  retro  illi  officio. 


4 


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5.  Amtleute. 

§.  120.  ffol.  2]  Anno  1494  in  mense  junii  vel  paulo  ante  electus 
est  Georgius  flach  in  officialem  zu  goltateyn  per  dominos  de  con- 
stilatu  franckfordie. 

§.  130.  [fol.  2]  Anno  1494  in  mense  augusti  electus  per  dominos 
de  consilio  franckf.  Walterus  Hachborn  in  officialem  zu  bonmess 
ingressusque  est  officium  circa  featum  Michael  eodem  anno. 

§.  131.  ffol.  169]  Anno  domini  1501  vicesima  nona  apprilis 
Georgiua  flach,  nobilis  et  officialis  consulatus  hic  zum  goltateyn  circa 
maganum,  sepultus  est  hic  apud  minores  et,  vt  arbitror,  die  prece- 
denti  reddidit  domino  spiritum. 

§.  132.  ffol.  169J  Anno  1501  in  mense  maij  electus  est  a  con- 
sulatu  Johann  hulczheymer,  cognatus  meus,  in  officialem  zum  goltateyn 
in  Iocum  Georgij  flach  hic  suprascripti. 

f  Johann  Holzheimer,  früher  Amtmann  zu  Bonames,  §.  13.  SO.  177. 
183.  186.  Nicolaus  von  Babenhausen,  früher  Amtmann  zu  Goldstein, 
§.  14.  §.  177.  Erban  Tagel,  officialis  in  Erlenbach,  §.48.  334.] 


6.   Städtische  Hauptleutc. 

§.  133.  [fol.  155]  Anno  dominj  1500  die  14  julij  aducitur  huc 
ad  habitandura  et  exercendum  officium  capitanei  nobilis  Johann  mor, 
Capitaneus  nouitcr  assumptus  in  locum  Friderici  de  fylsch,  qui 
ob  inflrroitatein  cessit,  et  dictus  Johann  mor  in  illius  locum  assumptus. 

§.  134.  ffol.  171]  Fridericus  de  fylsch,  olim  capitaneus  huius 
oppidi,  obijt  vicesima  sexta  septembris  anno  1501,  relicta  vxore  et 
nullis  liberis.  |cf.  §  116.  Friederich  von  der  Fylsch  §.  257.  Jobann 
Mohr  §.  290.] 

7.  Richter. 

- 

§.  135.    [fol.  54]  Anno  1496  vicesima  sexta  aprilis  Gerlacb  

zur  alten  wagen  ist  eyn  oberster  richter  worden. 

§.  136.  [fol.  88]  Anno  1497  nona  maij  hat  man  drihen  richtern 
gerufft  vor  den  sitzend  Ratt  vnd  yn  die  steb  oder  stecken  genomen 
mitt  namen  Gypcl  hennen  vnd  iSehaffmans  vlrichen  vnd  Hartmutten 

 Restituti  sunt  ad  ofricia  die  vicesima  tertia  maij  anno,  quo 

supra. 


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137  — 


8.   Räuber  und  Feinde. 

§.  137.  [fol.  14]  Anno  1495  decima  octaua  ianuarü  succenderunt 
hoste«  horreum  yn  rad  sagittando  ignea  tela. 

§.  138.  fol.  18]  Anno  1495  decima  die  apprilis  vnus  hic  com- 
bustus  est,  qui  et  latro,  de  nostria  adversariis. 

§.  139.  [fol.  20]  Anno  1495  octava  maij  fama  de  hostibus  seu 
latruneulis,  videlicet  die  hutteschen  vnd  Jost  frundt  etc.  cum  coheren- 
tibus,  orta  est,  quod  adessent  et  damnum  seu  predam  arripere  pre- 
tenderent  ideoque  pulsata  est  campana,  que  wulgo  est  gemperlyn 
nuneupata,  ad  cuius  sonitum  omnes  ad  Höstes  fugandoa  et  sc  defen- 
dendos  currunt  et  cueurrerunt,  et  tum  de  gratia  dei  nihil  lucri 
habere  latro n es  poterant,  nec  a  nostris  aliquis  aduersariorum  captus, 
vel  visus,  nisi  a  paucis.  Item  in  anno  antca  93  pulsata  est  prefata 
campana  gemperlyn  in  marcio,  eo  quod  ribaldi  spoliarunt  quendam 
pastorem  sua  grege  ouium;  licet  pastor  nec  oves,  ut  fama  fuit,  ad 
iurisdictionem  franckfurdiensium  pertinebat,  nihüominus  tarnen  oues 
retinebant  et  vendebant. 

§.  140.  [fol.  27]  Anno  1495  septima  junij,  erat  dies  penthecostes, 
vndeeima  hora  ante  meiidiem  pulsabatur  campana  wulgo  Gern  perlin 
eo,  quod  latrones  noBtre  civitatis,  videlicet  die  hutteschen  et  jost 
frund  etc.,  centum  rapuerunt  vaccas,  que  fuerunt  rusticorum  yn 
nyder  rad,  sed  tarde  nimis  rescitum  est  et  tarde  nimis  persecuti  sunt 
nostri  latrones. 

§.  141.  [fol.  3^j  Anno  H95  die  23  julii  latrones  Jost  frund  vnd 
die  butteschen  cum  reliquis  miseris  modis  et  multiplieibus  vulneribus 
necarunt  duos  piscatores  circa  rumpenheyin,  unum  tot  vulneribus 
repleuerunt,  vt  mortuus  ad  ciuitatem  traduetus  est,  alter  semianimis 
in  noetc  spiritum  tradidit.  Dehinc  videlicet  25  julii  supra  dicti  rapue- 
runt 19  vaccas,  27  equos  et  equaa  vna  cum  eorum  iumentis  czu 
durckelwyll.  Item  deinde  26  augusti  prefati  latrones  vaccas,  porcos 
(equos  paueos)  et  quingentos  oues  rapuerunt  zu  durckellwill.  Item 
ultima  septembris  combusserunt  tecta  octo  in  bonmeß  sagittando  tela 
ignea  et  hij,  qui  sagittas  emiserunt,  die  sequenti  per  literas  hostilita- 
tem  indixerunt  Act.  anno  1495. 

§.  141.  | toi.  34 1  Anno  1495  die  17  Augusti  latrones  Jost  frundt 
cum  suis  combuserunt  sepes  et  hostia  vff  dem  knobellachs  hoff,  que 
curia  est  Wolff  blumens,  filii  quondam  Gcorgii  blumens.  Actum  in 
noetc. 

§.  142.  [fol.  37]  Anno  1495  die  4  octobris  pulsata  est  campana 
Gemperlyn  vulgo  dicta,  eo  quod  visus  est  exercitus,  videlicet  Tom- 


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hanrud  [?],  magister  curie  archiepiscopi  moguntinensis,  cum  militibus, 
equestribus,  ideoque  sunt  arbitrati  homines  esse  de  latronibus,  qui 
predari  cuperent,  et  armati  exierunt,  sed  cum  sentiebant  eos  non 
fuisse,  rcuersi  gunt  in  pace. 

9.   Nächtlicher  Unfug. 

§.  143.  ffoL  8J  Anno  1494  duodecima  noucmbris  in  noctc  in 
vicu  institorum  omnia  manubria ,  pcdcs  vel  ligna  pendcntia  ante 
hostiam,  quc  pulsare  solcnt  volentea  ingredi,  abscißa  sunt  et  proiccta 
supra  cymiterium  predicatorum  et  rupte  sunt  alique  fenestrc  iaculis 
in  ecclesia  predicatorum,  ncc  scitur,  quis  fccerit. 

10  Strafen. 

§.  144.  [fol.  4]  Anno  1494  die  22  augusti  suspensus  est  hic 
vnus. 

§.  145.  (fol.  6]  Anno  1494  die  26  septcmbris  dccapitatus  est 
vnus,  ob  sedicionem  factam  in  nundinis,  noctu  poru'a  clausis  circa 
maganum  sepultusquc  in  ccclesia  sancti  spiritus  ob  honorem  paren- 
tum  suorum.  Erat  de  babcnbcrg. 

§.  146.  [fol.  6J  Anno  1494  prima  octobris  suspensus  est  rusticus 
hic  de  prunhcym. 

fCombustio  aduersarii  §.  138] 

§.  147.    [fol.  57)  Anno  1496  die  nona  julij  margreta  , 

coqua  Karoli  henspurgis  affinis  et  sororis  Marths,  traducta  est  in 
carcerera  turris  sancte  katherine  ob  varia  et  magna  furta,  qu?  sub- 
traxit  domino  et  domine  suis  prefatis,  licet  addixerit  seu  promiserit 
fidelera  ipsis  famulatum  etc.,  uti  solent  promitterc  famule,  fuitquc 
tribus  vicibus  vna  die  tracta  seu  extensa  per  laqueum.  Emissa  autcm 
de  carcerc  die  29  julij  ea  conditionc,  ut  franckfurdiam  nunquam 
reuertatur.  Precabantur  pro  ea  principes  duo,  priucipisse  tres,  qui 
casu  peregrinando  ad  aquisgranam  per  hanc  ciuitatem  [exjproßcis- 
ccbantur.  [cf.  §.  117.] 

§.  148.  [fol.  63J  Anno  1496  die  16  septcmbris  cromatus  est  iudeus 
quidara  eo,  quod  monotam  abscindendo  falsifioauit. 

§.  149.  [fol.  69J  Anno  1496  die  sedccima  dcccmbris  quedam 
mulier  per  iusticiam  virgis  cesa  per  ciuitatem. 

§.  150.  [fol.  78 1  Anno  1497  vicesima  septima  ianuarij  gladio 
punitus  Hans  drach,  eo  quod  stuprum  et  inccstum  perpctrauit,  cogno- 


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ait  et  vxorem  et  socrum.  L.  si  quis  adulter  ad  1.  jul.  de  adalt.  Et 
com  eo  dactus  für,  qui  suspensus  est  patibulo. 

§.  151.  [fol.  100]  Anno  1497  prima  scptcmbris  suspensus  est 
quidam,  qui  furatus  calicem  in  nauique  forensi  apprehensus  [s.  est]. 

§.  152.  ffol.  112]  Anno  1498  sexta  aprilis  et  veneris  post  judica 
tres  insignes  latrones  combusti  hic,  qui  licet  Omnibus  sceleribus  fue- 
rint  dediti,  tarnen  preeipue  in  dominico  corpore  deliquerunt,  furati 
namque  in  diepurg  monstrantias  ac  vas  ipsum,  in  quo  continebantur 
consecrate  hostie;  vnus  ex  eis  xvi  consecratas  h Ostias  deuorauit,  alter 
paulo  minus.  Preterea  plura  gazophilatia  spoliarunt  et  hic  ad  sanetum 
Petrum  homines  trucidarunt,  alios  spoliarunt. 


11.  Bauten  und  Häuser. 

§.  153.  [fol.  6]  Anno  1494  ruperunt  muros  turris  acialis  iuxta 
portam  maguntinara  usque  ad  carcerem  et  de  nouo  ineeperunt  <?di- 
6care  eam  ineipiendo  super  carcerem  et  redegerunt  eum  in  formam, 
in  qua  nunc  est,  et  perfecta  est  in  mense  septembri  et  dealbata 
depost. 

§.  154.  [fol.  19]  Anno  1495  in  apprili  haben  die  herren  vom 
rad  das  zolhuß  vffgeschlagcn,  daryn  man  furters  sali  den  zol  .von 
pherden  nemen  vnd  vffheben  vnd  stet  das  selb  huß  vff  dem  Roß- 
marckt  vff  dem  hyrezgraben  by  hanß  Schmyden  huß. 

§.  155.  [fol.  28]  Anno  1495  in  mense  junij  vel  paulo  ante  hatt 
der  ratt  die  krem  von  der  wober  Kauffhucz  an  byß  her  für  an  das 
eck  der  barfusser  lassen  von  neu  wen  anfallen  vff  zu  schlagen  vnd 
die  selbige  gasse  wytter  gemacht  vnd  zu  gegeben,  also  das  sie  vor 
den  selbigen  kremen  vmb  funff  werck  schuch  wytter  ist,  den  sie  for 
war,  vnd  hatt  zum  ersten  feyll  gehabt  yn  den  selbigen  newen 
kremen  yn  der  herbstmess  anno  95. 

§.  156.  [fol.  1]  Anno  1494  in  die  Petri  et  Pauli  apostolorum  hatt 
der  thoncr  yn  bockenheymer  thorn  geschlagen  vnd  man  vnd  frawe, 
die  daruff  wonten,  geleczigct,  doch  sterben  sie  nit  daruon,  vnd  das 
gebewe  zur  bruchen  vnd  vorbrent.  Diß  ist  geschehen  des  morgens 
zur  sexten  stund.  Uff  die  selbige  zitt  war  Kryngen  hulczhuserin  vnd 
Gilbrecht  yr  sun  vnd  myn  mutter  Eylchin  rorbechcr  vnd  ich  Job  zu 
Emps  ym  bad  vnd  vff  santPetter  vnd  Paulus  abent  war  eyn  mechtig 
groß  ongewitter  des  obencz  vnd  fillen  kyssel,  die  grosten  ab  zillich 
huner  Eyer,  die  kleynen  alle  als  duben  eyer. 


-    140  - 

[Wiederholte  Erzählung  foL  4:  Anno  1494  in  die  Petri  et  Pauli 
apostolorum  hat  der  thonner  in  bockenheymer  thorn  geschalagen  vnd 
die  frauwe  heftiglig  vorbrent  vnd  den  man  auch,  doch  syn  sie  myt 
dem  leben  dar  von  komen  vnd  haitt  das  gebeuwe,  was  von 
holtzwerg  gemacht,  all*  zurbrochen  vnd  zurspalten.] 

§.  157.  [fol.  72]  Anno  149J  super  fundamentum,  quod  prius  erat, 
est  edificata  turris,  wulgo  der  bockenheymer  thorn,  et  in  formam 
redacta  eam,  ut  cernis. 

§.  158.  [fol.  72]  Anno  1496  hatt  der  Ratt  zu  franckfurt  eyn 
raelwag  vff  gericht  yn  der  Escheymer  gassen  nah  by  der  porten. 
Mer  hat  man  auch  cyn  newen  bron  da  uffgefurt,  daran  hatt  der  Ratt 
eyn  steheuwer  geben,  das  vberig  haben  die  nachbar  vnd  die  darumb 
wonnend  müssen  beczallen,  vnd  hat  myn  mutter  von  yren  hoff  myt 
Bampt  den  zynshüßlin  gelegen  yn  der  obgemelten  Eschenheymer  gassen 
musen  zallen. 

§.  159.  [fol.  83]  Anno  1497  prima  martij  cecidit  turris  vff  dem 
klobelachshoff  extra  portas.  Antea  struetura  erat  satis  fortis,  circum- 
dueta,  fossata  et  aquis  6  diruptaque  funditus  reparari  non  potest,  nisi 
de  nouo  edificetur  [cf.  §.  141]. 

§.  160.  [fol.  149]  Anno  1500  tertia  februarij  ipsaque  die  beati 
ßlasii  reparatum  scu  renouatum  est  superiori  parti  sue  patibulum  hic. 


12.  Rathsverordnung  wegen  der  Ratten. 

§.  161.  |fol.  135]  Anno  1499  undeeima  apprilis  ist  hie  angefan- 
gen von  den»  Ratts  geheiß,  das  man  eyn  yden  menschen,  der  ein 
totte  ratzen  bringt  vff  die  brücken  zwischen  eilff  vnd  zwolffen,  der 
selbig  hatt  cyn  Ii.,  den  im  den  einer  gibt,  der  darzu  verordent  ist, 
die  Ratzen  zu  entphangen,  vnd  nympt  die  selbigen  vnd  hewt  inen  die 
schwentz  abc  vnd  worfft  sie  als  bald  inn  meyn. 


13.  Naturereignisse. 

§.  162.  [fol.  4]  Anno  domini  1494  mesis  omniura  frugum  est 
collecta  et  in  horreum  tradueta.  videlicet  siliginis,  tritici  et  auene  etc. 
ante  mensem  augusti. 


h  Ein  Wort  wie  raunita  scheint  ausgefallen. 


—    141  — 

§.  163.  [fol.  4]  Anno  1494  in  die  S.  Jacobi  habebantur  raeemi, 
adeo  quod  vendebantar  aliqui. 

§.  164.  [fol.  14]  Anno  1495  tonitmit  die  decima  H  vndecima 
ianaarij. 

§.  165.  [fol.  37]  Anno  1495  ym  September  vnd  ym  october 
haben  die  hangen  dorn  widder  geblüwet,  also  das  man  funden  hat 
roitt  vnd  wiss  gefolt  vnd  vngefolt  haün  rossen,  item  mergen  droppen 
blumlin,  item  haben  fyll  bäum  wyder  blütt  gehabt,  item  fyll  korn 
blumen  vnd  ander. 

§.  166.  [fol.  54]  Anno  1496  die  octava  apprilis,  que  erat  sexta 
post  diem  pasche,  synt  ob  sechs  hundert  gutter  wolgemester  schwyn 
zu  franckfurt  feyl  gewest  vnd  hat  eyn  gutt  schwyn  vor  eyn  gülden 
kaufft,  das  man  vor  drien  iaren  nyt  woll  vmb  drij  gülden  hett  konden 
kauffen,  vnd  menig  fart  darnach  hatt  ufT  die  fritag  vnd  sust  schwyn 
feylt  gehabt  vnd  haben  fill  lud  sie  kaufft  vnd  gestochen,  glich  als 
man  sunst  plegt  zu  winterzitt  zu  thuu. 

§.  167.  [fol.  55  ad  Calendas  maias  anni  1496]  lllo  etiam  tem- 
pore moganus  et  rehnus  [adeo]  exereuerunt,  adeo  vt  aiebant  homines 
se  eo  tempore  anni  non  meminisse  equalem  illorum  fluminum  abun- 
dantiam;  manauit  moganus  durch  die  farport  et  per  plures  alias 
portas. 

§.  168.  [fol.  73]  Anno  1497  synt  vberschwencklich  vnd  eyn 
grosse  menge  krawen  oder  kreheu  gewest,  die  da  angefangen  haben 
ym  iar  1496  vnd  ym  iar  1497  vorgangen,  oder  ym  iar  1497  ist  eyn 
mechtige  große  geschwoorm  der  kofleryn  gewest. 

§.  169.  [foL  73]  Anno  1497  synt  fyll  huner  suchtig  an  der  grossen 
kranckheyt  vnd  auch  fill  dar  an  gestorben,  maxime  vernali  estualique 
tempore. 

§.  170.  [fol.  75.]  Anno  1497  octaua  ianuarij  alluvio  magani  ex- 
creuit,  ita  vt  ascendit  vltra  schansteyn  vsque  ad  domum  Ruperti 
mones,  adeo  quod  aliquibus  diebus  intranit  per  omnes  portas,  claude- 
banturque  porte  omnes  preter  portam  saneti  Spiritus,  quo  nocte  vna 
non  claudebatur.  Et  ob  eius  exerescentiam  dimissa  sunt  diuina  in 
ecclesia  diui  leonhardi  vsque  in  duodeeimam  ianuarij,  nec  poterant 
naues  a  maguntia  ascendere  per  dies  aliquott.  Duodecima  porte  re~ 
serabantur.  Nec  hijs  diebus  operari  poterant  mollitores  ;  celaria 
varia  ac  plura  repleta  aquis.  Rursusque  exereuerunt  et  moganus  et 
Rhenus  ac  omnia  fluuia  in  hac  regione  effecta  maiora,  quam  antea, 
adeo  vt  rethr  o  in  sedeci  m  annis  non  fuere  flumina  abundantiora. 
xviii  ianuarij  moganus  se  extendebat  plene  vsque  ad  ccclesie  introi- 


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tum,  vbi  per  gradus  ingreditar.  Denno  etiam  diuina  obmissa  die  xv 
ianuarij  vsque  ad  22  eiusdem  mensis. 

§.  171.*  [fol.  171]  Anno  1501  in  die  nicolaj  noctn  iufra  nonani 
et  decimam  horas  flante  vento  valido  tonitrua  valida  audita  sunt, 
fulgura  vlna  grandinesque  cecidere.  De  tonitruo  vide  etiam  supra 
fo.  14  f§.  164]. 

14.  Französische  Krankheit 

§.  172.  [fol.  5C]  Anno  1496  tempore  estatis  et  verne  [verno]  ist 
eyn  ongehort  gruiHich  vnd  erschrockenlich  kranckheyt  vnder  die 
theuschen  von  den  walen  kernen,  die  walen  haben  sie  krieget  von  den 
franezosen  vnd  wyrt  diß  krankheit  genent  mall  franezoß,  vnd 
regirt  fast  in  deutschen  landen,  noch  fyll  mer  in  italia  vnd  frantia. 
Die  kranckheyt  macht  den  menschen  onseglich  ongeschaffen ;  welcher 
sie  hatt,  ist  vber  gancs  sin  lipp  foll  schwarcz  rotter  blätteren;  wert, 
eyn  teyllen  eyn  halb  iar,  den  anderen  drij  firteill,  den  anderen  eyn 
gancz  iar  vnd  noch  dem  belibent  die  flecken  an  ynen  etwen  lang. 
Ongestalter  ding  hatt  keyn  mensch  nie  gesehen;  von  solicher  oder 
derglichen  kranckheytt  nie  keyn  mensch  mer  gehört,  auch  fint  keyn 
arezet  da  von  nicht  geschrieben,  den  als  fill ,  als  man  nient  (?)  dar 
widder  tracht 

{Bernhard  Rohrbach  wird  1498  von  der  Krankheit  befalleu  §.9]. 

15.  Gesellschaft  Löwenstein. 

§.  173.  [fol.  6]  Anno  1494  secunda  octobris  donauit  Ambrosius 
glauburg  tres  lepores  societati  stube  nostre  et  ob  hoc  facta  est 
conuocatio  virorum  et  mulierum,  tenueruntque  conuiuium  et  concena- 
runt  et  coreas  duxerunt  Actum  hic  zu  lebensteyn. 

§.  174.  [fol.  9]  Anno  1494  die  27  decembris  donauit  Ambrosius 
gleuburg  duos  lepores  societati  nostre  in  lebensteyn  ideoque 
conuocati  aunt  et  viri  et  mulieres  ad  cenam  et  ego  tunc  pro  primo 
cenaui  in  dicta  societate. 

§.  175.  [fol.  15]  Anno  1495  deeima  februarij  doctor  Ludwicus  de 
paradiso,  scultetus  huius  opidi,  donauit  societati  nostre  zu  lebensteyn 
ceruum  et  preeipue  mulieribus  ideoque  facta  conuocatio  et  virorum 
et  mulierum  ad  cenara,  pro  simbolo  soluit  unus  iiii  1>. 

§.  176.  [fol.  16]  Anno  1495  deeima  nona  februarij  conuocata 
est  societas  zu  lebensteyn,  etiam  mulierum,  ad  cenara  et  soluit  unus 
vi  alb.  et  tunc  primum  trepudium  cum  tedis  etc. 


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—    143  — 


§.  177.    ffol.  16 1  Anno  1495  die  24  februarij  liatt  Johan  holcz- 
heymer  myr  vinb  die  geschelschafft  zu  lebensteyn  gebetten,  das  sie 
myr  woltten  vorgunden  die  fasnacht  myn  phenig  myt  yn  zu  vorzeren. 
Also  liabcn  sie  myrs  vorgundet  myt  solichein  vnderscbeytt:  wol  ich 
fuitters  andere  fasnacht  gesellschaflft  halten,  so  sol  ich  gesell  werden; 
das  erstemal  haben  sie  myr  vnd  Conratt  zum  jungen  dißmall  nach- 
gelassen. Vnd  darnach  uff  den  26  tag  februarij  hatt  zum  nachtmall 
die  geselschafft  angefangen.  Darnach  uff  den  sontag  zu  nacht,  inon- 
dag  zu  nacht,  das  ist  der  erst  vnd  der  zweyt  dag  ym  raercz  ossent 
man  vnd  frawen  vff  der  stoben  vnd  darnach  vff  den  iii  vnd  iiii  tag 
des  merczes  ossent  beyd  man  vnd  frawen  morgens  vnd  abentz  vff 
der  stoben  vnd  vff  den  dynstag,  uff  aller  man  fasnacht,  stochen 
myt  kronlyn  Gorg  reyß,  Niclaii  von  babenhusen  vnd  behylt 
Gorg,  vnd  vff  den  eschermyttwoch  stochen  iiii  Reysigc  myt  kolben, 
zwen  mit  namen  Martins  vnd  Eberharcz  von  hussesteyn  knecht  vnd 
zwen  vnser  soldner  myt  namen  wisbroitt  vnd  ruttlinger  vnd  behylten 
die  soldner,  also  das  wissbroitt  die  hussesteyheymer  knecht  zu  dicker- 
mall feit  vnd  er  doch  hart  blyb  siezen.  Vnd  das  geschach  noch  dem 
die  frawen  widder  kamen  vli  gleuburgs  garten.  Item  do  disse  vffge- 
horten,  stochen  myt  kronlyn  Courat  zum  jungen  vnd  Conrat  mones. 
Darnach  vff  den  donerstag  zu  myttag  ossent  die  gesellen  älleyn  vff 
der  stoben  vnd  rechentten  die  kochenmeyster  Claß  von  rockyngen 
vnd  Virich  nuhul>  vnd  die  wynmeyster  Johan  von  holczheymer, 
Philipp  wil>,  vnd  bcczalt  der  man  iii  gld.  Vnd  vff  den  donerstag  zu 
nacht,  das  ist  der  v  tag  ym  mercz,  ossent  man  vnd  ffol.  17 1  frauwen 
vff  der  stoben  vnd  ward  das  selb  obent  mall  yn  die  forderigen  mal 
gerechnet  vnd  warent  xi.iii  gesellen,  so  edel  vnd  andere,  die 
beczalten;  frawen  vnd  junffrawen,  die  gelten  nichcz,  den  vff  den 
eschermyttwoch   zum   vnderen  galt  eyn  i  alb ,  vnd  vor  drij  huner 
gaben t  die  wyttfrauwen  iiii  ß  oder  mogent  huner  dar  vor  geben  nach 
yrem  willen ;  junffrawen  gebeut  gar  nichcz,  vnd  wareji  frawen  vnd 
junffrawen,  die  geselschafft  hylten  xxviii.  Darnach  vff  inuocauit,  das 
ist  der  eycht  tag  ym  mercz  ossent  wyr  zu  nacht  vff  der  stoben, 
gult  der  man  iii  1>. 

§.  178.  [fol.  38J  Anno  1495  die  octava  octobris  Cristianus  foleker 
prodouauit  duus  lepores  societati  nostre  ideoque  et  viri  et  mulieres 
cuuuocati  sunt  ad  eenam  et  pauce  aderant  mulieres,  virgo  vero  nulla. 


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—    144  — 


16.   Gesellschaft  Limburg. 

§.  179.  [fol.  41]  Anno  1495  in  mense  nouembri  hatt  Daniel 
brora,  sch'effen  vnd  Ratt  der  stadt  franckfurtt,  kaufft  das  hul> 
laderem  genant,  gelegen  vff  dem  Eck  neben  dem  Romer  geygen 
dem  hußlymburg  vber,  da  iczunt  zur  zytt  Heyrt  wyl>  yn  wont 

vmb  ,  hatt  vor  das  hul$  laderem  mytt  sampt  dem  hui>- 

ratt,  der  vor  die  gest  gehört,  die  yu  der  meß  dar  yn  herberigen, 
bezalt  eycht  vnd  zwenczig  hundert  golt  gülden.  Nach  dem  selbigen 
kauff  hatt  der  obgenant  Daniel  brom  der  geselschafft  vnser  Stoben 
das  obgenant  miß  laderara  angemutt  zu  kauffen  vmb  das  obgeraelt 
gelt,  als  er  ens  kauflft  hatt,  das  hatt  die  geselschafft  zu  grossen  danck 
angenomen  vnd  habent  vorordenet  vnd  gemacht,  das  iedcr  gesel,  der 
vff  die  selbige  zytt  gesel  sy,  oder  die,  die  noch  nyt  gesellen  syn. 
doch  von  rechtem  vnd  mytt  recht  nytt  mögen  der  geselschafft  vor- 
wißt werden,  als  die  syntt,  die  von  geburt  daruff  hören,  sollen  geben 
zwenczig  gülden,  des  die  gesellen  alsampt  wyllig  gewest  synt  Vnd 
darnach  vff  sant  Andreas  tag  nach  alter  gewonheyt  haben  die  ges- 
sellen,  die  daczumall  gesell  gewest  svnt,  vff  der  stoben  gessen  vnd 
eyn  iglicher  beczalt  xx  glden  nach  dem  Vortrag,  dens  sie  yngangen 
waren  vnd  darczu  i  gülden  als  von  wegen  des  stoben  zyus.  Also 
hatt  die  geselschafft  von  den  gesellen,  die  vff  solich  zytt  hie  waren, 
vnd  vi*  den  bocksen  der  geselschafft  dusent  gülden  dem  vorgenanteu 
Daniel  bromen  beczalt,  von  der  vberigen  som,  sali  man  ym  ierlich  zu 
gulde  iiii  gülden  von  hundert  geben  [suppl.  fort:  biß  zur]  ablosung; 
vnd  als  offt  die  geselschafft  ii  hundert  gülden  bringt,  will  er  ym 
viii  gülden  ablassen  lassen,  als  lang  byß  die  gancz  somc  abgelost 
[fol.  42]  wyrdt.  Vff  den  iczgeriuten  sant  Andreas  dag  synt  zu  buw- 
meystern  des  huß  laderam  gemacht  Hans  vom  ryn,  Daniel 
broin,  Gorg  frosch,  vnd  zu  stoben  lneysteru  synt  gemacht  Jo- 
hann frosch  zum  äffen,  Johann  zum  jungen  vnd  Con- 
ratt  sehytt  Item  welcher  gesell  durch  bewybung  vf  die  stoben 
kompt,  der  vor  nyt  von  gepurt  daruff  gehört,  der  selbige  sali  geben 
drissig  gülden.  Sust  eyner,  der  von  gepurt  daruff  gehört,  gypt  nyt 
mer  den  zwenczig.  Auch  gypt  das  obgemelt  huß  ladaruni  xv  glden 
ewiger  golt  czu  zynß,  haben  vor  williget  zu  ablosung  vnd  gybt  man 
eynem  vor  eyn  gülden  abzulösen  xxviii  gülden. 

§.  180.  [fol.  50]  Anno  dnj  bisextili  1496  erat  dies  deeima  sex  tu 
februarij  vltima  carnisbreuii  et  non  fuit  vlla  conuocatio  noatre  soeie- 
tatis  seu  stube,  veluti  onmes  mortui  fuissemus,  sed  impedimento  nobis 


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-    145  - 


fuerunt  assessores  camer?  iuditii  ceterique  doctores  nobiles  et 
aduocati  et  procuratores,  hij  namque  aderant  nimis  copioai. 

§.181.  ffol.  42]  Anno  1496  vltima  decembria  primum  societas  obsoni- 
tauit  in  magna  atuba  domus  ladarum.  Obsonij  magister,  wulgariter 
der  wyrt  vff  der  atoben,  fuit  Philippus  kaltoffen,  nec  ego  die 
illa  inter  obsonantes  fui,  latuit  namque  me,  quod  ea  die  in  ea  domo 
obaonium  fuerat  inceptum.  Anno  1497  incipiendo  annum  a  pri- 
mordio  ianuarij  Bernhardus  rorbach,  germanus  meus, 
[suppl. :  et  ego]  primum  interfuimus  obsonio  in  prefata  domo, 
(obsonii  magister  erat  Walter  ysenberg)  donauitque  mihi  ger- 
manus quinque  h.  tum,  cum  soluebatur  pro  obsonio;  quilibet  etiam 
nostrum  donauit  xx  den.  Friderico  ....  nostre  societatia 
famulo,  sie  namque  moria  est,  vt  quilibet,  maxime  aoeii, 
dent  famulo  societatia  die  circumeisionis  xx  den.  Et  hoc  primum  ego 
donaueram.  Anno  1497  ipsa  die  epiphani$  conuiuium  primum  habi- 
tum  in  nostra  atuba,  de  quo  clariua  in  anno  1497  (§.  183). 

§.  182.  [fol  73]  Ladarum.  Anno  1497  prima  die  ianuarij 
primum  frater  et  ego  ivimua  ad  ladarum,  de  quo  latius  vide 
aupra  in  anno  95,  ubi  de  emptione  domua  ladarum  habetur,  in  fol. 
[41.  §  179.] 

§.  183.  [fol.  74]  Ladarum.  Anno  1497  in  die  ephiphanie 
primum  in  noua  atuba  cenauimua  omnea  infraacripti,  non  more  aoeie- 
tatis,  sed  conuiuium  habuimua,  in  quod  omnea  pariter  admisai  aiue 
de  corpore  societatis  siue  non.  Huic  CQne  prepositi  erant  Hans  vom 
ryn,  ciuium  magister,  etVdalricus  neuhusen,  quos  solemus  magistros 
coquine  appellare.  Erant  autem  cenantes  doctor  Ludwicus  de 
paradiao,  scultetus,  doctor  Adam  heymbach,  aduocatus, 
Hans  vom  ryn,  ciuium  magister,  et  Conradus  sehyt, 
8uua  sodalis,  doctor  Johan  et  Hen  glauburg,  Hen  saU, 
Ortt,  Johann,  Conrat  et  Ortt  zum  jungen,  Georg, 
Johann  et  Johann  frosch,  Bernhart,  Philipps, 
Heynrich  wiU,  Jacob,  Heylman  stralnberg,  Daniel 
brom,  Conrat  monel*,  Virich  neuhuß,  Cristian 
foleker,  Johan  reyß,  Johan  han,  Thomas  sos- 
senheymer,  Bernhart,  Job  rorbach,  Johan  von 
hulczheymer,  Symon  vffateiner,  Eberhart  von 
huaeaaheym,  Georg  martroff,  Ludwig  marpurg, 
ClalS  atalburg,  Wolff  etWolff  blum.  Supra  acripti  aunt 
de   aoeietate   vel    iua   ipaia   competit.    Engel   von  hoczfelt, 

Licentiatua,  Georgius  artulf,  licentiatus  

rosenberg>  Hen  frosch,  den  man  nennt  froschelgyn, 

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-    146  - 

Pctter  goascnheymer,  Hans  blura,  Mylchior   de» 

rattes  schriber,  Hans  dyrmeyer,  hijs  non  competit  ius  socie- 
tatis.    Summa  47. 

§.  184.  ffoL  75]  Anno  1497  octaua  ianuarij,  si  iuste  memini, 
admissi  sunt  in  societatem  nostre  stub(?Wolff  blura  iunior  et  Lud- 
wicus  martroff,  soluit  quilibet  pro  iure  societatis  trigiuta  fl.  et 
fl.  tres  eo,  quod  vxorati  sunt.  Hcynricus  wil*  admissus  in  societa- 
tem tertia  februarij.  Eodem  die  obijt  Margreta,  relicta  Heynrici 
ergeschemmers. 

§.  185.  [foL  76]  La  dar  um.  Anno  domini  1497  duodecima 
ianuarij  conuocata  est  societas  nostra  ad  cenam  et  viri  et  mulieres, 
nec  admissi  alii,  quibus  non  corapetebat  ius  aliquod  in  societate, 
duobus  demptis.  Erant  autem  infra  scripti  in  cena  presentes  nec 
ordine  debito  subnotantur,  seilicet,  prout  memorie  inciderunt,  collegi*. 
Et  hec  cena  prima  erat,  in  quam  conueniebant  more  societatis  vere; 
antea  in  noua  stuba  non  fuerant  nmjieres. 

(1)  Ludwicus  de  paradiso,  scultetus,    (2)  doctor  Johan- 
nes glauburg,    (3)  Johan  glauburg,    (4)  Ilamandus, 
(5)   Margreta,  uxor  sua,    (6)  Gylbertus,    (7)  Ludwicus 
hulczhuser,    (8)  Eliseus,    (9)   Barbara,   sua  uxor, 
(10)  Bernhardus,  (11)  Anna,  sponsa  sua,  (12)  Philippus, 
(13)  Katherina,    uxor   eius,    (14)  Jacobus,    (15)  Fronica, 
uxor  sua,  omnes  wyssen;   (16)  lohan,  (17)  Cristyn,  uxor 
sua,    (18)  Gorg,    (19)  Johann,    (20)  Lysgyn,  sponsa  sua, 
omnes   frosch,    (21)    Ortt,    (22)  Johann,    (23)  Margret, 
uxor   sua,     (24)    Conrat,    (25)    Ortgyn,    omnes  jungen, 
(26)  Karlen    henspurg,     (27)    Michel    schwarczenbe rg, 
(28)  Kryngyn,  eius  uxor,    (29)  Hans  von  ryn,  senior 
magister    ciuium,    (30)    Kryngyn    uxor,    (31)  Conrat, 
(32)  Margret,  uxor   sua,    (33)  Jacob,    (34)  Ulrich,  om- 
nes neuhuser,  (35)  Johan,  (36)  Agatha,  uxor  sua,  (37)  Clai*, 
omnes   rockyngen,   (38)  Syffart   klobellach,    (39)  Ceci- 
cilia,  uxor  sua,    (40)  Hen  saß,    (41)  Cristian  folcker, 
(42)  Johan  reytf,  (43)  Crystyngyn,  sua  uxor,  (44)  Johan 
hulczheyraer,  (45)  Bernhart,   (46)  Job  rorbach,  (47)Lud- 
wig  martroff,    (48)  Enchyn  uxor,    (49)  Johann  han,  (50) 
Katherina,  uxor  sua,    (51)  Daniel,   (52)  Hans  brom,  (53) 
Gretgyn,  uxor  sua,   (54)  Wolff  blum,   (55)  Kryngyn,  uxor 
sua,  (56)doctor  (57)  Adam  heymbach  [56 u. 57  eine  Person],  (58) 
Anna,uxoreius,  (59)  Eberhart  vonhuseBcheym,  (60)Guttgyn, 
uxor  sua,  (61)  Conrat  schytt,  ciuiuramagister  iunior,  (62)Mar- 


U7  - 


gret,  uxor  sua,  (63)  Friderich  faut,  (64)  Margret,  uxor 
sua,  (65)  Friderich  von  alczen,  (66)  Conrat  mone«,  (67) 
Claß  stallburg,   (68)  Gorg  martroff.  (69)  Engel  von  hocz- 

felt,    (70)  hingen,  meister    von   norlyngen,  hij 

honoris  gratia  admissi  in  c?na,  nnllum  namque  ius  socie- 
tatis  competit  ipsis.  Que  sequuntnr  vidue  erant:  (71)  Agnes 
wisse  zu  [fol.  77]  Lebensteyn  ,  (72)  Ey  Ichin  rorbechin,  myn 
mutter,  (73)  Katherina  hulczseryn,  relicta Gylperti  huczhusens, 
(74)Otylia  glauburgerin,  (75)Vrsula  sch  wartzenbergeryn, 
(76)  Agnes  ergeschcmeryn.  Virgines,  que  adhuc  nulli  adhere-^ 
bant,  due  tantum:  (77)  Kryngyn  humbrechtin,  (78)  Kryngin 
Rassen.  (79)  Thomas  sossenheynier,  (80)  Grettgyn,  uxor  sua.  Huic 
cene  prefecti  sunt,  vt  coquine  preessent,  Johanfrosch  et  Virich 
nuhuß.  Gylbertus  hulczhusen  et  ego  eramus  primi,  qui 
cum  cereis  correas  duximus  et  ex  iussu  seniorum  trade- 
bamus  Annam,  sponsam  Bernhardi  wiss,  Danieli  brom  et 
hec  prima  correa  in  ea  stuba  et  hec  correa  iusta  conside- 
ratione  Danieli  brom  tradita  ipsi,  [supple:  quod]  raagni- 
ficum  et  humanum  se  exhibuit  erga  societatem,  domum 
namque  iusto  pretio  traddidit  societati  etc.,  vt  supra 
mentio  habita.  Post  cenam  aduenit  marchio  Iacobus  de  baden, 
iudex  iuditii  camere  regii  [regiae?]  maiestatis,  et  cum  eo  aliqui  ex 
assessoribus,  procuratoribus  et  nobilibus  et  trepudiabant  vna  nobiscum. 
Item  quinque  solidos  soluit  unus  pro  ccna,  hos  quinque  solidos  donauit 
mihi  germanus  Bernhard  üb  ob  memoriam,  quia  prima  ccna. 

§.  186.  [fol.  79]  Ladarum.  Anno  1497  hatt  man  eyn  öffent- 
lich geselschafft  gehalten  vif  der  newen  stoben  vor  faßnacht  vnd  ist 
die  erst  geselschafft,  die  man  gehalten  hatt  vif  der  neuwen  stoben, 
vnd  für  hin  hatt  man  vorbotten  vff  die  stoben  alle  junge  gesellen, 
die  etwan  gerechtikeyt  yn  der  geselsehafll  haben,  vnd  synt  die  jungen 
gesellen  also  ersehynen  myt  namen  vff  den  22  tag  des  ianuarij  vnd 
hatt  da  selbst  doctor  Ludwig  vom  paradiß,  schultheyU,  von 
wegen  der  geselschaffl  disse  meynung  zu  den  iungen  gessellen  geredt, 
das  den  iungen  gesellen  allen  vnd  iglichen  erlaubt  sy  vnd  laub  haben 
sollen  vff  der  stoben  vnd  in  der  geselschafft  zu  syn  vnd  vmb  yr 
geld  zu  zeren  (das  aust  nyt  gewonlich  ist,  den  noch  ordenung  gunt 
man  eym  nyt  mer  dan  eyn  gesellschafft  zu  halten,  dan  er  gessel 
wyrt),  dar  by  auch  gebetten  vnd  befollen,  zuchtig  sich  zu  halten 
myt  danezen  vnd  willig  myt  essen  vortragen,  auch  ym  dancz  sich 
nyt  yn  die  arm  vmbfahen  als  sust,  sunder  an  stat  des  selben  arm- 
fahens  den  frauwen  die  hend  geben  vnd  zuchtig  neygen.   Diss  ist 

10* 


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—    148  — 


also  geschehen.  Auch  hatt  die  geselschafft  margraffen  Iacoben,  zu 
den  zytten  kamer  richter,  vnseren  genedigen  herren,  vnd  alle  bysitzer 
vnd  ettlich  aduocaten  vnd  procuratores  des  kamer  gericlitz  lassen 
wißsen,  wie  man  eyn  geselschafft  halten  woll,  wollent  sie  dar  by  gyn, 
so  möge  sie  die  geselschafft  fast  woll  liden,  das  sie  yr  gelt  by  der 
geselschafft  vorzeren ;  des  glichen  hat  mans  auch  ettlich  lassen  wissen, 
die  yn  der  canczelly  syn  zu  der  zytt  der  geselschafft.  Darnach  vff 
vnser  frauwen  tag  purifficationis  ist  loczell  faßnacbt  gewest,  daramh 
hatt  die  geselschafft  nyt  yren  anhab  gehabt  als  von  alter  vnser 
frauwen  zu  eren  vnd  [hatt]  vff  den  sontag  estomihi,  que  est  quinta 
februarij ,  hat  sie  angefangen  vnd  vff  denselben  obent  zum  ersten  des 
nachtz  ymbB  da  gessen  vnd  ffol.  80J  öffentlich  hie  vnden  gedanczt 
Vff  den  montag  darnach  zu  vnderen  haben  fier  burger  eyn  gesellen 
stechen  gehabt  myt  kronlyn,  myt  namen  Conrat  zum  jungen, 
Heimen  [Heylmanj  stralnberg,  Conratt  moneß  vnd  Claß  stal- 
berg,  noch  dem  syn  widder  zum  nachtmall  erschynen  alle  die,  die 
zur  ge[sel]schafft  gehören  oder  geladen  waren.  Vff  den  dynstag  ist  die 
geselschafft  zu  myttag  auch  by  eyn  ander  gewest  Glich  alß  sie  zu 
mittag  gessen  hatten,  syn  sie  vmb  gangen  noch  alter  gewonheyt  zum 
theuschen  huß,  zu  sant  Iohans  vnd  zu  sant  Anthonien  vnd  ist  der 
fürst  margraff  lacob  von  baden  kamerrichter  nyt  mytt  gangen,  noch 
keyner  von  assessoribus  oder  bysiczeren,  darnach  zum  nacht  mall 
syn  sie  alle  zu  seinen  komen  vnd  zum  dancz;  desglichen  den  escher- 
myttwoch  zu  myttags  vnd  obents  vff  den  eschermittwoch  noch  myt- 
tag haben  die  frauwen  noch  olter  gewonheyt  zwen  kochen  meyster 
gemacht  zu  der  grünen  Soppen  myt  namen  C laß  von  rockyngen 
vnd  Hen  stralnberger,  beyd  sampt  widwer,  darnach  synt  sie  hynuß 
yn  Hen  gleuburgs  garten  gangen,  da  die  geschelschafft  hin  vß  kam, 
bald  darnach  kam  der  fürst  myt  sampt  ettlichen  bysiczern  zu  ynen 
geryten  vnd  war  by  ynen,  darnach  rytten  sie  widder  heym  vnd  gyng 
die  geselschafft  auch  heym  vnd  kamen  zum  nachtmal  widder  zusa- 
men.  Vff  donerstag  zu  mittag  ossent  die  mannen  eynig  vff  der  stoben 
vnd  beschlossent  die  rechenschafft  vnd  namen  von  dem  margkgrafien 
nyt  mer  den  i  gld.  vnd  desglichen  von  bisiczern  vnd  allen  dennen, 
die  dem  kamergericht  vorwandt  waren,  gab  keyner  mer  den  i  gld., 
[fol.  81J  schenckt  der  margkraff  der  geschelschafft  eyn  hirsch  vnd 
eyn  rehe,  des  Rattes  amptlude  vnd  Ander  Edellude  gaben  eyner  ij  guld., 
eyn  burger  iii  gld.,  darnach  vff  den  gßt.  dornstag  zu  nacht  ossent  sie  aber 

by  eynander  den  manderkeß  vnd  vorzert  eyner  Vnd  also  hatt 

disse  brasseryhe  eyn  ende.  Disser  geselschafft  kochenmeyster  sint 
gewest  lacob  neuhuß,   Iohann  han,  wynmeyster  vnd  broitt- 


-    149  - 


meyster  synt  gewest  Iohan  froach,  sponsus  Lyßgens,  vndConrat 
neuhuß. 

By  diaer  geselachafft  synt  nyt  gewest  myn  mutter,  myn  b rü- 
der Bernhart  vnd  ich,  noch  myn  schwager,  noch  myn  Schwe- 
ster; auch  Ha  man  hulzhusen  vnd  Margret,  syn  frawe,  noch 
Gylbrecht,  syn  bruder,  noch  Katherina,  yr  mutter,  die  war  auch 
kranck,  noch  auch  Katherina  hulczhuseryn  zum  spangenberg, 
noch  yr  sun  Ludwig  hulczhusen,  vßgenomen  uff  den  sontag  inuo- 
cauit  zu  nacht  ist  Schwager  Karlen  hynsberg  und  Martha,  myn 
Schwester,  by  der  geselachaflt  gewest,  vnd  hat  vns  vi*  der  geselschafft 
gehalten  Margretten  zum  thorn  dott,  die  wir  als  den  truerrenteu. 

§.  187.  [fol.  132]  Anno  1499  21  ianuarij  hoben  man  vnd  frauwen 
vff  der  stoben  gessen  zu  nacht,  eo  quod  marchio  Iacobus  de  baden, 
iudex  Regalis  iuditij  camere,  donanit  societati  ceruum  et  soluit  vnus 
G  alb.  Ego  aderam,  non  mater,  neque  frater. 

17.  Cultus. 

§.  188.  [fol.  2J  Item  secunda  junii  celebrabatur  hic  missa  in 
omnibus  ecclesiis  pro  conservatione  fructuura  et  conciuitatis  et  pro 
defensione  hostium  anno  1494. 

§.  189.  [fol.  7  ad  iii  novembris  1494J  Eodem  die  agebatur  in 
ecclesia  commemoratio  an  i  mar  um  fidelium,  que  commeraoratio  trans- 
lata  est  in  terciam  diem  nouembris,  oo  quod  dominica  dies  se- 
cunda erat. 

[Ueber  die  Stiftung  der  Rathsmcsse  §.  250.  Fam.  Frosch.] 
§.  190  [fol.  12]  Anno  1494  [1.  1493]  deciraa  nona  maii  cecide- 
bat  dedicatio  ecclesie.  fratrum  minorum  franckfurdie.  Semper  enim 
secundum  cursum  temporis  in  dominica  exaudi,  que  est  sexta  post 
pasca,  agitur  dedicatio  in  prefata  ecclesia.  Et  tunc  ante  inchoationem 
summe  misse  defertur  venerabile  corpus  Christi  extra  ad  plateaa 
circumeundo  monasterium  et  omnes  fratres  ferunt  reliquias  etc. 
Et  fundauit  pater  iuxta  literas  hec  clare  fantea,  et  fratribus  meis  ac 
mihi  ineumbit  duetio  sacerdotis  deferentis  sacrum  et  ego  Job  prefato 
anno  et  die,  vt  hic  supra  mentio  habetur,  duxi  et  Hamandum  hulcz- 
husen in  sodalcm  asaumpsi.  Et  post  mortem  patris  ego  primus  fui, 
qni  ex  fratribus  meis  duxerat;  tempore  enim  intermedio,  videlicet  post 
mortem  patris  vsque  ad  tempus  pubertatis  nostre  et  presentie  mater 
nostra  substituit  duos,  qui  vicem  nostram  adimplerent.  Et  in  anno 
1494  dedicatio  fratrum  minorum  cecidebat  in  xviii  diem  maii  et  duxi 


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ego  sacerdotem  et  Jacobus  nuhusen,  quem  mihi  in  sotium  assumpsi, 
nec  enim  tum  affuerunt  fratres. 

[Ueber  diese  Stiftung  vergleiche:  Familienchronik  Bernhard 
Rohrbacha  §,  27.  Der  Sonntag  Exaudi  fiel  übrigens  nicht  im  Jahre 
1494,  sondern  1493  auf  den  19.  Mai,  es  ist  daher  statt  1494  zu  lesen 
1493,  wie  auch  aus  der  wiederholten  Beschreibung  der  Proceasion 
von  1493  hervorgeht:] 

§.  191.  [p.  25J  Anno  1493  decima  nona  maij  et  in  dedicatione 
templi  minorum  duxi  ego  primum  sacerdotem  deferentem  corpus 
Christi  in  processione,  que  habetur  ante  missam  summam.  Assumpsi 
mihi  in  sodalem,  qui  mecum  duxit,  Hamandum  hulczhusen. 
Processio  [1.  processionis] ,  que  fit  in  dedicatione  ecclesiae  fratrum 
minorum,  et  maxime  quod  diflertur  corpus  dominicum,  fundator  fuit 
pater  meus  Bernhardus  rorbach,  ipse  namque  suis  pecuniis  ini- 
petravit  a  papa  fratribus,  vt  possent  differre  [corpusj  domini  per 
circuitum,  inque  memoriam  huius  preservavit  sibi,  dum  vixit,  nobbquc 
filiis  suis,  vt  ius  ducendi  haberemus,  sed  quia  post  obitum  patria 
omnes  nos  ctate  ad  eam  rem  minores  eramus,  ac  etiam  cum  etas  nos 
ablitauit(?),  absentes  eramus,  ideoque  raater  nostra  Semper  duos,  quos 
voluit,  nomine  nostro  elegit,  qui  offitium  in  hoc  nostrum  expleverunt. 
Et  die  et  anno  prefato  ego  primus  inter  fratres  duxi,  eo  quod 
Bernhardus  existebat  in  italia  eo  tunc,  Conradus  vero  f rater 
minor  annis  erat.  Competit  autem  ius  ducendi  duobus  scnioribus  ex 
nobis  iuxta  litteras.  [fol  26J  Anno  1494  decima  octaua  maij  in  dedi- 
catione fratrum  minorum,  ego  pariter  cum  Jacobo  neuhusen 
duxi  sacerdotem  ferentem  corpus  redemptoris.  Anno  1495  dominica 
exaudi,  que  tunc  fuit  vltima  maij,  erat  dedicatio  ecclesie  minorum, 
et  tunc  duxit  Bernhardus,  frater  meus,  (et  adiuuantem  assumpsit 
Karolum  henspurg,  affinem  nostrum,)  sacerdotem,  qui  fert  do- 
mini corpus,  et  hoc  ex  morc,  qui  uobis  incumbit ;  et  primum  fuit,  quod 
frater  duxcrit,  ego  tarnen  antea  duxi,  ipso  Semper  absente.  Anno 

1496  ego  Job  vna  cum  prefato  Karolo  duximus  sacerdotem.  Anno 

1497  Bernhardus,  frater  meus,  cum  Karolo  henspurg  duxit  sacerdotem 
in  dedicatione  minorum.  [fol.  88:  Anno  1497  septima  maij  in  dedica- 
tione minorum  duxit  Bernhardus  rorbacb,  frater  meus,  Bacordoteni 
deferentem  corpus  dominicum.  Assumpsit  Karolum  hensburg  in 
socium,  quia  ego  non  aderam.J  Anno  1498  maij  27  erat  dedicatio 
fratrum  minorum  et  duxerunt  frater  Bernhardus  etKarolus,  tunc 
magist  er  ciuium  [§.124],  sacerdotem  iuxta  morem.  [fol.  114: 
Anno  domini  1498  vicesima  septima  maij  et  dominica  exaudi  in  de- 
dicatione ecclesie  fratrum  minorum  franckfurdie  frater  meus  Bern- 


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hardns  assumpsit  Karolam  hynsperg,  tunc  magistrum  ciuium, 
in  sotium  et  duxerunt  sacerdotem,  qui  ibidem  in  processione  detulit 
corpus  domini.  Hec  enim  dedicatio  nostra  est  de  iure  iuxta  litteras.] 
Anno  1499  xii  maij  et  dominica  exaudi  cgo  cum  Jacobo  neuhuß, 
magistro  ciuium  pro  tunc  [§.  125J,  duximua  sacerdotem  de- 
ferentem  eucharistiam.  [fol.  139 :  Anno  1499  duodecima  maij  et  do- 
minica exaudi  in  aolennitate  dedicationis  eccleaie  minorum  duxi  ego 
vna  cum  Jacobo  neuhuaen,  tunc  magiato  ciuium,  eum, 
qui  inde  ex  institutione  genitoria  mei  detulit  in  processione  corpus 
domini,  induique  eo  die  ex  panno  nigro  tunicam  simplicem,  de  illo 
eodem  panno  induit  Jacob  us  prefatus  eyn  h  aBack.]  Anno 
1500  vltima  maij  Bernhardus,  frater  meus,  vna  cum  Georgio  neuhuaen 
duxerunt  sacerdotem,  de  quo  in  152.  [fol.  152:  Anno  1500  vltima 
maij  in  dedicatione  minorum  duxerunt  sacerdotem  gestantem  corpus 
domini  frater  meus  Bernhardus  et  Georgius  neuhusun.] 

§.  192.  [fol.  32]  Anno  1495  in  die  beate  Mari?  Magdalene 
Johannes  griffensteyn,  decanua  S.  Bartholomei,  detulit  cor- 
pus dominicum,  Johann  glauburg  etOrtt  zum  iungen 
in  locum  Johannis  von  ryn  duxerunt  decanum ,  Bernhart  wyß, 
Georg  nouhuß,  Philippus  ogelnheymer,  Jacob  wyß 

portarunt  den  casten.    Vdalricus   nuhuaen,  Georg 

matroff,  Gylbcrtua  hulczhuaen,  Heynricua  wyß  facea 
gestabant. 

§.  193.  [fol.  43]  Anno  1495  ordinatum  est  per  sereniasimum 
Maximillianum  Romanorum  regem  ac  per  archipreaulem  maguntinura, 
Bertholdum  de  henberg  etc.  et  per  alio8,  vt  in  omnibua  cathedrali- 
bua,  collegiatis  parochialibusve  ecclesiis  et  monaaterija  per  totum 
imperium  in  omnibua  dioceaibu8  et  locia,  qui  aub  imperio  aunt,  vt 
ad  quadriennium  aingulia  menaibua  miaaa  rogationia  decantetur 
in  initio  cuiualibot  raonaia  pro  impetranda  (a  magnipotenti  deo)  raiaeri- 
cordia  et  peccatorum  venia  pro  aalute  et  victoria,  vt  auo  iuamine 
[iuvamine]  hoatibua  fidei  et  imperij  reaiatere  valeamus  criatianaque 
religio  vt  augmentotur  imperiumq.  aimul  amplificetur.  Et  omnibua 
deuote  intereaaentibua  xl  dies  indulgentiarum  tribuuntur.  [fol.  44] 
Hec  mfeaa  rogationia  eat  franckfurdie  primitua  cantata  die  nona  de- 
cembria  anno  1495  et  aingulia  menaibu8  continuata  U8que  in  annum 
1499,  vbi  ultima  obaeruata  fuit  quarta  nouembria.  Celebratur  autem 
miaaa  hoc  ordine.  Ante  misaam  flexia  genibus  cantatur  antiphona: 
nCognoacimu8,  doraine,  quod"  etc.  cum  verau  et  collecta  pro  pecca- 
tb.  Dchinc  septem  psalmi  penitentiales  leguntur  usque  ad  litahiam, 
litaniaque  inchoatur  voce  altiori  cantabiturque  per  cireuitum  ecclesi§, 


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precedente  quodam,  qui  crucem  defort  ante  scholares  (ubi  sunt)  et 
clerum.  Hijs  finitis  in  choro  cantatur  antiphona:  „Alma  redemptoris 
mater"  etc.  cum  versu  et  collecta  de  beata  virgine.  Hij8  sie  actis  ad 
missam  venitur,  cuius  initium  est:  „si  iniquitates",  collecte:  „Parce 
domine",  „Omnipotens  sempitcrae  deus".  Hec  due  collecte.  leguntnr 
sub  prima  conclusione  [?].  Alie  tres  collecte,  videlicet:  „quaesumus, 
omnipotens  deus,  ut  famulus  tuus  rex",  „deus,  a  quo  saneta  desideriau, 
„deus,  qui  non  mortem  peccatoris",  leguntur  sub  secunda  conclusione. 
Epistola  Hierieme  prophete:  „Si  iniquitates  nostre  contendant"  Gra- 
duale:  „Propitius  osto  peccatis".  Alleluja:  „ostende  nobis,  domine*. 
Tractus  post  lxx  [septuagesimara]:  „Domine,  non  secundum  peccatau. 
Ewangelium:  „Amen,  amen  dico  vobis,  quivis  dixerit  huic  monti*. 
Offertorium:  „sicut  in  holocausto".  Post  eleuationem  flexis  genibus 
cantatur  antiphona:  „Media  vita  in  morte",  versus  et  collecta  pro 
peccatis.  Commune:  „Amen  dico  vobis,  quidquid  orantes".  Finita 
uiissa  proceditur  cum  processione  ad  altare  beat<?  virginis  et  cantatur 
flexi»  genibus  antiphona:  „Salve  regina8  cum  versu  et  collecta.  Tan- 
dem cum  ad  chorum  reuersi  sunt,  cantatur  antiphona:  „O  Martine, 
o  piea,  versus  et  collecta  vel  loco  illius  antiphone  cantantur  antiphona 
de  patrouo  ecclesie  illius.  II?c  roissa  tali  rittu  et  ordine  suprascripto 
primitus  franckfordie  est  decantata  die  nona  decembris  anno  1495. 
[cf.  §.  200.J 

§.  194.  [fol.  53]  Anno  1496  die  3*  apprilis,  erat  dies  sanet* 
pasche,  tres  apud  fratres  pr^dicatores  predicabant :  lector  in  cymiterio, 
subprior  in  ecclesia,  tercius  in  ambitu,  adeoque  se  inuicem  clamoribus 
[se]  impediebant,  ut  parua  ex  hijs  sermonibus  populo  generabatur 
deuotio,  sed  confusio  potius. 

§.  195.  [fol.  54]  Anno  1496  in  die  saneti  Marci  ewangeliste. 
clerus  non  ibat  ad  villam  rad,  sed  mansit  in  sachssenhussen  ob  pluuiam, 
que  die  integra  durabat 

§.  196.  [fol.  56]  Anno  1496  in  mense  maij  erecta  primum  est 
tabula  summi  altaris  in  choro  fratrum  predicatorum. 

§.  197.  [fol.  58]  Anno  1496  in  die  beate  Marie  Magdalene  de- 
canus  Johannes  in  processione  gestabat  corpus  doraini,  Jobann 
glauburg  et  Hans  vom  ryn  eum  duxerunt,  Jacob  wiß,  Gorg 
neuhuß,  Conrad  mones,  Diether  .  .  .  von  Bassenhussen  por- 
tabant  den  kästen;  Gylbertus  hulczhusen,  Ludwicus  hulcz- 
husen,  lieylman  stralnberg,  Conrat  zum  jungen  ferebant 
cereas. 

§.  198.  [fol.  90]  Anno  1497  ipso  die  corporis  Christi  et  vicosima 
quinta  maij  deferebat  corpus  dfiilohannes  gryffensteyn,  decanus 


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dioi  Bartholom^  francofurdiensis.  Aasistebant  docano  cum  ducendo 
Henn  glauburg  et  Iohannes  vom  ryn,  seniores  scabini, 
quatuor  autem  ferebant  struem,  que  super  uacraraentum  defer- 
tur,  nostro  ydiomate  der  käst  genant,   videlicet  Philippus 

ogelnheymer,  Gorg  reyß,  Ditther  et  ego  lob  ror- 

bach,  et  primum  est,  quod  ego  gestabam  den  kästen,  quatuor  alij 
deferebant  tedas  scu  cercas,  videlicet  Heynrich  wiß,  Ortgyn 
zum  jungen,  Vlrieh  neuhusen  vnd  Gorg  martroff.  Comita- 
bantur  sacramentum  a  retro  Marchio  lacobus  de  baden ,  iuditij 
camerc  iudex,  cum  co  sex  assessores,  item  aduocatus  iuditij  camer?, 
Doctor  Florentius  de  veningen,  aliquique  procuratores.  Post  hos  ibant 
consules  opidi  huius,  deinde  wulgares  etc. 

§  199.  [toi.  95|  Nicolaus  kruder  episcopus  Sambicnsis 
et  filius  franckfurdensis.  Anno  1497  die  22  iulij  ipsa  die  diu? 
Magdalena  Nicolaus  kruder,  episcopus  Sambiensis,  filius  oppidi  franck- 
furdensis, detulit  Corpus  dominicum  in  proecssione,  que  ea  die  agitur 
ex  voto.  Bemhardus,  frater  meus,  Iorg  neuhuß,  Conrat  moneß  et 
Dither  humeris  scu  scapulis  suis  [gestaverunt]  den  kästen  et  prima 
est  fratris  gestio  illa  prefata.   Eram  tunc  "wormatie. 

[Maria-Magdalenen-Procession  1498,  begleitet  von  den  Theilneh- 
mern  an  dem  Passionsspiel  §.  2I5J. 

§.  200.  [fol.  137]  Bede  Meß.  Anno  1499  vicesima  quarta  ap- 
prillis  decantata  est  in  omnibus  collegiatis  ecclesijs  et  monasterijs 
missa  pacis.  Et  in  ecclesia  parochiali  nostra  hoc  modo  processum  est : 
primum  cantata  antiphona:  „Cognoscimus  domine,  quod  peccauimustt; 
deinde  lecti  submissa  voce  vii  psalmi  litaniaque  alta  voce  per  duos 
decantabatur.  Cantando  eam  facta  est  processio  et  cireuitus  per  totum 
eimitcrium.  In  ea  ibant  primum  scolarcs,  deinde  persone  ecclesie, 
demum  totum  consilium  seu  omnes  consulares  viri  vna  cum  capitaneo, 
aduocato  medicoque  etc.,  qui  omnes  durarunt  vsque  in  finem  offltij 
misse. '  Antca  etiam  quam  inchoaretur  offitiura  summum,  cantata  an- 
tiphona:  „Alma  redemptoris"  cum  collecta;  introitus  :  „Da  pacem";  habita 
cleuatione,  cantata  antiphona :  „Media  vitaa  cum  collecta.  Finito  offltio 
misse^  cantata  fuit  antiphona:  „Salue  rcginaa  cum  collecta  [fol.  1381. 
Steterunt  consules  in  dextro  latere  chori,  ingrediendo  chorum  scabini 
et  pretores,  in  superioribus  sedibus  seu  stallis  alij,  in  inferioribus 
persone.  vero  omnes  ecclesie  honoris  gratia  cedebant  consulibus  et  in 
latere  sinistro  manebant.  Deinde  eodem  anno  22  maij  ob  exhorta- 
tionem  domini  Bcrtholdi  archiepiscopi  eque  et  per  omnia  decantata 
est  missa,  vt  supra ,  et  .  sequebantur  itterum  omnes  consulares 
[ff.  §.  193]. 


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§.  201.  [fol.  142]  Anno  1499  in  die  dine  Marie  Magdalene  do- 
minus Johannes  gryffensteyn  detulit  corpus  Christi.  Ducebant  eum 
Johannes  vom  ryn  et  Ort  zum  jungen.  Den  kästen  deferebant 
Gorg  neuhui*,  Engil  langstorff,  Arnolt  reyß,  Philipps 
vgelnheymer.  Deferebant  die  fackeln  Sebastianus  Schmitt, 
Conrat  zum  Jungen. 

§.  202.  [fol.  156|  Bede  Meß.  Anno  dominj  1600  vltiraa  augusti 
decantata  est  missa  pro  pactis  ad  instar  eins,  que  supra  notatur 
charta  137  [§.  200],  nisi  quod  in  ea  nunc  consules  in  latere  cantoris 
steterunt  supra  in  latere  decani  etc. 

18.  Judentaufe. 

§.  203.  [fol.  5]  Anno  1494  deeima  nona  augusti  baptizata  est 
hic  Judea  ex  partibus  sueuie,  que,  vt  ait,  ex  instinetu  Marie  virginis 
proprio  motu  baptizari  petüt,  et  nomen  ipsi  est  impositum  Katherina 
etinter  plures compatrices duxerunt  eam due  virgines,  Annabluinyn, 
filia  Wolfgangi  blums,  affinis  mei,  et  Cristina  froschin,  filia  Jo- 
hannis frosch,  que  prefate  virgines  steterunt  in  latere  super  machinam, 
quando  baptizabatur,  erat  enim  machina  construeta  ante  aram  parochia- 
lcm  et  peluis  super  posita,  in  qua  steterat  baptizanda.  Cetcre  autem 
compatrices  non  ascenderunt  machinam,  et,  ea  baptizata,  cecinit  popu- 
lus:  „Nun  byden  wyr  den  beigen  geyst"!  Et  postea  eduxerunt  eam 
prefate  virgineB  in  processione  (sicuti  et  intrauerat  ecclesiam)  ad 
domum  plebani. 

19.    Asylrecht  der  Klöster. 

§.  204.  [fol.  89]  Anno  1497  deeima  maij  in  noete  hatt  hamei* 
sun  ....  zu  sosenhusen  eyn  thor  geweltiglich  vffgetretten  an  eynem 
huselin  by  dem  büß,  zum  Einbogen  genant,  by  den  predigern  vnd 
hatt  gewont  eyn  burger  von  aschaffenburg,  der  liic  reyff  feyll  hatt, 
genent  vnd  hatt  der  gemelt  burger  eyn  frawe  zu  aschaffen- 
burg. Aber  hameß  sun  hatt  dissen  burger  gewont  vmb  des,  das  er 
by  ym  lygen  fant  syn  hör  .  .  .  des  wagners  dochter  von  sassenhusen. 
Darum b  dratt  er  die  dor  vff  vnd  hywe  den  burger  vnd  schlug  die 
hör  by  eynander  ym  beth.  Vnd  hatt  hanies  sun  eyn  scherrer 
knecht  .  .  .  .  by  ym  yn  disser  thatt  Des  morgens  licfY  hames  sun 
vff  die  friheytt  yn's  barfusscr  kloster  vnd  der  scherrer  kneclit  zusant 
Anthonij  vnd  synt  beyd  daruonkomen. 


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20.  Cleriker. 

§.  205.  [foL  5ö]  Anno  domini  1496  duodeoima  maij  expirauit 
deuotus  Hartmandua  moliatoris,  canonicua  sancti  Bartholomei. 
Canonicatum  obtinuit  Philippus  de  hello,  alias  peffer  dictus. 

§.  206.  [fol.  62]  Anno  1496  vltima  augusti  dominus  Niclaus 
wißbecker  exspirauit,  quieratscolasticus  sancti  Bartholomei.  Scolasteriam 
obtinuit  Joannes  sumer,  canonicus  sancti  Bartholomei,  quod  sibi 
contulit  generosus  dominus  ....  de  nassawe  comes,  prepositus  diui 
Bartholomei  [cf.  §.  62.]. 

§.  207.  [fol.  99]  Anno  1497  Carolus  [1.  Philippus]  de  helle, 
filius  doctoris  Georgii,  vulgo  peffer  cognominatus,  obtinuit  prebendam 
in  ascbaffenburg  per  mortem  cuiusdam  reyff,  qui  obiit  vltima  augusti. 
Hec  scripsit  frater,  quum  wormatie  eram7. 

§.  208.  [fol.  145J  Anno  1499  die  tredecima  octobris  J  oh  an  es 
vom  ryn,  filius  Johanis  vomryn  et  decanus  sancti  Leonhardi, 
suas  celebrauit  primitias  in  dicta  ecelesia  S.  Leonhardi,  ad  quos  ego 
fueram  inuitatus. 

§.  209.  [fol.  160]  Anno  domini  1500  tertia  decembris  obijt  do- 
minus Georgius  schwartzenberger,  cantor  et  canonicus  ecclesie  sancti 
Bartholomei  franckfurdie.   cf.  §.  63.  327. 

[Johannes  Greifenstein,  decanus  sancti  Bartholomaei,  §.  62  seq.,  192. 
197.  201.  215. 

Eberhardus  Becker,  scholasticus  sancti  Bartholomaei,  §.  62.  §.  63. 
ConradusHensel,  doctor  theologiae,  canonicus  sancti  Bartholomaei 
et  plcbanus,  §.  63. 

Johannes  Ugelheimer,  canonicus  sancti  Bartholomaei,  §.  62.  63. 
Erhardus  Dincickheymer,  canonicus  sancti  Bartholomaei,  §.  63. 
Johannes  Wilnau,  canonicus  sancti  Bartholomaei,  §.  (.3. 
Hcimannus  Itzstein,  canonicus  sancti  Bartholomaei,  §.63.  65.  69. 
Nicolaus  Schell,  vicarius  sancti  Bartholomaei,  §.  65. 
Nicolaus  Hugonis,  clericus  sancti  Bartholomaei,  §.  68. 
Hcinricus  Stößel,  vicarius  sancti  Bartholomaei,  §.  236. 
Nicolaus  Kruder,  episcopus  Sambiensis  et  filiusfranckfurdensi8,§.l99. 
Johann  Bruno,  sacerdos  §.  80. 

Albertus  Brollyn,  capellanus  Katharinac  Holzhausen  zum  Gold- 
stein, §.  18.  217.] 

—  -  *      ~  — 

'  Am  Rande  hat  Job  „Karolus"  ausgestrichen  vnd  dafür  „Phillipus"  ge- 
setzt. Es  unterliegt  demnach  keinem  Zweifel,  dass  der  Inhaber  jener  Praebende 
und  der  Canonikus  zu  St.  Bartholomaei  eine  Person  und  Sohn  des  Kanzlers 
Ueorg  Helle,  gen.  Pfeffer,  war. 


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III.  Sitten. 


1.    Das  jährliche  Hirschessen  des  Raths. 

§.  210.  [fol.  31  j  Anno  1495  die  tredccima  julij  domini  de  con- 
silio comederunt  cenmm  in  domo  Johannis  gleuburg  iuxta  morem 
eorum,  vti  singulis  annis  faciunt. 

§.  211.  [fol.  57]  Anno  1496  die  1  juljj  domini  de  consulatu 
conuiuium  cerui  peragebant  Et  Clara,  vxor  Johannis  de  glau- 
burg,  inuitauit  plures  in  domum  Ambrosii  glauburg  (consulares  enim 
sunt  in  domo  Johannis  glauburgs,  cum  bachanalia  cerui  peragunt), 
qui  ad  triduum  ederunt  ac  biberunt  in  gaudioque  triduum  hoc  con- 
sumpserc,  iueruntque  tercia  die  ad  villam  rad  causa  solatii  et  quod 
dies  diue  Margrete  agebatur,  quc  iJlic  patrona  colitur.  Inter  alias 
aderant  mater,  soror,  affinis  et  ego,  frater  in  italia  erat  [§.  8]  soluit- 
que  genitrix  pro  se  et  me  pro  hoc  triduo  xx  ß. 

§.  212.  ffol.  93]  Anno  1497  decima  nona  junij  domini  consoles 
franckfurdenses  bachanalia  cerui  peragebant 

§.  213.  (fol.  117]  Anno  1498  vicesima  junij  consulares  franck- 
furdenses conuiuium  cerui  iuxta  morem  agebant 


2.   Passion  sspieL 

§.  214.  [fol.  115]  Anno  1498,  quarta  junij  et  sccunda  penthe- 
costes,  hic  ante  pretorium,  quod  dicitur  der  romer,  supra  machinam, 
que  ob  hoc  constructa  fuerat,  ludus  habitus,  in  quo  erant  280  per- 
sone  bene  ornate  cum  vestibus  ac  similibus,  quQ  decebant;  luserant 
autem  eo  die  primum  sacrificium  uuici  filii  Abraam,  historiam  Susanne, 
divitis  et  pauperis  Lazari,  item  filii  pcrditionis,  quibus  actis  Balthazar, 
plcbanus  in  obem   Escherscheym,  induit  se  tunica  grisea 


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—  157 


(antea  enim  peraonam  patria  in  drais  representabat) ,  ac  dyademitate 
coronatus,  personam  Christi  aimulana  paaaionem  domini  aggrediena, 
que  causam  omnem  dedit  ludo.  Eam  incipiebat  ab  electione  apoato- 
iornm.  Die  quinta  junij  luaerat  pasaionem,  usque  dum  captus  fuerat 
in  ortu  fhorto],  aub  illa  captura  ducebatur  per  nostraa  vicua  ciuitatia, 
Sexta  jtmij  et  roercurij  et  quatuor  temporum  ad  longum  per  ciuita- 
tem  traducebatur,  anteaquam  aacerenderent  inachinam,  cumque 
machinam  aacendiaaent,  adAnnam  eo  die  etc.  ducebatur  et  cruci  ap- 
pendebant  eum,  in  qua  pendebat  fere  ad  duaa  hör«.  Sexta  [lege: 
aeptima]  junij  et  jouia  poat  penthecoaten  exportarunt  crucem  una 
cum  crucibua  latronum  extra  portam  aaxenhuaen.  Undecima  junij 
hij,  qui  de  ludo  erant,  inuitarunt  totum  conaulatum  ad  prandium,  qui 
donarunt  Ulis  duas  araaa  vini  et  20  aureoa,  item  conceaaerantillia  aaaerea  et 
ligna  in  magna  copia  valde,  ex  quibua  machina  conatruebatur,  ea 
tarnen  lege,  vt  redderent,  et  que  deatruerentur  aeu  cederentur,  aolue- 
rent;  preterea  plurea  alioa  ciuea  et  eccleaiaatica8  peraonaa  inuitabant, 
qui  et  Ulis,  qui  de  ludo  erant,  propinabant.  Item  omnia,  qui  de  ludo 
erat,  et  quelibet  persona  aingulariter  dedit  primo  societati  [fol.  116] 
eyn  ort,  de  qua  pecunia,  quo  ludum  concernebant,  parabantur. 

§.  215.  [fol.  118]  In  die  diueMagdalene  anno  1498  in  proceaaione 
corpus  domini  detulit  Iohanea  gryffenatein,  decanus  ecclesie 
S.  Bartholomei;  Hen  glauburg  et  Hans  vom  ryn  duxerunt 
eundem,  Gorg  neuhus,  lob  rorbacb,  Arnold  reyaz, 
Philipps  vgelnheimer  geatabant  den  kästen,  et  antea  in  feato 
Magdalena  non  gestaui;  Ludwick  hulczhusen,  Gorg  mar- 
troff,  Heylman  straln b erg, Virich  neuhus  portabant  cereas; 
hij  autem,  qui  luaerant  paaaionem,  vt  habetur  aupra  115  aequebantur 
conaularea  in  proceaaione,  induti  aeu  veatiti  more  eorum,  niai  quod 
quinque  representabant  aalvatorem,  vnua  captivum,  alter  in  veate 
alba,  tertius  columnam  ferebat,  quartus  crucem,  quintus  resurrectio- 
nem  representans,  et  b  erat,  qui,  dum  ludebatur,  omnia  Jheau  more 
similitudinarie  geaaerat  ac  patiebatur. 


3.   Rath  ableygen. 

§.  216.  [fol.  132]  Anno  1499  tercia  januarij  dedit  mihi  magi- 
ster  ciuium  Michel  achwarczenberg  pro  duobua  Bleygin,  die  ich 
vordynt  hat  vif  den  tag  Marie  Magdalena,  do  ich  den  kaaten  drug, 
vta.  118  [§.215],  vor  diezwey  gabermirdreuder  neuwen  bleygin  vnd 
waren  die  ersten,  die  ich  gesehen  hab;  gap  ich  der  mutter  eyna, 


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-    158  — 


Bernharten,  mynbruder,  das  ander,  her  Eberharten  becker  da.« 
dritt  zu  neu  wen  iar  vnd  hat  der  selbigen  [keynes|  keyns  mer  gesehen 
oder  gehat  A  tempore  natiuitatis  Christi  anno  illo  hic  notato  defece- 
runt  die  alten  bleygin  mit  den  zweyen  brachen  vnd  mit  den  zweyen 
drüben  vnd  die  neu  wen  haben  die  gestalt,  das  vß  eyner  kannen 
sunder  eyn  lytt  oder  deckel  wachsen  zwen  drüben,  hengend  vff  bey- 
den  sytten  [cf.  Lersner  I,  458]. 

§.  217.  ffol.  141 J  Anno  1499  decima  octaua  junij  zum  erstmall 
vff  der  grossen  vrgeln  in  der  phar  durch  Johannes  hessen,  des  vor- 
sprechen Hans  hessen  sun,  eyn  saluc  gespilt  worden  vnd  gesungen 
vnd  waren  kum  als  fill  claues  vnd  pyfFen  gestympt,  das  eß  bescheen 
mocht  Schanckt  ich  hierumb  dem  selbigen  Iohannes  eyn  rats  blygen, 
die  will  das  fer)  zum  ersten  zum  salue  gespilt  hat  etc. 

4.  Schiessen. 

§.  217.  [fol.  58]  Anno  1496  die  julij  vicesima  vff  dem  schyss 
graben  zwyschen  den  porten  by  sant  katherinen  kyrchen  noch  myttag 
synt  zusamen  komen  yn  eyner  gutten  erlichen  gesellschafft  doctor 
Florentius  von  veningen,  Katherina  hulczhuserin ,  Hamen,  yr  sun, 
vnd  Margret,  Hamens  husfrawe,  Gylbrecht,  auch  yr  sun,  Eylchin 
rorbecherin  vnd  ich  lob,  yr  sun,  Katherina,  Oylbrechtcz  hulczhusen 
seliger  gedechtniss  wyttwen,  Ludwig,  yr  sun,  Karlen  henspurg  vnd 
Martha,  syn  husfrawe,  myn  loben  Schwester,  Johan  holczheymer, 
vnd  haben  des  underens  die  gesellen  geschossen,  welche  wollten,  vmb 
zymlich  kleynet  von  zinwerg;  des  nachte«  hatt  ye  eyn  huszgeseß 
II  maß  wyns  bracht,  vnd  nach  dem  nachtraall  geschossen  frawen  vnd 
man,  wer  da  wolt,  byß  vmb  zehne,  also  das  III  Hecht  by  das  blatt 
gesteckt  worden  vnd  eyns  farn  anzeyger,  vnd  noch  dem  nacht  mall 
synt  darczu  komen  Ort  zum  hingen,  der  junger,  vnd  her  Albrecht 
prolin  |§.  18],  der  hulczhuserin  zu  goltstein  kappellan. 

§.  218.  [fol.  67]  Anno  1496  tredecima  nouembris  hat  hie  eyn 
schyesscn  angefangen  mytder  hantbocksen;  das  hatt  gewert  dry  tag 
vnd  synt  der  schuczen  hundert  vnd  eycht  gewesen  vnd  der  kleynet, 
darumb  man  geschossen  hatt,  funff  vnd  zwenczig,  myt  namen  drij 
ochsen,  eyn  schwarczer  hudt  myt  eyner  sylberen  roren,  iiii  clen 
sch wäre zen  schamelott,  vnd  zwenczig  zinnener  kleynet  als  fl eschen, 
gieß,  faß,  gelten,  byren  [?J,  teil  er,  kannen  etc.  Den  besten  ochsen 
gewan  eyner  heyst  Thomas,  bossenmeysters  sun,  syezt  by  der  bocken- 
hevmer  porten,  den  andern  ochsen  gewan  Conrad  nuhuß,  myn  vetter, 


den  drytten  eyn  bossenmeister  von  mencz,  den  hut  mit  der  silbernen 

roren  schuchlepper  by  sant  iohann,  den  schamelott  zum 

wamea  gewann  dyll  eyn  ledder  verkaufter  vff  dem  krutt  marckt, 

die  suwe  [Sau]  gewan  Hans  syd,  vnser  schmyt,  vnd  habent  die  franck- 
furter  schüczen  nünczehen  kleynheyt  vnder  den  funff  vnd  zwen- 
czigen  vnd  die  beubt  kleynet  all,  vßgenomen  den  drytten  ochBen. 
Vnd  baben  sie  geschossen  vff  dem  fyscherfelt  yn  zwen  schyrm  vnd 
die  leng  des  schuß  vom  stand  an  byß  yn  schyrm  ist  336  clen,  myt 
eyner  schnor  ist  cns  also  gemessen  worden.  Item  hat  Schnabels  sun 
eyn  brieczsch,  vnd  welcher  schütz  sechs  schus  nach  eyn  ander  des 
schyrms  feit,  dem  schlug  man  der  briczschen;  item  welcher 
nyt  by  die  schüczen  gehört  vnd  gyng  vber  das  gebleng,  dem  schlug 
man  der  briczschen  oder  must  iiii  den.  geben,  vnd  schössen  die 
schüczen  zehen  schul*.  Auch  synt  der  kleynet  zum  rytter  achuß  ver- 
ordenet  myt  namen  zwen  hud'  vnd  eyn  byrett  vnd  eyn  silberen 
lanczknecht  myt  eyner  silberen  hellenbarten. 

§.  219.  [fol.  157]  Anno  1500  ist  eyn  schissen  mitt  der  hant- 
bocksen  hie  gehalten  worden  vff  dem  fiescherfeld  zu  zweyen  achyr- 
men  vnd  synt  siebentzig  schützen  gewesseil,  der  synt  vii  von  mentz, 
dry  von  oppenheym,  vier  von  gelnhusen,  dry  von  rad,  die  anderen 
synt  alle  franckfurter  gewessen  vnd  hat  man  zehen  schul*  gethon, 
synt  vnder  den  schützen  nor  zwen,  die  sex  schul*  zu  meisten  gehabt 
haben,  mitt  namen  meister  Ludwig,  des  rata  Schmitt,  hat  den  ochsen 

der  das  best  war,  behat  [behalten  ?]  vnd  fiescher  das  damasten 

wams,  Bernhart  weil*  eyn  silberen  becher,  vnd  synt  ettwan  mit  allen 
kleyneten,  so  mitt  dem  ritter  schuß  vnd  sust,  drysaig  kleynett  ge- 
wessen, des  hat  der  ratt  hie  den  ochsen  zu  vor  geben  vnd  den 
schützen  auch  x  firtell  wyns  geschenckt,  in  die  herberig  habent  die 
[fol.  158]  von  oppenheym  eyn  kleynet  gewan,  die  von  mentz  eyns 
vnd  die  su,  die  von  rad  eyn  hutt  mitter  eyner  silberen  rorn  im 
ritter  schul*,  die  andern  kleynet  syn  alle  von  franckfurtern  gewannen. 
Dar  by  ist  eyn  kegelban  gewesen  vmb  ertlich  kleynet,  haben  die  von 
franckfurt  auch  gewanen  (alweg  dry  sehyb  vmb  1  h.  vnd  in  eym 
weißphening  gab  man  eym  dry  sehyb  zu),  vnd  waren  dry  zeit 
vff  geschlagen  vff  dem  fischerfeit  by  helligen  stock ,  ir  zwey  vor  die 
schützen,  im  drytten  spilt  man  vnd  hat  das  schissen  dry  tag  gewert. 


—    160  - 

5.   Erstes  Gastmahl  im  eigenen  Hausstande. 

§.  220.  [fol.  35]  1495  die  quarta  septembris  hatt  Haman  hulcz- 
husen  myt  sampt  Margretten  froschin  9,  syner  husfrauwen,  zum  ersten, 
ali>  eyner  der  eygen  hnß  halten  wyll,  ym  monczhoff,  den  man  auch 
den  trierssen  hoff  nennet,  gessen  vnd  darnach  vff  den  funfften  dag 
des  Septembers  haben  sye  zum  ersten  dyn  geschlaffen,  also  aynt  sie 
gancz  zu  huß  geczogen.  Item  darnach  uff  den  xüi  tag  des  Septem- 
bers habent  myn  mutter  vnd  Kryngen  hulczhuseryn  zu  spangenberg 
gekocht  vnd  die  kost  yn  monczhoff  getragen  vnd  haben  den  newhen 
hußlutten  geschenckt  das  myttag  ombß,  vnd  hatt  myn  mutter  ge- 
schenckt  eyn  schon  koppfferen  kessel,  da  man  glesser  yn  weschet, 
kost  1  fl.  iiiiß  vel  alb.,  vnd  ich  eyn  schyndell  lad,  da  yn  stunden  kleyn 
hulczeryn  bochßlyn  vii,  das  sie  species  9  dar  yn  thun  sollen ,  die  yn 
die  kochen  gehören,  Kryngyn  zu  spangenberg  schanckt  eyn  Schleyer. 
Ludwig  hulczhusen,  yr  sun,  schanckt  eyn  Instrument,  von  myssen  16 
gemacht,  da  man  die  phan  uff  seezet,  kost  xv  alb.,  Eylchyn,  yr  dochter, 
eyn  groß  holczeryn  hoff  schussel,  da  man  deller  vber  diesch  yn 
worfft,  wenn  man  eyn  essen  uff  will  heben.  Vnd  des  myttags  was 
myr  assent,  schanckt  myn  mutter  vnd  Kryngyn  zu  spangenberg, 
vnd  assent  da  myn  mutter,  myn  bruder  Bemhart  vnd  ich,  Katheryn 
zu  spangenberg,  Ludwig  yr  sun,  Eylchin  yr  tochter,  her  Johann 
brun;  |fol.  36]  des  nachtes  lud  uns  alsampt  herwidder  Haman  uff  syn 
kosten.  Et  solitum  est  fieri  hijs,  qui  primum  proprias  ineipiunt  fa- 
cere  in  domo  expensas,  et  cum  et  maritus  et  uxor  ambo,  vel  alter 
ex  eis  antea  non  fuerunt  copulati. 

6.   Job  Rohrbach's  Gastmahl  mit  Speisezettel. 

§.  221.  [fol.  153]  Anno  domini  1500  tertia  junij  habui  hospites 
in  cena,  vt  infra,  quod  sie  contigit.  Vicesima  octaua  maij  Ambrosius 
dietherich,  prothonotarius  iuditij  caniere,  inuitauit  ad  cenam  in  dorauni 
Jacobi  neuhuli  certas  mulieres  cum  maritis  et  alijs  quibusdam*  Acta 
cena,  jocando  mulieres  imposuere  sertum  Vdalrico  neuhuU,  vt  daret 
cenam  die  sequenti,  quod  preeibus  mulierum  11  et  eo,  quod  genitrix 


*  Helle.  Vrgl.  Einleitung  Anw.  27.  Margarethens  Mutter  war  eine  geborene 
Frosch. 

»  Species  =  Gewürz,  Specerei. 

10  Messe  =  Bronze.  Das  Messing  ist  erst  1553  durch  Erasmus  Ebner  er- 
funden. 

««  Ein  Wort  scheint  zu  fehlen,  vielleicht  aeeepit. 


161  - 


Uli  domum,  coquam,  ligna  etc.  obtulit,  ipse  Vdalricus  oranes  sie  inui- 
tavit  ad  diera  sequentem;  placuit  etiam,  vt  quelibet  familia  domus, 
aiue  vu us  vel  plures  in  vna  domo  forent,  afferrent  ii  maß  wynß,  sieque 
ad  diera  sequentem  comienimus  eo  pacto,  vt  supra,  in  domum  nostram. 
Vdalricus  vero  sertuin  imposuit  VrsulQ  schwartzenbergeryn ,  ipsa 
Vrsula  mihi  Job  sertum  dedit  sieque  inuitaui  omnes  et  omnem  hanc 
societatem  ad  cenam  ad  tertiana  diem  junij,  que  erat  dies  mercurij 
post  dominicam  exaudi;  habui  autem  in  cena  sequentes  personas : 
Ey Ichin  matrem,  Bernhardum  fratrem,  Georgium  neuhuß,  Jacobus 
frater  suus  inuitatus,  sed  quod  sumpserat  medicinam,  non  comparuit, 
Vdalricum  neuhuß,  Gilbertum  hultzhuscn,  Katherinam,  suam  legittiniam, 
Katherinam,  relictam  Gilberti  hultzhusens  zu  spangenberg,  Ludwicum 
filium  ipsius,  Vrsulam  schwartzenbergeryn,  Otüiam  zu  schwanawe, 
Fridericuro  faut,  Margretam  vxorem  suam,  Nicolaum  schorrebrant, 
wulgo  armbruster,  Hamandus  hultz[hujsen  cum  uxore  Magreta  vo- 
catus  erat,  sed  quod  infirmus  ipse,  non  comparuit  etiam  uxor;  item 
Karolum  hynspurg  affinem  cum  Martha,  uxore  sua,  sororc  nostra, 
sieque  considera  te  mercurij  natum,  mercurij  prebendam  adeptum, 
mercurij  primum  hic  hospites  habuisse  meis  impensis.  Vnd  gaben  disse 
gericht  oder  trachten  :  zum  ersten  erpffern  mit  zock  er,  darnach  in 
iglich  schußeil  iiii  jung  huncr  vnd  eyn  stock  heymell  fleysch  gedempfft 
mit  cybeben,  resyn  groß  vnd  kleyn,  muscaten  vnd  muscat  blumen, 
darnach  gesotten  scheffen  oder  schotten,  darnach  gebrottes  ye  in 
eyn  schussel  iiii  junger  huncr,  eyn  hamelsbuck,  eyn  halb  ganß  vnd 
fyrsseß  solß  darbey,  daraffter  keß  vnd  kyrsen  zur  collatz,  am  obent 
keß,  confeckt,  rettich  vnd  zwey  malckum,  das  eyn  in  der  schusseln, 
das  ander  vß  dem  haffen  zu  drincken.  Sertum  ego  imposui  Kathe- 
riue  zu  spangenberg. 


•         7.  Meyenstecken. 

§.  222.  [fol.  20 1  Anno  1495  prima  maij  nec  postea  hat  man 
keyner  jungfrawen  oder  wittfrawen  oder  frawen  vffvnser  stoben  oder 
der  glichen  mey  noch  briff  gesteckt  nach  alter  gewonheytt. 

§.  223.  [fol.  55]  Eodem  die  [anno  domiui  1496  prima  die  maijj 
nil  per  adolescentes  affixum  foribus  est,  ut  antiquitus  moris  erat. 

§.  224.  [fol.  88]  Anno  1497  hat  man  keyn  mey,  alsvnser  altern 
ym  gebruch  gehabt,  vor  der  jungfrawen  vnd  frawen  thor  uff  den 
ersten  tag  ym  mey  [suppl.  gesteckt].  Solichs  ist  von  den  jungen 
gesellen  nyt  geschehen  vff  Philippi  vnd  Jacobi. 

11 


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-  162 


8.   Kölligswahl  am  Kpiphanie nabend. 

§.  225.  [fol.  47]  Anno  1496  5t*  januarij  [per  sortem]  zum  golt- 
stein  in  vigilia  epiphanie  sum  electus  per  sortem  in  regem,  me  ab- 
sente.    Regia  conuiuium  obseruatum  est  tertia  februarij. 

9.  Superstitionen. 

§.  220.  [fol  5J  Anno  1494  in  die  Bartholomei  apostoli  Katherina, 
coqua  matris,  etMargreta,  alia  famula,  sorte  elegerunt  apostolos,  ine 
sortem  ponente,  et  obtinuit  Katherina  Mathiam,  alia  Thomam. 

§.  227.  [fol.  11 1J  Cum  secanda  sunt  ligna  edificiis  vtilia  vtque 
ab  corrosione  et  putrefactione  diutius  conseruentur,  monenda  duo  sunt, 
primo  vt  in  decrescentia  hin?  secentur,  aduertendumque  est,  vt  a 
nullo  secentur,  qui  habuerit  nocte  precedente  vel  die  ea  rem  cum  mu- 
liere,  etiam  uxore  sua.  Preterea  cum  lapides  ponere  velis  in  partes 
[parietes?]  domus,  ne  humectentur  de  se  seu  sudent,  vt  frequenter 
lapides  hyerais  tempore  et  alio  solent,  sie  prouidendum,  vt  consideres 
fodinam  lapidicine  et  fodere  eures  in  ea  parte,  que  est  ad  solis  ortum, 
hoc  inaxime  animadvertendum  propter  lapides  ad  stubas  aptandos. 
Cum  porcos  necas,  vt  pro  domo  lar  [lardum?]  vel  carnes  porcinas 
per  annum  habeas,  necandi  sunt  in  lune  decrescentia,  eo  tunc  lar 
[lardum  ?J  vel  pinguedo  non  tarn  effluet,  vti  contingere  frequenter 
cernimus. 

Hec  retulit  et  pro  uero  asseruit  Petrus  drach,  ciuis  spirensis, 
conürmauit  Johannes  storch,  prothonotarius  iuditii  camere,  qui  se 
horum  experientiara  habuisse  et  probasse  affinnat.  Actum  wormatie 
die  18  martij  et  dominica  oculi  anno  1498. 


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IV.  Frankfurter  Familien 


Alzey. 

[Friedrich  von  Alzen.    §.  123.  181). 
Friederich,  Dietherich  und  Agnes  von  Alzey.    §.  301. 
Agnes  von  Alzen,  Peter  Raissen  und  in  zweiter  Ehe  Bertholds 
von  Babenhausen  Hausfrau.    §.  328.  | 

Artenberg. 

[Margret»,  filia  Heinrici  de  Artenberg,  scriptori»  ciuitatis,  roarita 
Bernhardi  Weiss.   §.  327.  330. 
Fichard  schreibt  Ortenberg.] 

Babenhausen. 
|Niclas  von  Babenhausen,  Biehe  Amtleute. 

Berthold  von  Babenhausen  (Babenheim)  und  Hausfrau  Agnes 
von  Alzen.  §.  328. J 

Blarock. 

§.  228.  [fol.  15]  Anno  1495  in  februario  Johannes  blarock  nup- 
tias celebrauit  cum  Beatrice  de  oppenheym,  soror  est  ibidem 
hospitis  zur  kanue  et  soror  uxoris  Arnoldi  Schwarzenbergs,  cf. 
§.  320. 

[Anna,  Peter  Blarock -s  Hausfrau,  §.  234.  Sie  war  eine  geborne 
Ritter.  ] 

Blum. 

§.  229.  [fol.  11]  Anno  1476  die  28  nouembris  contraxerunt  spon- 
nalia  Wölfl* blum  et  Lysa,  filia.  Conradi  hulczhusens;  nuptias  habuerunt 
in  die  Scolastice  virginis  anno  1477. 

§.  230.  [fol.  31]  Anno  1495  prima  die  julij  post  meridiem  obüt 
Balthazar  blum,  frater  Milchart  et  affinis  mei  Wolf  blum,  reliquit 

11* 


—    16*  - 

vxorem  Buara  Katherinam  bodneryn  absque  liberis,  sepultua  autem 
apud  carmelitas.  Deinde  eodem  anno  nona  nouembria  nuptias  con- 
Huinmauit  cum  Johanne  han  [cf.  §.  2'>1). 

§.  231/  [fol.  37 1  Anno  1495  die  21  aeptembria  maneinuentua  in 
curia  habitacionia  aue  M  y  1  c  h  a  r  blum,  frater  Wolffeu,  morte  subitanea 
mortuua,  cuiua  animc  deus  propicietur,  res  horribiliB  humania! 

§.  232.  [fol.  49J  Anno  149(5  die  nona  februarij  aponsalia  con- 
traxerunt  Wölfl"  blum  iunior,  filius  Georgii  blum  pie  inemorie,  et 
Katherina  virgo,  filia  Alberti  dyrraeyera  pie  memorie  Solemnizatum 
dehinc  in  facie  eccleaic  niatrimonium  est  die  tercia  iunij,  depost 
aponsa  eat  aponso  appoaita  die  quinta  iunij;  aexta  iunij 
pompa  nuptiarum  eat  aecuta.    Acta  omnia  anno,  quo  aupra. 

[Wfolf  Blum,  Lisa  Holzhausen  a  Ehemann  §.  6.  8a  122.  183.  185. 

Seine  Kinder:  1)  Melchior  §.  80.  2)  Engin  §.  80  (Ludwig 
MatroflFa  Ehefrau  §.  294.  295.)  3)  Agnes  §.  K).  4)  Lyse  (Elisa- 
beth) §.  80. 

Seine  Geachwiater :    1 )  Katharina  (Bechthold  Heller's  des  Ael- 

teren  Hausfrau). 

2)  Agnes,  Peter  Ugelnheiraer's  Ehefrau  §.326. 

3)  Georg. 

4)  Melchior. 

5)  Balthasar,  Catharinen  Bodnerin  (Fichard 
Budtnerin)  Ehemann,  sie  in  zweiter  Ehe 
an  Johann  Ilaane  verheirathet  §.  261. 

Georg  Blum'a  Kinder  : 

1)  Wolf  Blum  iunior  (§.  128.  141.  183.  184.  185.  216) 
und  Kringcn  Dyrmcyer  aeine  Hausfrau  (§.185.232). 

2)  Hans  Blum. 

Wolf  Blum  f  1471. 


1)  Katharina,  2)  Agnes,  3)  Georg,  4)  Melchior,  5)BaltLasar,  6)  Wolf, 


v*rb.  an  v«-:  h.  »n 

Bccuthold  Ilelier.    IVfctr  I  tfilolieii.nr. 


verh.  An        vcrh.  an 
Katbarina  Iiu.1tn.-r.  Li*a 

HoUlian-  eii 


Wolf  Blum  iunior,      Hana  lilum. 

vcrh.  an  Kau.  Dlernu  yer. 


I  I  I  "  I 

l)Melchior,  2)Anna,  3)Agnes,  4)Elisabeth.j 


Lu«iw  ig 
Martroff* 
Ehefrau. 


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—  165 


B  reidonba  eh. 

[  Friedrich  von  Breydenbach  und  seine  Hausfrau  Margretha  §  256.  | 

Brom  m. 

§.  233.  |fol.  61 J  Anno  1496  die  decima  sexta  augusti  natus  est 
Petrus  brom  ex  Hansen  bromen  et  Grettgyn  eius  legitima.  Sic 
mihi  retulit  Hans  brom. 

§.  234.  ffol.  100]  Anno  1497  secunda  septembris  ex  Johanne 
brom  ac  Grettgyn,  eius  legittimc,  uataAnna,  tertia  eiusdem  bap- 
tizata.  Comater  Anna,  vxor  Petter  blarock's,  Hcc  ex  scriptis 
fratris,  cum  eo  tunc  worraatie  eram. 

§.  235.  [Schedula  inter  fol.  117  et  118J  Prima  vel  secunda  julij 
[1498]  peperit  Gretgyn  brumin  gemellas,  vnam  mortuam,  alteram 
vivam,  quc  baptizata  fuerat  secunda  julij.    Comater  yd  die  nesciam. 

§.  236.  [fol.  144]  Heyn  rieh  brom.  Anno  1499  vicesima  tertia 
septembris  baptizatus  est  Ilcynricus,  filius  Johannis  brumen  et  Mar- 
gret? [darübergeschrieben:  Grettgyn],  vxoris  eius.  Compater  est 
dominus  Heynricus  Stotel  1,  vicarius  ccclcsie.  nostre. 

§.  237.  [fol.  167]  Anno  1501  septima  martij  obijt  Daniel 
brom,  scabinus,  vittricus  Clatf  Stalberg's  et  frater  Johannis 
brom  m. 

[Daniel  Bromm  §.  120.  179.  183.  185.  302. 

Hans  Bromm  und  seine  Hausfrau  Grettgyn  §.  185. 

Hans  und  Daniel  Bromm  waren  nach  Fiehard  Brüder;  der 

Erstcre  vermählt  mit  Margaretha  Tcgen  [Degenerin],  der 

Wittwe  Jacob  Brunn's,  siehe  §.  239.] 

Brun. 

§.  238.  |fol.  15]  Anno  1495  vicesima  quarta  ianuarij Kather i na 
gleuburgcrin,  relicta  Iacobi  brun,  mater Katherine,  uxorisllenn 
sassen,  [cf.  §.  234]  obiit;  reliquit  dictara  filiam  et  nepotem,  Jacobum 
brun,  ex  filio  suo  Jacobo,  ante  cam  olim  defuneto;  sepulta  hic  ad 
minores 

§.  239.  [fol.  170)  Jacobus,  filius  quondam  Jacob  bruns  et 
Gretgyn  degneryn,  cuius  maritus  secundus  nunc  est  Hans  brum, 
contraxit  matrimonium  cum  Katherina  ,  virgine  et  sorore  predietc 
Magdalene  [Geuch  cf.  §.  307].  Actum  eodem  die  [12  augusti]  et 
anno  [1501],  quo  supra  de  Heinrico  von  ryn  agitur  [§  307].  Anno 
•upradicto  videlicet  1501  ratificatum  in  fatie  ecclesie  est  matrimonium 


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-    166  — 


supradictorum  videlicet  18  noucmbris,  nuptie  autem  habite  22  nouem- 
bris  anno,  quo  supra. 

[Jobann  Brun,  Priester,  §.  80. 

Lisgyn  Brunnin,  Hans  Glisround's  Hausfrau,  §.  2GO. 

Katbarina  Brunn,  Henn  Sassen  Hausfrau,  §.  284. 

Johann  Brun,  der  Canonikus,  uud  Lisgin  Brun,  Ehefrau  des 
Johann  Glismund,  gehören  zwei  älteren  Linien  an.  Die  jüngere 
Linie  gestaltet  sich  so: 

Jacob  Brun  (statt  dessen  hat  Fichard  Henne  Brunn) 
und  Katharina  von  Glauburg. 


i  i 

Jacob  Brun  Katharina  Brun 

und  Margaretha  Degenin  [ Tegen  |  vorheirathet  an  Henn  Sassen. 

Jacob  Brun 
Katharina  Geuch.| 

Dem  er. 

[Anna,  filia  Henna  Demer's,  alias  dicti  Stockems  Henn,  et  Bar- 
barae  Leningen,  marita  sccunda  Bernhardi  Weiss  (Anna  Stockheimin): 
§.  331.  332.  Fichard  hält  sie  (bei  „Bernhard  Weiss")  für  eine  Tier- 
meyer, was  sicher  auf  einem  Irrthum  beruht,  zumal  er  bei  „Tier- 
meyer" keine  Anna  aufführt,  die  mit  Bernhard  Weiss  vermählt  ge- 
wesen wäre.] 

Diermeyer.    [Fichard:  Tiermeyer.] 

|Kryngin  Dyrmeyerin  §.  80,  Wolf  Blum's  Ehefrau  §.  232. 
Hans  Dyrmeyer  §.  183. 

Agnes  Dyrmeyerin,  Hert  Eyersheimers  und  in  zweiter  Ehe 
Jacob  Kühorn's  Ehefrau,  gen.  Agnes  zum  Mohren,  §.  292.] 

Diernstein. 

§.  210.  [fol.  14]  Anno  1495  die  18  ianuarij  Philippus  dyrm- 
stein  celebrauit  nuptias  cum  Gretta,  filia  Gofferen  beckers. 

§.  241.  [fol.  96]  Anno  1497  die  decima  nona  julij  Heynricus 
dyrmsteyn  contraxit  sponsalia  cum  Margreta,  filia  Heynrici, 
des  kellers  von  aßnheym  vel  maMeym.  Nuptias  depost  ce- 
lebrauit 19  ianuarij  Anno  1498, 


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[Heinrich  Dicrnstein   war  Philipps  Oheim.    Als  Ehefrau  des 

Letzteren  giebt  Fichard  Margaretha  von  Omstadt  (Umstadt?)  an.] 

■ 

Engeländer. 

§.  242.  ffol.  92]  Anno  1497  duodeeima  junij  nuptias  celebrabant 
Jacob us  engelender,  wulgo  dictus  guldenleb,  viduus,  et  Margreta, 
filia  Eberhard  i  m otters.  Ad  has  nuptias  inter  ceteros  fueramus 
et  vocati  nos,  videlicet  mater,  frater  et  ogo. 

[Doctor  Engeländer,  fiscalis  regius  beim  Reichskammergericht, 
§.  112.  Margreta,  älteste  Tochter  Johann  Engeländer's,  gen. 
Guldenleb,  §.  325.  §.  38  u.  39  wird  Eberhard,  der  Motter  oder 
der  Sackträger,  erwähnt;  sollte  dieser  derselbe  sein  mit  Eberhard 
Motter,  dem  Schwiegervater  von  Doctor  Engeländer ?J 

Ergersheim. 

§.  243.  [fol.  11.]  Anno  1476  in  die  Barnabc  apostoli  despon- 
ßatus  Henricus  ergerschh ey mer  cum  Margreta,  filia  Johannis 
hulczhuscn  de  prima  sua  uxorc,  nuptie  exindc  secut»  in  die  saneti 
Hlasii,  anno  1477. 

§.  244.  ffol.  78J  Anno  1497  die  tertia  februarij,  eratque  dies 
veneris,  paululum  poat  duodeeimam  horam  in  meridie  exspirauit  M  a  r 
gretha  hulczhuseryn,  vulgo  dicta  zum  thorn,  relicta  Heynrici 
yrgescheymers,  cognata  singularisquc  benefactrix  mea,  dum  vixit, 
vtque  collocetur  intra  electorum  numerum,  sincera  mente  deum  precor. 
Quarta  februarij  tradita  est  sepulturc.  Sepulta  est  precise  ante  eam 
ebori  ianuam,  que  sita  est  inter  altare  sanete.  crucis,  quod  est  plebani, 
et  scrinium  dominici  corporis  [cf.  §.  184J. 

§.  245.  [fol.  11]  Anno  1494  vndeeima  februarii  vf  allerman  fafl- 
nacht  obiit  Ileyrtwinus  yrgescheyraer,  illius  progeniei  vltimus. 

(Agnes  Dirmeyerin,  gen.  zum  Mohren,  Hertwin's  Wittwe,  §.  18. 

116.  185.   Jacob  Ktihorn's  Ehefrau  §.  293. 
Margaretha  Ergersheimerin,  Heinrichs  Wittwe,  §.  51.  80.  279. 
Hertwein  und  Heinrich  Ergersheimer   gehören  verschiedenen 

Linien  an. 

Der  letztere,  der  Ehemann  Margarethen  Holzhauserin  zum  Thorn 
(§.  244),  starb  1484.  Mit  dem  orsteren  erlosch  1494  das  Ge- 
schlecht der  Ergersheimer.] 


-  168 


Eysenberg: 

§.  246.  [fol.  100]  Anno  1497  decima  nona  septembris  Elsgyn, 
vxor  Walteri  ysenberg's,  peperit  gemellos,  qiü  et  de  post  mortui  sunt 
infantes,  me  wurmatie  existente. 

[Walter  Eysenberg  §.  180.] 

Faut. 

§.  247.  [fol.  54J  Anno  1496  die  s optima  apprilis  peperit  Mar- 
greta,  uxor  Friderici  fantt,  filium  suum  Johannem,  qui  statirn 
postca,  die  videlicet  x  apprilis,  obijt.  Etsi  deletum,  attamen  verum  est. 

[Fridericus  Faut  und  seine  Hausfrau  Margaretha  §.  19.  185 
und  221.] 

Von  der  Filsch, 
f Friederich  von  der  Filsch,    siehe    „Stadtische    Hauptleute u 
§•  133  %.]• 

Flach. 

[Georg  Flach,  Amtmann  zu  Goldstein,  siehe  „Amtleute",  §.  129. 

§.  116.  290.  304.  331. 
Bei  Lersner  führt  er  den  Namen  Georg  Flach  von  Schwarzenberg. 
Seine  Gemahlin  Anna  Voclkerin,  verwittwetc  Knoblauch  (§.291). 

§.  116.  301.  331.] 

Freund. 

[Hans  Freund,  Heinz  Freunds  Sohn,  §  24.] 

Frosch. 

§.  248.  [fol.  10]  Anno  1474  penultima  februarii  desponsatus 
Gorg  frosch  et  Anna,  filia  Conradi  hulczhusens,  nuptias  dein  pere- 
gerunt  feria  secunda  post  Symonis  et  Jude  apostolorum  eodem  anno. 

§.  249.  [fol.  11]  Anno  1491  die  27  aprilis  obiit  Anna,  axor 
Georgii  frosch,  et  soror  genitricis  me<j,  begraben  bi  dem  ewigen 
Hecht. 

§.  250.    [fol.  11]  Anno  1493  die  prima  maij  obiit  Wiek  er  us 
frosch,  frater  Georgii  et  Johannis  frosch,  fundauit  duaa  missa? 
celebrandas  die  martis  et  iouis  singulis  ebdomadis,  vt  finitQ  sint,  ante 
quam  domini  de  consilio  ingrediantur  consilium,  in  ecelesia  beati 
Nicolaij  et  salve  omni  nocte  decantandum  in  eadem  ecelesia. 


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—    169  - 


§.  251.  [fol.  11]  Anno  1493  decima  octaua  augusti  obiit  Fri- 
dericus  romanus  imperator  ,s  in  castro  opidi  hucz.  Sepultus  in 
ecclesia  beati  Stephani  viene. 

§.  252.  [fol.  18J  Anno  1495  die  5.  apprilis,  que  erat  dominica 
iudica,  sepulta  est  apud  carmelitas  Katherina,  uxor  Johannis 
Frosch  zum  äffen,  et  habuit  ante  iam  dictum Johannem  in  maritum 
Wilbelmum,  rulgo  zum  äffen  cognominatum. 

§.  253.  [fol.  111]  Anno  1498  die  nona  martij  Cristina,  uxor 
Johannis  froach,  illius  videlicet,  qui  moram  agit  in  habitatione 
ea  wulgo  zum  burgreffen  dicta,  expirauit.  Erat  pro  tunc  dies  veneria 
post  inuocauit  Actum,  cum  ego  eram  wurmatie. 

§.  254.  [fol.  140]  Anno  1499  vicesima  prima  maij  sponsalia 
sunt  contracta  inter  Johannem  frosch,  wulgo  dictum  Johann 
trosch  zum  äffen,  viduum,  et  Rylgen  virgine,  filia  Cristiani  folckers. 
Et  erat  dies  martis  post  penthecosten  anni  supra  dicti,  vbi  celebra- 
batur  dedicatio  ad  8.  Leonhardi.  Nuptie  de  post  habite  sunt  26  augusti 
anno  illo,  quo  supra.  Primogenita  corum  nata  est,  vt  infra  154.  [fol. 
154:  Anno  1500  sedeciraa  junij  nata  est  ex  Johanne  frosch,  dictus 
zum  äffen,  et  Rylgyn,  sccundc  vxoris  buq,  Eiß  [Rylgin],  que  ex  illo 
matrimonio  primogenita  existit  .  Baptizata  autem  decima  octaua 
eodem  mensc  et  die  corporis  Cristi.  Comater  infantis  est  Elß,  vidua 
zum  Kranch  et  infantis  proauia  materna.  (Am  Rand  ist  als  Name 
des  Rindes:  Rylgyn  froschin  angegeben.)]  Secundogenitus  eorum 
natus  est  infra  169.  [fol.  169:  Anno  domini  1501  prima  augusti  bap- 
tizatus  est  filius  Johannis  frosch  et  Rylgyn,  cuius  nomen  est,  vt  arbi- 
tror,  Cristianus.  Compater  infantis  est  Cristianus  folcker,  dicte  Ryl- 
gyn pater.  Et  obijt  paulo  post.) 

Erste  Linie. 

[Engel  Frosch  §.  2.  Seine  Tochter  Elisabeth,  Dr.  Heils 
gen.  Pfeffer,  Ehefrau.  §.  2*J5. 

Katharine  Fröschin,  seine  Tochter,  Gilbert  Holzhausen 's 
Ehefrau,  Ludwigs  und  Blasius  Mutter,  siehe  Holzhausen. 


12  Diese  fremde  Notiz  fand  darum  hier  ihre  Stelle,  weil  die  abbrevierten  Wörter 
rom.  ip'r,  an  sich  undeutlich  und  in  ciuem  Worte  geschrieben,  durch  eine 
spätere  Hand  noch  so  alterirt  wurden,  dass  sie  nur  raniger  gelesen  werden 
konnten.  Dass  die  Notiz  in  einer  Reihe  von  Familiennach  rieh  ton  der 
Frosch  u.  Holzhausen  steht,  begünstigte  diese  Auffassung.  Erst  bei  der  Revi- 
sion des  Druckes  hat  eine  nochmalige  genaue  Untersuchung  der  Handschrift 
mit  dem  Vergrösserungsglase  die  ursprüngliche  Schrift  wieder  glücklich  fest- 
gestellt. 


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-  170 


Zweite  Linie. 

Henne  Frosch,  den  man  nennet  Fröschelgin,  §.  183. 

Joh.  Frosch  zum  Affen  [Fichard:  im  SandhofJ  §.  122»  l&L 

185.  m 

Seine  erste  Frau  Katharina  [Fichard:  von  Hengsberg],  Wittwe 
Wilhelms  zum  Affen  [Fichard:  von  Caldenburg]  §.  253» 

Lisgin  Sassen,  seine  Braut,  §.  185.  lftfi.  310. 

Seine  zweite  Frau  Reilgen  Völcker  und  die  Kinder  dieser  Ehe 
Keilgen  (irrthümüch  Eis)  und  Christian  (Fichard  schreibt  die  Frau 
und  Kinder  irrthümüch  (vgl.  §.  254)  dem  Johann  Frosch  zum 
Burggrafen  zu). 

Dritte  Linie. 
Wicker  Frosch.  [Fichard.] 

Seine  Kinder:  1}  Reilgen,  Wicker  Knoblauchs  Hausfrau,  §.  27*J. 
2]  Wicker  Frosch  §.  250. 

Guttgin  Stephan  im  Saalhof,  seine  und  in  zweiter 
Ehe  Eberhard's  von  Heusenstamm  Hausfrau : 
§.  2121 

3)  Johann  Frosch  zum  Burggrafen  §.  183. 185. 304. 
Christina  Degenerin  [TegenJ  seine  Hausfrau 

§.  185.  301, 

Christina  Froschin  ihre  Tochter  §.  203.,  Johann 
Baissen  Hausfrau  §.  304. 

4)  Georg  Frosch  §.  TSL  80.  1ÜL  139.  183,  185. 

24*.  304. 

Anna  Holzhauserin,  seine  Hausfrau,  §.  248.  2VJ. 
Ihre  Kinder  Georg  und  Wicker,  Engin  und 
Margret  §.  80» 


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G  an  tz. 

[Anna  Gantzin,  Bechthold  Heller's  des  Jüngeren  Hausfrau. 
§•  267] 

Gelthuß. 

[Katharina  Gelthuserin,  Tochter  Heinrich  Gelthusen  zu  Oppen- 
heim wohnend,  Ehefrau  Adolf  Knoblauch'».  §.  291.  | 

Geuch. 

§.  255.  [fol.  144]  Anno  1499  vicesima  septima  septembris  obijt 
Agneß  wcißyn,  vxor  Iacobi  geychen,  relicto  seu  superstite  marito 
vna  cum  filiabus  duabus. 

[Jacob  Geuch  §.  24.  Agnes  Weissin,  seine  Hausfrau  §.  307.  Mag- 
dalena, Jacob  Geuch's  und  Agnes  Weissin  Tochter,  Heinrichs  vom 
Rheine  Hausfrau.  §.  307.] 

Glauburg. 

[Das  dreitägige  Gastmahl  der  Clara  Glauburg.  §.  211.| 

§.  256.  [fol.  103]  Anno  1497  die  4U  nouembris  contraxit  spon- 
salia  doctor  Johannes  glauburg  cum  Katharina  virgine,  filia  nobili 
Friderici  de  breydenbach  et  Magrete.  (Habuit  autem  dictus  Johannes 
glauburg  olim  in  vxorem  Katherinam,  relictam  Heynrici  wiß).  Deinde 
8V»  nouembris  benedictionem  matrimonij  in  ecelesia  suseeperunt  et 
die  illa  fuit  sponsa  sponso  apposita,  mc  wormatie  existente,  et  unica 
modo  nocte  coneubuerunt  simul.  A  prima  nocte,  qua  apposita  sponsa 
fuit,  egrotare  cepit  sponsa,  quQ  et  obiit  mortem  in  die  beate  Kathe- 
rine,  que  est  25  mensis  prefati  anno,  quo  supra.  Omnia  supra  scripta 
contigerunt,  me  wormatie  existente.  Pater  prefatc  Katherine  obijt, 
vt  audiui,  die  precedentc  ante  diem  filie  mortis. 

§.  257.    [fol.  127J  Eodem  die  et  anno  [29  octobris  1498]  doctor 

Johann  glauburg  suas  consumavit  nuptias  cum  Margreta   

[Eine  weit  spätere  Hand  füllte  die  Lücke  aus:  „Horngin"]  devrbo  (soll 
wohl  bedeuten  :  OrbJ  virgine,  que  tertia  nunc  illius  vxor  est,  ctquia  noluit 
obscruare  conuiuia  nuptiarum  solito  more,  Friderich  von  der  fylsch, 
Claß  von  ruckingeri,  Ludwigk  hulczhusen  et  ego  adduximus  sine 
suo  scitu  fistulatorem  et  trepudiauimus  in  domo  sua. 

§  258.  [fol.  170]  Anno  domini  1501  secunda  augusti  baptizata 
est  Kungundis,  filia  doctoris  lohannis  glauburgs  ex  tertia  sua 
vxore,  de  cuius  matrimonio  contracto  cum  illa  tertia  non  [?  cf.  supra] 
constat  ex  hoc  libro.  Eam  infantulam  suseepit  de  baptismo  En  gyn, 
virgo  et  filia  quondam  Arnoldi  schwartzenbergers  et  Kathe- 
rine  hodie  viuentis. 


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—    173  - 


§.  259.  [fol.  139]  Anno  1499  vicesima  aecunda  maij  et  quarta 
feria  post  penthecosten  obijt  Henn  glauburg.  Reliquit  vxorem 
nomine  Ciaram  sine  liberis. 

[Katharina  Glauburgerin,  Jacob  jFichard:  Heime]  Bruns 
Hausfrau.  §.  238. 

Henne  [oder  Johann]  Glauburg  §.116.  183.  215.  186.  198. 
259.  —  120.  185.  192.  197.  198.  210.  211.  Clara  [Fichard:  Kemmerer 
von  Fuld]  seine  Gemahlin.  §.  116.  211.  259. 

Gudula  Glauburg,  Ehefrau  [Ficlmrd:  seit  1464]  Arnold  Holzhausen's. 
Dr.  Johann  Glauburg  §.  4.  80.  183.  185,  oben  256  und  257. 

1.  Gemahlin  Katharina  Weiss  §.  256. 

2.  „       Katharina  von  Breydenbach  §.  256. 

3.  „       Margareta  Horngin  von  Orb  §.  257,  in  zweiter  Ehe 

verheirathet  an  Wicker  Frosch. 
Ottilia  [Brunnin],  Wittwe  Arnold  Glauburgs  §.  116.  186.  221. 
Ambrosius  Glauburg  §.  80.  173.  174. 


Erste  Linie. 


Johann  Glauburg 
zu  Rüstenberg. 


Arnold  Glauburg 
zu  Schwanau  f  1495. 
Ottilia  Brun 
von  Brunfels. 


Henne  Glauburg 
zu  Lichtenstein  1461. 
Kunigund  Holz- 
hausen. 

Dr.  Johann  Glauburg^ 
zu  Lichtenstein  1510. 

1)  Katharina  Weiss  zu  Limburg. 

2)  Katharina  von  Breydenbach. 

3)  Margaretha  Horng. 


Sein  Bruder 
Arnold  Glauburg 
zum  rothen  Mündlein. 

I 

Henne  Glauburg 
zum 

rothen  Mündlein 
f  1469. 

Ambrosius  Glauburg, 
berühmter  Turnierer. 


Richard  Glauburg. 


Katharina  Glau- 
burg, heirathct 
Jacob  Brun  von 
Brunfels. 


Zweite  Linie. 

Geschwister : 

Henne  Glauburg 
im  Nürnberger  Hof. 


GudulaGlauburg, 
Hausfrau 

Arnolds  von  Holz- 
hausen. 


Henne  Glauburg  im 

Nürnberger  Hof  f  1499. 
2.  Ehe:  Clara  Kem- 
merer. 


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174  - 


G 1  i  s  m  u  n  d. 

§.  2G0.  |fol.  95]  Anno  1497  julij  12  mane  benedictionem  matri- 
monij  in  fatie  ecclesie  susceperunt  Hans  glismundt  et  Lysgyn,  vidua 
zu  weytflin,  ex  Stirpe  cyn  brunin.  Tredecima  julij  festiuitatem  nup- 
tiarum  consummarunt.  Eram  ego  tuuc  wormatie. 

Grünberger. 

(Stephan  Grünberger  vnd  «eine  Hausfrau  Margreta  Grusserin, 
Thomas  Ugelnheiraer  gelassene  Wittwe.  §.  296.J 

Haane  oder  Hayne. 

§.  261.  [fol.  37J  Anno  1495  die  27  septembris  hatt  Johann  han 
vnd  Katheryn  bodenern,  [s.  so]  ettwan  Baltaßar  blumen  husirawe 
was  [§.  230],  zu  der  heyligen  ee  gegriffen  vnd  die  eynander  gelobt 
vnd  hatt  sie  Clal>  von  rockingen  zu  samen  geben  vnd  darnach 
9  nouerabris  haben  sie  hochzytt  gehabt. 

[Johann  Haane  §.  80.  122.  183.  185.  186.  Katharina,  seine  Haus- 
frau, §.  185.] 

Heimbach. 

§.  262.  [fol.  40]  Anno  Doraini  1495  octaua  nouembris  natuB  est 
Nicolaus,  filius  doctoris  Adam  de  heymbach,  aduocati  franckfurdensis, 
et  Anna  sigwyn,  eius  vxore.  De  fönte  sacro  leuauit  eum  Nicolaus  de 
rockingen,  protunc  magister  ciuium  franckf. 

§.  203.  [fol.  113]  Anno  1498  decima  quarta  apprilis  nata  Kathe- 
rina, filia  doctoris  Ade  de  heymbach  et  Anne,  eius  vxoris.  15  eiusdem 
et  ipsa  die  pasce  baptizata  et  a  Katherina  virgine,  filia  Clal*  hum- 
brechts,  de  fönte  baptismatis  suscepta 

§.  204.  [fol.  155]  Anno  1500  die  mercurij  et  quinta  augusti 
sepulta  est  apud  minores  Anna,  vxor  doctoris  Ade  de  heymbach, 
aduocati  hic. 

[Dr.  Adam  von  Heymbach  §.  6.  183.  185.  Anna,  seine  Haus- 
frau 185.] 

Hell,  genannt  Pfeffer. 

§.  265.  [fol.  10]  Anno  1474  23  octobris  Georgius  de  hele,  alias 
peffer,  doctor  iuris,  sponsalia  contraxit  cum  Elizabeth,  filia  Engel 
froschen,  nuptias  habuerunt  feria  secunda  et  crastina  sancti  Britii 
episcopi.  Eodem  die  fuit  sponsus  Johannes  vom  ryn. 


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§.  266.  [fol.  119]  Georgius  pfeffer  doctor.  Anno  1498  quinta 
augnsti  cecidit  in  noua  cloaca,  nondum  plene  extructa,  in  curia 
domini  treuerensis,  wulgo  der  monczhoff  genant,  insignis  vir  Georgius 

de  [de  Hell.  In  margine  Dr.  Georg  Pfeffer]  vtriuaque  iuria 

doctor,  reuerendissimi  archipresulis  maguntini  cancellarius,  qui  mox, 
cum  extrahebatur,  obijt,  cuius  anime  miaerere  dignetur  Jesus, 
filiua  dei. 

[Kanzler  Hell  gen.  Pfeffer  §.  16.  Seine  Hauafrau  §.  30.  293. 
Margreta,  ihre  Tochter,  Haman  Horhausens  Hauafrau,  §.  220.  279. 
Elisabeth,  ihre  Tochter,  Dr.  Bernhard  Ktihorn'a  Hauafrau,  §.  293. 
Philipp  Hell,  gen.  Pfeffer,  Canonicus  zu  St.  Bartholomäus  §.  205, 
Präbendariua  zu  Aachaffenburg  §.  207.] 

Heller. 

§.  267.  [fol.  3]  Anno  1494  tredecima  julii  obiit  Anna  Ganczin, 
uxor  Bechtholdi  hellera  iunioria. 

§.  268.  [fol.  34]  Anno  1495  die  25  auguati  exequie  Wolff  hellera 
(filii  Bechtoldi  hellera  ac  frater  Jacobi,  Bechtoldi  et  Caapari  hellera) 
celebrate  aunt  in  ecclesia  aancti  Bartholomei,  qui  Wolff  vna  cum 
Ottone  cronberger,  comite  auo,  miaere  necatua  eat  in  terra 
Senenaium,  cum  tendebat  ire  de  ytalia  ad  alemanniam.  [cf.  §.  5.] 
§.  269.    [fol.  146]  Anno  domini  1499  decima  nouembria  aepultua 

fuerat  senior  Bechtolt  heller,  relictia  vxore  et  tribua  filiis 

Jacobo,  Bechtolto  et  Caspare. 

[Katharina,  Bechthold  Heller'a  dea  Aelteren  Wittwe,  §.  294. 
Kinder:  Jacob  Heller  und  seine  Hausfrau  Kringen  | v.  Meiern] 

§.  10.    cf.  §.  296. 
Bechthold  Heller  junior.  (§.  6.) 
Ehefrau:  Anua  Ganz.  §.  267. 
Caspar  Heller.  §.  268. 
Wolf  Heller.  ($.  268.) 

Agnes  Heller,  Heinrichs  von  Rheine  Ehefrau,  §.  306.] 

Heringen. 

§.  270.  [fol.  102]  Anno  1497  die  28  octobris,  ipso  die  Simonis 
et  Jude  apoatolorum,  post  primara  horam  de  die  obijt  Anna  heringeu, 
relicta  Wigandi  herings,  auia  matema  Caroli  hensperg,  affinis  mei. 
Eram  tum  wormatie. 

[Katharina  Heringen,  Orten  zum  Jungen  des  Aelteren  Haus- 
frau. §.  287.] 


-    176  - 

Heusenstamm. 

§.  271.  [fol.  7]  Anno  1494  nobilis  Martinus  de  husseatheym, 
eques  auratus,  celebrauit  nuptias  cum  Elsen  von  brendeln,  filia  Eber- 
hardi  de  brendel,  tercia  die  nouembris. 

§.  272.  [fol.  14]  Anno  1495  Eberhardus  de  huasesthevm 
nobilista  nuptias  consummauit  cum  Guttigin  yra  Baihoff,  61ia  Ste- 
phens heim,  relicta  quondam  Wickerj  froschen,  acte  20  die  ianuarij 
Et  iam  dictus  Wicker  frosch  despondit  eam  in  die  Johannis  euange- 
liste  anno  1466,  celebrarunt  nuptias  in  die  Nicodemidis  raartyris 
anno  1467. 

[Das  Gastmahl  Eberiiards  von  Heusenstamm  und  seiner  Ge 
mahlin  Guttgin,  zur  Ehre  des  abgehenden  Reichskammerrichters 
Markgrafen  Jacob  von  Baden,  §.  116. 

Brüder:  Martin  und  Eberhard  von  Heusenstamm  §.  177. 

Eberhard  von  Heusenstamm  §.  183.  185. 

Guttgyn  Stephan,  seine  Hausfrau  §.  185.  291.] 

Familie  Holtzhausen. 

§.  273.  [fol.  10]  Anno  1464  die  tricesima  ianuarii  Johann 
hulczhusen  secundam  duxit  uxorem,  videlicet  Kather  in  am,  flliam 
Johan  Schwarzenbergs,  dehinc  nuptie  acte  sunt  die,  quo  supra. 

§.  274.  [fol.  10]  Anno  1469  dominica  ante  assumptionem  b. 
Marie  sponsalia  contraxerunt  Gylbertus  liulczhuscn  et  Käthe- 
rina  froschin,  nuptie  dehinc  celebrate  sunt  die  undecima  februarij 
anno  1471,  proprias  deinde  inceperunt  expensas  in  domo  zum  spau- 
genberg  quarta  post  Vrbani  anno  1478. 

[cf.  Tod  der  Anna  frosch,  geb.  Holzhauserin.  §.  249.] 

§.  275.  [fol.  11]  Anno  1491  vicesima  secunda  maij,  eratque  dies 
penthecostes,  obiit  Anna,  relicta  Conradi  hulczhusens,  auia  mea  et 
mater  genitricis,  begraben  by  dem  ewigen  licht. 

§.  276.  [fol.  1]  Anno  1473  die  13  juuii,  que  erat  tunc  temporo 
dominica  trinitatis,  natus  est  Ludovicus  hulczhusen. 

§.  277.  [fol.  2]  Anno  1494  in  die  saneti  Marci  evangeliste,  que 
est  25  april  obiit  cognatus  meus  Gylbertus  hulczhusen.  [fol.  52: 
Eodem  anno  videlicet  1494  die  25  apprilis,  que  est  dies,  qua 
agitur  festivitas  Marci  ewangeliste,  obiit  Gylbertus  hulczhusen, 
sepultus  in  sacello  beati  Michael  in  loco  suorum  progenitorum  in 
choro.] 

|  Blasius  Holz  hauten  begiebt  sicli  zum  Studium  nach  Mainz 
1494  §.  16.] 


§.  278.  [fol.  4]  Anno  1494  venerunt  Sophia  et  Barbara  de  mar- 
purg  22  die  augusti  et  manserunt  penes  Ka  therm  am  hulczhuserin 
zum  goltstein  viü  ebdomades  unoque  die. 

§.  279.  [fol.  14]  Anno  1495  vicesima  secunda  ianuarij  nata  est 
Katherina  secundagcnita  II  am  an  di  hulczhusen's  et  Margrete,  filie 
Georgii  hell,  alias  pfeffer,  canccllarii  episcopi  maguntini.  E  sacro  fönte 
leuauit  eam  Katherina,  relicta  Gylberti  hulczhusens.  Nata  est  autem 
infra  deeimam  et  vndeuimam  horam  diei  ea  die,  qua  supra,  et  hora 
vespertina  baptizata  est  eadem  die,  qua  supra.  Et  habet  sororem,  que 
est  priraagenita  predicti  Hamandi,  nomine  Margreta,  que  paulo  vitro 
annum  Katherinam  exsuperat  in  etate.  Anno  1496  quarta  augusti 
nata  est  Dorothea,  tertiagenita  prefati  Hamandi  etc.  Mortua  est 
Dorothea  intra  annum.  Etsi  deletum,  tarnen  verum  est.  [fol.  61.  Anno 
1496  quarta  augusti  nata  est  ex  Hamando  hulczhusen  et  Margreta, 
sua  legittima,  Dorothea,  quam  ex  fönte  sacro  leuauit  relicta  vidua 
Heynrici  yrgcschemer's.  Dcfunctaest.  Etsi  deletum  tarnen  verum  est.] 
Anno  1498  natus  Georgius  prima  augusti,  de  quo  in  char.  119. 
(fol.  119.  Anno  1498  prima  augusti  mane  quinta  hora  natus  est 
Georgius,  filius  Hamandi  hulczhusen  et  Magrete  eius  vxoris.  Js  pri- 
mu«  eorum  filius,  antea  enim  iilias  proerearunt  Baptusatus  est  dictus 
Georgius  secunda  augusti;  coiupater  infantiB  nobilis  Goffert  de 
klehen,  qui  donauit  quinque  aureos  puerpere.  Mortuus  est  infra  an- 
num]. [fol.  151]  Anno  1500  die  martis  post  reminiscere  et  vicesima 
quarta  martij,  hora,  vt  arbitror,  vndeeima  de  die  natus  est  Amandus, 
filius  Amandi  hulczhusens  et  Margrete  vxoris  sue.  Baptizatus  in  die 
annuntiationis  virginis  gloriose.  Compater  est  comendator  domus 
theutonicorum  hic,  cuius  nomen  est,  vt  arbitror,  Reynhardus  de  neu- 
husen.  Mortuus  est  sub  nutrice  in  iunio  illo  anno.  [fol.  171]  Rylgyn, 
tilia  Amandi  hulczhusens  et  Margrete,  nata  est  die  lune  et  sexta 
septembris,  baptizata  autem  die  nativitatis  beate  Marie,  comater  Rylgyn, 
vxor  Wickeri  knobellauch's,  anno  1501.  Mortua  est  infra  puerperium. 

[Haman  von  Holzhausen  wird  2.  Mai  1493  Rathsmann  §.  119, 
gründet  seinen  gesonderten  Hausstand  4.  Sept.  1495  §.  220  und  wird 
Schöffe  9.  Juli  1499  §.  126  ] 

§  280.  [fol.  62]  Anno  domini  1496  vicesima  secunda  septembris 
Katherina  hulczhuserin  zum  goltsteyn  in  stuba  sua  tradidit  ducentos 
aureos  mutuo  domino  Heynrico  sy Iberberg,  preposito  in  monasterio  mey- 
felt  etc.,  quos  ipsemet  numerauit,  in  numerando  mater  mea  traxit  Actum 
vt  supra,  presentibus  ibidem  matre  mea,  Gylberto  hulczhusen,  filio  pre- 
fate  Katherine  et  me  Job  rorbach.  Quos  cum  aeeepit  predictus  Heyn- 
ricus  etc.  in  naui  forensi  descendit  Gylbertus,  et  ego  cum  ipso  pariter, 

12 


■ 


-    178  - 


traddiditqüe  Gylberto  obligationia  litteräa,  quibus  pro  ducentis  obli- 
gauit  ae  et  fratrem  auum,  Hans  von  ailberberg,  dicte  Katherine  et 
heredibua  suis,  quod  clariua  patet  in  dicta  obligatione  aigillata  ambo- 
nun  sigillis  et  domlni  Heynrici  et  fratris  sui  Hansen,  ambo  de  syl- 
berberg.  Rediebamus  Gylbertus  et  ego  25  septembris. 

§:  281.  [fol.  97 j  Anno  1497  die  tertia  auguati  Gilbertus  hnlcz- 
husen  (cognatus  meus),  filius  Johannis  hulczhusen  et  Katherine,  eins 
uxore,  que  est  eyn  schwarczenbergerin  ex  suis  parentibus,  contraxit 
sponsalia  in  oppenheym  cum  Clara  storapffin.  Depost  eodem  anno 
vicesima  prima  nouembris  matrimonium  quo  ad  thorum  consumauit 
franckfurdie,  non  vocatis  nec  sponsionis  nec  condormitionis  cognatis 
etc.,  nisi  admodumpaucis;  que  de  post  mortua  est  in  menae  maij  anno 
1498,  videlicet  aexta  die  iam  dicti  mensis  et  anni. 

§/282.  [fol.  108J  Anno  1498  die  tertia  januarij  mane  circa  de- 
cimam  horam  spiritum  domino  reddidit  Katherina,  relicta  Johan- 
nis hulczhusen,  cognata  mea.  Corpus  in  suorum  maiorum  loco  sepul- 
tum  est,  videlicet  in  sacello  diui  Mihaelis.  Delatum  autem  corpus 
sepultare  est  4U  videlicet  ianuarij ,  cuiua  anime  propitiari  dignetur 
omnipotena  deua.  Actum,  me  wormatie  existente.  Hec  autem  ex  scrip- 
tis  Jacobi  neuhuaen  habui.  Duoa  reliquit  filioa  vxoratoa,  Hamandum 
et  Gilbertum. 

§.  28a  [fol.  108]  Anno  1498  decima  ianuarij  expirauit  Gtade, 
vxor  Arnoldi  hulczhucen.  Sic  enim  ex  fratris  acriptia  habui,  me  wor- 
matie moram  agente.  [Fichard  giebt  irrthümlich  an,  aie  wäre  nach 
1500  erat  gestorben.] 

§.  284.  [fol.  146]  Anno  domini  1499  aedecima  decembris  spon- 
salia contraxerunt  Gilbertus  hulczhuaen  viduua  et  Katherina 
virgo,  filia  Henn  aachaen  et  Katherine  brun,  illius  Henn 
legittime.  Coniunxit  eos  dominus  Georgiua  achwartzenberger,  cantor 
et  canonicus  eccleaie  aancti  Bartholomen  Juncti  autem  sunt  paultun 
post  primam  horam  de  die  in  domo  brunfelß  et  nuptie  deinde  secute 
sunt  decima  februarij  anno  1500.  [fol.  149 J  Anno  1500  decima  februarij 
Gilbertus  hulczhusen  et  Katherina  aachaen  celebrarunt  nuptias.  Mane 
cum  celebri  processione  ad  ecclesiam  [ierunt],  vbi  sunt  inthro- 
nizati,  deinde  dies  nuptiarum  et  coniunctio  thori  in  curia  treuerensi 
acte  et  habite  sunt  Egoque,  quia  vtrique  mihi  sanguine  iuncti,  pro- 
pinaui  trea  fl.  Et  inter  pares  ipai  primi  erant,  quibus  in  nuptin? 
donaui. 

[Einer  der  wunderbarsten  Missgriffe  ist  Fichard  mit  dieser  zwei- 
ten Ehe  des  Gilbrecht  Holzhausen  begegnet  und  beweist  schlagend, 
daas  er  unser  Manuacript  nicht  gekannt  hat  Er  fuhrt  nämlich  Holz- 


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-    179  — 

hausen  U.  3  nur  zwei  Ehen  des  Gilbrecht  zum  Goldstein  mit  Clara 
Stumpf  von  Dettingen  1499  und  mit  Dorothea  Schanz  1512  auf,  und 
bemerkt  dazu:  ,.Einige  Genealogien  geben  diesem  Gilbrecht  die 
Katrine  von  Sassen,  die  Andere  seinem  Oheim  Gilbrecht  [zu  Span- 
genberg] zugeben,  zur  dritten  (?!)  Frau,  welches  unmöglich  ist,  da 
Dorothea  ihu  überlebte.'4  Noch  kühner  verfahrt  seine  Kritik  in  die- 
sem Punkte  bei  Gilbrecht  zu  Spangenberg.  Er  sagt  R.  3:  „Mehrere 
Stammbäume  berichten,  dass Gilbrecht  in  zweiter  Ehe  mit  Katharina 
Sassen  verheirathet  gewesen.  Das  Ganze  ist  eine  Verwechslung  [sie!] 
mit  Anna  von  Sassen,  der  Frau  von  Conrad  IlolzJhausen  und  diese 
aueeblicüe  Katrine  eilstirte  nie."  Sie  hat  dennoch  existirt  und  sich 
auf  Gastmählern  und  Hochzeiten  (§.80.  §.221)  ihrer  Existenz  erfreut; 
Job  selbst  hat  sie  gesehen  und  mit  ihr  gespeist  bei  dem  Gastmahl, 
das  er  in  seinem  Hause  gab;  sie  hat  sich  auch  mit  Gilbrecht  Holz- 
hausen,  freilich  nicht  mit  dem,  welcher  zu  Spangenberg,  sondern 
mit  dem,  welcher  im  Goldstein  sass,  nicht  in  dritter,  wohl  aber  in 
zweiter  Ehe  vermählt  Dass  Fichard  unser  Mauuscript  nicht  gekannt, 
ersehen  wir  ferner  aus  seiner  Nachricht  über  den  Tod  Gilbrechts 
zu  Spangenberg.  Job  giebt  zweimal  bestimmt  als  Todestag  den 
25.  April  1494  an.  Fichard  berichtet  zunächst,  ein  Wappenschild  in 
der  Michaelskapelle  setze  denselben  in  das  Jahr  1434.  (Wahrschein- 
lich war  nur  die  Zahl  9  undeutlich  geworden ,  so  dass  sie  wie  3  aus- 
sah.) Dann  sagt  er:  nach  einer  Familiennotiz  falle  Bein  Todestag  auf 
den  8.  November;  zuletzt  entscheidet  er  sich  für  das  Jahr  1496. 

Arnold  HolzhauBen  und  seine  Ehefrau  Gudula  Glauburg 
§.  283. 

Conrad  Holzhausen  und  seine  Ehefrau  Anna  Sassen. 

Kinder:  Elgin  Holzhausen,  Ehefrau  von  Bernhard  Horbach 
dem  Vater,  §.  1. 
Anna  Holzhausen,   Ehefrau   von   Georg  Frosch, 
§.  248.  249. 

Lise  Holzhausen,  Ehefrau  von  Wolf  Blum,  §.  229. 

Gilbert  Holzhausen  zum  Spangenberg  (f  1494  §.276) 
und  seine  Gemahlin  (Wittwe)  Katharina  (Fröschin) 
zum  Spangenberg:  §.  19.  20.  30.  36.  116.  185.  186. 
217.  220.  221. 

Kinder:  Ludwig  Holzhausen:  §.  3.  6.  19.  20.  30.  116.  Ifc5. 
186.  197.  215.  217.  220.  221.  257. 
Elgin  Holzhausen  §.  80.  220. 
Blasius  Holzhauseu  §.  16. 

12* 


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-    180  - 


Johann  Holthausen  zum  Goldstein  und 

A.  Margaretha  im  Steinhaus. 

Tochter:  Margaretha  Holzhausen  zum  Thorn,  Ehe- 
frau Heinrich  von  Ergersheim,  §.  51.  80.  184.  244. 

B.  2**  Ehefrau  Johann's:  Katharine  von  Schwar- 
zenberg zum  Goldstein:  §.  17.  18.  30.  51.  56.  80. 
217.  279.  282. 

Söhne:  1)  Haman  Holzhausen:  §.  19.  79.  80.  104.  119.  185. 

186.  190.  191.  217.  221. 
Ehefrau  Margaretha  Hell:  §.  20.  80.  11G.  185.  217. 

221.  Kinder  siehe  oben  §.  278. 
2)  Gilbrecht  zum  Goldstein:  §.  8.  18.  24.  27.  45.  80. 

127.  185.  186.  192.  197.  217.  221. 
1«*  Ehefrau  1497  Clara  Stumpf  [Fich.  von  Dettingen] 

§.  28a   f  149a 
2»  Ehefrau  1499  Anna  Sassen   §.  284.   cf.  §.  221. 

(c£  §.  80.) 

31"  Ehefrau   1512  Dorothea  Schantz,  vergl.  Steitz, 
Luther'a  und  Melanchthon's  Herbergen  31  *.] 


2  Die  daselbst  auf  Fichard  gestützte  Angabe,  dass  dieses  die  zweite  Ebe 
Gilbrecht b  gewesen  sei,  musa  demnach  berichtigt  worden;  es  war  die  dritte. 


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-  182 


Holzheimer. 
[Johann  Holzheimer,  siehe  Amtleute,  §.  132.J 

Humbrecht. 

§.  285.  [fol.  171]  Margreta,  vxor  Claß  humbrecbt's,  obijt  vicesima 
quin ta  septembris,  relicto  dicto  suo  marito  et  filiis  et  filiabus,  anno  1501. 
[Kryngin  Humbrechtin,  Jungfrau,  §.  80.  185.  263.  Tochter  Clas 
Humbrecht's  und  Gretgin  Foid,  dritte  Hausfrau  von  Bernhard 
Weiss,  §.  333. 

Margaretha  Humbrechtin,  Ehefrau  Conrad  Scheid's,  §.  311.] 

Claus  Humbrecht. 

Greda,  Foid  von  Monsberg. 


Margaretha  Katharina  Humbrecht, 

Humbrecht,  Ehefrau  von  Bernhard  Weiss. 

Ehefrau  Conrad  Scheid's. 

Inckus  zu  Schwasau. 

[Familie  starb  1482  aus.  Ottilia  zu  Schwanau  §.  221.  ist  die 
Ehefrau  Arnold  Glauburger's  zu  Schwanau,  geb.  Brun.) 

Jöstenhöfer. 

§.  285.  [fol.  15ö]  Anno  1500  sexta  augusti  Katherina  vgelnhevmerin, 
uxor  Loy  iostenhoffers,  sepulta  est  hic  in  ecclesia  parochiali  et 
delatum  est  funus  ad  ecclesiam,  precedentibus  personia  ecclesie  nostre 
et  scolaribua  et  hoc  primum  in  oo  inceptuin,  antea  enim  inauditum, 
quod  clerus  nostre  ecclesie  precesserit  funus  laici. 
[Loy  Jöstenhöfer  §.  5.] 

Zum  Jungen. 

§.  287.  (fol.  142 1  Anno  1499  vltima  julij  Katherina  heringen, 
vxor  Orten  zum  iungen  senioris,  obijt,  eo  magistro  ciuium  existente, 
null  ob  relictos  habens.    Erat  Ortt  illo  anno  magister  ciuium  senior. 

[Ort  zum  Jungen  §.  79.  80.  83.  98.  125.  183.  185.  201. 

Kryngin  Heringen,  seine  Hausfrau,  Guda  Hynsberg's  Schwes- 
ter, §.  80. 

Johann  zum  Jungen  §.  6.  98.  102.  120.  179.  183.  185. 
Conrad  zum  Jungen  §.  80.  177.  183.  Itf5.  186.  197.  201. 
Ortgyn  zum  Jungen  §.  185.  198. 

Gretgin  zum  Jungen,  mater  Conradi  et  Ortgyns  zum  Jungen, 
§.  328.] 


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-    183  - 
Brüder: 

Ort  zum  Jungen — Heinrich  zum  Jungen  —  Johann  zum  Jungen 
t  1519  (zum  Korb)  f  1483 

Katharina  Heringen  Margaretha  Reiss. 

seine  Hausfrau       Marg.  Glauburg. 

t  1499.  j  

I  .  I 

Conrad  zum  Jungen       Ort[gin]  zum  Junge  n. 

* 

Kaltofen. 
[Philipp  Kaltofen  §,  180.] 

Ketsch. 

§.  288.    [fol.  55  Anno  domini  prima  die  maij]  Ködern  die  Jung 
henn  von  kelsch  f   vicinus  noster,  fatum  exsoluit,  reliquit  uxorom 
nomine  Mergen  et  filias,  videlicet  Morgen,  Dorotheam  et  Kathcrinam, 
et  filium,  cuius  nomen  Jodocus. 

Kemmerer  von  Fulda. 
§.  289.    [fol.  10]  Anno  domini  1464  in  die  Dorothe  Virginia  des- 
ponsati    Hen   kemmerer    vnd   Eisgin    [cf.  Bernhards  Familien- 
chronik, §.  61],  nuptias  habuerunt  4  junij  zum  hingen  frosch,  eodero 
anno. 

Knoblauch. 

§.  290.  [fol.  3]  Anno  1494  prima  augusti  mane  natus  est  Georg 
clobellacb,  filius  Siffridi  clobcllach  et  Gecilie  vxorissue,  et  compater 
eius  erat  Georgius  Flach,  [fol.  37  J  Anno  1495  die  24  septembris 
natus  est  Wickerus  klobellach,  filius  Syffridi  klobellach  et  Cecilie .... 
vxoris  sue.  Compater  infantis  est  Wickerus  klobellach,  maritus  Ryle 
froschin.  [fol.  83]  Anno  1497  secunda  martij  hora  quarta  post  meri- 
diem  natus  Sifiridus  klobellach  ex  Siffrido  klobellach  et  Cecilia  vxore 
eius,  tertia  autem  februarij  [raartii  ?]  baptizatüs.  Compater  infantis  domi- 
nus Bernhardus  schefferlyn,  doctor  et  iuditij  camere  venerabilis  assessor. 
[fol.  145]  Anno  1499  in  prineipio  octobris,  vt  arbitror,  natus  est 
Pancratius ,  filius  Syffridi  knobellauch  et  Cecilie,  eius  legittime.  In- 
fantis compater  est  Pancratius  de  rynsteyn,  comendator  domus  tbeu- 
tonicorum  hic.  [fol.  1Gb]  Anno  domini  1501  vicesima  quinta  apprillis 
et  dominica  misericordia  domini  baptizatüs  Johannes,  natuS  ex  Siffrido 
knobellauch  et  Cecilie,  eius  legittime.  Infantuli  compater  est  Johannes 
mor,  huius  oppidi  capitaneus. 

[Sifried  Knoblauch  und  seine  liaufrau  Caecilia  §.  116.  185. 

Sifried  Knoblauch  §.  119.] 


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-    18*  - 


§.  291.  ffol.  57]  Anno  1496  die  deeima  septima  julij  Johannes 
klobellach,  filius  Adolffi  klobellach's  pie  memorie  et  Anne  folekerin, 
contraxit  sponsalia  de  presenti  com  Katherina  gelthnserin ,  filia 
Heynrici  gelthuß  felicis  memorie,  morantis,  dum  vixit,  in  oppenherm 

et  Actaym  wasserhuß,  zum  goltsteyn  genant,  extra  muros. 

Deinde  deeima  nouerabris  spire  se  ipsum  sponse  se  apposuit:  non 
conuocatis  aliis,  nisi  qui  quottidianj  erant  in  domo  Wickeri  klobellach's, 
abundantem  suam  auaritiam  notiorem  facere  voluit  Regula,  eorum 
primogenita,  nata  est  22  augusti,  de  quaplenius  in  99.  Obiit  [fol  99: 
Rylchin  klobellachin.  Anno  1497  22  augusti,  que  est  vigilia  Bartho- 
lome!, nata  est  primogenita  Johannis  klobellach's  et  Katherine.  spire, 
nomine  Regula.  Comater  infantis  estRylgin,  uxor  Wickert  klobellach's. 
Sic  esse  factum  retulit  mihi  prefatus  Johannes  klobellach  wormatie 
prima  septembris  anno  supra.  Mortua  nondum  habens  annnm  Re- 
gula.] Eberhardus  de  mense  octobri  natus  in  127.  [fol.  127  :  Anno 
1498  de  mense  octobri  natus  Eberhardus  (et,  vt  arbitror,  25  illius 
mensis  baptizatus),  filius  Johannis  klobellach's  et  Katherine,  eius  uxoris, 
[Hlius] ;  compater  infantis  Eberhardus  de  hussesthem.)  [fol.  150]  Anno 
1501  deeima  nona  februarij  ex  Johanne  knobellach  peperit  Katherina 

filium,  nomine  [fol.  170]  Anno  1501  infra  octauam  assump- 

tionis  nata  est  Grettgyn  ex  Johanne  klobellach  et  Katherine,  cius 
vxore. 

[Rylgin  Froschin,  Wicker  Knoblauch's  Hausfrau,  §.  279.  Siehe 
Frosch.  Wicker  Knoblauch  gehörte  einer  anderen  Linie  an,  als  die 
folgenden : 

Adolf  Knoblauch  f  i486. 
Anna  Völckerin, 
heirathet  in  zweiter  Ehe  Georg  Flach. 


Seifried.  Johannes. 
Caecilia  Zäch  Katherine  Golthaus 

ausEslingen.  aus  Oppenheim.] 

Kühorn. 

§.  292.  [fol.  154]  Anno  1500  deeima  junij  et  die  mercurij  post 
penthecosten  contraxerunt  matrimonium  per  verba  de  presenti  Jaco- 
bus  kuhorn  viduus,  doctor  et  cancellaris  [cancellarius]  prmeipis 
palentini  electoris,  et  Agnes  dyrmeyern,  vidua  relicta  Hert 
yrgeschemers,  que  solita  fuit  a  populo  Agnes  zum  roorn  nunenpari 
propter  domum,  quam  inhabitat.  Deinde  eodem  anno  quinta  augusti, 


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—    185  - 


que  erat  dies  mercurij,  solemnizatio  matrimonij  in  fatie 
ecclesie  et  consumatio  in  thoro  secuta  est  et  habita. 

§.  293.  [fol.  159]  Anno  domini  1500  nona  nouembris  nuptie 
celebrate  snnt  maguntie  inter  doctorem  Bernhard  kuhorn,  Jacobi 
kuhorn  de  stnckgardia  filins,  et  Elisabeth,  filia  quondam  doctoris 
Georgij  hei,  alias  pefFer,  cancellarij  archipresulis  maguntini,  dum 
vixit,  et  Elisabeth  froschin,  genitricis  dicte  sponse,  que  nunc  viuit. 
Ad  nuptias  illaa  dcscendimua  octaua  nouembris  ad  maguntiam  in 
naui  consu latus,  hic  [huc]  rediebamus  tredecima  eiusdem  mensis 
anno,  quosupra,  et  laute,  ymo  lautissime  viximus  ac  triumphauimus ; 
propinaui  ducatum,  pro  quo  solui  1  fl.  9  ß.  Tantundem  propinauit  et 
frater  mens  Bernhardus  rorbach.  Laurentius  eorum  primogenitus 
natus  est,  de  quo  infra  fol.  170. 

[fol.  170.  Anno  1501  in  yigilia  vel  die  laurentij  natus  est 
primogenitus  maguntie  doctoris  Bernhardi  kuhorn  et  Elisabeth 
sue  legitime,  nomine  Laurentius;  hunc  suscepit  de  baptismo 
nobilis  Laurentius  truchseß,  canonicus  maioris  ecclesie 
tine  etc.] 


Brüder. 


Jacob  Walther,  gen.  Kuhorn, 
der  Aeltere, 
wohnt  in  Stuttgard. 


Bern 


lar 


Jacob  Walther,  gen.  Kuhorn, 
J.  U.  D. 
Procurator  zu  Mainz. 
Agnes  Diermeyer  (Tiermeyer) 

zum  Mohren, 
Wittwe  von  Hert  Ergersheiraer. 


J.  U.  D.  in  Mainz. 
Elisabeth  Hell. 

Langsdorf. 
[Engil  Langsdorf  §.  201.] 


Marpurg  zum  Paradies. 

[Ludwig  zum  Paradies,  Dr.,  goldner  Ritter  uud  Schultheiß,  §.  6. 
79.  80.  83.  175.  183.  185.  186.  294.  334. 

Elsbeth  (Asyn)  Heringen,  seine  Hausfrau,  §.  80.  294. 

Ludwig  Marpurg,  §.  183,  kann  nur  Ludwig  Martroff  von 
Marpurg  [§.  294],  der  Erbe  des  Hauses  zum  Paradies  gewe- 


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-    186  - 

sen  »ein,  da  Ludwig  zum  Paradies  in  dem  Verzeichnisse 
der  Limburger  §.  183  an  der  Spitze  genannt,  Ludwig  Mar- 
purg  aber  unmittelbar  nach  Georg  Martroff  aufgeführt 
wird.] 

Martorff. 

§.  294.  [fol.  50]  Anno  domini  bisextili  1496  die  decima  quinta 
febmarij,  qu?  tunc  penultima  carnisbreuij  erat,  Ludwicus  mar- 
troff, filius  Johannis  martroff,  ex  una,  ex  parte  alia  Anna  virgo, 
senior  filia  Wolff  blumens  et  Lyßgin's  hulczhuseryn,  contraxerunt 
sponsalia  et  preter  morem  nostrum  non  adductus  ad 
stubam  est  sponsus,  allegabant  rogationes  pugnantes 
ad  placitum  [?].  Solennizatum  dehinc  est  matrimonium  in 
facie  ecclesie  nona  die  junij,  que  pro  tunc  erat  octaua  corporis 
Christi.  Nuptie  de  post  secute  die  tredecima  junij  anno,  quo  supra. 
Tandem  procreatus  est  ex  ipsis Ludwicus,  primogenitus  eorum, 
de  quo  in  folio  93;  obiit  infans.  [fol.  93:  Anno  1497  decima  septima 
junij  ex  Ludwico  martroff  et  Anne  [1.  Anna]  blumin,  eins  legittime 
[L  legitima],  natus  est  Ludwicus,  primogenitus  eorum,  decima  octaua 
junij  fönte  baptismatis  rcnatus.  Compater  infantis  est  Ludwicus  de 
paradiso,  doctor  ac  eques  auratus,  franckfurdensium  scultetus.  Mor- 
tuus  est  paueo  tempore  post  prefatus  infans].  Secundagenita, 
Elsbeth  nomine,  nata  est  vltima  junij  in  anno  98,  clarius  infra  117. 
[fol.  117:  Anno  1498  vltima  junij  nata  est  secundagenita  Ludwici 
martroff  [am  Rande:  Elisabeth  martroff]  et  prima  julij  baptizata. 
Commater  infantis  est  Elßbeth  [sonst  auch  Asyn  genannt  §.80],  uxor 
Ludwici  de  paradiso,  sculteti  huius  oppidi,  qu$  vocauit  infantem 
nomine  suo,  quQ  de  post  obijt,  anteaquam  habuerit  etatem 
15  dierum.]  Johannes  natus  est  14  octobris  anno  99  et  quartus 
[1.  tertiusl  in  ordinc  geniture,  quacre  in  charta  145.  [fol.  145:  Anno 
14i'9  decima  quarta  octobris  mane  quinta  hora  vel  circa  natus  est 
Johannes  ex  Ludwico  martroff  et  Anne.  [1.  Anna],  eins  uxorc.  Sus- 
cepit  de  baptismate  infantem  concanonicus  Johannes  vgelnheymer. 
Obiit  infans.]  Katherina  nata  est  anno  1500  decima  decembris,  de 
qua  vide  in  1G0.  [fol.  160;  Kryngyn  martroff.  Anno  domini  die 
decima  decembris,  decima  hora  vel  quasi  post  cenam,  et  erat 
diesiouis,  genuit  Anna,  uxor  Ludwici  Martroff s,  filiam  suam  Katherinam 
nomine.  Gomater  infantis  est  Katherina, relicta  senioris  Bechtoldi  hellers]. 

§.  295  [fol.  168]  Anno  domini  1501  decima  die  apprilis,  que 
erat  vigilia  pasc«?  obijt  Anna,  vxor  Ludwici  martrons  et  senior  filia 
senioris  Wolff  blumens.  Reliquit  maritum  suum  filiamque  nondum 
annum  habentem  nomine  Katherinam  superstites. 


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-    187  - 

JLudwig  Martroff  §.  184  und  185.  (§.  183  cf.  „Marpurg  zum 

Paradies"  und  unsere  Bemerkung  daselbst) 
Engin,  seine  Hausfrau,  §.  185. 
Georg  Martroff  §.  13.  80.  183.  185.  193.  198.  215. 
Georg  und  Ludwig  Martroff  waren  Vettern.] 

Meiern. 

§.  296.  [foL  65]  Anno  domini  1496  die  decima  septima  ootobris 
sponsio  matrimonij  contracta  est  inter  Johannem  de  molnheym 
(habuit  autem  antea  duas  vxores)  et  Margretam  virginem,  filiam 
quondam  Thome  ogelnheymers  etMarg^ete  grussern,  nunc  vxor  Stephani 
grünbergers,  vittericus  prefate  virginisMargrete  sponse.  Solemnizatiimln 
facie  ecclesie  decima  septima  nouembris.  Nuptie  deinde  celebrate  faere 
dievicesima  seeunda  nouembris,  eratquedies  marus;  non  enim  poterat 
consumari  die  lune  ob  festum  presentationis  virginis  Marie.  Ex  illis 
natus  est  Ogir  15  junij  anno  1499;  vide  in  charta  140.  [fol.  140: 
Anno  1499  decima  quinta  junij  et  die  Sabbathi  genuit  Grettgyn, 
vxor  Johannis  molnheym,  suum  primogenitum  filium,  cuius  nomen 
Ogyr,  baptizatus  decima  sexta  iunij;  compatcr  infantis  est  Jacobus 
heller.  Primogenitum  dizi  quoad  Gretgyn;  Johann  molnheym  enim 
ante  eam  duas  vxores  habuit]  [fol.  168]  Anno  domini  1501  die  veneria 
post  dominicam  quasimodogeniti  natus  ex  Johanne  de  molnheym  et 
Margreta,  vxoresua,  Jacobus  estque  secundus  in ordine geniture  ex 
illorum  prefatorum  matrimonio.  Sequenti  die  e  fontc  baptismatis  sus- 
cepit  infantulum  Jacobus  neuhusen. 

[Ursula  de  Meiern,  uxor  Walteri  de  Schwarzenberg,  §.  317.] 

Johann  von  Meiern  (Molnheim). 
Gretgen  Dorfelder. 


Johann  von  Meiern.        Katharina  von  Meiern.        Ursula  von  Meiern. 


Margaretha  Jacob  Heller.         1)  Walter  v.  Schwar- 

Ugelnheimer.  ^  zenberg. 


2)  Bernhard  Rorbach 
der  Jüngere. 


Mohr. 

[Johannes  Mohr,  städtischer  Hauptmann,  siehe  unter  dieser 
Ueberschrift:  §.  133.J 


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-    188  - 


§.  297.  [foL  96J  Anno  1497  die  vicesima  tertia  julij  Ruprecht 
moneß  viduus  nuptias  peregit  cum  quadam  vidua,  si  recte  memini, 
de  fulda,  nomine  etc.  Nuptias  deinde  celebrauit  vicesima  nona  januarij 
anno  1498. 

§.  298.  ffol.  102]  Anno  1497  tredecima  nouembris  Conradus 
mones  celebrauit  nuptias  cum  Eylchin  »tomein ,  obiit  autem  dicta 
Eylchin  die  23  junij  anno  1500. 

[Conrad  Monis  §.  177.  183.  185.  186.  197.  199. 

Ruprecht  und  Conrad  Monis  sind  Vettern.] 

Neuhausen. 

§.  299.  [fol.  10]  Anno  1464  Jacobus  nnhusen  et  Kongundis, 
filia  Walten  schwarczenbergs  senioris,  desponsati  sunt  in  die  beati 
Xysti,  nuptie  secute  in  profesto  Galli  eodem  anno. 

§.  300.  [fol.  18]  Anno  1495  iii.  apprillis  reuersi  sunt  de  pere- 
grinatione  Jacobus  nnhusen,  Johannes  molnheym  et  famulus  eorum 
Heynricus  de  Andernach,  cum  antea  iter  peregrinationis  arripnerunt 
in  anno  1494  die  xxiii  junii,  que  est  vigilia  Johannis  baptiste. 

§.301.  [fol.  51]  Anno  1496  die  5umartij  vocauit  nos  Jacobus 
neuhuser  inter  ceteros  eius  amicos,  vidclicet  Bernhardum  rorbach 
et  me  Job,  fratrem  Bernhardi,  vt  adessemus,  cum  sententia  esset 
ferenda.  Comparuimus  cum  ceteris  suis  cognatis  et  amicis  in  stuba 
consulatus  et  audiuimus  sententiam,  in  qua  adiudicabantur  Jacobo  et 
Georgio  neuhuser  germanis  noningenti  quinquaginta  floreni,  dandos 
[1.  dandi]  per  heredes  Katherine  wissen,  nec  tantum  in  predicta 
summa,  verum  et  in  expensis  sunt  condcmnati  dicti  heredes.  Hec  sie 
acta  esse  certo  scio  et  aderat,  vt  predixi,  frater  meus  et  plures  alij. 
Heredes  vero  appellarunt,  hij  autem  erant  heredes  vel  saltem  preten- 
debant  se  heredes  esse:  Johannes  I  an  eck,  tanquam  vna  stirps,  Helesus 
wiß,  tanquam  secunda  stirps,  Fridericus,  Dithericus  et  Agnes  germani 
et  germane  de  Altzen,  tanquam  tertia  stirps. 

§.302.  [fol.  83]  Anno  1497  quinta  martij  nata,  vt  arbitror, 
baptizata  naraque  est  ea  die,  Margreta  neuhuserin,  filia  Conradi  neu- 
heusers  et  Margrete  vxoro  [L  uxoris]  eius.  Commater  infantis  Margreta 
.  .  .  .  vxor  doctoris  Valcntini  durnckheym,  iuditij  camere  procurator. 
Mortua  est,  anteaquam  fuit  trium  mensium. 

[fol.  112]  Anno  1498  tertia  apprilis  nata  est  Agnes,  filia  Conradi 
neuhusen  et  Margrete,  sue  legittime  vxoris.  4U  eiusdem  baptizata  et 
de  fönte  baptismatis  suseepta  per  Agnetem  relictam  Hans  schmidden. 


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—  189 


[fol.  143:]  Anno  1499  die  vieesmia  secunda  augusti  baptizatus  Geor- 
gius neuhuß,  filius  Conradi  neuhaß  et  Margrete,  sue  legittime. 
Infantis  compater  est  Georgius  ncuhuß  zum  fraß.  Infans  obijt  pauco 
tempore  post,  supra  dictus  Georgius.  [fol.  157]  Anno  1500  tertia 
octobris  Daniel,  filius  Conradi  ncuhuß  et  Margrete  eins  legittime, 
est  baptizatus.  Compater  infantis  Daniel  bromm. 

[Jacob  Neuhausen  §.  13.  35.  79.  80.  81.  107.  125.  186.  186. 

190.  191.  221.  296. 
Georg  Neuhausen,  sein  Bruder,  §.  SO.  191.  192.  197.  199.  201. 

215.  221.  [zum  Frass]  327. 
Conrad  Neuhausen  §.  79.  80.  186.  186.  Margret  seine  Haus- 
frau §.  80  und  185. 
Ulrich  Neuhausen  §.  6.  13.  15.  80.  177.  183.  185.  192.  198. 
215.  221. 

Conrad  zum  Neuen  Haus 
zum  Frass. 


Jacob  zum  Frass  f  1493.  Ulrich  zum  Frass. 

Kunigunde  Schwarzenberger 

.  _l_  

Jaco b  zum  Frass, 
kinderlos. 

Georg 
zum  Frass, 
ehelos. 

Raias. 

§.  303.  [fol.  36]  Anno  1495  die  14  septembris  obiit  Ortt  reylS, 
pater  Johannis,  Georgij  etc.  et  Margrette  reysen  et  aliorum  con- 
fratrum. 

§.  304.  [fol.  51]  Anno  domini  bisextüi  1496  die  sexta  martij 
Johannes  reyß  scabinus  (filius  quoudain  pie  memorie  Ort  Reysen 
et  Kongundis  hyllebrant),  contraxit  sponsalia  cum  Cristina  virgine 
(fiha  Johannis  froschen  et  Cristine  degeneryn  morantium  in  domo 
zum  burggreffen  nuneupata).  Eratque  dominica  occuli  in  qoadrage- 
sima,  cum  sponsalia  contrahebantur  ideoque  non  vocati  sunt  ad  cenam 
nisi  proximi  tantum.  Depost  die  vicesima  iunij  benedictionem  matri- 
monij  in  ecclesia  reeeperunt  mane  sub  matutinis.  Eodem  die  nuptias 
celebrabant  et  apposita  sponsa  sponso  est  anno,  quo  supra. 


I  l 
Conrad  Ulrich  Neuhaus.] 

zum  Feuerfunken. 

Margaretha 

Silberborn. 


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-    190  - 

Depoat  in  anno  1497  die  juuij  vndecima  nata  est  Anna  eorum  pri- 
mogenita,  de  qua  clarius  in  folio  92.  [fol.  92:  Anno  1497  vndecima 
iunij  et  die  dominica  nata  ex  Jobanne  reyß  et  Cristina  froschin,  legit- 
tima  sua,  primogenita  eorum,  nomine  Anna.  Baptizata  duodecinia 
iunij.  Commater  infantule  est  Enchin,  vxor  Georgii  flach,  officiali* 
znm  goltsteyn  eis  moganum  extra  rauroa.J  Deinde  in  anno  1498  natns 
Johannes,  qui  et  mortuus  est,  vide  in  charta  129.  [fol.  129:  Anno 
1498  vicesima  secunda  nouembris  circa  mediam  vel  in  media  noctis 
natu»  est  ex  Johanne  reyß  et  Cristina,  eius  uxore,  Johannes,  qui 
baptizatus  23  eiusdem  et  ab  Johanne  frosch,  patre  Cristine,  de  bap- 
tismo  suseeptus.  Obiit  infra  mensem.]  Geuuit  Wickerum  tertia  maij 
anno  1500,  de  quo  vide  in  charta  152.  [fol.  152:  Anno  1ÖOO  tertia 
maij  natus  est  ex  Johanne  reyl*  et  Cristine  [Cristina],  eiuB  Iegittimv 
[legitima],  Wickerus,  qui  baptizatus  est  4U  eiusdein  mensis,  et  is  in 
ordine  geniture  suorum  parentum  est  quartus  [tertius].  Ipsius  infantü 
compater  est  Georgius  frosch  senior.) 

[Johannes  Raiss§.  86. 183. 185.  Chrystingin,seineHausfrau,§.  185. 
Georg  Raiss  §.  13.  177.  198. 
Arnold  Raiss  §.  201.  215. 

Margreta  Raiss,  Tochter  Peters  Raiss  und  Agnes  von  Alzey, 

Heinrich  Weissen  Hausfrau,  §.  328. 
Anna  Hynsberg,  relicta  Johannis  Raiss,  aduocati  quondaw 

huius  oppidi,  §.  86. 

Heintz  Raitf. 

 I  

I  I 
Clesechin  RaiU.  Orth  Rai U. 

I  I 


Peter.      Johann,     Johann.     Georg,     Arnold,  Margaretha. 
Agnes       J.  U.  D.     Christina      ledig.  ledig, 
von  Alzey.  AnnaHyns-  Froschiii. 
berg. 


Margaretha 

Heinr.  Weiss 
v.  Limpurg. 

Rheine. 

§.  305.  [fol.  48 J  Anno  1496  nona  die  ianuarij  sepulta  est  in 
ecclesia  fratrum  pr<?dicatoruni  franckfordie  Agnes    (filia  Bechtoldi 


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-     191  - 

beller'B  senioris),  uxor  Heynrici  de  ryn,  reliquit  superstites  Septem 
liberos. 

§.  306.  [foL  156]  Anno  15C0  in  die  Laurentij  raartiris  obijt  Ka- 
therina,  filia  Stheffans  hen,  uxor  autem  Johanis  von  ryn  senioris,  pr.o 
tunc  scabini  hic,  et  comitatum  est  funus,  vt  hic  proximum  supra 
[§.  286]  in  fnnore  uxoris  Loy  iostenhoffer's  est  notatum,  nisi  quod 
hic  pulsabantur  campane,  quod  obmissum  fuerat  in  superiore  funere. 

§.  307.  [fol.  170]  Henricus,  filius  Johannis  von  ryns  et 
defuncte  Katherine  ex  familia  Steffens  henn,  contraxit  matrimonium 
cum  Magdalena,  virgine  et  filia  Jacobi  gey  chen  viventis  etAgneß 
wyssen  pie  memorie.  Actum  die  ioius  et  12  augusti  anno  1501. 
Eodem  anno  ratificatum  est  dictum  matrimonium  in  fatie  ecclesie 
tredecima  nouembris ;  nuptie  vero  habite  sunt  15  nouembris  anno 
supra  dicto. 

[Johannes  de  Rheine  §.  5.  116.  121.  179.  183.  185.  192.  197.  198. 

201.  215.  2ß5. 
Kryngin,  seine  Hausfrau,  §.  185. 

Johannes  vom  Rheine,  sein  Sohn,  Dechant  zu  St  Leonhard,  §.20K 
Engin,  Johanns  vom  Rheine,  des  Aelteren  Tochter,  §.  208. 
Heinrich  vom  Rheine,  des  älteren  Johann  Bruder,  §.  123. 
Margaretha  vom  Rheine,  Heinrichs  Tochter,  Claus  Stallburger's 

Hausfrau,  §.  322. 
Johannes  vom  Rhein,  Decau  zu  St.  Leonhard,  §.  208. 

Heinrich  vom  Rheine 

 I  

Heinrich  vom  Rheine  f  1509  Hans  vom  Rheine 

zum  Wolkenberg.  zum  gülden  Kopf. 

Agnes  Heller.  Katharina  Steffan. 

|   .  J  r 

Margaretha.        Johann  z.  Rh.       Heinrichz.Rh.  Anna. 
C 1  a  u  s  S  ta  1 1-      Deehant  z.  St.  Leonh.     zum  Mohren, 
burger.  Magdalena  Geuch.| 

■ 

Rosenacker.  4 

§.  808.  |  toi.  48]  Anno  1496  decima  quarta  ianuarij  Eberhardus 
ro Benacker  de  wertheym,  sindicus  dorainorum  de  conaüio  franck- 
furdensi,  contraxit  sponsalia  cum  Otylia,  filie  [I.  filia]  quondam 
Caspar  behemers  et  Margretc,  matre  vivente  tunc  Dehinc  nuptie 


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-    192  - 

secuta  die  vicesiraa  quinta  eodem  anno  et  menae.  Ego  Job  ror- 
bach  prefatam  Otyliani  aponaam  ad  cccleaiam  dusi,  vna 
cum  Casparo,  fratre  aponae,  nocte  adueniente  aponsam 
aponao  appoaui.  Ante  iam  dictam  aponaam  nullam  duxi 
ad  eccleaiam,  nec  ad  thorum  aliquam  praeter  illara  aponao 
appoaui.  Propinauit  mater  aureuin,  frater  Bernhardus 
aurcum  et  monetam,  que  eyn  engelisch  dicitur,  ego  autem 
trea  taxillos,  duas  acuB,  vnam  cum  filo  glauco,  aliam  cum 
filo  blawe. 

Rückingen. 

[Claa  Rukingen  §.  120.  133.  177.  185.  186.  257.  261.  262.  älterer 
Bruder. 

Johann  Rückingen  und  Agatha,  Beine  Hausfrau,  §.185.  jüngerer 
Bruder.] 

'  Saa8en. 

§.  309.  [fol.  10J  Anno  1471  dccima  ianuarii  contracta  aunt 
aponaalia  inter  Henn  aaaaen  et  Katherinam,  filiam  Johann  brunnen, 
nuptie  autem  babite  in  craatina  aancti  Blaaii  eodcm  anno. 

§.  310.    [fol.  85]  Lyagyn  aachain.    Anno  1497  in  die  aacro 
pasche,  que  erat  viceaima  aexta  martij  expirauit  Liagyn  sachsvn,  virgo 
venuata,  cognata  raea,  filia  Hen  aachacn  et  Kringyna,  eiua  uxore.  Et 
retro  in  anno  1496  conuentio  amicabilia  facta  et  concepta  de  futuru 
matrimonio  contrahendo  inter  ipaam  iam  dictam  virginem  et  Johannem 
froach,  viduum,  wulgo  dictum  Johan  froach  zum  Affen,  et  placuit  hec 
conuentio  ipaia  videlicet  Johanni  froach  et  Lyagyn  virgini  et  pareati- 
bua  auia,  nondum  autem  contraxerant  nec  verbo  nec  facto,  eo  quod 
tercio  et  quarto  gradu  cognationia  cognati  erant,  quapropter  diapen- 
satio  papalia  requirebatur,  cumque  iam  impetrata  erat  diapenaatio  et 
iam  aderat,  infirmitaa  Virginia  impediebat  contrahendum  matrimonium. 
Tandem  raora  Virginia  omnem  conuentionem  et  contractum  interemit 
et  in  nihilum  reduxit  Jnhumata  in  eccleaia  minorum  in  loco  8uarum 
p  r  og  e  nitricum. 

[Hen  Saasen  §.  80.  183.  185.  284.  309.  Katharina,  aeine  Haus- 
frau, §.  80.  284.  309. 

Aelteate  Tochter  EUaabeth  (Liagin)  §.  80.  185.  186. ,  Braut  Jo- 
hannea  Froach«n  zum  Affen  §.  310. 

Zweite  Tochter  Katharina  (Klingen)  §.  *0.  185.,  aeit  10.  Februar 
1500  verheirathet  an  Gilbert  Holzhauaen  zum  Goldsteüi ;  ihre 
Existenz  von  Fichard  mit  Unrecht  bezweifelt,  §.284  u.  Anm. 

öohn  Ludwig  §.  80.]. 


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-    193  - 
Scheid. 

§.  311.  [fol.  82]  Anno  1497  decima  nona  februarij  baptizata  est, 
arbitrorqne  eam  ea  etiam  die  natam,  Margreta,  filia  Conradi  schytts,  eo 
tunc  iunior  existentis  magister  chrium,    et  Margrets  humbrechten. 

Suacepit  de  baptismo  infantulam  Margreta,  relicta  et  mater 

Conradi  et  Ort  zum  iungen. 

[Conrad  Scheid  §.  121.  126.  179.  183.  186. 

Margreta  Humbrecht,  »eine  Hausfrau,  §.  185. 

Die  Pathin  war  Margaretha  Glauburgerin,  Wittwe  Heinrichs 
zum  Jungen,  vrgl.  zu  §.  287.] 

Schmied. 

§.  312.  [fol.  15]  Anno  1495  secunda  februarij  natus  est  Reyn- 
hardus  schmyd  ex  Johanne  schmydt  et  Agnete  wissen,  eius  uxore. 

§.  313.  [fol.  52]  Anno  1496  die  xiii  raartij  obiit  Hans  schmyt, 
reliquit  uxorem  Agnetem  cum  sex  liberis,  omnes  adhuc  in  puppillari 
State;  sepultus  in  parochiali  eccleaia  sancti  Bartholome^  etfratersuus 
Sebastianus  schmytt  obiit  in  anno  1494  die  19  apprilis. 

§.  314.  [foL  134]  Anno  1499  decima  quinta  februarij  et  sexta 
post  dominicam  estomihi  obijt  Agucs  vidua,  quondam  vxor  Johannis 
schmydt,  16.  mensis  illius  inhumata  in  parochia. 

[Stephan  Schmied  von  Miltenberg  hatte  zwei  Söhne : 

1)  Sebastian  Schmied  f  1494  Dessen  Sohn  Sebastian 
Schmied  wird  §.  201  erwähnt. 

2)  Hans  Schmied  f  1496  (§.  313).  Seine  Gattin  Agnes  (§.302 
und  314)  war  eine  Weiss  von  Limburg  zum  Rebstock 
(§.  312).   Ihr  Sohn  war  Reinhard  Schmied  (§.  212)]. 

Schöfferhenn. 

§.  315.  [fol.  1J  Prima  die  junij  [1494?]  sponsalia  contraxerunt 
Scheffer  henn  iunior  etAnna  de  hanauwe,  relicta  Konstens  hentzen, 
que  moratur  in  domo  vocata  czu  der  winreben,  sita  ex  opposito  a 
latere  domus  czu  spangenberg  iuxta  ecclesiam  bcate  virginis. 

[Schöfferhenn  §.  93.  102.  Lersner  fuhrt  H,  II,  143  u.  147  im 
liathsverzeichnisse  auf:  Johann  von  Ostheim,  gen.  Schöfferhenn, 
Wollen weber,  erwählt  1461,  gestorben  1501,.  und  Johann  von  Ost- 
heim, erwählt  1494.  Wahrscheinlich  ist  der  letztere  unter  dem  Na- 
men Scheflerhenn  junior  gemeint,  während  jener,  vielleicht  der  Vater» 
als  senior  zu  denken  ist  Nach  den  Briefen  des  Cochlaeus  nahm  der 
jüngere  Schöfferhenn  sich  1520  dessen  freundlich  in  Frankfurt  an.] 

13 


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-    194  - 


Schule. 

§.  316.   [fol.  144]  Anna  zum  yssenmenger,  auia  Petri  et 

Thome  sossenheymer  ex  linea  materna,  obijt  vicesima  octaua  septem- 
bris  [1499]. 

[Die  erwähnte  Anna  ist  des  Peter  Schule  zu  Laderam  Hausfrau. 
Die  Tochter  dieses  Paares,  Katharina  Schule,  hatte  Peter  Sossenheimer 
geheirathet  und  war  die  Mutter  der  Brüder  Peter  und  Thomas  Sossen- 
heimer. Im  Jahre  1495  verkauften  Anna,  Peter  Schulen  seel.  Wittwe, 
Peter  und  Thomas  Sossenheimer,  Margaretha  [Weissin  von  Limburg] 
vxor,  dieser  Anna  Diechtern  [Enkel]  und  Snorche,  das  Haus  Laderam 
um  2600  ti.  an  Daniel  Bromm.  So  Fichard  in  der  Geschlechterge- 
schichte (Familie  Sossenheimer  und  Schule).  Derselbe  fuhrt  ferner 
aus  der  Originalurkunde  an,  dass  Anna  zu  Laderam  in  ihrem  am 
Marien-Magdalenentag  1495  errichteten  Testamente  ihren  Diechter 
Peter  Sossenheimer  zum  einzigen  Erben  eingesetzt  habe,  weil 
dessen  Bruder  Thomas  „zu  seinen  Veränderungen  sonst  ein  merg- 
liches  über  ihre  Kräfte  erhoben  habe*.  Wenn  Fichard  daraus 
schliesst,  daas  Anna  zum  Laderam  noch  um  1495  gelebt  haben  müsse, 
so  ersehen  wir  aus  obiger  Notiz',  daas  sie  erst  am  28.  September 
1499  gestorben  ist  und  nach  Verkauf  des  Hauses  Laderam  im  Hause 
zum  Eisenmenger  (neue  Krame  K.  103)  gewohnt  hat] 

Schwarzenberg. 

§.  317.  [fol.  3]  Anno  1494  die  25  julij  obüt  Walterus  de 
swarczenburg  hora  undecima  diei.  Reliquit  uxorem  Vrsulam  de 
niolnheym  cum  filia  Vrsula  nomine  [eine  spätere  Hand  schrieb  dazu: 
que  relicta  nupsit  Bernhardo  de  rorbach.  Cf.  §.  10]. 

§.  318.  [fol.  9J  Anno  a  uatiuitate  Christi  1495  in  die  Johannis 
ewangeliste,  vt  opinor,  nata  est  Margreta,  filia  Arnoldi  schwarczen- 
burg's  et  Katherine  ....  de  oppenheym. 

§.  319.  [foL  9]  Anno  1496  in  die  Johannis  ewangeliste  est  bap- 
tizata,  et  certo  scio  credoque  etiam  eo  die  natam  fuisse,  Beatrix, 
prefatorum  etiam  filia.  [fol.  71 :  Anno  1496  annum  ab  initio  ianuarij 
inchoando  Beatrix,  filia  Arnoldi  Schwarzenbergs  et  Katherine, 
baptizata  est  in  die  Johannis  euangeliste,  eodem  die  eam  fuisse  natam 
arbitror.    Commater  infautis  est  niater  Symonis  vffstenners.] 

§.  320.  [fol.  158]  Anno  1500  vicesima  sexta  octobris  obijt  Ar- 
noldus  seh w artzenberg  inane.  Reliquit  uxorem  Kathen naru  .  ... 
de  oppenheym,  tilias  tres,  Ann  am  ....  Beatricem.  Vicesima  nona 
mensis  illius  prima  dies  exequiarum  apud  carmelitas  fuit  obseruata. 


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-    195  - 


Ad  exequias  et  prandium  fuerunt  omnes  canonici  et  prelati  ecclesie 
H.  Bartholom?!,  item  omnes  viri  coiisiliarij  inuitati  et  complures  alij. 

[Walther  Schwarzenberg  der  Aeltere  (Hausfrau  Anna  Holz- 
hausen. Fichard). 

Seine  Kinder:  1)  Walther  Schwarzenberg  §.  317.  Hausfrau  Ur- 
sula von  Meiern  §.  10.  116.  185.  221.  317.,  in 
zweiter  Ehe  vermählt  mit  Bernhard  Rohrbach 
dem  Jüngeren,  §.  10.  Tochter  erster  Ehe  Ur- 
sula §.  317. 

2)  Georg  Schwarzenberg,  Canonicus  zu  St.  Bar- 
thol., §.  209.  327. 

3)  Kunigunde  Schwarzenberg,  Jacob  Neuhausen's 
Ehefrau,  §.  299. 

4)  Anna  Schwarzenberg,  Henne  Weissen  zu  Lim- 
burg Ehefrau,  §.  328. 

5)  Arnold  Schwarzenberg,  3teEhe  mit  Katharina 
Ritter  (Fichard)  aus  Oppenheim.  Hinterlassene 
Töchter:  Anna  (§.258),  Elisabeth  [nach  Fichard, 
Job  Rohrbach:  Margaretha],  Beatrix   §.  320. 

6)  Michael  Schwarzenberg  §.  10.  83. 124.  185.  216. 
Kringen  (Martroff,  Fichard),  seine  Hausfrau, 
§.  10.  185.J 

Sossenheim. 

§.  321.  [fol.  123J  Anno  1498  obijt  Gretgyn,  vxor  Thome  sossen- 
heimer's,  soror  autemHert,  Bernhardi  et  Agnes  wisen,  die  sexta 
septembria,  vt  arbitror ;  corpus  sepulturc  traditum  est  septima  eiusdem 
mensis  et  hoc  certum. 

[Thomas  Sossenheimer  §.  183.  185.  vergl.  Schule  §.  316.  Seine 
Ehefrau  gehörte  zum  Zweig  der  Weiss  von  Limpurg  zum  Rebstock, 
siehe  Weiss.] 

Stallburger. 

§.  322.  [fol.  143]  Anno  1499  die  sexta  augusti  Claß  stalberg 
contraxit  Bponsalia  cum  Margreta  uirgine ,  filia  Heynrici  vom  ryn. 
Eodem  anno  die  21  octobris  et  vndeeim  milliuin  virginum  habite  sunt 
nuptie.  Solemniter  et  in  apto  ordine  et  decorate  processerunt  ad 
ecclesiam  ibidemque  solemnizarunt  matrimonium  ac  benedictionem  a 
plebano  doctore  Conrado  hensell  suseeperunt  Primogenitus  eorum 
Claß  nomine  natus  sedeeima  martij  anno  1501.  [fol.  167 :  Anno  do- 

uiini  [1501]  sedeeima  martij,  que  erat  dies  martis  post  dominicam  oculi 

13* 


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■ 


—    196  — 

natns  est  Claß,  filius  et  primogenitus  Claß  stalbergs  et  Margret  vom 
ryn,  quem  de  fönte  baptismatis  suscepit  Claß  vom  haffeni  sartor 
die  sequenti,  videlicet  decima  »optima  martij.] 
[Clas  Stallburger  §.  122.  183.  186.  186.] 

Stocken. 
|  Philipps  von  stocken,  nobilis,  §.  80.J 

Steffan. 

[Henn  Steffan  (Steflanshenn,  Steffashans)  §.  116. 

Guttgin,  im  Saalhof,  Stephans  Henn  Tochter,  Wicker  Fröschen 
Wittwe,  Eberhard's  von  Heusenstamm  Ehefrau,  cf.  zu  §.  254  und 
§.  272.  §.  116. 

Katharina,  Steffana  Henn  Tochter,  Ehefrau  Johanns  vom  Rheine, 
§.  307.  Fichard  nennt  Henn  Steffen :  Werner  steffanshenn  von  Bin- 
gen, muss  übrigens  zugeben,  dass  der  Name  Werner  ihm  nur  einmal 
begegnet  ist  und  sich  möglicherweise  auf  eine  ganz  andere  Person 
bezieht.  Steffanshenn  ist  übrigens  eine  Abkürzung  für  Henne, 
Stcffan'a  Sohn.  Dass  solche  Abkürzungen  bei  Leuten  bürgerlichen 
►Standes  damals  ganz  üblich  waren,  wusste  Fichard  sehr  wohl,  aber 
anstatt  daraus  zu  folgern,  dass  auch  diese  eingewanderte  Familie  wohl 
bürgerlicher  Herkunft  sei,  sucht  er  zu  zeigen,  dass  dieselbe  Abkürzung 
auch  bei  Vornehmen  sich  ausnahmsweise  finde.  Wie  hätte  er  auch 
zugeben  dürfen,  dass  die  Steffan  von  Cronstetten  ursprünglich  Bür- 
gerliche gewesen  seien!  Der  Name  von  Cronstetten  rührt  übrigen« 
erst  aus  dem  16.  Jahrhundert  her.J 

Storck. 

§.  323.  [foL  6|  Anno  1494  die  xxx  augusti  hora  quinta  post 
meridiem  Margereta,  uxor  Joannis  storck,  maguntie  geminas  peperit 
filias,  quarum  una  Fronica,  alia  Clara  nuneupata;  mortue  sunt. 

Stralenberg. 

§.  324.  [fol.  143]  Anno  1499  die  duodeeima  augusti  contraxitHen 

stralnberg  viduus  sponsalia  cum  Agnete  [Eine  spätere  Hand 

füllt  die  Lücke  aus :  Steffin]  virgine.  Eodera  anno  quarta  nouembris 
solemniter  processionaliterque  iuerunt  ad  ecclesiam  solemnizando  ma- 
trimonium  nocteque  illa  consumarunt  nuptiasue  celebrarunt  Felicitas 
eorum  filia  nata  est,  vt  in  folio  166.  [fol.  166:  Anno  1501  vicesima 
ianuarij  nata  est  Felicitas,  primogenita  Hen  stralnbergs  et  Agnetis.. .. 
ex  illo  matrimonio,  quia  Hen  stralnberg  primus  aliam  habuit  vxoremj. 


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-    197  - 


[Heimo  Stralenberger  §.  186,  in  zweiter  Ehe  vermählt  mit  Agnes 

Steffen,  §.  324. 
Hert  Stralenberger  f  1485,  Bein  Oheim. 

Hert's  Kinder:  Jacob  §.  127  u.  183.;  Katbarina,  Simon Uffsteiner's 
Hausfrau,  §.  325,  und  Heilmann  §.  183.  186.  197.  215.] 

TageL 

[Erban  Tagel,  Amtmann  zu  Erlenbach,  siehe  Amtleute.  §.  129 
bis  132.] 

Tegen. 

[Gretgyn  Degnerin  [Tegen],  Jacob  Brun's,  in  zweiter  Ehe  Hans 

Brommen  Hausfrau,  §.  239. 
Christina  Degenerin,  Johann  Fröschen  zum  Burggrafen  Hausfrau, 

§.  253.  304.] 

Tiermeyer,  siehe  Diermeyer. 
Uffstein. 

§.  325.  [foL  60]  Anno  1496  secunda  augusti  Symon  vffstenner 
sponsalia  contraxit  cum  Katherina  de  stralnberg  virgine,  filia  Hert 
stralnbergs  felicis  memoria  et  Gretgin.  Appositi  sunt  simul  in  thorum 
tredeeima  nouembris,  dehinc  deeima  quarta  nouembris  secute  nuptie 
anno,  quo  supra.  Primogenita  eorum  nata  est  quarta  nouembris  Ma- 
gret a  nomine  anno  1497,  de  quo  in  103.  [fol.  103:  Anno  1497  die 
4U  nouembris  nata  est  Margreta,  primogenita  Simonis  vffstenders  et 
Margrets  (?),  legittime  su$.  Commater  infantis  est  Margreta  senior 
filia  Iohannis  engelenders,  vulgo  dictus  guldenleb.]  Elßgen,  secunda 
eorum  filia,  nata  est  in  anno  1499  12  junij,  vide  in  charta  140. 
[fol.  140:  Anno  1499  in  mense  iunij  et,  si  iuste  memini, 
vi  eiusdem  mensis  genuit  Grettgyn(?),  vxor  Symonis  vfistenner's, 
Elfgin  et  hec  secundagenita  illorum.]  Enchin  tertia  eorum  filia  nata 
est  anno  1501  de  mense  februarij,  de  quo  infra  charta  166.  [fol.  166: 
Anno  1501  deeima  die  februarij  baptizata  est  Enchin  uffstennern, 
filia  Symonis  et  Gretgyn  (?).  Comater  infantis  est  Enchin,  virgo 
et  filia  Johannis  vom  ryn  senioris,  et  est  hec  in  ordine  geniture 
tertia.] 

[Simon  Uffstemer  §.  183.  Die  Mutter  Simon  Uffsteiner's  §.319  hiess 
Guda  (unbekannt  aus  welcher  Familie)  und  sein  Vater  Jacob  (Fi- 
chard)  Seine  Gemahlin  Katharina  Stralenbcrg  wird  in  den  obigen 
üeburtanotizen  überall  irrthttmlich  Gretgen  genannt.  —  Siehe 
Stralenberg.] 


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Ugelnheimer. 

§.  326.    [fol.  156)  Anno  domini  1500  tricesima  auguati  sepulta 

est  Agnneß  blumin,  relicta  vgelnheymers ,  et  per  sacerdotes 

et  scolares  ecclesie  nostre  fonus  comitatum,  vt  supra  de  alijs  etc. 
[cf.  §.  286.  306.] 

[Philippus  Ugelnheimer.  §.  49.  80.  192.  198.  201.  215. 
Johannes  Cgeluheimer,  Canonicum  zu  St  Bartholomaei,  §.  62. 
63.  294. 

Katharina  Ugelnh eimerin,  Loy  Jostenhöfe r's  Ehefrau,  §.  286. 

Thomas  Ugelnheimer  und  Margreta  G russern,  seine  Hausfrau: 
ihre  Tochter  Margreta  Ugelnheimerin,  Johann 's  von  Mo  In- 
heim  Hausfrau,  §.  296. 

Peter  Ugelnheimer, 
heir.  1439  Agnes  Blume  (§.  326), 
f  1463. 

 I  

I  )  I  I  I 

Peter        Philipp  Johannes         Katharina  Thomas 

Uffeln-  Ugelnheimer.  Ugelnheimer,  Ugelnheimer,  Ugelnheimer, 

heimer,  Canonicum  heir.  1475         heir.  1474 

Handels-  St  Barthol.  Loy  Josten-  Greda  Grusser, 

mann  zu  hofer.  gen.  Schöffer. 


Margaretha, 
heir.  1496 
Johann  v.  Meiern.] 

Voelcker. 

(Christian  Voelcker  §.  98.  178.  183.  185.  254. 

Rylgin,  Christian  Voelcker's  Tochter,  Johann  Fröschen  zum 

Affen  Hausfrau,  §.  254. 
Anna  Voelckerin,  heir.  Adolf  Knoblauch  und  in  zweiter  Ehe 

Georg  Flach,  §.  291  und  Georg  Flach] 


Weiss  von  Limpurg,  Rullmännischer  Zweig. 

Jacobus  Weiss. 

§.  327.    [fol  32]  Anno  1495  in  die  beati  Jacobi  apostoli,  que  est 

25.  dies  julij,  natus  est  ex  Jacobo  wiß  etFronica  demonchen, 

eins  vxore,  Georgius  wiß,  eorum  primogenitus,  et  leuauit  de  fönte 


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-    199  - 

sacro  eum  Georgius  neuhuß.  Mortuus  est.  Etsi  deletum,  non  tarnen 
eo  minus  verum,  [fol  64]  Anno  1496  die  sedecima  septembris  natus 
est  Jobann  wiß  exJacobo  wyß  et  Fronica  ....  de  monchen,  vxore 
eins.  [fol.  109]  Anno  1498  vicesima  secunda  januarij  natus  est  Geor- 
gia, filius  Jacobi  wiß  et  Feronice,  eius  legitime,  23.  eiusdem  baptiza- 
tus,  compater  Georgius  schwarezenberg,  cantor  et  canonicus  coile- 
giate  ecelesie  diui  Bartholomei  franckfurdie.  |foL  133]  Anno  1499 
27.  februarij  baptizatus  Heinricus  infana,  filius  Jacobi  weiß  et  Feronice 
eius  vxoris.  Suscepit  infantem  de  fönte  baptismatis  Heinricus  de  ar- 
tenberg,  scriba  ciuitatis.  [fol.  166]  Anno  domini  1501  in  vigilia  Ma- 
thie ,  que  erat  dies  martis  ante  dominicam  inuocauit  et  vicesima  ter- 
tia  februarij,  baptizata  est  Fronica,  tilia  Jacobi  wiß,  que  precedente 
nocte  nata,  et  Fronice,  eius  legittime. 

Jacob  Weiss,  §.  185.  192.  197. 
Fronica,  seine  Hausfrau,  §.  116.  185. 
[Wer  die  Fronica  ....  von  München  gewesen  sei,  ist  nicht 

mit  Bestimmtheit  auszumitteln.  Fichard  vermuthet:  Veronica 

Buchmüller.] 

Heinrich  Weiss. 

§.  328.  [fol.  70]  Anno  1496  deeima  nona,  vt  arbitror,  mensis 
decembris  Heynricus  wiß  (filius  quondam  Hans  wyssen  et  Anne 
schwarczbergeryn)  contraxit  sponsalia  cum  Margreta  reyssen, 
filia  quondam  Peter  reyssen  et  Agnetis  de  alezen,  que  hodie  vivit 
habetque  secundum  maritum  nomine  Bechtoldus  de  babenheym 
nobilista.  Acta  hec  sunt  sponsalia  in  Algessheym.  Deinde  anno  1497 
sedecima  ianuarij  et  solemnizatio  matrimonij  in  fatie  ecelesie  et  nup- 
tiarum  pompe  habite  sunt. 

[fol.  123]  Anno  1498  de  mense  septembri  die  natus 

est  Fridericus,  filius  Heinrici  weißen  et  Margrets,  vxoris  sue.  De 
fönte  baptismatis  suscepit  eum  Fridericus  de  altzey,  licentiatus.  [fol. 
150]  Anno  1500  deeima  quarta  februarij  genita  est  Grettgyn,  filia 
Heinrici  weiß  et  Margrete,  eius  legittime,  baptizata  die  sequenti; 
comater  est  Grettgyn  zum  jungen,  mater  Conradi  et  Ortgyn's  zum 
jungen  [cf.  zu  §.  287]. 

[Heinrich  Weiss,  Jacobs  Bruder,  §.  183.  184.  192.  198.J 

Elisäus  Weiss  (§.  185),  der  vorigen  Oheim. 

§.  329.  [fol.  100].  Anno  1497  die  22.  septembris  obiit  Eliüäus 
wiß.    Reliquit  Barbaram ,  eius  vxorem,  ac  filios  tres,  Gonradum, 


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Johannem  et  Elisaeum.  Anno  1497  die  28.  septembris  obiit  Conradus 
wiß,  prefatorum  proxime  supra  filius. 

[Barbara,  des  Elisaeus'  Hausfrau,  §.  185.J 

Rullmännischer  Zweig  der  Weiss  von  Limpurg. 

Henne  (§.  328). 
Anna  von  Schwarzenberg. 


Sein  Bruder  Elisaeus. 
Barbara. 

I 


Heinrich 

zur 
Landskron. 
Margaretha 
Riess. 


Johannes, 
(kennt 
Fichard 
nicht). 


Elisaeus. 


Jacob  Heinrich  Conrad. 

zum 
Gishubel. 
Veronika 
[Buchmüller?J 
von  München. 

Eine  andere  Linie  dieses  Zweiges  bildet:  Lötz  Weiss  zu  From- 
melin,  vermählt  1437  mit  Elsa  von  Werstadt  (Bernh.  Familienchronik 
§.  74).  Ihre  Tochter  war  Katbarina,  in  erster  Ehe  vermählt  1459 
mit  Heinrich  Weiss  zu  Wissen,  in  zweiter  Ehe  1481  mit  Doctor 
Joh.  von  Glauburg.  Sie  stirbt  1491  kinderlos.  Ihr  erster  Mann,  Hein- 
rich Weiss  zum  Wissen,  gehörte  zum  Werneuchen  Zweig  der  Weiss 
von  Limpurg.  Vrgl.  §.  256. 

Bernhard  Weiss. 

Erste  Ehe  mit  Margaretha  von  Artenberg. 

§.  330.  [fol.  34]  Anno  1495  die  18.  augusti  Bernhardus  wiß, 
frater  Hert  wissen,  contraxit  sponsalia  cum  Margreta,  filia  Heynerici 

de  artenberg,  scriptoris  ciuitatis  et  Et  per  famulum 

inuitarunt  hostiatim  adolescentes  ad  cenam,  quod  alias 
non  est  solitum,  sed  solitum  est,  cum  sponsuB  accedit 
stubam,  hoB,  quos  tunc  vidit  ibidem,  ipse  in  persona 
inuitat,  sie  fecit  Karolus  affinis  meus.  Et  trepudiarunt 
super  pretorium,  vulgariter  vff  dem  romer.  Die  sequenti,  videlicet  die 
19,  sponsus  inuitauit  iuuenes,  qui  erant  in  stuba,  ad  cenam  et  similiter 
virgines  itterum  ad  cenam  vocate  sunt,  et  trepudiarunt  ac  in  gaudio 
diem  istum  peregerunt.  Et  matrimonium  depost  die  octaua  octobris 
in  facie  ecclesie  solemnizatum  est  et  demum  nuptiarum  solemnitas 
secuta  die  12.  octobris.  Acte  vff  dem  romer  anno  supra  dicto  1495 
vnd  hatt  keyn  vndern  frawen  geladen.  Heynricus  wiß,  primogenihis 
eorum,  natus  est  24  julij  anno  1496,  inortuus  est  [cf.  fol  58:  Anno 
1496  die  24  julij  natus  est  Heynricus  wiß,  primogenitus  Bernhardi 
wiß  et  Margret?  artenberg.  Mortuus  est,  deinde  tradidit  spiritum  ipsa 


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Margret»,  maCer  iam  dicti  infantis,  die  28.  augusti,  anno  vt  supra. 
Hoc  verum  est,  quanquam  dcletura  est)  [foL  62:]  Anno  1496  vicesima 
octaua  augusti  Margreta,  vxor  Bernhardi  wiß  et  filia  Heynriei  de 
Ortenberg,  scriptoris  ciuitatis,  exsoluit  debitum  naturae. 

m 

Zweite  Ehe  mit  Anna  Demcr. 

[Fichard   giebt    irrthümlich   Anna  Tiermeyer  an,  vergl. 
Demer.j 

§.  331.  [fol.  75]  Anno  1497  decima  ianuarij  publicata  sunt  spon- 
salia  Bernhardi  wiß  vidui  et  Anne,  Virginia  et  filie  Henn  demerB, 
alias  dicti  Stockems  henn,  et  Barbarc  lcningen.  Omnia  enim  acta 
sunt,  vti  solent  fieri,  cum  sponsalia  contrahuntur;  eo  enim  die  conuo- 
cati  cognati  simulque  cenarunt  et  trepudiarunt.  Sponsio  autem  matri- 
monij  est  antea  in  aduentu  celebrata.  Eodem  anno  quinta  iunij  nup- 
tie  habite  sunt;  apposita  sponsa  sponso  in  thorum.  [fol.  92J  Anno 
1497  quinta  junij  nuptias  celebrauit  Bernhardus  wiß  et  Anna,  filia 
Henn  demers,  alias  vulgo  dictus  Stockemshen,  vide  supra  fol.  75. 
Eodem  die  nuptias  celebrauit  filius  ym  eychner  hoff  cum  qua- 
dam  de  spira  virgine.  Anna,  primogcnita  Bernhardi  wiß  etc.,  nata  est, 
vide  in  charta  110.  [fol.  110:  Anno  1498  quarta  martij  nata  Anna, 
primogenita  Bernhardi  wiß  ex  matrimonio  eo  vidclicet,  quod  habet 
cum  Anna,  filia  Henn  demers,  vulgo  Stockems  henn,  vti  clarius  patet 
supra  charta  34.  75.  92.  [§.  330.  331].  Comater  infantis  Anna,  vxor 
Georgii  flachen,  offitialis  zum  goltsteyn.  Actum,  me  existente  wurma- 

tic.]  fol.  135.  Anno  1499  in  mense  martij,  die  videlicet  nata 

est  filia  Bernhardi  weiß  et  AnnQ,  illius  vxoris. 

§.  332.  [fol.  141]  Anno,  quo  supra,  [1499]  die  tredeeima  julij 
sepulta  fuit  Anna  stockheymmyn,  secunda  vxor  Bernhardi  weiß.  Reli- 
quit  filiam  infantulam. 

Dritte  Ehe  mit  Katharina  Hurabrecht 

§.  333.  [fol.  165]  Anno  domini  1501  Bernhardus  weiß  tertio 
contraxit  matrimonium  cum  virgine  Katherina  [in  marg.  KryngynJ, 
filia  Claß  humbrechts  ot  Grettgyn  foeden,  die  iouis  et  28  ianuarij 
anno,  vt  supra.  De  eodem  vide  supra  charta  34  et  75.  Condor- 
miuerunt  vero  decima  octaua  februarij  anno,  quo  supra. 


Zweig  der  Weiss  von  Limpurg  zum  Bebstock. 

Reinhard  Weiss.     Sein  Bruder  Heinrich  zum  Kranch . 


Agnes.  Hert.  Margaretha.  Bernhard.  Agnes  Elisabeth. 
Job.  Thomas      1)  Margareta       Weiss.      Carl  von 

Schmidt.  SosBen-  von  Jacob  Hynsberg. 

beimer.  Artenberg.  Geuch. 

2)  Anna  Denier. 

3)  Katherina 
Humbracht. 

Von  diesen  werden  erwähnt: 

Agnes,  Joh.  Schmidten  Ehefrau,  §.  312.  314.  321. 
Hert  §.  321.  330. 
Margaretha  §.  321. 

Bernhard  §.  80.  183.  185.  192.  219.  321.  Anna,  seine  Braut, 

§.  185.   Seine  drei  Ehefrauen  §.  330-  333. 
Agnes  Weissin,  Jacob  Geuch's  Ehefrau,  §.  255.J 

- 

Philipp  Weiss. 

§.  334.  [fol.  16]  Anno  1495  die  26  februarij  natus  est  Conradus 
wiß  ex  Philippo  wiß  et  Elgin  vxore.  Et  eum  de  sacro  fönte  leuauit 
Conradus  wiß,  frater  Philippi.  Mortuus  est.  [fol.  61]  Anno  1496  de- 
eima  sexta  augusti  baptizata  est  Fronica,  filia  Philippi  wiß  et  Fronice 
[1.  Elgin],  8uc  legittime.  [fol.  100]  Anno  1497  vicesima  quarta  septem- 
bris  vxor  Philippi  wiß  peperit  tili  um  nomine  Erbau,  quem  de  bap- 
tismo  suseepit  Erban  tageil,  officialis  in  Irrlenbach  25.  eiusdem. 
Ludwicus  eorum  filius  natus  4l*  nouembris  anno  98  in  128  [foL  128: 
Anno  1498  quarta  nouembris  et  dominica  die  natus  ex  Philippo  weiß 

et  eius  uxore  Ludwicus,  quem  suseepit  de  baptismate  doctor 

Ludwicus  de  paradiso,  scultetus  hie]  [fol.  150]  Katherina,  filia  Phi- 
lippi weiß,  nata  est,  vt  arbitror,  de  mense  martij,  videlicet  die  

anno  1500. 

Philipp  Weiss  §.  177.  183.  185. 
Katharina  seine  Hausfrau  §.  185.] 

Philipp  Weiss  (nach  Fichard:  mit  dem  einen  Auge)  gehört 
einer  anderen  Linie  des  Rebstock'schen  Zweiges  der  Weiss  von  Lim- 
purg an.  Er  war  ein  Sohn  Conrad'»  zu  Löwenstein  und  seiner 
Gemahlin  Agnes  von  Hengsberg.  (Agnes  Weissin  zu  Loewenstein 
Wittwe  §.  185.)  Der  Name  seiner  Gattin  ist  nicht  zu  ermitteln.  Job 
nennt  sie  oben  bald  Elgin,  bald  Fronica,  bald  Katharina,  bald  Iässt  er 


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ihren  Namen  aus.  Ihren  Zunamen  kennt  er  nicht  Fichard  will  wissen,  er 
sei  in  erster  Ehe  mit  Veronika  (unbekannten  Geschlechtes),  seit  1510  mit 
Elisabeth  Schwarzenberger  verheirathet  gewesen.  Doch  ist  er  selbst 
geneigt,  eine  Verwechslung  mit  Veronika  aus  München,  der  Frau 
Jacob'»,  anzunehmen,  und  bemerkt,  dass  die  Genealogien  zu  Anfang 
des  XVI.  Jahrhunderts  oft  verworren  und  dunkel  seien.  Am  leichte- 
sten konnten  Verwirrungen  bei  einer  so  vielvcrzweigten  Familie, 
wie  den  Weiss  von  Limpurg  eintreten.  14J 


14  Der  Herausgeber  bemerkt  hui  Schlüsse,  dass  der  im  Manuscripte  schwan- 
kende Gebrauch  der  grossen  Buchstaben  bei  Vor  und  Gcschlechtanaraen  nur 
bis  zu  §.  30  des  Textes  beibehalten,  von  da  aber  noch  während  der  Revision 
des  Druckes  nach  einer  Testen  auf  die  Schreibart  jener  Zeit  gegründeten  Regel 
geordnet  worden  ist. 


Berichtigungen. 

S.   61.  Z.  13  von  oben  ist  statt  1479  zu  leson  1478.  Vergl.  §.  274. 

S.  124.  Z.  7  von  oben:  „Kryngin  horingen,  syn  busfrawe,  Karies  anfrawe." 
Die  ersten  Worte  bilden  im  Manuscripte  bis  husfrawe  eiue  Zeile;  Karies  an 
frawe  steht  am  Schlüsse  der  folgenden  Zeile  und  ist  irrthümlich  als  Appo- 
sition zu  dem  Vorigen  gezogen  worden :  Job  bat  nämlich  wie  öfter  den  Raum 
zur  Ausfüllung  des  Namens  frei  gelassen,  der  ihm  beim  Schreiben  nicht  gegen- 
wärtig war.  Karl  Hjnsperg's  Ahnfrau  hiess  nach  §•  270  Aunu  und  war  die 
Wittwe  Wigand  Beringen's ;  sie  starb  am  28.  October  1497 ;  ihre  Töchter  waren 
Guttgin  Beringen,  vermählt  an  Karl  Bynsberg  den  Vater,  unseres  Karl  Byns- 
berg's  Mutter  (f  1500,  16.  Dec.  §.  86),  und  die  obenerwähnte  Kringin  Beringen, 
vermählt  mit  Ort  zum  Jungen,  den  Aelteren,  die  mithin  Karls  Tante  war 
(t  31.  Juli  1499,  §.  287.)- 


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s 


f 

hlechtes. 


1.  Jost. 

geb.  8.  Aug.  1404. 
t  nach  drei  Wochen 

(B.  §.  57). 


2.* 

M.62). 
geb.  V.  §•  62). 
Rathsc 
Schöff« 
f  22.  • 

a)  19. 
Hei 

(B. 

b)  7.  1 
Joh 


7.  Adolf. 

geb.  16.  Juli  1413. 
t  nach  7  Wochen  (B.§. 


8.  Gele. 

geb.  20.  Oct.  1414. 

t  unverändert  (B.  §.  64). 


Jungen  Frosch,  oder  Eisgin. 

geb.  6.  April  1432  (B.  §.  76).    J  (B.  §.  80). 
F^thsmann  23.  April  1467,  sagt  §.  81). 

fiithssitz  auf  1.  Mai  1475  (B.  §.;is8  zum  Wedel. 
1 13.  Mai  1481  (B.  §.  93).  1461  (B.  §.  80). 

15.  Jan.  1459  Katherine,  Joh.  LeyJonradGarä(B.§.81). 

mann's  Tochter,    Jacob  Geu 

Wittwe  (B.  86). 

t  6.  October  1500  (J.  §.  88).  


6.  Bernhard,  der  Alt«,  inn 
Hör. 

geb.  11.  Februar  1446  (B.  §.  82). 
Rathsmann  23.  Jan.  1476  (B.  §.  113). 
f  6.  Dec.  1482  (B.  §.  124). 
19.  Sept.  1466  Elgin,  Conrads  von 
Holzhausen  Tochter, 
t  19.  Dec.  1501  (J.  §.  70). 


1.  Aim.  2.  Job  I. 

reb.ll.0ct  1459.  geb.  12.  April 


t  31.  Mira  1461 

(B.  §.  88). 


1461. 
f  8  Juni  1461 
(B.  §.  89). 


-una  IL 

.2.  Aug 
474 

§.  99). 


7.  Afra. 

geb.  19.  Dec. 
1476. 
(B.  §.  100). 


len  den  Schleier  zu  den 
senfrauen  6.  Aug.  1494 
(J.  §.  72). 
Aug.  1494  (J.  73). 


9.  Conrad  zum  Wix- 
Hof. 


8.  Martha. 

geb.  30.  Juli 
1478  (B.§.  101).    geb.  6.  April  1481 
t  1514.  (B.  §.  102). 

1.  Juli  1495     Aufenthalt  in  Augs- 
Carl  Hynsberg    bürg  u.  Venedig  1493 
(J.  §.  81).       bis  1498,  in  Nieder- 
deutschland  seit  1498, 
1501  in  Antwerpen 
(J.  §.  10  u.  §.  87). 
f  1610  unverheiratet 


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Die  Strassen  der  Prankenfurt. 

Von  Dr.  Friedrich  SchariT 
(Mit  einer  Karte.) 


Unter  demselben  Blau,  Ober  dem  nämlichen  Orfin 

Wandeln  die  nahen  und  wandeln  vereint  die  fernen  Geschlechter. 

Schiller. 

Vor  wenigen  Jahren  noch  begann  man  die  Geschichte  unseres 
Landes  mit  den  Nachrichten,  welche  die  Römer  über  dasselbe  unB 
hinterlassen.  Was  über  diese  Mittheilungen  hinausreichte  lag  in 
dunkler  Nacht  Erst  die  Neuzeit  hat  Mittel  und  Wege  aufgesucht 
diese  Dunkelheit  mehr  und  mehr  aufzuhellen.  Die  Beschaffenheit 
der  Bodenverhältnisse  musste  ebensowol  dazu  dienen,  wie  die  Er- 
zeugnisse des  menschlichen  Fleisses,  welche  von  dem  aufmerksamen 
Beobachter  an's  Tageslicht  gezogen  wurden.  Bis  auf  den  Grund  der 
Sumpfe  und  der  Seen  erstreckte  sich  die  emsige  Forschung,  und  so 
ist  allmälig  dem  überraschten  Blick  eine  neue  Welt  entstanden,  ein 
Volk,  das  sein  Dasein  fristet,  und  mit  Annehmlichkeiten  zu  umgeben 
sucht,  ohne  die  Bearbeitung  der  Metalle  zu  kennen.  Aus  der  Zu- 
sammenstellung solcher  Gegenstände  mit  den  Bodenverhältnissen, 
unter  welchen  sie  begraben  waren,  hat  man  die  Gewissheit  erlangt, 
dass  die  Anwesenheit  der  Körner  in  Deutachland  als  eine  spätere  und 
jUngere  Zeit  zu  betrachten  ist,  dass  vor  derselben  eine,  wenn  auch 
bescheidene  Cultur  vorhanden  gewesen.  Von  den  Römern  mag  die- 
selbe verachtet  und  ausser  Berücksichtigung  geblieben  sein;  für  uns 
aber  ist  sie  von  hohem  Interesse. 

Wenn  wir  die  Bodenverhältnisse  unserer  Gegend  beachten,  sc» 
kann  darüber  gar  kein  Zweifel  bleiben,  dass  der  Main  in  vorgeschicht- 
licher Zeit  weit  höher  geflossen,  wie  jetzt  Wir  finden  seine  Ge- 
schiebe, den  schwarzen  Kieselschiefcr  des  Fichtelgebirgs,  den  rothen 
Sandstein  von  Miltenberg,  den  Gneis  von  Aschaffenburg  weit  oben 
um  den  Sachsenhäuserberg  her,  auf  dem  Kesselbruch   bis  nach 


—    206  - 


Isenburg  hin.  Unterhalb  des  Sachsenhäuserbergs,  westlich ,  hatten 
die  Gerölle  sich  hoch  aufgelagert,  sie  bilden  noch  jetzt  vom  Forst- 
hause  über  die  Helle  im  Schwanheimerwaldc  bis  nach  der  Schweden- 
schanze hin,  und  weiter,  einen  steilen  Wall,  welcher  nach  dem  Main- 
thale  abfällt.  Von  den  Quellen  und  Bächen,  z.B.  der  Königsbach,  ist 
er  allmälig  ausgespült,  der  Sand  hinabgeführt  worden.1  Auch  auf 
der  rechten  Mainseite  finden  wir  den  unterhalb  der  Bergerhöhe  und 
dem  Bornheimer  Galgenberge  abgelagerten  Mainsand  über  den  gau- 
zen  Röderberg  hin,  zum  Theil  in  tiefen  Gruben.  Auch  hier  ist  er 
von  Quellen  und  Gewässern  an  verschiedenen  Stellen  hinabgetrageu 
worden  nach  der  jetzigen  Mainebene,  hauptsächlich  dies  von  den 
Bornheimerquellen ,  zwischen  dem  Buchwald  und  dem  Altenberge 
hinab  nach  dem  Bruch. 

Es  mag  eine  lange,  lange  Zeit  dahingegangen  sein,  bis  der  Main 
in  der  Höhe  floss,  in  welcher  jetzt  die  Seehofquellen  liegen.  Bei  der 
Fassung  dieser  Quellen  fand  man  Spuren  des  thierischen  Lebens 
aus  jener  Zeit.  In  der  Schlucht,  welche  durch  diese  Quellen  aus- 
geschwemmt worden,  hatten  die  Gewässer  sog.  vorweltliche  Thiere 
gelandet,  im  Sande  und  Schlamm  begraben. 

In  noch  jüngeren  Zeiten  durchzog  der  Main,  tiefer  im  Thal,  ein 
sumpfreiches  Land;  sein  Lauf  war  ein  wechselnder,  ein  mannichfach 
verzweigter.  Südwärts  bog  bei  Mühlheim  ein  Arm  ab,  zog  in  der 
Richtung  der  Klingewiese  nach  der  Kuhmühle  bei  Bürgel,  wo  er  sich 
mit  dem  Hauptstrom  wieder  vereinigte.  Auf  der  damaligen  Insel 
findet  sich  noch  jetzt  der  Entensee  und  der  Altmainweg,  welche 
Mainarme  andeuten.  Hochwasser  haben  diese  Gegend  öfter  schon 
an  die  alten  Bodenverhältnisse  erinnert.  Aehnlich  so  war  da«  Thal 
bei  Sachsenhausen  beschaffen;  auch  hier  tritt  der  Main  bei  16  oder 
18  Fuss  Höhe  in  die  alten  versumpften  Mainesarrae;  dies  war  zuletzt 
der  Fall  am  7.  Februar  1862.  Ein  breiter  Strom  zog  von  der  Ger- 
bermühle, ein  anderer  zweigte  etwas  weiter  oben  von  dem  Haupt 
Auas  ab;  hie  und  da  mit  einander  verbunden,  flössen  sie  nahe  an 
Oberrad  vorüber  und  vereinigten  sich  am  Fusse  des  Mühlbergs.  Die 
ganze  Mainebene  vom  Mühlberg  bis  hinüber  zum  Bornheimer*  und 
Röderberg  war,  fast  ohne  Unterbrechung,  überfluthet.  Das  Wasser 
bespülte  die  Oberräder  Chaussee,  überzog  die  Wiesen  und  Gärten. 
Nur  die  alte  Strasse,  welche  von  Sachsenhausen  nach  dem  Hainer- 


'  Vergl.  die  Mittheilong  über  die  Gerölle  des  untern  Mainlaufs  im  Nottz- 
blstt  des  Mittelrheinischen  Oeol.  Verein»  1862.   Nr  2. 


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-    207  - 


weg  führte,  ebenso  die  neuere  erhöhte  Chausee  lagen  trocken,  weiter 
unten ,  beim  Apothekerhof,  traf  man  wieder  auf  Waager  im  alten 
Mainarm.  Dieses  alte  Mainbett  fuhrt  über  die  Wiesen  beim  Riedhof 
nach  dem  hohen  Steg,  und  ist  wieder  bemerklich  vom  Sandhof  nach 
Niederrad,  bis  zum  Rothenhamm  hin.  Am  unter  enMaine  zeigen  sich 
noch  andere  alte,  jetzt  versandete  Flussarme  bei  Schwanheim  und 
bei  Rüssclsheim.  Schwerlich  war  es  der  ganze  Main,  welcher  vor 
Zeiten  dort  südlich  abbog,  es  war  nur  ein  Arm. 

Auch  auf  der  rechten  Mainseite  flössen  nicht  wenige  Mainarme 
von  dem  Hauptstrome  ab.  Von  der  Braubach  her  zog  ein  solcher 
der  Bergerhöh  entlang  bei  Bischofsheim  und  Seckbach  vorUber, 
bedeckte  die  Wiesen  zwischen  dem  Röderberg  und  Riederspiss 2  und 
verband  sich  mit  dem  Hauptstrom  über  die  Hanauerchaussee  hin. 
Diese  bezeichnet  noch  jetzt  die  höchsten  Punkte,  welche  als  Inseln 
aus  den  Hochgewässern  heraustreten.  Bei  dem  Brückchen  in  der 
Nähe  des  Hanauer  Bahnhofs  hatte  dieser  Mainarm  bei  dem  Wasser- 
stand im  Februar  1862  noch  60  bis  80  Fuss  Breite.  Er  vereinigte 
sich  weiterhin  mit  dem  Hauptstrom,  Uberfluthete  so  das  Fischerfeld, 
zweigte  wieder  ab  nach  dem  Rechneigraben  und  war  im  Innern  der 
Stadt  in  der  Richtung  des  alten  Mainarmes,  oder  der  grossen  An- 
tauche, bis  zum  Hirschgraben  hin  zu  verfolgen.  Zum  letztenmale 
wahrscheinlich  hat  im  Jahre  1784  dieser  grosse  Mainarm  wirklich 
geströmt  Damals  brach  er  durch  die  Braubach  über  die  Niederung 
herein,  kam  plötzlich  nach  BischofBheim  hergeschossen.  Auch  diese 
Maininsel  war  nochmals  von  einem  zweiten  Mainarm  durchzogen, 
welcher  oberhalb  Fechenheim  nach  den  Riederhöfen  floss.  Unterhalb 
Frankfurt  ist  auf  der  rechten  Mainseite  noch  eine  ganzo  Zahl  von 
Flussarmen  zu  bezeichnen,  die  über  die  Wiesen  der  Kettenhöfe, 
durch  das  Hellerhöferfeld  und  Gutleuthöfer  Geländ  zogen.  Sie  bildeten 
Sümpfe  zwischen  dem  Maine  und  der  Nidda.  Der  Wald  reichte  bis  zur 
feuchten  Niederung  herab;  mochten  die  Gewässer  in  der  wärmeren 
Jahreszeit  mehr  abgelaufen  sein,  so  boten  die  Sümpfe  und  Torf- 
moore weder  einen  Platz  zu  Wohnungen,  noch  festen  Grund  zu 
Strassen.  Es  war  am  ganzen  Untermain  kaum  eine  Stelle  zu  finden, 
wo  zu  allen  Zeiten  ein  Uebergang  über  den  Main  zu  bewerkstelligen 
gewesen.  Entweder  auf  dem  einen  Ufer,  oder  auf  dem  andern,  oder 
auf  beiden  war  morastige  Niederung. 

Auch  der  stolze  Rhein  war  damals  noch  unzugänglich.  Wie  vie- 
ler Jahrtausende  bedurfte  es,  bis  er  Sand  und  Schlamm  genug  herab- 


»  Der  „Riederspiss"  ragte  als  „Spitze"  ans  den  Gewässero. 


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geführt  und  sich  ein  angemessene«  Bett  geschaffen.  Blicken  wir  heut 
zu  Tage  von  der  Höhe  bei  Altstätten  hinab,  so  sehen  wir  die  vielen 
Ortschaften  des  oberen  Rheinthals  an  den  Fuss  der  Berge  ange- 
schmiegt, während  das  weite,  grüne,  vielfach  noch  versumpfte  Flach- 
land kaum  ein  Häuschen  aufzuweisen  hat  Das  Rheinthal  zwischen 
Odenwald  und  der  Haardt  ist  zwar  viel  mehr  schon  angebaut,  aber 
auch  da  bemerken  wir  in  der  Ebene  zahlreiche  Wiesengründe  lang- 
gestreckt, in  Schlangenwindungen  das  Rheinthal  durchziehen;  sie 
verzweigen  sich,  verschwinden  und  kehren  wieder.  Man  hatwol  die- 
ses tiefer  gelegene  Land  als  das  ehemalige  Bett  des  Neckars  gedeu- 
tet, so  wird  z.  B.  eine  Gegend  bei  Crumstadt  noch  bezeichnet ;  mög- 
lich aber  bleibt  es  doch,  dass  der  Rhein  selbst  hier  in  vielfacher 
Verzweigung  sein  Wasser  dahingewälzt,  dass  es  langer  Zeiten  be- 
durfte bis  die  Rheinarme  aus  Fluss  und  Sumpf  zu  Wiesen,  all  mal  ig 
selbst  zuAeckern  umgewandelt  worden  sind3.  Als  der Taunusabhaiig 
bereits  einer  gewissen  Cultur  sich  erfreute,  herrschte  südlich  der 
Nidda  bis  zum  Odenwald  und  der  Haardt  hinüber  noch  die  Wildnis 
und  das  Wild.  Noch  heut  zu  Tag  staut  der  Rhein  bei  Hochfluthen  von 
5  bis  6  Meter  den  über  Trebur  und  Wallerstädten  eingedeichten 
Schwarzbach  an,  und  überschwemmt  die  breite,  zwischen  den  Deichen 
liegende  Niederung  von  Ginsheim  bis  Gross-Gerau4. 

Es  mag  nicht  ganz  unwichtig  sein,  der  alten  Gränzen  der  Drei- 
Eich  hier  zu  gedenken  Diese  umfasste  das  ganze  Sumpf  land  zwischen 
Rhein,  Main  und  Nidda.  Der  Main  zog  auf  der  Strecke  von  Nidda 
bis  zur  Braubach  bei  Hochstadt,  inmitten  des  Wildbanns  der  Drei- 
Eich.  Von  Vilbel,  auf  der  Nidda-Brücke,  ging  die  Gränze  über  die 
Höhe  nach  der  Braubach  bei  Hochstadt  B,  dem  Maine  hinauf  bis 
Ostheim,  am  Odenwalde  westwärts  über  den  Otzberg6,  der  Modau 


3  Vergl.  Kriegk,  Beschr.  der  Umgegend  v.  Frankf.  im  Archiv  f.  Frankf. 
Gesch.  u.  K.  1  Heft  S.  24.  25. 

♦  Vergl.  R.  Ludwig  in  dem  Beiworte  zur  geologischen  Specialkarte  des 
Grossh.  Hessen,  Section  Darmstadt 

»  Es  war  dies  eine  willkQhrliche  Abgränznng,  keine  natürliche.  Der  alte 
Weg  zieht  jetzt  nicht  mehr  durch  „Hochholz".  Getraide  bedeckt  die  ganze 
Breite  der  Höhe,  zum  Theil  auch,  südlich  der  „hohen  Strasse",  die  Mulde  des 
früher  tief  ausgefahrenen  Weges  selbst  Weiter  östlich  zieht  eine  „Landwehr1* 
io  der  Richtung  nach  Niederdorfelden  und  auch  ein  „Eselsweg".  Es  scheint 
diese  Abgrenzung  älter  zu  sein,  als  der  auf  dem  linken  Niddaufer  liegende 
Theil  von  Vilbel ;  sie  schneidet  diese  Ansiedelung  mitten  durch. 

«  „Mitten  über  den  Thurm  zu  Odiaberg"  heisst  es  in  einer  alten  Abschrift 
dos  Drey-Eicher  Weisthums.  (Mglb.  A.  Nr.  48.  V.  modo  C.  C.) 


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herab  nach  Stockstadt  am  Rheine,  diesem  hinab  zur  Mainesrotindung. 
Das  Wichtigste  und  Wesentlichste  in  der  Drei -Eich  war  der  Wild- 
bann,  nicht  die  Bodencultur.  So  ist  es  erklärlich,  dass  der  grösste 
Theil  dieser  Strecke  in  historischen  Zeiten  dem  Könige  zugehörte, 
dass  Kirchen  und  Adel  darin  frühe  die  Herrschaft  und  reichen  Be- 
sitz errangen,  während  in  dem  Marken land  nördlich  der  Nidda  die 
Sitte  und  das  Recht  des  Urbewohners,  der  zuerst  den  Wald  umge- 
rodet und  das  Land  urbar  gemacht  hatte,  in  weit  höherem  Ansehen 
blieb,  und  nur  ganz  allmälig  und  langsam  durch  List  und  Gewalt 
unterdrückt  werden  konnte.  Um  den  Taunus  hielten  die  Dorfbewoh- 
ner Flur  und  Wald  als  ihr  Eigenthum,  sie  machten  dies  geltend 
noch  in  späteren  Zeiten. 

Pfahlbauten  sind  bis  jetzt  mehr  in  den  Sumpfen  und  Seen  des 
nördlichen  und  des  südlichen  Deutschlands  gefunden  worden ;  ich  habe 
solche  bis  jetzt  vergeblich  in  unserer  Gegend ,  bei  Biscbofeheim ,  bei 
Seckbach  gesucht.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die  grosse  Verschie- 
denheit des  Wasserstandes  in  Flüssen  sich  weniger  zu  derartigen 
Bauten  geeignet  hat. 

Man  hat  an  verschiedenen  Orten  des  Mainthals  in  alten  Grab- 
hügeln Menachenknochen  gefunden;  die  Kunstgegenstände,  welche 
ihnen  beigegeben  waren,  beweisen,  dass  sie  aus  verschiedenen,  meist 
verhältnissmässig  späteren  Zeiten  stammen.  Die  Hügel  am  Taunus, 
z.  B.  bei  Stedten,  waren  wol  früher  aufgeworfen  als  die  im  Frank 
ftirter  Stadtwalde.  Es  ist  natürlich  dass  sie  nur  im  Walde  sich  vor- 
finden, denn  einestheils  wurde  für  solche  Begräbnissstätten  nicht  das 
Tiefland,  die  Wiesen  ausgewählt,  sondern  der  hochgelegene  trocknere 
Boden  des  Waldes;  anderntheils  sind  sie  zerstört  worden,  überall 
wo  der  Pflug  hindrang,  so  an  den  Heidengräben  bei  Oberursel,  so 
auch  bei  der  Babenhäuserstrasse  als  vor  einigen  Jahren  der  Wald 
daselbst  gefällt  und  nach  neueren  Principien  angelegt  wurde.  Im 
Jahre  1036*  wurden  andere  altdeutsche  Grabhügel  im  Diatrict  Königs- 
haide geöffnet  Nach  dem  darüber  aufgenommenen  Protocoll  des 
Herrn  Dr.  Jung'  fand  mau  ein  Skelett  mit  dem  Gesicht  nach  unten 
gekehrt,  dabei  Holzkohlen  und  einen  kupferneu  Ring;  drei  bis  vier 
Schuh  tiefer  ein  zweites  Skelett  mit  dem  ersteren  kreuzweise  liegend, 
aber  auf  dem  Rücken. 

Es  ist  leider  nicht  mehr  möglich,  eine  Uebersicht  herzustellen 
über  die  in  unserer  Gegend  vorgefundenen  Grabstätten.  Die  meisten 


»  Frankf.  Jahrbücher  VII.  1836.  S.  263. 

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...    210  - 

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sind  geöffnet  worden  ohne  Plan  und  Sorgfalt;  die  Gegenstände 
welche  man  darin  fand,  sind  herausgenommen  und  zum  grösaten 
Theil  verschleudert;  der  Nachweis  woher  die  Reste  stammen,  ist 
meist  verloren  gegangen  und  nicht  mehr  zu  ersetzen  8. 

Wie  das  Wasser  in  den  Sümpfen  die  Ansiedlungen  der  Bleu 
scheu  verhinderte,  ebenso  gesucht  war  es  in  seinem  lebendigen  Lauf. 
Es  bot  Speise  in  den  Fischen,  Trank  in  den  klaren  Fluthen.  Die 
Bäche  welche  von  den  Bergen  herabeilten,  zogen  durch  Wälder, 
welche  das  Material  zu  den  Wohnungen  und  zu  Wärme  gaben,  und 
eine  reiche  Jagdbeute.  An  dem  Fusse  der  Berge  befeuchtete  es  die 
Wiesen,  fanden  sich  gar  noch  Salzquellen  und  heilende  Thermen  in 
der  Nähe,  wie  bei  Soden  oder  Wiesbaden,  so  war  dem  Menschen 
das  Nöthigste  geboten.  Nicht  die  Bergkuppen,  sondern  die  Quellen 
waren  frühe  benannt,  sie  luden  den  vorüberziehenden  Wanderer  zur 
Rast,  sie  erquickten  täglich  den  Hirten  mit  der  Heerde.  Nach  der 
Quelle  wurde  dann  erst  der  anliegende  Berg  im  Taunus  bezeichnet; 
an  dem  Hasselborn  liegt  der  Hasselberg,  mehr  nur  eine  Bergseite 
als  ein  wirklicher  Berg;  am  Sangeborn  erhebt  sich  ein  Hügel,  der 
Sangeberg,  und  am  Klingenborn,  an  der  Klingenruh  vorüber,  zog 
der  Weg  nach  der  Höhe  des  Klingenbergs.  Der  Name  Dalbesberg 
kommt  in  Urkunden  nicht  vor,  es  findet  sich  statt  dessen  stets  die 
Bezeichnung:  Masebörnerberg,  vom  Maassborn  oder  Mäusborn,  der 
gegen  Norden  hervorquillt9.  Weiter  abwärts,  wo  die  klaren  frischen 
Bäche  aus  dem  Gebirge  heraustreten,  siedelten  sich  die  ältesten  Be- 
wohner des  Landes  an. 


*  Es  fehlt  ans  ein  Museum,  in  welchem  die  Erinnerungen,  welche  aus  der 
Vorzeit  uns  erhalten  sind,  aufbewahrt  werden  könnten.  Sie  gehören  nicht  in 
den  Raritütcnkasten  einer  Bibliothek  oder  in  die  Gelasse  des  Römers;  sie  wer- 
den dort  nimmer  die  nöthige  Pflege  und  Bearbeitung  finden  können.  Wer 
unsere  Vorzeit  studiren  will,  muas  sich  nach  Mainz  oder  Wiesbaden  wenden. 
Ist  Frankfurt  zu  arm,  ein  Museum  seiner  merkwürdigen  Vorzeit  zu  gründen? 
In  Köln  hat  ein  patriotischer  Bürger  durch  würdige  Herrichtung  einer  solchen 
Stätte  sich  selbst  ein  ehrendes  Denkmal  gesetzt.  Man  tröstet  damit,  dass,  wenn 
einmal  die  eine  oder  andere  öffentliche  Anstalt  verlegt  würde,  sich  dort  wol 
einige  Säle  für  den  Zweck  finden  sollten.  Indessen  sind  neuerdings  wieder  bei 
Aufhebung  der  Zünfte  die  interessantesten  Gegenstände,  weil  ein  solches  Mu- 
seum fehlt,  verschleudert  worden.  (Vergl.  Dr.  Römer,  Beiträge  Nr.  40  auf  8.  56.» 

»  Leider  sind  jetzt  die  schönen  Quellen  des  Taunus  zum  grossen  Theil  ver- 
sumpft, wenn  sie  nicht,  wie  der  Buchborn,  der  Drcimühlenborn  und  der  Sange- 
born, an  einem  betretenen  Pfade  liegen.  Ks  entfernt  jetzt  Niemand  das  wuchernde 
Moos  und  das  fallende  Laub,  Niemand  sorgt  für  diese  vergessenen  Wohlthüter 
der  Gegend,  Ihre  Namen  verklingen,  wie  die  der  alten  Wege  und  Plätze. 


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—    211  - 


Die  Ortschaften  wurden  —  wie  in  dem  früheren  Aufsatz:  „Die 
hohe  Mark  im  Taunus",  bereits  angedeutet  Worden  —  meist  nach  der 
Bach  genannt,  wie  die  Berge  nach  der  Quelle.  Gerade  solche  Namen 
scheinen  die  ältesten  Ortsnamen  der  ganzen  Umgegend  zu  sein: 
Erlenbach,  Eschbach,  Schwalbach,  Sulzbach,  Kalbach  oder  Kalte- 
bach,  Seckbach.  Die  meisten  dieser  Ortschaften  boten  noch  vor 
wenigen  Jahren  das  ächte  Bild  einer  Taunusortschaft  dar:  die  Häu- 
ser der  Bach  entlang  mit  ihrem  Gehöfte,  von  Obstbäumen  beschattet; 
zu  beiden  Seiten  der  vielfach  überbrückten  Bach  ein  Fahrweg, 
an  welchem  Erlenbäume  und  Rüstern.  Häuser,  Bach  und  Bäume 
bildeten  zusammen  ein  Ganzes,  das  grüne  Laub  verband  das  Ganze 
zu  einem  freundlichen  Bilde. 

Ebenso  bedeutend,  vielfaeh  aber  erst  später  entstanden,  scheinen 
andere  Ortschaften  gewesen  zu  sein,  welche  als  Städte  bezeichnet 
sind,  wie  Stedten,  Heckstadt,  Ockstadt,  Stierstadt;  von  geringerer 
Bedeutung  und  späteren  Ursprungs  aber  die  Ortschaften,  deren 
Namen  mit  „hausen"  oder  „heim",  oder  mit  „hof"  zusammengesetzt 
sind.  Diese  mögen  in  der  Regel  nach  einem  Erbauer  oder  Inwohner 
genannt  worden  sein,  wie  Eschers-hcim,  Ecken-heim,  Heuchols-heim, 
Contzen-heim,  Willkomms-hausen.  Es  scheinen  diese  „städte"  keines- 
wegs bedeutender  gewesen  zu  sein,  wie  die  nach  den  Bächen  benannten 
Niederlassungen;  sie  sind  auch  in  der  äusseren  Erscheinung  nicht 
von  diesen  im  Wesentlichen  zu  unterscheiden,  so  z.  B.  Stierstadt  von 
Steinbach.  Stedten  (zu  den  statten,  oder  auf  den  statten)  hatte,  wie 
andere  Niederlassungen,  ein  Mittel-Stedten  und  Nieder-Stedten ;  es 
liegt  —  wie  die  anderen  Ortschaften  des  Taunus  —  der  Bach  ent- 
lang, unterhalb  des  höher  gestellten  Kirchleins.  Im  Laufe  der  Zeit 
haben  sich  die  bedeutenderen  Ansiedlungeu  weiter  ausgedehnt;  es 
wurden  die  Zweigdörfer  mit  der  Bezeichnung  ober-,  mittel-  und 
nieder-  näher  bestimmt.  Die  Absiedlungen  zogen  vom  Fuss  der  Höhe 
an  den  Bächen  abwärts,  nach  der  allmälig  entsumpften  Ebene.  Von 
den  drei  Ursell  —  nach  der  Schcllbach  benannt  —  hat  Ober-Ursell 
stets  den  ersten  Rang  eingenommen;  ebenso  ist  Ober-Erlenbach  älter 
als  Nieder-Erlenbach.  In  ersterem  sind  die  Hofraithen  von  der  Bach 
nach  der  Anhöhe  hinauf  dicht  zusammengedrängt;  die  Kirche  oben, 
weithin  sichtbar,  ist  von  einem  alten  Mauerring  umgeben,  ähnlich 
wie  in  anderen  sehr  alten  Niederlassungen  unserer  Gegend,  z.  B.  in 
Hochstadt.  Nieder-Erlenbach  aber,  an  breite  Strassen  gebaut,  besteht 
zu  grossem  Theil  aus  adlichen  oder  herrschaftlichen  Höfen.  Ersteres 
ist  auf  dem  Boden  erwachsen ,  letzteres  ist  angelegt;  es  erhielt  erst 

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-    212  — 


im  Jahre  1376  einen  Schultheiasen  und  Schöffen10.  Bei  andern  gleich- 
benannten Dörfern  mag  es  sehwer  sein  Vermuthungen  über  ein 
höheres  Alter  zu  begründen.  Es  finden  sich  am  südlichen  Taunus- 
abhang zwei  Holzhausen,  das  eine  später  auch  Burg-Holzhaus«  n 
genannt  " ,  das  andere  Dornholzhausen  oder  Dorreholzhausen, 
frühe  schon  verlassen,  ausgegangen. 

Alle  Anzeichen  sprechen  dafür,  dass  im  mittleren  Deutschland 
der  südliche  Abfall  des  Taunus  mit  am  frühesten  bewohnt  wurde: 
wir  finden  aber  in  anderen  benachbarten  Gegenden  die  Art  und 
Weise  der  Ansiedluugen  durchaus  übereinstimmend  mit  denen  des 
Taunus.  Auch  im  Odenwalde  sind  es  wol  die  ältesten  Wohn  platze, 
welclie  am  Fusae  des  Höhenzuges,  da  wo  die  klaren  Bäche  aus  dem- 
selben hervortreten,  sich  an  diese  anschmiegen:  Alsbach,  Bickenbach, 
Auerbach,  Lantenbach,  Hemsbach,  Sulzbach  und  weiterhin  Rohrbach, 
im  Innern  des  Odenwaldes  Erbach,  Elsbach,  Ellenbach,  Erlenbach, 
Crumbach,  Brombach,  Wallbach,  Lützelbach,  Assbach,  Kehlnbach. 
Ebenso  liegen  an  der  Haart,  auf  der  linken  Seite  des  Rheins: 
Musbach,  Hambach,  Eschbach  u.  a.;  übereinstimmend  hiermit  mögen 
auch  die  Verhältnisse  des  Spessharts  bezeichnet  werden;  auf  der 


"  Urkunde  auf  Pergament  mit  2  Siegeln  von  Wachs,  Mglb.  E  42.  Nr.  2 
„Wir  Karl  von  Gottes  Guaden  Römischer  Kaiser  zu  allen  Zyten  merer  des 
Rychs  und  Königzu  Beheym,  bekennen  und  tun  kunt  oflfenlich  mit  diessem  brieffe 
allen  den  die  yne  sohent  oder  hören  lesen,  wenn  wir  dem  Dorffe  zu  Nydern 
Erleobach  by  nnfi  und  des  Ryches  Stadt  zu  frankenfurt  uff  dem  Meyne  ge- 
legen, Do  Inoe  grosser  gebrest  gewcat  ist  und  noch  ist,  das  nicht  Schultheißen 
und  Scheffen,  do  bißher  gewest  sin,  Des  haben  wir  mit  wole  bedachtem  mnte 
rechter  wissen  und  sunderlichen  Gnaden,  den  Burgermeistern  den  Scheffen  und 
Rate  der  egenanten  Stadt  zu  franckenfurt,  unser  und  des  Rychs  lieben  ge- 
truwcn ,  die  gnade  getan,  und  tun  mit  crafft  diess  brieffs ,  das  sie  forter  mer 
Schultheissen  und  Scheffen  doselbs  zu  Nydern  Erlebach  setzen  sullen  und  mo 
gen  als  dicke  des  noit  ist,  uff  dasJdermanne  gerichfs  recht  do  widderfare  und 
das  die  egenanten  von  Franckenfurt  In  dem  vorgenanten  Dorffe  und  ge richte, 
tun  und  lassen,  brechen  und  buseen  mögen  und  sullen  zu  allem  Jren  nutze  und 
dinste  wer  sie  daran  hindere  oder  widerspreche  Jn  Dheinenweiss  der  ist  ver- 
fallen mit  fnnffzig  marg  lodiges  goldes,  Das  halb  Jn  unft  und  Des  Rychs  Cam- 
mer, und  das  andere  teile  der  egenanten  Stadt  zu  franckenfurt  werden  und 
gefallen  sal  (mit  Urkunde  diß  brieffs  versiegelt  mit  unser  Kaiserlichem  mateatadt 
Jngesiegele,  geben  zu  Franckenfurt  uff  dem  Meyne  nach  Christus  geburte 
Drytzehcnhundert  Jare  darnach  in  dem  sechs  und  siebentzigsten  Jare  an  sant 
Johannes  Dage  des  H.  Teuffers  etc. 

11  Dies  llolzhansen,  wol  jflnger  als  das  benachbarte  Ober-Erlenbach ,  ist 
eine  der  wenigen  Ortschaften,  welche  an  der  uralten  Mainzerstrasse  nach  Butz- 
bach (Weinstrasse)  gelegen  sind.  Diese  überschreitet  hier  die  Erlenbach,  windet 
sich  an  dem  Östlichen  Ufer  hinan,  und  zieht  bei  der  Kirche  nordwärts.  Die 
Wobnstätten  sind  vielleicht  jünger  als  die  Strasse. 


—    213  - 


Höhe  die  alten  Ortschaften  (des  dunklen  Spessharts)  nach  der 
Quelle  benannt,  wie  Rohrbrunn  und  Roasbrunn;  weiter  abwärts  nach 
der  Bach  bezeichnet:  Frömmersbach,  Krausenbach,  Bessenbach, 
Gailbach,  Morsbach,  Feebenbach  und  Röllbach.  Unterhalb  Soden 
liegt  auch  dort  ein  Sulzbach,  und  Aschaff  erinnert  an  Walluff 
(Waldau).  Die  Aschaff  (Aschen-  oder  Eschen-awe)  gab  wieder  ver- 
schiedenen Ansiedlungen  einen  Namen,  wie  Waldaschaff,  Mainaschafl 
und  —  wol  viel  später  —  auch  Aschaffenburg;  ebenso  findet  sich 
auch  ein  Ober-,  Mittel-  und  Nieder-,  wie  bei  Gersprenz,  bei  Ostern, 
bei  Keinsbach  und  bei  Kinzig <a. 

Der  Verkehr  der  Anwohner  der  Höhen  war  in  jenen  alten  Zei- 
ten wol  kein  ganz  unbedeutender,  wir  finden  häufig  die  Ortsnamen 
hier  und  dort  ganz  gleichlautend:  so  ein  Heuclielsheimerfcld  bei 
Homburg,  ein  Heuchelheim  bei  Echzell,  ein  anderes  bei  Hadamar, 
noch  eins  bei  Worms  und  eins  bei  Giessen,  ein  Hochelheim  bei 
Gross- Linden  und  bei  Nassau;  um  den  Taunus  her  liegen  vier  oder 
fünf  Ilolzhausen,  ein  Eschbach  liegt  bei  Homburg  und  bei  Nastädten, 
ein  Aschbach  im  Odenwald,  ein  Kalten- Esch bach  bei  Usingen,  ein 
Schwalbach  bei  Cronberg,  und  Langen-Schwalbach  auf  der  Nordseite 
des  Taunus;  ein  Steten  bei  Ober-Ursel,  ein  zweites  bei  Runkel. 
Auch  in  der  Bezeichnung  der  Bäche  selbst  fällt  diese  Wiederholung 
auf,  wie  der  Name  Criftel,  mit  den  Ortschaften  Cröftel,  Okriftel  am 
Maine,  und  ähnlich  Cröftelbach,  CrafVSolms  an  der  Solms,  welche 
bei  Braunfels  vorüberfliesst.  Auch  für  den  Odenwald  Hessen  solche 
Zusammenstellungen  leicht  sich  auffinden,  z.  B.  in  den  verschiedenen 
Erlenbach  und  Laudenbach  oder  Lauterbach. 

Wenn  wir  diese  Art  und  Weise  der  ersten  Ansiedlungen  berück- 
sichtigen, können  wir  die  ältesten  Verkehrsstrassen  unserer  Gegend 
nicht  in  der  süd-nördlichen  Richtung  aufsuchen.  Weniger  der  Main, 
als  wol  die  Sümpfe  des  Maines  unterbrachen  diese  Richtung;  die 
Taunusbewohner  verkehrten  über  die  Höhe  und  entlang  derselben 
von  einer  Ansiedlung  zur  andern ;  sie  gelangten  so  nach  Wiesbaden 


i*  Eigentümlich  ist  die  Benennung  von  Amorbach,  wie  die  Sage  geht 
nach  dem  Heiligen  Amor  benannt.  Die  Kapelle  dieses  Heiligen  liegt  aber 
nicht  im  Hauptthal,  sondern  in  einem  kleinen  Seitentbälchen,  über  einer  uralten, 
als  heilig  bezeichneten  Quelle.  Manches  lässt  darauf  schliessen,  dass  der  Heilige 
selbst  nach  dem  Thal  benannt  worden,  in  welchem  er  vorzugsweise  wirkte. 
Wir  finden  in  anderen  Germanischen  Landestheilen  mehrfach  den  Namen  Ammer, 
so  im  Eisaas  Ammerschwier  und  der  Ammergau  iu  Baiern,  auch  ein  Wüst- Amor- 
bach bei  Umstadt.  Im  J.  714  soll  die  Capelle  von  dem  h.Pirminius  gegründet, 
die  Abtei  Amorbach  erst  i.  J.  734  gebaut  worden  sein.  Vergl.  über  die  Quelle : 
Decker,  die  Quellen  im  Odenwald,  Archiv  für  heas.  Gesch.  VII.  S.  186. 


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I 

-    214  - 


und  Mainz,  von  dort  nach  der  Haart;  ostwärts  nach  dem  Spesa- 
hart,  von  diesem  nach  dem  Odenwald.  Wahrscheinlich  war  bei 
Mainz  «  wo  die  Hügel  am  meisten  nach  dem  Rheine  vortraten  ,  die 
älteste  Ueberfahrt  über  diesen  Theil  des  Flusses.  Oberhalb  und  un- 
terhalb wehrten  Sümpfe. 

Die  Orte  welche  denUcbergang  über  einen  Bach,  einen  Sumpf, 
einen  Fluss  anzeigen,  sind  für  die  vorhistorische  Zeit  von  grosser 
Wichtigkeit.  Sic  weisen  auf  die  Wege  und  VerkehrBstrassen  Hin, 
deren  die  damals  Lebenden  sich  bedienten.  Bei  kleineren  Flüssen 
zogen  die  Wege  nach  Brücken,  bei  breiteren  nach  Furten.  Brugg 
im  Aargau  verdankt  seine  Entstehung  der  tiefen  und  schmalen  Rinne, 
welche  die  Aar  daselbst  in  die  Felsen  eingeschnitten;  Baumstämme 
reichten  hinüber  bis  zum  andern  Ufer.  Bei  Osnabrück  treten  die 
Hügel,  welche  das  Thal  derllaase  begrenzen,  enger  zusammen;  hier 
war  es  leichter  den  Sumpf  und  den  Bach  zu  überbrücken. 

Der  Main  mit  seinen  Hochwassern  und  dem  mächtig  drängen- 
den Eisgänge  duldete  keine  kunstlos  errichtete  Holzbrücken,  bei  ihm 
vorzugsweise  finden  wir  die  Furten.  Es  sind  dies  breite,  ruhige 
Stelleu  des  Flusses,  bei  welchen  man  bequem  zum  Ufer  des  Flusses 
gelangen,  und  ruhig  und  gefahrlos  über  denselben  fahren  konnte. 

Es  ist  von  Batton  die  Vermuthung  ausgesprochen  worden,  dass 
bei  Frankfurt  eine  seichte  Stelle  des  Maines  gewesen,  an  welcher 
die  Heere  leichter  durch  den  Fluss  geführt  werden  konnten.  Am 
Fahrthore  sei  eine  Furt  für  Nachen  gewesen,  ein  seichterer  Ueber- 
gang  aber  am  Lconhardsthorc.  Fichard  bemerkt  dazu,  dass  an  der 
Furt  in  Saeliscnhauscn  keine  Häuser  gestanden,  desshalb  Sachsen- 
hausen  wol  jünger  als  Frankfurt,  nach  der  Herstellung  einer  Brücke 
erbaut  worden.  Auch  Kirchner  —  Geschichte  der  Stadt  Frankfurt  — 
beschreibt  eine  Furt  als  eine  „seichte  Stelle  des  Flusses"  um  „schaa- 
renweisea  überzugehen.  Allein  bereits  Dr.  Kriegk  —  im  Archiv  N.  F. 
1.  S.  81  —  bezieht  die  Bezeichnung  „Furt"  nicht  auf  die  Seicht- 
heit einer  Flussstclle,  sondern  auf  die  Gangbarkeit,  Durchfahrbarkcit 
derselben,  der  U ebergang  über  den  Fluss  habe  daselbst  hergestellt 
werden  können. 


13  Auch  in  diesem  Namen  finden  wir,  ähnlich  wie  in  den  Ansiedelungen  an 
den  Bächen  des  Taunus,  den  Flussnamen  wieder,  vielleicht  Mainsiel  oder  Maines 
Knde.  Mainz  erhob  sich  dicht  am  Ufer  des  Rheines,  die  Römer  bauten  —  wol 
erat  später  —  oben  anf  don  Höhen.  Aus  Mainz  oder  Moinz  ist  Mojrunz  ge- 
bildet worden,  nicht  umgekehrt   Zu  vergl.  Kriegk  im  Archiv  L  S.  86. 


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-    215  - 


Wir  finden  am  Maine  verschiedene  Orte  als  Furten  bezeichnet: 
Krankfurt,  Lengfurt,  Ochsenfurt,  Schweinfurt,  Hassfurt  Diese  mögen 
zum  Theil  localen  Bedürfnissen  ihre  Entstehung  verdanken;  da  die 
HauBthiere  in  jenen  Zeiten,  fast  noch  mehr  wie  heut  zu  Tag  auf  den 
Alpen,  eine  der  wichtigsten  Bedingungen  des  menschlichen  Lebens 
waren ,  ist  es  ganz  natürlich ,  dass  eine  Reihe  von  Ortsnamen  auf 
dieselben  hinweisst,  wie  Schwanheim  (sonst  Schweinheim),  Säulberg, 
Ockstadt,  Stierstadt.  Andere  der  genannten  Furten  haben  aber  dem 
Strassenverkehr  gedient,  wie  Lengfurt  und  vielleicht  auch  Trennfurt. 
Das  letztere  liegt  an  einer  sanften  Abdachung  des  Odenwaldes,  in 
unseren  Tagen  mehrere  Minuten  vom  Main  entfernt;  es  ist  nicht 
einmal  mehr  eine  regelmässige  Ueberfahrt  daselbst  Diese  befindet 
sich  weiter  abwärts,  bei  Klingenberg.  Früher  mag  es  anders  gewesen 
sein,  denn  der  reissende  Strom  bei  Klingenberg  war  gewiss  kein  Platz 
zu  einer  alten  Furt  Als  die  Stadt  sich  hob,  zog  sie  die  Furt 
an  sich. 

Oedc  war  das  Land  zwischen  dem  Rhein  und  dem  Bornheimer 

■» 

Berg,  wahrscheinlich  hat  in  jenen  alten  Tagen  die  spätere  Dreieich 
einen  Ucbergang  Uber  den  Main  nicht  geboten.  Es  fehlten  die  Ort- 
schaften eben  so  wol,  wie  die  Verbindungswege.  Erst  musstc  das 
Niddathal  angebaut  werden,  gleichzeitig  vielleicht  das  Kinzigthal  und 
der  mittlere  Mainlauf,  viel  später  stieg  dann  der  Pflug  auch  in  das 
untere  Mainthal  herab  u. 

Wir  besitzen  aus  jenen  Zeiten  noch  Denkmäler,  welche  uns 
nicht  unwesentlichen  Nachweis  bieten.  Es  sind  dies  die  Ringwälle, 
deren  bereits  in  dem  frühereu  Aufsätze  „die  hohe  Mark  im  Taunus'4 
gedacht  worden  ist.  Der  Gestalt  und  Anlage  nach  zu  urth eilen,  so 
sind  die  Ringwällc  des  Taunus,  insbesondere  die  des  Altkönigs  und 
die  Altenhöfe  wol  die  ältesten.  Offenbar  war  es  die  ^Jatur  selbst, 
welche  die  Anwohner  der  Höhe  auf  den  Gedanken  brachte,  in  dieser 
Weise  sich  eine  Zufluchtsstätte  zu  schaffen,  bei  feindlichen  Einfällen 
das  Notwendigste  bergen  zu  können.  In  der  geraden  Richtung  vom 
Altkönig  nach  dem  Hirtzberg  liegt  eine  ganze  Reihe  von  Berggipfeln 
auf  denen  zusammengebrochene  Felsmassen  den  Anblick  von  Ring- 
wällen darbieten:  die  weisse  Mauer,  der  Lindenberg,  der  Bleibes- 
kopf uud  der  Marmorstein.  Diese  Felstrümmer  und  Rossein  sind  zum 
Theil  wirklich  ab  Ringwälle  bezeichnet  und  aufgeführt  worden ,G, 


>*  Vergt.  Kriegk,  Frankf.  Bürgerswiste,  S.  236  ff. 

«s  So  z.  B.  in  der  schönen  Arbeit  Uber  Kingwälle  von  Dr.  Knapp,  (Archiv 
f.  hess.  Gesch.  II.),  bei  welcher  nur  zu  bedauern  ist,  dass  der  Autor  allzuviel 


-    216  - 


doch  ist  nur  der  Altkönig  mit  wenigen  andern  ausgewählt,  ein  Ring- 
wall hergestellt  und  vollendet  worden.  Bei  den  übrigen  fehlt  der 
Zusammenhang  des  Schutzwalls  ebensowol,  wie  die  Beziehung  zu 
den  daran  hin,  oder  hineinführenden  Wegen. 

Grosse  Uebereinstimmung  mit  den  Felsmasscn  des  Taunus  bieten 
die  Porphyrfelsen  des  Schwarzwaldes  bei  Baden-Baden.  Dieser  Punct 
war,  wie  Wiesbaden  und  Soden  am  Taunus,  wol  lange  vor  dem 
Eindringen  der  Römer  bekannt  und  bewohnt  Der  Berggipfel  des 
heutigen  Schlossberga,  der  Batter,  hätte  nur  geringer  Nachhülfe 
bedurft,  um  zu  einem  gewaltigen  Schutzwalle  umgewandelt  zu  wer- 
den. Die  wenigen  wallähnlichen  Spuren  über  den  „Rasseln"  des 
nordwestlichen  Abhangs,  schmal  und  ohne  Zusammenhang,  lassen 
aber  nicht  auf  menschliche  Thätigkeit  schliessen. 

Ganz  anders  finden  wir  es  im  Spesshart,  im  Odenwald  und  an 
der  Haart,  wo  das  Gestein  zwar  weniger  in  Rossein  und  in  Fels- 
massen zusammenbricht,  wo  aber,  wie  im  Kinzigthal  in  der  Gegend 
von  Orb,  dann  bei  Klingenberg,  bei  Miltenberg  am  Main  und  bei 
Dürkheim  a.  d.  Haart  die  Ringwälle  uns  andeuten,  welche  in  alten 
Zeiten  die  bewohntesten  Stellen  des  Landes,  und  wo  die  Verkehrs- 
wege gewesen.  Bei  allen  diesen  letzteren  Ringwällen,  ebenso  wie  auf 
dem  Goldgrubenberg  im  Taunus,  hat  weniger  die  Natur  dem  Men- 
schen geholfen,  mehr  die  Kunst.  Sie  scheinen  aus  den  Römerzeiten 
oder  aus  den  darauf  folgenden  zu  stammen.  Der  ganze  Gipfel  eine* 
Berges  ist  umschlossen,  ein  Raum  gross  genug,  nicht  nur  die  ganze 
Bevölkerung  einer  oder  mehrerer  Ortschaften  aufzunehmen,  sondern 
auch  dem  Vieh  derselben  für  eine  Zeitlang  Weide  zu  bieten  Eine 
Quelle  habe  ich  nirgends  in  solchen  Ringwällen  gefunden ,T,  jhe 
liegen  weiter  unten  im  Walde,  der  ja  mit  zur  Vertheidigung  ver- 
wendet wurdje.  Den  Ringwall  selbst,  bei  einer  längeren  Belagerung, 
zu  vertheidigen ,  wird  bei  den  meisten  unmöglich  gewesen  sein,  da 
der  Wall  auf  dem  Schlossberg  bei  Bürgstadt  z.  B.  über  eine  halbe 
Stunde  im  Umfange  hat 


auf  fremde  Augen  sich  verlassen.  Auch  0. Schudt,  Homburg  v. d.U.  und  seine 
Umgebung,  1854,  spricht  von  der  Heidenmauer  auf  dem  Lindenberge,  von  dem 
Ringwall  auf  dem  Blcibeskopf. 

»fi  Eine  Vertiefung  auf  der  westlichen  Seite  der  Altenbnrg  bei  Cassel  an 
der  Bieber  soll  zuweilen  Wasser  enthalten ;  ich  habe  darin  keins  vorgefunden. 
Von  Hadamar  wird  berichtet ,  dass  sich  in  dem  Kingwall  der  Dornburg  ein 
Wasser  stets  mit  einer  Tiefe  von  1'/,  Fuss  erhalten  »olle.  Auch  vom  Ahkonig 
hat  man  Derartiges  fälschlich  behaupten  wollen.  Das  wäre  aber  noch  keine 
Quelle, 


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-    217  - 


Alle  diese  Ringwälle  sind  so  ziemlich  nach  demselben  System 
angelegt;  sie  umfassen  den  Gipfel  bis  zum  steileren  Abfalle  hin;  auf 
der  Seite,  wo  der  Gipfel  eben  sich  ausdehnt,  ist  das  Werk  durch 
höheren  Wall  und  durch  Graben  verstärkt  Daselbst  ist  gewöhnlich 
der  Eingang.  Auf  dem  Kreinberg,  oberhalb  Miltenberg,  ist  derselbe 
ziemlich  gut  erhalten,  er  führt  über  grosse  Steinplatten,  auf  welchen 
Wagengeleise  tiefe  Furchen  eingeschnitten  haben.  Wahrscheinlich 
mit  Bäumen  wurde  er  verrammelt;  von  einem  Thore  findet  sich 
keinerlei  Spur.  Der  innere  Wall,  wenn  ein  solcher  vorhanden,  hat 
gewöhnlich  gar  keinen  Eingang.  Diese  Sandsteinwälle  Schemen 
nicht  mit  Holzwerk  verbunden  gewesen  zu  sein.  Sie  sind  viel  steiler 
als  die  flach  zusammengebrochenen  älteren  Taunuswerke;  zunächst 
des  Eingangs  auf  dem  Kreinberg  ist  der  obere  Theil  des  Walles 
kaum  zwei  Schritte  breit  Eben  so  ist  es  auf  der  „Schanze"  bei 
Klingenberg,  wol  einem  der  jüngsten  aber  auch  der  kleinsten  Stein  - 
wälle  Der  Weg  dahin  führt  anfangs  auf  der  Nordseite  des  Berges 
aufwärts,  wendet  sich  um  die  östliche  Seite,  zieht  an  der  tiefen 
Schlucht  hin,  und  biegt  von  Süden  her  gegen  den  SteinwalL  Hier 
auf  der  Eingangsseite  sind  drei  Wälle  mit  Gräben,  einer  dicht  hinter 
<lcm  andern;  von  dem  obersten  aus  kann  man  über  alle  drei  hinsehen, 
s.  Fig.  1  und  2 


o.t 


Abhang  gegen  den  Main. 


Klingenberg,  Durchschnitt  der  Wälle,  westtlich  vom  Eingang 


—    218  - 

Die  Steinwälle  der  Heidenmauer  bei  Dürkheim  gleichen  sehr 
denen  auf  dem  Goldgruben berg  des  Taunus;  sie  sind  fast  durch- 
gängig von  grosser  Mächtigkeit,  besonders  auf  der  flacheren  Nord- 
uud  Nordweeteeite ,  mehr  zusammengesunken  als  die  Wälle  von 
Klingenberg  oder  von  Cassel  an  der  Bieber.  Sie  fallen  noch  steil  ab 
nach  Aussen ,  verflachen  nach  Innen ;  etwa  in  der  Mitte  sind  sie  ver- 
tieft, als  wenn  auch  hier  ein  doppelter  Steinwall  die  Zufluchtsstätte 
umgeben  hätte,  s.  Fig.  3. 


Durchschnitt  des  Kingwalls  bei  Dürkheim. 


Wir  sind  genöthigt  für  Zeiträume,  die  wir  noch  jetzt  die  Urzeit 
nennen,  Gewicht  auf  alle  diese  an  und  für  sich  unbedeutenden  That- 
sachen  zu  legen,  weil  es  eben  fast  die  einzigen  Ueberreste  mensch- 
licher Thätigkeit  sind,  die  unmittelbar  aus  jener  entlegenen  Zeit  zu 
uns  reden.  Sie  verstärken  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  in  jenen 
Zeiten  schon  eine  Stammesverwandtschaft  der  Bewohner  am  Mittel- 
rhein und  Main,  und  eine  enge  Verbindung  bestanden;  weiter  dass 
gerade  die  bezeichneten  Gegenden  nicht  nur  die  bevölkertaten  ge- 
wesen, sondern  auch  den  feindlichen  Heereszügen  am  meisten  aus- 
gesetzt. Von  einer  Bestimmung  zur  Gottesverehrung  kann  —  bei 
diesen  jüngeren  Ringwällen  wenigstens  —  nicht  die  Rede  sein 17 ;  ab- 
gesehen von  der  Bauweise,  so  fühlt  heut  zu  Tag  kaum  einer  der 
Nachkommen  je  das  Bedürfnis»  auf  die  Höhe  hinaufzusteigen,  es  sei 
denn,  dass  das  Geschäft  oder  der  Holzbedarf  ihn  dahin  rufe. 

Einen  wichtigen  Abschnitt  in  der  Geschichte  unseres  Lande* 
bildet  das  Eindringen  und  die  Herrschaft  der  Römer.  Das  ganze 
Ixiben  des  Volkes  erhielt  dadurch  einen  weiteren  Gesichtskreis  und 
eine  wesentliche  Umgestaltung,  wenn  auch  die  Verhältnisse  und  die 
Bedürfnisse,  welche  die  ersten  Ansiedlungen  hervorgerufen  und  be- 
günstigt hatten,  grösstenteils  bestehen  blieben,  später  wieder  in  den 
Vordergrund  traten.   Die  Römer,  wie  jetzt  die  Engländer  in  Indien, 

»  In  einem,  aus  meiner  Feder  stammenden,  ganz  oder  theilweise  in  ver- 
schiedene Zeitschriften  übergegangenen  Aufsatze  :  „Uhland  auf  den  Rin^wällcn 
des  Altkönigs1'  ist  die  Ansicht  Uhland's  mitgethcilt:  es  seien  die  Steinringe 
uralte  Umwallungcn  eines  heiligen  Hains,  weil  in  denselben  eine  Quelle  nicht 
vorhanden.  Dieser  Ansicht  vermag  man  bei  genauer  Durchforschung  einer 
grösseren  Anzahl  von  Kingwällen  kaum  noch  zuzustimmen. 


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-    219  - 


die  Russen  am  Caucasus,  die  Franzosen  in  Africa,  suchten  ihre 
Herrschaft  zu  erweitern ,  nicht  um  die  Völker  zu  beglücken ,  sie  mit 
den  Segnungen  der  Cultur  bekannt  zu  machen,  nicht  um  Sumpfe 
auszutrocknen,  das  Land  dem  Pfluge  zu  gewinnen,  sondern  um  die 
gewonnenen  Länder  zu  nutzen  18.  Sic  haben  die  besten  und  cultivir- 
testen  Länder  am  liebsten  genommen  und  am  hartnäckigsten  verthei- 
tigt;  den  Pfahlgraben  haben  sie  weithin  um  die  Wetterau  gezogen. 
Es  ist  daher  die  Thatsache  nicht  unwichtig,  dass  die  Römer  ihre 
Hauptniederlassung  in  unserer  Gegend  unmittelbar  auf  einer  Anhöhe 
an  der  Nidda  gegründet  haben.  Dies  mit  Anderem  beweist  uns,  dass 
das  Niddathal  bei  dem  Eindringen  der  Römer  bereits  angebaut  und 
bewohnt  gewesen.  Die  Römerstrasse  von  Mainz  führte  in  gerader 
Linie  nach  Praunheim,  durch  diesen  Ort  dann  hinauf  nach  dem 
V1CUS  I10VU8.  Der  Aufenthalt  der  Römer  in  hiesiger  Gegend  dauerte 
aber  durch  mehrere  Jahrhunderte ,  und  während  so  langer  Zeit  mag 
Manches  eine  Umänderung  erlitten  haben,  manche  Strecke  der 
Cultur  gewonnen  worden  sein. 

Es  ist  nicht  so  leicht,  die  Strassen  der  Römer  von  den  Wegen 
der  Landesbewohner  überall  zu  scheiden.  Die  Römer  mögen  diese 
Wege  wol  überall  benutzt  haben,  wo  sie  filr  ihre  Zwecke  gentigten. 
Stets  hatten  sie  das  eine  Ziel  —  die  Festigung  ihrer  Herrschaft. 
Die  Römerstrassen  führen  alle  nach  den  Anlagen,  welche  zur  Unter- 
drückung des  Landes  erbaut  waren:  die  Strassen  der  Einwohner 
aber  führen  von  Dorf  zu  Dorf,  auf  das  Feld,  in  den  Wald,  nach 
ihren  Zufluchtsstätten.  Die  Römerstrassen  gleichen  in  der  Anlage 
unseren  Eisenbahnen;  nicht  ftlr  den  Augenblick  gefunden  und  nur 
allmälig  vervollkommnet,  sondern  für  Jahrhunderte  angelegt  Mit  der 
Herrschaft  der  Römer  hört  auch  die  Bedeutung  der  Römerstrassen 
auf,  sie  sind  vergessen,  von  Wald  überdeckt,  vom  .Pfluge  zerrissen, 
der  Steinunterlage  beraubt,  kaum  noch  vom  Vieh  betreten.  In  unserer 
Gegend  finden  wir  ihre  Strassen  vom  Rheine  nach  dem  vicus  novus 
fuhren,  der  Hauptbefestigung;  von  da  nach  den  Castellen  des  Taunus 
—  den  Zwingburgen  —  und  weiter  nach  Norden;  ostwärts  nach 
Bonames  und  der  Wetterau,  nach  Bergen  und  Aschaflenburg. 

Die  Strassen  der  Landesbewohner  waren  nicht  nur  naturwüchs- 
iger, sondern  auch  schmäler  als  die  Römerstrassen;  dies  besonders 
in  den  Bergen,  weniger  vielleicht  in  sandigem  Flachlandc.  Die  Rö- 
mer —  wie  auch  die  Russen  im  Caucasus  —  hatten  besonderes  In- 


"-  Anderer  Ansicht  ist  Hofrath  Steiner. 


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-    220  - 


teresse,  die  undurchdringlichen  Waldungen,  die  Zuflucht  der  Landes- 
bewohner, durch  breite  Strassen  zu  öffnen,  zugänglich  zu  machen. 
Wie  auf  der  Nordsoite  des  Altkönigs  ein  Römischer  „Pflasterweg* 
nach  dem  Feldbergcastelle  zieht,  so  wurde  ein  anderer  als  „Pflaster- 
weg" mir  genannt  auf  dem  südlichen  Fuss,  etwa  in  der  Richtung  toid 
Eichelberg  nach  dem  oberen  Ende  der  Falkensteiner  Wiesen ,  also 
ebenfalls  nach  dem  Feldbergcastell  zu.  Dieser  ist  kein  ursprünglicher 
Waldweg,  sondern  schnurgerade  angelegt,  gleichmässig  12  Schritte 
breit  und  auf  beiden  Seiten,  von  einem  Mäuerchen  eingefasst.  Der 
Römerweg  weiter  unten  beim  Stationshause  von  Weisskirchen  war 
16  Schuh  breit,  aufs  Regelmassigste  und  Sorgfaltigste  gebaut,  mit 
Steinplatten  unterlegt,  zur  Seite  mit  Pfaden  für  Fussgänger  und 
mit  Grübchen  versehen. 

Man  hat  darauf  hingewiesen,  dass  der  Marsch  der  Römer  vor- 
zugsweise auf  den  Wasserscheiden,  den  Höhenrücken  stattgefunden, 
zugleich  aber  mit  Grund  die  Frage  aufgeworfen,  ob  die  Römer  diese 
Hochstrassen  und  Rennwege  erst  eröffnet  haben?19  Diese  Bevor- 
zugung der  Höhen  war  keine  Besonderheit  der  Römer,  sie  lag  in 
den  Verhältnissen,  in  dem  damaligen  Zustande  des  Landes.  Es  iässt 
sich  im  Ganzen  annehmen,  dass  die  ausgedehnteren  Verkehrsweg» 
verhältnissmässig  älter  sind,  je  höher  sie  auf  den  Gebirgen  hinführen 
Die  Schwierigkeiten,  welche  dort  zu  überwinden,  waren  geringer, 
als  diejenigen ,  welche  in  jenen  alten  Zeiten  die  Ebenen  boten.  Je 
mehr  die  Sümpfe  schwanden,  desto  mehr  zogen  sich  die  Wege  von 
den  Bergen  herab  in's  Thal  Der  Rennpfad  auf  dem  Taunus  zieht 
nicht  gleichmässig  mit  dem  Pfahlgraben,  er  war  gewiss  schon  vor- 
handen als  die  Römer  den  letzteren  anlegten.  Er  zieht  am  südlichen 
Abhänge  des  Feldberges  hin,  der  Pfahlgraben  nördlich.  In  der  Nahe 
des  Mückenborns,  jenseits  der  Höhe,  zieht  eine  „hohe  Strasse"  nord- 
wärts, die  weder  mit  dem  Pfahlgraben,  noch  mit  einem  der  daran 
liegenden  Caatelle  in  Verbindung  steht  Dies  ist  sonst  bei  Römer- 
strassen im  oestlichen  Taunus  der  Fall,  entweder  ziehen  sie  nach 
dem  Feldbergcastell  oder  nach  der  Saalburg.  Der  Rennpfad  auf  dem 
Taunus  hat  nur  die  für  einen  einzigen  Wagen  erforderliche  Breite. 
Viel  breiter  ist  die  alte  Strasse  auf  dein  Hunarück  und  die  auf  dem 
Thüringerwalde.  Aber  die  Vorbindung  zwischen  Coblenz  und  Mainz 
auf  der  Höhe  hat  sich  mehr  und  mehr  grossartig  gesteigert,  wahrend 


19  Vergl.  Untersuchung  über  die  Kriegführung  der  Römer  gegen  die  Dem 
K.  F.  in  Ztschr.  d.  V.  s.  E.  d.  Rhein.  Geschichte,  II.  3  Hft  J863 


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die  Strasse  vom  Rheine  nach  der  Wetterau  schon  zu  der  Römer 
Zeiten  —  wenn  nicht  schon  früher  —  in  die  Ebene  herabverlegt 
war,  und  am  Fusse  der  Berge  hinzog. 

Vom  vicus  novus  nach  dem  Mainthale  herüber  scheint  keine 
directe  Römerstrasse  angelegt  worden  zu  sein.  Es  zog  vom  Nidda- 
übergang bei  Heddernheim  der  Weg  hinauf  nach  Eschersheim  und 
weiter  nach  Berkersheim,  Bergen  und  Vilbel80,  nicht  aber  nach  der 
Frankenfurt  In  dieser  letzteren  Richtung  entstand  vom  Niddaübergang 
aus  ein  Fusspfad,  er  gehörte  zuletzt  zu  den  verbotenen  Wegen  und 
ist  jetzt  von  der  Eisenbahn  ganz  beseitigt.  Es  sprechen  wol  That- 
sachen  dafür,  dass  die  Römer  die  Frankenfurt  kannten,  selbst  Strassen 
dahin  benutzten  oder  bauten,  aber  mehr  noch  deuten  darauf  hin, 
dass  diese  Furt  damals  noch  keine  Wichtigkeit  hatte.  Bis  auf  den 
heutigen  Tag  heisst  der  kleine  Main  oberhalb  der  Sachsenhäuser 
Brücke  der  „bahles"  oder  pales21.  Dies  würde  nicht  schwer  auf  das 
palus  der  Römer,  Sumpf,  zurückzuführen  sein,  also  auf  dasjenige, 
was  in  damaliger  Zeit  wirklich  sich  an  der  fraglichen  Stelle  befun- 
den haben  mag.  Zu  beachten  bleibt  auch,  dass  man  vor  einigen 
Jahrzehnten  in  der  Fahrgasse  beim  Graben  eines  Canals,  etwa 
16  Fuss  tief,  auf  ein  altes  Pflaster  stiess.  Leider  ist  dasselbe  nicht 
sorgfältig  untersucht  worden;  Hufeisen  fand  man  dabei,  grosse  und 
kleine,  solche  von  denen  man  vermuthet,  dass  Esel  oder  Maulthiere 
sie  getragen.  „Eselspfade"  bringt  man  vielfach  in  Zusammenstellung 
mit  den  Römern,  so  den  Eselspfad  von  Miltenberg  nach  der  Kinzig 
über  den  Spesshart,  einen  andern  von  Eschersheim  nach  Vilbel. 

-Weit  wichtiger  sind  die  Thatsachen  welche  dafür  sprechen, 
dass  zur  Römerzeit  die  Frankenfurt  noch  ohne  Bedeutung  gewesen. 
Sie  beziehen  sich  theils  auf  die  damalige  Verkehrsrichtung  in  demMaiu- 
lande,  theils  auf  den  gewerblichen  Betrieb  in  den  Römerniederlassungen. 

Die  wichtigste  Strasse  welche  vor  und  zu  der  Römer  Zeiten  von 
Süden  nach  Norden  zog,  führte  uicht  wie  jetzt  am  Odenwalde  hin, 
durch  die  Rheinebene,  sondern  auf  dem  Gebirgsrücken.  Die  Befest- 
igungen, welche  zur  Seite  der  Strasse,  von  Schlossau  nach  Obern- 


»  Vergl.  u  a.  den  Auft>ntz  von  Schmidt,  Annal.  des  Nassauer  Vereins, 
ti  Bd.  1  Hft.,  über  d.  Pfalgraben. 

21  Nach  genauerer  Ermittelung  oberhalb  der  zwei  Brückenbogen  auf  der 
Kachscnhänser  Reite.  Dort  badeten  Mb  zu  Anfai  g  dieses  Jahrhunderts  die 
Juden.  Bei  Eisgängen  hört  man  noch  den  Ausruf:  „Woss  dar  bales  woilt" 
1  wühlt).  Ganz  ähnlich  heisst  noch  heute  ein  Weidtcht  südlich  von  Offenbach: 
im  Salig,  der  Weg  dabei:  der  Saligweg. 


borg  aufgefunden  worden  sind,  zeigen  uns  welch  grosses  Gewichi 
die  Römer  auf  den  ungestörten  Besitz  dieser  Strasse  legten.  Caatelk 
reichten  sich  von  Station  zu  Station  die  Hand  22,\und  sie  waren,  wie 
aus  den  unternommenen  Ausgrabungen ,  kürzlich  noch  bei  Schlossau. 
zu  ersehen  ist,  nicht  viel  schwächer  als  die  Saalburg  am  Pfahlgraben 
des  Taunus.  Sie  waren  aber  nur  zum  Schutze  der  Strasse  bestimmt, 
denn  die  Reicbsgränze,  der  befestigte  Pfahlgraben  lief  in  fast  gleicher 
Richtung  mehrere  Stunden  weiter  östlich  bei  Freudenberg  von  Sü 
den  Uber  den  Spesshart  nordwärts.  Diese  Hauptstrasse  stieg  bei 
Obernburg  von  den  Bergen  nach  dem  Mainthale  herab;  führte  weiter 
nach  Aschaifenburg,  wo  sie  mit  der  von  Mainz  auf  dem  rechten 
Mainufer  ziehenden  Strasse  zusammentraf.  Wol  legen  die  vielen 
Römischen  Gegenstände,  welche  z.  B.  in  Stockstadt,  in  Diepurg  und 
in  Seligenstadt  gefunden  worden  sind,  Zeugniss  dafür  ab ,  dass  auch 
im  Maintlial  Wohnsitze  der  Römer  gestanden  oder  entstanden,  aber 
gerade  an  der  Frankenfurt  sind  solche  Gegenstände  nicht,  oder  doch 
so  äusserst  spärlich  aufgefunden  worden,  dass  auf  eine  langjährige 
Benutzung  derselben  durch  die  Römer  nicht  zu  sch Hessen  ist.  Diese 
Meister  der  Kriegskunst  würden  eine  wichtige  Furt  nicht  ohne  Be 
festigung,  etwa  auf  der  Höhe  der  damaligen  Maininsel  —  jetzt  auf 
dem  Markt  —  gelassen  haben,  und  solche  könnte  nicht  spurlos  ver- 
schwunden sein. 

Wenn  wir  von  dem  Maine  nach  dem  Thale  der  Nidda  uns  hin- 
über wenden,  so  sind  daselbst  zuerst  wieder  die  Uebergangsstellen 
in's  Auge  zu  fassen.  An  der  Nidda  gab  es  drei  Stellen,  die  wol  in 
sehr  alter  Zeit  schon  als  Uebergangspunkte  benutzt  worden  sind: 
Rödelheim, Bonames  und  Vilbel23.  Die  Römer  kannten  sie,  benutzten 
sie,  schwerlich  aber  sind  die  Ansiedlungen  Römische.  Nur  Einwohner 
des  Landes  bauten  in  den  Niederungen,  der  Fluss  diente  ihnen  zum 
Unterhalt  des  Lebens,  die  Ucberfahrt  bot  ihnen  Erwerb.  Die  Römer 
mieden  stets  die  Tiefe  und  das  Flussthal,  wie  bei  den  Strassen,  so 
bei  der  Anlage  von  Wohnungen.  Ihr  vicus  novus  lag  hoch,  erst  das 
neuere  Heddernheim  ist  unten  an  die  Strasse,  in  die  feuchte  Niede- 


«  Vergl.  Steiner,  Gesch.  u.  Top.  des  Maingebiets  und  Spessarts.  8.  104 
13  Auch  Nied  oder  Nidda,  am  Ausfluss  der  Nidda,  mag  eine  sehr  alte  Nie- 
derlassung der  Eingehomen  sein ,  allein  ein  bedeutender  Flussübergaug  war. 
der  Sümpfe  des  Mainthaies  wegen,  hier  schwerlich.  Die  Körner  mögen  das 
hochgelegene  Höchst  und  den  Aasgang  des  Niddathaies  bewacht  haben ,  allen 
es  führte  keine  abzweigeudo  Steinstra&se  nach  Höchst,  und  es  führt  noch  beut 
zu  Tag  keine  Strasse  von  Höchst  südwärts  nach  der  Drei-Eich. 


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-    223  - 

rang  gestellt.  Am  wenigsten,  oder  auch  erat  am  spätesten  benutzt 
war  unter  den  gensnnten  Furten  wol  Rödelheim  (Riedelheim);  es 
lag  auf  dem  rechten  Niddaufer,  die  eigentümliche  Bauweise  mancher 
alten  Häuser  auf  Erderhöhungen  lässt  vielleicht  noch  auf  die  frühere 
sumpfige  Beschaffenheit  des  Bodens  schliessen.  Auch  das  linke  Fluss- 
ufer war  und  ist  noch  sumpfig ;  doch  mag  die  Anlage  des  Mühlcanals 
und  der  Brückenbau  manches  geändert  haben.  Von  der  Römischen 
Mainzer-,  jetzt  Elisabethenstrasse ,  acheint  kein  Zweig  nach  diesem 
Uebergang  abgegangen  zu  sein;  aber  von  Rödelheim  zog  oberhalb 
der  Wiesen  hin  nach  den  basaltischen  Höhen  von  Bockenheim  eine 
alte  Strasse;  sie  hält  weiterhin  ostwärts  fast  die  Wasserscheide  ein, 
theilt  sich  am  Heiligenstuek  nach  Vilbel  und  nach  Bergen.  Von  Rö- 
delheim nach  der  Frankenfurt  führte  und  fuhrt  bis  auf  den  heutigen 
Tag  nur  ein  Fusspfad. 

Weit  mehr  als  Rödelheim,  scheint  Bonames  von  den  Römern 
benutzt  worden  zu  sein;  hier  ist  selbst  der  Name  durchaus  verschie- 
den von  allen  andern  Taunusortschaften;  nur  etwa  Vilbel  hat  einen 
gleich  fremdartigen  Anklang.  Eine  Römerstrasse  führt  nördlich  von 
Bonames  nach  der  Wetterau,  eine  zweite  führt  von  Westen  herein, 
oder  wenigstens  nach .  der  nördlichen  Mauer  hin.  Der  Platz  einer 
Römischen  Befestigung  war  wol  oben  auf  dem  Saalhof,  die  Burg  in 
der  sumpfigen  Tiefe  war  uicht  Römisch2*.  Wie  der  Name,  so  sind 
auch  die  Verhältnisse  von  Bonames  ganz  eigeuthümliclie.  Die  Gränze 
der  Gemarkung  von  Kalbach  zieht  dicht  an  Bonames  vorüber  und 
reicht  bis  zur  Nidda.  Während  diese  fast  überall  den  Genossen 
der  Hohen -Mark  eine  Gränze  war,  sie  von  der  Drei- Eich  schied, 
liegt  der  grösste  Theil  der  Bonameser  Gemarkung  jenseits  auf  dem 
südlichen  Ufer.  Dies  südliche  Ufer  wurde  aber  nicht  bewohnt,  war  • 
auch  nicht  Mark- berechtigt,  wie  ein  Streit  aus  dem  sechszehnten 
Jahrhundert  über  den  Kohlenbedarf  der  Mühle  oder  des  Kupfer- 
schmieds am  Mühlgraben  es  genauer  verhandelt  So  scheint  es  als 
ob  Bonames  nicht  wie  die  andern  Taunusortschaften  aus  den  Boden- 
verhältnissen erwachsen,  sondern  dass  es  gleichsam  eingepfropft  wor- 
den sei.  Alles  weisst  hierbei  auf  die  Römer  hin,  selbst  der  Umstand, 
dass  die  BouaracBcr  Bürger  waren,  keine  Bauern.  Auch  von  Bona- 
mes zog  in  gerader,  directer  Linie  keine  Strasse  nach  der  Franken- 
furt. 

Vilbel  scheint,  wie  Bonames,  einen  Römischen  Namen  zu  tragen. 
Die  jüngste  Ansieht  der  Gelehrten  geht  zwar  dahin,  dass  Vilbel  nicht 

Vergl.  Dr.  Kömer-bücbuer  in  diesem  Archiv  N.  F.  II.   S.  182. 


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von  villa  bella  den  Namen  habe,  dass  es  vielmehr  „Weidendorf* 
bedeute28.  Ich  halte  trotzdem  am  Alten  fest  Für  die  Germanischen 
Dorfnamen  der  Umgegend  bedarf  es  keiner  gelehrten  Deutung,  sie 
sind  alle  noch  jetzt  leicht  verständlich.  Mochten  die  Lateinischen 
Schreiber  den  Namen  verketzern,  er  .kam  doch  wieder  in  natürlicher 
Gestalt  zum  Vorschein.  Nur  Bonames  und  Vilbel  machen,  wie  be- 
merkt, eine  Ausnahrae,  sie  sind  fremden  Ursprungs,  wie  aevel  (aquse 
bellae)  die  schönen  Quellen  am  Ufer  der  Nidda  zwischen  Praunheim 
und  Hausen,  bei  welchen  eine  Römische  Wasserleitung  aufgefunden 
worden  ist**. 

Auch  bei  Vilbel  walten,  wie  bei  Bonames,  ganz  eigentümliche 
Verhältnisse.  Vor  allem  ist  hier  die  ganz  unverhältnissmässige  Längen- 
ausdehnung  in's  Auge  zu  fassen.  Sie  kann  gar  keinen  Zweifel 
darüber  lassen,  dass  hier  verschiedene  Interessen  zusammengewirkt, 
wie  dies  auch  stets  bei  andern,  ähnlich  in  die  Länge  gezogenen 
Städten,  wie  Miltenberg,  Heidelberg,  Bornheim  oder  Bockenheim 
der  Fall  gewesen.  Auch  Heidelberg  zieht  sich  von  der  alten  Neckar 
fürt  bis  über  die  Burg  hinaus,  so  Vilbel  von  der  Niddafurt  bis  zur 
Römischen  Villa,  die  in  der  Nähe  des  jetzigen  Bahnhofs  lag.  Die 
ersten  Wohnungen  lagen  wol  oben  auf  dem  rechten  Flussufer,  bei 
der  Brücke.  Nach  dieser  oder  nach  der  Furt  führen  die  Strassen: 
nördlich  die  von  Friedberg,  südlich  die  von  Bergen  und  von  der 
hohen  Strasse.  Bei  der  Brücke  traten  die  trocknen  Ufer  am  nächsten 
zusammen,  die  Strasse  wandte  sich  auf  dem  nördlichen  Ufer  sogleich 
der  Anhöhe  zu.  In  der  Nähe  der  Brücke  liegen  die  bedeutenden 
Steinbrüche;  sie  scheinen  Veranlassung  zu  einer  Vergröaserung 
Vilbels  gewesen  zu  sein,  und  zwar  ostwärts  bis  zur  Kirche.  Diese  Theile 
dehnten  sich  später  weiter  aus  nach  der  Kömischen  Villa  bin. 
Der  fremdartige,  vielleicht,  wie  das  Pompejanum  bei  Aschaffenburg, 
drollig  klingende  Name  der  Römischen  Anlage  mag  allmälig  dem 
Gesammtorte  geblieben  sein 

Die  Steinbrüche  von  Vilbel  weisen  uns  auf  einige  gewerbliche 
Verhältnisse,  welche  durch  die  Römer  in  hiesiger  Gegend  begründet 
wurden,  oder  in  Aufschwung  kamen.  Dass  dieser  Aufschwung  über- 
haupt ein  bedeutender  gewesen,  geht  schon  aus  den  vielen  Strassen 
anlagen  hervor,  welche  von  dem  vicus  novus  nach  allen  Richtungen 

15  Archiv  f.  Hess.  Gesch.  X.  1. 

2*  Kaum  giebt  es  einen  andern  Ortsnamen,  der  so  verschieden  geschrieben 
vorkommt,  wie  Vilbel,  Villbyl,  Vilvil,  Velvil.  Viel  mehr  hat  Bonames,  Hone 
mesa  den  Namen  gleich  behalten. 


zogen.  Neuerdings  ist  bei  Weiskirchen  das  Profil  der  Strasse  offen 
gelegt  worden,  welche  von  dieser  Römischen  Niederlassung  nach  dem 
Feldbergcastell  gefuhrt  wurde,  so  dass  kein  Zweifel  mehr  über  die 
Bedeutung  dieser  Hohle  sein  kann.  Sie  wird  jetzt  ausgefüllt,  die 
Aecker  werden  geebnet;  die  Steinunterlage  ist  zum  grossen  Theile 
herausgebrochen,  einzelne  Steine  zeigen  noch,  dass  die  Römer  den 
alten  Steinbruch  von  Mamolsheim  dazu  benutzt  hatten.  Bei  Nieder- 
Ursel  weudet  sich  diese  Strasse  etwas  ostwärts  nach  diesem  Dorfe 
hin,  welches  dazumal  wol  schon  vorhanden  war;  sie  schwenkt 
wieder  südlich  ab,  theilt  sich  in  zwei  Arme,  deren  einer  nach  dem 
vicus  novus  zog,  der  andere  nach  dem  Niddaübergang  bei  Heddern- 
heim. An  dieser  Stelle  hat  sich  eine  Ortschaft  zur  Seite  der  Strasse 
angebaut;  Heddernheim  ist  in  die  Erbschaft  der  Römer  eingetreten. 
Bei  Nieder-Ursel  zogen  mehrere  der  alten  Strassen  vorüber:  die 
Hessenstrasse,  vom  vicus  novus  nach  dem  Norden,  führte  östlich 
vorbei  nach  der  Höhe,  die  sie  bei  der  Saalburg  überschritt  (sie 
ist  in  den  letzten  Jahren  fast  ganz  ausgebrochen  und  geebnet  wor- 
den, nur  wenige  Reste  sind  noch  übrig);  eine  Mainzerstrasse  durch 
Eschborn*7  nach  Butzbach  überschritt  eine  Viertelstunde  oberhalb 
Nieder-Ursel  die  Bach.  Sie  ist  jetzt  ebenfalls  unterbrochen  und  durch- 
pflügt; endlich  ist  noch  der  Crutzenstrasse  zu  gedenken,  jetzt  Kreu- 
zerstrasse. An  dieser  Strasse  soll  eine  Quelle  hervorgesprudelt  sein, 
als  des  Bonifacius  Leiche  daselbst  geruht;  mit  anderen  Worten:  das 
Trauergeleite  ruhte  an  einer  Quelle.  Eine  solche  findet  sich  etwa 
auf  der  Hälfte  des  Weges,  wo  die  Gemarkungen  von  Kalbach  und 
Nieder-Ursel  zusammenstossen.  Angeblich  hat  man  dort  Mauersteine 
aufgefunden,  allein  aus  dem  Gedächtniss  der  Landbewohner  ist  jede 
Erinnerung  an  eine  Kirche  geschwunden.  Nicht  weit  davon  stand  ein 
Hochgericht.  Andere  Strassen  bei  Bonames  sind  schon  erwähnt  worden. 

Wenn  wir  im  Winter  über  die  kahlen  Felder  hingehen,  da  wo 
sonst  die  Strassen  des  Römerortes  sich  ausdehnten,  finden  wir  ausser 


lT  In  der  Heimgereite  von  Eschborn  soll  —  nach  Vogel  —  die  älteste 
Kirche  der  Umgegend  gestanden  haben.  Schwerlich  war  dies  Tidenheini  eine 
von  Eschborn  getrennte  Ortschaft,  oder  Eschborn  war  doch  älter  als  diese 
Kirche.  Der  Name  Tldenheim  ist  Jetzt  auch  in  den  Flurbüchern  nicht  mehr  zu 
finden.  Nach  der  Angabe  von  Börgermeister  Kuntz  sollen  unter  dem  Dtstricte 
Feld  Weingärten,  auf  den  Haneckern  (Hainäekern)  Basalt-  und  Ziegelsteine  im 
Boden  gefunden  werden.  Dort  habe  möglicherweise  eine  kleine  Kirche  oder 
Kapelle  gestanden.  Ueber  dieser  Stelle  ist  der  Streitplatz,  wo  angeblich  im 
Jahre  1389  die  von  Cronberg  heimkehrenden  Frankfurter  ereilt  und  geschlagen 
wurden. 

15 


-    226  - 

den  zahllosen  Ziegelbrocken  und  den  Rollstückchen  der  Taunusab 
hänge  zwei  Steinarten  besonders,  welche  zum  Bau  der  Röraermaueru 
verwendet  worden  sind:  einmal  den  Basalt  von  Eschersheim,  dami 
aber  auch  das  Todtliegende  von  Vilbel,  selbst  Stücke  versteinerten 
Holzes  aus  demselben.  Man  kann  aus  den  zum  Theil  stark  verwitter- 
ten Steinen  nachweisen,  dass  zu  jener  Zeit  schon  in  Vilbel  die  gros- 
sen Steinbrüche  in  Betrieb  standen,  welche  heute  noch  benutzt  wer- 
den oder  noch  erkennbar  sind.  Es  beweist  dies,  dass  zu  jener  Zeit 
ein  anderer  Transport  und  Verkehr  auf  der  Nidda  gewesen  sein 
muBS,  als  in  unseren  Tagen.  Statt  der  Mühlen,  die  jetzt  durch  Wehre 
das  seichtere  Wasser  aufstauen,  sah  man  zahlreiche  Schiffe  und  Aus- 
ladeplätze. Neben  den  Basaltstücken  von  Eschersheim  und  dem  Todt- 
liegenden  von  Vilbel  finden  sich  auf  dem  Heidenfelde  bei  Heddernheim 
auch  Kalksteine,  wahrscheinlich  vom  Bornbeimerberge;  daneben 
grössere  und  kleinere  Bruchstücke  von  Handmühlen ,  welche  aus 
dem  Rheinischen  Basalte  von  Nieder-Mendig  stammen;  durch  die  Ein- 
schlüsse (Hauyn)  Bind  sie  von  den  Eschersheimern  wol  zu  unter- 
scheiden. Auch  Schiefersteine  finden  sich  ziemlich  zahlreich,  zum 
Theil  haben  sie  noch  lVi  Schuh  im  Gevierte;  dem  Anscheine  nach 
stammen  sie  nicht  aus  dem  benachbarten,  schieferreichen  Taunus, 
sondern  aus  Tagesbauten  von  Caub,  sie  sind  nicht  so  lein,  wie  die 
Schiefer,  welche  wir  jetzt  aus  den  tiefen  Gruben  von  dort  erhalten. 
Die  Anwesenheit  aller  dieser  Steine  zeigt  uns,  wie  Handel  und  Verkehr 
in  jenen  Zeiten  sich  schon  lebhaft  entwickelt  hatten. 

Von  der  ganzen  grossartigen  Anlage,  welche  die  Römer  in  ihrem 
vicus  novus  geschaffen,  ist  jetzt  keine  Mauer  mehr  sichtbar,  die 
Strassen  sind  verschwunden,  bis  auf  den  einen  Weg,  welcher  die 
Umfassungsmauer  umzog.  Der  Grimm  der  Germanen  hat  nur  Trüm- 
merhaufen an  der  Stelle  der  Kriegerwohnungen  übrig  gelassen. 
Während  langer  Jahrhunderte  wurde  von  hier  das  Material  zu  den 
ärmlichen  Hütten  der  benachbarten  Ortschaften  entnommen.  So  erat 
konnte  das  gereinigte  Feld  wieder  dem  Saatkorn  geöffnet  werden 
Der  Wind  brausst  frei  über  die  Aecker,  die  jetzt  der  Pflug  durch- 
furchet. Zwischen  den  letzten  ungezählten  Bröckeben  und  Splittern 
einer  untergegangenen  Zwangsherrschaft  sprosstdie  grüne  Saat  freudig 
empor!  Kein  Bericht  der  Römer  meldet,  wie  die  Vertreibung  ge- 
schehen, auch  die  Namen  Derer,  welche  damals  geblutet,  sind  nicht 
verzeichnet;  aber  auf  die  gebrochenen  Mauern  der  Zwingburg  sollten 
unsere  Lehrer  die  Jugend  hinfÜhrenjährlich,  wenn  der  Winter  entweicht! 


-    227  - 


Es  folgt  nach  den  Römern  eine  lange  Zeit,  aus  welcher  uns  kaum 
Thatsachen  aufbewahrt  Bind.  Die  gewaltigen  Heeresztige,  welche  wir 
unter  dem  Namen  der  Völkerwanderung  begreifen,  können  dem  Main thal 
und  den  Taunusbewohnern  nicht  fremd  geblieben  sein.  Wir  wissen 
aber  nicht,  ob  sie  die  vorhandene,  unter  der  Römerherrschaft  nach 
dem  eignen  Berichte  ihrer  Schriftsteller  verdorbene  Bevölkerung  ver- 
pflunzt  und  ausgerottet,  oder  ob  diese  neu  gekräftigt  worden.  Nach 
manchen  Anzeigen  war  wol  das  letztere  der  Fall.  Viele  der  alten 
Weisthümer,  so  der  hohen  Mark,  der  Bibrauer  Mark  und,  anderer, 
heben  hervor,  dass  Wald,  Wasser,  Weide  den  Märkern  „zu  recht- 
lichem eigen0  sei,  dass  die  Märker  sie  von  Niemanden  zu  Lehen  er- 
halten. In  der  Bibrauer  Mark  wird  geweiset,  dass  der  Herr  von 
Falkenstein  nur  ein  gewählter,  kein  geborner  Vogt  sei.  Das  spricht 
für  Ureinwohner,  die  selbst  den  Wald  gerodet,  nicht  filr  Eroberer. 

Vielleicht  stammen,  wie  bereits  bemerkt,  aus  diesen  Zeiten  die 
späteren  Ringwälle,  auf  dem  Goldgrubenberge,  von  Dürkheim,  von 
Klingenberg  und  aus  der  Gegend  von  Orb.  Doch  haben  wir  nicht 
überall  in  einer  kunstfertigeren  Ausführung  ein  entscheidendes  Merk- 
mal darüber.  Auf  dem  höchsten  Gipfel  des  Krainberges  oberhalb 
Miltenberg  liegen,  von  zwei  Germanischen  Ringwällen  umschlossen, 
Spuren  welche  den  Aufenthalt  der  Römer  an  dieser  Stelle  nach- 
weisen, Steininschriften,  Mauern,  Bildwerke  und  Anderes28. 

Wahrscheinlich  ist  es,  dass  während  der  Zeit  der  Römerherrschaft 
man  anfing,  die  Drei-Kich  mehr  zu  bebauen.  Auch  hier,  wie  am  Tau- 
nusabhang, finden  sich  einige  Ortschaften,  welche  gleichen  Namen 
haben  wie  die  Bach,  welcher  sie  angebaut  sind.  Bieber,  (Ober-)  Roda, 
tSernbdt,  Egelsbach,  Kelsterbach,  Ofenbach  (noch  1493  Ouenbach 
geschrieben).  Andere,  besonders  am  Abhang  des  Odenwaldes,  tra- 
gen die  Bezeichnung  einer  Stadt:  Stockstadt,  Langstadt,  Kleestadt, 
Umstadt,  Ramstadt,  Eberstadt,  Pfungstadt,  Crumstadt  Sie  zeichnen 
fast  die  Grenze  der  Drei-Eich  vor;  von  Stockstadt  am  Main  bis  zu 
Stockstadt  am  Rhein  reichen  sie  Bich  die  Hand.  Eine  jüngere  Zeit 
ist  in  den  Ortschaften  angedeutet,  welche  von  Behausungen  der  ersten 

**  Steiner.  Maingeb.  u.  Spess.  S.  264.  hält  diese  Germanische  Wehr  für 
alter  als  die  Komische  Befestigung.  Auch  hier  sprechen  wir,  im  Interesse  der 
Eigen  thumer  ebensowol,  wie  im  Interesse  der  Erforschung  unserer  ältesten  Ge- 
schichte die  Bitte  aus,  alle  solche  Ringwälle,  namentlich  aber  die  ältesten,  wie 
den  auf  dem  Altkönig,  vorerst  nicht  zu  verändern,  nicht  zu  durchbrechen,  keine 
Wirthshäuser  darin  oder  daraus  zu  erbauen.  Zu  solchen  finden  sich  stets  in 
der  Nachbarschaft  geeignete  Plätze  genug  I 

15» 


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-    228  - 


Ansiedler  den  Namen  auch  später  beibehalten  haben.  Im  Innern  der 
Drei-Eich  ist  dieses  Vorkommen  das  zahlreichste:  Obertshausen, 
Froschhausen,  Hainliausen,  Zellhausen,  Messenhausen,  Eppertshausen, 
Güntershaiisen,  Hergertshausen,  Harpertshausen,  Buben-  (Baben)- 
hausen,  Harreshausen,  und  mehr  westlich:  Wixhausen,  Erzhausen, 
Schneppenhausen,  Gräfenhausen,  weit  seltener  sind  die  Bezeich- 
nungen nach  dem  Hof  wie  Dilshofen  und  Sickenhofen.  Das 
Weisthum  der  Drei-Eich  von  d.  J.  1338  zeigt  uns  dass  damals,  und 
wol  auch  .schon  viel  früher  die  Drei-Eich  in  Marken  abgetbeilt  war. 
Wahrscheinlich  älter  als  diese  mit  „Hausa  und  „Hof"  zusammenge- 
setzten Ortsnamen  sind  andere  mit  der  angehängten  Endigung  „heimu, 
fast  alle  unmittelbar  auf  dem  Main-  und  Rheinufer  angelegt:  Ostheiro, 
Welzheim,  Auheim,  Steinheim,  Dietesheim,  Muhlheim,  Griesheim, 
Schwein-  (Schwan)heim ,  Rüseelsheim,  Raunheim,  Bischofsheim, 
Ginnsheim,  Bauschheim,  Altheim,  Geinsheim,  und  das  jetzt  verschwun- 
dene Pfopfenheim.  Fast  gleichzeitig  mit  „heim14  scheinen  Dorfschaf- 
ten mit  der  Endigung  „ingen"  entstanden  zu  sein.  Solche  finden  sich 
aber  weit  seltener  und  scheinen  ebenso  wie  die  wenigen  als  „Weilir" 
bezeichneten  Ortschaften  des  Taunus,  Petterweil,  Dortel-  (Türkei-  oder 
auch  Dürkel-)weil  und  Hinterweil,  einem  Volksstamm  zuzuschreiben 
sein,  der  nur  vorübergehend  sich  in  dieser  Gegend  aufgehalten  hat 
Einmal  nur  ist  ein  solcher  Name  auf  der  Nordseite  des  Taunus  auf- 
zufinden, Usingen,  welches  an  der  Usa  liegt,  nicht  aber  mehr  nach 
dieser  als  Usa  oder  Usbacli  bezeichnet  ist  Am  südlichen  Abhang 
des  Taunus  liegt  oder  lag  Dillingen,  Weiterhin  an  der  Kinzig  Rückin- 
gen, in  der  Drei-Eich  am  Fusse  des  Odenwaldes  Sprendlingen,  am 
Maine  Sindlingen  und  weiter  östlich  Mainfellingen  und  Dettingen 

Ganz  spät  noch  entstehen  Ortschaften,  die  deutlich  von  einer 
mehr  fortgeschrittenen  Cultur  uns  Zeugnis»  geben,  oder  welche  auf 
die  Fränkische  Zeit  hinweisen  wie  KönigBstedten  zur  Seite  des  fremd- 
artig klingenden  Trebur.  Urprach  30  erhob  sich  mitten  in  den  "Wäl- 
dern, ebenso  Ober-  und  Nieder-Rode  am  versumpften  Mainesarm 
bei  der  Frankenfurt;  weiter  Erfelden,  Worfelden  und  Meerfelden. 


"»  Förstemanu,  deutsche  Ortsnamen,  1868,  findet  die  Namen  auf  „Weiler' 
als  Repräsentanten  des  Deutschen  Südwestens,  mehr  gewaltsam  als  organisch 
fortgeschrittene  Namenbildung.  Die  Endigung  auf  ringen"  und  „nngeu*  bezeichnet 
er  als  Thflringcnschen  (JcUrauch. 

In  dem  fJfllt-  u.  Rentengcfall  VcrzeichniBS  der  Drey-Eich  aus  dem  Jahr« 
l.W  ist  Urprach  aufgeführt,  weil  es  „DorrTgclt"  zu  zahlen  habe. 


—     229  — 


Durch  diese  letzteren  der  Feldcultur  geweihten  Ortschaften  zog  die 
Geleitestrasse. 

Zum  Schlüsse  ist  hier  noch  der  Bornlieimerberg  zu  betrachten,  der 
grosscntheila  noch  zur  Drei-Eich  gehörte.  In  der  Gegend  von  Aschaf- 
fenburg scheint  die  rechte  Mainseite  vor  der  linken  bewohnt  worden 
zu  sein.  Gross-Welzheim,  Gross-Krotzenburg,  Gross-Auheim  liegen 
auf  der  rechten  Mainseite,  Klein  Welzheim ,  Klein  Krotzenburg  und 
Klein- Auheim  sind  später  gegenüber  auf  der  linken  Mainseite  als  Zweig- 
dörfer entstanden.  Beim  Bornheimcrberg  finden  sich  nur  wenige 
Spuren,  welche  andeuten,  dass  einzelne  Plätze  in  verhältnissmäsig  alte 
Zeiten  hinaufreichen.  Bornheim  selbst  ist,  wie  Eschborn,  nach  der 
Quelle  benannt ;  aber  letzteres  wird,  wie  die  alten  Taunusortschaften, 
ebenso  wie  die  Quelle  oder  die  Bach  selbst  bezeichnet;  Bornheim 
leitet  seine  Bezeichnung  nur  von  dor  Quelle  her.  Bei  einem 
Vergleich  mit  den  altern  Taunusortschaften  kann  kein  Zweifel  darüber 
sein,  dass  Bornheim  viel  jünger  ist  als  diese,  z.  B.  als  Obererlenbach 
oder  Obemrsel,  oder  Steinbach.  Von  dem  ganzen  Gericht  des  Born- 
heimerbergs  sind  nur  Offenbach,  Nidda  und  Seckbach  31  ebenso  wie 
die  Bach  genannt,  Bergen  nach  seiner  Lage,  oder  auch  nach  der  Rö- 
mischen Befestigung.  Fast  alle  andern  Ortschaften  sind  als  Heimath 
einer  bestimmten  Person,  meist  wol  des  ersten  Ansiedlers,  bezeichnet: 
Eschersheim,  Berkersheim,  Bischofsheim,  Bockenheim,  Bräungesheim, 
Enkheim,  Fechenheim,  Ginheim,  Griessheini,  Massenheim. 

In  Bornheim  sind  drei  Theile  wol  zu  unterscheiden.  Einmal  der 
obere  Theil  um  die  Kirche  gelegen,  welcher  wol  als  der  älteste  zu 
betrachten  ist.  Weiter  als  zweiter  Theil  das  Römerfeld,  westlich  von  der 
Güntersburg,  etwa  10  Minuten  von  der  Bornheimerkirche.  Näher 
bei  dieser,  auf  dem  Rabenwingert  M,  hat  man  bei  dem  Legen  der 
Wasserleitung  eine  Römische  Begräbnissstätte  gefunden.  Dieser  Rö- 
mische Theil  ist  vertilgt  und  von  der  Erde  verschwunden;  Dr.  Römer 
hat  in  seinen  Beiträgen  zur  Geschichte  der  Stadt  Frankfurt  (1853) 


31  Der  älteste  Theil  von  Seckbach  ist  wol  der  nordöstliche  an  der  Seck- 
bach (Sackbach?);  abwärts,  nach  dem  Bruche  hin,  stand  ein  Eichwald.  Durch 
Wald  und  Sumpf  war  der  Ort  vortrefflich  geschützt;  Quellen  waren  imUeber- 
flusfl  vorhamlpn.  Die  Gemarkung  von  Seckbach  ist  wo)  abgerundet,  sie  reicht 
weit  gegen  Bergen  und  Vilbel  hin,  und  Uber  dem  Bruch  lag  wieder  ein  Wald. 
Westlich  am  Bornheimcrberg  zieht  vom  Sulzenschla^  ein  Wiescnthalchen  nach 
dem  Bruch  herab,  die  Weide  darauf  steht  gemeinschaftlich  Seckbach  und  Born- 
heim zu,  aber  der  Grund  und  Boden  gehört  ersterem. 

"  Noch  jetzt  darf  in  diesen,  längst  ausgerodeten  Wingert  nicht  gefahren 
werden. 


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—    230  — 


auf  Seite  79  ff  werthvolle  Mittheilungen  darüber  gemacht  Er  hält 
dafür,  dass  das  Monuinentum  Trajani  an  dieser  Stelle  gestanden.  M. 
Uns  kann  diese  Untersuchung  hier  nicht  weiter  beschäftigen  ;  die  Trüm- 
mer, welche  wir  von  der  Römerherrschaft  noch  vorfinden,  sollen  nur 
dazu  beitragen,  Nachweis  über  den  Zustand  der  Eingebornen  uns  zu 
geben.  —  Noch  ist  ein  dritter  Theil  von  Bornheim  zu  betrachten;  es 
ist  dies  der  untere,  an  der  Strasse  nach  Bergen,  lang  hinge- 
streckt, und  wol  erst  entstanden  als  der  Verkehr  zwischen  der  Fran- 
kenfurt und  Bergen  und  weiter  ostwärts  bedeutender  wurde. 

Wenn  wir  die  beiden  ersten,  die  ältesten  Theile  von  BornhciiTi 
zusammenstellen,  so  finden  wir  dass  die  Strassen,  so  weit  sie  jetzt 
noch  vorlianden  oder  offen  gelegt  sind,  für  ein  höheres  Alter  der 
Deutschen  Niederlassung  zu  sprechen  scheinen.  Der  alte  Pfad  welcher 
von  Frankfurt  unter  der  Güntersburg  vortiberführt,  zieht  nach  dem 
ältesten  Theile  von  Bornheim,  der  Vogelgesanggasse  und  der  Kirche. 
Auch  die  Strasse  nach  Seckbach  und  nach  Bergen  ist  keine  Römische, 
so  wenig  wie  die  noch  jetzt  in  nördlicher  Richtung  ziehenden  Wege. 
Von  dein  Germanischen  Bornheim  führt  nordwestlich  der  Weg  nach 
der  Friedbergerwarte  und  nach  Bonames,  nördlich  der  Weg  nach 
Vilbel.  Dieser  letztere  Weg  heisst  der  Prcungesheimerweg,  zieht  mehr 
auf  der  Hohe  hin  und  ist  wol  der  ältere.  Er  fuhrt  etwa  5  Minuten 
östlich  der  Friedbergerwarte  vorüber  und  wurde  noch  in  sehr  später 
Zeit  auch  von  Frankfurt  aus  benutzt.  Es  bog  von  dieser  Warte  her, 
der  Landwehr  entlang,  die  Frankfurterstrasse  nach  diesem  altern  Wege 
herüber.  Jetzt  ist  diese  Frankfurter  Strasse  etwas  anders  gelegt, 
allein  sie  fallt  noch  immer  unter  einem  stumpfen  Winkel  in  die  Born- 
heim-Vilbeler Richtung.  Auch  dieser  alte  Weg  von  Bornheun  nach 
Vilbel  gehört  jetzt  zu  den  verbotenen:  er  soll  „eigentlich*  nicht 
begangen  werden,  aber  es  ist  die  Gewann  eine  Grenze.  Nicht  nur 
das  Verbot,  auch  die  Poesie,  die  über  solchen  verbotenen  Wegen 
schwebt,  giebt  ihnen  einen  eigentümlichen  Reiz.  Bei  dem  Heiligen- 
stock lenkte  die  hohe  Strasse  zwischen  Rödelheim  und  Vilbel  ab  nach 
Bergen.  Dieser  Ort  scheint  für  die  Römer  wichtiger  gewesen  zu  sein 
als  Boraheim.  Seine  Lage  stimmt  mit  der  des  vicus  novus  in  vielem 
iiberein.  Die  Berger  Strasse  nach  Vilbel  führt  auf  der  Höhe  und 
scheint  Römischen  Ursprungs  zu  Bein,  nach  Osten  führt  ebenfalls 
eine  „hohe  Strasse";  an  den  Fuss  des  Berges,  beim  Uebergang 
über  den  Sumpf,  schmiegt  sich  das  Deutche  Enkheim,  wie  an  der 


»  Vergl.  noch  Frankf.  Jahrb.  1836.  VIII.  S.  251.  Historisch  antiquarisches 
von  Dr.  Römer. 


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1 


-    231  - 

Nidda  da» jüngere  Heddernheim;  endlich  ist  Bergen  der  Hauptort  des 
Bornheimerberges  geworden,  während  die«  ursprünglich  doch  gewiss 
Bornheim  war  M.  Auch  mit  Bonames  bieten  die  Verhältnisse  von 
Bergen  manche  Vergleichungspunkte. 

Noch  ist  des  Weges  zu  gedenken,  welcher  von  Bornheim  süd- 
westlich nach  der  Frankenfurt  zieht;  dabei  sind  aber  die  Bodenver- 
hältnisse zu  berücksichtigen.  Die  vielen  Quellen  de.»  Bornheimerberges 
haben  ihren  Abfluss  zum  Theil  nach  Osten,  nach  dem  Röderberg 
hin,  sie  schwemmten  dort  allmälig  den  Sand  herab  nach  dem  Metzger- 
bruch, und  rissen  selbst  zwischen  dem  Scheidswald  und  dem  Buch- 
wald durch  das  Kalkgestein  eine  Schlucht  Von  der  Wasserscheide 
des  Berges,  auf  welcher  das  Römische  Lager  gestanden,  rie- 
selten andere  Quellen  nach  Südwesten  gegen  die  Frankenfurt  hin. 
Ihnen  verdanken  die  ersten  Ansiedler  die  schönen  Wiesen  und  Wei- 
den, welche  bis  zum  Jahre  1864  noch  als  Bornheimerhaide  bestanden. 
Sie  waren  wol  neben  den  Quellen  eine  hauptsächliche  Veranlassung 
zur  Ansiedlung  auf  dem  Bornheiuier  Berge.  Die  Bornheimer  haben 
sie  auch  beharrlich  sich  erhalten,  als  später  sie  dem  aufblühenden 
Frankfurt  fast  bis  an  das  Thor  reichten.  Sie  sind  den  Frankfurtern  stets 
sehr  unbequem  gewesen;  die  Landwehr  bog  sich  um  diese  Wiesen 
her.  Weiter  abwärts,  beim  Hermes  oder  Hermannsbrunnen  bildeten 
die  Gewässer  einen  Sumpf,  dessen  alter  Abfluss  nach  dem  Maine 
jetzt  kaum  noch  zu  ermitteln  sein  möchte.  (Battonn  II.  S.  178  weist 
auf  den  Klkenbach  hin,  der  tiber's  Klapperfeld  nach  der  Prediger- 
gasse geflossen.)  Die  Landwehr  durchschnitt  auf  der  südwestlichen 
Gränze  der  Bornheimerhaide  zwei  Wege;  der  nördlichere  kommt 
von  dem  ältesten  Theil  Bornheims  herab,  er  zog  in  gerader  Linie 
an  der  Stelle  vorüber,  wo  General  von  Auerswald  ermordet  worden 
ist  An  dieser  Stelle  aber  hat  ihn  die  Landwehr  seitwärts  gedrängt, 
und  mühsam,  ungeschickt,  im  Zickzack  sucht  er  jetzt  die  alte  Rich- 
tung nach  dem  Friedbergerthore  und  der  Vilbelerstrassc  einzuhalten. 
Der  südlichere  Weg  ist  die  alte  Bergerstrasse,  an  welcher  der  jüngste 
Theil  von  Bornheim  sich  angebaut  Er  zog  in  gerader  Linie  durch 
die  Landwehr,  über  dem  llermessumpfe  her,  ebenfalls  nach  der  Vil- 
belergasse. Bei  dem  Gasthause  zum  Pfau  vereinigten  sich  beide 
Wege,  zogen  so  nach  der  alten  Eckenheimerstrasse,  und  bogen  auf 
dieser  —  jetzt  bei  der  Peterskirche  —  südwärts  nach  der  Franken- 


^  üeber  die  weiteren  Verhältnisse  von  Bergen  vergl.  Usener,  Ritterburgen 
8.  3  ff.  Auch  Steiner,  Maingebiet,  8.  151. 


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furt,  oder  vielleicht  auch  Uber  dio  Schäfergasse  und  Gelnhäusergassc 
nach  dem  ältesten  Thcile  der  Stadt. 

Wir  können  nicht  umhin  dem  Römcflagcr  bei  Bornheim  noch 
unsere  Aufmerksamkeit  zu  schenken.  Wir  suchen  es  auf,  indem  wir 
den  Weg  von  Bornheim  oberhalb  der  Güntersburg  nach  Westen 
betreten;  am  Ende  der  Mauer  th eilt  sich  dieser  Weg,  der  nördliche 
Zweig  steigt  etwas  nordwestlich,  und  hält  dann  die  frühere  Richtung 
wieder  ein,  der  südliche  läuft  als  wenig  betretener  Pfad  südwestlich 
Uber  die  Accker,  dann  nimmt  auch  dieser  wieder  die  frühere  Rich- 
tung auf.  Die  Wege  laufen  so  parallel;  sie  zeigen  die  einstige  nörd- 
liche und  südliche  Bcgränzung  des  römischen  Lagers.  Im  vorigen 
Jahrhundert  waren  die  Gräben  noch  sichtbar,  jetzt  sind  sie  ausge- 
glichen, aber  ein  kleiuer  Abhang  ist  geblieben.  Von  dem  südlichen 
wie  von  dem  nördlichen  Thorc  des  Lagers  liefen,  wie  es  den  An- 
schein hat,  Strassen  aus;  die  eine  nordwärts  gegen  die  Höhe  der 
Fricdbcrger  Warte,  in  welcher  Gegend  sie  auf  die  Strasse  nach 
Bonames  und  nach  Vilbel  traf;  südwärts  aber  eine  zweite  gegen  die 
Frankenfurt.  Dieser  Weg,  ebenso  wie  der  nördliche,  dient  jetzt  nur 
noch  der  Feldcultur,  er  zieht  in  gerader  Richtung  auf  der  Wasser- 
scheide durch  den  „Eichwald",  biegt  aber  weiterhin  jetzt  ostwärts 
nach  Bornheim  ab.  Anscheinend  zog  dieser  Weg  nach  dem  südlichen 
Theil  der  Bornheimerhaide,  vielleicht  auf  die  Bergerstrasse;  Anlage 
wie  Schicksal  sprechen  dafür,  dass  Römer  diesen  Weg  hergestellt 
Mit  dem  Abzug  der  Römer  verkümmerte  er,  aber  die  älteren 
Strassen  der  Einwohner  blieben  benutzt 

Den  Trümmern  und  der  Begrenzung  nach  zu  urtheilen  bat  hier 
nur  ein  sehr  untergeordnetes  befestigtes  Lager,  und  dies  nur  verhalt- 
nissmässig  kurz  und  in  später  Zeit  bestanden.  Während  bei  dem 
vicus  novus  der  ganze  Boden  mit  Resten  gleichsam  erfüllt  ist,  müssen 
sie  hier  aufgesucht  werden. 

Es  scheint  dass  der  Hermessumpf  eine  ganz  gerade  Richtung 
des  Weges  von  der  Frankenfurt  nach  Bornheim  verhinderte.  Wrir 
können  eine  spätere  Verbindung  Uber  die  Allerhciligengassc  und 
Breitengassc,  also  des  Ost-Endes  von  Frankfurt,  mit  dem  jüngeren 
Bornheim  verfolgen;  sie  führt  über  den  „Sand weg",  meidet  ebenso 
den  Hermessumpf,  wie  die  Sümpfe  des  Fischerfelds.  Dieser  Weg 
scheint  die  alte  Bergerstrasse  beeinträchtigt  und  theilweise  entbehr- 
lich gemacht  zu  haben ;  die  letztere  wurde  nach  dem  Rand  der  Born- 
heimerhaide  hin  gedrängt,  zog  dann  über  den  Sandweg,  und  wurde 
weiterhin  ganz  zur  Landwehr  verwendet  Sie  reicht  jetzt  nicht  mehr 
bis  zum  BrÜckchen,  auf  welchem  sich  die  Strassen  wieder  vereinig- 


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ten.  Die  nördlichere  dieser  Strassen  ist  die  Gelnhäuserstrasse;  es  ist 
die  Fahrstraase  oder  Güterstrasse  nach  dem  nördlichen  und  mittleren 
Theil  von  Frankfurt,  andererseits  nach  Bergen  und  Gelnhausen.  Bei 
der  Nachtweide  durchsog  sie  den  eisernen  Schlag  und  die  Landwehr, 
hinter  Seckbach  führte  sie  durch  die  Wingerte  nach  Bergen  hinauf. 

Es  ist  schwierig  aufzusuchen,  zu  welcher  Zeit  wol  eine  Strasse 
nach  Hanau  in  der  Ebene  geführt  worden  sei.  Wie  in  der  Fahrgasse 
bei  der  Mehlwaage  etwa  16  Fuss  tief  ein  alter  Steinweg  zu  Tage 
gekommen  ist,  so  fanden  sich  bei  Canalisirung  des  Metzgerbruches 
dicht  bei  dem  Brückchcn  der  Planauerchaussee,  tief  unter  dem  Moor- 
grund grössere  und  kleinere  alte  Hufeisen  und  Pferdeknochen.  Ks 
war  dies  die  Stelle,  wo  der  alte  nördliche  MaineBarm  am  schmälsten 
war,  und  den  leichtesten  Uebergang  darbot  Die  Strasse  welche  von 
der  Frankenfurt  auf  den  Bornheiracrberg  zog,  zweigte  am  Fusse 
desselben  östlich  nach  Hanau  oder  nach  Kesselstadt  ab.  Sie  über- 
brückte hier  wol  den  Metzgerbruch  und  zog  auf  der  höchsten  Erhe- 
bung des  Flachlandes  dahin.  Noch  jetzt  bezeichnet  die  Chaussee  die 
Richtung  dieses  Weges.  Einzelne  Pferde  mögen  von  der  mangel- 
haften Holzbrücke  gestürzt,  oder  durch  das  Eis  gebrochen  sein;  ihre 
Eisen,  ihre  Knochen  fanden  sich  mehr  als  10  Fuss  tief  unter  der 
jetzigen  Oberfläche  des  Bodens ,  von  Torf  überdeckt.  Nach  den  Aus- 
sagen sachverständiger  Männer  sind  diese  Hufeisen  von  sehr  guter 
Arbeit,  von  schön  geschwungener  Form,  vordere  wie  hintere  Eisen. 
Einige  sind  mit  Stollen,  eine  Falz  ist  bemerklich  und  Nagelköpfe; 
ein  grösseres  Eisen,  wie  sie  jetzt  bei  kranken  oder  zu  schonenden 
Pferdehufen  angewendet  werden.  So  finden  wir  in  diesen  Besten,  welche 
wol  aus  den  ältesten  Zeiten  der  Frankenfurt  stammen,  die  Gewerbe 
bereits  auf  einer  gewissen  Höhe. 

In  dem  Vorstehenden  ist  mehrfach  des  störenden  Einflusses  ge- 
dacht worden,  welchen  äussere  Verhältnisse  im  Laufe  der  Zeiten  auf 
die  Richtung  der  Strassen  ausgeübt  haben.  Es  giebt  kaum  etwas 
zäheres,  unverwüstlicheres  als  die  Richtung  einer  Strasse.  Ein  Bei- 
spiel liegt  uns  in  der  alten  Eckenheimerstrasse  vor,  welche  von  der 
Höhe  herabsteigend  unterhalb  des  Friedhofs  nach  zwei  Richtungen 
sich  abzweigte,  nach  dem  östlichen  Theile  von  Frankfurt  und  nach 
dem  nördlichen.  Durch  die  Ackerbesitzer  ist  der  letztere  Weg  mehr 
und  mehr  bedrängt  worden,  allein  die  Wanderer  hielten  stets  an  der 
geraden  Richtung  fest.  Auf  dem  Plane  welchen  Thomas  im  Jahre 
1790  verfertigt  hat,  ist  diese  Richtung  noch  angedeutet  Neuerdings 
brachten  es  die  Grundbesitzer  dahin,  ein  Verbot  des  alten  Weges  zu 
erwirken.  An  einem  Sonntag  Morgen  war  ein  Stock  aufgerichtet  mit 


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der  Warnung;  zwei  Feldschützen  standen  zur  Bekräftigung  daneben, 
wiesen  die  Leute  rechts  ab,  nach  der  Chaussee.  Diese  machten  laut 
ihrem  Unmuthe  Luft,  beriefen  sich  auf  das  Recht  des  Publikums, 
aber  keiner  hatte  Lust,  zur  Wahrung  desselben  die  Gerichte  anzuge- 
hen. Ganz  im  Stillen  jedoch  bildete  sich  in  kurzer  Zeit  ein  neuer 
Weg  neben  dem  alten  verbotenen,  und  wird  nun  gerade  so  begangen, 
wie  sonst  der  alte  — 

Zweierlei  Dinge  haben  weit  störender  auf  die  Richtung  der 
Strassen  der  Frankenfurt  eigenwirkt,  als  ein  blosses  Verbot.  Einmal 
die  Umschliessung  der  Stadt  selbst  mit  Mauern  und  Gräben,  dann  die 
Herstellung  der  Landwehr  in  weiterer  Entfernung  von  der  Stadt 
Die  Sicherheit  verlangte  eine  Beschränkung  der  Anzahl  der  Pforten 
und  Thore;  so  war  im  Innern  der  Stadt  eine  Hemmung  oder  Er- 
schwerung des  Verkehrs  herbeigeführt  worden  bei  der  Bornheimer- 
pforte  für  den  Ausgang  gegen  Osten,  bei  der  Hasengasse  und  bei 
dem  Liebfrauenberge  für  den  Ausgang  nach  Norden.  Mit  der  soge- 
nannten zweiten  Stadterweiterung  wurde  der  Verkehr  mit  Born  heim 
ebenso  in  der  Richtung  der  Breiteugasse  und  dem  Sandweg  durch- 
schnitten, wie  auf  der  Bergerstrasse;  weiter  die  Eckenheimerstrasse 
bei  der  Altgasse,  und  der  Weg  von  der  Brücke  nach  Eschersheim 
bei  der  Schliiuniauer.  Sachsenhausen  wurde  geschlossen  bei  der  Op- 
penheimerpforte  und  am  Thiergarten.  Die  Landwehr  hat  den  öst- 
lich, nach  Seckbach  über  den  Berg  führenden  Weg  bei  dem 
Seheidswald  abgeschnitten  35 ;  sie  zog  auf  der  Gränze  der  Feldmark 
nach  der  Bergerstrasse,  welche  sie,  wie  angeführt,  theil weise  zerstörte, 
lief  um  den  untern  Theil  der  Bornhcimcrhaide  und  durchschnitt  da- 
selbst zwei  BornheimerWege.  An  dem  östlichen  Zugange  Bornheims 
war  ein  Fallthor  angebracht;  die  Landwehr  begann  wieder  am  nord- 
östlichen Ausgang  beim  Adlersweg,  zog  nach  dem  Seckbacher-  oder 
Sulzen-Schlag,  von  wo  sie  jetzt  noch  in  der  nordwestlichen  Richtung 
verfolgt  werden  kanu;  sie  durchschnitt  hier  den  Weg  von  Bornheim 
nach  Vilbel  und  nach  Eckenheim.  Weiterhin  zwang  sie  die  Wege 
nach  Praunheim  und  nach  Ginnheim  über  den  Ginnheimer  Steg,  und  ' 
durchschnitt  den  Wellerpfad  nach  Preungesheim. 

Wie  die  Verkehrsverhältnisse  auf  dem  rechten  Ufer  des  Maines 
andeuten,  dass  die  Frankenfurt  den  Römern  ohne  besondere  Bedeu- 
tung gewesen,  so  auch  die  Strassen  auf  der  linken  Seite  des  Flusses. 


>»  An  dem  Abhang  des  Borges  daselbst  ist  auf  alten  Plänen  auch  ein 
Jndenkirchhof  verzeichnet. 


—    235  - 

Auch  hier  führen  die  ältesten  Strassen  hoch  über  der  sumpfreichen 
Ebene.  Ein  solcher  Weg  ist  der  Bischofsweg,  der  vielleicht  oder 
wahrscheinlich  bereits  zu  der  Römer  Zeit  von  Mainz  nach  Aschaffen- 
burg führte.  Er  zieht  hoch  oben  an  der  Frankenfurt  vorüber.  Von 
dem  Königslacher  Bronnen  im  Wäldchen  beim  Forsthause  lenkt  er 
«ach  Südosten,  überschreitet  die  Königsbach  bei  der  schwarzen 
Steinkaute  auf  den  zwei  Brückchen,  führt  dann  dem  Lärchesberg3* 
hinauf,  südlich  der  Warte  vorüber.  Diesen  Weg  ritten  später  die 
Mainzer  Bischöfe,  wenn  sie  Aschaffenburg  besuchten87. 

Eine  spätere  Zeit  ist  angedeutet  in  dem  Wege,  welcher  von 
der  Königsbach,  oberhalb  dem  Ried  oder  Sumpf  in  dem  der  Riedhof 
liegt,  am  Fusse  des  Sachsenhäuser  Berges  ostwärts  zum  Hainerweg 
fahrt.  Zu  dieser  Zeit  war  die  Frankenfurt  benutzt,  die  Wege  ziehen 
jetzt  nach  ihr  hin,  selbst  die  „alte  Strasse",  welche  südlich  bei  Ober- 
rad vorüber,  von  Offenbach  nach  dem  Seehof  und  weiter  über  den 
Mühlberg  führt.  Mit  diesen  beiden  Strassen  leiten  alle  von  Süden 
kommenden  Wege  nach  einem  Puncte,  an  welchem  der  Uebergang 
über  den  Sachsenhäuser  Mainesarm  bewerkstelligt  wurde.  Die  Rich- 
tung dieser  Strassen  bezeichnet  für  das  untere  Mainland  eine  neue 
Zeit  und  eine  neue  Cultur,  und  der  Name  der  Furt  daselbst  zeigt 
uns  an,  wem  diese  Zeit  gehörte! 

Die  Richtung  aller  nach  der  Frankenfurt  ziehenden  Strassen 
lässt  keinen  Zweifel  dagegen  aufkommen,  dass  auf  der  rechten 
►Seite  des  Maines  der  Landungsplatz  der  Furt  an  der  Stelle  gewesen, 
wo  jetzt  in  Frankfurt  die  Fischergasse  und  die  Fahrgasse  nach  dem 
Maine  führen.  Mag  die  Stelle  jetzt  durchaus  umgewandelt  sein ,  er- 
höht, tiberbaut  —  dorthin  führten  in  den  ältesten  Zeiten  schon  die 
Strassen.  Oestlich  dieser  Stelle,  auf  dem  Fischerfeld,  zog  Niederung 
und  Sumpf  weit  in's  Land  hinein,  nordwestlich,  auf  der  alten  Main- 
insel,  siedelte  sich  der  älteste  Stadttheil  an;  von  der  Furt  durch  die 
Fwchcrgasse  aufwärts  nach  dem  Dome  und  weiterhin  auf  dem  Markt 
war  die  eigentliche  Niederlassung  „bei  der  Frankenfurt"38. 

Es  scheint  dass  eigentlich  nicht  die  Fahrgasse,  sondern  die 
Fischergasse  die  älteste  Strasseurichtung  bei  der  Frankenfurt  be- 


"  Der  Name  ist  sehr  verschieden  in  den  Urkunden  und  auf  den  alten 
Karten  geschrieben,  z.  B.  Lechlingsberg.  Es  stand  Nadelholz  darauf. 

"  Vergl.  den  älteren  Aufsatz:  Die  Wege  des  Frankfurter  Waldes,  abge- 
druckt im  Frankf.  Conv. -Blatt.  1861.  Nr.  115  ff. 

*  Noch  1465  beisst  es  in  einem  kaiserlichen  Schreiben :  Unser  und  des 
Reichs  statt  zu  Frankfurt  auf  dem  Msyne.   Vergl.  oben  8.  212  Note. 


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-  236 


zeichnet.  Der  Weg  von  der  Fischerpforte  nach  der  Höhe  der  Main- 
Insel,  dein  Markte,  führte  wol  auf  der  Wasserscheide  hin,  ist  aber 
allmälig  durch  spätere  Bauten,  z.  B.  beim  Pergaraeuterplätzehen  fast 
unkenntlich  geworden.  Auf  der  Höhe  selbst  hat  der  Bau  des  Doms 
und  der  Friedhof  jede  sichere  Spur  der  Strassen  verwischt ;  bei  dieser 
höchsten  Stelle  schied  der  Weg,  welcher  durch  die  Borngasao  nord- 
wärts über  d*«n  Mainesarm  führte,  von  der  StrasBC,  welche  die  Rich- 
tung der  ältesten  Niederlassung  oder  Ansiedelung  bezeichnet,  von  dem 
Markte,  dem  höchsten  Rücken  der  Main-Insel.  Wahrscheinlich  war 
gerade  in  der  Boragassc  der  versumpfte  Mainarm  am  leichtesten  zu 
überschreiten,  oder  es  veranlasste  der  Born,  dass  hier  der  Weg  sich 
bildete.  Dieser  Born  lag  jenseits  des  Grabens,  am  Fusse  der  An- 
höhe, welche  nach  dem  Bornheimerberg  hinaufzog,  wahrscheinlich 
haben  hier  bei  dieser  Quelle  die  Strassen  nach  Norden  sich  getheilt, 
es  liegt  aber  für  diese  Vermuthung  jetzt  nur  die  entferntere  Richtung 
der  Strassen  noch  vor,  in  nächster  Nähe  hat  der  Hof  der  Johanniter 
die  nordöstlich  ziehenden  Strassen  verwischt,    s.  lig. 


Der  obere  Theil  der  Fahrgasse  ist  nach  dieser  Quelle  gerichtet; 
ebenso  die  Lindl leimergasse  und  die  Geinhäusergasse,  deren  weiterer 
Verlauf  in  der  Schäfergasse  und  in  Bornheim  sich  vorfindet.  Der 
kürzeste  Weg  nach  Eschersheim  zog  durch  den  Trier'schen  Hof; 
als  zeitweise  die  königliche  Münze  diesen  Platz  eingenommen, 
mag  die  Steingassc  als  Ilauptstrasse  gedient  haben.  Sehr  zu  be- 
achten bleibt  hier  die  Mittheilung  Battonn's,  dass  die  Schnurgasse 
eine  grössere  Breite  gehabt,  und  dass,  wie  vor  anderen  Thoren  der 


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-    237  - 


Stadt,  ein  Pfuhl  anch  bei  der  Gelnhänsergasse  gelegen,  b.  Heft  III. 
S.  3.  4.  24. 

Da  in  den  letzten  Tagen  dies  dritte  lieft  von  Battonn's  örtlicher 
Beschreibung  der  Stadt  Frankfurt,  mit  den  v.  Fichard'Bchen  Zusätzen 
veröffentlicht  worden  ist,  so  konnten  diese  trefflichen  Mittheilungen 
bei  dieser  vorliegenden  Arbeit  noch  benutzt  werden.  Es  gehen  diese 
ausgezeichneten  Forscher  davon  nus,  dass  Frankfurt  seine  Entstehung 
den  Königen  verdanke,  dass  der  Römerberg  mit  der  Sala  der  Platz 
gewesen,  um  welchen  her  die  übrigen  Theile  der  Stadt  sich  angelegt. 
Zu  gleichem  Resultate  ist  die  vorliegende  Arbeit  nicht  gelangt;  die 
Aufschlüsse,  welche  die  Strassen  der  Stadt  uns  geben,  scheinen  viel- 
mehr alle  dahin  zu  deuten,  dass  Frankfurt  in  seiner  oberen  Altstadt 
schon  vor  den  Königen  bestanden,  dass  erst  der  untere  Theil  der 
Altstadt,  d.  h.  die  um  den  Saalhof  und  die  Leonhardskirche  gelegenen 
Strassen,  eine  Schöpfung  der  königlichen  Nahe  gewesen.  Die  zwischen 
dem  Markte  und  dem  Saalhof  hinziehenden  Gh'sschen  geben  ein 
deutliches  Bild  dieser  verschiedenen  Entstehung,    s  fig. 


Die  Gässchen  der  östlichen  Altstadt  ziehen  nach   dem  Markt, 
insbesondere  nach  dem  Hühnennarkt,  der  westliche  Theil  aber  ist. 
nach  dem  Saalhof  oder  nach  einem  Eingänge  desselben,  da  wo  jetzt 
die  Bendergasse  ist,  gerichtet. 

Demnach  wäre  nicht  der  Römerberg  der  Hauptplatz  der  ältesten 
Niederlassung  gewesen,  Bondcrn  der  Hühnermarkt  oder  Friedhof. 
Sehr  mit  Grund  wol  hat  Battonn  gerade  an  dieser  Stelle  die  älteste 
Kirche  Frankfurts  gesucht,  (s.  3.  Hft  135)  und  Fichard  in  d.  Wet- 
teravia  S.  12.  diese  Vermuthung  unterstützt  Für  ihre  Ansicht  spricht 
noch  der  Grund,  dass  in  alten  Zeiten  die  Kirchen  au  den  Haupt- 
Htrassen  erbaut  wurden,  der  Lärm  des  Verkehrs  brachte  noch  keine 


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Störung.    An  der  bezeichneten  Stelle  zog  nicht  nur  die  Hauptstrasse 
vorüber,  sondern  es  mündeten  auch  zwei  Seitenstrassen,  die  Lange- 
schirn  und  der  Tuchgaden.     Diese  sind  nicht  auf  den  Platz  selbst 
gerichtet,  sondern  auf  das  Eckhaus  Lit  L.  Nr.  144,  zum  Schlegel. 
Auf  dieser  Stelle  hat ,  vielleicht  die  Kirche  oder  Kapelle  in  den  ältes- 
ten Zeiten  gestanden,  der  steigende  Verkehr  hat  sie  verscheucht. 
Fichard  macht  (Battonn,  3.  S.  193)  aufmerksam,  wie  blühend  hier  der 
Handel,  wie  gross  das  Gedränge  an  dieser  Stelle  gewesen  sein  müsse. 
Das  sprechendste  Zeugniss  darüber  giebt  uns  noch  heute  das  gegen- 
überliegende Haus  Lit  M.  Nr.  190,  zum  neuen  rothen  Haus,  das  auf 
Säulen  ruht.    Es  schwebt  Uber  der  Strasse,  hat  von  dieser  keinen 
Eingang,  aus  dem  Nachbarhause  Nr.  191  fuhrt  der  Zugang  hinein. 
Welch  ein  Gewühl  mag  hier  gewesen  sein,  welch  ein  Gedränge  in  den 
engen  Strassen.  Der  Markt  —  sonst  die  Kramgasse,  unter  den  Kremen  — 
bezeichnet,  wie  bereits  bemerkt,  die  Wasserscheide  der  Frankfurter 
Maininsel;  auf  dieser  Hauptstrasse  standen  die  wichtigsten  Gebäude  der 
Stadt,  östlich  die  Hauptkirche  (St  Salvator)  auf  dem  Kreuzungspunkte 
mit  der  Eschersheimer  Strassenrichtung ;  das  Rathhaus  daneben ;  weiter- 
hin beim  Freihofe  und  den  Tuchgaden  das  Kaufhaus.  Der  Brunnen  wel- 
cher auf  der  höchsten  Stelle  des  Hühnermarktes  steht,  der  Friedhofborn, 
ist  ein  vielleicht  erst  in  verhältnissinässig  späten  Zeiten  gegrabener; 
eine  Quelle  ist  er  nicht,  wie  ohne  Zweifel  der  alte  Born  in  der  Born- 
gasse es  war.    Gegen  Norden  lallt  die  frühere  Maininsel  hier  ziem- 
lich steil  ab,  so  dass  die  alte  Marienkapelle  wol  nicht  auf  der  Nord- 
seite des  Friedhofs  gelegen  war.   Auf  dem  Abhang  nach  dem  Main- 
arm lagen  grössere  Gehöfte  oder  Gärten,   sie  sind  heut  zu  Tage 
noch  in  dem  Haynerhofe,  dem  Keppelerhöfchen,  dem  Rebstock,  dem 
Lämmchen,  dem  Numbergerhofe  aufzufinden.   Nur  eine  Strasse  bil- 
dete sich  noch  auf  diesem  nördlichen  Abhang:  hinter  dem Lämmcheti. 
Jetzt  reicht  diese  Strasse  bis  zum  Hühnermarkt,  es  ist  nicht  unwahr- 
scheinlich  dass   sie  früher  weiter  gegen  Osten  gereicht  (Vergl. 
Battonn,  3.  Hft.  142  sub  kl.  Seligeneck.) 

So  ist  die  Altstadt  in  der  Richtung  und  dem  Verlaufe  des  Mark- 
tes angedeutet  Auffallend  verengt  sich  dieser  an  seinem  Ende  beim 
steinernen  Hause,  wo  mehrere  Strassen  sich  vereinigen.  Wie  an  ver- 
schiedenen andern  Stellen  eine  solche  Verengung  ein  ehemaliges 
Thor  andeutet,  so  wol  auch  hier.  Auf  dem  Samstagsberg  fiel  die 
Maininsel  ab  nach  einer  Mulde,  deren  westliche  Seite  jetzt  der  Rö- 
merberg bildet.  Ueber  diese  Mulde  hin  zog  der  Weg  von  dem  Markte 
westwärts  nach  der  Wedelgasse,  er  hielt  sich  auf  der  Höhe  (hinter 
dem  Römer)  längs  des  Mainarmes.  Zur  Zeit  Karls  des  Grossen  mag 


—   239  - 

dieser  Stadttheil  noch  nicht  bebaut  gewesen  sein;  er  ist  weit  geräum- 
iger angelegt  als  die  eigentliche  Altstadt  oder  Oberstadt  Die  Kö- 
nigspaläste waren  Wasserburgen,  sie  lagen  hinter  Wassergräben  in 
der  sumpfigen  Niederung  des  Flusses;  der  Saalhof  am  unteren  Ende 
der  angedeuteten  Mulde,  gerade  in  dem  Wasserablauf;  der  andere 
Palast  etwas  weiter  mainabwärts.  Wol  nicht  der  besseren  Rundsicht 
wegen  traten  sie  vor  die  Uferlinie  heraus,  sondern  weil  sie  im 
Wasser  lagen  39.  Vom  Markte  aus  zog  sich  ein  sehr  bemerkenswer- 
ther  Strassenfächer  nach  der  Sala  herab,  von  beiden  Königspalästen 
aber  zogen  breite  Strassen  über  den  Mainarm  hinüber  und  nach  dem 
nordlich  ziehenden  Eschersheimer  Wege,  von  dem  Saalliof.  die  neue 
Kräine,  von  der  Leonhardskirche  die  Buchgasse  mit  dem  Kornmarkt. 
Der  erstere  Palast,  der  Saalhof,  scheint  der  bedeutendere  gewesen 
zu  sein;  nach  ihm  sieht  eine  grössere  Zahl  von  Strassen,  selbst  das 
linke  Mainufer  beachtet  nur  diesen  Palast40. 

Viel  schwieriger  als  auf  dem  rechten  Mainufer  bleibt  der  Ab- 
fahrts-  oder  Landeplatz  auf  der  linken  Mainseite,  in  Sacbsenhausen, 
zu  bestimmen.  Die  Richtung  der  Strasse  welche,  von  Süden  kom- 
mend, den  Sachsenhäuser  Bruch  überschreitet,  bleibt  weiterhin  die- 
selbe auf  dem  »Steinweg;' ;  sie  führt  nach  dem  Affenthor,  durch  die 
Paradiesgasse  nach  dem  Mainufer.  In  unseren  Tagen  finden  wir  da- 
selbst keinen  Ausgang  nach  dem  Flusse,  allein  der  spätere  Bau  der 
Brücke  hat  manche  Bedürfnisse  umgestaltet  Wir  müssen  uns  vor- 
erst noch  Brücke  und  Stadtmauer,  Mühl  wehre,  in's  Flussbett  vor- 
gerückte Steinschanzen  und  das  dahinter  angeschwemmte  Land  mit 
den  heutigen  Bleichen  wegdenken,  wir  werden  dann  mit  ziemlicher 
Sicherheit  die  Paradiesgasse  und  den  Stadttheil,  welcher  östlich  der- 
selben von  der  kleinen  und  der  grossen  Rittergasse  umschlossen  ist, 
als  den  ältesten  Theil  Sachsenhausens  bezeichnen  können.  Die  abge- 
rundete Form  desselben  finden  wir  in  dem  Kern  mehrerer  alten 
Ortschaften  des  Taunus  ähnlich  vor.  Hier  mochte,  wie  drüben  an 
der  Fischergasse,  der  Fluss  die  Wohnungen  fast  erreichen.  Zur  Seite 
des  Gässchens  bei  des  Francken  Hof  zeigt  ein  Strich  in  der  Mauer 
die  Wasserhöhe  von  1784  etwa  4  Schuh  über  dem  Strassenpflaster. 
Eine  solche  Wasserhöhe  rauss  also  schon  zur  Zeit  der  ersten  Ansied- 
inngen in  Sachsenhausen  eine  nicht  gewöhnliche  gewesen  sein. 


Vergl.  Krieg  von  Hochfelden,  die  ältesten  Bauwerke  im  Saalliof.  Archiv 
f.  Frankf.  Gesoh.  u  Kunst.  III.  Heft.  S.  1. 

♦o  Vergl.  Battonn,  Besohr.  d.  St.  Frankf.  I  S.  25. 


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Wir  können  noch  jetzt  leicht  beobachten  wie  bei  steigendem 
Hochwasser  zuerst  der  unterhalb  der  Brücke  gelegene  Theil  Ton 
Sachsenhausen  tiberschwemmt  wird ,  dann  tritt  das  Gewässer  bei  dem 
Deutschen  Hause  in  den  oberen  Theil,  weiter  durch  die  Antauche  in 
die  Rittergasse;  langsam  nur  steigt  es  in  der  Paradiesgasse,  die 
nicht  unbedeutenden  Fall  hat.  Hier  scheint  der  alte  Landungsplatz 
der  Furt  gesucht  werden  zu  müssen,  da  wo  jetzt  die  Stadtmauer 
mit  dem  einen  Hirtenthurm,  oder  wo  der  Frankensteiner  Hof  steht 
Auf  dem  Plan  von  1552  ist  daselbst  eine  Pforte. 

Fichard «  hält  die  Brückenstrasse  für  den  ältesten  Theil  von 
Sachsenhausen.  Allein  diese  Strasse  hat  nicht  das  Kennzeichen  der 
alten  Strassen,  welche  immer  in  geradester  Richtung  auf  ihr  Ziel 
gehen.  Sie  hält  die  südliche  Richtung  nur  kurz  ein,  stösst  sehr  bald 
auf  die  Dreikönigstrasse  und  deren  Verlängerung,  die  Elisabethen- 
gasse; in  diese  letztere  biegt  man  ein,  fast  unter  einem  rechten 
Winkel,  gelangt  so  nach  der  Paradiesgasse;  auf  dieser  erst  geht  es 
wieder  südwärts  dem  Steinwege  zu. 

Viel  älter  als  die  Brückenstrasse  scheint  der  Weg  zu  sein,  in 
welchen  sie  einmündet,  die  Dreikönigstrasse,  weiterhin  Elisabethen- 
gasse genannt.  Dieser  Weg  trifft  etwa  in  der  Gegend  des  Ulrichstei- 
nes auf  den  Main,  au  welcher  Stelle  noch  auf  dem  Plane  von  15öS? 
eine  Ueberfahrt  angegeben  ist.  Sie  ging  nach  der  Fahrpforte  oder 
dem  Saalhof,  und  war  bedingt  durch  das  Vorhandensein  des  Königa- 
palastes;  sie  ist  jünger  als  dieser.  Die  Strasse  zieht  auf  dem  linken 
Maiuufer  von  der  Ueberfahrt  ostwärts  nach  der  Paradiesgasse  und 
demUebergang  des  Sachsenhäuser  Bruches;  es  bot  sich  kein  näherer 
Weg  dar  um  nach  dein  Süden  zu  gelangen.  Sie  mag  in  ihrem  unte- 
ren Theile  lange  unbebaut  geblieben  sein,  denn  noch  jetzt  wird  dieser 
untere  Theil  als  Dreikönig  „Strasse"  bezeichnet,  der  obere  als  „Eli- 
sabethen jjgasse".  Diese  Namen  selbst  sind  wol  aus  verhältnisamässig 
später  Zeit;  die  Elisabethencapelle  wurde  von  den  Deutschen  Herren 
auf  der  Südseite  dieses  Weges,  am  Ende  der  Brückenstrasse  errich- 
tet Der  Platz  wo  sie  stand,  ist  erst  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts 
zur  Verlängerung  der  Brückenstrasse  verwendet  worden. 

Man  weiss  nicht  genau,  zu  welcher  Zeit  die  Brücke  nach  Sach- 
senhausen gebaut  worden  ist;  es  bestand  damals  gewiss  schon  der 
obere,  dicht  gedrängte  Theil  von  Sachsenhausen,  ebenso  die  Drei- 
königstrasse, oder  vielmehr  der  Weg  von  der  Königsfurt  nach  dem 
Steinweg  über  den  Sachsenhäuser  Bruch.  Der  Ort  mag  damals  noch 


Vergl.  Battonn,  Orth  Beschr.  d.  Stadt  Frkf.  I.  8.  22€. 


sehr  klein  gewesen  sein,  er  hatte  wol  keine  Kirche.  Als  die  Brücke, 
vielleicht  um  das  Jahr  tausend,  hergestellt  wurde,  war  Platz  genug 
vorbanden,  es  bildete  sich  eine  sehr  breite  Strasse,  auf  welcher  die 
Brück enarbeiter,  Zimmerleute  und  Schmiede  behaglich  arbeiten 
konnten.  Es  ist  die  breiteste  Strasse  der  Altstadt,  obgleich  sie  bei 
dem  Bau  des  Deutschen  Hauses  von  ihrer  Breite  verloren  haben  mag. 

Auffallend  ist  es  dass  gerade  in  dem  mittleren  Theile  von  Sach- 
senhausen, zunächst  der  Brücke,  grosse  Besitzungen  sich  erhalten 
haben.  Es  lagen  daselbst  die  Wohnungen  der  Ministerialen,  während 
die  kleinen  Absiedlungen  der  Gewerbtreibenden,  östlich  bei  der  Para- 
diesgasse, und  westlich  dem  Maine  entlang  bis  zur  unteren  Ueber- 
fahrt  bei  dem  Königspalaste  sich  erhoben  hatten.  Auch  hier  scheinen 
zwei  verschiedene  Veranlassungen  der  langen  Streckung  des 
ursprünglichen  Dorfes  Sachsenhausen  zu  Grunde  gelegen  zu  haben, 
einmal  die  Frankenfurt,  dann  die  Nähe  der  Königsburg  und  die 
Ueberfahrt  daselbst. 

Von  der  Brücke  mainabwärts  bis  zur  alten  Ueberfahrt  bei  dem 
Königspalaste  bildete  sich  allmälig  eine  Gasse,  jetzt  die  Löhergasse. 
Sie  stammt  wol  aus  dem  Zeitraum  zwischen  dem  Bau  des  Königs- 
palastes und  dem  Brückenbau,  und  war  gewiss  immer  vorzugsweise 
von  Gewerbsleuten  bewohnt,  welche  an  oder  auf  dem  Flusse  ihre 
Nahrung  fanden.  Als  im  Jahre  1338 — 40  in  Sachsenhausen  eine 
Kirche  gestiftet  wurde,  fand  sie  ihren  Platz  auf  der  Südseite  dieser 
Strasse.  Die  Bewohner  von  Sachsenhausen  wanderten  am  Ruhetage 
nicht  hinauf,  zur  höchsten  Stelle  der  Gegend  —  wie  man  sonst  wol 
in  älteren  Ortschaften  des  Mainthaies  die  Kirche  zu  stellen  pflegte  — 
sie  gingen  hinab,  oder  sie  fuhren  in  Kähnen  zur  Kirche,  wenn 
Ueberschwemmungen  eingetreten  waren.  Die  Kirche,  der  Geistliche 
und  der  Schullehrer  ist  dem  Unterquartier  immer  geblieben,  das 
Oberquartier  aber  hatte  die  zwei  weltlichen  Hirten. 

Es  drängt  sich  hier  die  Erinnerung  an  eine  Sage  auf,  nach 
welcher  Sachsenhausen  von  Sachsen  erbaut  worden  sein  soll.  Dass 
dies  unter  Carl  dem  Grossen  geschehen  sei,  ist  mehrfach  und  von 
ausgezeichneten  Forschern  bezweifelt  worden  *2.  Es  mag  erlaubt 
sein ,  auch  diese  Frage  hier  zu  berühren. 

Bekannt  ist  die  grosse  Verschiedenheit  der  Bewohner  Sachsen- 
hausens von  den  Frankfurtern.  Sie  zeigt  sich  in  Sprache,  in  Sitten 
und  Gewohnheiten,  und  selbst  in  der  Rechtsanschauung  w.  Allein 

«  So  z.  B.  von  Fiohard,  in  Battonn  I.  S.  227. 
♦3  Vergl,  Kirchner  I.  8.  20. 

16 


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242 


eine  solche  Verschiedenheit  ist  keineswegs  gerade  in  einem  Stamm 
unterschied  zu  suchen,  sie  entwickelt  sich  ebensowol  aus  verschie- 
dener Gewerbsthätigkeit.  Während  der  Handel  den  Frankfurter 
unablässig  veranlasste,  mit  den  verschiedensten  Menschen  in  Be- 
rührung zu  treten,  lebte  der  feldbautreibende  Sachsenhäuser  abge- 
schlossen und  einförmig  für  sich  hin44. 

Weit  wesentlicher  scheint  die  Verschiedenheit  des  oberen  und 
des  unteren  Quartieres  in  Hachsenhausen  zu  sein.  Jetzt  wird  der 
Theil  oberhalb  der  Brücke  vorzugsweise  von  Gärtnern  bewohnt, 
unterhalb  wohnen  mehr  Fischer  und  Gerber,  doch  haben  auch  diese 
zum  Theil  schöne  Güter,  Baumwachs  und  Weinwachs.  Früher  mag 
dies  anders  gewesen  sein;  als  die  Carolinger  längst  dahin  gegangen, 
war  noch  die  Umgegend  von  Sachsenhausen  Wald  und  Sumpf,  der 
Wald  deckte  noch  den  Sachsenhäuser  Berg,  er  reichte  bis  zum 
Main.  Die  Sachsenhäuser  hatten  ihre  Nahrung  auf  dem  Maine; 
Ober-Reusen  hicssen  die  Bewohner  des  oberen  Theils,  Unter-Reusen 
die  andern.  Beide  waren  also  Fischer.  Sie  hatten  als  solche  keinen 
besondern  Zunftverband,  sie  bildeten  eine  gemeinschaftliche  Zunft 
mit  den  Frankfurter  Fischern,  hatten  aber  eine  besondere  Zunft- 
stube. 

Anders  ist  es  mit  den  Gärtnern,  die  sich  wol  allmälig  ihr  Feld 
urbar  machten,  und  den  Feldbau  zu  ihrer  Nahrung  betrieben;  sie 
waren  nie  zünftig  und  auch  nicht  rathsföhig;  sie  blieben  Weingärt- 
ner bis  sie  spät,  erst  im  Jahre  1843,  nach  langem  Processiren  und 
Bitten,  zu  einer  besonderen  Genossenschaft  zusammentreten  durften. 
Als  20  Jahre  später  alle  Zunftscbranken  fielen,  zählten  sie  über 
200  Meister,  die  Frankfurter  Gärtnerzunft  kaum  deren  50. 

Die  Ober-Reusen  und  die  Unter-Reusen  ohne  gerade  in  Feind 
schaft  zu  leben,  haben  sich  doch  stets  gemieden,  sie  kamen  nicht  leicht 
zum  Wein  zusammen;  alte  Familien,  wie  die  Rumbier,  die  Frey- 
eisen, die  Schenk  sind  immer  in  ihrem  Quartier  verblieben;  ein  sel- 
tener Fall  ist  es,  wenn  einzelne  Familienglied  er  wegziehen. 

Sollte  diese  Abneigung  auf  Stammesverschiedenheit  und  auf 
sehr  alte  Zeiten  zurückzufuhren  sein?  Auch  dies  möchte  stark  zu 
bezweifeln  sein.  Wrenn  Carl  der  Grosse  Sachsen  nach  dem  Franken- 


"  Neuere  Reisebeschreibungen  heben  das  fürchterliche  Fluchen  und  Schwören 
der  Sachscuhiiuscr  alB  eine  besondere  Eigentümlichkeit  hervor.  Dies  war  nicht 
immer  so.  Als  im  Jahr  1532  ein  Diener  des  Amtmanns  im  Hain  vor  dem 
Schlag  bei  der  Holen  (Quirinspforte)  Bauern,  weil  sie  unberechtigt  Holz  nach 
Frankfurt  führten,  anhielt,  entsetzten  sich  die  Zeugen  aus  Sachsen  hausen  aber 
sein  lästerliche«  Fluchen.  Acta  Mglb.  A.  46.  Tom.  IX.  S.  44  sqq.. 


.gle 


lande  verpflanzt  hat,  so  musste  er  ihnen  auch  Ländereien  geben, 
auf  denen  sie  leben  konnten.  Solche  waren  aber  in  Sachsenhausen 
damals  nicht  vorhanden,  selbst  der  Fischfang  war  nicht  mehr  frei. 
Einzelne  Familien  mögen  sich  im  unteren  Theile  von  Sachaenhausen 
angebaut  haben,  sie  mögen  selbst  allraälig  dem  Dorfe  den  Namen 
gegeben  haben,  aber  dass  eine  Sachsische  Colonie  Sachsenhausen  ge- 
gründet habe,  dafür  liegt  gar  keine  Wahrscheinlichkeit  vor.  —  Es 
scheint  dass  die  Bezeichnung  „hausen"  eine  kleine  Ansiedlung  an- 
deute; solche  Ortschaften  sind  vielfach  wieder  ausgegangen,  so  Wil- 
kommshausen,  Hausen  bei  Oberursel,  VeltmershauBen  am  Feldberg. 
Andere  derartige  Ortschaften  sind  aber  gediehen,  wie  Geilenhausen, 
Baben-  (Buben-)  hausen,  Holzhausen.  Alle  Ortsnamen  unserer  Gegend 
beziehen  sich  entweder  auf  ihre  Lage,  wie  HochBtadt,  Ostheim,  oder 
auf  Gegenstände  der  Landwirthschaft  und  der  Waldcultur,  wie  Stier- 
stadt, Seulberg,  Lindheim,  Heckstadt,  Eschenhahn,  Rodheim,  Meer- 
felden,  oder  aber,  wie  wol  am  meisten,  auf  die  Person,  den  Bewoh- 
ner, wie  Sossenheim,  Eckenheim,  Ruppertshain  und  die  meisten  mit 
„hausen*  zusammengesetzte  Namen.  So  mag  es  sich  auch  mit  Sach- 
senhausen verhalten,  dem  entweder  ein  oder  mehrere  des  Namens 
oder  —  was  wol  dasselbe  ist  —  des  Stammes  der  Sachsen  ihren 
Namen  gegeben  haben*. 

An  den  Brückenbau  knüpft  sich  wol  die  Entstehung  der  Fahr- 
nisse; sie  läuft  weit  tiefer  als  der  Markt,  am  östlichen  Saume  der 
Maininsel,  über  dem  Fischerfelde  hin.  In  unseren  Tagen  macht  sich 
das  Bedürfniss  mehrerer  Brücken  geltend,  zugleich  aber  die  Schwie- 
rigkeit die  passende  Stelle  zu  finden,  welche  nicht  allzuviele  Interes- 
sen verletzt,  möglichst  viele  berücksichtigt  So  hat  man  wol  auch 
zu  der  Carolinger  Zeit  die  Brücke  nahe  an  die  Furt  gelegt,  zugleich 
aber  eine  neue  Strasse  geschaffen,  welche  nicht  gehindert  von  den 
bestehenden  kleinen  Verhältnissen ,  breiter  dahinzog  und  erst  beim 
Johanniterhof  in  die  alte  nach  Norden  führende  Strasse  mündet. 
Das  in  der  Tiefe  der  Fahrgasse  aufgefundene  Pflaster  dürfte  dann 
kaum  Römischen  Ursprungs  gewesen  sein. 

Weit  mehr  bebaut  als  der  nördliche  Abhang  war  die  Maininsel 
auf  dem  Abfall  gegen  Süden,  wo  die  Bendergasse  in  gleicher  Rich- 
tung mit  der  Hauptstrasse  zog,  nach  Erbauung  der  Königspaläste 


4»  Gewiss  unrichtig  aber  ißt  es,  wenn  der  Name  Sachsenhausen  auf  „an- 
sässig" bezogen  wird,  wie  im  „Elsass",  denn  so  würde  das  Wort  „hausen"  nur 


" 


-    244  - 


auch  die  Saalgasse,  welche  von  diesen  nach  der  Furt,  oder  auch 
nach  der  Fahrgasse  führte.  Bei  dem  Eingang  in  den  Saalhof  verengte 
sich  die  Saalgasse;  sie  erhielt  in  westlicher  Richtung  eine  Verlänge- 
rung nach  dem  andern  Königspalast,  in  der  Mainzergaase.  Die 
Bendergasse  aher  hlieb  auf  die  obere  Altstadt  beschränkt,  es  war 
keine  Veranlassung  fttr  eine  Ausdehnung  nach  der  unteren  Altstadt 
vorhanden. 

Als  eine  nördliche  Stadterweiterung  —  gewöhnlich  als  „ersteu 
bezeichnet  —  über  den  Mainarm  erfolgte,  hatte  sich  wol  schon  jen- 
seits eine  Strassenanlage  vorbereitet,  die  Schnurgasse,  in  dem  Namen 
ebenso  wie  in  der  Veranlassung  ganz  übereinstimmend  mit  der  Zeil, 
welche  die  zweite  oder  eigentlich  die  dritte  Stadterweiterung  andeu- 
tet Battonn  giebt  sich  grosse  Mühe  im  dritten  Hefte  nachzuweisen, 
wie  eigentlich  Schnurrgasse  müsse  gesprochen  und  geschrieben  wer- 
den, allein  er  selbst  macht  zugleich  darauf  aufmerksam,  dass  diese 
Gasse  vor  Zeiten  so  breit  als  die  Zeil  gewesen,  dass  also  da* 
Schnurren  der  Räder  drinnen  in  den  Häusern  nicht  so  störend  ge- 
wesen sein  möge.  Das  Volk  fragt  nicht  die  Gelehrten,  wie  es  schrei- 
ben und  sprechen  solle,  es  spricht  so  wie  die  Väter  gesprochen. 

Kur  drei  Gassen  führten  aus  der  Altstadt  hinüber  nach  der 
damaligen  Neustadt,  die  Fahrgasse  westlich,  die  Borngaase  mehr  in 
der  Mitte,  die  neue  Krame  westlich.  Dies  mochte  dem  BcdUrfniss 
nicht  genügen,  so  dass  die  NeugasBe  noch  geschaffen  wurde.  Viel- 
leicht wurde  zu  diesem  Zwecke  der  Friedhof  auf  dem  Markte  dem 
Verkehr  geopfert.  Wie  wichtig  die  Neugasse  gewesen,  das  zeigen 
die  vielen  Sackgässchen,  welche  in  sie  münden.  Die  Höfe  auf  dem 
nördlichen  Abhang  der  Maininsel  hinderten  die  Verbindung;  in  eig- 
nem Interesse  öffneten  sich  dem  Durchgang  der  Rebstock  und  der 
Nürnbergerhof ,  aber  nur  bei  Tage.  Jetzt  wurde  auch  die  Vertiefung 
des  alten  Mainarmes  bebaut,  besonders  von  Gewerben  welche  Wasser 
brauchten,  wie  Färbereien  und  Badstuben.  Nur  ein  grösserer  Hof 
bildete  sich  zwischen  dem  Mainarm  und  der  Schnurgasse,  der  Hot 
des  Johanniterordens.  Er  hat  wol,  wie  bemerkt,  die  verschiedenen 
abzweigenden  Strassen,  vom  Born  nordwärts,  beschränkt;  es  blieb  nur 
die  Borngasse,  bis  zu  welcher  der  Hof  hin  reichte. 

Für  den  Höhenrücken  des  neuumschlossenen  Stadttheils  ist  die 
Döngesgasse  zu  halten,  mit  dem  Liebfrauenberg.  Auch  sie  hatte  an 
diesem  Kreuzungspunkte  eine  Kirche.  In  ähnlicher  Weise  wie  die 
Döngesgasse  zur  Schnurgasse  sich  verhält,  scheint  auch  die  Vilbeler- 
gasse bei  der  Peterskirche  vorUber  nach  dem  Eschenheimerthore  eine 
Verlängerung  gehabt  zu  haben,  anders  liease  sich  das  plötslich« 


245  — 


Umbiegen  der  Schäfergasse  (der  Fortsetzung  der  Gelnhäusergasse) 
beim  alten  Kirchhof  kaum  erklären. 

Es  mag  hier  des  Unterschiedes  in  der  Bezeichnung  von  Gassen 
und  von  Strassen  gedacht  werden,  welchen  Herr  Dr.  Finger  richtig 
gedeutet  hat  Erstere  bezeichnen  die  auf  beiden  Seiten  dicht  ange- 
bauten, mit  Häuser  besetzten  Wege  der  Altstadt,  Strassen  finden 
sich  nur  in  der  Neustadt;  sie  sind  unvollständig  bebaut  gewesen.  Aber 
auch  hier  werden  die  alten  Wege,  die  Allerheiligengasse  und  Brei- 
tengasse, die  Vilbelergasse  und  Hammelsgasse,  die  Altgasse  und 
Schäfergasse,  die  Eschenheimergasse,  in  der  Bezeichnung  selbst  als 
wol  bebaut  geschildert 

Wenn  schon  bei  der  ersten  nördlichen  Stadterweiterung  es  sich 
zeigte,  wie  schwer  geeignete  Verbindungsmittel  geschaffen  wurden, 
so  dies  noch  weit  mehr  bei  der  zweiten  nach  dem  Jahre  1333.  Auch 
diesmal  waren  es  nur  die  zwei  alten  Wege,  welche  zu  Strassenver- 
bindungen  der  Altstadt  und  der  Neustadt  verwendet  wurden,  die 
Fahrgasse  nach  der  Friedbergergasse  und  die  Borngasse  mit  der 
Hasengasse  nach  der  Schiimmenmauer,  jetzt  Stiftsstrasse.  Ausser 
diesen  hatte,  bis  vor  wenigen  Jahren,  die  Zeil  keine  Verbindung  mit 
der  Döngesgasse. 

Nicht  nur  für  die  Frankenfurt,  auch  für  das  ganze  Land  zwi- 
schen Rhein,  Main  und  Odenwald  ist  die  Zeit  der  Franken  von  der 
höchsten  Bedeutung  geworden.  Zur  Röraerzeit  befand  sich  die  Haupt- 
strasse welche  vom  mittleren  Rheine  nach  Osten  zog,  auf  der  rech- 
ten Mainseite.  Zur  Zeit  der  Fränkischen  Könige  wurde  das  linke 
Mainufer  das  betretnero.  Die  Fahr  über  den  Rhein  bei  Weissenau 
nächst  Mainz  wurde  ein  Reichslchen,  die  Befestigung  bei  Rüssels- 
heim und  bei  Kelsterbach  wurden  strategisch  wichtige  Puncte.  Glän- 
zende Reichs  Versammlungen  werden  jetzt  auf  dem  linken  Mainufer, 
zwischen  Rhein  und  Main  gehalten,  zahlreiche  Güterwagen  ziehen 
zwischen  den  aufblühenden  Reichsstädten  dabin. 

Die  Carolinger  hatten  auf  der  Mainspitzc  einen  Königssitz  zu 
Trebur  oder  Treber  **.  Es  war  die  Nähe  von  Worms,  Oppenheim 
und  Mainz,  der  vortreffliche  Boden,  die  reichen  Wiesen  und  der 
nahe  Forst,  welche  für  die  Anlage  dieser,  an  der  kleinen  Schwarz- 
bach gelegenen  Villa  entschieden.  Ringsum  eine  freundliche  Aussicht, 


**  Aach  dieser  Name  klingt  fremdartig,  man  hat  ihn  mit  Trier  in  Verbin* 
dung  gebracht,  an  eine  Pflanzstätte  der  Trevirer  gedacht  Vergl.  Dilthey, 
Völkerstämme  am  Mittelrhein,  Hess.  Archiv  V.  3.  Hft. 


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—    246  — 

begrenzt  durch  die  Hügel  jenseits  des  Rheins,  durch  den  Taunus, 
den  Odenwald.  Unter  den  Fränkischen  Kaisern  wurden  häufig  die 
Grossen  des  Reichs  nach  Trebur  berufen.  Von  den  drei  Kirchen, 
die  sich  daselbst  erhoben,  ist  jetzt  nur  noch  eine  einzige  übrig,  auf 
den  Grundmauern  der  St.  Laurenzienkirche  erbaut.  Alle  übrige 
Herrlichkeit,  Kirchen  und  Palast  sind  fast  spurlos  verschwunden.  Man 
kennt  nicht  mehr  die  Stelle,  wo  der  Kaiserpalast  gestanden*7.  Tre- 
bur und  Königstedten  sind  reiche  Bauerndörfer  geworden,  aber  die 
alten  Strassen  haben  sich  erhalten.  Südöstlich  über  Geinsheim  geht 
der  Weg  nach  der  Rheinfurt  bei  Oppenhehn,  die  alte,  hochgelegene 
„Hosterstrasse1'  findet  sich  da  noch;  nordöstlich  zieht,  über  König- 
stedten, der  Weg  nach  der  Frankenfurt  Dieser  Weg  ist  nooh  auf 
:ilten  Karten  als  Königstedter  Strasse  bezeichnet.  Er  führt  von  die- 
sem Orte  nach  den  Gondt-  oder  Gundhöfen,  von  da  unweit  dem 
Vier-Herrentische  oder  dem  Vier-Herrenstein  vorüber  nach  dem 
Königslacher  Bronn  beim  Frankfurter  Forsthaus.  Mir  ist  in  unsern 
Tagen  noch  von  Hasslocher  Waldarbeitern  diese  Strasse  als  „Aschaf- 
fenburgerstrasse"  bezeichnet  worden,  auch  in  der  Hessischen  Gene- 
ralstabskarte ist  sie  so  aufgeführt;  wahrscheinlich  ist  sie  älter  als 
Frankfurt 

Für  diese  Strasse  nach  Südwesten  entstand,  in  verhältnissmässig 
wol  späteren  Zeiten,  ein  Uebergang  Uber  den  ehemaligen  Sachsen- 
häuser Mainesarm,  die  Oppenheimerstrasse;  sie  führte  zum  Oppen- 
heimerthore,  durch  ein  schmales  Gässchcn  in  Sachsenhausen  nach 
der  Dreikönigstrasse  und  der  Brücke:  es  ist  kein  alter,  mit  der 
Frankenfurt  aufgewachsener  Weg;  der  Festungsgraben  schnitt  später 
die  Strasse  entzwei48,  das  Landpförtchcn  am  ITlrichstcine  wurde 
erweitert,  dass  die  Wagen  durch  das  Schaumainthor  gelangen  konn- 
ten, aber  der  grosse  Verkehr  ging  doch  durch  das  Affenthor. 

Von  dem  Schaumainthore  aus  führte  durch  Buschwerk  und  Wie- 
sen nur  ein  Fusspfad  nach  dem  Sandhof  und  nach  Niederrad.  Er 
überschritt  die  Königsbach ,  hier  auch  Riedbach  genannt,  unweit  des 
Sandhofs  auf  dem  hohen  Steg,  an  der  Stelle,  wo  der  alte  Main eaarm 
durch  herabgeführten  Sand  hoch  überdeckt  ist.  Bis  zum  heutigen 
Tag  muss  dieser  Pfad  und  dieser  Steg  dem  an  manchen  Tagen  so 
unendlich  gesteigerten  Verkehr  genügen.  Aber  dafür  sehen  wir  auch 
an  jedem  schönen  Abend,  unbelästigt  von  dem  Staub  der  Carossen, 


«  Vergl.  Bcnkard,  die  Reichspaläste  zu  Tribnr  etc. 

♦*  Erat  im  Jahre  1864  ist  die  Verbindung  wiederhergestellt  worden. 


—    2*7  — 


so  viele  Schaaren  glücklicher  Men  sehen  auf  diesem  Pfade  durch  das 
wogende  Korn  nach  dem  Walde  ziehen. 

Oberrad*9  mag  älter  »ein  als  Niederrad,  das  mehr  noch  in  der 
feuchten  Niederung  lag ;  beide  aber  sind ,  wie  wol  nicht  zu  be- 
zweifeln sein  mag,  weit  jünger  als  Frankfurt.  Es  waren 
gewiss  ärmliche  Rodeplätzo,  sie  hatten  fast  keine  Ländereien.  Es 
mögen  nur  wenige  Wohnungen  gewesen  sein,  die  unterhalb  der  alten 
Strasse  nach  Offenbach  bei  den  Quellen  in  der  Nähe  der  Kirche 
aufgebaut  wurden.  Die  Bewohner  trieben  ihr  Vieh  in  den  Frank- 
furter Wald,  der  Viehweg  bildete  das  Ende  des  Dorfes.  Im  vier- 
zehnten Jahrhundert  theilte  sich  Oberrad  mit  Sachsenhausen  in  den 
Waldboden,  der  bis  zur  Landwehr  hin  urbar  gemacht  wurde.  Wol 
der  Streitigkeit  wegen  über  den  Wiltbann  begünstigte  der  Frank- 
furter Rath  dieses  Roden.  Der  neue  Berg  ist  bis  auf  unsere  Zeit 
grossentheils  mit  Reben  bepflanzt;  diese  Cultur  hat  die  Eigentüm- 
lichkeit, dass  sie,  wie  in  Sicilien,  gegen  Norden  gelagert  ist.  Die 
Sachsenhäuser  theilten  mit  den  Oberrädern  den  Waldboden  durch 
eine  faBt  ganz  gerade  Linie,  welche  die  Gränze  der  Oberräder  Ter- 
bildet ». 

Es  führte  nach  Oberrad,  als  es  am  BergeBabhange  sich  erhob, 
ein  Fahrweg  von  der  Quirinspforte  ostwärts  am  Fusse  des 
neuen  Berges  hin.  Der  alte  Weg  auf  der  Höhe  wurde  nach  und 
nach  verlassen.  Aber  die  neue  Strasse  reichte  nur  bis  Oberrad,  dort 
bogen  die  Güterwagen  nach  dem  Viehweg  ab,  und  gelangten  mit 
Vorspann  mühsam  auf  die  alte  Strasse,  welche  Bie  weiter  ostwärts 
verfolgten.  Dies  ging  so  bis  in  das  neunzehnte  Jahrhundert  hinein. 
Auf  der  Höhe  ist  jetzt  diese  Strasse  von  den  anliegenden  Grundbe- 
sitzern eingeschränkt,  sie  ragt  auf  und  zeigt  dass  sie  die  höchsten 
Stellen  auf  dem  Berge  benutzt.  Weiterhin,  da  wo  sie  von  dem  Käs- 
berg oder  Kessberg  nach  Offenbach  durch  eine  Hohle  herabführt, 
gibt  sie  uns  noch  getreu  das  Bild  einer  alten  Strasse. 


49  Oberrad  hiess  sonst  Ober  Rode,  von  roden,  ebenso  Nieder  Rode.  Die 
Wortbildung  ist  hier  verschieden  von  Ober  Roden  an  der  Rodau  oder  am  Ro- 
deubach; dies  wurde  Ober  Roda  geschrieben. 

"  Noch  zweimal  bat  Oberrad  Stocke  des  Frankfurter  Waldes  für  den  Feld- 
bau eingeräumt  erhalten,  den  Kessberg  und  den  Teller.  Später  haben  die 
Frankfurter  ihren  grössten  Schatz,  den  Frankfurter  Wald  gegeo  alle  Anforde- 
rungen beharrlich  gewahrt.  Erst  unseren  Tagen  blieb  das  früher  Undenkbare 
vorbehalten,  dass  Abgeordneten  der  Frankfurter  Ortschaften  es  gestattet  wurde, 
mitzustimmen  über  die  Verwendung  des  Frankfurter  Waldes. 


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Wie  nach  Niederrad,  bo  führte  auch  nach  Oberrad  ein  Fuas- 
pfad  vom  Thiergarten  in  Sachsenhausen  durch  die  "Wiesen,  über  die 
versumpften  Mainesarme.  Die  Wiesen  und  Felder  waren  zeitweise 
nicht  gangbar;  als  die  Umgegend  von  Sachsenhausen  bereits  ange 
baut  war,  störte  noch  der  alte  Mainesarm  die  Cultur ;  an  ihm  wen- 
dete der  Pflug,  wie  noch  heut  zu  Tag  die  Furchen.  Die  vereinzelte 
Baumgruppe  steht  auf  der  alten  Insel  zwischen  den  Mainesarmen*1. 

Wir  wenden  uns  zu  der  südlichen  Strasse  welche  nach  dem 
Hain  führte,  heute  noch  der  Haynerweg.  In  der  kürzesten  Richtung 
führte  sie  von  der  Affenpforte  über  den  Sachsenhäuser  Mainesann, 
übersehritt  ihn  auf  schmalem  Damme,  der  leicht  durch  einen  Schlag 
gesperrt  werden  konnte  **,  und  zog  gerade  aus  den  Berg  hinauf.  Bei 
dieser  Stelle  zweigten  die  jüngeren  Strassen  ab,  rechts  zuerst  für 
den  Güterverkehr  eine  bequemere  Fahrstrasse,  an  welcher  die  Warte 
erbaut  wurde;  dann  nach  Westen  die  nach  Mainz  und  nach  Oppen- 
heim unten  am  Fusse  des  Sachsenhäuserberges  hinführende  Strasse; 
nach  Südosten  die  Strasse  nach  Ditzenbach  und  nach  Heusenstamm ; 
ostwärts  die  alte  Strasse  nach  Offenbach,  endlich  am  Fusse  des 
Mühlberges  die  jüngere  Strasse  nach  Oberrad. 

Der  alte  Haynerpfad  war  vorzugsweise  wol  von  Fussgängern 
und  von  Heitern  benutzt,  für  Wagen  war  er  zu  steil.  Diese  zogen 
gemächlicher  der  Anhöhe  hinauf  auf  der  Strasse,  die  weiterhin  als 
der  „breite  Sandweg14  bezeichnet  wurde,  sie  überschritt  südlich  der 
Sausteige  die  Königsbach  auf  dem  Saudbrückchen  (jetzt  beim  Men- 
dclsohnsplatzc) ;  den  Kesselbrueh  umgehend,  gelangte  man  in  die 
alte  Weilen-Ruh  M,  nach  Sprendlingen  und  nach  Langen.  Eis 
liegt  noch  ein  grosses  Dunkel  über  der  Geschichte  der  Drei-Eich; 
nicht  einmal  über  den  Ursprung  des  Namens  besteht  eine  Nachricht 
oder  eine  Sage.    Dicht  vor  dem  Thorc  von  Dreieichenhain,  wo  die 

»i  Auf  einer  solchen  früheren  Insel  ist  auch  Rischofsheim  bei  Bergen  ange- 
baut. Dass  die  Ansiedelung  nicht  auf  der  rechten  Seite  des  Mainarmes,  am 
gesünderen  Bergesabhang  geschehen,  dafür  lässt  sich  kaum  ein  anderer  Grand 
angeben,  als  dass  dies  bessere  Lawl  schon  seinen  Eigenthümer  hatte.  Um  das 
Knde  des  vorigen  Jahrhunderts  erst  betrieb  es  der  tüchtige  Amtmann  Uscner 
in  Bergen,  dass  auch  der  Sumpf  getheilt  und  zu  Wiesen  umgeschaffen  wurde. 

«  Vergl.  Kriegk,  Bürgerzwistc  S.  260  und  Anm.  141.  -  Der  Namo  Quirius- 
pforte  w  urde  wol  von  einem  der  Pförtner  entlehnt,  es  findet  sich  auch  die 
Bezeichnung  „Molen  Porte"  von  der  hohen  Kadmühle.  cf.  Acte  Mglb.  A.  46 
modo  CC.  Tom.  IX. 

41  Auch  der  Weilen  Bug.  Weil  hiess  die  jetzt  fast  vertrocknete  Bach  bei 
YBenburg.   Kuh,  auch  in  der  hohen  Mark  öfter  statt  Rüg,  Rüge,  Gericht. 


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-    249  - 

Wege  nach  Langen  und  nach  Sprendlingen  sich  scheiden,  sollen  sie 
gestanden  haben.  Tn  dem  dicken  runden  Thurm  der  Burg  hat  man 
hoch  oben  einen  Römischen  Grabstein  eingemauert  gefunden.  Jetzt 
steht  er  unten,  an  die  Kirche  angelehnt.  Schwerlich  hatten  die 
Römer  in  diesem  Sumpfe  sich  angebaut  Nach  einer  Mittheilung 
von  Pfarrer  Nebel 54  stiess  man  kürzlich  beim  Graben  eines  Brun- 
nens in  der  Haupstrasse  des  Ortes  auf  ein  zweites  Pflaster,  weiter 
abwärts  auf  ein  drittes,  und  etwa  acht  Fuss  tief  auf  einen  Rost  von 
Eichenstfimmen.  Das  passte  vortrefflich  zu  einer  Burg  des  Mittel- 
alters, aber  für  einen  Römischen  Feldherrn  hätte  doch  eine  solche 
Station  fern  von  der  Strasse,  in  abgelegener  Wildniss  und  im  Sumpfe 
keine  Bedeutung  gehabt. 

Die  deutschen  Burgen  haben  im  Ganzen  wenig  verändernd 
auf  den  Strassenverkehr  eingewirkt.  Eis  waren  entweder  hochge- 
legene Felsen  dafür  ausersehen,  wie  Cronberg,  Nüringen,  Homburg 
(Hoe'nberg  oder  Hohenburg),  oder  aber  sumpfige  Stellen,  bei  welchen 
die  Sicherheit  hinter  Wassergräben  gesucht  wurde,  dies  bei  den  vielen 
Burgen  in  der  Niederung  des  Mainthaies,  dann  bei  der  Güntersburg, 
der  Schnepfenburg  u.  a.  m.  Diese  letzteren  waren  von  geringerer 
Bedeutung,  sie  sind  meist  zu  Höfen  herabgesunken,  oder  ganz  ver- 
schwunden, wie  die  Burg  der  von  Buchen  oder  von  Praunheim.  An 
die  erstere  aber  knüpften  sich  vielfach  jüngere  Ansiedelungen, 
welchen  nicht  Ackerbau,  sondern  allein  die  Burg  Veranlassung  war; 
sie  schmiegen  sich  an  diese  an.  Homburg  scheint  ursprünglich  gar 
keine  Gemarkung  gehabt  zu  haben,  erst  in  neuester  Zeit  soll  die 
Kirdorfer  Gemarkungsgränze  aus  der  Stadt  hinaus  verlegt  worden 
sein.  Benachbarte  Dörfer  und  Höfe,  wie  Heuchelsheim,  Dorn- 
bolzhausen, Niederstedten,  schlössen  sich  dem  begünstigteren  Orte 
an ;  indem  sie  verödeten,  wuchs  dieser.  Aber  bis  auf  die  heutige 
Stunde  führt  von  der  Frankenfurt  oder  von  Bonames  kein  directer 
Fahrweg  nach  Homburg.  Die  lange  Meile  hat  nie  ordentlich  Platz 
greifen  können. 

Es  hat  jede  Zeit  ein  Denkmal  auf  oder  in  den  Strassen  unserer 
Gegend  hinterlassen.  Als  die  Waldenser  ihres  Glaubens  wegen  ver- 
folgt, aus  ihren  Thälern  geflohen,  wurde  ihnen  gestattet,  in  Walddorf 
und  in  Neu-Ysenburg  sich  anzusiedeln.  Die  Ysenburger  fanden  später 
Beschäftigung  in  Niederrad,  sie  zogen  täglich  durch  den  Wald  da- 
hin, den  Weg,  der  noch  heute  der  Wälschen  Weg  heisst ;  früher  war 


»♦  Archiv  f.  bess.  Geschichte  9.  Bd.  3.  Hft. 


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-    250  - 

er  als  „WälschdorfferWeg"  bezeichnet  Ergeht  nicht  gerade  aus  nach 
Sprendlingen,  sondern  nach  dem  erst  spät  gegründeten  Neu-Ysenburg. 

An  dem  Niederräder  Fusspfad,  auf  der  Anschwemmung  welche 
die  Königsbach  über  den  Bruch  oder  das  Ried  herabgeführt,  hatte 
der  Deutsche  Orden  den  Sandhof  erbaut  Ihm  war  vom  Kaiser  die 
sumpfige  Niederung  westlich  von  Sachsenhausen  geschenkt  worden. 
Die  Holzhecke  daneben  wurde  der  Stadt  überlassen.  Streitig- 
keiten über  den  Schaftrieb  währten  lange  Zeit,  andere  knüpften  sich 
daran.  Der  Bau  einer  Festung  sei  gegen  die  Privilegien  der  Stadt, 
um  den  Graben  sei  keine  Mauer  zu  gestatten,  nur  ein  schlechter 
Rohrgraben  sei  aufzuwerfen.  Auf  dem  Sandhof,  nordwärts,  hatte 
der  Orden  einen  grossen  Schafstall  erbaut,  von  da  zogen  täglich  die 
Schafe  in  den  Wald.  Durch  einen  Vertrag  wurde  ihr  Weg  be- 
stimmt. Zwei  Reihen  von  Marksteinen,  auf  der  einen  Seite  mit  F, 
auf  der  andern  mit  dem  Kreuze  bezeichnet,  erinnern 
die  Grenze  der  Holzhecke  und  der  deutschherrlichen  Berechtigung. 
Bei  dem  Försteracker  steht  der  Scbäferstein  No.  1,  bei  der 
Mainzerstrasse  No.  4;  im  Walde  ist  noch  ein  Graben  zu  erkennen, 
welcher  die  Richtung  nach  dem  Königslacher  Bronn  einhält.  Er 
zeigt  uns  die  grosse  Breite  der  damaligen  Strasse.  Beim  Nieder- 
räder Bruch,  am  Gartenzaun  des  Forsthauses,  steht  No.  11.  Von  da 
wandte  sich  der  Zug  südlich,  nach  dem  Hohlweg  und  dem  Ysen- 
burger  Loog,  wo  der  Stein  No.  37,  westlich  der  Main-Neckarbahn, 
etwa  eine  Ruthe  nördlich  vom  Grenzgraben,  den  Schluss  bildet 
Weiter  östlich  ziehen  sie  zurück  nach  der  Königswiese. 

Um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  wurde  für  den  Wald 
eine  bessere  Bewirtschaftung  eingeführt.  Die  vielen  Wege  welche 
ohne  Ordnung  durch  den  Wald  liefen,  wurden  beschränkt,  gerade 
Strassen  gebaut.  Am  28.  Mai  1729  war  unfern  der  Königslache  der 
Grundstein  zu  einem  Oberforthause  gelegt  worden;  dort  wurde  die 
Mainzerstrasse  vortibergeftthrt,  nachdem  sie  sonst  bis  zu  den  Schäfer- 
steinen „wüstes  Land  aus  puren  Strassen  bestehend"  gewesen.  Ihre 
Breite  wurde  auf  80  Schuh  ermässigt.  Im  Jahre  1728  war  bereits 
die  „neue  Darmstädterstrasse"  über  Ysenburg  abgesteckt,  ebenso  die 
neue  Mehrfelder  Strasse,  „so  Ihre  Durchlaucht  der  Herr  Landgraff 
von  Darmstadt  mit  eigner  hoher  Hand  abgesteckt  und  durchhauen 
lassen".  Die  „neue  Schnaidt*  vom  Sandhof  nach  dem  Oberforsthause 
wurde  im  Jahre  1754  gehauen ;  um  dieselbe  Zeit  auch  eine  Schnaidt 
vom  Oberforsthausc  nach  dem  Weylcr-Ruhe  Forsthaus  bei  Neu- 
Ysenburg.  Auch  der  Ricdhöfer  Weg  nach  Niederrad  wurde  in  eine 
gerade  Linie  gemacht. 


Mit  den  Deutschen  Kaisern  sanken  auch  die  Schöpfungen  ihrer 
Zeit,  die  Reichsstädte  verloren  ihre  Bedeutung,  mit  ihnen  verstummte 
das  geräuschvolle  Leben  auf  den  Strassen  die  dahin  führten.  Worms 
und  Oppenheim  sind  den  Frankfurtern  jetzt  fast  unbekannte  Städte, 
und  auch  die  Treburer  sind  fremd  geworden  in  der  verwandten 
Stadt  Die  reichen  Bauern  von  llassloch,  Trebur  und  Königstedten 
fahren  einmal  des  Jahres ,  im  Herbste,  nach  Frankfurt,  um  ihr  Kraut 
auf  den  Markt  zu  bringen;  sie  gelten  dort  flu*  Gerauer  Bauern. 
Aber  die  alten  Wege  haben  sich  doch  erhalten.  Als  man  sich  bemühte 
im  Anfang  des  vorigen  Jahrhunders  die  vielen  Wege,  welche  den 
Wald  durchzogen,  zu  beseitigen,  andere  einzuschränken,  so  nament- 
lich die  Mainzerstrasse  „auf  der  Königshaide  wüstes  Land  aus  puren 
»Strassen  bestehend",  glaubte  man  dies  durch  einen  blossen  Erlas» 
bewerkstelligen  zu  können.  Aus  einem  Plan,  den  teutschherrischen 
Schaftrieb  betreffend,  ergiebt  es  sich  wie  weit  man  dies  beabsich- 
tigte. Es  ist  darauf  noch  verzeichnet:  der  alte  Welschdorffer  Weg 
von  Niederrad  nach  Ysenburg  „so  dermalen  abgeschafft";  die  alte, 
breite  „nun  abgeschaffte  Sandstrasse",  „der  Tränkweg  ist  abgeschaflt", 
„die  Zwergstrasse  ist  abgeschafft",  die  Kreuz-  oder  Königstedter- 
strasse  „ist  abgeschafft",  der  Diebsweg  am  Lieferstein  vorüber,  wo 
die  Gefangenen  sonsten  abgeliefert  worden65,  „ist  nun  abgeschafft", 
die  Gundtbofferstrasse  „ist  abgeschafft"  —  und  alle  diese  alten 
Strassen  bestehen  noch  bis  auf  den  heutigen  Tag,  und  gerade  diese 
alten,  gewundenen  Waldwege,  wie  der  Wälschenweg,  diese  Pfade 
voll  wunderbarer  Romantik,  geben  unserm  Walde  den  grössten  Reiz. 
Wie  gerne  entbehrten  wir  daneben  die  drohenden  neumodischen 
Parkanlagen. 

Auch  auf  der  Oppenheimerstrasse,  der  Geleitstrasse  Uber  Mehr- 
felden,  nahm  der  Verkehr  ab,  es  blieb  aber  das  Geleit  mit  allem 
Unwesen.  Bei  der  Königsbach,  am  Schlag,  wurde  es  überliefert  mit 
den  lüderlichen  Dirnen,  die  zur  Messe  zogen;  nach  ihnen  wurde  die 
Königsbach  selbst,  vom  Austritt  aus  dem  Walde  an,  die  Jungfern- 
oder Frauenbach  genannt,  zuletzt  erhielt  sich  der  Name:  Luderbach. 
Im  Jahre  1788  wurde  wegen  Regulirung  und  Chaussirung  dieser 
Strasse  zwischen  den  betheiligten  Regierungen  eine  Vereinbarung 
getroffen;  sie  sollte  vom  Apothekerhofe  am  Riedhof  und  Forsthaus 
vorüber  in  gerader  Linie  nach  der  Gehspitz8*  geführt  werden;  die 

«  Vergl.  Grimm,  Rechts-Alterth.  S.  874. 

sc  Gehspitz  —  such  Göhspitz  —  wol  von  jäh,  weil  daselbst  der  Wald  und 
die  Gränze  sich  ausspitzte.  So  lag  anoh  eine  Schenke  an  der  westlichen  Seite 
von  Eschborn  auf  der  Gehspitz,  dicht  an  der  alten  Königsteiner  Strasse. 


-    252  - 

alte  Geleitstrasse ,  an  der  Ziegelhütte  vorüber,  sollte  eingehen,  das 
Ueberlieferungsmal  versetzt,  auch  die  unter  einem  Zelte  bei  dem 
Schlag  am  Schaf hof 57  von  Seiten  der  Reichsstadt  Frankfurt  gege- 
bene Collation  furter  auf  dem  Riedhof  gegeben  werden.  Die  neue 
Strasse  wurde  bis  auf  die  Gränzc  beendigt  und  befahren,  das  Geleit 
aber  noch  lange  auf  der,  bald  ungangbaren,  alten  Strasse  aufge- 
führt, weil  die  Form  des  Recesses  fürstlich  Ysenburgischer  Seits 
beanstandet  worden  war. 

Mit  dem  Deutschen  Reiche  brachen  diese  Formen  ohne  Leben 
zusammen.  Die  Sonderstellung  der  Territorialherren  trat  jetzt  noch 
entschiedener  hervor;  die  Strassen  wurden  möglichst  nach  den  Resi- 
denzen geleitet;  die  Chaussee  nach  Oppenheim  ist  unvollendet  ge- 
blieben. 

Wie  in  der  Fahrgasse  schon  längst  die  Spuren  der  Strasse  zur 
Frankenfurt  tiberdeckt  sind,  so  werden  nun  bald  auch  auf  der  Sach- 
seiihauserseite  die  Neubauten  vor  dem  Affenthor  die  letzten  Reste 
dieser  Strasse  verschwinden  raachen.  Tief  unter  der  neuen  Mühl- 
bruchstrasse  sind  sie  jetzt  noch  auf  einer  kleinen  Strecke  zu  erkennen, 
einige  Schuh  erhaben  über  dem  sumpfigen  Grunde,  von  Mäuerchen 
gestützt  oder  getragen.  Im  Jahre  1807  waren  Verhandlungen  über 
Erweiterungen  dieses  Weges  und  über  Reparatur.  Die  Mauer  am 
Frankenstein'schen  Grundstücke  hin  war  schadhaft,  von  „Staatspoli- 
zei wegen"  wurde  Wiederherstellung  angeordnet58.  Zufolge  des  Be- 
richtes von  Stadtbaumeister  Hess  lag  der  Steinweg  um  Vieles  höher 
als  die  beiderseits  daran  stossenden  Gärten.  In  diese  herab  führten 
von  dem  Pflaster  Abzugsdohlen  für  das  Regenwasser.  Die  Mauer, 
so  hiess  es,  gehöre  dem  Eigcnthümer,  dieser  habe  aber  servitus 
oneris  ferendi,  müsse  wegen  Verstärkung  der  Mauern  Land  von 
seinem  Grundstücke  hergeben.  Herr  von  Frankenstein  wollte  wol 
Land  zur  Erweiterung  hergeben,  aber  die  Kosten  der  Mauer,  welche 
auf  fl.  295  angeschlagen  waren,  wollte  er  der  Stadt  überlassen.  Es 
wurde  damals  von  Breiterlegung  und  Anlage  einer  Chaussee  statt 
des  schmalen  Stein wegs,  der  Kosten  wegen,  abstrahirt.  Im  Jahre 
1810  kam  die  Erweiterung  der  Landstrasse  wieder  in  Anregung. 
Diese  sei  bei  dem  Jassoy 'sehen  Garten  so  eng,  dass  nicht  zwei  Wagen 
sich  ausweichen  könnten.  Der  Dircctorialrath  Guiolette  erstattete 
desshalb  Bericht    Die  ganze  Gegend  gewinne  jetzt  bei  Abtragung 


«  Die  wenigen  alten  Mauerreste  ohnfern  der  Ziegelhätte  stammen  wol  von 
diesem  Schafhofe. 

»  Vergl.  Acta  üglb.  A.  21.  Nr.  3. 


- 


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der  Festungswerke  eine  andere  Gestalt;  es  möchten  die  Kosten  aus 
der  Demolitionscasse  genommen  werden.  Wenn  mit  den  Besitzern 
eine  Verständigung  nicht  zu  Stande  käme,  so  würden  dieselben 
schuldig  sein  „der  Strenge  nach"  die  „verkäufliche  Abtretung  selbst 
um  den  Taxationspreis"  sich  gefallen  zu  lassen. 

Es  wurde  in  dem  genannten  Jahre  die  neue  Chaussee  westlich 
von  der  alten  Strasse  aufgeschüttet,  und  so  über  den  früheren  Sach- 
senhäuser Mainesarm  geführt  Der  alte  Steinweg  wurde  entbehrlich. 
Die  Pyramide  an  der  Quirinspforte  verschwand  5». 

Es  hat  jetzt  wieder  eine  neue  Zeit  begonnen.  Im  Anfang  dieses 
Jahrhunderts  ist  die  Strasse  nach  dem  Rheine  wieder  auf  die  rechte 
Mainseite  verlegt  worden.  Aber  die  alten  Steinstraasen  gentigen  nicht 
mehr,  Eisenstrassen  verbreiten  ihr  Netz  mit  wunderbarer  Schnellig- 
keit Als  zuerst  es  galt  Frankfurt  mit  dem  Rheine  auf  diese  Weiße 
m  Verbindung  zu  setzen,  wirkte  die  Stadt  selbst  dahin,  dass  die 
neue  Eisenstrasse  auf  die  rechte  Mainseite  gelegt  werde.  Andere 
Interessen  haben  auch  für  das  linke  Mainesufer  eine  zweite  Eisen- 
strasse entstehen  lassen;  so  sehen  wir  jetzt  beide  Ufer  zugleich  dem 
Bedürfnisse  unserer  Zeit  dienstbar.  Und  wie  ein  Ufer  nicht  mehr 
genügte,  so  hat  auch  die  alte  Furt  nicht  mehr  den  neueren  Forde- 
rungen entsprochen,  eine  zweite  Brücke  musste  erbaut  werden.  Sie 
war  noch  nicht  vollendet,  als  am  18.  September  1848  das  erste  Deut- 
sche Parlament  in  der  Paulskirche  sich  bedroht  sah.  Hessische  Ar- 
tillerie, welche  die  alte  Brücke  gesperrt  fand,  rückte  auf  demEisen- 
babndamm  nach  der  neuen ,  wo  man  beschäftigt  war  Bohlen  auf  die 
Eisenschienen  zu  legen,  denUebergang  zu  erleichtern.  Als  dies  dem 
Zwecke  nicht  entsprach,  commandirte  Hauptmann  Becker  ein  Marsch ! 
und  die  Kanonen  rasselten  hinüber.  So  wurde  die  neue  Verbindungs- 
strasse eingeweiht 

Wir  leben  jetzt  in  einer  grossen  Zeit.  Allerwärts  regt  sich  das 
Streben  das  zu  vollenden,  was  frühere  Jahrhunderte  Schönes  und 
Gutes  begonnen.  Der  Wust  wird  entfernt,  den  eine  traurige  Ver- 
gangenheit angesammelt.  Es  bewegt  sich  wieder  der  Krahnen,  der 
so  lange  auf  den  Thürraen  ein  unverstandenes  Mahnzeichen  war; 
Baumaterialien  hebt  er  hinauf  das  Herrlichste  zur  Vollendung  zu 


59  Im  Jahre  1764  wollte  der  eburmainzische  Beamte  von  Steinheim,  der  die 
längst  abgerissene  Quirinspforte  nicht  fand,  das  Geleit  bis  an  das  Sachsen- 
häuserthor führen.  Es  entstand  darüber  eine  grosse  Aufregung.  Vor  der 
Wahl  Leopolds  wurde  darauf,  im  Jahre  1790,  eine  etwa  8  Fuss  hohe  steinerne 
Pyramide  mit  Inschrift:  „Quirinspforte"  errichtet. 


—    25*  — 

bringen«0.  Die  Frankenfurt  die  in  kriegerischen  Zeiten  dem  Krieger 
diente ,  sie  belebte  sich  später  im  friedlichen  Verkehr  der 
Stammesgenossen,  sie  bildete  das  Band,  das  den  Norden  mit  dem 
Süden  verknüpfte.  Den  Anwohnern  war  vorzugsweise  die  schöne 
Aufgabe  geworden  dies  Band  fester  zu  schlingen,  den  Gedanken 
des  grossen  Kaisers  zu  höherer  Vollendung  zu  bringen.  Mit  der  Er- 
füllung dieser  Aufgabe  wuchs  ihre  Bedeutung  und  ihr  Glück.  Von 
dem  Rheine  wurde  die  Wahl  und  die  Krönung  des  Reichsoberhaupts 
nach  der  Frankenfurt  verlegt,  und  nocli  jetzt  hat  das  Co  1  legi  uro, 
welches  bestimmt  ist  die  Theile  des  deutschen  Reichs  zusammenzu- 
halten, hier  seinen  Sitz.  Es  mag  darum  nicht  unpassend  sein  in 
unsern  Tagen  an  die  Bedeutung  der  Frankenfurt  und  an  die  Auf- 
gabe der  Anwohner  zu  erinnern. 

Im  December  1864. 


(0  Tn  Frankfurt  zwar  ist  man  vielfach  der  Ansicht,  unvollendet  sei  der 
Pfarrthurm  schöner! 


Das  Recht  in  der  hohen  Mark, 
mit  besonderer  Berücksichtigung  der  angrenzenden  Seulberg- Erlenbaeher  etc.  Mark. 

Von  Dr.  Friedrich  Scharff. 


Einen  Wald  doch  kenn'  Ich  droben 
Kauschend  mit  den  grünen  Kronen, 
Stämme  brüderlich  verwoben, 
Wo  das  alte  Rocht  mag  wohnen. 
Manche  auf  Bein  Rauschen  merken 
Und  ein  neu  Geschlecht  wird  starken 
Dieser  Wald  zu  deutschen  Werken. 

Eiohendorff. 

In  einem  früheren  Aufsatze  1  ist  versucht  worden  eine  Uebersicht 
zu  geben,  welcher  Art  die  Verhältnisse  der  hohen  Mark  im  Taunus 
gewesen,  wie  sie  sich  entwickelt,  wie  sie  nach  eingerissenen  Miss- 
bräuchen zur  Th eilung  hingeführt.  Die  Thatsachen,  zum  grösseren 
Theile  einzelnen  Akten  des  Homburger  Archivs  entnommen,  waren 
nur  fragmentarisch  zusammengestellt.  Seitdem  sind  die  Akten  des 
Frankfurter  Archivs  mit  danken b werther  Freundlichkeit  mir  eben- 
falls zur  Einsicht  gestattet  worden9;  ich  fand  mich  dadurch  veran- 
lasst noch  eine  besondere  Aufmerksamkeit  den  rechtlichen  Verhält- 
nissen dieser  Mark  zu  schenken  und  sie,  soviel  als  möglich,  zusammen- 
zustellen mit  den  Einrichtungen  der  Seulberg-  Erlenbacher  etc.  Mark. 
Die  Begriffe  von  dem  Recht  der  Märker,  der  Befugniss  des  Wald- 


i  Archiv  für  Frankf.  Gesch.  u.  K.  II.  S.  318. 

>  Eine  Bemerkung  von  Jacob  Grimm  in  der  Vorrede  zum  4.  Bande  der 
WeisthUmer,  eine  weitere  auf  S.  326  des  trefflichen  Werks  Uber  die  Gau-  und 
Markverfassung  in  Deutschland,  von  Thudichum,  zeigen  unB,  wie  sparsam  noch 
dem  Gelehrten  die  Brosamen  zugemessen  sind,  aus  denen  er  die  Wissenschaft 
fortzubilden  hat,  und  wiesehr  die  Bereitwilligkeit  anzuerkennen  ist,  mit  welcher 
derzeit  das  Frankfurter  historische  Arohiv  auch  einem  grösseren  Kreise  zu- 
gänglich gemacht  wird. 


—    256  - 


potten,  von  der  Stellang  der  Regierungen  den  Märkern  sowohl  gegen- 
über wie  dem  Waldpotten,  hier  in  dem  Herzen  Deutschlands  zur 
freiesten  Darlegung  gekommen,  werden  auch  weiterhin  mit  Interesse 
verfolgt  werden.  Sie  werden  nur  in  geschichtlicher  Entwickelung 
vorzuführen  sein,  da  das  Recht  in  den  verschiedenen  Zeiten  ein  sehr 
verschiedenes  gewesen,  man  auch  hier  verstanden  Unrecht  zu  Recht 
zu  machen.  Die  staatlichen  Verhältnisse  unseres  Vaterlandes,  welche 
gerade  jetzt  wieder  zu  ordnen  und  festzustellen  Bind,  weisen  uns  be- 
sonders auf  die  Zeiten  zurück,  in  welchen  die  Gemeinde-  und  Marken- 
verhältnisse sich  gestaltet,  auf  die  Menschen  und  Gewalten  welche 
dabei  mitgewirkt,  auf  die  Sitten  und  Gewohnheiten  welche  treue 
Liebe  und  ängstliche  Fürsorge  ausgebildet,  auf  die  Umwandlung 
welche  Trägheit  und  Mangel  an  Selbstvertrauen  und  an  einträchtiger 
Opferbereitwilligkeit  gebracht.  Wir  wollen  beginnen  mit  dem  Zu- 
stande, wie  nach  Ausweis  der  ältesten  Urkunden  die  Rechtsverhält- 
nisse der  hohen  Mark  beschaffen  gewesen,  dann  Ubergehen  zu  dem 
Kampfe  welchen  sie  mit  List  und  Gewalt  zu  bestehen  hatten,  endlich 
den  Zustand  vor  Augen  legen,  in  welchen  die  Märker  nach  ihrem 
Unterliegen  gerathen  waren.  Es  soll  Uberall  der  Wortlaut  des 
Frankfurter  Archivs,  wo  es  zweckmässig  scheint  auch  die  Schreib- 
weise, möglichst  beibehalten  werden. 

Nirgends  findet  sich  die  geringste  Andeutung,  dass  das  Land 
am  Fusse  der  Höhe  je  den  Ansiedlern  oder  den  Ortschaften  ge- 
schenkt oder  Uberwiesen  worden ;  alles  deutet  vielmehr  darauf  hin, 
dass  das  Recht  derselben  auf  das  erste  Ausroden,  auf  die  erste  Be- 
sitzergreifung zurückzuführen  sei.  Und  wie  das  Fruchtland,  so  er- 
warben die  ersten  Ansiedler  den  Wald,  sie  benutzten  ihn  als  AI1- 
raeinde  s.  Da  er  gross  genug  war,  wurde  auch  den  später  hinzu- 
kommenden Ortschaften  der  Mitgenuss  leicht  gewährt.  Es  ist  glaub- 
lich dass  die  sämmtlichen  Waldungen  des  Taunus  oder  der  Höhe 
zu  der  Römer  Zeiten  allen  umliegenden  Ortschaften  als  Gemeingut 
gehörten  *.  Die  Abtheilung  in  kleinere  Markgenossenschaften  fand 
wol  erst  später  durch  die  Merovinger  oder  durch  Karl  den  Grossen 
statt;  die  Hohemark  ist  nur  der  Rest,  wol  auch  war  sie  der  Kern 
der  früheren  Höhemark.   Ihre  Gränzen  fallen  westlich,  wenigstens 


3  Vergl.  Curti,  Beleuchtung  der  Ansprache  des  Klosters  Pfävers  auf  sämtut- 
liche  Wälder  und  Allmeinden  der  Gemeinde  Vättis.  St.  Gallen  1831. 

♦  J.  Grimm  bat  in  den  Rechts-Alterthümern  S.  495  in  der  Note  die  Ansicht 
ausgesprochen ,  dass  schon  zu  des  Tacitus  Zeiten  unter  den  Deutschen  festes 
und  geregeltes  Grundeigenthum  gegolten. 


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theilweiae,  mit  dem  Römerwege  vom  vicus  novus  nach  dem  Feld- 
bergacaatell  zusammen,  östlich  aber  mit  dem  weit  älteren  Wege 
vom  Taunusübergang  bei  der  Saalburg  nach  Seulberg  oder  Esch- 
bach. Auf  dieser  Seite  scheint  der  Römerweg  vom  vicus  novus  nach 
der  Saalbarg  wenig  benutzt  und  neben  den  älteren,  naturwüchsigen 
Wegen  einerseits  nach  Seulberg  und  Obereschbach,  andererseits  nach 
Stedten  sehr  bald  in  Vergessenheit  gekommen  zu  sein.  Er  bewal- 
dete sich  allmählig.  Auch  gegen  Norden  bildete  der  Pfalgraben 
auf  kleineren  Strecken  eine  Gränze.  Die  Schwierigkeiten  welche 
einer  zweiten  Tbeilung  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts  nach  dem 
Verfall  der  Markeinrichtungen  sich  noch  entgegenstellten,  sprechen 
dafür,  dass  die  erste  Theilung  eine  erzwungene  gewesen,  durch  Ge- 
walt herbeigeführt,  nicht  durch  freie  Bestimmung.  Es  war  mit  dem 
Schwert  durchgehauen  worden,  nicht  war  eine  durch  irgend  ein  Be- 
dürfnis!* als  wünschenswertli  erkannte  Scheidung  erfolgt.  Stciubach 
blieb  markberechtigt  ebenso  in  der  Cronberger  Mark,  wie  in  der 
Hohen  Mark;  Niedererlenbach  in  der  Hohen  Mark  zugleich  in  der 
'  Erlenbacher  Mark;  Köppern  in  dieser  letztgenannten  und  in  der 
Rodheimer  Mark.   Mancher  Streit  ist  daraus  erwachsen. 

Einen  Nachweis  über  das  hohe  Alter  der  Hohen  Mark  liefert 
die  Bestimmung  welche  den  Hegwald  „auff  der  Strassen1'  betrifft. 
Im  Weisthum  von  1401  heisst  es  darüber  :  „Hauwet  aber  eyn  Wal- 
pode  in  der  gebückten  Hegemarg,  so  sol  der  lantman  nit  bussen,  ob 
er  daraffter  auch  darjnne  heuweta  Bestimmter  bezeichnet  das  In- 
strument von  1484  diese  Hege.  „Item  hauwet  jemandt  und  thut 
Schaden  in  der  gebickten  Hege  auff  der  Strassen,  und  wird  geiilget, 
der  ist  dem  Waltbotten  mit  zehen  Gulden  zu  Peen  verfallen,  und  soll 
ein  Waltbott  auch  selber  kein  Schaden  darinn  thun.  Wo  er  aber 
das  tliät,  soll  er  dem  Landtmann  bussen."  Wo  waren  diese  Strassen  ? 
Es  geben  darüber  spätere  Verbandlungen  Auskunft;  es  waren  dies 
die  alten  Strassen  von  Stedten  nach  dem  Weil-  und  Usathale  und 
von  Eschbach  nach  Wehrheim.  Wie  alle  alten  Strassen  des  Taunus, 
welche  einen  wichtigen  Zugang  oder  Uebergang  bildeten,  zur  Ver- 
teidigung mit  einem  Gebück  auf  beiden  Seiten  versehen  waren,  so 
auch  diese.  War  die  Strasse  durch  einen  Verhau  geschlossen,  oder 
wie  wir  jetzt  sagen  verbarricadirt,  so  wehrte  das  Gebuck  dem  wei- 
teren Vordringen  der  Feinde  zur  Seite  der  Strasse.  Dies  war  dess- 
halb  unter  einen  besondern  Schutz  gestellt  und  ebensowol  der  Wald- 
pott wie  die  Märker  bei  Beschädigung  mit  einer  Strafe  bedroht5. 

»  Die  gleiche  Strafe  von  zehn  Gulden  finden  wir  im  Rheingau  wieder,  auch 
dort  war  das  Gehen  oder  Kriechen  durch  das  Gebück,  ja  das  blosse  Abschnei- 

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—    258  - 


Indem  aber  die  Bedeutung  des  GebUcks  Bich  verlor,  schwand  auch 
das  VerständnisB  des  betreffenden  Gesetzes.  Der  Waldpott  nahm  die 
Hege  an  den  Strassen  als  sein  Eigen  in  Anspruch,  die  Märker  glaub- 
.  ten  ihm  nur  gewisse  Rechte  daran  zugestehen  zu  müssen;  Streitig- 
keiten entstanden  Uber  die  Gränzen  des  Bezirks,  wie  der  Gerecht- 
same. Anstatt  die  ganze,  zwecklos  gewordene  Verfugung  aufzuheben, 
berief  man  sich  immer  noch  auf  das  Herkommen  dessen  Absicht  man 
schon  um  das  Jahr  1400  nicht  mehr  verstand. 

Oberursel.  Es  scheint  Oberursel  in  früheren  Zeiten  der  wich- 
tigste Punct  an  der  Höhe  gewesen  zu  sein.  Vielleicht  war  es  seine 
Lage,  welche  dasselbe  zum  Vereinigungsort  der  MarkgenosBen  ge- 
macht Dies  Vorrecht  ihm  zu  entreissen  ist  dem  später  aufstrebenden 
Homburg  bis  in  die  letzten  Zeiten  der  Genossenschaft  nicht  gelungen. 
Wäre  die  Einsetzung  des  Waldpotten  ein  Werk  der  Märker  gewe- 
sen ,  so  würde  der  Sitz  des  Schirmherrn  bald  der  natürliche  Ort  der 
Zusammenkunft  der  Beschirmten  geworden  sein.  Aber  so  lange,  so 
weit  die  Geschichte  der  Mark  verfolgt  werden  kann,  zeigt  sie  uns 
einen  Kampf  des  Schirmherrn  und  der  Beschirmten,  ein  starres 
Festhalten  der  Märker  an  ihrem  alten  Herkommen,  ein  stets  sich 
gleich  bleibendes  Misstrauen  derselben  gegen  den  Obristen  Mark  er 
und  Waldpotten. 

Ein  Vorzugsrecht  oder  eine  besondere  Pflicht,  vielleicht  aus  der- 
selben Veranlassung,  könnte  für  Oberursel  aufgeführt  werden ,  die 
Pflicht  den  Wald  zu  löschen,  wenn  er  zu  brennen  anging.  Das  war 
im  Art.  12  des  Instruments  von  1484  vorgesehen  und  als  die  Urseller 
in  dem  Streite  über  die  Wiesen  an  der  Hünenburg  zu  Ausmär  kern 
erklärt  werden  sollten,  protestirten  sie  im  Jahre  1592  gegen  die  Aus- 
schliessung, und  die  Märker  stimmten  ihnen  bei:  es  seien  „in  der 
Marckordnung  etliche  Articul  so  die  Urseller  insonderheit  berühren, 
also  dass  sie  die  Marek  leschen  uff  den  Fall  darin  entstandener 
Feuersbrunst" ;  dies  hätte  bei  der  Ausschliessung  geändert  werden 
müssen.  (Mglb.  E.  29.  L) 

Die  Hohe  Mark  ist  wol  auch  „Urseller  Marek0  oder  „Homburger 
Marek"  genannt  worden.  Die  letztere  Bezeichnung  liebte  der  Wald- 
pott und  seine  Beamten,  die  Märker  aber  widerstrebten.  Auf  dem 
Märkerding  vom  22  Mai  1583  legte  Jost  Vestenborger,  der  Keller 
von  Homburg,  eine  neue  Ordnung  „der  Homburger  Marek"  vor,  ob 


den  einer  Spiessgerte  verpönt.  Vcrgl.  Bodraann,  Rheingauer  Altertbümer 
II.  S.  319. 


die  Märker  dieselbe  annehmen  wollten.  Diese  wiesen  sie  von  der 
Hand,  weil  sie  ein  gut  alt  Instrument  hätten.  Als  drei  Jahre  später 
die  gleiche  Anforderung  wieder  gestellt  worden,  bemerkten  sie  „die- 
weil  ein  zeitlich  hero  der  Oberste  Waltpott  ein  Herr  der  Mark, 
und  die  Höhe  Marek  die  Homburger  Marek  benannt  wöll  werden; 
wofern  dann  das  dem  Eygenthumb  und  der  Märcker  riecht  unab- 
brüchlich  verstanden  würde,  weren  sie  damit  zufrieden.  Im  Fall  aber 
künftiglich  etwas  anders  daraus  erzwungen  werden  solt,  piotestirten 
sie  gegen  solche  Namen  und  wüssten  die  nit  anzunehmen  oder  zu 
approbiren".  Dagegen  behaupteten  dio  hessischen  Gesandten  „eswere 
die  Marek  vor  Alters  die  Hornberger  Marek  genennet  worden,  bei 
dem  Namen  solle  es  auch  hinforter  billig  vcrpleiben".  Der  Märker 
Ausschuss  aber  erwiderte  mit  anderra  darauf  „so  viel  die  neue  Be- 
nennung berühre,  were  der  AusBchuss  zufrieden  das  die  Mark  die 
Höhe  Mark  (wie  vor  Alters)  und  nicht  die  Homberger  oder  Urseller 
Mark  mit  neuem  Namen  genannt  würde.0 

Umfang  der  Hohen  Mark.  Gewiss  unifasste  ursprünglich 
die  Höhe  Mark  das  ganze  Gebiet  von  der  Nidda  bis  auf  die  Höhe 
hin,  zur  Weil  und  vielleicht  zur  Usa.  Wenn  allmälig  auch  das  Frucht- 
feld mehr  und  mehr  getheilt  und  abgegränzt  wurde,  so  blieb  doch 
der  alte  Begriff  der  Gesammt-Mark  bestehen  6,  Märker  war  der  Be- 
wohner dieser  Mark,  er  hatte  das  Kocht  an  der  gemeinsamen  Be- 
natzung des  ungetrennt  gebliebenen  Markwalds  Theil  zu  nehmen. 
Dieser  Wald  wurde  dann  vorzüglich  verstanden  unter  der  Hohen 
Mark ,  er  war  durch  einen  Graben ,  die  Landwehr,  abgeschnitten  von 
dem  Felde,  zugänglioh  nur  auf  Strassen,  welche  durch  einen  „Schlag0 
gesperrt  werden  konnten.  Ein  solcher  Schlag  wird  namentlich  aufge- 
führt im  Häuserfeld  bei  Oberursel  und  bei  Oberstedten.  Durch  Ein- 
rodung  wurde  im  Verlauf  der  Jahre  noch  manche  Strecke  Waldes 
auch  jenseits  der  Landwehr  der  Gemeinheit  entzogen. 

Die  Bezeichnung  selbst  „die  Höhe  Marek"  weist  darauf  hin, 
dass,  wie  bereits  bemerkt,  diese  Mark  vor  Zeiten  die  ganze  Höhe, 
oder  den  Taunus,  umfasst  habe,  dass  erst  im  Laufe  der  Zeiten  ein- 
zelne Bezirke  davon,  westlich  und  östlich,  sind  abgeschnitten  wor- 
den. Die  Hohe  Mark  blieb  immer  noch  die  bedeutendste,  sie  behielt 
auch  den  alten  Sammelplatz  der  Märker,  die  Aue  vor  Oberursel, 
und  in  ihr  ist  der  alte  Geist  wol  am  längsten  lebendig  geblieben. 


«  üeber  die  Herleitmig  dos  Wortes  „Mark"  8.  Grimm,  Rechtsalterthümer 
S.  494  ff. 

17* 


Dies  zeigt  sich  schon  wenn  wir  sie  mit  der  Seulberger-,  Erlenbacher- 
etc.  Mark  zusammenstellen.  Schon  der  Name  legt  uns  hier  bei  der 
letzteren,  ebenso  wie  der  Versammlungsort,  vor  Augen,  dass  diese 
Genossenschaft  willkürlich  gebildet  worden  ist,  wo  nicht  gewaltsam. 
Sie  hatte  keinen  natürlichen  Mittelpunct,  die  dazu  berechtigten  Ort- 
schaften waren  alle  von  ziemlich  gleicher  Geltung,  Seulberg,  Ober- 
und  Nieder -Erlenbach,  Petterweil,  Holtzhausen  und  Köppern.  Nur 
letzteres,  welches  jenseits  der,  die  Grenze  der  Mark  bildenden  Köp- 
pernerbach gelegen  ist,  auch  bei  der  Rodheimer  Mark  betheiligt 
war,  trat  oinigermassen  zurück.  Das  meiste  Gewicht  scheint  in  älte- 
ren Zeiten  in  Ober -Erlenbach  gelegen  zu  haben.  Als  Ort  für  das 
Märkergeding  war  ein  Platz  auf  freiem  Felde,  auf  der  Mainzerstrasse, 
bestimmt,  so  ziemlich  in  der  Mitte  zwischen  den  Ortschaften,  allen 
gleich  günstig,  oder  gleich  ungünstig  gelegen  Kein  Baum,  keinerlei 
Vorrichtung  schützte  hier  den  Märker  bei  Wind  und  Wetter.  Als  im 
Jahre  1539  Diether  Gewend,  der  Keller  zu  Homburg,  die  Seulberger 
zu  sich  auf  einen  besonderen  Ort  nahm,  haben  die  andern  Märker 
„nit  nachfolgen  wollen,  und  sich  alsobald  ein  Irrthumb  des  Platzes 
uff  welchem  man  Merckergeding  zu  halten  pflegt  erhoben".  Es  behaup- 
teten die  andern  Ortschaften  „uff  dem  Platz  und  breiten  Wege  dar- 
auf sie  stunden,  welches  der  Menzer  Wege  genannt,  were  das  Mer- 
ckergeding gehalten  worden  von  Alters  her".  Man- verglich  sich 
dass  die  ehesten  Mercker  sollten  auf  den  Platz  treten,  wo  das  Mer- 
ckergeding von  Alters  her  gehalten  were  worden.  Dies  geschah: 
es  war  ein  Graben  vor  kurzem  dahin  gemacht  worden.  —  (Mglb.  E. 
30.  II  b.  173.)  —  Nach  dem  offen  Instrument  von  1486  ist  die  Ver- 
sammlung gewest  „uff  eym  flecken  Züschen  Sulburg,  Hultzhusen 
und  Obern  Erlebach  da  man  das  Merckerding  über  die  Irlenbacher 
Margk  gewonlichen  pfleget  zu  halten".  In  dem  Abscheit  von  1488 
heisst  es:  „uff  der  weyde  bij  Obern  Erlebacha.  Dann  wieder  im 
Jahre  1498  ist  „man  abermals  uff  dem  flecken  ober  Obern-Erlebach 
am  Merckergeding  gewest".  (Mglb.  E.  30.  No.  2.)  — 

Auch  die  Wiesen  waren  allmälig  der  hohen  Mark  entfremdet 
worden,  wenn  auch  einige,  so  namentlich  die  Schreierwiese,  bis  zur 
Theilung  dabei  verblieben.  Allem  eigentümlicher  Weise  blieben  die 
auf  den  Wiesen  stehenden  Waldbäume  Eigenthum  der  Märker.  Es 
fand  hierüber  am  26.  Juni  1595  eine  Verhandlung  zu  Homburg  statt; 
es  wurde  vorgelegt,  dass  Kilian  Kühn,  ein  Bürger  von  Oberursell 
einen  Eichenstamm  in  seiner  Wiesen  an  der  Hünerborgk,  in  der 
Höhe  Mark  gelegen,  abgehauen  und  heimgeführt;  ist  von  Phil.  Wolfis, 
Märkermeister  umgefragt  worden,  ob  nicht  solcher  Stamm  den  sämmt- 


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liehen  Märkera  zustehe.  Die  Urseller  behaupteten  solche  Stamm  ge- 
hörten denjenigen,  dessen  die  Wiesen  eigenthümlich  wären,  diesel- 
bigen  könnten  selbiger  Stämme  ihres  gefallens  sich  gebrauchen.  Da 
aber  aus  dem  Steinbuch  und  aus  der  Markordnung  zu  ersehen,  dass 
alle  Stämme,  so  in  Wiesen  innerhalb  der  Mark  gefunden  werden 
den  sämmtlichen  Märkern  eigenthümlich  zustehen,  als  haben  sämmt- 
liche  Märker  (exceptis  Ursullanis)  gedachten  Kilian  Kühn  wegen 
frevels  zur  Ruhe  (Rüge)  und  straff  verwiesen.  Man  nahm  keinen 
Anstand  so  in  eigner  Sache  zu  entscheiden. 

Wie  bei  der  Hohen  Mark  Homburg  den  Namen,  der  Homburger 
Marek  gerne  eingeführt  hätte,  so  liebten  es  die  Homburger  Beamten 
die  benachbarte  Mark  nach  Seulberg,  welches  zur  Homburger  Herr- 
schaft gehörte,  zu  benennen.  Die  Beamten  von  Frankfurt  zogen 
ihrerseits  die  Bezeichnung  „Erlenbacher  Marek"  vor7,  die  Märker 
selbst  aber,  da  sie  alle  Ortschaften  nicht  wol  nennen  konnten,  sagten 
stets:  Die  Seulberger-,  Erlenbacher-  etc.  Marek.  Dies  etc.  fehlt 
in  den  älteren  Documenten  fast  nie.  Die  Ortschaften  hielten  darauf 
dass  die  Gleichberechtigung  gewahrt  bliebe8.  Die  Unzweckmässig- 
keit  des  Platzes  auf  dem  das  Märkerding  gehalten  wurde,  trug  wol 
dazu  bei,  dass  in  dieser  Mark  frühe  schon  Vorsammlungen  der 
Ortsvorstände,  der  Markhäupter,  zugelassen  wurden,  bei  welchen  die 
Markordnung  berathen,  diese  dem  Märkerding  später  nur  zur  Be- 
stätigung vorgelegt  wurde.  Diese  Vorversammlungen  der  Markhäup- 
ter fanden  abwechselnd  bei  einem  der  Wirthe  statt,  doch  wol  am 
meisten  in  Ober -Erlenbach.  So  finden  wir  sie  im  Jahr  1590  auf 
Donnerstag  nach  Oculi  zu  Ober-Erlenbach  in  Joh.  Beckers  Wirths- 
behausung.  Die  Schultheissen  und  Märckermeister  erschienen  dort 
und  haben  sich  mit  dem  Homburger  Anwalt  allda  »bequemlicher 
Gelegenheit  halben,  (weil  sonsten  dem  Instrument  oder  Weissthumb 
nach  die  Marek  ....  auf  derAuwe  in  der  Lohe  zwischen  Seulberg 
und  Erlenbach,  genant  Maintzer  Bisthumb  bestellet  und  versehen 
werden  sollte)  einer  gewissen  Weise  und  Ordnung  erregter  Margk 
zum  besten  untereinander  vereiniget,  verglichen"  ....  Im  darauf 
folgenden  Jahr  1591  war  die  Vorversammlung  wieder  zu  Ober- 


4 

'  Id  den  Protocollen  oder  Berichten  ist  dies  indess  ebensowol  auf  Ober- 
Erlenbaob,  wie  auf  Nieder-Erlenbach  bezogen.  Im  Jahre  1539  heisst  es :  Bericht 
Aber  die  Sewelberger  und  obern  Irlebecher  Gemark;  im  Jahr  1541  aber  „Mark- 
Oeding  der  Sewlnburger  fdder  Nidderlrlenbecher  gemarck". 

«  Bei  Gelegenheit  der  Beschwerden  gegen  den  Waldpotten  wird  im  Jahre 
1GU6  anch  die  Bezeichnung:  Nidder-Erlenbach  und  Holtzhauaer  Mark  gebraucht 


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Erfenbach;  im  Protocoll  findet  sich  die  Entschuldigung,  dass  nach 
dem  Instrument  zwar  die  Zusammenkunft  in  der  Lohe  zwischen 
Seulberg  und  Erlenbach  auf  der  Awe  genannt  Maintzer  Biesthumb 
statt  haben  solle,  „aber  von  wegen  der  Ungclegenheit  des  Orts,  auch 
des  unbeständigen  rauwen  zeittig  furgefallnen  ungewitterß  alterß 
her  woll  angeordnet  worden,  daß  man  den  Donnerstag  zuvor  in  der 
Marckflecken  einem  zusamenkommen  und  sich  einer  gewissen  Ord- 
nung (welche  nachmals  auf  dem  Merckergeding  an  gewöhnlicher 
Mahlstatt  publiciret  worden)  vorglichen  hat0.  Im  Jahre  1592  kommen 
die  Markhäupter  in  Petterweil  auf  dem  Rathhause  zusammen,  1593 
und  1596  erscheint  der  Ausschuss  wieder  zu  Ober-Erl enpach  in  Joh. 
Beckers  Würts  Behausung  auf  der  ober  hinder  stuben  gegen  der 
bache;  1596  zu  Petterweill  in  der  gemeinen  Hcrbcrg,  1599  wieder 
zu  Ober-Erlenbach  in  der  Herberg  zum  weissen  Ross  in  der  oberen 
Stube;  1602  zu  Köpffern  in  Jost  Schweitzers  Gastli alters  Behausung; 
16<)3  zu  Köpffern  in  Conrad  Lorey  Schultheissen,  Behausung.  — 
(Mglb.  E.  30.  III.) 9  — 

Urkundliche  Quellen.  —  Die  Akten  welche  uns  über  die 
Hohe-  und  über  die  Seulberg- Erlcnbachcr-  etc.  Mark  aufbewahrt 
sind,  gewähren  uns  vielleicht  einen  tieferen  Blick  in  die  vorgeschicht- 
lichen Zeiten  derselben,  als  die  wenigen,  zum  Thcil  räthselhaften 
Aeusserungen ,  welche  Römische  Schriftsteller  uns  darüber  hinter- 
lassen. Wir  finden,  abgesehen  von  der  Römischen  Herrschaft  in  die- 
sem Lande,  nicht  eine  einzige  Andeutung,  dass  die  Verhältnisse  da- 
selbst je  eine  durchgreifende  Aenderung  erlitten ,  weder  einen 
herrschenden  Stamm  noch  einen  besiegten,  keine  Sage  von  einer 
allgemeinen  Aus-  oder  Einwanderung.  Das  Volk  ist  aus  dem  Boden 
in  allen  seinen  VerhiUtnisscn  erwachsen  und  mit  ihm  verwachsen. 

Es  scheint  dass  eine,  von  allen  zur  Hohen  Mark  Betheiligtcn 
als  maassgebend  anerkannte  ProtocollfÜhrung,  eine  urkundliche  Fest- 
stellung der  Verhandlungen  und  Beschlüsse,  in  den  älteren  Zeiten 
wenigstens,  nicht  angeordnet  war.  Die  ältesten  vorhandenen  Auf- 
zeichnungen über  die  Märkerdingo,  aus  dem  Anfange  des  15.  Jahr- 
hunderts, wenn  sie  im  Wesentlichen  auch  dasselbe  berichten,  sind  in 


'•>  Es  mag  nicht  überflüssig  sein  hier  auf  andere,  ähnliche  Verhältnisse  hin- 
zudeuten. Als  nach  den  kirchlichen  Spaltungen  Appenzell  Innerroden  von 
Ausserroden  sich  trennte,  behielt  erste  res  den  alte*  Landsgemeindeplatz  im 
Dorfe  selbst  bei ,  dos  letztere  wechselte  aber  nun  ab  mit  einer  Laudsgemeinde 
in  Huntwyl  und  in  Trogen. 


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der  Fassung  oft  ganz  verschieden.  Die  Abgeschickten  der  Herrschaf- 
ten haben  wol  jedesmal,  oder  doch  gewöhnlich,  einen  solchen  Bericht 
eingereicht,  nicht  immer  war  er  unterzeichnet 10.  Der  gemein  Märkcr, 
der  lantman,  liebte  nicht  die  schriftliche  Feststellung  der  Verhält- 
nisse, für  ihn  zeichnete  Niemand  ein  Protocoll  auf.  Bei  vielen  Ge- 
legenheiten tritt  sein  Widerwille  vor  dem  sich  fest  binden  in  ge- 
schriebenem Wort  deutlich  zu  Tage,  er  verlangt  dass  man  aus 
lebendigen,  unparteiischen  Zeugen"  das  Recht  darthue.  Nur  in 
seltenen  Fällen,  so  z.  B.  bei  Gelegenheit  der  Weisung  von  1484, 
haben  die  Märker  selbst  „eine  Verzettelung0  überreichen  lassen. 
In  späteren  Zeiten  hatten  freilich  auch  die  gem.  Märker  ein  beson- 
deres Archiv  in  Oberursel,  und  im  Jahre  1782  wurde  sogar  beantragt, 
dass  jedesmal  den  Markschultheissen  der  Hauptortschaften  die  Ab- 
schriften der  abgehaltenen  Protocolle  ausgefertigt  würden".  (Mglb. 
E.  31.  II.  169.) 

Der  Waldpott  seinerseits  hatte  nicht  nur  ein  Archiv,  sondern 
wusste  es  auch  sehr  gut  zu  verwenden ;  doch  sind  regelmässige  Pro- 
tocolle wol  erst  nach  Einführung  des  Markschreibers  üblich  gewor- 
den. Ein  Buch  in  l^uart  mit  dem  Titel  „Hocher  Marek  Protocoll,  ahnge- 
fango  Anno  1600"  geht  bis  zum  Jahre  1700.  Wahrscheinlich  sind 
deren  noch  mehre  in  dem  Homburger  Archiv.  Gar  nicht  selten  berief 
sich  der  Waldpott  auf  frühere  Beschlüsse,  deren  sich  der  gemein 
Märker  nicht  mehr  erinnert,  oder  deren  Existenz  er  geradezu  be- 
streitet. Besonders  gilt  dies  von  dem  unheilvollen  Beschluss  des 
Jahres  1547.  In  solchen  Fällen  wandte  sich  der  Märker  wol  an 
seine  Herrschaft,  die  dann  „Zettel  und  Instrumente"  vorbrachte. 

Bei  Gelegenheit  der  Aufstellung  von  Beschwerden  und  Gegen- 
beschwerden i.  J.  1702—1703  bemerkte  man  Ilomburgischcrseits : 
es  sei  auf  dem  Märkergedingsabschied  de  anno  1547  dem  Herrn 
Obrist  Waldbotton  erlaubt  worden  „auf  der  Strasse"  zu  hauen.  Die 
Märkcr  entgegneten:  es  sei  ihnen  unbekannt,  dass  in  anno  1547 


io  in  Mglb.  E.  29.  III.  S.  150  findet  sich  der  Bericht  des  Schultheisscn  B. 
llildebrandt  zu  Bonames  aus  dem  Jahre  1595  zugleich  mit  der  Instruction  des 
Raths.  Mitglieder  des  Raths  selbst  erhielten  zu  wichtigeren  Verhandlungen 
wol  eine  Vollmacht  mit,  nie  aber  eine  schriftliche  Instruction. 

"  Dies  war  bei  der  Seulb.  Erlenbtcher  etc.  Mark  schon  längst  geschehen. 
In  der  Markordnung  von  1588  Art  22  wurdo  festgesetzt,  es  solle  jedem  Mut  k 
Hecken,  damit  der  Ordnung  naohgelebet  werde,  „uff  begehr  zur  Noth  Copey 
daraus  uiityetheilet  werden1'.  Johannen  Zaugus,  zu  der  Zeit  Markschreiher,  be- 
sorgte diese  Abschriften  mit  Eifer,  sie  wurden  besonders  bezahlt.  Auf  der 
Abschrift  von  1602  ist  der  Lohn  bemerkt:  Taxa  7  Patzen  von  4  Bogen. 


wegen  der  Strasse  etwas  verglichen  sein  solle,  so  dem  alten  Mark 
Instrumente  entgegen  war,  vielmehr  sei  damals  der  Strasse  mit 
keinem  einigen  Wort  gedacht  worden;  es  liege  dem  Obristen  Herrn 
Waldbotten  ob  „durch  Producirung  gedachten  Abschieds  in  forma 
authentica*  sein  Vorgeben  darzuthun. 

Bei  besonders  wichtigen  Gelegenheiten  wurde  ein  kaiserlicher 
Notar,  ein  Offenschreiber,  requirirt  und  ein  Instrument  über  den  Vor- 
gang aufgenommen.  Es  war  dies  der  Fall  bei  dem  Märkergeding 
von  1484,  auf  Mittwochen  nach  St  Margarethen  gehalten.  Dies  In- 
strument genoss  zu  allen  späteren  Zeiten  das  höchste  Ansehen,  ja 
Verehrung;  es  wurde  zu  verschiedenen  Zeiten  wieder  abgedruckt, 
um  die  späteren  Nachkommen  mit  seinen  Satzungen  bekannter  zu 
machen  «  Zusätze  wurden  für  erlaubt  gehalten,  allein  Abänderungen 
nur  wenige  und  mit  Widerstreben  vorgenommen,  selbst  Bestimmun- 
gen die  längst  aus  der  Uebung  gekommen,  wurden  nicht  aufgehoben. 
Das  Märkerding  von  1484  auf  Mittwochen  nach  St.  Margaretha  ge- 
halten, war  ein  ungewöhnlich  feierliches,  der  Walpott  selbst  war  er- 
schienen mit  seinen  SchultheisBen  und  Käthen,  auch  der  dreien  Herr- 
schaften, der  Stadt  Frankfurt  und  der  Ritterschaft  von  Reiffenberg 
Amtleut,  Käthen,  Rathsmann  und  Sendbotten,  und  eine  grosse  Menge 
Schultheisscn,  Märker,  Hübner  und  Landleute.  Als  das  Märkerding 
geheget,  hiess  der  Waldpott  die  Schultheissen  sie  sollten  die  ungehor- 
samen Märker,  die  ausgeblieben,  rügen.  Dann  wurde  auf  Begehren 
des  Waldpotten  während  einer  Zeitdauer  von  etwa  acht  Stunden  des 
Waltpotten  Herrlichkeit  und  der  Marek  Rechte  ge weiset,  und  zwar 
mit  Zugrundelegung  einer  „Verzettelung"  in  welcher  die  Puncte, 
Über  welche  zu  weisen,  verzeichnet  standen.  Die  Verhandlungen 
wurden  durch  zwei  Offenschreiber  niedergeschrieben,  und  diese  beide 
namens  der  drei  Herrschaften,  der  Stadt  Frankfurt  und  der 
Ritterschaft  von  Reiffenberg,  auch  von  etlichen  Schultheissen 
al»  von  der  Märker  wegen  ersucht  ihnen  zu  ewiger  Gedächt- 
niss  darüber  zu  machen  eins  oder  mehr  offen  Teutsch  Instru- 
mente.     Auch    der   zugezogenen    Instrumentszeugen    waren  un- 


13  Abtruck  deß  Jenigen  Instruments  Welches  Aber  die  Hohe  Marek  umbden 
Fcldtberg  bero  im  Jahr  Christi  1484  den  14  Jnlij  an  ff  der  Anwe  vor  Obern 
Vrsel  durch  darinn  vermeldte  offeoe  Keys.  Notarios  vffgeriebtet  etc.  Von 
Nevem  getruckt  im  Jahr  MDCXXX1I.     s.  Mglb.  E.  29.  — 

Instrument  daB  ist  Gescbicbtbuch  und  schrifftliche  Versicherung  welcher- 
gestalt  die  Marek  in  der  Höhe,  umb  den  Feldbergk  hero,  .  .  .  uffgericht  ist 
worden.  Abermals  gedruckt  zu  Giessen  bei  J.  D.  Hampeln  MDCL1II. 
s.  Ebendas.  — 


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gewöhnlich  viele  vom  Adel,  aus  den  Gewerken  und  Geistliche  von 
St.  Bartholomens  und  zu  Unser  lieben  Frauen-Berg  zu  Frankfurt, 
die  Pfarrherrn  zu  Pfraumheim  und  zu  Obern  Eschbach,  endlich  noch 
.ander  viel  mehr  Umbständer,  die  alle  zu  glaublichen  Zeugen  hier- 
über geheischen  und  gebeten"  worden. 

Im  Jahre  1662  wandten  sich  die  Mainzer  Dörfer  klagend  an  ihre 
Obrigkeit:  der  Waldpott  habe  durch  Bergknappen  hin  und  wieder 
graben  lassen  „welches  anfänglich  nicht  sonderlich  attendiret,  hoffend 
es  würde  sich  dies  von  selbst  legen";  jetzt  aber  viel  Gehölz  veröset, 
viel  Eisenstein  herausgegraben,  und  verlautet  dass  eine  Schmelz  an- 
geleget  werden  solle.  Dies  sei  den  Rechten  der  Märker  zuwider. 
Sie  baten  churfürstl.  Gnaden  möge  sich  ihrer  annehmen,  ihnen  sagen 
wie  sie  sich  zu  verhalten,  damit  sie  bei  dem  Instrument  das  „zwischen 
dem  obersten  Waltbott  und  Märckern  heilsamlich  uffgericht  worden, 
und  uf  welchem  der  ganzen  hohen  Marek  Grundfeste  gleichsam  be- 
ruhet« ruhig  verbleiben  möchten     (Mglb.  E.  29.  V.  8.  34.) 

Bei  Gelegenheit  der  Ueberreichung  von  Beschwerden  im  Jahre 
1702/3  heisst  es  in  der  Beantwortung  der  Gegenerklärung:  das 
Mark-Instrument  so  .  .  .  anno  1484  aufgerichtet,  auch  hernachmals 
durch  öffentlichen  Track  a'  1586  publiciret,  a°  1663  zu  Giessen  nach- 
getruckt  worden  und  auf  pergament  geschrieben  im  Originali  annoch 
vorhanden  sei,  müsste  die  basis  sein  wornach  man  sich  bei  Streitig- 
keiten zu  richten  habe ;  nach  diesem  müsse  ein  jus  venandi  privativum 
bestritten  werden;  wider  das  Markinstrument  könne  keine  Observanz 
angefahrt  werden,  auch  ein  Vergleich  sei  nicht  gültig  „es  wäre  dann, 
da*s  solcher  mit  Consens  aller  derjenigen  gemacht  worden  wäre,  in 
deren  Beisein  das  Instrument  aufgerichtet  worden  und  welche  dabei 
gar  merklich  interessirt  sind." 

Das  Instrument  von  1484  wurde,  durch  Vertrag  festgestellt,  für 
alle  Zeiten  gültig  angesehen,  oder  wenigstens  solange  bis  ein  ein- 
müthiger  Beschlusa,  vertragsmässig  wieder  Abänderungen  treffen 
würde.  Ein  solcher  fand  im  Jahre  1547  statt.  Zehn  Jahre  früher 
wurde  über  die  vom  Ausschuss  aufgestellten  neuen  Artikel  abge- 
stimmt, es  hiess  bei  einigen :  und  „also  eyn  Jar  langkh  zu  halten 
ptieben".     Im  Jahr  1547   wurden  auf  einem  besonders  berufenen 


u  Die  wenigen  Notizen  weiche  Kirchner  auf  8.  476.  477.  in  der  Geschichte 
der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  Aber  die  Hohe  und  die  Seulb.  Erlenbacher  etc.  Mark 
giebt,  scheinen  weniger  auf  Quellenstudium  als  auf  Mittheilangen  anderer 
Schriftsteller  zn  beruhen. 


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Märkerding  die  vom  Ausschuss  vorgeschlagene  Abänderung,  betreffend 
die  Verbrechen  des  Waldpotten,  angenommen.  Es  hiess  im  Instru- 
ment :  „So  der  Waldpott  verbricht  sölt  der  Märker  oder  lantman  ob 
der  darnach  auch  verbreche  nit  büssen".  Mancher  Unordnung  die 
daraus  entstanden,  vorzubeugen  wurde  „eyntrechtig  beschlossen",  dass 
der  „gemeyn  mercker  und  lantman  sich  verbrechung  des  Waltpottens 
nichts  zu  bchelffen  oder  zu  weigern  haben"  sollen.  Am  Schlüsse 
heisst  es  dann,  dass  diese  Bestellung  bis  zu  dem  nächsten  Mercker- 
geding  zu  halten,  doch  mit  diesem  Geding  und  fürworten  dass  das  In- 
strument .  .  .  soll  in  allen  andern  Artikeln  und  Puncten  seines 
Inhalts  bei  seinen  Kräften  und  Würden  bleiben  und  denselbigen 
hiermit  nichts  benommen  oder  abgezogen  sein,  in  kein  Wege,  sonder 
Gefarde.  Im  Jahre  1560  heisst  es  dann  weiter,  es  solle  die  Ordnung 
im  Jar  1547  durch  die  gesandten  des  obersten  Waltpoten  und  die 
gemeynen  Merker  uffgericht  „auch  fllrter  gehalten  und  dero  gelebt 
werden."  Auch  im  folgenden  Jahre  1551  wurde  beschlossen :  diese 
hernachbemelte  Artikel  dero  etliche  hiebevor  im  47.  49.  und  50  Jaren 
ufgericht  in  diesem  laufenden  Jar  auch  zu  halten,  bis  auf  ein  andern 
künftigen  Merckergcdingtag. 

Wenn  es  sehr  wol  erklärlich  ist  warum  der  Hohe-Märker  so  fest 
an  seinem  Instrument  hing,  so  ist  dies  weniger  begreiflich  in  der 
Seulb.  Erlenbachcr  etc.  Mark,  in  welcher  das  Instrument,  errichtet 
Anno  1493,  ein  fast  ebonso  grosses  Ansehen  genoss.  Es  wurde  da- 
selbst ein  feierliches  Märkergeding  abgehalten,  weil  zuvor  bei  dem 
Streit  über  Wahl  und  Bestätigung  der  Märkermeister  die  Rechte  des 
Waldpotten  ganz  in  Frage  gestellt,  und  die  Mark  gemeinsam  von 
den  Herrschaften  und  dem  gemeinen  Märker  bestellt  worden  war. 
Darum  war  es  zwar  natürlich  dass  gerade  die  Rechte  des  Waldpotten 
besonders  in's  Auge  gefasst  und  zuerst  geweiset  worden  sind,  aber 
weniger  ist  es  zu  begreifen  dass  die  Märker  sich  dabei  beruhigten, 
al»  ihre  Rechte  kaum  nur  angedeutet  worden  waren.  Die  drei 
ersten  Artikel  hatten  sich  mit  der  Person  des  Waldpotten  und  seiner 
Befugniss  den  Wiltpan  zuzuthun  und  zu  jagen  befasst,  im  vierten 
handelt  es  sich  um  die  Ausmärker,  welche,  in  der  Mark  betreten, 
dem  oberen  Waltpoten  gen  Iloinburg  der  Strafe  wegen  geliefert 
werden  sollen;  endlich  heisst  es  noch,  so  der  Wiltpan  zugethan  wird, 
wer  dann  durch  sein  eigen  Gewalt  in  der  Mark  jagt,  den  mögt  der 
Obcrwaltpot  nach  seinem  Gefallen  strafen.  Darnach  war  der  Wild- 
bann  zugethan  worden,  und  es  heisst:  „und  wiewol  andre  stück 
halben  not  war  weither  zu  sagen  und  zu  weissen,  so  wolt  doch  der 
Anwalt  meines  gu  Hr.  von  Hanau  dasclbe  umb  kürz  willen  dißxnals 


267  — 


ruhen  lassen,  doch  ohnschedlich  und  unvorgreiflich  hernachmals  deren 
seines  Herrn  und  Oberwaltpotten  Rechte.  Der  Anwald  fordert  dann 
den  Notar  auf  Uber  das  was  er  gehört  Instrument  zu  machen. 

Es  war  hiermit  allerdings  der  Streit  beendigt,  aber  nur  zum 
Vortheil  des  Waldbotten  war  dies  urkundlich  festgestellt  worden, 
und  selbst  aus  dem  Nachsatz  hat  nur  dieser  Vortheil  gezogen;  der 
Anwald  legte  es  später  so  aus,  als  ob  seinem  Herrn  noch  weitere 
Rechte  zu  weisen  gewesen,  dies  der  Kürze  wegen  nicht  ge- 
schehen sei. 

Auffallend  ist  es,  dass  über  die  Errichtung  dieses  Instruments 
in  den  Frankfurter  Akten  nichts  zu  finden  ist  Nachdem  Uber  das 
Märkergeding  anno  1492  berichtet,  dass  nämlich  Ervin  Dügcl,  Amt- 
mann zu  Nicder-Erlenbach  zu  einem  Märkermeister  wieder  uffge- 
nommen  und  widder  durch  bcde  Parthieen  wie  obgemelt*  beeidiget 
worden,  heisst  es  weiter:  „Nota.  In  anno  XCiii  und  XCiiii  ist  Gise 
der  bereiter  allein  uff  bestallung  der  marg  gewest  und  ob  die  Zyt 
von  Instrumenten  oder  etwas  Näwerung  gehandelt  sy,  ist  kein  rela- 
tion  gescheen." 

Im  Jahre  1507  begehret  auf  dem  Märkerding  der  Kellner  „die 
Herrlichkeit  seines  gn.  Herrn  zu  weisen",  dies  ist  aber  nicht  ge- 
schehen, „diewcil  das  Instrument  damals  nit  bei  der  Hand  und  der 
gemein  Merckerman  die  Herrlichkeit  zu  wysen  unbedacht  gewest  ist, 
ist  solches  gütlich  uffgeschlagen  worden  bis  uff  ein  andern  tag". 

Später  auf  dem  Märkerding  1526  bitten  die  Märker  das  Instru- 
ment verlesen  zu  lasen,  was  das  auswyse  dem  wollen  sie  gern 
nachkommen.  „Der  Schulthciss  von  Homberg  geantwortet:  der  Kel- 
ler sei  ein  neue  zukommend  Man,  des  Instruments  halben  nit  wissend 
gehabt,  es  lieg  aber  in  seines  gn.  Herrn  Canzley  und  sei  des  gemein 
Merkerman  des  Falls  unvorgrifflich.  Sollichs  hatt  sich  der  gemein 
Man  settigen  lassen." 

Als  im  Jahre  1552  für  die  Seulberg-  Erlenbacher  Mark  eine 
neue  Ordnung  auf  ein  Jahr  aufgerichtet  wurde,  ist  am  Schlüsse 
bemerkt  worden,  dass  diese  Artikel  der  Mark  zu  gutem  gehört,  ge- 
stellt, angenommen  und  bewilligt  worden,  doch  dem  Instrument  in 
alle  Wege  unschädlich.  Im  Jahre  1588  wurde  sogar  beschlossen, 
ilass  die  Markermcister  jährlich  auf  dem  Markgeding  das  Instrument 
lesen  lassen,  damit  gemeiner  Mercker  dessen  Inhalt  desto  besser 
fassen  könne.  Als  einige  Jahre  später,  es  war  im  Jahre  1595,  dio 
Märker  bedachten,  wie  im  Instrument  gesagt  sei,  der  Waldpott  solle 
auf  Sonntag  Mitfasten,  Lätare  genant,  auf  die  Aue  kommen  und 
daselbst  mit  Rath  der  Märker  die  Mark  bestellen,  das«  aber  die 


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-    268  - 

Markordnung  stets  vorher  schon  durch  die  Häupter  berathen  und 
vereinbart  würde,  hoben  sie  hervor,  dass  es  mit  fürgehender  Pro- 
testation geschehe,  dieweü  solche  von  Alters  mit  gutem  vorbedach- 
ten Willen  introducirte  Zusammenkunft  „dem  heytercn  Buchstaben 
in  dem  Instrument  etwas  zuwider",  es  solle  dies  aber  Sr.  f.  Gn.  an 
ihrer  Gerechtigkeit  ohnabbrtichlich  sein.   Mglb.  E.  80.  IV.  [11]. 

In  späteren  Zeiten  wurden  auch  bei  Umgängen  der  Mark  ge- 
wöhnlich Notare  zugezogen,  manchmal  mehrere.  Zu  dem  Umgang 
von  1710  bemerkt  der  Notar  dass  er  requirirt  worden  sei  seines 
gnädigen  Herrn  „gerechtsame  in  Acht  zu  nehmen,  auf  dass  seinem 
gn.  Herrn  nichts  präjudicirliches  bei  diesem  Umgang  vorgenommen 
werden  möge".  Auch  die  Märker  haben  es  zu  der  Zeit  öfter  für 
nützlich  gehalten  einen  Notar  zuzuziehen  damit  derselbe  feierlichst 
gegen  Neuerungen  protestire  und  ihnen  eine  beglaubigte  Urkunde 
einhändigen  möchte.  Zu  dem  Märkerding  von  1660,  Mittwoch  nach 
dem  alten  Pfingstfest  wurde  von  dem  Schultheissen  der  5  Haupt- 
flecken ein  Notar  requirirt.  Er  erschien  zuvor  in  der  Behausung  des 
Stadtschreibers  zu  Obcrursell;  dort  erklärten  Märkermeister  und 
Schultheissen  es  haben  Iro  furstLGn.  als  obrister  Waldbott  sich  zeits 
etlichen  Jahren  anmasslich  unterstanden  den  Märkern  die  beschwer- 
liche Servitut  aufzubürden,  dass  sie  ihren  Hunden,  wenn  sie  die- 
selben mit  sich  in  die  Mark  nehmen  wollten  Knütteln  anhenken 
sollten.  Wiewol  sie  nun  oftmals  hiergegen  bei  Märkerdingen  prote- 
stirt,  sei  bei  Schliessung  der  Märkerdinge  stets  wieder  erwähnt  und 
Ahndung  gedrohet  worden.  Wollten  dagegen  förmlichst  protestirt 
haben.  Als  nun  auch  bei  diesem  Märkerding  wieder  der  Anwalt  ver- 
boten Hunde  ohne  Prügel  in  die  Mark  gehen  zu  lassen ,  mit  Bedro- 
hung dass  widrigenfalls  dieselben  todt  geschossen  würden,  sind  die 
Schultheissen  der  Hauptmarkflecken  abgetreten  und  haben  sich  ent- 
schlossen der  Protestation  den  Fortgang  zu  lassen;  worauf  der  No- 
tar mit  den  Zeugen  alsbald  in  den  Kreis  getreten  und  gegen  diese 
Zumuthung  im  Namen  sämmtlicher  Märker  aufs  beste  protestirt  und 
alle  rechtliche  Mittel  reservirt.  Der  Anwalt  liess  diese  Protestation 
in  ihrem  Werth  oder  Unwerth  beruhen.  —  (Mglb.  E.  29.  V.  S.  26.) 

p 

Die  Märker.  Wenn  von  der  Hohen  Mark  berichtet  wird, 
ist  vor  Allem  der  Märker  selbst  zu  gedenken.  Die  Hohe  Mark  war 
den  Märkern  rechtlich  eigen  Es  musste  derjenige  welcher  die  Mark- 
wälde benutzen  wollte  in  der  Mark  angesessen  und  begütert  sein. 
Auf  dem  Märkerding  von  1438  trat  Emerich  von  Reiffenberg  auf, 
erzählt  wie  dass  der  Müller  zu  Eschersheim  die  Mühle  verkauft  und 


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ver&URsert  habe,  sich  gleichwol  der  Mark  gebrauche,  hätte  auch 
Eicheln  darin  gelesen,  das  doch  nicht  sein  solle.  Darauf  ersähe 
Henne  zu  Eschersheim  und  bekannte  dass  er  die  Mühle  verkauft 
und  sich  der  geäussert  habo,  er  hätte  aber  noch  nicht  Währschaft 
gethan,  und  vor  dem  Märkerding  uffgegeben,  wie  gewohnlich  sei, 
hoffte  darum  dass  er  daran  nit  übel  sondern  recht  gethan,  und 
wolle  sich  auch  der  Mark  gebrauchen,  so  lange  er  die  Mühle  noch 
nit  uffgegeben  habe.  —  (Mglb.  E.  29.  2.)  — 

In  der  Markordnung  vom  22.  Mai  1594  heisst  es  unter  44:  die 
Markmeister  sollen  die  Förster  überwachen,  und  die  Ausmärker, 
auch  welche  nicht  eigen  Rauch  in  der  Mark  halten  von  der  Mark 
abhalten.  -  (Mglb.  E.  29.  V.)  — 

Ebenso  bestimmt  die  Seulberger,  Erlenbacher  etc.  Markordnung 
von  1588,  es  solle  kein  Märker,  so  in  der  Mark  nicht  eigen  Rauch 
halte,  einiger  Gerechtigkeit  sich  darin  unterfahen  und  zu  gebrauchen 
zugelassen  werden.  Es  bestimmt  dies  die  Markordnung  von  1593 
sub  12.  genauer:  es  solle  derjenige,  so  eine  Behaussung  und  Hofe- 
reith  in  der  Markflecken  einem  oder  mehr  hat  (ungeachtet  er  die- 
selbige  nicht  selber  bewohnen  thete)  dem  Ausmärker  nit  allerdings 
gleich  geachtet,  sondern  ihm  und  seinem  Mundbauer  zu  Erhaltung 
der  Bauten  nach  Gelegenheit  und  Notturft  Holz  gegeben  werden. 
Auch  in  dieser  Mark  heisst  es,  dass  Rittern,  Edelleuten  und  Pastoren 
„in  der  Mark  gesessen,  die  darin  eigen  Rauch  halten",  erlaubt  sein 
solle  zu  jagen,  wenn  der  Waltbott  vorher  gejagt 

Bereits  auf  dem  Märkerding  1549  war  vor  Ursel  beschlossen 
worden,  dass  dem  Cronburgerhof  zu  Obern  Hexstat,  dieweil  der  ver- 
fallen und  abgangen  sei,  soll  kein  brauch  oder  beholzung  in  der 
Mark  gestattet  sondern  die  Hofleute,  so  das  Geländ  bestanden,  für 
Ausmärker  gepfend  werden,  bis  der  Hof  wieder  erbaut  und  bewohnet 
wird,  alsdan  soll  demselbigen  Hofman  zugelassen  sein,  mit  eim  halben 
Wagen  in  Wald  zu  fahren  gleich  einem  andern  Märker,  laut  des 
Instruments.  —  (Mglb.  E.  29.  H*  S.  136.)  —  Im  Jahre  1777  und  in 
den  letzten  Zeiten  der  hohen  Mark  werden  stets  3  Oberhöchstetter 
Märker  genannt  „welche  das  volle  Nachbarrecht  in  der  hohen  Mark 
gemessen0,  Kopp,  Eberhard  und  Hildmann. 

Von  Praunheim  wird  später,  im  Jahre  1777  gesagt:  es  sei  da- 
selbt  ein  Freihof,  die  sogen.  Augustusburg  dermalen  nur  von  zwei 
Gartenknecht  bewohnt;  darauf  aber  wegen  der  verfallenen  Burg 
selbsten  die  dritte  Feuerstätte  hafte.  Es  folgen  in  der  Aufstellung 
noch  mehrere  Höfe  und  Mühlen  mit  dem  Zusätze:  weilen  solche  in 
hiesigen  territory  liegen  so  haben  die  Bewohner  dieser  Höfe  das 


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Recht  sich  in  der  hohen  Mark  zu  beholzen,  wie  die  Unterthanen 
seithero  gehabt.   (Mglb.  E.  31.  I.  350  ff.) 

Dass  in  dem  Streit  des  Frankfurter  Raths  mit  den  Märkern  wegen 
der  Mühle  zu  Bonames  die  letzteren  unter  anderm  auch  entgegenhiel- 
ten: der  Kesseler  zu  Bonemesa  wäre  ein  knecht  und  kein  Märker, 
wird  besser  an  anderer  Stelle  zu  berühren  sein;  die  Irrungen  über 
die  Berechtigung  des  Burgsitzes  zu  Niedern -Erlenbach  sind  aber 
hier  schon  zu  erwähnen.  In  dem  Protocoll  des  Markauaschuases  d. 
d.  Seulberg  27.  Martii  160ti  heisst  es:  Im  Namen  des  obersten 
Herrn  und  Waldpotten  hiesse  Sr.  furstl.  Gn.  Kellner  zu  Homburg, 
Eckhardt  Ellnberger,  die  Märkermeister  und  diejenig  zu  der  Mark 
gehörig,  sitzen;  dabei  Johann  Adolff  Keller  wegen  eine«  Erb.  Raths 
zu  Frankfurt  und  dessen  Burgsesses  zu  Nieder-Erlenbach  sich  auch 
des  Beisitzes  anmassen  wollen ,  es  hat  aber  der  Marker  solliche«  nicht 
zugelassen,  sondern  für  eine  Neuerung  angezogen.  Der  Geschickte 
des  Raths  bezog  sich  auf  das  Instrument,  darinnen  klärlich  zu  be- 
finden, dass  E.E.  Raths  zu  Frankfurt  Amtman  zu  Nieder-Erlenbach 
nit  allein  Märkermeister  gewesen,  sondern  auch  jederzeit  den  Beisitz 
gehabt.  Darauf  erwiderten  die  Märker,  dass  das  Mark-Instrument 
ihnen  genüge,  man  möge  es  ablesen,  der  Oberst  Waldbott  wolle  sie 
darin  schützen,  zumal  da  die  Burg  Nieder-Erlenbach  seit  50  und 
mehr  Jahren  kein  exercitium  gehabt,  und  nichts  hergebracht,  deas- 
wegen  man  auch  dcroselben  keiner  Gerechtigkeit  als  einem  gemei- 
nen Märker  in  der  Mark  geständig,  vielweniger  einem  E.  Rath  der 
Stadt  Frankfurt  Der  Abgesandte  des  Raths  protestirte.  Der  Märker 
Hess  es  darbei,  der  gewesene  Amtmann  und  Märckermeister  sei  nur 
als  Zeuge  beim  Instrument  genannt,  er  wolle  dem  „so  eygen  Rauch 
in  der  Burg  Nieder-Erlenbach  halte'4  nochmals  für  einen  Märker  und 
weiter  nicht  erkennen.  —  (Mglb.  E.  30.  4.) 

In  noch  spätere  Zeit  fallt  das  Memorial  des  Schöffen  Hieronymus 
von  Glauburg,  welcher  am  12.  Januar  1781  um  ein  Vorschreiben 
an  den  Landgrafen  von  Hessen-Homburg  als  Obersten  Waldbotteu 
ersuchte;  er  habe  das  zu  Nieder-Erlenbach  gelegene  v.  Hundheimi- 
sche Freigut  käuflich  an  sich  gebracht;  bei  dem  Märker  Convent  sei 
einer  aufgetreten,  habe  angegeben,  dass  der  gewesene  von  Hund- 
heimische Hof  nicht  mehr  stände,  ihm  kein  Markrecht  mehr  zukäme, 
nnd  demgemäss  sei  ein  Beschluss  gefasst,  Holzzettel  ihm  vom  Mark- 
meister verweigert  worden.  Er  bemerkte  dazu,  er  habe  das  uralte 
Haus,  Scheuer  und  Stallung  abgerissen  und  in  dem  ihm  gehörigen, 
vordersten  Burghof  gesonderte  Scheuer  und  Stallungen  erbaut.  Es 
könne  dem  Mark-Convent  nichts  daran  liegen  ob  diese  Wirthschafts- 


—    271  — 

gcbäude  an  einem  Ende  des  Ort»  oder  an  dem  andern  liegen.  Nie- 
derstedten, Hattstein,  Hinterweil  und  der  Münchhof  bei  Niederursel 
hätten  auch  ihre  Markgerechtsame  behalten.  Auf  die  Eingabe  wurde 
im  Senat  beschlossen :  dass  man  in  optima  forma  hierunter  willfahren 
solle.  Auf  die  Mittheilung  des  „Mit  Rathsfreunds  und  älteren  Schöffen« 
wurde  dann  dem  fiirstL  Anwalte  aufgegeben,  bei  dem  Mark-Convent 
dahin  zu  sehen,  dass  die  Beschwerde  untersucht  und  nichts  wider- 
rechtlich zu  des  Herrn  Schöffen  Bekränkung  verfüget  werde.  Es 
mag  schwierig  gewesen  sein  zu  der  Zeit  noch  zu  bestimmen,  was 
rechtlich,  was  widerrechtlich  bei  solcher  Frage  sei,  nachdem  der 
Waldpott  selbst  eingewanderte  Fremdlinge  in  Dornholzhausen  und 
Friedrichsdorf  auf  Markboden  angesiedelt,  und  dem  Widerspruche 
der  Märker  mit  Erfolg  entgegengetreten  war! 

Eigentümlich  war  das  Verhältniss  von  Vilbel.  Ursprünglich 
gehörte  wol  nur  der  älteste,  nördliche  Theil  zur  Hohen  Mark.  Diese 
Scheidung  verwischte  sich  aber  allmälig.  Auf  dem  Märkertag  von 
1401  wird  desshalb  angefragt  ob  Vilbel  ganz  zur  Hohen  Mark  gehöre? 
Es  wurde  darauf  beschlossen:  Der  landmann  wille  sich  beraden  obe 
die  von  Vilwil  eyns  teyls  oder  zu  male  mercker  sin  stillen  oder  nit, 
doch  so  sin  sie  bisher  verbodet  worden  M. 

Es  giebt  nur  MSrker  und  Ausmärker;  die  ersteren  sind  die 
Eigentümer  des  Bodens,  der  Mark  und  ihrer  Nutzungen,  schädi- 
gen sie  die  Markwälde,  so  schädigen  sie  ebensowohl  die  Genossen, 
wie  auch  sich  selbst  Nicht  von  dem  Waldpott  werden  sie  gerichtet, 
sie  werden  nur  gerüget,  und  von  den  Genossen  bestraft.  Anders 
verhält  es  sich  bei  den  Ausmärkern,  zum  Theil  in  der  Mark  sess- 
hafte  Gewerbtreibende,  Köhler  und  Eulner  oder  Häfner,  welche 
kein  Eigentums-  oder  sonstiges  Recht  zu  beanspruchen  haben;  wenn 
diese  in  der  Mark  freveln,  so  werden  sie  nach  Homburg  eingetrieben. 

Eine  Andeutung  über  Hörigkeit  oder  über  Vollbürger  findet  sich 
in  den  Akten  der  Hohen  Mark  nicht,  der  Leibeignen  wird  nur  in 
den  letzten  Zeiten  vor  der  Theilung  gedacht  Nur  die  Märker  wer- 
den  erwähnt  und  Ausmärker. 

Unter  den  Markern  ist  wieder  zu  scheiden,  der  gemein  Märker 
oder  lantman,  dann  die  Edelleute  und  Priester,  endlich  der  Obriste 
Märker  und  Waldbott.  In  den  ersten  lag  wol  ursprünglich  das 
meiste  Gewicht  und  die  entscheidende  Gewalt,  der  Waldbott  erhielt 
von  ihnen  seine  Rechte  und  seine  Herrlichkeit  geweiset.  Zuweilen 


»  Mglb.  E.  29.  II"  8.  4. 


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-    272  - 

werden  die  Eigentümer  einer  ganzen  Hube,  die  Hubner,  noch 
besonders  betont,  es  heisst  dann  lautman  und  Hübner.  Der  Klein- 
bauern,  der  Einspeniger,  der  Eynläuftigen  wird  nur  in  den  Mark- 
ordnungen gedacht  bei  Gelegenheit  der  Holznutzungen,  oder  bei  Ge- 
legenheit des  Streits  mit  den  Ackerleuten  wegen  des  „Furdripp" 
(Vortriebs)  auf  der  Weide  und  in  den  Stuppeln.  —  (Mglb.  E.  29. 
IIb  25.  - 

Das  Weisen  der  Rechte  des  Waltbotten  war  nicht  eine 
leere  Form,  wir  finden  noch  im  15.  Jahrhundert  überraschende  Auf- 
schlüsse in  dieser  Beziehung.  Auf  Mittwoch  nach  St  Margaretha 
anno  1445  war  der  Edle  Jungher  Gotfrid  von  Eppenstein  bei  Ursel 
auf  der  Auwe,  liess  ihm  da  —  also  auf  einem  gebotenen  Märker- 
ding —  weisen  seine  Rechte  und  Herrlichkeit  über  die  Mark.  Er  liess 
Artikel  fragen  die  gemeinen  Märker,  und  diese  begehren  dass  der 
Jungher  ihnen  diese  Fragen  und  Artikel  wolle  geben,  sich  uff  solche 
Weisunge  zu  bedenken  und  zu  besprechen,  bis  auf  ein  anderes  volle 
Merkerding,  darzu  sie  sein  Gnaden  bescheiden  würde.  Bei  diesen 
Fragen  stand  oben  an:  1)  Wie  fern  und  wie  weit  des  Waltpoten 
Wiltpan  ginge.  Es  folgte  dann  2)  die  Frage:  Wenn  sein  Gn.  den 
Wiltpan  verbode,  und  wer  das  brechete  was  der  darum  verloren 
hätte?  Es  wird  weiter  unten  dieser  Weisungen  noch  besonders 
Erwähnung  geschehen. 

Ueber  die  Namen  oder  Familien  der  Taunusbewohner  bieten 
für  die  späteren  Zeiten  die  Tbeilungsacten  reichen  Stoff,  für  frühere 
Jahrhunderte  rinden  sich  besonders  die  Unterschriften  von  Schult- 
heisscn  und  Gerichtsschöffen  auf  den  Markordnungen,  dann  die 
Namen  der  Zeugen  bei  Feststellung  rechtlicher  Verhältnisse,  sowie 
der  Märker,  welche  bei  den  Umgängen  der  Mark  sich  betheiligten. 
Auf  den  Märkerdingen  tritt  nur  selten  der  Einzelne  redend  oder 
handelnd  auf,  mehr  die  Ortschaft  oder  der  gesammte  Umstand.  Die 
Namen  der  Märker  sind  entweder  von  den  Gewerben  oder  dem  Amt 
hergenommen,  mit  welchen  der  zu  Benennende  sich  wahrscheinlich 
befasste,  so  in  Stierstadt:  Müller,  Aumüller,  Schmidt,  Messerschmidt, 
Schreiber,  Schneider,  Kohler,  Zentgraf;  in  Bommersheim:  Koch,  Eul- 
ler, Bender;  in  Kalbach  und  Harheim  Fischer,  Keller,  Krämer,  Schä- 
fer, Spentler,  Dreher;  in  Steinbach:  Hirth;  in  Reiffenberg:  Wald- 
schmitt, Wagner,  Meier;  in  Heddernheim:  Ziegler,  Kessler,  Koehler, 
Hammerschmid;  oder  es  sind  die  Bezeichnungen  von  Eigenschaften 
oder  Eigentümlichkeiten  entnommen ,  die  meisten  einsylbig  und  vor- 
zugsweise nur  in  einer  Ortschaft  eingebürgert;  oder  es  weisen  auch 
die  Namen  auf  einen  früheren  Wohnort  hin,  so  in  Kalbach:  Dien), 


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-    273  - 


Kuhn,  Kopf,  Kilp,  Stöhr,  Stamm;  in  Harheim:  Bockenheimer,  Breu- 
burger;  in  Kirdorf:  Oden  wäller,  Währheim,  Ostumer,  Birckenfeld, 
Wisskirch;  in  Oberheckstadt:  Kopp,  Beul,  Schaub,  Haub;  Ramels- 
berger;  in  Bonames:  Flamm,  Ripps,  Reusa,  Burck,  Momberger,  Neu- 
hof; in  Nieder-Erlenbach :  Bien,  Boch,  Heil,  Fritz,  Horn,  Kahn, 
Jann,  Helm,  Klos,  Fix,  Lanz,  Heim,  Pfeil,  Reitz,  Roth;  in  Dortel- 
weil: Räch,  Schuch,  Mutz,  Kitz,  Mohr,  Knott,  Scharch,  Becht,  Gelf; 
In  Niederursel:  Greiff,  Schmarr,  Dietz,  Kraft,  Gröla,  Stark;  in  Öber- 
Eschbach:  Mauas,  Best,  Kling,  Gull,  Genth,  Manns,  Knorr,  Porth; 
in  Nieder-Eschbach :  Jost,  Loos,  Lötz,  Wahl,  Schwenk,  Winkler, 
Durnauer.  In  Massenheim :  Hess,  Clees,  Grimm,  Pietz,  Maul;  in 
Reiffenberg:  Brück,  Sturm;  Usingen 

Ziemlich  verschiedene  Namen  sind  in  Vilbel,  das  an  der  grossen 
Heers trasae  gelegen  weniger  Abgeschiedenheit  und  Eigentümlich- 
keit behalten:  Fauerbach,  Marburger,  Wenderoth,  Schickendanz, 
Vömel,  Uphoff,  Seybold. 

Die  mancherlei  Lateinischen  oder  fremdartigen  Namen  stammen 
wol  fast  ohne  Ausnahme  von  Pfarrern  oder  Schullehrern :  Galenza  in 
Bommersheim,  Cornely  in  Kalbach,  Battonn  und  Quirin  in  Harheim, 
Hieronymi  in  Stierstadt,  Molitor  in  Kirdorf,  Gaffka  und  Schul- 
meister Alberti  in  Arnoldshain ,  Henrici  und  Sutor  in  Ober-Escbbach, 
Laupus  und  Debus  in  Nieder-Eschbach.  Am  meisten  Römische  Na- 
men finden  sich  in  Heddernheim,  so  Filius,  Fabritius,  Justus,  Majus, 
Jacobi,  Krusius,  Pauli;  doch  sind  dies  schwerlich  Nachklänge  aus 
dem  benachbarten  vicus  novus. 

Der  Name  Brendel,  welcher  einem  adlichen  Geechlechte  von 
Seulberg  und  Homburg  angehörte,  findet  sich  später  und  bis  auf  den 
heutigen  Tag  in  Reiffenberg,  Schmitten  und  Arnoldshain;  auch  in 
Köppern  soll  er  noch  vorkommen. 

Ganz  verschieden  sind  natürlich  die  Namen  in  Dornholzhausen 
und  Friedrichsdorf:  Gallet,  Cherigaut,  Arnoud,  Bouches,  Pastre  les 
heritiers,  Berthalot,  Garnier,  Vallon,  Rousseau,  Micol,  Balli,  Bezar, 
Lagneau,  darunter  nur  wenige  Deutsche.  Am  mannigfaltigsten  aber 
sind  die  Namen  in  Homburg,  wo  Regierung  und  Hof  viele  fremde 
Familien  herbeigezogen,  später  dann  auch  die  Französische  Ein- 
wanderung einen  neuen  Stadttheil  erbaut  hat. 

*  ■ 

Wenn  auch  der  gemeine  Märkermann  „für  sich  selbst"  auf  den 
Märkertagcn  erschien  —  Mglb.  E.  29.  IP  S.  173  —  so  handelte  und 
stimmte  er  doch  stets  nur  als  Einwohner  einer  der  zur  Mark  berech- 
tigten  Ortschaften;  der  gemein  lantman  trat  in  Haufen  zusammen, 


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und  in  dieser  Weise  erfolgte  durch  einen  der  Aelteeten  oder  durch 
den  Schultheissen  der  Ausspruch  oder  die  Abstimmung  der  Ortschaft. 

Nach  der  ältesten  vorhandenen  Urkunde  der  hohen  Mark  vom 
13.  April  1401  rief  bei  dem  gebotenen  Märkerding  der  Schreier  „die 
Dorffe"  auf.  Es  waren  „die  Ortschaften  hergeboden".  (Mglb.  E.  29. 
IIb  S.  3.)  Es  wurde  einmüthiglich  geweiset:  dass  die  Mark  der  xxviii 
Derffer  „mind  oder  meh"  den  Märkern  rechtlich  eignen  sei.  Es  wur- 
den damals  nur  aufgerufen:  Branbach,  Hornszhem  (wahrscheinlich 
Arnsheim)  Wilen,  Obersteden,  Dornholczhusen ,  Kirchdorff,  Obern 
Espach,  Nidern  Espach,  Nydern  Erlebach,  Massenheym,  VUwil,  Hor- 
heim,  Bonemese,  liedernheim,  Caldebach,NydernUrsel,  Bomerszheim, 
Nydern  Steden,  Mitteln  Steden,  Nydern  Bomberszheym,  Mitteln  Ursel, 
Husenn.  Einige  z.  B.  Stierstadt  fehlen,  vielleicht  weil  der  Schultheiss 
in  seiner  Eigenschaft  als  Märkermeister  zugegen  war.  — 
Auf  dem  Märkertag,  St.  Katharinen  1401  werden  aufgerufen: 
Obern-Steden,  Nydern-Steden,  Dorreholczhusen,  Kirchdorff,  Gontzen- 
heym,  Obern  Espach,  Nydern  Espach,  MasBenheim,  Vilwil,  Horeheim, 
Bonemese,  Caldebach,  Escherheym,  Hedernheim,  Prumheym,  Nydern 
Ursel,  Wissenkirchen,  Stierstat,  Branbach,  des  jungen  Francken  hoff 
zu  Heckstat,  Obernursel,  Gattenhofen,  Riffemberg,  Hatzstein,  Arn- 
stoyn  (Arnshain),  Forderwilen,  Hinderwilen,  Mitteln  Ursel,  Nidern 
Bomersheim.  Ueber  das  gebotne  Märkerding  auf  St  Catharina  1438 
finden  sich  in  dem  Frankfurter  Archiv  zwei  Urkunden  (Mglb.  E.  29. 
II.  S.  93  und  II" )  von  denen  die  letztere,  wahrscheinlich  eine  spä- 
tere Abschrift,  einige  Dörfer  weggelassen.  Die  erstere  ruft  deren  31 
auf:  Obern  Steden,  Nydern  Steden,  Dornholczhusen,  Kirchdorff, 
Guntzenheim,  Obern-Eschbach,  Nydern-Eschbach,  Nydern  Erlebach, 
Massenheim,  Vilwil,  Harheym,  Bonemese,  Caldebach,  Escherheim  « 


i*  Eschersheim  selbst  gehörte  nicht  zur  hohen  Hark,  es  liegt  südlich  der 
Nidda,  das  Ansrufen  kann  sich  nur  auf  die  Mühle  und  des  Abts  Hof  beziehen. 
Von  der  Mühle  wird  aus  dem  Jahre  1567  angegeben,  dass  die  Hanauiscben  ge- 
beten umb  26  stamm  Holz  zu  Erhaltung  der  Müllen.  Darauf  heisst  es:  Dieweil 
im  Instrument  stehet  dass  die  Müll  mit  eym  halben  Wagen  „in  die  Mark  ge- 
hörig sei",  sind  ihnen  uff  diesmal  10  stemm  erlaubt,  die  mögen  sie  mit  eim 
ganzen  Wagen  beim  führen,  aber  sust  zum  Brennholz  sich  „der  Mark  gebrau- 
chen mit  eym  halben  Wagen".  (Mglb.  E.  29.  III.  S.  40.)  —  Von  dem  Abtshofe 
wird  im  Jahre  1603  bemerkt,  der  Marker  habe  den  Bescheid  gegeben  dass  der 
Herr  Graf  zu  Hanau  für  sich  kein  Märkor,  dem  Hofe  zu  Eschersheim  aber  sei 
man  seiner  Gerechtigkeit  geständig,  und  zufrieden  das«  „der  Inhaber  und  Be 
sitzer  solches  Hofes,  dem  Instrument  gemäß,  sein  Brennholz  durch  seine  eigne 
Fuhr  ausführe",  wo  aber  der  Hofe  kein  eigen  Fuhr  hette,  alsdann  durch  einen 


-    275  — 


die  molc  zu  Escherheim,  des  Apts  hoff  zu  Eschersheim,  Hedernheim, 
Prumheim,  Nydern  Ursel,  Wissenkirchen,  Stirstat,  Branhach,  des 
jungen  Francken  hoff  zu  Hexstat,  Obernursel,  Gattenhofen,  Riffem- 
berg,  Hatzstein,  Arnstein,  Forderwilen,  Hinderwilen,  Mitteln  Ursel, 
Nydern  Bomersheim.  Auch  hierunter  fehlen  noch  Homburg,  Dürckel- 
weil,  Steinbach,  der  Mönchhof  bei  Nieder-Ursel  und  die  Waldschinidt, 
jetzt  Schmitten  bei  Arnoldshain,  welche  alle  im  Jahre  1484  aufge- 
rufen werden.  Offenbar  geschah  das  Aufrufen  nicht  nach  einem  ge- 
schriebenen Verzeichniss,  sondern  aus  dem  Gedächtniss  des  Schreiers 
indem  er  sich  im  Kreise  umsah.  Der  Schultheiss  von  Homburg  be- 
fand sich  wol  gewöhnlich  im  Gefolge  des  Waldpotten  oder  des  An- 
walds,  andere  Schultheisse  mochten  zwei  oder  mehr,  besonders  aus- 
gegangene Ortschaften  vertreten.  Es  gibt  hierüber  das  hohe  Mark- 
Protocoll  von  1660 — 1700,  welches  im  Homburger  Archive  sich  be- 
findet, manche  belehrende  Auskunft.  Bei  der  Märkermeister  Wahl  im 
Jahre  1660  wurden  aufgerufen  und  stimmten:  Homberg,  Obersteden, 
Niedersteden  ,Ä,  Gontzenheim,  Ober  Esbach,  Kirdorff,  Nieder  Esbach, 
Nieder  Erlenbach ,  Dorckelweil ,  Vielbel ,  Harheim ,  Bonames, 
Oalbach,  Mühl  und  Abtsboff  zu  Eschersheim,  Hetternheim,  Pfraum- 
beim,  Niederursell ,  Steinbach,  Weiskirch,  Oberhexstatt  3  Haus, 
Stierstatt  und  Bomerscheim,  Oberursell,  Reiffenbcrg,  Hattstein  und 
Arnoldsheim,  Waldschmitt,  Forderweil.  Hinderweil  und  Brombach 
stimmen  nicht.  Es  waren  30  Dörfer  und  Höfe,  welche  als  stimmbe- 
rechtigt aufgeführt  werden.  Aus  dem  Protocoll  von  1661  geht  hervor 
das»  Mühl  und  Abtshoff  zu  Eschersheim  mit  2  Stimmen  zählen;  zu- 
sammen sind  es  in  diesem  Jahr  wieder  30  Stimmen,  bei  Hinderweil 
und  Brombach  steht  eine  0.  Im  Jahre  1662  sind  29  Stimmen  zuge- 
gen, Brombach  abfuit,  Hatzstein  desgl.   Im  Jahre  1665  sind  es  31 


„andern  Märker"  dasselbige  uff  die  Wittag  au  zuführen  Macht  haben  soll;  doch 
ohn  Uebermaaß  und  daas  das  Holz  auf  dem  Hofe  selbst  verbraucht  werde. 
(Mglb.  E.  29.  IV.  S.  84.)  Bei  den  Vorbereitungen  zur  Theilung  der  hohen  Mark 
stellt  Amtmann  Usener  zu  Bergen  Bescheinigung  aus,  dass  in  dem  zum  hochf. 
Hess.  Hanauischen  Amt  Bornheimerberg  gehörige  Ort  Esohersheim  die  daselbstige 
Mühl  und  der  sogen.  Abt-  modo  v.  Wetzersche  Hof  mit  drei  Wohnungen  zur 
hohen  Mark  berechtigt  sei. 

'*  Es  ist  die  Angabo  dass  Niedersteden  im  30jährigen  Kriege  verwüstet 
worden,  (s.  den  Aufsatz:  die  hohe  Mark  3.  340,)  zu  berichtigen;  es  soll  später 
durch  Feuer  zeretört  worden  sein.  Noch  jetzt  führt  ein  besonderer  Weg  nach 
dem  Kirchhof  von  Niederstedten  bei  Homburg,  es  liegt  derselbe  etwas  erhaben 
über  der  Wiese,  eine  alte  Linde  überschattet  den  Platz.  „Leute  die  es  nicht 
verstehen,  meinen  es  sei  hier  wüste;  aber  im  Sommer,  wenn  die  Sonne  brennt, 
kommt  der  Hirt  mit  den  Schafen  gezogen,  da  pflegen  sie  der  Ruhe". 

18» 


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—    276  — 


welche  stimmen;  1674  wieder  nur  29,  Schmitten,  Eeiffenberg  and 
Arnoldßhain  fehlen,  weil  sie  der  Kohlen  wegen  Satisfaction  thun 
sollen,  dagegen  ist  die  Weihl,  Brombach,  Hattstein  und  „die  Sorgu 
anwesend ,T.  Hattstein  erschien  also  damals  unter  den  gemeinen 
Märkern,  während  Arnoldshain  fehlt.  Aber  bereits  auf  dem  Märker- 
ding von  1563  fragen  die  2  Stämme  von  Rjffenbergk  und  Hattsteyn 
an,  warum  die  Märker  ihre  Unterthanen  „die  Ryffenbergischen  und 
Arnßhainer"  aus  der  Mark  geschlossen;  sodann  bittet  im  Jahre  1676 
der  „Hattsteinisch  Schultheiss  zu  Arnoldshain"  dieses  —  Arnoldshain — 
als  ohnvertheilte  Ilattstein'sche  und  Reiffenbergische  Unterthanen  bei 
ihrem  Markrecht  zu  lassen 18.  Demnach  scheint  es  dass  das  Dorf 
Hattstein  damals  schon  nicht  mehr  bestanden,  bereits  ein  verrotteter 
Burgflecken  war;  oder  dass  ein  solches  Dorf  Uberhaupt  nie  bestan- 
den habe;  es  ist  desshalb  schwer  zu  erklären,  wie  bei  den  Bera- 
thungen im  Jahre  1773,  ob  die  hohe  Mark  nach  Köpfen  oder  nach 
Ortschaften  zu  th eilen  sei,  eine  Uebersicht  vorgelegt  werden  konnte, 
in  welcher  unter  den  Bassenheim'schen  Ortschaften  Reiffeuberg  mit 
80  Köpfen  oder  Märkern,  Hattstein  mit  50,  Arnoldshain  mit  80  an- 
gegeben steht.  —  Bei  den  Conferenzen  im  Jahre  1777  wurde  bemerkt, 
dass  Niedersteden  durch  einen  Homburger  Rathsherrn  vertreten  sei, 
in  ähnlicher  Weise  der  Mönchhof  und  Hinterweil,  auch  der  Schult- 
heiss von  Hattstein  werde  noch  aufgerufen.  Mglb.  E.  31.  I.  S.  165. 
Weiterhin  folgen  genauere  Verhältnisse  aus  jedem  einzelnen  Orte. 
Es  findet  sich  darin  verzeichnet  bei  Reiffenberg:  das  Schloss  Hatt- 
stein, sammt  dem  daselbst  liegenden  herrschaftlichen  Gute;  die  herr- 
schaftliche Mühl  bei  Hattstein,  mit  dem  dabei  liegenden  Gut;  der 
Zainhammer  mit  dem  daran  liegenden  herrschaftlichen  Gut.  Bewoh- 
ner eines  Dorfs  Hattstein  werden  aber  nicht  aufgeführt.  Andere 
mark  berechtigte  Ortschaften  und  Höfe  haben  sich  wahrscheinlich 
an  benachbarte  Dörfer  angeschlossen,  so  Wilkommshausen ,  Dorn- 
holzhausen, Gattenhofen,  Dillingen  u.  a.  m.  Den  Namen  Gatten- 
hofen oder  Gottenhofen  trägt  noch  jetzt  eine  Mühle  zwischen  Stier- 
stadt und  Oberursel;  wahrscheinlich  ist  es  von  Gozzo  oder  Gotfrit 
herzuleiten ;  es  soll  sich  mit  Oberursel  vereinigt  haben.  Nördlich  von 
diesem,  am  Fusse  des  Goldgrubenbergs  lag  auch  die  Ortschaft 


"  Auf  dem  Märkerding  von  1663  legen  „die  Waldschmid  von  der  Sorg  und 
Hundtatall1  eine  Schrift  vor,  und  in  der  Waldordnung  von  1594  hebst  es: 
70)  endlich  ist  denen  uf  der  Sorge  lauth  des  alten  Vertrags  kein  Reiser  oder 
Holz  kolen  zu  brennen  gestatt  worden. 

>*  Vergl.  dieses  Archiv  IL  S.  342. 


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277 


Hausen,  welche  im  Jahre  1401  als  bethciligt  zur  Mark  noch  auf- 
gerufen worden  ist.  Anf  dem  Markerding  von  1438  wird  noch  Nid- 
dernsteden  aufgeführt,  Gottenhofen,  Mittel  Ursel,  Niddern  Bommers- 
heym,  aber  nicht  mehr  Hansen.  Bei  Gelegenheit  des  Streites  Uber 
die  Hunerburgkswiese  bei  dem  Endenpfaell,  übergeben  die  Urseller 
eine  Beßchwerdeaehrift  in  welcher  sie  unter  anderm  auch  anführen, 
dass  die  Hessischen  Beamten  zu  Homberg  in  Beziehung  der  Höh- 
mark den  ganzen  Häuser  Grund  anno  1586  abgegangen,  auch  von 
den  Merck ern  Erklärung  abnothigen  wollen,  dass  solcher  ganze  Wie- 
sengrund und  stattlich  Forellenbach  auch  zu  der  Mark  und  nit 
Urseller  Gerichtsbarkeit  gehörig  weren.  Dagegen  betten  etlich  alter 
Merker  Einwendung  gemacht  Ueber  dies  abgegangen  Epsteinisch 
oder  Königsteinisch  Dorff  Hausen  befinde  sich  in  dem  alten  Ursel- 
ler Gerichtsbuch  verzeichnet,  das  bemelte  Häusser  Gericht  sei  in 
anno  1455  durch  die  gnedige  Jungherrn  gen  Ursell  transferirt  wor- 
den. Es  werde  noch  ein  alter  Gültbrief  aufbewahret,  welcher  vor 
Schultheis*  und  »Schöffen  des  Gerichts  zu  Haussen  in  anno  1400  über 
Häusser  Gerichtsgüter  gemacht  Desshalb  würden  noch  die  Na- 
men des  Häusser  Hains  und  Landwebren  gebraucht,  des  Häus- 
ser Feldes,  der  oberen  und  unteren  Häusserwiesengründe ,  des 
Häusserweges,  -steges,  des  Wilthauses,  Newenhauses,  der  Ep- 
steiner Wiesen,  die  noch  ein  Waltschreier  in  seinem  Gebrauche 
habe.  Ihre  Vorfahren  hätten  noch  den  Ort  der  Heuserpfan- 
nen, Schmitten  und  gefeile  uff  solche  schmidt  und  mühlen  vorge- 
zeigt, wie  das  auch  noch  zu  sehen;  und  begriffen  des  Häusser- 
bezirks  Güter  über  400  Morgen  Acker,  Wiesen,  gestreueb,  Wüstung, 
Geboltz  und  auch  die  obberürte  schöne  Forellenbach  welche  alle- 
sampt  dem  Dorff  Hausen  königsteinscher  Obrigkeit  allein  zustendig 
gewesen.  Bei  den  Umgängen  der  Höhmark  wird  stets  dieses  Dorf 
angeführt,  es  heisst  z.  B.  im  Umgang  von  1586:  an  derselbigen 
Wiesen  hinauf  bis  an  den  Heuser  fort  (pfort,  pfad?)  den  Heuserfort 
hinaus  under  der  Schreyerwiesen  hin,  und  fortan  zwischen  dem 
Heuserhayn  und  dem  Veit  den  Weg  an  der  Landtwehr  hinaus; 
fortan  an  die  Strassen  da  vor  Zeyten  ein  schlag  gestanden,  der 
Heuserschlag  genannt 

Mittelursel  schloss  sich  an  Weisskirchen  und  an  Niederursel  an, 
das  Gericht  wurde  durch  Schultheissen  und  Schöffen  dieser  beiden 
Ortschaften  abwechselnd  versehen. 

In  der  Nähe  des  jetzigen  Dorfes  Friedrichsdorf,  südlich  von 
demselben,  lag  Dillingen;  der  Name  kommt  noch  vor  im  Umgang 
der  Seulberger  Mark  von  1539  zu  welcher  Zeit  der  Ort  selbst  bereits 


untergegangen  ist  Es  heisst  daselbst:  „sie  gingen  die  Landgewer, 
die  von  Dollingen  uff  da»  Sewelbergfeld  geht*.  Diclit  dabei  lag  die 
Brendelsburg,  welche  dem,  beiSewelberg  ansässigen,  meist  in  Hom- 
burg wohnhaften  adeligen  Geschlechte  der  Brendel  zugehörte;  viel- 
leicht gehörte  diesem  Geschlechte  auch  die  weiter  nordwärts  damals 
im  Wald  gelegene  Schneppenburg.  Höchst  wahrscheinlich  hat  sich 
Dillingen  mitSewelberg  verbunden,  welches  vordem  ein  Schaf-  oder 
Schweinhof  gewesen. 

Bei  Gelegenheit  der  Streitigkeiten  zwischen  den  Märkern  und 
dem  Waldpoten  wegen  des  neuen  Dorfes  oberhalb  Seulberg,  wurde 
auch  des  untergegangnen  Dülingeh  gedacht,  Der  Waldpot  brachte 
vor:  an  selbigem  Ort  sei  ein  adeliger  Hof  und  dabei  das  Dorf  Dil- 
lingen gelegen  gewesen,  welches  vor  diesem  den  von  Brendell  zu- 
gehöret, von  welchen  es  auf  die  von  Harffen  gekommen;  von  diesen 
habe  es  der  landgraf  gekauft;  so  habe  er  diesen  Ort  nebet  dem 
Dannen-Wald  „ woselbst  in  vorigen  Zeiten  das  Dorf  Willkomms- 
hausen,  von  welchem  auch  noch  ein  Haus  abgebrochen,  und  nach 
Seulberg,  da  es  noch  stehet,  transportirt  worden,  begeben".  Die  neuen 
Ansiedler  hätten  die  Wüsteneien  wieder  zu  fruchtbaren  Aeckern  ge- 
macht, und  sich  darauf  der  Markgerechtigkeit  „gleich  ihren  Vor- 
fahren und  vorigen  Besitzern  der  Dörffer  Dilliugen  und  Willkomms- 
hausen ,  auch  des  adlichen  Hof»  der  von  Harffen  mit  Fug  und  Recht 
bedient".  Es  haben  ihnen  aber  „diese  uralte  Gerechtigkeit"  einige 
Märker  disputiren  wollen,  ebenso  wie  in  der  hohen  Mark  wegen 
Dornholzhausen  die  Märker  anfangs  sich  opponiren  wollen. 

Hierüber  wird  weiter  unten  noch  einiges  nachzutragen  sein.  Das 
jetzige  Dillingen  ist  erst  nach  Theilung  der  Mark  auf  früherem  Wald- 
boden nördlich  von  Friedsichsdorf  erbaut  worden. 

Noch  findet  sich  eine  ausgegangene  Ortschaft  auf  dem  nördlichen 
Abhang  des  grossen  Feldbergs,  vielleicht  ein  Gehöfte,  Volperhausen 
oder  Vellmerhausen.  Jetzt  ist  sie  spurlos  verschwunden.  In  dem 
Protocoll  über  den  Umgang  vom  Jahre  1539  wird  angeführt,  dass 
die  Märker  gegangen  „bis  an  den  Feldberg  gegen  Reiffenberg  und 
den  Pfiugatbrunnen  bei  Volperhausen;  daselbst  hat  sich  zwischen 
den  Geordneten  der  Gemeinde  von  Reiffenberg  an  einem,  und  den 
übrigen  Märkern  am  andern  Theil  ein  Zwiespalt  des  Gangs  zuge- 
tragen". Letztere  wollten  nach  dem  grossen  und  kleinen  Bettstein 
gehen.  Aus  andern  Umzugsprotocollen  ist  zu  ersehen,  dass  die  Grenze 
der  Mark  vom  Pfiugstbrunnen  östlich  von  Oberreiffenberg  auf  einen 
Stein  lief  bei  Vcltmerhausen;  in  denselben  heisst  es  weiter:  „noch 
ein  Stein  bei  Vcltmerhausen,  item  noch  ein  Stein  uff  Veltmerhausen 


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obendig  dem  Weg  naher  Hatzstein ;  noch  ein  Stein  uff  Veltmer hau- 
sen vor  dem  Wald,  fortan  noch  ein  Stein  zwischen  der  Mark  und 
Veltmerhausen,  stehet  in  einer  Ecken;  noch  ein  Stein  uff  Veltmer- 
hausen am  Dieleberg,  liegt  Umb".  Im  Protocoll  des  Umgangs  von 
1609  heisst  es:  anVettmarshausen  so  zur  Mark  gehörig.  Der  8**  Stein 
stehet  auf  der  Haide  vor  Volmarshausen ;  der  .11"  Stein  in  einer 
Eck  allda  Veldmarßhausen  wendet  Es  waren  um  diesen  Bezirk 
von  Veitmarshausen  eine  ganze  Reihe  von  Grenz -Steinen  am  nörd- 
lichen Abhang  des  grossen  Feldberges  hin.  In  spätem  Umgangen 
wird  dieser  Ort  Vollmarszhausen  geschrieben.  Es  ist  glaublich  dass 
auch  diese,  wahrscheinlich  verkümmerte  Ansiedelung  nach  dem  ersten 
Besitzer  genannt  worden. 

Die  Frauen.  Es  ist  sehr  zn  bedauern,  wenn  es  auch  sehr 
natürlich  ist,  dass  die  Akten  der  hohen  Marek  der  Frauen  und  ihrer 
Wirksamkeit  zu  gedenken,  keine  oder  fast  keine  Gelegenheit  haben. 
In  den  gesammten  Schriften  welche  die  Hohe-  und  die  Seulberger  etc. 
Marek  betreffen,  werden  uns  nur  zwei  Frauen  genannt  und  über  ihr 
Wirken  uns  Mittheilung  gemacht.  Einmal  ist  dies  Margaretha  Elisa- 
betha,  Landgräfin  und  Waldbottin,  welche  am  Ende  des  30jährigen 
Krieges  als  Vormünderin  die  Erlasse  unterzeichnet,  dann  aber  noch 
die  wackere  Schultheissin  von  Stierstadt  welche  im  Jahr  1765  bei  Ab- 
wesenheit ihres  Mannes  einer  wüthenden  Rotte  allein  sich  entgegen- 
stellt, gefährdeten  Förstern  Schutz  in  ihrer  Wohnung  gewährt  und 
muthig  die  Verfolger  bedroht 

Der  Adel  und  die  Schlössen.  Neben  den  „Dorffen*  wurde 
in  den  älteren  Zeiten  immer  oder  oft  auch  der  „Schlössen"  gedacht. 
Im  Jahre  1536  werden  aus  den  4  Schlössen  als  Homberg,  Obernursell, 
Reiffenberg  und  Bonemesa  aus  jedem  ein  Mann  genommen,  den  Holz- 
bedarf zu  untersuchen.  Auf  dem  Märkerding  im  darauf  folgenden 
Jahre  ist  „nach  altem  Gebrauch  durch  den  Schreyer  den  Schlössen, 
Flecken,  Dorffen  und  Orten  in  die  Margk  gehörig8,  gerufenworden ; 
ebenso  in  die  Egidii  anno  1538  „allen  Schlössen,  Flecken  und  Dorffen0. 

Auf  dem  Märkerding  von  1517  erhob  sich  Streit  darüber  ob  der 
Rath  von  Frankfurt  das  Recht  habe  Pfäl  zu  hauen,  das  Schloss,  die 
Brück,  das  Wehr  zu  Bonamesa  zu  versehen.  Die  Frankfurter  Ge- 
schickten erklärten  es  wären  zwar  Pfäl  aus  der  Mark  nach  Bonamesa 
geftirt,  daselbst  „im  sloß  und  sunst,  doch  nit  über  der  brück8  benutzt 
worden;  auch  der  gnädige  Herr  von  Königstein  hab'  in  der  Mark 
merklichen  Schaden  gehauep,  hab'  Pfalwerk  zu  Befestigung  des 
Fleckens  Oberursel  verbauet    Es  seien  allein  4  Flecken  nemlich 


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Ryffemberg,  Hoemberg  vor  der  Hoe,  Oberursel  und  Bonamese  in 
die  Mark  gehörig,  darzu  gemeine  Märker  in  Vehden  und  andern 
nöthen  vor  andern  Flecken  Zuflucht  haben,  darum  auch  billig  sollich 
Flecken  vor  andern  zu  befestigen.  Die  Büß  sei  desshalb  auch  dem 
gnädigen  Herrn  von  Königstein  erlassen  worden,  das  Gleiche  ver- 
hoffen desshalb  die  Geschickten  des  Raths  für  Bonamese.  Die  Mir- 
ker  stellen  ihrerseits  nur  in  Abrede  dass  das  aus  der  Mark  genom- 
mene Holz  zum  Brückenbau  verwendet  werde;  sie  beschweren  sich 
dass  sie  grössere  Zollerleichterung  auf  der  Brücken  von  Bonamese  und 
Hausen  gehabt,  der  Zoll  sei  erhöht  worden.  Schliesslich  aber  wird 
dem  Schultheissen  von  Bonames  doch  gestattet  etwa  gehauene  Pfäl 
in  der  Mark  zu  holen,  bis  zum  nächsten  Märkerding  aber  nicht  weiter 
zu  hauen.  —  Mglb.  E.  29.  IIb  S.  103. 

Diese  „Schlössen  und  Flecken"  haben  bereits  im  16.  Jahrhundert 
einen  Vorrang  vor  den  übrigen  Ortschaften  eingenommen,  besonders 
wol  desshalb  weil  in  ihnen  die  verschiedenen  Regierungen  der  zur 
Mark  gehörigen  Ortschaften  eine  Vertretung  fanden.  Sie  bildeten 
den  Ausschuss  der  in  mancherlei  Weise  eine  Thätigkeit  entwickelte, 
namentlich  im  Rechtsprechen  und  in  der  Verwaltung  der  Mark.  In 
älteren  Zeiten  gehörten  dazu  Homburg,  Oberursell,  Bonamesa,  Reif- 
fenberg,  Hatstein  und  Pfraumheim;  aber  bereits  im  Jahre  1594  sollen 
die  Märkermeistcr  vor  dem  Waldbotten  und  den  fünf  Hauptflecken 
Rechnung  thun.  Hatstein  wird  von  da  an  nicht  mehr  unter  den  be- 
vorzugten Ortschaften  genannt.  Noch  im  Jahre  1545  als  die  Märker 
Eingriffe  des  Waldbotten  in  ihre  Gerechtsame  befürchteten,  hatten 
sich  die  Solmsischen,  Hanauischen,  Frankfurtischen,  dann  Juncker 
Friedrich  von  Reiffenberg  und  der  von  Hatstein  mit  einander  ver- 
glichen, und  einen  Tag  zu  Frankfurt  im  Predigerkloster  angesetzt, 
daselbst  zu  handeln  wie  sie  das  Instrument  wollen  helfen  h  and  t  haben. 
„Und  seind  die  nachfolgend  Dorffer  und  Flecken  zum  Ausschuss  ghen 
Homburg  verordnet:  Homburg,  Obernursell,  Bonamesa,  Reiffenberg, 
Hatstein  und  Pfraumheima  19. 

Es  kann  hier  nicht  daran  gedacht  werden  Verzeichnisse  und 
genealogische  Aufzeichnungen  des  Adels  in  der  hohen  Mark  zu 
geben,  das  würde  dieser  Arbeit  sehr  ferne  liegen;  es  soll  nur  das 
Verhältnis*  des  Adels  zum  gemeinen  Märker  berührt  werden. 

Einen  bestimmt  ausgesprochenen  Vorzug  in  der  Nutzung  der 
Mark  vor  dem  gemeinen  Märker  hatten  die  Edelleute  in  älteren  Zei- 


>»  Vergl.  über  den  Untergang  der  Burg  Hatstein :  Usoner,  Ritterburgen 
S.  180,  u.  ff. 


-    281  - 

» 

ton  nicht  Es  wurde  aber  doch  eine  gewisse  Rücksicht  auf  sie  ge- 
nommen, um  so  natürlicher  als  gerade  der  Adel  die  Vorkämpfer 
lieferte,  wenn  es  galt  den  Anmassungen  des  Walpotten  entgegenzu- 
treten. Aua  den  Edelen  wurden  auch  meist  die  Schultheissen  be- 
stellt, entweder  aus  dem  Adel  der  Mark  selbst,  oder  der  Umgegend. 
Ansässige,  in  der  Mark  gegudete  Edelleute  sollten  vor  andern  zu 
M&rkermeister  gewählt  werden.  So  finden  wir  im  Jahre  1401  Henne 
Clemm  von  Hoenberg  und  Heinrich  von  Beldersheim,  1546  Georg 
von  Bellerßheym  Amtmann  zu  Nidern  Jrlebach,  1578  Philipe  Wolff 
von  Ffraunheim  Amptmann  zu  Königstein,  derselbe  im  Jahr  1595 
als  Markermeister.  Ausser  diesen  kommen  noch  vor:  1401  einSifridt 
von  Stierstadt,  Fritzchen  Clemm  und  Damen  von  Prumheim,  die 
Franken  von  Hexstat,  Henne  von  Delckelnheim,  Wilh.  von  Bommers- 
heim, Jacob  von  Cronberg,  Balthasar  von  Eschbach,  Jon.  von  Bus- 
seck, u.  a.  m. 

Besonders  sind  es,  neben  den  Brendel  von  Homburg,  die  Junker 
von  Reiffenberg  und  von  Hatstein  welche  in  Stämmen  auftreten, 
ähnlich  wie  der  gemein  Märker  in  Ortschaften.  So  heisst  es  dass 
1545  zugegen  gewesen  von  wegen  des  Stamms  Brendel,  Johann 
Brendel  der  ältere  von  Homberg  d.  h.  Boichs  Burggraf  zu  Fridberg, 
Joh.  Brendel  der  jüngere  von  Homberg,  von  wegen  der  Stämme 
Ryffenberg  und  Hattsteyn  erscheinen  aber  Pfarrer  und  Schultheiss. 
Ebenso  auch  1541  waren  erschienen  anstatt  des  obersten  Walpoden 
der  ehrenvest  Christoff  von  Hatstein,  Amtman  zu  Königstein,  dann 
Conrat  von  Hatstein,  Ritter,  Vitzthumb  zu  Mainz  von  wegen  des 
Hang  Hatstein,  und  Johan  von  Reiffenbergk  von  wegen  des  Haus. 
Noch  im  Jahr  16()7  erschien  ein  Daniel  Brendel  und  Joh.  Eittel 
Brendel  von  Homburg,  der  Schultheiss  zu  Erlebach  und  der  Ritt- 
meister von  Homburg  Brendel  werden  zu  Märkermeistern  erwählt 
Im  Jahre  1578  heisst  es,  nachdem  die  Geschickten  der  Herrschaften 
aufgezählt  worden,  letzlich  waren  erschienen  »beneben  den  gemeinen 
Märkern  Johann  Brendel  von  Homburg  und  Burckhardt  Engelbrecht 
von  Hattetein  als  Mitmerker". 

Wir  finden  diese  beiden  Reiffenberg  und  Hatstein  bald  unter 
denen  vom  Adel  aufgeführt,  bald  unter  den  Herrschaften.  Als  der 
Keller  von  Homburg  1541  einen  Ausschuss  bestellen  wollte  „sind  ihm* 
die  gemelten  Herrschaften  Solms,  Eisenburgk,  Frankfurt,  Hatzstein 
und  die  Unterthanen  in  die  Red  gefallen". 

Die  Hatsteiner  und  die  RehTenberger  abgeschieden  von  der  übri- 
gen Welt  haben  sich  auch  nicht  viel  um  deren  Anforderungen  be- 
kümmert.  Im  15.  und  16.  Jahrhundert  fehlte  es  nicht  an  Besch  wer- 


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den  der  Märker  gegen  dieselben ;  so  auf  Mitwoch  nächst  nach  dem 
b.  Pfingsttug  1484  eine  Beschwerde  gegen  die  von  Riffemberg  die 
etlich  in  der  Marg  gefangen  und  gepfändet  haben.  Im  Jahre  1491 
abermals  ein  Märkerding  gehalten  wegen  der  Irrung  mit  den  von 
Riffemberg  „den  abgezogen  Walt"  betreffend.  Zugegen  waren  die 
Abgeordneten  von  wegen  Hanau,  Solms,  Königstein,  Frankfurt,  dann 
J.  von  Cronberg  wegen  Nidern  Heckstat  (?),  Marqwart  von  Hatstein 
von  wegen  des  Schloss  Hatstein,  Gilbrecht  von  wegen  des  Schloss 
Riffonberg.  Sie  beschliessen  einen  Umgang  wieder  zu  halten,  und 
„sy  jede  herschaft  ufs  getrost  sie  künnen  kommen  und  erschinen", 
auch  die  Jungen  allenthalben  mitnemen,  darmit  der  Umbgang  im 
Gedechtniss  bliebe.  Im  Jahr  1600  baten  die  Reiffenberger  um  Hegung 
des  Schartterwaldts,  die  Märkermeister  erwiderten :  die  Reiffenberger 
theten  den  mehrsten  schaden,  und  sonderlich  die  uff  Reiffenberg  ge- 
legenen Soldaten. 

Die  Brendel,  welche  besonders  bei  Seulburg  begütert  gewesen, 
sollen  zuletzt  im  untern  Schloss  zu  Homburg  gewohnt  haben,  1630 
oder  1636  ausgestorben  sein.  Die  Wolff  von  Pfraumheim  *°  erscheinen 
noch  um  das  Jahr  1600  auf  den  Märkerdingen,  so  1600  Philips  Wolff 
von  Pfraumheim.  Er  scheint  aber  keine  vorragende  Stellung  dabei 
mehr  eingenommen  zu  haben.  Als  man  ihn  nicht  zum  Ausschuss 
berief,  sagte  er,  dass  er  mit  darunter  gehöre  „wolle  sich  untermen- 
gen, wie  maußdreck  undern  Pfeffer'1.  Er  beschwert  sich  dass  man 
die  Adelspersonen  nicht  zum  gemeinen  Zechen  ziehe.  Georg  Bren- 
dell  von  Hoenburgk  affirmirt,  dass  solches  also  herkommen  und  billig 
geschehe.  Im  Jahre  zuvor  aber  heisst  es  von  Phil.  Wolff  von  Praun- 
heim es  sei  uff  sein  Ansuchen  an  sein  gesetzten  büßen  der  8  fl. 
zwei  fl.  nachgelassen. 

Der  Walpode  hatte  sich  nur  von  dem  Landman  oder  dem  ge- 
mein Märker  seine  Rechte  und  Herrlichkeiten  weisen  zu  lassen ; 
Strafen  mochten  „  der  walpode  und  der  lantmanu  mildigen,  aber  bei 
der  Wahl  der  Märkermeister  waren  die  Edelleute  in  mancher  Be- 
ziehung bevorrechtet:  „Wen  die  Edellute  und  der  lantman  uff  St 
Kathrinentag  zu  Markermeistern  kiesen,  den  hat  der  Walpode  zu 
bestedigen*.  So  geschah  es  im  Jahre  1401.  Auf  dem  Märkergeding 
von  1438  gingen  die  Edelleute  beiseite  und  auch  der  lantman,  und 
besprachen  sich  und  wählten  die  Märkermeister.  Der  lantman  ge- 
dachte auf  Anstiften  des  Kellners  von  Homburg  dreie  zu  wählen  da- 


w  Vergl.  Uber  dieses  Geschlecht,  Dr.  Euler  im  Pftr.  Archiv  fttr  Gesch.  6 
Ilft.  8.  110. 


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-    283  - 


mit  die  Mark  besser  bestellt  würde,  die  Edeln  aber  wählten  zwei 
„Hennen  von  Delekenheym  hie  diese  syt  de  boe  und  Cunen  von 
Riffen  berg  hinsit  der  hoe",  und  raeinten  dass  man  es  bei  den  zweien 
lieöB  bleiben,  wie  es  von  altem  Herkommen  wäre,  und  hiessen  die 
Landleute  hinter  sich  treten  und  darauf  besprechen.  Als  sie  sich  be- 
sprochen hatten  „erzählte  der  Schultheiss  zu  (fehlt  der  Name  des  Orts) 
von  der  Landleute  wegen  wie  sie  meinten  dass  die  Edeln  es  als  gerne 
gut  sähen  als  sie,  und  wollten  es  auch  bei  den  zweien  lassen  bleiben, 
wie  die  Edeln  gekoren  betten."  —  Mglb.  E.  II.  S.  93. 

Nach  dem  Weisthum  von  1484  soll  man  kiesen  zu  Märkermeis- 
tern  aus  den  Edeln  die  in  der  Mark  gemessen  undgegut  seien.  Mag 
man  der  nicht  haben,  so  soll  man  kiesen  aus  den  Priestern,  mag  man 
auch  der  nicht  han  soll  man  kiesen  aus  den  lantmannen  die  furnemsten 
und  nützigsten. 

Noch  im  Jahre  1541  traten  die  Edeln  „so  von  Jre  Person  selbst 
wegen,  vom  Adel  zugegen"  zugleich  mit  den  Herrschaften  gegen  die 
Gesandten  des  Waldpotten  auf,  begehrten  zu  wissen  ob  dieser  der 
Gemark  merklichen  Schaden  gethan  mit  Abhauen  von  Eichenbäumen 
aus  welchen  viel  tausend  Zaunstecken  gemacht  die  Ir0  Gnaden  ausser 
der  Mark  verbraucht;  solche  Büge  hätten  sie  in  den  Rügezetteln 
nicht  verlesen  hören,  ob  solches  mit  Wissen  des  gemein  Märkers 
oder  der  Märkermeister  bescheen,  ob  sein  Gnaden  auch  solchen 
Schaden  verbüsset?  Wenige  Jahre  nachher  aber  stimmen  auch  die 
Brendel,  die  Herren  von  Bommersheim,  von  Praumheym,  wie  die  von 
Reiffenberg  und  von  Hatstein  den  unheilvollen  Beschlüssen  bei,  welche 
das  alte  Recht  der  Mark  vernichten  halfen. 

Damals  schwand  das  Ansehen  der  Edelleute.  Auf  Mitwoch  nach 
Pfingsten  1563  begehren  die  zween  Stämme  von  Reiffenbergk  und 
Hattstevn  Anzeig,  warum  die  Märker  ihre  Unterthanen  die  Reiffen- 
bergischen  und  Arnßhainer  aus  der  Mark  geschlossen;  zum  andern 
warum  nicht  die  Märkermeister  aus  dem  Adel  gewehlet  würden ;  zum 
Dritten  aus  was  Ursachen  ihnen  gewehret  wöll  werden  Säuhecken 
im  Wald  zu  machen?  Der  Amtmann  von  Epsteyn  erbietet  sich  zum 
Versuch  die  Irrungen  in  Güte  beizulegen,  dagegen  die  zween  stamm 
„dieweil  die  andern  gahnErben  nit  vorhanden"  wollen  sich  in  keine 
gütliche  Verhandlung  einlassen.  Die  Märker  ihrerseits  heben  hervor 
wie  die  Reiffenberger  die  Ausschliessung  verdient;  sie  bemerken 
dann  :  es  sei  im  Instrument  geordnet  dass  Merkerroeister  vom  Adel, 
in  der  Mark  gesessen,  sollen  gewählet  werden,  „Inen  sey  aber  auch 
ufgelegt;  sie  sollen  zytlich  in  den  Walt  ryten  und  zusehen,  dass  die 
Forster  Jres  dienstes  flyssig  und  treulich  warten;  Dwyl  aber  solches 


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von  etlichen  unterlassen  und  auch  im  Instrument  versehen,  wo  man 
solche  Personen  vom  Adel  nit  haben  möge,  soll  man  von  Priestern 
oder  von  andern  redlichen  Märkern  nehmen,  so  hab  man  etliche  Jar 
her  redliche  Personen  aus  den  Merkern  gewehlet  die  der  Mark  zum 
treulichsten  sollen  fürstehen.  Es  heisst  weiterhin  zur  dritten  Be- 
schwerde :  „soviel  die  sewhecken  belangt,  hab  der  öberst  Waltpot  die 
Vorjagt  in  der  Höhmark,  laut  des  Instruments,  demnach  mögen  die 
Merk  er  auch  jagen;  zu  solcher  jaget  mög  der  Waltpott  Hecken  lassen 
machen,  sust  wissen  die  Mercker  nit  dass  Jemant  andres  hecken  hab 
zumachen.  Wan  eyn  jeder  merker  synts  gefallens  wöll  hecken  machen, 
so  hetten  sie  des  Walts  nit  genug".  Mglb.  E.  29.  III.  — *  Nicht  lange 
nachher,  im  Jahre  1578  bringen  die  Beamten  des  Waltboten  vor, 
dass  etliche  Märker,  sonderlich  aber  die  vom  Adel  sich  des  Wild- 
schiessens gebrauchen,  dazu  eigne  Schützen  halten  sollen,  welches 
dem  Instrument  zuwider  sei,  sie  hätten  sich  des  Schiessens  in  der 
Mark  gänzlich  zu  enthalten. 

Im  Anfange  des  17.  Jahrhunderts  (1602)  übergaben  die  wenigen 
noch  vorhandenen  adelichen  Mitmärker  den  beiden  Märkermeistern 
und  den  gemeinen  Märkern  Besch werungspuncte.  (Mglb.  E.  29.  IV. 
S.  26.)  Das  Instrument  bestimme,  dass  aus  den  adelichen  Mitmerkern 
oder  geistlich,  da  man  derselben  haben  könne,  Märkermeister  zu  er- 
wählen seien,  dass  sie  auch  zu  den  Berathschlagungen  gemeiner  Mark 
gezogen  werden  sollen;  etliche  Jahre  hero  seien  aber  dem  zuwider 
nicht  allein  gemeine  Personen  zu  Märkermeistern  erwählet,  sondern 
auch  der  adliche  Märker  von  gemeiner  Beratschlagung  gänzlich 
ausgeschlossen  worden.  Sie  begehrten  dass  jederzeit  aus  den  adlichen 
Märkern  einer  zum  Meister  erwählet  werde ;  dass  auch  die  jährlichen 
Rechnungen  zur  Prüfung  den  adlichen  und  andern  Mitmärkern  vor- 
gelegt werden.  Sie  machen  Vorschlag  wie  Ersparnisse  durchgeführt 
werden  könnten,  die  Aufsicht  im  Walde  geschärft  Darauf  beschließt 
aber  der  Märker:  die  vom  Adel  würden  sich  dem  Instrument  gemäss 
zu  verhalten  wissen,  sie  seien  mit  dem  Ausschusse  zu  Rath  gegangen, 
ausser  den  Versammlungen  hätten  nur  die  Hauptflecken  zu  deliberiren. 
Die  Rechnung  abzuhören  stehe  allein  bei  dem  obersten  Waldpotten 
und  den  Hauptflecken.  Burghard  Engelbert  von  Hatstein  habe  wol 
etwas  in  Vorrath  gebracht,  andere  vom  Adel  aber  hätten  den  Vor- 
rath nit  gehäutet  sondern  durchbringen  lassen.  Den  Recess  betreffend 
hätte  der  Märker  lieber  nichts  wünschen  mögen,  als  dass  Philip« 
\Yolt't  von  Praunheim,  der  Caspar  Jockel  succedirt,  dero  Zeit  ein 
schärferes  Aufsehen  gehabt,  die  Rechnung  so  liederlich  nicht  appro- 
birt  oder  unterschrieben,  sondern  die  Recessscliuldon  ausgeti 


hätte.  Endlich  sei  in  dem  Instrument  nichts  zu  finden,  das»  die  vom 
Adel  mit  der  Beholzigung  und  Eintreibung  ihrer  Schweine  zur 
Mästung  vor  andern  Märkern  berechtiget,  sie  lassend  bei  solchem 
Herkommen  billich  verbleiben  da  die  vom  Adel  in  Markbeschwerung 
mehr  nit  dann  andere  gemeine  Märker  contribuiren. 

Ah  auf  dem  Theidigungstagc  am  28.  Juni  1603  der  Kellner  zu 
Vilbel  sein  Begehren  wiederholt,  dass  von  der  Schwein  rügen  abge- 
standen werde,  erkennt  der  Märker  „den  Besitzer  des  Hauses  Vilbell 
für  einen  Märker,  und  Niemandes  weitter"  und  weisst  ihren  Besitzer 
auf  das  Instrument  und  die  Markordnung  „zuversichtlich,  er  sich 
daran  begnüge  und  keine  Neuerung  veranlassen,  auch  der  verwirk- 
ten Bußen  halben  sich  mit  ihm  aller  gebür  abfinden  werde,  damit 
nicht  Noth  sei  andere  zulässige  Mittel  gegen  ihn  an  die  Hand  zu 
nehmen.0 

Von  weit  geringerer  Bedeutung  als  in  der  hohen  Mark  war  der 
Adel  in  der  Seulburger,  Erlenbacher  etc.  Mark;  doch  auch  hier 
hatte  er  gewisse  durch  sein  Auftreten  und  Benehmen  bedingte  Ehren- 
vorrechte. Bei  den  Streitigkeiten  über  die  Märkermeister  Wahl 
erklärten  die  gemein  Märker  im  Jahre  1482  sei  auch  ein  alt  Herkom- 
men, wann  ein  Märkermeister  sein  Amt  aufgestabet  habe,  were  der 
ein  Edelman  in  der  Mark  der  darum  bäte,  den  sollen  die  Mark  er 
darzu  uffnemen,  were  aber  kein  Edelman  der  darum  bitten  wollte, 
were  dann  ein  Pastor  in  der  Mark  der  darum  bäte,  solle  ihm  gelas- 
sen werden.  Die  Fassung  ist  hier  eine  andere  wie  in  der  hohen  Mark : 
einem  Edelmann  der  um  das  abgegebene  Amt  wieder  bittet,  dem 
soll  die  Bitte  nicht  abgeschlagen  werden81. 

In  der  Markordnung  von  1588  ist  bestimmt  dass  Sontags  nur 
grün  Holz,  Freitags  nur  dürr  Holz  gehauen  werden  solle,  jedoch  den 
Burgsessen  und  Herrenhäusern  hiermit  nichts  gewisses  vorgeschrie- 
ben werde  „dann  dieselbe  uff  gewieße  tag  nit  gebandt  sein  sollen". 
Im  Jahre  1591  ist  dann  beigefügt,  dass  jeder  nur  einmal  des  TageB 
fahren  dürfe,  wer  ausserhalb  der  Wittage  „under  dem  schein  der  Bürge 
Holz  bei  sich  in  seinen  Hoff  führe"  solle  gestraft  werden.  Schon  im 
Jahre  1599  findet  sich  aber:  soviel  die  Burgsesse  anlangen  thut  ist 


"  Gewöhnlich  sind  es  nnr  die  unteren  Beamten  welche  um  ihr  Amt  bitten, 
die  Förster,  der  Schreier,  wie  heut  zu  Tage  noch  in  der  Schweiz  der  Weibel 
und  der  Landschroiber.  Die  obersten  Markbeamten  werden,  in  den  späteren 
Zeiten  wenigstens,  ohne  dass  sie  desshalb  bitten,  gewählet.  So  noch  jetzt  auch 
in  der  Schweiz  die  Landammanner  welche  von  andern  in  Vorschlag  gebracht 
werden. 


-    286  - 


beschlossen  daas  der  Ober  Herr  Waldpott  uf  gewisse  Tage  nicht  ge- 
bandet, noch  ihme  Maaß  und  Ziel  fürgeschrieben  sein  solle ;  aber  die 
Petterweiler  Borg  soll  ihr  Holz  „wie  vor  Alters  auf  die  vier  fron- 
fasten lassen  ausführen,  und  weiter  zu  thun  nicht  macht  haben,  bey 
der  straffe  in  gemeinden  Verbrechern  geordnet,  so  oft  einer  darüber 
mißhandlen  und  bedretten  wirdt*.  1601  wird  festgesetzt:  „Waß  dan 
die  Nieder-Erlenbacher  etc.  bürge  so  anjetzo  durch  des  Pfarher  do- 
Belbsten  besessen  wird,  und  welchem  man  auf  eine  sonderliche  Gerech- 
tigkeit von  deswegen  im  Walde  zuzueignen  sich  ahnmaßlich  unter- 
stehen will,  anlangend  deroselbigen  und  ihrem  Besitzer  gestehet  man 
weiter  nicht  als  sonsten  einem  geroeinen  landman  und  Marker,  und 
soll  keinem  mehr  als  einmal  uf  obangeregte  Wittage  zufahren  erlau- 
bet sein."   Mglb.  E.  30.  III. 

Als  sich  die  Betroffenen  beschwert,  bemerkt  die  Waldordnung 
des  Jahres  1602 :  „ob  nuhn  woll  der  Graff  zu  Sollmß  uf  seines  ver- 
storbenen Kölners  zu  Petterweill  anregen,  wie  auch  die  Statt  Franck- 
furth  gegen  diese  Verordnung  des  Burgholzes  protestiren  und  ein 
vermaint  Hehrpringen  anziehen  ließen,  mit  Begehren  sie  darbei  ange- 
baut pleiben  zu  lassen.  Dieweil  aber  der  Wald  in  kurzen  Jahren 
sehr  abgenommen,  und  war  deswegen  dem  Mark  er  soviel  ata  etwa 
bishero  beschehen  nit  mehr  verstattet  sondern  abgebrochen  worden, 
und  dann  die  beide  angeregte  Burgsesse  vermöge  des  Instruments 
mehre  Gerechtigkeit  als  ein  ander  Märcker  nit  hergebracht ;  zu  dem 
auch  die  Nieder  Erlebächer  bürg  bei  Menschen  gedenken  in  50  und 
mehr  Jahren  kein  exercitium  gehabt,  noch  sich  dessen  mit  fugen  und 
gutem  gewiesen  rühmen  kann,  so  ist  ihnen  ihr  begehren  rund  abge- 
schlagen ,  auch  die  vermeinte  protestationea  auf  ihrem  unwertb  und 
es  bey  dieser  Ordnung  gelassen  werdenn."  Ein  ganzer  Band  (Mglb. 
E.  42.  No.  33.)  umfaß  st  alleiu  den  Streit  über  diese  behauptete  Ge- 
rechtigkeit aus  den  Jahren  1601 — 1605.  Dr.  Schacher  stellt  den  Satz 
auf,  die  Beholzungsgerechtigkeit  sei  durch  non  usum  nicht  erloschen, 
es  handle  eich  nicht  um  servitus  in  re  aliena,  sondern  um  jus 
in  re  propria,  das  condominium  in  der  Mark.  Nach  der  Ordnung 
von  1598  sei  die  Burg  an  gewisso  Tage  nicht  gebunden,  das  könnten 
die  Märker  nicht  willkührlich  abändern.  Weitere  Verhandlun- 
gen wegen  der  Burgsitze  und  der  ungebanten  Beholzigungsge- 
rechtigkeit  folgen  im  Jahre  1607  auf  dem  Rathhause  zu  Seulberg. 
Der  Rath  hatte  dazu  Johann  Adolph  Keller,  Schöffen  und  des 
Raths,  sowie  den  Syndicus  D.  Casp.  Schacher  gesandt;  die  M&r- 
kermeister  und  der  Aussei) uss  der  aämmtlichen  Dorfschaften  Seul- 
berger Mark  hatten  einen  Beistand  in  der  Person  des  D.  Andres 


-    287  — 

Conßen  Ton  Fridberg  zugezogen.  Nachdem  die  Solms'schen  ihre 
Gewalt  überreicht,  zeigen  sie  an,  dass  ihr  gn.  Herr  beim  Reichahof- 
rath rechtlichen  Process  ausgebracht,  wollten  dieselben  Protestirt  haben, 
das»  durch  diese  gütliche  Handlung  der  Klage  nicht  abgesagt  sei. 
Diese  wird  articulirt  verlesen:  1)  von  des  Dorfs  Peterweil  Gelegen- 
heit, 2)  dass  dasselb  Ysenburg  und  Solms  mit  aller  Gerechtigkeit 
eigentümlich  zustendig  sei.  3)  Von  Gelegenheit  der  Seulberg  und  Erle- 
bacher Mark.  4)  Dass  Solms  darin  die  Beholzigungsgerechtigkeit  und 
5)  selbige  für  sich ,  seine  Keller  und  das  Burghaus  herbracht  habe ; 
Gj  und  selbiges  ohn  einige  Verbannung.  7)  hettens  Merker  nie  gefoch- 
ten, 8)  hette  ihnen  auch  keine  Contradiction  gebüret,  9)  Beien  zwar 
etwa  Waldordnungen  gemacht  worden,  10)  dabei  der  gemein  Märker 
gebaut,  11)  ausgenommen  die  Burgsitz,  12)  conseq.  seien  dieselben 
in  ihrem  Besitze  des  Unbans  gelassen  worden,  13)  doch  haben  sie 
sich  gegen  Umstand  und  Keller  zu  turbiren,  14)  dieselbe  Pferde 
und  Wagen  abgepfandt,  15)  einen  Burgmeister  von  Petterweil  ge- 
fangen, 16)  den  Petterweiler  ihre  Schwein  ausgetrieben,  17)  es  hette 
sich  aber  Solms  nit  wollen  tegliluiren  oder  verdrängen  lassen  sondern 
seinen  Besitz  continuirt,  18)  Mercker  wollten  aber  noch  nit  abstehen, 
bitte  deshalb  dasselbe  im  Besitz  zu  schützen.  Die  Märker  namen 
nach  Verlesung  der  Schrift  ihren  Abtritt  und  bedachten.  Sie  erwie- 
dern  dass  früher  ein  jeder  Märker  nach  Belieben  beholziget,  später 
»ei  wegen  Holzmangel  Wittage  gesezet  worden.  „Sollte  Solms  gegeu 
solche  Ordnung  gehandelt  haben,  so  sei  es  dann  geschehen  und  dai  - 
gegen  auch  gepfendt  worden."  Anch  die  andern  Artikel  werden  in 
Abrede  gestellt  oder  gedeutet.  Die  Frankfurter  Abgeordneten,  wel- 
chen auch  das  Recht  in  dem  Ausschuss  zu  sitzen  bestritten  worden  92 f 
hatten  sich  entfernt.  Sie  erfuhren  nachher  durch  den  Schultheiss  zu 
Nieder-Erlenbach ,  dass  die  Märker  sogleich  nach '  der  Frankfurter 
Geordneten  Abscheidt  ein  ander  Sprach  angefangen ,  der  Burgk  Pe- 
terweil und  sonst  keinem  Burgsitz  eine  ungebante  Gerechtigkeit 
einräumen  wollten,  doch  so  dass  die  Herrschaft  solches  nit  als  eine 
ewige  Gerechtigkeit  habe,  sondern  dass  solches  nur  aus  gutem  Wil- 
len geschehe ,  und  die  von  Solms  an  die  jährlichen  Waldordnungen 
gebunden  sein  sollten.  Er,  der  Schultheiss  habe  ex  parte  Senatus 
widersprochen,  es  gäbe  dies  nur  Veranlassung  zu  ewigem  Gezänk. 
Mglb.  E.  30.  4. 


21  Auf  dem  Ausschusstage  am  25.  Mai  1604  zu  Sealberg  hatte  der  gem. 
Märker  begehrt,  der  Abgesandte  des  Raths  möge  anders  nicht,  denn  als 
„beistand  des  dorffs  Nid.  Erlenbach"  der  Session  beiwohnen. 


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-    288  - 

Im  Jahre  1698  verkaufte  der  Frankfurter  Rath  die  Nieder-Erlen- 
bacber  Burg  mit  dem  dazu  gehörenden  Gelände  an  den  Herrn  von 
Glauburg,  (Mglb.  £.  43.  No.  1  und  6.)  Der  Schultheis  Job.  Tob. 
Lampe rt  bescheinigt  am  16.  Sept  1789,  dass  die  Gemeinde  Nieder- 
Erlenbach  nicht  nur  seit  dem  Jahre  1759,  in  welchem  Jahr  er  da* 
Schultheisaen-Amt  angetreten,  sondern  bereits  viele  vorherige  Jahre, 
denen  hochadlichen  Besitzern  der  Burg  aus  der  hohen  Mark  jährlich 
sechs  Wagen  Holz,  jeden  Wagen  mit  4  Stück  Vieh  bespannt,  zur 
Frohnde  in  die  Burg  gefahren  habe.  In  dem  genannten  Jahre  1789 
aber  trieb  der  Waldschreier  Masch  auf  Befehl  des  Märkerm eisten 
zu  Ober-Ursel  zwei  Pferde  des  Herrn  Oberamtmann  v.  Glauburg 
zur  Strafe  ein,  und  es  wurden  dieselben  nicht  eher  loagegeben  bis 
Strafe  und  Unkosten  mit  fl.  20.  41  kr.  entrichtet  waren.  Der  Eigen- 
thümer  wandte  sich  an  den  Rath,  ihn  in  der  verkauften  Gerechtsame 
zu  schützen.  Der  Miirkermeister  Siebold  von  Oberursel  vcrtheidigte 
seine  Handlungsweise,  die  Gerechtsame  sei  nicht  erwiesen,  da«  pos- 
sessorium nicht  bescheinigt,  selbst  die  „Darmstädtischen  Prinzen- 
höffe zu  Nieder-Eschbach"  verlangten  kein  weiteres  Recht  als  jeder 
andere  Märker  verlangen  könne.  Die  fürstlich  Hessische  Regierung 
zu  Homburg,  an  welche  man  sich  nun  wandte,  versprach,  dass  das 
Anliegen  des  Burgbesitzers  bei  dem  nächsten  Markkonvent  in  Ueber- 
legung  genommen  werden  solle;  verwiess  aber  zugleich  auf  Märker- 
gedings-Protocolle  von  1517,  1601,  1602  und  1608,  nach  welchen  denen 
vom  Adel  wegen  ihrer  Güter  kein  Vorrecht  in  der  Mark  eingeräumt 
werden  solle.  Da  Herr  Oberamtmann  v.  Glauburg  auf  dem  Märker- 
ding 1791  sich  nicht  meldete,  blieb  die  Sache  liegen. 

Die  Geistlichen.  —  Auffallend  ist  der  geringe  Einflusa  wel- 
chen die  Geistlichkeit  in  den  Angelegenheiten  der  hohen  Mark  gehabt, 
und  wie  überhaupt  jedes  äussere  Zeichen  einer  Gottesverehrung  dieser 
fremd  geblieben  ist.  Kein  Kreuz  ist  darin  errichtet*3,  und  auch  die 
Benennung  einer  Gegend  am  Lindenberg :  „an  der  Magd-Kreuz44,  soll 
an  ein  Verbrechen  erinnern.  Nur  eine  einzige  Stelle  in  der  Hohen 
Mark,  ist  als  eine  heilige  bezeichnet.  In  den  Markumgängen,  z.  B. 
von  1586,  gelangen  die  Märker  hinter  dem  grossen  Feldberg  hei  dem 
kleinen  Bettstein  an  das  Feldchen  „heiligen  Wald"  genannt  „Ein 
Stein  so  noch  gesetzt  werden  soll,  oben  am  Eck  heyligen  Walt 
genant,  ist  der  5.,  der  6.  Stein  zwischen  dem  Arnßhayner  Walt 


23  Das  rothe  Kreuz  liegt  nicht  in  der  hohen  Mark 


—  289 


und  dem  kleinen  Bettstein. u  Der  8.  Stein  weiter  hinunter  zwischen 
dem  kleinen  Bettstein  und  dem  heilig  Wald.  „Fortan  von  dem  Brunn, 
obendig  dem  heimig  Seuffen,  hinauf?  am  heiligen  Walt  24  und  Faul- 
berg ein  Stein." 

Wol  scheint  es,  dass  der  Abtshof  zu  Eschersheim,  jenseits  der 
Nidda  gelegen,  einer  besonderen  Begünstigung  gewürdiget  worden, 
diese  ist  aber  andern  geistlichen  Anstalten,  z.  B.  dem  Kloster  Thron, 
jenseits  der  Höh,  nicht  geworden.  Auf  dem  Märkerding  von  1549 
wurde  beschlossen:  weilen  die  vom  Thron  mit  ihrem  Vieh  in  die 
Mark  treiben,  auch  Wellen  daselbst  machen,  ist  den  Förstern  befohlen 
sie  zu  pfänden:  „wollen  dann  die  Thröner  unsern  Förstern  die  andert- 
halben  Gulden  Gelts  so  sie  Inen  bis  daher  jerlich  zu  geben  pflegten 
ftlrthers  nit  geben,  so  mögen  sie  es  unterlassen,  dan  die  Merker  wöl- 
len  nit  lyden  daß  der  Forster  halben  den  Außmerkern  evniche  gerech- 
tigkeit  in  der  Mark  gestatet  werd.'  Mglb.  E.  29.  IIb  S.  135. 
Weiter  wird  bemerkt  im  Jahre  1567,  die  Jungfern  zum  Thron  hät- 
ten gebeten  „Inen  zu  gunnen  daß  sie  mögen  mit  Irem  Vieh  wey- 
den,  und  wellen  machen  in  der  Höhmark  an  etlichen  Orten  so  den 
Merkern  entlegen  syen.  Solchs  Inen  abgeschlagen,  wie  hiebevor  im 
Jar  1549  auch  geschehen«. 

Priester  werden  in  den  Verhandlungen  der  Hohen  wie  der  Seul- 
burger,  Erlenbacher  etc.  Mark  fast  nur  genannt  als  Zeugen.  So 
namentlich  bei  dem  feierlichen  Märkerding  bei  Oberursel  im  Jahre 
1484.  Nur  die  Hatsteiner  und  Reiffenberger  senden,  weil  sie  sonst 
keine  geeignete  Beamte  hatten,  ihre  Capeliane  auf  die  Märkerdinge. 
So  wird  1536  zu  dem  Ausschuss  nach  Homburg  geschikt  Georg 
Betseier  Capelan  zu  Reiffenberg,  1545  zu  dem  Ausschusstag  Herr 
Jorg....  Pfarrher  zu  Ryffenberg  und  Hans . . . .  Schulthes  daselbst 

Neben  den  Edelleuten  sollten  auch  die  Pastoren  vorzugsweise 
berücksichtigt  werden  bei  der  Wahl  der  Märkermeister:  swere  aber 
kein  Edelman  der  darum  beden  wollte,  were  dann  ein  Pastor  in 
der  Mark  der  darum  bete,  sol  im  gelassen  werden."  Nur  ein  ein- 
zigesmal  aber  findet  sich  ein  Pastor  bei  der  Märkermeisterwahl  berück- 
sichtiget Im  Jahre  1485  während  der  Streitigkeiten  des  Waldpoten 
bei  diesen  Wahlen  in  der  Seulburger,  Erlenbacher  etc.  Mark  haben 
die  von  Petterweile,  Nydern  Irlebach  und  Ober  Irlebach  gekoren 
den  Pastor  zu  Obern  Irlebach,  die  von  Hulczhusen,  Koppern  und  Sul- 


"  In  der  Seulb.  Erlenb.  Hark  wird  in  ähnlicher  Weise  beim  Umgang  1593 
ein  „heiliger  Acker"  berührt,  bei  demselben  stehet  der  88.  Hänfen ;  unten  am 
heiligen  Acker  nach  der  Regelßbach  au,  der  34.  Hanfe.  Mglb.  E.  30.  IV.  - 

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-    290  - 


borg  aber  Erwin  Dogel.  AI«  aber  die  von  Petterwvle  gehört  han 
daß  Erwin  Dogel  von  den  Eppensteinern  gekorn  were,  so  stunden 
sie  von  dem  Pastor  und  koren  auch  Erwin  Dogel,  damit  er  die  Mehr- 
heit gewann.   Mglb.  E.  Hb  S.  152. 

Im  Jahre  1583  legt  der  Keller  von  Homburg  den  Entwurf  zu 
einer  neuen  Ordnung  vor;  in  demselben  heisst  es  zum  zwölften,  die 
Erwehlung  und  Kiesung  des  Merkermeister  anlangend:  man  solle 
Wehlen,  so  maus  kann,  aus  den  Edeln  die  in  der  Mark  gesessen,  oder 
lantman  die  Vornehmsten  und  nutzesten.  Der  Pastoren  wird  nicht 
mehr  gedacht 

Auch  die  Bevorzugung  der  Pastoren  in  Betreff  der  Jagd  war 
wol  nur  noch  ein  Anklang  aus  einer  vergangenen,  roheren  Zeit  Schon 
im  15.  Jahrhundert  findet  sich  keine  Spur  der  Benutzung  vor. 

Wie  der  Bereich  der  ehemaligen  Höhmark  staatlich  zertheilt  und 
in  Stückchen  zerrissen  ist,  so  auch  in  Folge  dessen  der  kirchliche 
Zusammenhang.  Nach  der  Reformation  wurde  in  dem  einen  Dorf 
die  lutherische  Predigt  eingeführt,  in  einem  andern  daneben  wurde 
von  Churmainz  die  Messe  wieder  hergestellt,  in  einem  dritten  stritten 
Lutheraner  und  Reformirte  um  die  Kirche.  Dies  z.  B.  in  Ober-Esch- 
bach, wo  die  Kirche  den  letztern  zugesprochen  wurde,  weil  der  Lan- 
desherr dem  Glauben  der  Reformirten  zogethan  war.  Die  Lutheraner 
bauten  sich  eine  neue.  In  Oberursel  wurde  im  Jahr  1604  die  luthe- 
rische Kirche  abgeschafft,  Pfarrer  und  Schuldiener  verwiesen.  Die 
Menschen  wurden  nicht  dämm  gefragt  was  sie  glaubten,  es 
wurde  ihnen  vorgeschrieben  was  sie  glauben  sollten.  In  den  Dörfern 
und  auf  dem  Felde  erhoben  sich  Denkmale  welche  den  daselbst 
herrschenden  Glauben  vor  Augen  stellten,  selbst  dicht  am  Walde 
wurden  solche  errichtet;  aber  drinnen  in  den  grünen  Hallen,  wo  die 
gefiederten  Sanger  das  Loblied  ihres  Gottes  fröhlich  erschallen  lassen, 
da  verstummte  das  Kirchengezänk,  da  herrschte  gleiche  Berechtigung, 
da  verdrängte  keiner  der  Landesherren  den  Glauben  des  Anders- 
denkenden. 

Es  findet  sich  noch  ein  Theil  der  Hohen  Mark  an  der  alten 
Strasse  nach  Wehrheim,  unterhalb  der  Saalburg,  mit  der  Bezeich- 
nung „der  Einsiedel".  Dies  hat  aber  wol,  obgleich  es  von  den  Be- 
wohnern der  Umgegend  so  gedeutet  wird,  mit  einem  Einsiedler,  der 
zu  einem  ernsten,  beschaulichen  Leben  sich  in  den  Wald  zurückge- 
zogen haben  solle,  nichts  zu  thun.  Einsiedel  oder  Einläufiger  war 
ein  Mann  der  kein  Feld  bebaute. 

Der  Juden  wird  in  der  Hohen  Mark  nur  ein  einzigesmal  gedacht, 
in  einem  Schreiben  als  ein  jüdischer  Verbrecher  gestraft  werden  sollte. 


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-    291  - 

Auf  den  Märkerdingen,  bei  den  Umgängen,  bei  Streitigkeiten  wird 
ihrer  nie  erwähnt.  Als  es  zur  Theilnng  der  Mark  kam,  haben  die 
Obrigkeiten  einen  gewissen  Bruchtheil  per  Kopf  auch  der  Juden 
wegen  beansprucht  und  ausgewirkt.  Der  Handel  wies  sie  nicht  in 
den  Wald,  auf  die  Höh,  sondern  nach  der  Stadt.  Nur  wenn  sie 
gestorben  waren  wurden  sie  hinaufgetragen  auf  die  stillen,  einsamen 
Ruheplätze  in  oder  an  dem  Walde.  Der  Begräbnissplatz  oberhalb 
Seulberg,  am  Dacbacker,  diente  für  die  ganze  Umgegend  besonders 
rar  Homburg;  Holzhausen  hat  einen  besonderen  Platz  bei  der  ver- 
fallenen Burg,  Falkenstein  und  Cronberg  hoch  oben  im  Walde,  Hed- 
dernheim am  Marktplatz  der  yerschwnndenen  Römerstadt. 

Der  Waldbott.  —  Von  der  höchsten  Bedeutung  und  schon 
im  Namen  als  oberste  Person  in  der  Mark  bezeichnet,  war  der 
Oberste  Herr  und  Waldbott  oder  Waltpode.  Ob  dieses  Wort  von 
Wald  oder  aber  von  Gewalt  herzuleiten,  ist  wol  nicht  zu  ermitteln, 
die  wechselnde  Schreibweise  gibt  uns  in  dieser  Beziehung  keinen 
Anhalt;  es  wird  z.  B.  im  Jahre  1401  ebensowol  Waltpott  wie  Wal- 
pode  und  Waldbot  geschrieben.  Bei  den  Streitigkeiten  um  das  Jahr 
1700  berühren  die  Märker  in  einer  Gegenbeantwortung  auch  diesen 
Namen.  Der  Besitzer  des  Hauses  Homberg  heisse  nicht  nur  oberster 
Herr,  sondern  er  werde  genannt  ein  oberster  Herr  und  Walpott. 
Beide  Bezeichnungen  seien  nicht  zu  trennen,  sondern  ein  und  das- 
selbe. Waldbott  sei  forestarius,  saltuarius.  Ein  solcher  sei  schon 
anno  621  von  Dagobert,  dem  König  der  Franken  bestellt  worden 
die  Meeresküste  gegen  die  Normannen  zu  schützen,  wie  solches  in 
den  Gemächern  des  Bassenheimischen  Hauses  vetustis  et  fugientibus 
Ktteris  aufgezeichnet  stehe;  gegen  die  Räuber  in  den  Wäldern  seien 
sie  gesandt  gewesen;  so  sei  ein  oberster  Herr  und  Waldbott  nichts 
anders  als  ein  oberster  Märker,  dem  das  Directorium  und  die  Ob- 
Bich  t  auf  die  Mark  und  deren  Ordnung  aufgetragen  worden,  ein 
Schutz-  und  Schirmherr  welchen  die  Märcker  zu  dem  Ende  erwählet 
haben,  damit  er  sie  gegen  alle  Gewalt  schütze.  Damit  habe  er,  so 
heisst  es  in  der  Beantwortung  weiter,  noch  keine  Jurisdiction  erhal- 
ten. Nach  dem  Instrument  hätten  die  Märker  dem  obersten  Wald- 
botten  seine  Herrlichkeit  in  der  Mark  zu  weisen,  er  besitze  nicht 
mehr  Rechte,  als  ihm  von  den  Märkern  eingeräumt  worden,  diese 
hätten  das  rechtliche  Eigenthum,  er  selbst  könne  die  Mark  nur 
mit  Rath  der  Märker  bestellen;  haue  er  in  der  gebückten  Hege 
auf  der  Strassen,  so  solle  er  dem  landmanne  büßen;  die  erwählten 

Härkermeister  könne  er  nicht  zurückweisen,  nach  dem  Instrument 

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—    292  — 


habe  er  sie  zu  bestätigen;  der  Eid  derselben  sei  allein  auf  die  Mark 
gerichtet;  das  Märkergeding  werde  geheget  im  Namen  des  obersten 
Waldbotten  und  der  gemeinen  Märker. 

Hiergegen  läset  sich  aber  gar  Vieles  anführen.  Schwerlich  haben 
die  Mark  er  selbst  den  Waldpotten  gewählt,  ihm  Schutz  und  Schirm 
der  Mark  gegen  Räuber  übertragen.  Auch  nicht  eine  Spur  findet  sich, 
dasa  er  die  Obergewalt  im  Kriege,  oder  zur  Vertheidigung  gehabt. 
Als  er  die  Märker  zu  den  Wolfsjagden  bestellte,  fand  er  den  hef- 
tigsten Widerspruch.  Die  Mark  umfasste  zwar  früher  auch  die  Dorf- 
schaften selbst,  der  oberste  Herr  und  Waldbott  war  aber  nur  für 
den  Wald  selbst  eingesetzt.  Dafür  sprechen  die  Ausdrücke  „oberster 
Märker«  und  auch  „Oberwaldpott".  (Seulb.  Erl  etc.  Weisthum  von 
1493.  Mglb.  30.  No.  4.) 

Als  bei  den  Streitigkeiten  über  die  Wahl  und  Einsetzung  der 
Märkermeister  längere  Zeit  die  Mark  unbestellt  geblieben,  waren  es 
die  Herrschaften  die  das  Märkerding  zu  hegen  untern  amen.  In  Be- 
treff der  Ausmärker  hatte  der  Waldbott  unbestritten  die  Bestrafung 
der  Waldfrevel  und  den  Eintrieb  der  Frevler,  auch  bei  diesen  heisst 
es  aber,  dass  der  Waldbod  mit  ihnen  leben  mag  wie  er  wolle  „ane 
den  dot  und  lemede". 

Es  ist  alle  Wahrscheinlichkeit  dafür  dass  die  Einsetzung  des 
Waldboten  ein  Werk  der  Fränkischen  Könige  ist  In  dem  Aufs  atze 
Uber  die  Hohe  Mark,  im  ersten  Bande  dieses  Archivs,  ist  wiederholt 
auf  den  innigen  Zusammenhang  derselben  mit  dem  Deutschen  Reiche 
selbst  hingewiesen.  Nicht  Wunsch  und  Bedürfniss  der  Märker  führte 
die  Einsetzung  herbei,  sondern  das  Streben  des  Königs  seine  Gewalt 
zu  festigen.  Alles  was  das  Eigenthum  der  Märker  an  der  Mark  be- 
traf, die  Verwaltung,  die  Nutzung,  selbst  die  Aufsicht  blieb  dem 
Märkerding  vorbehalten;  der  Waldbott  aber  hatte  das  Märkergeding 
zu  hegen,  in  dringenden  Fällen  ein  solches  zu  berufen,  er  hatte 
die  obersten  Beamten  der  Mark  zu  bestätigen,  sie  nötigenfalls  bei 
der  Ausübung  des  Amtes  zu  schützen  und  zu  schirmen;  sie  aber 
mussten  ihm  der  Mark  wegen  geloben SE.  Endlich  stand  ihm  der 
Wildbann  und  das  Strafrecht  über  Ausmärker  zu.  Weiter  ange- 
sprochene Amtsrechte  waren  nicht  unbestritten,  namentlich  dies  nicht 
die  Ausdehnung  des  Richteramtes  und  der  Blutbann.  Ueber  die  zur 


M  So  auf  dem  Märkergeding  der  hohen  Mark  im  Jahr  1438:  globete  Cune 
von  Riffenberg  Jorgen  Brendeln  .  .  an  des  obersten  Walpoden  Stadt  Jn  sin 
hant,  der  marg  getruwelich  für  zu  sin,  und  sie  zu  schuzen  und  zu  schirmen  als 
ferro  yme  crafft  und  macht  getragen  mag.   Mglb.  29.  II. 


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—    293  - 

< 

hohen  Mark  gehörenden  Gemeinden  hatten  die  betreffenden  Herr- 
schaften das  Gericht  Uber  Hals  und  über  Haupt*«.  Da  die  Mark  Wal- 
dung aber  gemeinsames  Gut  war,  konnte  für  sich  allein  kerne  der- 
selben das  Gericht  darin  in  Anspruch  nehmen. 

Im  Jahre  1600  schreibt  der  Märkermeister  Niclas  Rupell  an  den 
Märkermeister  Hildebrand,  Schultheissen  zu  Bonames,  theilt  ihm 
mit  wie  der  Landgraf  vorhabe  die  Personen,  so  die  Juden  in  der 
Mark  bei  dem  Fahrborn  umgebracht,  richten  und  wie  man  sage 
den  einen  vierteln  und  auf  4  Straßen  henken  zu  lassen.  Er  befurch- 
tet, dass  derWaldbott  aus  solchem  eine  Gerechtigkeit  schöpfen  wolle. 
Allein  es  wurden  keine  Schritte  dagegen  gethan.  Heftiger  war  die 
Unzufriedenheit  weil  der  oberste  Herr  und  Waldbott  die  in  der 
Hohen  Mark  erschlagenen  Körper,  es  mochte  vorsätzlich  von  Men- 
schen oder  ohngefähr  von  Bäumen  geschehen  sein,  in  oder  ausser 
der  Mark  begraben  lassen  wollte.  „Es  sei  bekannt,"  so  führen  die 
Märcker  beschwerend  an,  „dasB  in  anno  1660  eines  Urseler  Wagners 
verblichener  Körper  aus  der  Mark,  worinnen  er  von  einem  Baum 
erschlagen  worden,  von  denen  Houmburgern,  bevor  man's  zu  Ursell 
gewahr  worden,  nach  Steden  getragen,  und  dass  auf  Anflehen  der 
betrübten  Wittib  (die  Urseller)  urab  dessen  Wiederabfolgung  ange- 
sucht, auch  einen  Revers  deswegen  von  sich  gegeben  haben.  Dies 
sei  ohne  Präjudiz  der  Mark  geschehen,  und  auf  dem  nächsten  Mär- 
kergeding  dagegen  protestirt  worden."  Auch  diese  Beschwerde  war 
vielleicht  mehr  gegen  die  harte  und  will  kührliche  Ausdehnung  des 
Blutbannes,  als  gegen  die  Richtergewalt  des  Waldpoten  selbst  ge- 
richtet Bei  Streitigkeiten  unter  den  Märkern,  so  z.B.  bei  den  Strei- 
tigkeiten des  Frankfurter  Raths  mit  dem  lantman,  wegen  Kohlen- 
lieferung an  den  Kessler  von  Bonames,  ist  die  Richtergewalt  des 
Waldbotten  von  dem  Frankfurter  Rath  angerufen  worden.  Auch  aus 
den  gemeinen  Märkern  haben  dies  welche  gethan ,  so  Bernhard  Ebel 
von  Nieder-Erlenbach,  welcher  zu  einer  Busse  verurtheilt,  im  Jahre 
1699  an  den  Waldbotten  appellirte,  diesem  seine  positiones  und  pro- 
batorial  Articul  zusandte.  Damals  wurde  vom  Senat  nach  eingehol- 
tem Berichte  decretirt:  „dem  Schultheissen  zu  Nieder-Erlenbach  zu 
bevelhen  mit  der  anbevolhenen  Pfändung  gegen  den  Bernhard  Ebel 
bis  auf  weiteren  Bescheid  einzuhalten8. 

Bei  dem,  Ende  des  16(e&  Jahrhunderts  statthabenden  Streit  wegen 
Einsetzung  der  Märkermeister  in  der  Seulberger,  Erlenbacher  etc. 


"  Grimm,  Weisthttmer  III.  8.  496  ff. 


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Mark,  erboten  sich  die  Regierungen  zu  rechtlichem  Austrag.  Am 
dem  Jahre  1490  findet  eich  dass  der  Pfalzgraf  einen  gütlichen  Tag 
gen  QermerBheim  ernannt,  die  Irrungen  zwischen  dem  Herrn  von 
Hanau  und  „den  andern  Märkern"  hinzulegen.  Es  sind  „Isenberg, 
Solms,  Königstein  und  der  Rath  alhie  uff  freitag  Bant  Elisabethen 
tag  erschienen  und  allda  eynhellig  dieser  notein  eins  worden  den 
tag  abzuschlagen".  Im  Antwortschreiben  an  den  Pfalzgrafen  wurde 
hervorgehoben  dass  die  herschaften  nit  Fug  haben  den  angesetzten 
Tag  ohne  den  gemeynen  lantman  und  merker  zu  besuchen;  würde 
ein  gütlicher  Tag  „in  den  augenschein*  angesetzt,  werde  sich  der 
Handel  am  besten  beilegen. 

Des  Pfalzgrafen  Antwort  war,  er  habe  zu  gelegner  Zeit  einen 
Tag  in  a"en  Augenschein  ernennen  wollen,  sei  auf  Anregung  des 
Herrn  von  Hanau  davon  abgestanden,  er  anderwerbe  eyn  tag  der 
mark  halben  uff  Dornstag  nach  coneeptionis  Mariae  allhie  by  eyn 
komen  und  sich  über  einen  Noteil  einhellig  vertragen,  doch  solchen 
noteil  nit  geen  zu  lassen,  sondern  ein  Merckergeding  zu  halten  .  . 
dann  „mit  Verwilligung  des  lantmans"  sein  Gnad  die  verfast  noteil 
zu  schicken. 

Hierauf  antworteten  wieder  die  Regierungen:  Sie  hätten  ea  den 
Märkern  vorgelegt,  kein  ander  Antwort  erhalten,  dann  Bwie  sie 
haben  ein  gewonlichen  platz  auch  irer  bestelnuss  lang,  alt  geübt 
herkomen,  des  mayn  sie  sich  zu  halten  und  gefuge  Ine  Iren  nach- 
komen  deshalb  keift  Irrgang  zu  machen,  es  sei  auch  in  Irem  Ver- 
mögen nit  aus  Iren  kosten  der  Mark  halber  solicher  ferren  tagreise 
zu  erlegen*. 

So  wurde  im  Jahre  1491  auf  der  Auen  vor  Ober-Erlebach  ein 
Märkergediüg  gehalten,  bemerkt,  dass  die  Märker  das  Begehren  dt* 
Herrn  Pfalzgrafen,  welcher  auf  Ansuchen  des  Herrn  Philipp  Grafen 
zu  Hanau  gütliche  Tage  der  Irrthum  halber  nach  Germersheim  au- 
gesetzt, zum  zweiten  male  abgeschlagen  „sunder  in  Augenschein  au 
komen  begert  haben".  Darauf  haben  sie,  aufgefordert  der  Mark 
Rechte  zu  weisen  ausgesprochen:  „die  marg  sei  der  herren  eygen- 
thum  und  der  mercker  erbe*.  —  Mgb.  E.  30.  U.  — 

Auffallend  ist  das  Vorgeben  des  Waldbotten,  die  Hohe  Mark 
sei  ein  Pfälzisches  Lehen.  Als  dies  im  Jahre  1487  ausgesprochen 
worden,  sagten  die  Märker:  die  Mark  sei  ihr  Eigen,  „der  Lantman 
hat  Bich  daß  nit  hoch  anfechten  lassen". 

Wiederum  wurde  die  Behauptung,  dass  die  Mark  Pfälzische« 
Lehen  sei,  im  Jahre  1586  vorgebracht.  Als  bei  grosser  Erbitterung 
die  Hessischen  Gesandten  auf  der  Aue  vor  Ursell  Drohungen  fallen 


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—    295  - 

Hessen,  da  fügten  sie  bei:  sintemal  Ihr  fiirstl.  Gn.  die  Höbe  Mark 
Ton  der  churfürstl.  Pfalz  zu  Lehen  trüge ,  (wie  er  Hans  Herman 
Mönch  das  bei  seiner  adlichen  Ehre  könne  affermiren,  und  deshalb 
habenden  Fürstlichen  Memorial  Zettel  deme  von  Hattstein  und 
Herrn  Christoffen  zum  Jungen  vorgezeigt)  auch  die  Leih  neulich 
empfang-  und  angenommen  worden,  würd  ihr  gn.  fürst  iL  Herr  selbst 
uff  Mittel  und  Weg  bedacht  sein,  wie  denjenigen  so  sich  unbefugt 
darin  dringen  wölten ,  füglich  begegnet  werden  sollt.  Darauf  bemerkte 
der  Ausschuss:  es  komme  ihnen  befremdlich  vor,  dass  die  Höhe 
Mark  itzt  allererst  ein  churfürstl.  Pfalzgravisch  leben  angegeben 
werde,  das  Instrument  weisse  aus,  daß  Grund  und  Boden  und  die 
Mark  selbs  der  Merker  rechtlich  eygen  were;  wollten  solche  Anzeig 
auf  ihrem  Werth  und  Unwerth  beruhen  lassen.  Die  Hessischen  Ge- 
sandten erwiederten:  die  Märker  möchten  ihr  Verwundern  einstellen, 
denn  dass  sie  sich  uff  ein  alt  Instrument  ziehen  theten,  das  were 
bei  lebzeiten  eines  alten  Herrn  von  Eppstein,  der  sich  des  Lehens 
nit  erinnert,  uffgericht  worden,  und  hätten  diejenig,  so  gedachtem 
Herrn  von  Eppstein  und  auch  den  Merkern  ihr  recht  und  gerechtig- 
keit  damals  vermeintlich  ausgewiesen,  kein  juramentum  leisten  wol- 
len, auch  ihren  Weyßthumb  aydhaftig  nicht  betheuern  können,  dass 
also  dem  Eigenthumsherrn  der  churfürstlichen  Pfalz  an  der  Mark 
derzeit  nichts  begeben  worden.  Der  Ausschuss  wiederholte  das  früher 
gesagte:  „die  gemeinen  Merker  wüßten  sich  aus  dem  Instrumento  so 
schlecht  nicht  treiben  zu  lassen". 

In  späteren  Zeiten  ist  der  landgraf  von  Heesen  nie  mehr  auf 
diese  Behauptung  zurückgekommen,  namentlich  hat  er  bei  der  Thei- 
lung  der  Mark  die  Entschädigung  nur  für  sich  allein  beansprucht. 

In  andern  Fällen,  in  der  Feldmark,  war  es  gewöhnlich  dass  bei 
gemeinschaftlicher  Terminei  auch  der  Blutbann  gemeinschaftlich  aue- 
geübt würde.  Es  scheint  dies  wenigstens  aus  einer  Verhandlung  her- 
vorzugehen welche  im  Jahre  1579  auf  dem  Mönchshof  bei  Nieder- 
Ursel  zwischen  Königstein'schen  Abgeschickten  (als  Besitzer  von 
Weisskirchen)  einerseits,  und  Solmsischen  und  Frankfurtischen  (als 
Besitzer  von  Niederursel)  andererseits  gepflogen  wurde.  Es  geschah 
dies  des  Krebsers  halben,  welchen  die  Niederurseier  Unterthanen  in 
des  ausgegangnen  Orts,  Mittelursel,  Terminei  krebsend  ergriffen  und 
gefänglich  nach  Frankfurt  geführt.  Die  Königsteinschen  hatten  fol- 
gende fürgeben,  dass  ihrem  gn.  Herrn  die  hohe  Obrigkeit  des  Orts 
allein  gebühre,  hatten  verlangt  den  Krebser  wiederum  an  das  Ort, 
da  er  gegriffen,  zu  stellen.  Bei  dem  Güteversuch  auf  dem  Mönchhof 


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-  296 


behauptete  Königstein  in  der  „Mittelurseier  oder  Mittelgerichtstermi- 
ney"  die  hohe  Obrigkeit  und  den  Blutbann,  auch  das  Geleit  zu 
haben,  das  Gericht  werde  in  Königsteins,  als  obersten  Blutrich- 
ters Namen,  geheget,  die  andern  Obrigkeiten  (ftlr  Niederursel)  hatten 
nur  mittel-  und  niedere  Obrigkeit  in  dem  ausgegangenen  Ort.  Solms 
und  Frankfurt  aber  geben  vor  daas  die  Mittelurseler  Termine» 
Königstein  einerseits,  SolmB  und  Frankfurt  andererseits,  in  gemein 
eigenthümlich  zustände,  mit  allem  Gericht  und  Gerechtigkeiten,  sie 
seien  sämmtlich  Stände  des  Reichs,  hätten  die  hohe  Obrigkeit  zu 
exerciren;  das  Gericht  des  Ortes  werde  mit  Solms'schen,  Frankfur- 
tischen und  mit  Königsteinschen  Schultheiß  und  Schöffen  abwech- 
selnd geheget,  es  werde  das  Gericht  ein  durchgehend  Gericht  ge- 
nannt. Die  Weisskircher  hätten  eine  Person  mehr,  denn  sie,  in  das 
Gericht  zu  setzen  gehabt,  (einen  Schultheissen  und  3  Scheffen,  sie 
nur  einen  Schultheissen  und  2  Scheffen),  vielleicht  so  der  Abstim 
mung  wegen;  dadurch  seien  die  Niederurseier  überwältiget,  das  Ge- 
richt zweimal  von  Weisskirchen  gehegt  worden.  Das  Geleit  werde 
nicht  zugegeben,  dagegen  protestirt  Man  solle  das  Gerichtsbuch,  so 
in  Weisskirchen  verwahrt  werde,  ediren,  darin  müsse  im  Eingang 
sich  finden  von  was  wegen  das  Gericht  zu  hegen,  wem  es  zuständig 
sei,  wer  es  zu  besetzen  habe.  Der  Krebser  sei  übrigens  nichts  anders 
wegen  beschuldigt,  habe  sein  ersten  Versuch  gethan,  kein  leibsstraf 
verdient,  es  sei  nur  eine  schlechte  Missethat  die  mit  Geld  oder  dem 
Thurm  zu  verbüssen.  Er  wäre  nun  bald  ein  ganz  viertel  Jahr  in 
schwerer  Gefängniss  gelegen  und  „also  seines  Krebsens  ziemlich  ge- 
strafft worden",  wären  bedacht  ihn  ledig  zu  geben,  solches  avisiren 
sie  „damit  Königstein,  als  Mitherrn  nichts  praejudicirt  werdeu.  Es 
ist  aber  zu  einem  Verständniss  nicht  gekommen.  —  (Mglb.  E.  44. 
No.  18.) 

Der  Waldpott  hatte  auch  die  Mark  zu  bestellen,  dies  aber  nur 
„mit  Rath  der  Märker".  Für  die  Hohe  Mark  sprechen  dies  die 
Märker  im  Weisthum  von  1484  aus.  Dieser  Beirath  der  Märker  war 
wol  mehr  als  ein  blosses  Abgeben  einer  Meinung,  denn  wie  die 
Mark  dann  bestellt  wurde,  also  soll  es  dasselbe  Jahr  von  einem 
Waldbotten  auch  gehalten  werden;  verbreche  es  aber  ein  Waldbott, 
so  soll  der  Märker  oder  landtmann,  ob  der  darnach  auch  verbreche, 
nicht  büssen.  In  gleicher  Weise  war  im  Instrument  der  Seulburger 
Mark  vom  Jahre  1493  ausgesprochen,  wie  der  Walpott  die  Mark 
bestelle  „mit  Rath  der  Märker"  also  soll  es  das  Jahr  aus  gehalten 
werden. 


Wie  aber  eine  solche  Vereinbarung  zu  Wege  gekommen,  das 
wird  gewiss  für  verschiedene  Zeiten  verschieden  zu  beantworten  sein. 
Die  vorhandenen  Urkunden  berichten  in  beiden  Harken  über  Strei- 
tigkeit welche  der  Wahlen  wegen  sich  erhoben.  Als  bei  dem  Mär- 
kerding der  Sewlnburger  oder  Nidder  Irlenbacher  Gemark  im  Jahre 
1541  die  Märker  auf  einem  Haufen  beisammeD  gewest,  hat  Diether 
Gewand,  der  schlaue  Anwalt  des  Waltpoden,  angezeigt,  die  Märker 
hätten  auf  letztem  Märkergeding  Johann  Fleckenburg,  Amtmann, 
zum  Märkermeiater  vorgeschlagen;  da  der  oberste  Walpott  nicht  zu- 
gegen gewesen,  habe  er,  der  Anwalt,  ohn  Vorwissen  desselben  den 
Gewählten  nicht  bestätigen  können,  jetzt  sei  der  oberste  Walpotte 
zugegen,  begehre  einen  Märkermeister  mit  dem  landman  zu  erwäh- 
len. Der  gemein  Märker  Hess  das  Instrument  verlesen.  Der  Anwalt 
hob  hervor  darin  sei  bestimmt,  dass  die  Mark  im  Beisein  eines 
obersten  Waldpoten  „mit  Rath  der  gemein  Märker"  bestellt  sollt  wer- 
den. Sein  Herr  sei  erbötig  die  Mark  helfen  zu  bestellen  und  zu  thun 
was  ihm  gebühre.  Die  Märker  aber  traten  wieder  zusammen,  bespra- 
chen sich  und  Hessen  durch  ihren  Redner,  Johann  Schwab,  Burger 
zu  Frankfurt,  furtragen,  dass  sie  jetzt  wieder  Johann  Fleckenburg 
gekoren,  mit  bitt  dass  der  oberste  Waldpot  denselben,  wie  von 
Alters  herkommen  bestätigen  und  in  gewöhnlichen  Eid  aufnehmen 
wolle. 

Die  Geschichte  dieser  Marken  zeigt  uns  auf  jedem  Blatt,  dass 
der  Streit  welcher  jetzt  in  den  Deutschen  Ständekammern  über  die 
Berechtigung  der  Volksvertretung  gekämpft  wird,  keineswegs  in  Eng- 
land Beinen  Ausgangspunct  hat,  dass  er  vielmehr  ein  ächtdeutscher 
ist  und  dauern  wird  so  lange  das  Deutsche  Leben  noch  pulsirt27.  Es 
ist  nicht  eine  einseitige  Macht  und  Gewalt  welche  dem  gesammten 
vStaatsleben  als  Fundament  dient,  so  dass  nur  in  ihr  einige,  dem 
Untergebenen  eingeräumte  Rechte  gleichsam  wurzeln ,  sondern  es  ist 
eine  wechselseitige  Beschränkung  der  Rechte,  deren  Ausdehnung 
und  Begrenzung  wesentlich  von  der  Klugheit  und  Beharrlichheit  der 
Kämpfenden,  aber  auch  von  den  Zeitverhältnissen  abhängt.  Der 
Güteversuch,  das  Vertragen  und  Austragen  werden  immer  wieder 
vorgeschlagen,  zur  Hand  genommen  und  versucht  Als  im 
Jahr  1488  der  Anwald  des  Waldpotten  das  Märkerding  auf  dem 
Flecken,   wie   von   Alter   herkommen   war,    nicht  halten  wol- 


27  De  minoribuB  rebus  principe«  Consultant;  de  majoribnsomnes:  ita  tarnen, 
ut  ea  quoque,  quorum  penes  plebem  arbitrium  est,  apud  prineipes  pertractentur. 
Tacit.  Germ.  XI. 


Jen,  sondern  wegen  der  streitigen  MärkermeiBterwahl  ohn  allen  ab- 
scheyt  mit  den  von  Seulberg  abgeschieden,  haben  sich  die  Sendbo- 
ten der  Herrschaften  darauf  bedacht,  nnd  dem  lantman  auf  ihrer 
Seiten  gesagt:  sie  sollten  die  Mark  gebrauchen  wie  von  Alter;  dann 
aber:  es  sollten  die  Sendboten  den  Herrschaften  vorbringen  und  sie 
im  Gedächtniss  zu  dem  nächsten  Markerding  halten,  „trefflich  und 
so  dapperlich  zu  schicken,  deß  da  stadb'ch  gutlichiß  oder  rechtlich^ 
ußdragiß  sich  zu  verdragen". 

NichtH  berechtigt  aber  zu  der  Anname  dass  es  den  Märkern  der 
Hohen-  und  der  Seulberger,  Erlenbacher  etc.  Mark  zugestand en 
von  der  Gewalt  des  Waltboten  sich  loszusagen,  wenn  er  den  getrof- 
fenen Anordnungen  sich  nicht  gefugt  Die  Schirmherrschaft  des 
Waltpoten  an  und  für  sich  war  ebenso  festgestellt,  wie  das  landes- 
herrliche Verhältniss.  Als  der  Waldpot,  um  seine  Ansprüche  bei 
der  Wahl  der  Märkermeister  durchzusetzen  die  Hegung  des  Mär- 
kergedings  unterliess  und  die  Mark  nicht  bestellte,  wurde  diesem 
Nothstande  durch  Vermittelung  der  Regierungen  abgeholfen,  aber 
darnach  sehen  wir  die  Gewalt  des  Waldpoten  ungeschmälert  wieder 
vortreten.  In  den  ältesten  Urkunden  schon,  in  den  Weissthümern 
der  Hohen  Mark  von  1401  steht  voran  dass  die  Mark  der  Dörfler 
rechtlich  eigen  sei.  Unmittelbar  darnach  heisst  es  aber :  „und  dar- 
über eyn  oberster  Herr  und  Walpode  sei  eyn  Herr  von  Eppen stein, 
oder  wer  Hoenberg  von  sinetwegen  in  habe."  Dann  folgen  die 
Pflichten  des  Waldpoten,  die  Mark  alljährlich  zu  bestellen,  und  seine 
Gebote  über  den  Wald  Belbst  auch  zu  halten.  Thut  er  das  nicht, 
so  kann  er  desshalb  nicht  bestraft  werden;  aber  wenn  er  das  Gebot 
bricht,  so  ist  auch  der  Merker  nicht  mehr  gebunden.  Hauet  er  oder 
die  seinen  in  der  Hegemark,  so  soll  der  lantman  nit  büssen,  ob  er 
darnach  auch  darinne  hauet;  wie  er  den  Wiltpan  bestellet,  also  soll 
er  ihn  auch  halten,  verbrechet  aber  er  das,  so  mögen  es  die  Merker 
auch  verbrechen.  Nur  in  dem  einen  Fall  soll  auch  der  Waldbott 
straffällig  sein,  wenn  er  in  der  gebickten  Hegemark  auf  der  Strassen, 
also  in  dem  zur  Landesverteidigung  gehegten  Walde,  hauet.  „So 
er  aber  das  thät,  soll  er  dem  landtmann  büssen."  Es  ist  nicht  ge- 
sagt ob  der  Busssatz  der  gleiche  sein  soll  wie  wenn  ein  Märker  das 
verbrochen,  auch  ist  kein  Beispiel  aufzufinden,  dass  je  eine  Strafe 
desshalb  gegen  den  Waldboten  verhängt  worden,  aber  in  den  ge- 
druckten Ausgaben  des  Instruments  von  1484  ist  auf  dem  Rande  ein 
„Nota  bene"  beigefügt. 

In  der  Hohen  Mark  ist  das  Amt  eines  Waltpottcn  an  den  Be- 
sitz von  Homburg  geknüpft  Auch  in  der  Seulberger,  Erlenbacher  etc. 


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Mark  war  das  Amt  an  Homburg  geknüpft  und  zwar  an  den  recht- 
lichen Besitz  desselben ;  es  ist  dies  durch  das  Märkergeding  von 
1491  auggesprochen  in  den  Worten:  „das  ein  iglicher  der  hoemberg 
mit  got  und  mit  eren  inhab,  das  derselb  ein  oberster  Waltpode  der 
raarg  sy."  Im  merkergeding  von  1493  weisen  und  erkennen  die 
Märker  Herrn  Philips  Grafen  und  Herrn  zu  Hanau  itzt,  und  nach 
ihme  den,  der  Homburg  mit  Iren  (Ehren)  und  recht  inn  hat  für  ein 
obersten  Herrn  und  Walpoden  der  Mark.  —  Mglb.  30.  No.  4  [2]. 

AU  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts  Ober  den  Besitz  von  Hom- 
burg willktthrlich  durch  den  Kaiser  von  Frankreich  verfugt  wurde, 
hatten  die  Marker  nichts  mehr  zu  weisen  und  nichts  mehr  zu  er- 
kennen! — 

Auf  dem  Märkergeding  von  1401  feria  quarta  infra  octavas 
pasche  als  der  Schreier  den  Dorfen  gerufen  hatte,  sprach  Schudereyn 
der  Schultheiss  zu  Hoenberg  (Homburg)  zu  Henne  Clemmen  und 
Siebold  Heylbecher  dem  Schultheissen  zu  Harheim,  dass  sie  austreten 
und  den  lantmann  zu  sich  nehmen,  sie  Bollten  weisen  dieweil  Henne 
Brendel  Hoenberg  von  der  herschafft  von  Falkenstein  „in  pfandeü- 
wy»e  inhette,  ob  sie  dann  denselben  Hennen  Brendeln  irkenten  eynen 
obersten  Walpoden."  Darauf  haben  die  Märker  einmüthiglich  ge- 
weiset, dass  über  die  Mark  ein  oberster  Walpode  sei  ein  Herr  von 
Eppenstein  oder  wer  hoenberg  von  sinen  wegen  inhabe,  und  wan 
iss  dann  eyn  herre  von  Eppenstein  wyder  gelose  (auslöse)  oder  In- 
gewynne  so  sy  er  isz  aber  als  vor".  Mglb.  E  29.  Ub  S.  3  u.  H 
S.  83.  - 

Noch  ein  Verhältniss  ist  hier  zu  berühren,  der  Fall  nemlich 
wenn  zwei  Personen  Anspruch  machten  an  das  Amt  eines  Wald- 
botten.  Es  geschah  dies  im  Jahre  1458.  Auf  Samstag  nach  S. 
Kathrinentag  begehrte  Hans  Walborn,  gen.  Hans,  vonwegen  seinem 
gn.  H.  von  Katzenelnbogen  der  auf  die  Zeit  einen  Theil  an  der 
Stadt  Homburg  inne  hatte ,  und  von  wegen  Junghern  Gotfrit  H.  zu 
Eppenstein  der  das  Schloss  Homburg  ganz  und  einen  Theil  an  der 
Stadt  auf  die  Zeit  inne  hatte,  zu  weisen  des  Walpoden  Herrlichkeit 
und  der  Mark  Recht.  Da  bat  Simon  darauf,  es  wäre  Noth  dass  sich  . 
der  lantmann  bespräche,  und  als  dies  geschehen,  erzählte  er  von 
des  lantmanns  wegen,  dieser  hätte  geweiset,  es  sei  von  altem  Her- 
kommen dass  ein  oberster  Walpode  sei  ein  Herr  von  Eppenstein  oder 
wer  Homburg  von  seinet  wegen  inne  habe,  das  lasse  man  auch  noch 
«iabti,  aber  da  nun  zwei  Walpoden  auftreten,  so  habe  der  lantmann 
darinn  zu  reden.  Es  sei  allwegen  Herkommen  dass  man  einen  Wal- 
poden gehabt  habe,  und  wenn  zu  Zeiten  zwei  Herrn  von  Eppenstein 


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-    300  - 

in  ungeteiltem  Gut  gesessen,  so  wäre  der  Elteste  für  einen  Wal- 
poden  geweiset  worden  und  nit  der  jüngste.  Er  verlangte  da»  «de 
sich  einigten  und  welchen  sie  gäben,  der  solle  dem  lantman  ein 
Walpode  sein!  Da  redete  Hans  Walborn,  ging  auf  die  Weisunge 
und  Zettel  und  meinte  demnach  sollten  sie  beide,  derweil  sie  Horn 
bürg  inne  hätten  Walpode  sein.  Simon  aber  erwiderte  :  „er  hette 
geweyset  also  yne  der  lantman  geheissen  hette,  er  lasse  zedel  zedel 
sin."  Es  ist  danach  in  demselben  Jahr  noch,  Donnerstag  nach  Ki- 
lian, ein  gemein  Märkergeding  gewest,  dahine  dann  der  Edel  und 
Wolgeborne  Jungher  Godefrit  Herre  zu  Eppenstein  geboten  ...  und 
verlangte  Se.  Edelkeit  ihre  Herrlichkeit  und  Gerechtigkeit  zu 
weisen.  — 

Später  finden  wir  zwei  Waldpotte  ebenso  in  der  Seulb.  Erlen- 
bacher etc.  wie  in  der  Hohen  Mark.  Das  im  Jahre  1569  in  der 
ersteren  abgehaltene  Märkerding  „hat  der  Ehrenhaft  und  Wo  lacht- 
bare  Hans  Schafinitt,  gen.  Koch,  Amptmann  zu  Eppstein  anstatt 
und  von  wegen...  G.  Wilhelm  Ludwig  Philipsen  und  Georg  Land 
graven  zu  Hessen  geheget  Ebenso  führt  an  das  „Verzeichnis*  des- 
jenigen was  auf  dem  Märkergeding  vor  ObernUrsel  a°  1578  ver- 
handelt worden,*  dass  der  Canzler  Nordeck  erschienen  sei  im  Namen 
der  durchl.  hochgeb.  Fürsten  und  Herrn  Wilhelmen  und  Herrn  Phi- 
lipsen, Gebrudern,  Landtgraffen  in  Hessen,  Graven  in  Catzeneln- 
bogen  etc.  Er  erzält  dass,  nachdem  hiebevor  das  Markgeding  im 
Namen  aller  Gebrüder  der  Landtgraffen  zu  Hessen  gehägt  wor- 
den, neulicher  Zeit  aber  Ihre  f.  gn.  sich  verglichen,  dass  hinfttro  da? 
Haus  Homburg  und  dessen  Zugehörungen  Landgraffen  Wilhelmen 
und  Landgraffen  Philipsen  allein  zuständig  sein  solle.*  Zuletzt 
wird  der  neue  Waldschreier  fürgestellt,  und  „im  Namen  beder  ob- 
gedachten  Fürsten  zu  Hessen  durch  den  Herrn  Uantzler  in  Gelübdt, 
Eidt  und  Pflicht  ufTgenommen". 

Ebenso  wird  es  auch  bei  Verpfändung  später  nicht  mehr  so 
genau  genommen:  Schon  im  Jahre  1545  wird  bei  Gelegenheit  des 
Ausschu8stags  bemerkt  „uff  des  durchl.  hochgeb.  Fürsten  des  Herrn 
H.  Philipsen  Landgr.  zu  Hessen,  Grafen  zu  Katzenelnbogen,  etc. 
ausgangen  befelch,  dass  der  Wohlgeb.  H.  Herr  Ludwig  Graf  zu 
Stolberg  Königstein,  Wernigerode  uud  Rechfurt,  Herr  zu  Eppstein, 
Müntzenberg  und  Breuberg  mit  gem.  Märkern  ein  Ordnung  in  dem 
Wald,  die  Hohemark  genant  fUrnemen  und  uffrichten  Böllen,  .  .  . 
sind  etliche  Märker  zum  Ausschluss  erfordert,  die  haben  .  . .  bedacht 
und  abgeredt  „doch  uff  mit  Bewilligung  hochbedachts  Fürsten  unser* 
gn.  Herrn  u.  wohlgemelts  Grafen  zu  Königstein,  auch  unsers  gn. 


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-    30t  - 


Herrn".  Am  Schiasse  hebst  es,  dass  zugegen  gewesen  bei  dieser 
Ordnung  von  wegen  unser«  gn.  H.  Fürsten  u.  H.  zu  Hessen  als  Erb- 
waltpottes,  Diether  Gewend  ...  u.  v.  wegen  Königsteyns  „als  Pfand- 
Waltpotens8  Philips  Ryffensteyn  etc.  —  Im  Jahr  1563  wird  das 
Märkergeding  geheget  „von  wegen  des  Fürsten  von  Hessen,  als 
rechten  Erbherrn  und  obersten  Waltpotens,  auch  von  wegen  des 
gestrengen  Fridrichs  von  Ryffenberg  als  Pfandthern  und  underwalt- 
potens  des  Ampts  Hombergk." 

Die  steigende  Macht  *des  Waldbotten  wurzelte  ebensowohl  in  der 
klugen,  nicht  gerade  immer  rechtlichen,  Benutzung  der  Ehrenrechte, 
wie  der  eigentlichen  Vorrechte  oder  Amtsrechte.  Zu  den  enteren 
gehörte  die  Jagd,  die  Beholzung  und  der  Eintrieb  der  Schweine  in 
die  Eckern. 

Auf  dem  Märkergeding  Mittwoch  nach  St  Margaretha  anno  1445 
war  der  edle  Jungher  Gotfrid  von  Eppenstein  bei  Ursel  auf  der 
Aue,  liess  ihm  da  weisen  seine  Rechte  und  Herrlichkeit  über  die 
Mark,  und  den  Märkern  Artikel  zur  Beantwortung  vorlegen.  Der 
erste  Artikel  lautete:  „wie  ferrn  und  wie  weit  sein  Wiltpant  ginge". 
Die  Beantwortung  zeigt  uns  wie  damals  noch  der  Begriff  in  den 
Märkern  lebte,  dass  Wald  und  Flur  zusammen  die  Mark  bildete.  Sie 
bedachten  aber  der  Waldpott  möchte  das  ihm  eingeräumte  Recht 
missbrauchen,  auch  die  Fischerei  in  der  Nidde  beanspruchen,  so  ant- 
worteten sie  ausweichend :  Sein  Wütpan  gehe  nit  weiter  dann  er 
sein  Hecken  anbinde  in  der  Mark,  (als  der  Wald  gehe)  ,Jagete  er 
aber  hirze  oder  hynde  uß  den  Hecken  und  folgete  yn  nach,  gonden 
(gönnten)  ihm  das  die  merker,  doch  wüssten  sie  nit  abe  iß  recht  were". 

Schwerlich  war  der  Wildbann  von  den  Märkern  selbst  dem  Wald- 
botten eingeräumt  worden ;  sie  haben  sich  ihr  altes  Recht  des  Jagens 
wohl  vorbehalten.  So  bebst  es  noch  im  Weisthum  von  1401  auf  St. 
Katharinen  für  die  Hohe  Mark:  „Wan  auch  ayn  Walpode  den  Wilt- 
pann  off  dut  und  darjnne  jaget,  so  ist  dem  lantman  so  liebes  auch 
erleubeta.  Ebenso  hebst  es  im  Weisthum  von  1401  feria  quarta  infra 
octavas  pasche:  „so  mag  auch  eyn  walpode  uff  denselben  tag  den 
wiltpan  bestellen,  und  wie  er  iß  bestellet  also  sal  er  In  auch  halden, 
verbrechet  aber  er  das,  so  mögen  iß  die  mercker  auch  verbrechen". 
Erst  im  Weisthum  von  1484  hebst  es  dann:  Ein  Waldbott  mag  jär- 
licb  uff  S.  Katharinentag  so  man  die  marg  bestellet  den  wildbann 
zu  thun,  alsdann  soll  er  das  Jar  zu  bleiben;  ob  aber  ein  Waldbott 
darüber  darinn  jagte,  so  soll  es  darnach  über  drei  Tagen  den  Mer- 
kern und  lantman  auch  erlaubt  sein  zu  jagen. 

Offenbar  hat  der  Märker  mehr  auf  das  Recht  selbst  ab  auf  die 


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Ausübung  derJagd  gehalten.  Die  letztere  vertrug  sich  nicht  mit  dem  fort- 
geschrittenen Ackerbau,  und  mit  den  Arbeiten  welche  dieser  in 
Anspruch  nahm.  Auf  Sonntag  Lätarc  anno  1491  sprachen  die  Märker 
von  Seulberg,  Erlenbach  etc.  ans:  „Item  das  derselbe  (ein  oberster 
waltpode)  jagen  müge  dry  tage  in  der  marg  vor  allen  merckern  bifc 
mitten  in  die  Nidde  und  biß  an  den  pfal,  und  darnach  m Ilgen  die 
mercker  auch  jagen8.  —  Mglb.  E.  30.  No.  II.  —  Schon  zwei  Jahre 
später  heisst  es  dann  in  dem  auf  Sonntag  L&tare  zu  Mitfasten  errich- 
teten Instrumente:  den  wildpan  mag  her  Philips  Graf  zu  Hanau  als 
der  oberher  und  waldpot  oder  seine  geschickten,  eins  Jeden  jars  so 
man  die  mark  bestellet  zuthun,  also  dass  in  der  mark  dasselbe 
Jahr  auß  Nieman  darin  jagen  oder  wildwerk  treiben  soll.  Wolt  aber 
der  waltpot  oder  die  Seinen  das  uffthun  und  darin  jagen  .  ...  da* 
mag  er  thun;  und  so  er  darinn  gejaget,  so  ist  eß  drey  tag  darnach 
rittern,  edelleuten  und  pastorn  in  der  mark  geseßen,  die  darin  eygen 
rauch  halten,  und  nicht  erh,  auch  erlaubt  zu  jagen,  die  mögen  auch 
dann  an  des  waltpoten  hecken  anbinden  und  jagen.  Und  wann  sollicbs 
also  6  wochen  und  3  tagen  gewert,  so  mag  der  waltpot  darnach  all- 
wegen,  wann  er  will,  den  wiltpann  wider  zuthun  nach  seinem  ge- 
fallen; alsdann  soll  der  wieder  zupleiben  .  .  als  lang  biß  der  waltpot 
wider  von  neuem  drei  tage  wie  vorerst  gejagt  hat.  Sie  weisen  auch 
dass  der  waltpot  einem  wildpreth  in  der  gegend  nachfolgen  möge  bis 
mitten  in  die  Nidde  auf  dieser  Seiten,  und  jenseit  der  höhe  deine 
dermaßen  nachfolgen  biß  in  den  pfalgraben  on  Jntrag  und  Verhinde- 
rung meniglichs.  —  Mglb.  E.  30.  No.  4.  [2]. 

Wahrscheinlich  gab  man  hier  nach,  in  der  Meinung  dass  durch 
die  Edeln  das  Recht  schon  gewahrt  sei.  Aber  schon  im  Jahre  1588 
scheinen  die  Edeln  und  Pastoren  in  der  Seulburger,  Erlenbacher  etc. 
Mark  durchaus  bedeutungslos  gewesen  zu  sein;  es  findet  sich  fortan 
in  den  Markordnungen  die  unverständliche  Vorschrift :  Art.  19.  Wann 
der  Waldbotte  3  Tage  in  der  mark  gejagt,  soll  es  auch  Rittern, 
Edelleuten,  Pastoren  die  in  der  Mark  sesshaftig  und  eigen  Rauch 
darinnen  halten,  auch  6  Wochen  und  drei  Tage,  und  länger  nicht, 
erlaubt  sein;  und  soll  vermöge  Instruments  den  Merkern  (als  denen 
ohne  das  darinnen  zu  jagen  verpotten  sein  soll  und  pleiben)  biß  so 
lang  der  Waldtpott  wiederum  jagen  wird,  frei  offen  stehen  und  also 
fortahn.  —  Mglb.  E.  30.  III. 

Aehnlich  wie  mit  dem  Jagdrecht  verhielt  es  sich  mit  dem  Recht 
der  Beholzung*8  und  des  Eintriebs  der  Schweine  in  die  Eickern. 


**  In  der  Sealberg,  Erlenbacher  etc.  Markordncng  war  bereits  1599  festge- 


Anfangs  bezog  sich  die  Berechtigung  des  Waltpotten  auf  den  Be- 
darf der  Haushaltung.  Als  die  Holzverwüstung  in  der  Mark  zunahm, 
wurde  den  Märkern  der  Gebrauch  des  Holzes  beschränkt,  gerade  zu 
der  Zeit  aber  begann  der  Waldbott  das  Holz  der  Mark  für  sich  in 
industriellen  Unternehmungen  auszubeuten.  Auf  dem  stürmischen 
Märkerding  welches  1578  vor  Ursel  gehalten  wurde  klagten  unter 
anderm  die  Märker,  der  Waldpott  habe  nicht  allein  in  dem  gehegten 
Walde,  sondern  auch  an  den  straften,  da  auch  der  Obrist  Waldpott 
su  hauen  nit  recht  habe,  gehauen  und  deswegen  kein  Straf  geben  wollen. 
Noch  mehr,  er  hab'  etliche  Wagen  mit  Holz,  in  der  Mark  gehauen, 
gen  Frankfurt  fuhren  lassen,  welches  dem  Instrument  zuwider,  und 
er  verbüßen  soll  Das  Hauen  an  verbotnen  Orten  stellt  der  Keller  in 
Abrede,  dass  aber  Brennholz  aus  der  Mark  in  die  Meli  gen  Frank- 
furt in  die  landgreflich  Herberg  gefürt  worden,  das  verantworten  die 
Hessischen  Gesandten;  da  Ihre  gn.  F.  u.  H.  Mitmerker  und  obrister 
Merker  weren,  und  da  sie  in  Homburg  Hof  hielten,  sich  ganz  und 
gar  aus  der  Mark  beholzen  möchten,  sei  es  nit  zu  verdenken,  dass 
Ihr  f.  gn.  diener  etwan  wenig  Brennholz  zur  MeU  notturift  zuge- 
schickt werde. 

Wie  die  Beholzung  anfangs  gewiss  nur  zu  den  Ehrenrechten 
des  Waldpotten  gehörte,  deren  Ausübung  und  Ausdehnung  dem  An- 
stand und  Zartgefühl  überlassen  blieb,  so  auch  die  Befugniss  Schweine 
in  die  Eckern  zu  treiben.  Es  zeigt  uns  wie  sehr  einfach  die  früheren 
Zeiten  gewesen,  dass  über  diesen  Gegenstand  weitläufige  Streitig- 
keiten entstanden  sind.  Die  Märker  behaupteten :  dem  Waltpotten 
stünde  nur  zu  die  Schweine  seiner  Haus-  oder  Hofhaltung  einzutrei- 
ben; dieser  aber  beanspruchte  nicht  nur  ein  unbegrenztes  Recht, 
sondern  nahm,  nach  der  Anklage  der  Märker,  auch  fremde  Schweine 
unter  die  landgräfischen  auf.  In  der  Seulburger  **,  Erlenbacher  Mark 
war  der  Streit  über  die  Berechtigung  Schweine  einzutreiben  noch 
viel  lebhafter.  Es  findet  sich  darüber  in  den  Akten  —  Mglb.  E.  30. 
No.  4.  [6]  —  ein  ausführliches  Verhör.  Dasselbe  ist  überschrieben: 
„belangend  künde  sage  über  die  Seulburger  und  Erlenbacher  Mark 
etc.  von  den  Eltestenn  solcher  Mark  den  9.  Oct.  anno  1569  abgehört 
wie  Jnnlauth.  Den  Schweintrieb  in  die  Eckern  so  dis  Fürsten  von 
Hessen  als  obristen  Waldpotten  praetendirt  Ihnen  aber  nit  gestanden 


setzt  worden  „dass  der  Ober  herrWaldtpott  auf  gewisse  Tage  nicht  gebandet, 
noch  ihm  Maaft  und  Ziel  ftlrgesch  rieben  sein  soll". 

»•  Seulburg,  Sewelberg  hat  wol  von  diesem  Thiere  den  Namen,  wahrschein- 
lich errichteten  daselbst,  unmittelbar  am  Walde,  die  Erlenbacher  ihre  Steigen. 


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worden,  betreffend8.  Es  war  auf  dem  Märkergeding  1569  vorgekommen, 
dass  der  Amtmann  zu  Eppstein  auf  Befehl  sr.  gn.  F.  u.  H  etlich  schwein 
in  bemelte  Mark  gethan,  hierauf  die  Märker  abgetreten  und  einrnüthig 
lieh  entachloasen:  dieweil  etlich  Mitmärker  nicht  gegenwärtig,  wolle 
den  Märkern  so  zugegen  nit  gepuren  Antwort  zu  geben,  also  den 
Amptman  freundlich  und  nachparlich  gebeten  diesmal  stille  zu  stehen, 
keine  Neuerung  inne  zu  bringen,  es  wollen  die  Märker  in  10  Tagen 
Antwort  geben.  Es  wurden  darauf  die  6  Ortschaften,  die  Schultheis- 
sen  und  Eltesten,,  auf  den  9.  Octob.  erfordert.  Jeder  Schultheiss  bat 
seine  Unterthanen  bei  ihren  Aydespflichten  befragt,  darauf  ein  jeder 
seine  Wissenschaft  erklärt  wie  nachfolgt  Seuelburgk  :  Simon  Schef- 
fer :  ihm  gedenke  wol  70  Jahre,  er  habe  aber  bei  seines  Tags  nie 
erfahren  noch  gehört,  dass  die  durchlauchtig  hoehgeporne  Fürsten  und 
Herrn  von  Hessen  ....  Schwein  in  die  Mark  ingethan  oder  inzu- 
schlagen begehrt.  Das  gleiche  sagen  andere,  so  Henne  Kerber  von 
Petterweill,  dem  70  Jahre  und  mehr  gedenkt,  der  sich  noch  erinnert 
„daß  solcher  Ort  Homburg  noch  Hanauisch  gewesen'.  Ebenso  Caspar 
Schmidt  und  Caspar  Moller  von  Ober-Erlenpach,  der  weder  selbst 
„noch  von  seinen  Vor  Eltern  gehört,  daß  Schweine  des  Fürsten  in 
die  Mark  eingetrieben  worden,  er  habe  4  oder  5  Ihrer  Fürstl.  On. 
Kellner  und  dien  er  zu  Homberg  gekannt  Ebenso  alte  Männer  aus 
Nieder-Erlenbach ,  Köppern  und  Holtzhausen,  von  letzterem  Clees 
Moller,  der  vor  50  Jahren  „in  diese  Mark  gewandert". 

Da  der  Waldpott  auf  die  Klagen  der  Märker  keine  Rücksicht 
nahm,  wiederholen  sich  die  Beschwerden  in  den  folgenden  Jahren. 
Im  Jahre  1590,  als  observiret  worden  dass  etzliche  „fremde  Schweb, 
dem  durchlauchtigsten  hochgepornen  Fürsten  und  Herrn,  Herrn 
Georg  etc.  Landgraven  zu  Hessen  etc.  zuständig"  in  die  Seulburger, 
Erlenbacher  etc.  Mark,  wider  alt  herkommen  waidgangs  zur  mastung 
getriehen,  hat  der  Märkermeister  dieses  sämmtlichen  Märkern  kund 
thun  lassen,  und  seint  die  Häupter  am  23.  Sept  zu  Ober  Erlenbach 
zusammen  kommen,  haben  mit  einhelligem  Rath  ein  Schreiben  an 
den  Anwald  Kellner  zu  Hoemberg  v.  d.  H.  Georg  Vestenberger 
abgehen  lassen  „daß  er  an  statt  hochgedachten  Fürsten  solche  Neue- 
rung abschaffe,  deswegen  eine  schriftliche  Antwort  gäbe*.  Der  lies« 
mündlich  antworten,  dass  solche  schwein  in  beiden  Marken  ihre 
Mästung  und  Wayde  haben  sollten;  wolle  sich  versehen  die  Märker 
wollen  solches  gut  sein  lassen.  Diese  wandten  sich  zur  Abhülfe  an 
ihre  Obrigkeiten.  Sie  waren  klug  geworden  durch  das  Unheil  welches 
den  Hohen  Märkern  widerfahren  war. 


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Diesen  war  im  Jahre  1569  von  den  Bürgern  zu  Bonamese  an- 
gezeigt worden,  wie  der  Aratman  zu  Eppstein  ungefähr  60  Schwein 
in  Walt  getrieben  habe,  obgleich  von  den  Märkern  beschlossen  wor- 
den, und  der  Aratman  in  den  Beschluss  gewilligt,  es  sollt  Niemand 
seine  Schwein  in  den  Walt  treiben  vor  St.  Michelstag.  Die  Märker- 
meister  Hessen  sich  bedünken  der  Amtman  habe  wider  das  Instru- 
ment gehandelt,  haben  auf  den  28.  Sept.  die  Märker  zusammenbe- 
rufen, und  diese  beschlossen  einmüthiglich,  dieweil  der  Amtman  nit 
vorhanden  sondern  verritten  war:  es  sollt  aus  jedem  Flecken  einer 
alsbald  in  den  Wald  gehen  und  die  Schwein  aus  dem  Walt  gen 
Homberg  treiben,  und  sobald  der  Amtman  wieder  heimkäme  wolten 
sie  ihn  ansprechen,  dass  er  die  Märker  bei  ihren  Hechten  schützen 
wollt  Als  etliche  Märker  so  darzu  verordnet  waren  „solchem  nach 
gesetzt  und  die  schwein  in  Homberg  getrieben;  haben  die  Homberger 
die  Pforten  zugethan,  und  dieselbigen  Merker  in  Haft  behalten". 

Dies  geschah  trotzdem  dass  im  Instrument  von  1484  Art.  8  vor- 
gesehen war:  wenn  in  der  Mark  Wälden  Eckern,  dasselbe  zu  be- 
sehen dann  ein  Tag  anzuberaumen  sei,  daselbst  man  zu  Rath  werde 
wieviel  ein  Waltbott,  die  Märkermeister  und  ein  jeglicher  Märker 
oder  Landmann,  Schweine  in  das  Eckern  treiben,  und  wie  man  es 
damit  halten  solle,  dem  Armen  als  dem  Reichen. 

Unbedingtes  Strafrecht  hatte  der  Waldpott  unbestritten  nur  in 
Betreff  des  Ausmärkers.  Wenn  ein  solcher  in  der  Mark  gefrevelt,  so 
solle  man  ihn  mit  dem  Leib  und  mit  seiner  Haab  gen  Homburg  einem 
Waldbotten  überantworten,  zu  strafen  nach  des  Waldbotten  willen 
und  gefallen,  ihn  doch  nicht  tödten  oder  lähmen. 

Als  aber  der  Keller  zu  Homberg  im  Jahre  1521  E.  Erb.  Raths 
Zugehörige  zu  Nidern  Erlebach  wider  alt  Herkommen  gestraft,  wurde 
solches  dem  gemein  Lantman  in  clagweiß  fürgebracht.  Als  sich  dann 
begeben  dass  der  Keller  ihnen  das  Holz  genommen  und  von  einem 
Wagen  dazu  einen  halben  Gulden  zur  Straf  abgedrungen  hätt  „wel- 
ches widder  alt  herkommen  und  langwierigen  gebrauch,  auch  nie 
meh  besehenen  gehört  were,  sonderlich  diwil  die  Straff  dem  lant- 
man, und  dem  Keller  nit,  zustünde",  also  hat  der  lantman  gepilligt 
und  erkannt:  wo  auf  nechstgehaltnem  merckergeding  anno  1520 
durch  den  gemain  landtman  nit  eingewilligt  worden,  dass  der  Keller 
zu  Hoemburg  bis  auf  dies  jetzig  Merckergeding  strafen  möge,  so 
habe  der  Keller  solche  strafe  unbillig  und  wider  alt  Herkommen 
genommen  und  solle  die  wider  herausgeben  und  den  Gestraften  be- 
handen,  und  die  von  Nidern  Erlenbach  die  Straf  wie  von  alter  Her- 
kommen vertaidingen. 

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Nur  in  dem  einen  Fall  so  jemand  in  der  gebickten  Hege  auf 
der  Strassen  Schaden  thut,  und  gerügt  wird,  h eiset  es:  „der  ist  eim 
Waldbotten  mit  zehn  Gulden  zu  Poen  verfallen'1;  aber  gerade  für 
diesen  Fall  ist  dann  sogleich  vorgesehen  dass  ein  Waldbott  auch 
selber  kein  Schaden  darin  thun  soll,  wo  er  aber  das  thät  soll  er  „dem 
landtman  bUssentt. 

Dem  Waldpotten  lag  es  ob,  das  Märkergeding  zu  hegen  und  die 
Mark  mit  Rath  der  Marker  zu  bestellen,  aber  soweit  unsere  Urkun- 
den hinaufreichen,  hat  er  dies  nur  sehr  selten,  nur  bei  besonders 
wichtiger  Veranlassung  in  eigner  Person  gethan,  gewöhnlich  sandte 
er  dazu  einen  oder  mehrere  Beamte.  In  dem  Bericht  über  das  Mär- 
kergeding von  1438  erzählt  Herr  Madern,  Kellner  zu  Homburg: 
„lieben  Freunde,  myn  Jungher  von  Eppensteyn  der  der  Marg  eyn 
oberster  Walpode  ist,  hait  sin  Frunde  hergeschickt  dar  an  su  sin, 
das  man  die  marg  bestelle,  nuwe  marckmeister  kiese  und  du  (thue) 
und  halde  als  dann  uffSant  Katharinentag  jarlich  gewöhnlichen  und 
also  berkomen  ist".  Bei  dem  feierlichen  Märkergeding  im  Jahre 
1484,  als  der  Waldpote  in  eigner  Person  mit  seinen  Käthen  erschie- 
nen war,  um  sich  seine  Herrlichkeit  und  der  Mark  Recht  weisen  zu 
lassen,  wurde  ausgesprochen,  dass  ein  Waldbott  selbst  erscheinen 
sollte,  oder  durch  seine  „mächtige"  Sendbottschaft  oder  Amtleut 
Auf  dem  Märkergeding  im  Jahre  1521  wurde  das  Instrument  ver- 
lesen, darauf  dem  Schultheissen  von  Homburg  (der  anstatt  des  Kellere 
von  Homburg  erschienen)  entgegnet:  in  dem  Instrument  habe  der 
lantmann  befunden,  dass  er,  der  Schultheis«,  mit  einem  „volkommli- 
chen  Gewalt"  erscheinen  soll,  das  sei  aber  nit  besehenen,  dann  er 
hab  kein  volligen  Gewalt  laut  des  Instruments. 

In  der  Regel  erschien  der  Keller  von  Homburg  als  Stellvertreter 
des  Waldpotten,  zuweilen  aber,  besonders  wenn  der  Keller  seine 
Handlungsweise  zu  vertheidigen  oder  in  Abrede  zu  stellen  fUr  gut 
fand,  wurde  auch  ein  anderer  geschickt,  der  Canzler,  oder  der  Schul- 
theiss  von  Homburg.  Besonders  bei  rechtswidrigen  Handlungen  oder 
bei  Neuerungen  war  es  sehr  bequem,  dieselben  von  dem  Keller  zu 
Homburg  vornehmen  zu  lassen,  der  dann  in  andern  Fällen  wieder 
mit  der  Macht  und  der  Ahndung  des  Waldpotten  drohte,  sich  mit 
derselben  schützte.  Der  Keller  zu  Homburg  trat  als  Anwalt  des 
Waldpotten  auf,  und  wurde  als  solcher  bezeichnet.  Mit  Ausnahme 
des  Landgrafen  Friedrich  (mit  dem  silbernen  Beine)  hat  kein  Wald- 
pott in  der  Geschichte  der  Hohen  Mark  eine  besondere  Bedeute ug 
erlangt,  die  Anwälte  waren  es,  welche  für  die  Waldpotten  und  in 
deren  Interesse  auf  s  thätigste  und  erfolgreichste  arbeiteten.  Vorzüglich 


■ 


—    307  - 

sind  hier  Diether  Gewand  oder  Gewend,  Georg  Vestenbergw  und 
aus  den  letzten  Zeiten  etwa  noch  Gebrüder  Neuhof  zu  nennen.  Sie 
haben  kein  Mittel  gescheut,  um  die  Macht  ihres  Herrn  zu  heben. 
Die  Anwälte  haben  zu  allen  Zeiten  vor  Allem  gesucht  Unfriede  unter 
den  Märkern  selbst  zu  stiften,  die  Märkermeister  herabzuziehen  oder 
zu  verdächtigen,  und  die  Gesetze  uud  Ordnung  der  Mark  zu  um- 
gehen, durch  Nichtachtung  derselben  das  Ansehen  des  Waldpotten 
über  das  Gesetz  zu  stellen.  Zahlreiche  Belege  werden  im  folgenden 
die  Wahrheit  dieser  Beschuldigung  erhärten.  Sie  haben  sich 
auch  nicht  gescheuet  selbst  das  Amt  eines  Mark ermeisters  oder  eines 
Waldschreiers  auf  sich  zu  bringen,  um  in  dieser  Stellung  leichter  ihr 
Ziel  zu  erreichen.  So  kam  es  dass  allmählig  ein  ungemessenes  Miss- 
trauen  gegen  diese  Beamten  bei  den  Märkern  sich  fest  einwurzelte, 
es  genügte  dass  irgend  ein  Vorschlag  von  dem  Anwalt  ausging,  die 
Märker  wiesen  ihn  ab,  wenn  er  auch  einiges  Wahre  und  Richtige 
enthielt.  Das  Misstrauen  der  Bauern,  noch  in  unsern  Tagen,  es  ist 
kein  unbegründetes;  das  Recht  rausste  oft  verletzt  werden,  bis  es 
so  weit  gekommen  ist ;  aber  das  Andenken  daran  hat  sich  auch  tief 
eingeprägt. 

Im  Jahre  1583  übergab  Jost  Vestenberger,  der  Keller,  den 
Märkern  den  Entwurf  einer  neuen  Ordnung  der  Mark :  der  Waldpote 
befinde  dass  die  Märkermeister  bisher  ihren  Eiden  und  Pflichten 
nicht  nachgekommen,  die  Königsteiner  begünstigt,  sie  nicht  gestraft 
wie  die  andern,  will  dass  man  umwechsle  bei  der  Wahl  der  Märker- 
meister. Man  solle  vorsehen  dass  diese  üire  Pflicht  besser  thun; 
statt  der  alten  Strafen  für  anstecken  und  schädigen  der  Mark,  bean- 
tragt er  unbestimmte  Strafen  „nach  Erkenntniss  des  Waltpottens  und 
gemeiner  Märker".  Der  Märkerschluss  war  aber:  „uff  des  Kellers 
vorgelegte  neu  Ordnung  geben  die  Märker  diesen  Bericht:  dass  sie 
ein  gut  alt  Instrument  haben,  bei  demselbigen,  und  dero  von  Alters 
wohlgeordneten  Ordnungen  wollten  sie,  die  Mark  er,  pleiben,  diesel- 
bigen  behalten,  und  begehren  dass  sie  der  Waltpott  dabei  schützen 
und  schirmen  wolle,  und  dieweil  Neuerungen  anzunemen  geferlich, 
wollen  sie  des  Kellers  Bedenken  diesmals  nit  annemenu. 

Zuweilen  haben  die  Märker  versucht  sich  selbst  darüber  zu  täu- 
schen, es  dargestellt,  als  ob  der  Beamte  gegen  die  Absicht  seines 
Herrn  von  dem  Herkommen  abwiche  oder  sie  verletze;  sie  haben 
damit  niemals  etwas  erreicht,  weder  in  der  Hohen  Mark,  noch  in  der 
Seulberger,  Erlenbacher  etc.  Mark.  Bei  der  Streitigkeit  der  letzteren 
wegen  der  landgräflichen  Schweine,  im  Jahre  1590,  schrieben  die 
Märker  an  den  Waldpotten,  sich  beschwerend  über  Georg  Vesten- 

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berger,  den  Anwalt,  dem  sie  die  Schuld  beimessen,  da  sie  nit  dafür 
halten  wollen,  dass  er  solches  auf  Befehl  gethan  „sondern  vielleicht 
aus  seinem  sei  baten  beginnen".  Sie  bitten  der  Waldpott  wolle  sie 
bei  ihrem  alten  Herkommen,  Branchen  und  Gerechtigkeit  bleiben 
lassen.  Darauf  wurden  sie  nach  Homburg  beschieden,  daselbst  er- 
klärt ihnen  Hans  Herman  von  Busseck  gen.  Mönche,  J.  fetl.  Gn. 
Oberamtman,  sein  gn.  Herr  wolle  keine  Neuerung  einführen,  er  wolle 
es  bei  dum  lassen,  wie  es  von  seinem  H.  Vater  und  Bruder  gehalten 
worden ;  bei  welchen  dann,  wie  ans  dem  Saalbuch  erscheinen  sollte, 
auch  mit  andern  Documcnten  zu  beweisen,  solche  Mastungsgerechtig- 
keit jederzeit  exercirt  worden  Er  mahne  sie  von  ferneren  Weit- 
läuftigkeiten  ab  „wofern  sie  bei  deme,  so  bisher  ihnen  vielleicht  aus 
Gnaden  widerfahren  .  gelassen  wollen  werden ;  dan  der  Vogell  ihnen 
zu  gros  und  viell  zu  schwehr".  Die  Märker  wandten  sich  damals  um 
Beihtllfe  an  ihre  Obrigkeiten,  welche  an  den  Waldpotten  auch  ihrer- 
seits ein  Schreiben  abgehen  liessen,  „er  könne  nicht  glauben'4,  schrieb 
dann  der  Erzbischof  von  Mainz  an  den  Landgrafen,  „dass  S.  Durch- 
laucht die  Turbation  ernstlich  beabsichtige14.  Aber  dieser  antwortete 
den  Herrschaften :  er  habe  nur  das  gesucht  was  „von  unsern  Vor- 
fahren gottseligen  uff  uns  transmittirt  worden",  schickt  Abschrift  eines 
Berichts  des  Kellers  von  Homburg,  daraus  zu  ersehen  dass  er  das 
Einschlagen  nicht  angefangen,  sondern  dass  es  „von  den  geliebten 
Vorfahren  schon  geübt  worden",  wolle  sich  desshalb  zu  ihnen  freund- 
lichst verschen  „Sie  werden  obgedachte  Jro  Angehörige  Jr  es  Unfuges 
erinnern  und  von  solchen  unnötuigen  Klagen  abzustehen  ermahnen**. 
Der  angeführte  Bericht  von  Georg  Vestenberger  liegt  bei,  die  Rich- 
tigkeit des  Märker  sehen  Vorgebens  ist  darin  bestritten,  es  wird  Be- 
zug genommen  auf  ein  Protocoll  und  Markbuch  d\  1547 ,  daraus  sei 
zu  ersehen,  dass  vor  30  Jahren  Heintz  Mörlenhauser,  auch  ein  Be- 
amter zu  Homburg,  anstatt  seines  Herrn  und  Waldpottens  zweimal 
„nit  ohne  Bevelh"  Schweine  eingeschlagen  gehabt  Noch  andere 
Beispiele  lägen  vor.  Darauf  erfolgte  ein  Verhör  der  ältesten  unter 
den  Märkern.  In  Frankfurt  fand  es  am  23.  April  1591  auf  der  Bau- 
stuben statt.  Es  erschien  damals  zuerst  Hans  Graff  von  Nieder- 
Erlenbacb,  80  Jahr  alt,  weiss  nichts  von  Hans  Mörlenhäusser  Intreiben* 
ebensowenig  von  dem  Intreiben  unter  Landgrafen  Philips.  Die  Mär- 
ker hätten  dem  Landgrafen  nie  einen  Intrieb  zugestanden,  „datt  aber 
anitzo  etwas  Neues  gesucht  werde,  sei  der  Beamten  Schuld,  welche 
die  Obrigkeiten  also  zusammenhetzten8.  Peter  Jögkel  von  Nieder- 
Erlenbach,  ungefähr  70  Jahr  alt,  sagt  aus:  ein  Beamter  von  Horn* 
berg  habe  allewege  nit  mehr  Schwein  eintreiben  lassen,  als  er  für 


r 


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sich  in  der  Küchen  gebraucht.  Er  hätte  von  keinem  landgrevisch 
Viehe,  außerhalb  diß  Jar  gehört,  und  were  alle  die  Ursach  Niemands 
anders  daun  Vestenbergers,  welch  anitzo  Neuerung  suchen,  und  sich 
mit  Gewalt  zu  ihnen  nöthigen  thete.a  Cunz  Mang,  70  Jahr  alt,  giebt 
an,  man  gestünde  dem  Beamten  von  Homberg  soviel  Schwein  er  in 
die  Küche  brauche,  einzuschlagen,  weiters  keine  Gerechtigkeit.  Der 
Amtman  Epstein  habe  Schweine  eingetrieben,  seien  aber  herausge- 
trieben worden.  Es  sei  aber  niemand  anders  dann  er,  Vestenberger, 
an  diesem  Zwiespalt  schuldig."  —  Mglb.  E.  30.  Nr.  4.  [9]  bis  [ 

Dass  die  landgräflichen  Beamten  manichfach  in  Versuchung 
kamen  ihre  Stellung  und  den  Schutz  den  dieselbe  ihnen  gewährte  zu 
missbrauchen  war  natürlich.  Die  Seulb.  Erlenbacher  etc.  Akten  thei- 
len  mit,  wie  bei  Feststellung  der  Markordnuug  für  1592,  zu  der  Be- 
stimmung dass  den  Ausmärkern  die  Mark  zugeschlossen  sein  solle, 
die  Bemerkung  gemacht  worden  :  daß  jüngster  Zeit  ein  landtgrävischer 
Unterthan  von  Guntzenheim  einen  Kam  voll  Holz  in  der  Mark  ge- 
macht, dessen  Thuns  halber  von  den  Förstern  zu  reden  gesetzet, 
erkläret,  daß  er  geheißen  worden  allda  dem  Schultheißen  zu  Hom- 
berg, Wilhelmen  Buchen,  einen  Kam  voll  Burgholz  abzuholen.  „Ob 
nun  wol  die  Merker  nicht  glauben  können,  daß  sollich  fürnehmen 
aus  bevclhch  oder  mit  Vorwissen  dessen  Schultheißenn  (denn  er  als  ein 
Ausmärker  zweiffelsfrey  selbst  sich  besser  wird  zu  bescheiden  wissen) 
geschehen  sei,  Sonder  sie  darfttr  halten  wollen,  der  bauer  damit  den 
Förster  betruglichen  werde  abgewiesen  haben,  und  darumben  die 
straffe  gegen  den  Schultheissen  dießmalß  in  allem  guten  desto  eher 
schwienden  lassen)  jedoch  so  protestiren  sie  zum  wenigsten  dagegen 
hiemit  öffentlich,  und  behalten  es  ihnen  bevor,  daß  es  ihnen  ohne 
Nachtheil  sein  solle«    Mglb.  E.  30.  III.  1592.  [9]. 

Die  Obrigkeiten.  —  Während  die  Wälder  der  Hohen  Mark 
gemeinsames  Gut  der  Genossen  blieben,  wurde  das  getii eilte  Feldeigen- 
thum der  Mark  verschiedenen  Landesherrn  nntergeben.  Es  ist  wol 
kaum  eine  zweite  Stelle  Deutchlands  welche  so  zerstückt  und  zerris- 
sen ist,  wie  gerade  die  alte  Höhen-Mark,  oder  der  Abhang  zwischen 
Taunus  und  Nidda.  Selbst  der  Platz  auf  dem  das  Märkerding  ge- 
halten wurde,  war  einem  der  Landesherrn  zugefallen.  Es  geschah 
desshalb  im  Jahre  1578  eine  Anfrage  von  Seiten  Homburgs  weiches 
die  Aue  vor  Oberursel  gerne  zur  Hohen  Mark  ge/.ogen  hätte.  Der 
Anwalt  gab  vor:  an  dem  Ort  des  Märkerdings  hätten  fürstlich  hes- 
sische Beamten  stein  setzen  lassen,  welches  ein  Anzeig  sei,  dass  diese 
Ort  „wo  nit  gar,  doch  etlicher  maßen  zu  der  Mark  gehörig"  sein 


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müssten.  Die  Märker  erwiderten:  der  Platz  sei  ihres  Wissens  ferner 
nicht  darin  gehörig,  dann  dass  das  Märkerding  darauf  gehalten. 
Kinige  Jahre  später  brachte  Philipp  Wolff,  der  Märkermeister,  vor, 
dass  der  Förster  von  Obernhexstadt,  Möbs,  dem  Welschen  Bierbrauer 
von  Pfrauinheim  als  einem  Ausmärker  aufm  Fuss  nachgefolget  bis 
uff  die  Urseller  Auw  da  selbst  in  Gegenwärtigkeit  Johann  Ackers, 
ihme  dem  Bierbrauer,  die  Pfändung  angelegt.  Solches,  dass  die  Pfän- 
dung auf  der  Auw  geschehen,  haben  die  Urseller  nicht  gut  sein  las- 
sen, denn  die  Auw  sei  kein  Markgut,  sondern  ihres  gn.  Churftirsten 
und  Herrn  eigenthümlich  Grund  und  Boden.  Darauf  der  Oberamt- 
man  zu  Königstein  Befehl  gegeben  den  Förster  in  Haft  zu  bringen; 
dieser  wurde  flüchtig  und  vermied  seine  häusliche  Wohnung.  Mglb. 
E.  29.  III.  152.  — 

So  bestand  zu  jener  Zeit  ein  schroffer  Unterschied  zwischen 
Mark  und  Flur;  unter  Mark  wurde  nur  noch  der  Markwald  verstan- 
den. Wenn  auch  bei  der  Weisung  im  Jahr  1401  feria  quarta  infra 
octavas  pasche  es  von  dem  Frevler  heisst:  „komet  er  aus  dem  Walde 
so  ist  er  niemand  nichtis  schuldig0,  so  mag  auch  hier  die  Eifersucht 
der  Märkcr  auf  ihre  Selbständigkeit  im  Walde,  Veranlassung  zu  einer 
solchen  Aussage  gewesen  sein.  Streng  durchzuführen  war  sie  nicht, 
denn  derjenige  welcher  Kohlen  oder  Holz  aus  der  Mark,  d.  h.  über 
die  alte  Markgränze  fuhr,  wurde  bestraft. 

Thudichum  bemerkt  in  „Gau-  und  Mark  Verfassung  in  Deutsch- 
land", S.  135  ff. ,  die  Grafengewalt  in .  der  Hohen  Mark ,  im  Jahre 
1271  Grafschaft  Ursel  genant,  habe  als  Zubehör  des  Schlosses  König- 
stein den  Herrn  von  Falkenstein  zugestanden.  Dieses  sowie  weitere 
Untersuchungen  über  die  Zeit  wann,  und  die  Art  und  Weise  wie  die 
einzelneu  Ortschaften  des  Taunus  allmählig  diesem  oder  jenem  Ter- 
ritorialherrn unterworfen  worden  sind,  oder  gar  zweien  zugleich, 
genauer  zu  begründen,  dazu  bieten  die  Akten  der  Hohen  Mark 
keinen  Stoff.  Nicht  selten  ist  das  Gebot  des  Landesherrn  in  entschie- 
denen Widerspruch  getreten  mit  den  Pflichten,  welche  der  Märker 
der  Mark  gegenüber  hatte.  In  solchen  Fällen  gereichte  es  der  Mark 
zum  Heil  dass  das  Interesse  der  übrigen  Herrschaften  dem  gesonder- 
ten Einzelwillen  widerstrebte.  Ebenso  hat  gewiss  der  Umstand  nicht 
wenig  zur  Aufrechthaltung  der  Markverhältnisse  beigetragen,  dass 
der  Gewalt  des  Waldbottcn  das  Interesse  der  Territorialregierungen 
entgegengestanden.  Es  war  in  den  Mark-Angelegenheiten  derWald- 
bott  den  Märkern  drohender  und  gefährlicher  als  die  Obrigkeiten 
Sein  Streben  war  auf  die  unbeschränkte  Herrschaft  im  Walde  ge- 
richtet. Die  Märker  suchten  dem  entgegen  eine  Stütze  bei  den  Übrig* 


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keiten  welche  nicht  weniger  eifersüchtig  alle  Schritte  des  Waldbot- 
ten  verfolgten.  Aber  der  Schutz  den  sie  gewährten  reichte  eben  meist 
nur  so  weit  auch  das  eigne  Interesse  ging;  wo  ihr  eignes  Ansehen 
nicht  bedroht  war,  ist  die  Hülfe  die  sie  bringen  nie  ausreichend; 
der  Eifer  erkaltet,  ehe  das  Ziel  erreicht  ist.  Wol  nur  im  15.  Jahr- 
hundert  und  zuletzt  wieder  bei  der  Theilung  der  Hohen  Mark  blieb 
dieser  Eifer  beharrlich  auf  das  gleiche  Ziel  gerichtet,  und  gelangte 
zu  einem  segensreichen  Resultate. 

Es  ist  nicht  ohne  Interesse  zu  verfolgen  wie  in  dem  Rechtsver- 
hältnis* der  Marken  das  Lehenswesen  Platz  gegriffen.  Die  Weisung 
welche  im  Jahre  1491  auf  der  Au  vor  Ober-Erlenbach  gegeben 
wurde:  die  Mark  sei  „der  herren  Eigenthum  und  der  Märker  Erbe" 
ist  wol  auf  diese  Anschauung  zu  beziehen.  Die  Hohe  Mark  jedoch 
war  der  Märker  „rechtlich  eigen".  Andeutungen  von  Lehensverhält- 
nissen kommen  nur  wenige  in  den  Akten  vor.  Als  1484  Svmon  von 
Ursel  gebeten  wurde  die  Weisungen  dem  Walpoden  auszusprechen, 
entschuldigt  er  sich  er  sei  des  Herrn  von  Epstein  Lehensman  und 
Angehöriger  „mit  Eyden  und  globden  verwant",  dass  ihm  solches 
nit  wol  füglich  zu  thun  wäre;  wo  aber  sein  Herr  von  Epstein  ihm 
das  zu  thun  gestatte,  wolle  er  gern  dem  lantman  zu  Gute  thun, 
was  an  ihm  wäre.  Es  ist  wahrscheinlich  dass  hier  der  Weigerung  ein 
wirkliches  Lehensverhältniss  zu  Grunde  lag;  die  Lehnstreu  des  Va- 
sallen begreift  unter  sich  auch  die  Verbindlichkeit  den  Lehnsherrn 
in  seinen  Rechten  nicht  zu  beeinträchtigen,  ja  selbst  demselben  eine 
besondere  Achtung  zu  erweisen,  ihm  „treu  und  hold"  zu  sein.  Der 
Vasall  durfte,  wenigstens  in  einer  Criminalsache  nicht  gegen  den 
Lehnsherrn  Zeugniss  ablegen.  Es  fragt  sich  ob  in  andern  Berichten 
und  Mittbeilungen  der  Ausdruck  „Lehnsherr*  auch  aufzufassen  sei  in 
der  Bedeutung  von  Herrschaft,  Obrigkeit80.  Wann  ein  voll  Märker- 
ding zu  verkünden  war  hatte  der  landsiedel  zu  erscheinen  „mit  seinem 
Lehenherrn".  In  dem  Weisthum  der.  Hohen  Mark  vom  St.  Catharinen- 
tag  1401  geschieht  der  Aufruf  mit  den  Worten:  „N.bistu  hüte  hie  als  man 


3°  In  dem  vortrefflichen  Bericht,  welchen  die  Archivare  Dr.  F.  Max.  Stark 
und  J.  G.  Chr.  Thomas  in  Auftrag  des  Senats  am  28  Dcc.  18t  9  und  16.  April 
1810  über  die  Verbältnisse  der  Hoben  Mark  vorlegen,  berühren  sie  auch  die 
Frage:  ob  unter  den  Lehenherrn  die  Obrigkeiten  zu  verstehen  seien.  Sie  bejahen 
dieselbe.  „Vermöge  der  Gerichtsbarkeit  über  die  Markbetheiligtcn  Ortschaften 
hätten  die  Herrschaften  die  Gemeinden  anf  den  Märkergedingen  und  in  Mark- 
Streitigkeiten  vertreten  und  die  jurisdictionem  forestalem  Uber  den  Markwald 
mit  ausgeübt,  seien  auch  auf  den  Märkergedingen  mit  dem  lantman  erschienen." 


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dir  geboten  hat  mit  deinem  lehenherren".  Ebenso  heisst  es  in  der 
Urkunde  über  das  Märkerding  des  Jahres  1401  feria  quart«  infra 
octavas  pasche,  dass  der  Schreier  gerufen:  „N.  bistu  hude  hie  als 
man  dir  hergeboden  hait  mit  dem  lehenherren".  Dabei  findet  sich 
auf  einem  Zettel  welchen  Henne  von  Beldersheim ,  der  Burggraf  ru 
Bonemese,  geschrieben,  als  ihm  der  Auftrag  geworden  von  der  Bur- 
ger wegen  gen  Ursel  zum  Märkergeding  sich  zu  verfügen:  „Item 
wan  ein  schreyer  verkündet  eyn  vol  merckerding  so  sal  eyn  lant- 
sidel  mit  seine  lehenherren  da  sin,  und  weren  daß  die  dan  ußblieben 
so  verlorn  sie  VIII 13  ein  iglicher  der  da  uUbliebe.  —  Mglb.  E.  29.  II* 
S.  3.  —  In  dem  Weisthum  von  1438  werden  nur  die  „zu  der  Marg 
gehörende  dorffer"  aufgerufen,  ea  ist  aber  nicht  gesagt  ob  es  ein 
gebotnes  Märkergeding  war.  Auf  dem  Märkergeding  St.  Veitstag 
1484  wurde  den  Märkern,  welche  damals  nicht  vorbereitet  gewesen 
der  Mark  Recht  zu  weisen,  ein  anderer  Tag  anberaumt  Auf  diesem 
sollten  dann  die  ungehorsamen  Märker  und  Landtmann,  die  ausge- 
blieben, gerügt  werden.  Die  Gesandten  der  Obrigkeiten  waren  mit 
erschienen,  sie  wurden  aber  nicht,  oder  nicht  mehr  aufgerufen.  Bei 
andern  Märkergedingen  z.  B.  1458,  1479  ist  nicht  erwähnt  ob  ein 
Aufruf  erfolgt  sei.  Bei  dem  Streit  wegen  der  Mühle  zu  Bonames 
bittet  im  Jahr  1525  der  Schultheis  von  Obemrsel  um  ein  gemein 
Märkerding,  dass  alle  diejenigen  „als  nein  lieh  die  Lehenherrn  und 
Junkern  so  Markrecht  hatten*  dahin  kommen  „möchten,  damit  Inen 
und  der  Mark  nichts  entgegen  würde".  Auf  dem  Märkerding  in 
die  Bartholomei  1543  wird  bemerkt  dass  unter  den  „Edeln 
und  Merkern,  Lehenherrn  und  Landtsydel"  der  weniger  Theil  er- 
schienen. — 

Gerade  dieser  Gegensatz  von  Lehenherrn  und  Lands i edel  macht 
es  aber  sehr  zweifelhaft  ob  hier  ein  wirklicher  Lehensnexua,  oder 
ob  ein  obrigkeitliches  Verhältniss  in  Frage  steht.  In  der  Ge- 
richts- und  Land-Ordnung  der  Herrschaft  Solms,  vom  Jahre  1571, 
wird  im  2ton  Theil,  5.  Tit.  von  Verleihung  und  Beständniss  liegender 
Güter  gehandelt.  Bei  der  Erbleihe  heisst  es  darauf  im  6.  Titel  §  6, 
es  sei  der  Lehenherr  („denn  also  pflegt  man  den  Verleiher  und  Ei- 
gcntliumsherrn  abusive ,  in  dieser  Landart  auch  zu  nennen")  in  der- 
gleichen Fällen,  da  das  Lehen  oder  die  Erbleihe  verrückt  wird, 
nicht  schuldig  dem  Beständer  Erstattung  der  Besserung  zu  thun. 
Ebenso  heisst  es  im  7.  Titel,  die  Land-Siedel-Leihe  sei  nicht  erblich, 
sondern  möge  „der  Lehenherr"  dieselbe  aufkünden.  Es  wird  dabei 
ausführlich  gehandelt:  „den  Lehenherrn  belangend".   Es  solle  „der 


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Lehenherr"  einen  Leihebrief  fertigen,  die  Gebäude  in  gutem  Stand 
überliefern,  die  Leihe  nicht  steigern  u.  d.  m. 

Demnach  scheint  es,  dass  auch  bei  den  Märkerdingen  diejenigen 
Gutsherrn,  welche  Land  in  Erbbestand  oder  einem  Landsiedel 
übergeben  hatten,  gerufen  wurden,  und  verpflichtet  waren  bei  vollen 
Märkerdingen  zu  erscheinen.  Die  Stadt  Frankfurt  hatte  in  Bonames 
Güter  erworben,  besass  Mark  recht,  hatte  die  Mühle  z.  B.  in  Pacht, 
den  Dinghof  in  Erbbestand  gegeben,  so  war  sie  als  „Lehensherr" 
gerufen. 

Im  Jahre  1545  soll  Bonames  gestraft  werden,  weil  es  „seine 
Lehensherrn"  nicht  mit  auf  die  Aue  gebracht  Da  verwendete  sich 
der  Rath  bei  Gottfried  von  Eppstein  und  hebt  hervor  dass  Frankfurt 
für  seine  Dörfer  vermöge  der  Freiheiten  nicht  verbunden  wäre  zu 
erscheinen.  (Mglb.  E.  29.  II.  p.  92.  — )  Auch  im  Jahre  1458  noch 
begehrt  Hans  Walborn,  von  wegen  der  Walpoden,  zu  büßen  „die 
lehenherrn"  die  nit  da  weren.  Da  erzählte  Gcrlach  von  Londorff :  der 
Rath  hätte  den  in  der  Mark  angesessenen  befohlen  und  geboten  zu 
Hause  zu  bleiben,  es  were  der  Rath  mit  schweren  Fehden  beladen, 
es  seien  etliche  Bürger  von  Frankfurt  an  einem  offnen  Gericht  zu 
Seckbach  böslich  abgefangen  worden  ohne  Fehde  und  indem  sie  deß 
unbesorgt  waren,  darum  der  Rath  besorge  daß  die  Seinen  wenn  sie 
zu  einem  offen  wissentlichen  Dinge  und  offnen  Felde  kämen,  Schaden 
nehmen  möchten;  auch  sei  der  Rath  vom  Römischen  Kaiser  und 
Könige  bei  schwerer  Peen  gefreyet  daß  seine  Bürger  solche  offen 
Gerichte  und  Dinge  zu  suchen  nit  schuld  sein  sollen.  Darauf  redete 
Hans  Walborn:  solich  Geschichte  und  was  dem  Rathe  zu  Ungnade 
geschehen,  were  ihm  nit  lieb,  und  ließ  er  das  dabei. 

In  dem  Bande:  Mglb.  E.  29.  II  findet  sich  zu  dem  Märkerge- 
ding  des  Jahres  1445  eine  Note  in  Betreff  der  Lehensherrn;  es  heisst 
daselbst  S.  19:  Nota  omb  den  arükel  als  sie  wollen  so  eyn  folle 
merckerding  sy,  das  eyn  iglicher  mit  sine  lehenherrn  da  syn  sulle 
by  VIII  ß  zu  bussen.  Nota  der  artikel  ist  von  alter  nit  gehalten, 
obe  man  es  wole  wyse,  und  wer  auch  nit  zutunde  (zu  thun)  dan  es 
vast  sorglich  wer. 

Hierbei  ist  zu  bemerken,  dass  es  mit  der  Vollmacht,  für  einen 
andern  zu  erscheinen  und  zu  handeln,  nicht  sehr  streng  genom- 
men wurde,  es  genügte  meist  die  Versicherung  dass  Jemand  „eines 
andern  mächtig"  wäre;  zuweilen  erbot  sich  der  Bevollmächtigte  sein 
Vorgeben  eidlich  zu  erhärten;  so  z.  B.  auf  dem  feierlichen  Märker- 
ding St  Margaretha  1484. 


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—    314  — 


Wenn  aber  die  Pflicht  der  Herrschaften,  auf  den  Märkerdingen 
zu  erscheinen,  in  Frage  gestellt  werden  kann,  so  war  doch  ihre 
Berechtigung  dazu  unzweifelhaft.  Der  gemein  Märker  bedurfte  in 
wichtigen  Angelegenheiten  einer  Leitung;  fand  er  sie  nicht  in  den 
eignen  Reihen  oder  im  Adel,  so  ordnete  er  sich  bereitwillig  den 
Regierungen  in  Markangelegenheiten  unter.  Aus  beiden  Marken  kön- 
nen zahlreiche  Thatsachen  angeführt  werden,  welche  darlegen  wie 
die  Obrigkeiten  nicht  nur  mit  den  Mär  kern  auf  den  Märkerdingen 
erscheinen,  sondern  auch  für  sie  das  Wort  ergriffen,  im  Interesse 
ihrer  Angehörigen  handelten,  ja  diese  aufforderten  sich  zu  entfernen, 
die  Versammlung  zu  verlassen. 

Wir  wenden  uns  zuerst  zur  Seulburger,  Erlenbaher  etc.  Mark, 
wo  wir  bei  dem  Streit  über  die  Märkermeisterwahl  im  Jahre  1482 
finden,  dass  Ysenberg,  Solms  und  Frankfurter  Amptleute  und  Freunde 
von  Peterweil  und  Nydern  Irlenbach  wegen  erklärt:  sie  gewilligen  in 
kein  Neuerung,  haben  dess  auch  keine  befohlen,  und  wollen  an  ihre 
Herrschaften  bringen,  wie  da  geredt  und  gehandelt  sei;  „hant  sich 
davon  gewandt  und  sind  hinweg  gerytten,  und  haben  ihren  Männern 
gesagt  auch  abzuscheiden". 

Im  Jahre  1486  auf  Sontag  roitfasten,  als  man  singet  in  der 
heiligen  Kirchen  Letare,  sind  dann  erschienen  „die  nachgenanten 
Parthey  ena  der  Keiner  zu  Homburg,  Herr  Dietrich  Meyen  kränz, 
Priester,  und  Henritze  Sulberg,  Schultheiss  zu  Hoemburg,  die  vor- 
zeiten auch  Keiner  zu  Hoemburg  gewesen,  von  wegen  des  wolgep. 
Hern  Godfritz  Hern  zu  Eppenstein  und  zu  Mintzenberg  „an  eyme* 
und  Philips  von  Buchis,  amptmau  zu  Petterwil,  von  wegen  des 
wolgep.  Hern  Ludwigs  von  Isemberg,  Her  Philips  von  Bicken,  Rit- 
ter Conrat  Schcnck  von  Sweynüberg  gem.  Amptman,  und  Joh.  von 
Hornaue,  Amptman  zu  Petterwil,  von  wegen  ....  Philipsen  (Jra- 
ven  zu  Solms  .  .  ,  sodann  .  .  Erwin  Togil  von  Carben,  Amptmann 
zu  Niddern  Erlebach  und  Ludwig  Waldeck  des  Rats  schriber  zu 
Frankfurt  von  wegen  des  ersamen,  wisen  und  fürsichtigen  Bürger- 
meister und  Rat  zu  Frankfurt  „am  andern  Tiele",  auch  waren  da 
versandet  die  Merker  aus  den  6  Dorffen.  Hier  werden  also  die  Herr- 

■ 

schaften  geradezu  als  Parthei  dem  Waldpotten  auf  dem  Markerding 
gegenüber  gestellt.  Philipp  von  Buchis  und  Joh.  von  Hornau  sind  zu 
dem  Kellner  geritten,  gefraget  ob  er  bereit  sei  anzufangen.  Der  bat 
noch  auf  ihren  Amtman  zu  warten;  da  dieser  aber  nicht  erschien, 
hat  Heinritze  von  Sulberg  von  der  Herrschaft  Eppenstein  wegen  zu 
reden  anfangen  lassen;  uff  stund  ist  von  wegen  der  obged.  Htrn 
Ludwig  von  Isemberg  .  .  .  Solms  .  .  .  und  des  Erb.  Rats  zu  Frank- 


-    315  - 

fort  „als  von  wegen  der  Iren  von  Petterwile  und  Niddern  Irlebach* 
geredt  dass  tue  keinen  fftr  einen  Märkermeister  halten  wollen  er  »ei 
dann  durch  gemeine  Märker  erwählt  und  zugelassen  wie  von  alter 
Herkomen  sei.  Sie  fragen  den  Eppensteinschen  ob  er  die  Wahl 
wie  von  Alter  Herkomen  sei  fürnehmen  wolle,  darauf  der  Schult- 
heise  zu  Homberg  geantwortet:  neyn,  gesaget  sie  wollten  handeln 
wie  sie  im  vergangnen  Jahr  gethan  hätten.  Als  auch  der  venueint 
Märkermeister  der  Mark  halben  reden  wollen,  da  haben  Conrat 
Schcnck  von  Sweynßberg  und  Ludwig  Schreiber  Ime  gesagt  zu 
schweigen,  sie  haben  weiter  zu  reden.  Und  hat  der  itzgenant  Ludwig 
weiter  geredt  und  begehrt  an  alle  Umbstender  zuzuhören:  dieweil 
von  Eppensteinschen  verneint  worden  zu  handeln  wie  von  Alters 
Herkommen,  so  seien  sie  „von  ihrer  Herrschaft  und  der  Ihren  wegen 
obgenant"  auch  nit  gemeint  einige  Neuerung  zu  gewilligen,  würden 
den,  der  nit  nach  altem  Herkommen  gewählt,  auch  nit  fllr  einen 
Merkermeister  halten;  sie  erbieten  sich  zu  rechtlichem  Austrag, 
ersuchen  den  offen  Notar  ein  offen  Instrument  zu  machen,  sind  da- 
rauf abgeritten,  und  haben  dio  von  Petterweil  und  N.  Erlenbach 
auch  sheyßen  abgeen*.  Zwei  Jahre  später,  1488,  finden  wir  dass  der 
Homburger  Amtmann  das  Märkerding  nicht  halten  wollen,  sondern 
on  allen  abscheyt  mit  den  von  Seulberg  abgeschieden.  Da  haben 
sich  die  Sendbotten  von  Isenberg,  Solms,  Königstein  und  Frankfurt 
bedacht,  und  dem  lantman  uff  ihrer  Seiten  gesagt  ob  die  „Widder- 
parthie"  einen  Märkermeister  gekoren  hätten ,  solten  sie  für  kein  Mär- 
kermeister halten,  sie  sollten  „die  marck  gepruchen  wie  von  Alter", 
und  ob  Jemand  Bcschwerniss  der  Marck  halber  habe,  solt  derselbe 
„an  sein  Herrschaft  langen  lassen ,  solt  syn  Herrschaft  mit  Flys  vor 
Jen  arbeiten,  Ine  by  altem  herkommen  zu  hanthaben". 

Dass  dies  zu  jener  Zeit  kein  leeres  Versprechen  gewesen,  das 
zeigen  die  Verhandlungen  als  im  folgenden  Jahre,  1489,  das  Märker- 
geding  der  Seulberger,  Erlenbacher  etc.  Mark  durch  den  Walpoden 
bis  auf  Dienstag  nach  Quasimodogeniti  erstrecket  worden.  Es  wurde 
durch  Herrn  Ludwig  von  Isenberg  ein  Tag  ernant  gen  Petterweil, 
daselbst  ein  Abscheyt  besehenen  wie  folgt:  Nach  alter  Gewohnheit 
und  Herkommen  pflege  man  „Märkergericht"  zu  halten  auf  Mitfasten 
in  der  Erlebachcr  Margk.  Das  habe  der  Graf  zu  Hanau  etzlich  Jahr 
lang  verhindert,  allein  nach  seinem  Gefallen  zu  erstrecken  sich  unter- 
standen, ...  es  haben  die  Sendboten  gerathschlagt  und  eynmündig 
beschlossen,  wenu  der  Graf  von  Hanau  einen  andern  Tag  fürnehmen 
werde,  so  sollen  die  Herren  mit  den  Ihren  in  mitteler  Zeit  bestellen 
und  verfügen,  dass  sie  den  Tag  mit  nichts  besuchen  und  sich  doch 


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316  — 


der  Mark  wie  von  Alter  Herkommen  ist  verbrochen,  und  sich  furtan 
zum  Märkergericht  das  im  zukünftig  sein  wird  zu  mitfasten  verfttgen. 
Jegliche  Herrschaft  solle  daselbst  „erscheinen  oder  dahin  schicken, 
helfen  zum  besten  bestellen,  tun  und  ratschlagen". 

Sontag  Laetare  1490  ist  das  Erlebacher  Merkerding  gehalten 
worden  durch  den  vesten  Philipsen  von  Buches,  Diether  von  Lutern 
von  wegen   Hern  Ludwigs  von  Isenburgk ,  Heinrich  bereiter  zu 
Königstein  von  wegen  derselben  Herrschaft,  Heinrich  Keller  zu  A*- 
senheym  von  wegen  Graf  Philipsen  von  Solms,   und  Jacob  von 
Cronberg,  Erwin  Dogel,  Amtmennere,  und  Melchior  Swartzenberg, 
Rath  Schreiber ,  von  wegen  des  Raths  zu  Frankfurt    Inn  Beiwesen 
des  gem.  Lantmans,  wiewol  das  Merkergeding  zu  halten  durch  den 
•  Herrn  von  Hanau  verbotten  war,  wart  durch  Jacob  von  Cronberg 
geredt  „alle  die  in  die  Marg  gehören  solten  uff  den  Hauffen  treten", 
da  waren  etliche,  von  Sulberg  zugegen  die  hinweg  gingen  und  nit 
unter  die  Marker  gehen  wollten.  Redt  derselbe  Jacob  zu  den  Mer- 
kern, sie  sollten  sagen,    wie  es   mit  der  Marg  gehalten  worden 
sei,  ob  mau  den  Märkermeister  kiesen  möge,  so  etliche  in  die  Marg 
gehörig  nit  uf  den  Tag  erscheinen.    Begehrten  die  Männer  sich  zu 
bedenken,  nahmen  »von  jeglichem  Dorf  drei  der  edelsten1*  und  ant- 
worteten gerne vnlichen  durch  Conradt  von  Petterweil:  Es  sei  von 
alter  Herkommen,  dass  man  uff  den  Tag  einen  gemeinen  Miirker- 
meister  uff  dem  flecken  kiese,  und  bo  etlich  uit  allda  wären  gewest, 
hätten  sie  nit  desto  minder  gekoren,  und  die  so  nit  erschienen 
„mit  Rat  der  Herschaften"  gebUsst  Wurden  „die  Mender"  weiter 
gefragt,  es  wären  etlich  von  denen  von  Sulburg  gebüsst,  die  noch 
im  Gefiingniss  wären,  und  doch  kein  Märkermeister  gesetzet  durch 
die  gem.  Merker  von  der  Mark  wegen,  wie  es  gehalten  werden  soll 
mit  den  büßen  S1.  Antworten  die  Männer  gemeinlich :  sie  kunten  oder 
wolten  nit  weiter  antworten,  sie  hätten  dann  einen  Märkermeister 
gekoren;  so  der  gekoren,  wollten  sie  „mit  Rath  desselben"  antwor- 
ten.   Also  haben  die  Geschickten  sich  bedacht  und  ihnen  vergöm 
einen  Märkermeister  zu  kiesen.   Antworten  die  Männer  gemeinlich: 
sie  hätten  sich  bedacht  und  gekoren,  und  sei  ihr  alt  Gewohnheit, 
welcher  gekoren  werde,  er  sei  Edel,  Priester  oder  sunst  ein  gemein 
Mann  in  der  Mark  seßhaftig,  der  muss  es  annemen  92 ,  und  wo  ihnen 

■»»  Seulberg  war  homborgiach;  die  von  Seulberg  hatten,  vielleicht  in  Aut 
trag  ihrer  Landeehcrrscbaft,  Potterweiler  Märker  gefänglich  eingezogen ,  ohne 
Auftrag  eines  Märker  meistere. 

32  In  Appenzell  rouss  noch  heut  zu  Tag  der  gewählte  Landammmn  die 
Wahl  annehmen,  er  ginge  denn  ausser  Landes. 


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—    317  — 

dasaelb  zugesagt  werde  wollten  sie  den  Märkermeister  nennen.  Hilt 
man  den  Männern  für:  wolten  sie  einen  erwählen  der  iu  der  marg 
begut  nnd  behubt  wäre,  das  müssten  sie  lassen  geschehen,  aber  wo 
sie  einen  Amtraan  wolten,  der  möcht  über  Nacht  Urlaub  nemen  oder 
gegeben  werden;  bo  wäre  die  Marg  aber  unbestelt,  solten  sie  selber 
zusehen.  Antworten  die  Männer:  Sie  haben  vor  Alter  einen  seßhaftigen 
gekoren  und  nit  angesehen  ob  einer  begut  oder  behubt  sei,  wo  man 
ihnen  dasselbige  noch  gestatten  wolle,  wolten  sie  den  erwählten 
nennen.  Das  wurd'  ihnen  nachgelassen.  Also  erwählten  sie  Erwin 
Dogeln,  Amtman  zu  Erlebach.  Sagt  derselbe:  wo  ihn  die  Herren  und 
Jungkern  der  Geschickten  nit  bei  der  Marg  beschirmen  wolten, 
wäre  ihm  das  Ampt  an  sich  zu  nemen  nit  gelegen.  Also  haben  sie 
ihm  einhellig  zugesagt,  von  der  Herrschaften  wegen  ihn  dabei  zu 
hanthaben.  Darnach  wurde  gefragt  wer  den  Märkermeister  eydigen 
solle;  ward  geantwort:  sie  (die  Märker)  haben  vor  Zeiten  ein  Ampt- 
man  zu  Erlebach  gehabt  der  Märkermeister  gewest  was,  dcr- 
selb  von  dem  gekoren  Märkermeister  globe  genommen.  Also  erweit 
der  gem.  lantman  Philipsen  von  Buches,  der  nam  gelob  von  Erwin 
Dögeln  uff  den  Eydt  den  er  seinen  Herrn  gethan  hatte  der  Mark 
das  best  und  nutz  zu  schicken;  und  wurden  alsbald  zween  Märker- 
knecht  erweit,  die  auch  gelobten  und  sworen  Erwin  Dögeln  in  Ge- 
genwärtigkeit des  lantmans;  und  alsbald  wurden  die  geschickten 
Eyna  und  befolen  den  Markknechten  die  von  Sulberg,  die  die  Solms- 
ischen gefangen  gehabt  hatten,  zu  verpieten  auf  dinstag  nechst,  dar- 
nach zu  verhören  aus  was  Ursachen  die  Solmflen  gefangen  neien, 
und  solle  von  jeglichem  Dorf  gein  Ober  Erlebach  zween  komen  mit 
sampt  dem  Märkermeister,  die  Sache  zu  verhören,  und  was  alsdan 
zu  antwort  werde,  jegliche  ihr  Hern  und  Junghern  wissen  zu 

Es  ist  dieses  Auftreten  der  Herrschaften  aus  dem  Grunde  so 
ausfuhrlich  mitgctheilt  worden,  weil  es  das  einzige  Beispiel  iBt,  dass 
dieselben  ganz  in  die  Rechte  und  Pflichten  des  Waldbotten  eingetre- 
ten sind.  Sie  haben  nicht  nur  das  Märkerding  gegen  Befehl  des 
Waldbotten  hegen  lassen,  die  Mark  bestellt,  einen  Märkermeister 
wählen  lassen  und  Markknechtc,  sondern  sie  haben  auch  dem  Mär- 
kermeister versprochen  ihn  bei  der  Mark  zu  beschirmen.  Es  liegt  in 
dieser  Handlungsweise  die  Anerkenntniss  dass  der  Waldbott  nur  im 
Interesse  der  Mark  seine  Vorrechte  besitze,  und  dass  wo  er  diesem 
Interesse  entgegen  handele,  die  Mark  nicht  bestelle,  dies  auf  andere 
Weise  geschehen  müsse. 


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-    318  - 

Hier,  wie  in  der  Hohen  Mark,  haben  die  Regierungen  spater 
nicht  mehr  den  Muth,  oder  nicht  mehr  die  Kraft  gehabt  in  gleicher 
Weise  das  Recht  des  obersten  Märkers  dem  Interesse  der  Mark 
selbst  unterzuordnen.  Auch  in  vorliegendem  Fall  aber  haben  sie 
nur  das  Notwendigste  gethan,  sie  haben  nur  einen  Märkermeister 
erwählen  lassen.  Bei  dem  nun  folgenden  Güteversuch  hat  man  sich 
bedacht  und  dahin  geeinigt  dass  Herr  Friedrich  von  Dorfeiden  von 
wegen  des  obersten  Waltpoten  und  Cunrad  Schenck  von  wegen  der 
andern  Herrn  den  Märkermeister  beeidigen  solle,  bis  die  Herrn  zu- 
sammen kommen  und  sich  des  vereinigen.  Auf  das  Schreiben  des 
Pfalzgrafen,  die  Herrschaften  möchten  sich  auf  dem  gütlichen  Tag 
zu  Germersheim  einfinden,  antworteten  sie :  dass  sie  nit  Fug  haben 
den  angesetzten  Tag  ohne  den  gemeinen  lantman  und  Merker  zu  be- 
suchen. —  Mglb.  E.  30.  II. 

Wenn  die  Obrigkeiten  das  Interesse  der  Mark  und  der  Märker  be- 
achten wollten,  so  mussten  sie  auch  die  Gewohnheiten  derselben 
berücksichtigen  und  an  denselben  festhalten.  Anno  1484  auf  Sonntag 
Letare  zu  halbfasten  sind  von  Peterwyl  auf  das  Irlenbach  Merker- 
ding gemacht  seibist:  Johann  von  Glauburg,  Schöff,  Wicker  Frosch 
der  junge,  Ratsfreund,  und  Ludwig  Waldeck,  Schreiber;  und  als  die 
hinausgeritten  und  bei  Irlenbach  in  das  Feld  komen  sin  um  die 
10  Uhr,  haben  sie  nach  Krwin  Dogel,  Amptman,  und  den  Märkern 
in  Nieder  Irlenbach  geschickt.  Ist  Erwin  dazu  kommen  und  hat 
gesagt,  in  dem  als  er  zu  Irlenbach  herausgeritten,  sei  ein  knecht  ihm 
begegnet  mit  dem  bemerken  dass  das  Märkerding  mondig  (Montag)  sei, 
dann  sein  Herr  von  Eppenstein  das  widerbotten  lassen  habe.  Die 
Geschickten  haben  sich  darauf  mit  den  Solmsischen  und  Ysenburgi- 
schen  beredt  und  sind  mit  den  Märkern  von  Peterwyle  und  Nydern 
Irlcbach  auf  die  „Walstatt  des  Merkerdings  by  Sulburg  gerydeu'4, 
und  sind  bis  nach  Mittag  ungefähr  um  ein  Uhr  dablieben,  und  als 
Niemand  aus  den  andern  Dorfen  komen  ist,  han  die  Amtleute  die 
von  Petterweil  und  Nydern  Irlebach  wider  zu  Hause  gehen  lassen, 
und  sind  auch  abgeritten.  —  Mglb.  E.  30.  Ub  S.  151. 

In  dem  Berichte  über  die  „Sewelberger  und  obern  Irlebacher 
Gemark",  1Ö39  heisst  es  dass  die  Herrschaften  „von  wtgena  ihrer 
Märker  erscheinen.  Uff  Montag  nach  Penthecost,  morgens  7  Uhr 
erschienen  auf  dem  Plata  da  man  merkerding  pfleget  zu  halten,  von 
wegen  des  Fürsten  Philips  Landgraven  zu  Hessen,  als  obersten  Walt- 
poten, Helwig  von  Laurpach  und  Diether  Gewende,  Keller  zu  Hom- 
burg, „von  wegen  der  Herrschaft  Kömgsteyn  Gemerker"  Christoph* 
von  Hatzetein,  Amptman  zu  Königstein,  „von  wegen  der  Herrschaft 


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Sulmbs  Gemerker1*  Hartman  von  Troso,  Amtmau,  „von  wegen  der  Herr- 
schaft Eyssenburgk  Gemerker"  Engelbert,  halber  Amtmann,  „von  wegen 
der  Stadt  Frankfurt  Gemerker"  Justinian  von  Holzhausen,  und  dann 
„der  gemein  Merkerman  der  Sewelbcrg  und  Ober  Irlenbach  gemarck 
für  sich  selbst". 

Wenn  die  Herrschaften  einestheils  für  die  Ihrigen  ein  Schutz 
waren,  so  suchten  sie  anderntheils  in  denselben  auch  eine  Stütze  für 
das  eigne  Ansehen  zu  gewinnen.  Vorzüglich  gilt  dies  von  dem  Wald- 
poten  selbst,  soweit  er  auch  Landesherr  war,  in  der  Seulberg  Er- 
lenbacher Mark  also  für  Copperu  und  Seulberg,  in  der  Hohen  Mark 
für  Homburg,  Contzenheim  und  Steden.  Die  Stimme  von  Nieder 
Steden  wurde  noch  festgehalten,  Schultheiss  und  Gericht  ernannt, 
als  dies  Dorf  schon  längst  verschwunden  war.  Neuo  Ortschaften  auf 
homburger  Gebiet,  Dornholzhausen  und  Friedrichsdorf,  wurden  be- 
günstigt weil  sie  grösseren  Einfluss  verschafften.  Im  Jahre  1539 
brachte  der  Keller  zu  Homburg,  Diethcr  Gewend,  schriftlichen  Be- 
fehl des  obersten  Waldpott  die  Mark  „uff  heute  dato"  zu  umgehen. 
Die  Märker  weigerten  sich  „es  sei  kein  Mangel  an  der  Gemark  ver- 
merkt". Der  Keller  drohte  mit  Ausschluss  von  der  Mark,  liess  auf 
zwei  Seiten  treten  zur  Abstimmung.  Es  trat  zu  ihm  Niemand  denn 
die  seinen  von  Homburg  und  Seulberg,  der  Mehrertheil  blieb 
stehen. 

Zwei  Jahre  darauf  als  der  Walpot  mit  Märkermeister  kiesen 
wollte,  hat  der  Amtmau  zu  Königstein  die  Dörffer  getrennt  und  „die 
von  Seulnburg  und  Kuppern  beredt  bei  dem  Instrument  zu  bleiben; 
die  Gemerker  Seulburg  und  Koppern  sind  abgefallen,"  bei  der  Ab- 
stimmung traten  sie  auf  die  andere  Seite. 

Allmälig  erhielt  das  Erscheinen  der  herrschaftlichen  Geschick- 
ten eine  andere  Bedeutung.  Darüber  giebt  ein  Bericht  von  Joh. 
Ludwig  von  Glauburg  über  das  Seulberger  Erlenbacher  Märkerge- 
ding  des  Jahres  1588  Andeutung.  Es  sei  erstlich  nach  altem  Ge- 
brauch das  Instrument,  so  anno  1493  uffgericht,  hernacher  etliche 
neue  Articul,  ungefehrlich  uf  die  22,  letzlich  auch  die  Bugen  ver- 
lesen worden.  Darauf  die  vorigen  Märkermeister  wieder  zu  Märker- 
meister erbeten  und  verordnet  worden  „und  ist  durchaus  nichts  neues 
oder  E^Erb.  Rath  nachtheiliges  des  Ends  furgangen  oder  verhan- 
delt worden".  Beim  Abschied  hätten  die  Märkermeister  und  der  Kell- 
ner wegen  des  Schreibens  E.  Erb.  Raths,  dass  man  die  Nicder-Er- 
lenbacher  aus  der  Mark  zu  bringen  gedächte,  sich  entschuldigt;  sie 
seien  dies  für  ihre  Person  nie  bedacht  gewesen,  sondern  hätten  sie 
jede  Zeit  für  ihre  Mitmärker  gehalten,  sollten  auch  wie  andere  gc- 


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halten  werden ;  wollten  gebeten  haben  E.  Erb.  Rath  wolle  jährlich« 
auf  den  Sontag  Lätare  eine  Rathsperson  auf  das  Märkergeding  ver- 
ordnen „welche  gleich  wie  Sy  der  Mark  zum  Beeten  beiwohnen  thete", 
wie  dann  von  E.  Erb.  Raths  wegen  H.  Dan.  von  Hinsperg  vor 
Jahren  etlicher  Irrung  halben  auch  draussen  gewesen.  Joh.  Ludw. 
von  Glauburg  bedankt  sich  der  freundlichen  Antwort  wegen  „mit 
pit  solche  Ir  Entschuldigung  schriftlich  an  E.  Erb.  Rath  zu  gelangen14. 
Mglb.  E.  30.  IV.  [5] 

Als  die  Märker  bei  dem  Streit  über  die  landgrevisch  schwein 
einsahen,  dass  ihre  eignen  Bemühungen  vergeblich  seien,  haben  sie 
sich  verglichen,  dass  die  Schultheisse  solche  neugesuchte  Gerecht- 
same des  obersten  Waldpotten  ihrer  Obrigkeit  anpringen  sollten, 
deren  Rath,  wie  es  auf's  beste  anzugreifen,  zu  vernehmen.  Es  wand- 
ten sich  darauf  in  einem  Schreiben  d.  d.  1.  Oct  1590  Märkermeister 
und  Häupter  der  Seulberg  Erlenbacher  Mark  an  die  Herrschaften: 
von  ihnen  selbst  könne  es  nicht  wol  in's  Werk  gerichtet  werden, 
„Ir  dagegen  als  hochgelahrte,  verständige  in  denen  und  andern  der- 
gleichen Sachen  täglich  exercirt  und  geübet,  die  gepüer  zu  pon- 
deriren  werdet  wissen,  damit  dan  nicht  zuviell  oder  zu  wenig  von 
uns  furgenommen,  so  wollen  wir  euch  und  E.  Hochachtpare  Weis- 
heyten  ganz  freund  und  dienstlich  gepetten  haben  sich  als  Mitmärker 
von  wegen  des  Fleckens  Nidern  Erlenbach  dahin  und  soviel  zu 
bemühen  und  durch  deren  Advocaten  fürhabende  Supplication  con- 
eipiren  und  stellen  zu  lassen;  und  sind  wir  es  hingegen  freundlichen 
au  bedienen,  Euch  und  Ew.  Hochachtparen  Weisheyten  sonsten 
angenehmen  Willen  zu  erweisen  erpöttig  und  befliessen,  Euch,  Ewer 
Hochachtp.  Weish.  und  uns  alle  hiermit  dem  lieben  Got  empfhelend". 
Mglb.  E.30.  IV.  [8]  —  Sie  sollten  erst  später  lernen,  dass  es  besser 
ist  der  eignen  Kraft  und  Ausdauer  zu  vertrauen,  als  der  Opferbereit- 
willigkeit anderer.  Auch  die  andern  Dörfer  hatten  sich  an  den  Erz- 
bischof  von  Mainz  und  die  übrigen  Herrschaften  gewendet,  sie  bitten : 
dieselben  wollen  geruhen  gnedigst,  gnedig  und  günstig  „uns  deren 
armen  Leute"  zu  schützen  und  dargegen  bei  unser  ruhigen  wollher- 
geprachten  possession  vel  quasi  handt  zu  haben.  Der  Rath  liess  die 
Sache  untersuchen,  Zeugen  vernehmen.  Am  20.  Oct  1597  berichtet 
Conrad  Wachteler,  Märkermeister,  dass  der  Landgraf  Ludwig  der 
Jüngere  130 Schwein  in  die  Mark  einschlagen  lassen;  begehret  eines 
Erb.  Raths  Gutbedünken  was  fürzunehmen.  Die  Antwort  lautete  am 
4.  Nov.  dahin:  er  habe  anno  1591  Zeugeu  vernehmen  lassen;  ob 
solches  von  den  andern  Herrschaften  gleichmässig  besehenen,  davon 
habe  er  nichts  vernommen;  es  möge  wol  sein  „daß  solche  Sachen 


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also  ersitzen  blieben1'.  Sollten  aber  die  andern  Herrschaften  einhellig 
sich  an  den  Landgraven  wenden  wollen,  würde  es  dem  Rath  nit 
missfallen.  —  Mglb.  E.  30.  IV.  [20/21.]  —  Weiter  wurde  im  Jahr 
1604  die  Hülfe  des  Raths  angerufen,  der  Oberherr  und  Waldpott 
habe  diesmal  100  Schwein  in  die  Mast  einschlagen  und  ein  besonder 
steig  auf  Ircni  Grund  und  Boden  ufrichten  lassen.  Es  wurde  auf  den 
Beschluss  d.  1597  verwiesen,  dasjenige  so  damals  begert,  sei  noch 
nit  effectuirt  worden,  sondern  vermuthlich  bishero  ersitzen  blieben; 
darumb  man  den  Bereiter  an  den  Märkermeister  wiederumb  abge- 
fertigt. Der  berichtet  dass  die  Abhörung  noch  nit  stattgefunden.  In- 
zwischen fanden  die  Herrschaften  es  sei  nöthig  einen  Tag  zur  Zu- 
sammenkunft zu  bestimmen:  „weil  solches  samptlichen  interessiren- 
den  Herrschaften"  zu  nicht  wenigem  praejudiz  gereichen  thut.  Auf 
einem  Tag  zu  Petterweil  werden  die  vorhandenen  Zeugenaussagen 
verlesen,  neue  Zeugen  verhört  und  beschlossen  ein  weiteres  Schrei- 
ben an  Homburg  abgehen  zu  lassen. 

In  späteren  Jahren  genügte  es  dem  Rath  den  Landbereiter  all- 
jährlich auf  das  Markergeding,  Sontag  Lätare,  zu  schicken.  Johannes 
Zeundel  berichtet  im  Jahr  1644:  „hat  es  auf  bevehl  Ihr  E.  E.  Veste 
besucht,  zu  vernehmen  ob  etwas  deme  Flecken  Niter  Erlenbach  an 
Ihrer  Gerechtigkeit  vorgenommen,  oter  Ihme  Flecken  sonsten  durch 
Ihre  f.  Gn.  Herrn  Landgraff  dincr  oter  Dero  selbigen  Märkermeister". 
Es  sei  aber  nichts  vorgenommen,  als  der  gemeinen  „Ruhen  und 
Busen"  wie  auch  „der  verfallne  Bauw  und  Rösse  dachung"  (veröste) 
und  „waß  Rugbar  daßselbige  gestrafft  worden".  „Dasselbige  auch  Ir 
Insterment  ist  vorgelesen  worden  von  dem  Waldschrayer  wie  von 
Alters  herkommen  ist." 

So  berichtete  der  Abgeschickte  der  Stadt  Frankfurt.  Mit  einem 
solchen  mag  der  Kellner  zu  Homburg  leicht  fertig  geworden  sein. 
Derselbe  berichtete  am  2.  Juni  desselben  Jahres  über  das  Märker- 
ding der  Hohen  Mark :  er  sei  auf  das  gebande  Mark  Gericht  zu 
Oberurschel  geschickt  worden  „zu  vernehmen  ob  etwan  meiner 
grossgünst.  Ihrer  Dorffschaften  in  einem  oder  dem  andern  an  irer 
Gerechtigkeit  witer  Billigkeit  etwaß  vorgangen  wöre",  weiss  diesmal 
nichts  zu  berichten,  als  „daß  Niter  Urschel  und  Dirkelweil  wegen 
der  Wolfsjagd  nicht  zu  Humburg  erschinen  sind,  gestrafll  werden 
sollen;  nach  gehaltnem  Markgeding  Uber  14  Thag  zu  Humburg  zu 
dem  Busatz  sollen  beiten  Flecken  Erscheinen  und  Ire  Buse  thaidigen, 
dieweil  alle  andern  Flecken  erschienen,  sie  gcmelte  Flecken  allein 
nicht",  (bei  der  Wolfsjagd  nämlich).  -  Mglb.  E.  29.  IV.  S.  110. 

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Wie  in  der  Seulberger,  firlenbacher  etc.  Mark,  so  stellen  auch 
in  der  Hohen  Mark  nicht  wenige  Thatsachen  klar,  dass  in  früheren 
Zeiten  das  Auftreten  der  Obrigkeiten  in  Markangelegenheiten  keines- 
wegs bloss  eine  Förmlichkeit  oder  eine  Ehrenauszeichnung  gewesen. 
Ein  sehr  undeutlich  geschriebener  Bericht  über  das  Märkerding  von 
1479  theilt  mit,  dass  die  Rathsfreunde  begehrt  die  von  Dorckelweil 
wieder  zu  ihrem  Markrechte  kommen  zu  lassen,  und  dass  diese  sich 
erboten  „uinb  den  bruch  des  faltdors  halb"  zu  taidingen.  Darauf  die 
anwesenden  Märker  beiseit  getreten  und  gemeint  die  von  Dorckel- 
weil nit  wider  zuzulassen,  der  Rath  wolle  denn  dem  lantman  den 
„slag  zu  Husen  offen  daß  man  dadurch  Faren  und  denselben  Weg 
gebruchen  mochten  zu  zyden  so  die  Wasser  gross  weren".  Des  Raths 
Freunde  gaben  darauf  zu  verstehen  dass  der  Rath  den  Weg  zu  Hau- 
sen gekauft  habe  und  war  kein  gemein  Weg.  Hausen  (an  der  Nidda) 
stand  mit  der  Hohen  Mark  in  gar  keiner  Verbindung,  die  Märker 
gedachten  also  durch  die  Beeinträchtigung  der  Dorckelweilor  den 
Rath  zu  nötliigeu  anderwärts  iiinen,  den  Märkern,  Vortheile  einzu- 
räumen. Das  Recht  oder  die  Pflicht  der  übrigkeit  war  aber  mehr 
die  Ihrigen  in  dem  Rechte  zu  schützen  uud  zu  vertheidigen,  als  pri- 
vatrech tliclien  Vortheil  aus  dem  Verhältniss  zu  ziehen  M. 

Bei  dem  Märkerding  Montag  nach  Erhardi  1522  hat  der  Keller 
angezeigt:  wer  den  Wald  schädige  soll  gepfäudt  werden,  es  sollten 
auch  itzo  die  Pfandzettel  verlesen  werden.  Darauf  Viel  aus  dem 
lantman  nein  gesagt,  man  sollt  die  Pfandzettel  jetzo  nit  verlesen; 
dafür  wereder  unberufen  Märkertag  bestimmt.  Aber  der  Schultheis» 
von  Ober-Ursel  hat  etliche  vom  lantman,  so  ihm  zugehörig,  zu  ihni 
auf  ein  Ort  genommen  und  mit  den  gcredt,  bis  sie  in  die  Pfändung 
und  Verlesung  der  Zettel  bewilligt.    Darauf  die  Zettel  gleich  ver- 


33  Di«  Vollmacht  welche  im  Jahre  1489  der  Rath  seinem  Abgesandten  mit- 
gab, lautete:  Wir  der  Kate  zu  Franckenfort  Erkennen  uns  uftentlich  mit  die- 
sem briefe  das  wir  gantze  macht  uud  vollen  gewalt  gegeben  hart  diesem  gehv 
wurtigen  Kysen  von  Miltenbergk  unserm  beryder,  und  thun  daa  Inne  crafi'te 
dif>  briens,  uns,  unser  burger,  das  unser,  die  unsern  und  die  uns  zu  verant- 
wurten  stecn  an  dem  Marckerdinge  zu  Ursel  das  uff  Mittwoche  nach  dein  hei' 
ligen  Pfingstag  nehst  körnende  werden  sal,  zu  verantworten,  zu  verteidiogen, 
zu  vergeen  und  zu  versteen  zu  glicher  wyse  und  Jnne  aller  der  raselSe  und  zu 
allem  rechten,  wir  selbst  thun  und  Isißen  sollten  und  mochten,  obe  wir  dabei 
geinwurtig  werenn,  Des  zu  Orkundo  han  wir  der  egeoauteu  unser  Stode  Jnge- 
slgel  an  diesen  brieff  thun  drucken.   Datum  etc. 

Weiter  unten  ist  auszuführen  wie  die  Stadt  Frankfurt  zugleich  in  der  Eigen- 
schaft eines  Mitmarkers,  wegen  Besitzungen  in  Bonames,  aufzutreten  hatte. 


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lesen  worden  und  gesagt:  wer  itzo  woll  taidingen  soll  des  macht 
haben  oder  zum  nächsten  Märkergeding.  Die  Abgeordneten  des  Raths 
beschweren  sich  „daß  die  Ihren  nit  so  viel  Holz  geholet  als  die  an- 
dern, man  möge  den  Wald  noch  nit  zuschliessen".  Darauf  der  lantman 
zusammengeruckt,  sich  besprochen  und  die  begehr  abgeschlagen, 
gesagt  die  mennig  sei  schon  gemacht,  (es  sei  abgestimmt). 

Es  gab  sich  dabei  von  selbst  dass  die  Herrschaften  öfter  auch 
vermittelnd  auftraten,  Frieden  und  Einigkeit  herzustellen  suchten. 
Im  Jahre  1521  als  Streit  sich  erhoben  über  die  Wahl  und  Entlas- 
sung der  Forstkuecht,  begehrte  der  Schultheiss  von  Homburg  dass 
Verordnete  aus  jedem  Flecken  nach  Homburg  kommen  zu  verhan- 
deln „denn  er  were  nit  allhie  uff  dem  merckerding  umb  Zankes  wil- 
len". Darauf  sind  die  Beamten  von  Königstein  und  Heddernheim 
zusammengeruckt  „und  sich  der  Sachen  damit  der  landtman  gefriddet 
und  zu  Stillem  gesetzt  werden  mocht,  vielfaltiglich  besprochen  und 
den  Schultheis  gebeten  dem  lantman  zu  willfarn  und  andere  forstr 
knecht  erwehlen;  da  er  dies  abgeschlagen  hat  man  sich  weiter 
beratben  au  erhaltung  friddens,  und  herfundon  daß  nicht  besseres 
were  denn  daß  man  am  lantman  anregt  die  alten  forstknecht  auf 
dismal  onbeurlaubt  zu  lassen;  solchs  auch  also  beschehn". 

Ebenso  findet  sich  aber  auch  dass  die  Herrschaften  mahnend 
und  abrathend  auftraten,  wenn  sie  es  heilsam  für  die  Untergebenen 
hielten.  Auf  dem  Markerding  1524  wurde  vorgelegt  dass  man  aus 
dem  lantman  solt  Merkermeister  machen,  nemlich  zween  zu  Hom- 
burg und  zween  zu  Oberursel.  Darauf  aller  Oberkeit  Gesandten  sich 
besprochen,  darin  nit  willigen  können  und  einhellig  beschlossen,  „daß 
jeder  Gesandter  seiner  Herrschaft  unterthan  zu  ihm  berueff  und 
dabin  wysse,  von  solchem  Beschluss  abzusteen.  Darnach  ist  mit  dem 
Unterthan  In  geheym  abgesonderter  Weise  gehandelt,  bei  dem 
Folg  erlangt.  Sollichs  haben  alle  Gesandten  dem  Keller  von  Hooiu- 
burg  fürgehalten,  der  glycherWyse  by  seines  gn.  Herrn  zugehörigen 
verfügt  liatt,  sich  hören  ließ".  Also  ist  ein  Ring  gemacht  worden, 
dem  lantman  gesagt,  nachdem  sie  von  ihrer  Meinung  abgestanden, 
wolle  sich  gebüren  dass  sie  M&rkermeister  kiesen,  was  darauf 
geschehen. 

Auf  Dienstag  Sant  Lucastag  1524  hat  der  Amtman  zu  Eppstein 
Namens  des  Waldbotten  den  Gesandten  der  Herrschaften  der  Irrung 
der  kupferschmitten  zu  Bonamesa  halben  Anzeige  gemacht,  mit 
begehren  ihm  zu  entdecken,  ob  sie  mit  einem  ehrbaren  Rath  „güt- 
lich verhöre"  annehmen,  oder  aber  rechtlich  für  sein  gn.  Herrn,  den 
Landgraven,  fttrkommen  und  erfyd  cn  wollten.    Es  haben  die  ein 

21* 


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Bedacht  genommen  und  solche  dem  Untman  angezeigt,  der  es 
ein  gut  Zeit  nit  thun  wollen;  als  sie  aber  „die  überredt  die  Güte  zu 
verfolgen",  haben  sie  solchs  durch  Philipps  Ryffenstain  von  wegen 
der  Märker  öffentlich  zugesagt. 

In  späteren  Jahren  wurden  die  Unterthanen  mehr  und  mehr 
abhängig  von  den  Obrigkeiten.  Es  tritt  dies  schon  in  der  Mitte  des 
sechszehnten  Jahrhunderts  bei  der  Irrung  über  den  Dielnberg  und 
Bettstein  grell  hervor.  Bei  dem  Umzug  von  1551,  als  die  Märker 
über  die  Höhe  kamen,  wichen  „die  Jhenseit  der  Höhe"  von  den 
gemeinen  Märkern  und  gingen  nicht  allein  den  grossen  Bettstein, 
Bondern  auch  den  Dielnbergk  und  den  „jungen  Bettsteyn"  von  der 
Höhemark  hinweg.  Ebenso,  als  die  Märker  1561  noch  in  dem 
Scharterwald  waren,  da  gingen  8die  von  Ryffenbergk  und  Arnshain 
eyn  sonder  weg,  gingen  also  auch  eyn  teyl  des  Scharterwalds  und 
die  obgemelten  Velde  samt  dem  grossen  Bettstein  von  der  Marku. 
Gefragt  warum  sie  nit  bei  den  gemein  Märkern  blieben?  gaben  sie 
diese  Antwort:  sie  müsstcn  gehen  wohin  die  Junkern  sie  hiessen 
gehen,  dieweil  Irrung  um  den  Bettstein  were.  Im  Jahr  1562  wurde 
abermals  Umgang  gehalten  um  den  Dielnberg  und  kleinen  Bettstein 
zu  lochen.  Da  haben  die  jenseit  der  Höhe  sich  wieder  abgesondert, 
etliche  Tage  darnach  die  Loch  an  dem  jungen  Bettstein  ausgehauen, 
den  grossen  Bettstein  der  Mark  abgelocht34.  „Und  ist  gar  kein 
Zweifel  wenn  die  Überhöhischen  die  Wahrheit  sagen  dürften,  on 
scheu  für  Iren  Junckern  würden  sie  bekennen  sie  hetten's  ebenso- 
wol  gehört  von  ihren  Eltern  daß  der  Bettstein  in  die  Höhmark  ge- 
hörig sei".  Hiernach  wurde  beschlossen  es  sollten  die  Nachbar  eines 
jeden  Fleckens  in  die  Mark  gehörig  solche  obgemelte  Irrung  „ihren 
Oberkeiten  anzeigen  und  umb  Rath  bitten".  D esshalb,  so  h eiset  es, 
aist  die  bitt  E.  E  f.  W.  so  der  Sachen  besser  wissen  nachzudenken 
dann  wir  arme  unverständige,  wollten  uns  in  dieser  Sachen  rathen 
und  helffen,  dass  die  angezeigte  Irrung  endlich  mög  gerichtet  wer- 
den". Mglb.  E.  29.  IIL  S.  14. 

Weiterhin  folgt  (S  38.  cit.)  eine  „Forma  der  merkere  bedenkens, 
doch  uff  Verbesserung  Irer  Obrigkeyten,  ob  also  an  den  Fürsten  in 
Hessen  zu  schryben  sei".  Als  die  Märker  die  Homburger  Schwein 
ausgetrieben,  und  dafür  in  Haft  gehalten  worden,  setzen  sie  auf  den 
7.  Oct.  eine  Zusammenkunft  was  hierein  zu  thun,  bitten  der  Rath 
wolle  verstendige  Leut  dazu  verordnen  damit  sie  arme  Märker  bei 


»  Abgelocht,  die  Wahrseichen  aus  den  Grenzbäumen  ausgehauen. 


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ihrem  anererbten  Güte  mögen  erhalten  werden.  Und  auch  1570 
setzen  sie  einen  Tag  an  wegen  der  Neuerungen  in  der  Mark  und 
Insetzung  von  Zollstöcken;  sie  kamen  tiberein,  es  möchten  auch  die 
5  Herrschaften  je  eine  Person  abordnen  nach  Marpurg  zu  dem  lant- 
graven,  die  Menget  und  Gebrechen  vorzutragen.  Im  Fall  aber  die 
Zollstöck  nit  abgeschafft  würden  ist  der  gemein  Merker  Bitt,  die 
Obrigkeit  möge  guten  Rath  geben  „ob  man  nit  die  Zollstöck  ab- 
hauen, und  alsbald  an  kays.  Kammergericht  umb  mandatum  de  non 
offendendo  anzusuchen  befugt  sei"? 

Es  ist  offenbar  dass  mit  dem  Aussterben  des  niedern  Adels  die 
Märker  ihre  Stutze  verloren,  sich  nunmehr  an  die  Obrigkeiten  zu 
wenden  gezwungen  sahen.  In  dem  Markwalde  wurden  sie  mehr  und 
mehr  von  dem  Waldbotten  geschädigt  und  ausser  demselben  wurden 
sie  abhängiger  von  dem  Willen  ihrer  Obrigkeiten.  Im  Jahre  1584 
theilt  Burckhart  Engelbrecht  von  Hattstein  dem  Rath  mit:  dass  der 
Beschwerden  gegen  den  Landgraven  wegen  die  Märker  zusammen- 
zukommen sich  entschlossen,  mit  der  Bitt  dass  er  die  Seinen  bei 
Zeiten  „zu  dieser  Zusammenkunft  verordnen"  wolle;  der  Rath  ant- 
wortet: „wöllen  unsere  theils  disfalls  nichts  an  uns  mangeln  lassen". 
In  einer  Supplication  bitten  dann  die  Märker  ihre  Landesherrn,  sie 
wollten  sich  „unser  armen  Merker  und  Unterthanen  gnädigst  ahnneh- 
men". Diese  wandten  sich  darauf  an  den  Waldpotten  die  Beschwer- 
den abzuschaffen.  Der  gravamina  sind  es  19  dem  obersten  Wald- 
botten von  den  „vom  Adel,  Burger  und  Landtman  gemeine  Märker 
erwehnter  Marek"  überschickt.  Unter  denselben  finden  wir  aufgeführt, 
dass  den  „Unterthanen  des  Amts  Homburg,  welche  Mitmärker  sein, 
uferlegt  worden  eine  Anzahl  Gebundt  Eichen  Pfal  in  der  Mark  zu 
reißen,  machen  und  ihm  überliefern";  dass  die  Märker  welche  „we- 
gen Pfahlmachen  ingerugt  worden,  Ihre  Bueße  bis  noch  nicht  ver- 
theitiget  und  dazu  nicht  angehalten  worden"  endlich  dass  die  Inge- 
sessnen  im  Ampt  Homburg  „ihr  gepuer  Unkostens,  nemlich  ein  Jeder 
4  Pfen.,  zu  Anbringung  aller  Beschwerung«  Puncten  nit  contribui- 
ren  wöllen,  weil  solches  durch  ihre  Obrigkeit  verbotten  worden".  — 
Mglb.  E.  29.  HI.  S.  82  ff. 

Wir  werden  hier  auf  eine  wichtige  Befugniss  oder  Verpflichtung 
der  Regierung  hingewiesen,  nämlich  die  Bussen  einzutreiben;  daran 
knüpft  sich  dann  weiter  die  Stellung  ihrer  Beamten  zur  Mark  oder 
in  der  Markverfassung. 

In  der  Seulberger,  Erlenbacher  Markordnung  von  1552  heisst  es 
in  Art.  12:  Wer  die  Buße  nit  entrichtet,  soll  durch  seine  Obrigkeit 
gepfendt  werden,  wo  Armuth  halben  nicht  zu  pfenden  ist,  so  soll  er 


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vor  ein  Jeden  Gulden  acht  Tag  „im  Beczenloch  oder  Narrenhu&a 
durch  seine  Obrigkeit  uff  beger  dcß  Merkermeisterß  gestrafft  wer- 
den". Aehnlich  heisst  es  im  Jahr  1538  Art.  11:  „Welcher  Märker 
geruegen  und  seine  bueßen  uf  angesetzte  Thedigstag  nicht  erlegt, 
der  soll  durch  seine  Obrigkeit  für  voll  dafür  gepf endet,  oder  nacher 
llombergk  eingeführt  werden,  und  im  Falle  einer  Armuth  nicht  zu 
pfenden  .  .  .  für  jeden  fl.  acht  Tage  lang  mit  dem  Thurm  durch 
seiner  Obrigkeit  gestraffet  werden.  Doch  dem  obersten  Waldpotten 
an  seiner  habenden  Gerechtigkeit  damit  nichts  benommen1'. 

Auch  in  der  Hohen  Mark  ist  in  diesem  Sinne  geweiset  worden, 
so  namentlich  auf  dem  wichtigen  Märkerding  von  1484  welchem 
Abgeschickte  der  Obrigkeiten  zahlreich  beiwohnten.  Da  heisst  es  in 
Art.  17  :  wer  nicht  theidigt,  den  mag  der  Waldbott  und  der  Mär- 
kermeister,  jeglicher  nach  seiner  gebühr,  vor  ihre  verfallene  Büß 
pfänden;  weigert  sich  dann  einer  der  Pfände,  so  sollen  der  Herren 
knecht  im  flecken,  da  der  gerügt  frevler  wohnhaftig  ist,  forderlich 
Pfand  geben,  bei  Verlust  desselben  fleckens  Markrechts.  Ebenso  ist 
1547  beschlossen  worden,  jede  Obrigkeit  ihrer  Flecken  und  Dörfer 
solle  bei  den  buosfelligen  mit  Ernst  verfügen,  dass  die  Buossen 
bezahlt  werden  oder  pfand  gegeben  werde.  Sollte  dies  in  einem 
Monat  nicht  geschehen  „soll  die  gemeyne  ihres  Markrechts  entsetzt 
sein,  bis  die  büße  eingetrieben  werde'1.  Es  war  damit  eine  Strafe 
für  die  Saumseligkeit  der  Gemeinde,  nicht  gerade  eine  Haftbarkeit 
der  Gemeinde  für  die  Buße  des  Märkers,  ausgesprochen35.  Mglb. 
E.  29.  II". 

Dass  die  Obrigkeit  der  Aufforderung  zur  Strafe  und  Execution 
sich  willig  unterzog  ist  in  der  Rechtssache  des  Bernhaidt  Ebel  zu 


31  Dies  noch  in  einem  andern  Falle.  Als  nämlich  die  Gemeinde  Heddern- 
heim den  20jälirigen  Rügenrückstand  aller  Verwarnung  ohncrachtet  nicht  ab- 
geführet,  wurde  auf  dem  Märkerding  1778  dem  Waldschrcicr  und  den  Förstern 
aufgegeben  sätntotliches  Geschirr  und  Schiebkarrcn  welche  von  Heddernheim 
in  die  Mark  kommen  würden,  sofort  nach  Homburg  einzutreiben,  inmaasen  die 
Mark  eich  länger  nicht  herumführen  lasse  „sondern  einen  vor  deu  andern  von 
den  Heddernheimern  angreifen  wird".  Mglb.  E.  31.  I.  S.  2fi.  Wahrscheinlich 
ist  es  dabei  geblieben,  denn  zu  jener  Zeit  war  an  ein  energisches  Handeln  nicht 
mehr  zu  denken.  Es  lassen  sich  andere  Beispiele  anführen,  aus  denen 
ereicht  lieh  ist  dass  eine  Gesammthaft  als  Kegel  nicht  bestand.  In  den  Jahren 
1478,  1479  sollten  die  Nieder- Erlenbacher  der  Mark  Verstössen  werden.  Als  man 
die  Mark  auf  St.  Katharinentag  bestellte  hatten  sie  Holz  aus  der  Mark  ver- 
kauft. Die  Nicder-Erlenbacher  aber  behaupten  dass  wenn  einer  oder  zwoen  in 
der  Mark  verbreche  „darum  nit  eine  ganze  G meine  aus  der  Mark  verstoßen 
werden  könne".  Mglb.  E.  29.  IIb  S.  20. 


Di. 


* 


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Nieder-Erlenbach  deutlich  ssu  ersehen.  Da»  Katli»protocoll  vom  29.  Juni 

1598  theilt  mit:  Als  die  zu  den  Ortschaften  verordneten  Herren 
anbracht,  ob  wol  dem  Müller  zu  Nieder-Erlenbach  desswegen  etliche 
mal  10  fl.  zur  straf  abgefordert  worden,  dieweil  er  über  Verpott 
etlicl ic  Stemme  in  der  Seulburger  Mark  abgehauen,  welcher  aber  der 
Thaten  nit  allein  nit  gestendig  sein,  sondern  auch  über  des  Märker- 
meisters  vielfältig  anhalten  die  straf  nit  erlegen  wöllen:  .  .  .  soll  man 
sur  Erlegung  der  strafe  noch  6  Tage  peremtorie  ansetzen.  Erfolgt 
hierauf  ein  »Schreiben  der  Märkormeister  Joh.  Bender  zu  Seulberg 
und  (Jonrad  Wächteier  zu  Ober-Erlenbach  d.  d.  11.  Aug.  1598, 
Bernhard  der  Müller  zu  N.  Erlenbach  als  ihm  Markbuße  abgefordert 
worden,  habe  mit  schnöden  Worten  begegnet,  und  in  Gegenwart 
des  Schultheissen  sie  bezüchtiget,  dass  sie  ihn  nit  redlich,  sondern 
wie  diebe  und  schelraen  gerüget  und  gebüsset  hätten.  Solche 
Schmach  hätten  sie  sich  zu  Gemiith  geführet,  und  nit  gemeinet  die- 
Belbig  auf  sich  ersitzen  zu  lassen.  Sie  klagen,  nachdem  sie  sich  hie- 
bevor  an  den  Schultheissen  gewandt,  und  ersuchen  dienstlich,  E. 
Erb.  Kath  wolle  in  günstiger  Erwegung  des  Handels  Beschaffenheit, 
ihn  zur  Abzahlung  seiner  zweijährigen  Bußen  samt  dene  darauf  ge- 
wendeten Unkosten,  dan  auch  zum  gepürlichen  Abtrag  und  Wider- 
ruffe  von  Oberkeit  wegen  günstig  ermahnen  und  anweißenu.  —  Am 
22.  Aug.  wurde  dann  beschlossen:  als  Bernhardt  Ebel  zu  Nieder- 
Erlenbach  sich  beklagt,  daß  ihm  von  den  Märkermeistern  widder  die 
gebühr  ein  büß  abgefordert  werde,  soll  man,  weil  er  dem  d.  29.  Juni 
jüngst  gemachten  Rathsdecrct  nit  parirt,  ine  gefenglich  einziehen. 
Am  24  Aug.:  Als  der  alter  Herr  Burgermeister  anbracht  es  habe 
der  Pfarrer  zu  Nieder  Erlenbach  für  seines  Sohns  Bernhard's,  wel- 
cher Ungehorsams  wegen  zur  Haft  kommen,  Erledigung  angehalten, 
wurde  beschlossen:  soll  man  Ine  lenger  liegen  lassen.  Auf  weiteres 
Anhalten  des  Pfarrers  wurde  am  29.  Aug.  decr.:  soll  man  Ine  der 
Haft  erledigen  mit  dem  Bevelch,  sich  bei  den  Märkermeistern  klug- 
los zu  machen,  bei  Bedrohung  des  Wiedereinziehens.  Es  findet  sich 
weiter  ein  Schreiben  der  Märkermeister,  welche  sich  am  7.  Januar 

1599  beschweren,  dass  der  Schultheiss  den  mehr  angedeuteten  Be- 
scheid nach  seinem  Verstände  auslege,  mit  der  Anzeige,  dass  er  wol 
befehl  empfangen  zur  Bezahlung  beholffen  zu  sein,  es  erstrecke  sich 
aber  der  Bescheid  nicht  auf  die  Pfandreichung.  Sie  bitten  dass  mehr 
Schärfe  gebraucht,  Ebel  sie  wegen  derUn kosten  zufrieden  stellen  möchte. 
Demgemäss  war  am  16.  Januar  der  Bescheid  ergangen,  dass  der  Schul- 
theiss dem  Beklagten  unverzügliche  Bezalung  der  geklagten  Waldtbußcn 
uferlegen  und  in  Entstehung  denselbigen  alsobald  pfänden  lassen  sollt. 


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Allein  bereits  am  18.  Januar  überreichte  Ebel  eine  weitere 
Schrift:  die  Geldstraf  sei  ihm  aus  blosser  Missgunst9*  abgefordert 
worden,  er  sei  desshalb  genöthigt  gewesen  seine  Unschuld  dem 
durch laucht.  hochgeb.  Fürsten  und  Herrn  G.  Ludwigen  d.  J.  Landgr. 
zu  Homburg  etc.  „seinem  gn.  Fürsten  und  Herrn  und  der  Mark  obersten 
"Waldbotten"  per  Supplicationem  zu  erkennen  zu  geben;  der  ihn 
gehört  und  Joh.  Vestenbergcrn  den  Kellner  von  Homburg  mit  Er- 
gründung  der  Wahrheit  beauftragt  Diesem  habe  er  seine  positiones 
und  probatorial  articul  zugesandt;  er  habe  gehofft  dass  bis  zu  Er- 
öffnung derselben  seine  Widersacher  sich  gedulden,  sie  hätten  aber 
auf  Pfändung  angetragen  mit  Verschweigung  dieser  Umstände; 
bittet:  der  Rath  möge  diese  Sach'  an  den  Kellner  von  Homburg 
weisen.  Es  war  dieser  Schrift  ein  Verzeichniss  beigelegt  der  Eichen- 
stemm, welche  die  andern  Märker  gehauen  und  doch  die  Nieder- 
Erlenbacher  zuerst  strafen  wollen:  die  von  Holzhausen  zum  Schwein- 
stall und  den  Hörten  00  Stämm,  die  von  Petterweil  125,  die  von  Seulberg 
123,  die  vonOber-Erlenpach  50.  Der  Senat  beschlosB  am  18.  Januar  nach 
eingeholtem  Bericht:  Es  sei  den  Märkermeistern  Copei  zuzuschicken, 
dem  Schultheissen  zu  Nieder-Erlenbach  aber  zu  befehlen,  mit  der 
anbelohlenen  Pfändung  gegen  den  Bernh.  Ebeln  bis  auf  weiteren 
Bescheid  einzuhalten. 

Der  Erlass  welchen  der  Waldpott  dem  Kellner  von  Homburg 
schon  unter  dem  1 .  November  1598  in  dieser  Sache  hatte  zukommen 
lassen,  zeigt  wie  klug  derselbe  jede  Gelegenheit  zu  benutzen  ver- 
stand seinen  Einfluss,  sein  richterliches  Ansehen  fester  zu  begründen. 
Es  heisst  in  demselben  unter  anderm:  Ob  nun  wol  in  diesem  und 
dergleichen  Fällen  die  Appellationes  vor  uns  als  den  obristen  Waldt- 
potten  gehörig  sein,  dahero  wir  auch  des  klägcrs  bei  uns  beschehencs 
suchen  für  sich  wol  bestehen  lassen  könnten,  .  .  .  jedoch  dieweil  die 
sachen  noch  zur  Zeit  allein  uff  dem  Bcweißtumb  beruhen  und  wir 


J«  Diese  Missgunst  ist  häufig  gegen  die  Frankfurter  Ortschaften  besonders 
gegen  Nieder-Erlenbach,  welches  in  beiden  Harken  berechtigt  war,  bemerklich. 
Da  Nieder-Erlenbach  weit  vom  Walde  entlegen,  war  viel  und  leicht  Gelegen- 
heit gegeben  dies  Dorf  zu  benachtheiligen.  Als  im  Jahre  1523  die  Mark  er  ver- 
hindern dass  dem  Kupferschmid  zu  Bonames  Kohlen  zugeführt  würden,  bringen 
sie  zugleich  beschwerend  vor,  dass  sie  sonst  auf  der  Krück  zu  Uonames  2  IL 
gegeben,  jetzt  3.  Ebenso  sei  der  Zoll  in  Hausen  gesteigert  worden;  dazu  be- 
schweren sie  sich  dass  sie  au  der  Stadt  Pforten  zu  Frankfurt  »sich  loosen  oder 
das  Ir  verzollen"  mttssten.  Der  Keller  bemerkt  das  Kohlenverbot  sei  geschehen 
vielleicht  aus  sonderer  Ungunst,  die  zu  Ein.  Erb.  Rath  getragen  wurd  .und 
noch  unverdienet  werett.   Mglb.  E.  29.  II*.  8.  66,  73. 


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dafür  gehalten,  derselbig  wol  vor  dem  gemeinen  Märker  besehenen, 
und  demnach  von  demselben  nach  Befindung  der  Partheien  ein  endt- 
licher  bescheidt  gegeben  werden  könnte,  —  so  haben  wir  uns  auch 
derselben  biß  noch  nicht  annehmen  mögen,  —  bevelhcn  demnach  dir 
(dem  Kellner)  in  Gnaden,  daß  du  sie  beyderseits,  sowol  den  Kläger 
Berndt  Ebeln  als  auch  die  Märkermeister  und  Markschreiber  vor  dich 
erforderst  und  Inen  unserntwegen  anzeigest,  ...  wir  wolten  sie  ihren 
beweißtumb  zu  fuhren  .an  den  gemeinen  Märker  gewiesen  haben. 
Würde  nun  der  beschuldigte  beweisen  können,  daß  er  das  übrig  Holz 
.  .  .  anderswo  zu  wegen  gebracht,  gereicht  es  ihm  zum  besten;  wo 
nicht,  würd  er  sich  der  ihm  gesetzten  Straf  schwerlich  entschlagcn 
können.  Doch  stehet  jedem  alsdann  die  Appellation ...  in  allewege 
noch  frei  und  bevor. 

Am  5.  Februar  1599  fragen  die  Märkermeister  nochmals  wegen 
der  Execution  an,  Ebell  habe  sich  sowol  Geld  als  auch  Pfand  zu 
geben  geweigert,  der  Schultheiß  den  empfangenen  Befehl  nit  exequiren 
wollen,  flirgegeben,  dass  er  Niemand  der  sich  Pfand  zu  reichen  wei- 
gere, dieselbig  ohne  fernere  Specialbefehl  abdringen  dürfe, —  sie  bitten 
entweder  wirkliche  Hülfe  zu  befehlen  oder  sie  in  Schriften  günstig 
zu  verständigen ;  sie  erbieten  sich  gleichmässig  zu  Gegendiensten  : 
„Gott  hiemitt  in  Eill  befohlen,  und  geben  üb.  Erlenbach  5.  Febr."  etc. 
Job.  Ludwig  von  Glauburg  und  Joh.  Ufstainer  theilen  darauf 
denselben  am  8.  Febr.  mit,  wie  der  Rath  nach  vorgelegtem  schrift- 
lichen Befehl  des  Herrn  Waldpotten  anderer  Meinung  worden,  dafür- 
gehalten es  sei  so  lange  zuzusehen  bis  dem  ufferlegten  Befehl  ein 
Genüge  gethan.  —  Mglb.  E.  30.  IV.  — 

Auch  in  andern  Rechtssachen  wurden  die  Obrigkeiten  gelegent- 
lich um  Hülfe  wegen  Executionen  angegangen,  besonders  in  solchen 
wo  den  Markbeamten  keine  Möglichkeit  gegeben  war  auf  andere 
Weise  sich  an  Person  oder  Sachen  zu  erholen.  Es  schreiben  am 
22.  Febr.  1630  der  Keller  und  die  Märkermeister  an  den  Rath :  Ein 
Bürger  der  Stadt  Frankfurt,  Hans  Scherer,  auf  der  Allerheilgengasse 
wohnend,  habe  vor  etlichen  Jahren  dem  Fürsten  Landgrafen  Friedrich 
seine  zu  Hombergk  vor  der  Höhe  gehabte  Mühle  verkauft,  einen 
Nebenbau  davon  abgebrochen  und  wider  die  uralte  Markordnung 
ausserhalb  der  Mark  veräussert,  und  nach  Frankfurt  verwendet  3T. 
„Deßhalb  er  auf  dem  Märkergedingtag  gerüget,  und  nach  Hombergk 


"  Die  Markordnung  verbot  «Holz,  Kohlen  oder  andres  aus  der  Mark  in 
ander  Pöege  oder  Gebiet"  zu  fuhren. 


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-    330  - 

über  14  Tagen  hernacher  die  büße  zu  theydingen  gebeißen,  aucb  ihm 
50  f.  gesetzet  worden."  Man  habe  der  Zuversicht  gelebt  dass  er  die 
Gelder  erlegen  werde,  nach  lang  gehabter  Geduld  und  unterschied- 
lich gütlichem  Mahnen  wolle  man  „den  Markproceß  widder  ihn  ge- 
brauchen", notificire  dies  dem  Rath,  bitte  aber  zuvor:  der  Rath  wolle 
hilfreiche  Hand  leisten,  deu  mehrerwähnten  Seherer  anhalten,  dass 
er  „Zcyger  dieses,  unserm  zehrungswUrtt,  Wilhelm  Heyers  von  Hom- 
bergk,  welchem  diese  Gelder  anstatt  Zahlung  von  uns  bereits  ange- 
wiesen, crmelte  50  f.  abbezahlen  müsse".  Ein  Rcsolutum  steht  nicht 
dabei,  auch  ist  nicht  angegeben  ob  die  Anweisung  sonst  honorirt 
worden. 

Die  Sc  hu  Itheissen.  —  Bei  diesem  innigen  Verhältnis«  der 
Obrigkeiten  zu  der  Mark  waren  es  besonders  die  Schultheissen,  welche 
als  Beamte  der  Herrschaften,  zugleich  als  Vorsteher  der  Dorfschaften 
von  grossem  Einflüsse  waren.  Die  Schultheissen  erhielten  von  den 
Regierungen  Instructionen,  wie  sie  sich  in  den  Markangelegenheitcu 
zu  verhalten  hätten.  Es  findet  sich  eine  solche  für  den  Schultheissen 
Barthel  Hildebrandt  zu  Bonemess  aus  dem  Jahre  1595  in  dem  fasc. 
Mglb.  E.29.  III.  S.  150  aufbewahrt:  derselbe  aolle  sich  in  der  Frage 
wegen  der  streitigen  Wiesen  von  den  mehreren  nicht  absondern, 
jedoch  mit  dem  Protest:  dass  er  an  dem  Process  bei  dem  Reicbs- 
kammergericht  nichts  zu  thun  haben  wolle.  Er  solle  Uber  den  Ver- 
lauf in  Schriften  der  Gebühr  zu  referiren  wissen.  —  Andererseits 
gelangten  au  sie  die  Bestellzettel  aus  der  Homburger  Canzlei;  sie 
wurden  angewiesen  zu  erscheiuen  zum  Märkergeding  „mit  den  Mit- 
nachbarn und  Märkern".  Der  Schultheis  war  der  eigentliche  Ver- 
treter des  Dorfs  und  der  Dorfangehörigen;  erst  in  ganz  später  Zeit, 
als  die  Verhältnisse  schon  ganz  verrückt  waren,  Hess  er  sich  mit  dem 
leeren  und  unrichtigen  Ehrennamen  eines  „Markschultheissen"  be- 
liehnen. Früher  wurden  sie  nur  nach  ihrem  Dorfe  benannt.  Als 
Vertreter  seines  Dorfes  gab  der  Schultheis  die  Stimme  ab  Namens 
desselben,  so  besonders  bei  den  Wahlen;  war  er  einzuladen  bei  deu 
Markuragängen ;  sass  er  im  Gericht  und  in  den  Markversammlungcji 
von  denen  weiter  unten  noch  die  Rede  sein  wird.  Die  5  Ortschaften 
welche  als  Hauptorte  genannt  werden,  stellen  in  ihren  Schultheissen 
eine  Abordnung  und  Vertretung  der  Herrschaften  dar.  Durch  die 
Schultheissen  wandte  »ich  das  beschwerte  oder  das  klagende  Dorf 
an  seine  Regierung,  und  diese  beachtete  gewiss  die  Klage  mehr  oder 
weniger,  je  nachdem  der  Schultheiss  durch  seine  Persönlichkeit  sie 
unterstützte.   Johannes  Bilger,  Schultheiss  zu  Dürckelweil,  bat  1617 


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331  - 


um  lntercession,  weil  der  Keller  zu  Homburg  einen  Dürckelwciler 
habe  eintreiben  und  bekümmern  lassen.  Nach  altem  Herkommen 
habe  Dürckelweill  den  Gontzenheimern  eine  Zinne  oder  Schlagthor 
zu  machen,  dazu  sie  Bauholz  gehauen,  das  aber  von  den  Gontzen- 
heimern vor  dem  Verbrauch  sonst  verwendet  worden.  Die  Sache 
sei  so  liegen  geblieben  und  4  fl.  ßuss  erkannt  aber  nicht  erlegt  wor- 
den. Der  Keller  habe  die  Gontzenheimer  als  llomburger  Unter- 
thanen  geschont.  Daraufltin  verlangt  am  21.0ct  der  Rath  dass  der 
Keller  den  Dürckelwciler  der  Verstrickung  entlasse  und  die  Gemeinde 
mit  Unkosten  verschone.   Mglb.  E.  29.  IV.  S.  79.  — 

Die  Bürgermeister. —  Neben  den  Schul theissen  waren  noch 
in  jedem  Dorf  3  Schöffen  oder  Bürgermeister,  welche  den  Schul- 
theissen  in  seinem  Amte  zu  unterstützen  hatten ,  besonders  auch  das 
Rechnungswesen  führten.  Sie  werden  noch  um  das  Jahr  160  >  als  Ge- 
richtsschepf,  ja  auch  als  Markschepff  bezeichnet.  Sie  nehmen  an  den 
Markumgängen  Theil  und  an  den  engeren  Versammlungen.  Die 
Vergütung  für  Zcitversäumniss  wurde  (in  den  späteren  Zeiten)  iür 
den  Bürgermeister  halb  so  hoch  berechnet  wie  für  den  Schultheisscn ; 
diesem  wieder  war  gestattet  4  Schwein  in  die  Eckern  zu  treiben, 
wenn  der  gemein  lantman  ein  Schwein  eintrieb.  In  früheren  Jahren 
genügte  eine  geringere  Auszeichnung;  für  die  Hohe  Mark  wurde  im 
Jahr  1599  bestimmt  dass  jedem  Märker  3  schwoin  einzutreiben  er- 
laubt sein  solle,  dem  Schultheissen  vier. 

Wir  lernen  den  amtlichen  Kreis  dieser  Vorsteher  am  besten  aus 
den  Markordnungen  der  Seulb.,  Erlenbacher  etc.  Mark  kennen,  wenig- 
stens was  die  polizeiliche  Stellung  betrifft  „Schultheißen  und  Bur- 
germeistere  sollen  ungebüer  anbringen  so  oft  sie  etwa»  rugbahr 
sehen",  sie  sollen  „ebensowohl  als  die  Förster  zu  rügen  schuldig  sein'4. 
Dieweil  „in  dem  Tituli  vom  Holzausgeben  mehren theils  auf  der 
Schultheißen  und  Burgermeistere  Erkenntnisse  gegangen  und  ihren 
versiegelten  Bescheinigungen  fürnamblich  Glaub  gegeben  wird  .  .  . 
sollen  sie  die  Märkermeistcr  damit  nicht  bodriegen".  Es  sollen 
Märkermeister  und  Schultheissen  „in  den  Mark  Hecken  umbh  ergehen 
und  zusehen,  daß  die  Baue  in  redlichem  Wesen  und  guter  Besserung 
erhalten  und  nicht  zu  scheydern  gehen".  „Zu  einem  newen  Wohn- 
hause, wenn  die  Schultheißen  und  Markschepffen  eines  jeden  Orts 
die  lange,  Weitte  etc.  ermessen,  .  .  sollen  sie  alsdann  die  Märker- 
meistcr darvon  berichten,  die  dann  ferner  uff  ihren  der  Schultheißen 
und  Markscheffen  zugeschickten  Schein  (welcher  unter  des  Schultheißen 
Sigell  verschlossen  sein,  und  alle  umbstendliche  Gelegenheiten  .... 


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Inhalten  soll)"  das  nöthige  Holz  erlauben.  Jeder  welcher  Holz  be- 
nöthigt,  auch  erlanget  hat  „wie  er  nicht  Macht  hat  ohne  der  Forsterer 
hey  wesen  einen  eintzigen  stamm  zu  hawen,  soll  also  auch  dahin  ver- 
bunden sein,  dasselbige  Holz,  sobald  erß  zu  seiner  Gewahrsam  be- 
kommen und  ehe  es  von  der  Fuhr  abgeladen  wird  durch  seinen 
Schultheißen  und  Bürgermeister,  die  es  ihm  zuvor  erkannt,  besiech- 
tigen  zu  lassen0.  Auch  der  Förster  Wahlen  wegen  ist  beschlossen 
worden  „daß  die  Markschultheißen  beneben  den  Markschepffen  auf  dem 
Märkergedinge  das  beste  darzu  rathen  sollen'1.  Endlich  sollen  Wald- 
bussen „Montags  nach  Quasimodogeniti  gesetzet,  durch  jeden  Mark- 
schultheißen von  seinen  Amtsbefohlenen  Untertbanen  beipracht  und 
den  Markermeistern  eingeliefert  werden".  Mglb.  E.  30.  III.  Diese 
Beispiele  der  polizeilichen  Amtspflichten  der  Schultheissen  und  Bür- 
germeister in  Betreff  der  Mark  mögen  hier  genügen. 

Es  lag  in  der  Gerechtigkeit  der  jeweiligen  Obrigkeit  Schultheis* 
und  Scheffen  des  Orts  zu  ernennen  und  auch  abzusetzen.  Als  im 
Jahre  1435  Harheim  und  Caldebach  um  fl.  3000  der  Stadt  Frankfurt 
verkauft,  resp.  versetzt  worden,  mit  Zubehör  und  Leuten,  übte  der 
Rath  dies  Recht  aus.  Indess  scheint  es  dass  der  Wunsch  und  der 
Vorschlag  der  Ortschaften  gehört  wurde;  es  heisst  im  Jahr  1488: 
dieweil  der  „alte  Schöff"  zu  Harheim  altershalber  unvermüglich  ist, 
ihme  des  Scheffenstuhls  erlassen  und  andern  an  seine  Stelle  setzen 
und  kiesen;  sollen  die  von  Harheim  bis  Donnerstag  über  8  Tagen 
etliche  Männer  zum  Scheffenstuhl  tauglich  verzeichnet  beschrieben 
geben.  Die  Scheffen  von  Harheim  sollen  es  halten  wie  von  Alters 
gehalten  worden  ist,  an  Gericht  zu  sitzen  und  Sachen  zu  verhören. 
Im  Jahre  1512  wurden  die  Dörfer  wieder  von  Königstein  gelöst. 
Es  sind  Johann  FroBch,  Schöff,  und  W eicker  Frosch,  Bürgermeister, 
zu  Harheim  und  Caldebach  gewesen  und  haben  die  Männer  ihre  Eide 
lcdig  und  los  gemacht  und  die  ftLrter  ihrem  gn.  Herrn  zugestellt. 
Vergl.  Lersner,  Chronik,  II.  S.  663  ff. 

Ueber  die  Absetzung  des  Schultheissen  findet  sich  in  den  Seul- 
berger, Erlenbacher  Mark- Akten  (Mglb.  E.  42.  Nr.  32)  ein  interessan- 
tes Beispiel.    Am  8.  Dec.  1601  Uberreichte  der  Pfarrer  zu  Nieder- 
Erlenbach  die  Anzeige  dass  er  kein  Holz  aus  der  Mark  ausserhalb 
der  gewöhnlichen  Tag  bekommen  könne,  er  bewohne  die  Burg  zu 
Nieder  Erlenbach,  die  habe  doch  Gerechtigkeit  in  die  Mark  zu  fahren 
Auf  dem  Ausschusstag  habe  des  Raths  Schultheiss  und  der  eltiste 
Gerich tsschöfle  dabei  gesessen  und  E.  Erb.  Raths  Gerechtigkeit  fast 
übergeben,  wie  sich  denn  der  Keller  zu  Homburg  dessen,  etwa  s 
lachenden  Mundes,  gegen  den  Pfarrer  vernehmen  lassen.  Wurde  bei  Rath 


-    333  - 


beschlossen:  Soll  man  den  Schultheisseil  und  eltisten  Gerichtascbeffen 
von  Nidder  Erlenbach  beschicken,  der  uflagen  halben  zur  red  stellen. 
Leidheck  der  Bereiter  bestätigt  des  Pfarrers  Aussage,  derSchultheißs 
aber  und  Peter  Krauss,  der  älteste  Grerichtsschöff,  stellen  es  in  Ab- 
rede „ward  aber  etwas  erschrocken  in  seinen  Beden".  Der  älteste 
Schöff  stiess  die  Worte  heraus:  ein  alter  Mann  habe  zu  ihm  gesagt, 
sollten  nit  darin  willigen  sonsten  müssten  sie  etwan  daraus  dem 
Pfarrherrn  Holz  zur  Frohn  fuhren.  Der  Bereiter  giebt  noch  an, 
dass  er  protestirt,  der  Keller  aber  mit  lachendem  Mund  gesagt  habe: 
Was  es  viel  Protestirens  bedürfe,  sintemal  E.  Erb.  Raths  Bauern 
sich  selbsten  dieser  Gerechtigkeit  begeben.  Darauf  wurde  am  15.  Dec. 
beschlossen:  soll  man  beede  Ihrer  Aempter  entsetzen  und  einem 
Jeden  f.  50.  zur  straff  abnehmen,  welche  straf  zu  besserung  des 
Pflasters  zu  Nidern  Erlebach  angewendet  werden  soll.  Die  Venu% 
theilten,  Arnold  Scheffer  der  Schultheias,  und  Peter  Krause  der  Schöff 
bringen  nun  Zeugnias  von  den  übrigen  Schultheis  und  Gerichten 
bei  daas  sie  das  Behauptete  nicht  gesagt,  bitten  sie  in  ihren  Aemtern 
zu  belassen.  Den  Märkern  überhaupt  sei  der  Gebrauch  der  Mark 
beschränkt  worden,  somit  auch  der  Burg.  Es  wurde  darauf  be- 
schlossen: Soll  man  sie  zur  Zeit  noch  bei  ihren  Aemtern  verbleiben 
lassen,  bessere  Erkundigungen  einnehmen. 

Die  Märkermeister.  —  Weit  wesentlicher  als  die  Beihülfe 
der  Obrigkeiten  war  die  Stütze  welche  die  Märker  in  ihren  eigenen 
Beamten,  besonders  den  Märkermeistern  hatten.  Wie  die  Schult- 
heissen  das  Dorf  vertraten,  so  die  Märkermeister  die  Mark.  Sie 
stellen  die  eigentliche,  wahrscheinlich  uralte  Obrigkeit  der  Märker 
dar.  Ihr  Kampf  mit  den  eigennützigen  Bestrebungen  des  Waldbotten 
ist  ein  sehr  beachtena  werther;  erst  als  dieser  die  Wahl  derselben 
ganz  in  seine  Hand  bekam,  dies  besonders  in  der  Seulburger,  Erlen- 
bacher etc.  Mark,  war  die  Selbstbestimmung  der  Mark  rettungslos 
verloren.  Wir  finden  bei  dieser  selbstgewählten  Obrigkeit  den  Dua- 
lismus; die  Märker  scheuten  sich  die  geringe  Gewalt,  welche  sie  ihr 
eingeräumt,  in  eine  Hand  zu  legen,  auch  wechselten  sie  ab  mit  den 
Ortschaften  aus  welchen  die  Märkermeister  genommen  wurden;  doch 
behielten  zuletzt  die  mächtigsten  oder  einflussreichsten  Orte  eine 
Bevorzugung,  so  Oberursel  und  Bonames.  Der  Versuch  für  die  Ort- 
schaften jenseit  der  Höhe  im  Jahre  1438  einen  dritten  Märkermeister 
zu  bestellen,  wurde  von  den  Märkern  selbst  wieder  zurückgenommen. 

Die  ältesten  Aktenstücke  welche  wir  aus  der  Hohen  und  aus 
der  Seulberger,  Erlenbacher  etc.  Mark  besitzen,  befassen  sich  be- 


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reite  mit  dem  Streit  über  die  Wahl  und  die  Befugnisse  der  Märker- 
meister. Auffallender  Weise  befindet  sich  dabei  in  der  letzteren 
Mark  eine  symbolische  Uebuiig  festgehalten  welche  sich  in  der  Hohen 
Mark  nicht  mehr  vorfindet.  Es  ist  dies  das  „Eid  staben"  welche« 
als  die  Ursache  des  Streites  über  die  Wahl  der  Märkermeister  im 
Jahr  1482  angegeben  wird.  Jährlich,  so  heisst  es  in  einem  Bericht 
Ludwig  des  Rathschreibers,  wann  man  ein  Märkergeding  hat  gehal- 
ten, so  hat  ein  Märkermeister  sein  Stab  vor  sich  in  die  Erde  ge- 
steckt, und  hat  die  Mercker  um  das  Melkermeister  Ampt  gebeten, 
und  wenn  ihm  dies  wieder  zugesagt  worden,  „so  ging  dcrselbig 
Melkermeister  widder  zu  seinem  stabe  den  er  vor  sich  inne  die  Erd 
gestossen  hat  und  globet  demselben  stabe  von  der  Mark  wegen"  w. 
So  sagen  die  von  Petterweil,  von  Obern-  und  Niddcn  Erlebach,  sei 
es  von  altem  Herkoramen  auf  sie  kommen.  Darüber  war  aber  Irrung 
entstanden,  in  Folge  deren  die  Wahl  eines  Märkermeisters  unter- 
blieben war.  Denn  Se.  Gnaden  der  Jungher  von  Eppenstein  als 
oberster  Waldbott  behauptete  dass  ein  Merkermeister  der  Mark  zu 
geloben  nit  schuldig  sein  solle,  sondern  dass  ein  solcher,  so  der  zu- 
gelassen werde,  ihm  gelobe;  das  wäre  billig  und  ein  alt  Herkommen, 
und  werde  auch  in  der  Urseller  Mark,  welche  zum  nächsten  dabei 
sei,  also  gehalten.  Er  begehrt  an  die  Amptleute  und  die  Märker 
solches  gütlich  zu  besehen,  dass  man  Märkergeding  halten  und  die 
Mark  bestellen  möge.  Er  sei  nit  der  Meinung  den  Märkern  an  ihren 
Rechten  und  Herkommen  Abbruch  zu  thun,  sondern  die  Mark  mit 
Rath  derselben  zu  bestellen.  Als  nun  die  Märker  sich  besprechen 
wollen,  hat  ein  Eppensteinisch  Schultheiss  öffentlich  gerufen,  was 
Eppensteiner  sei,  soll  uff  ein  besonder  Ort  gehen.  Darauf  die  von 
Petterweil  und  Niedern  Erleubach  „bei  eyn  gangen"  und  meinten 
Ober  Erlenbach  sollte  auch  bei  sie  gangen  sein,  nachdem  sie  bis  an 
die  Zeit,  einer  Meinung  mit  ihne  gewest  weren.  Als  die  aber  besun-. 
der  ,.by  eyn  gangen"  und  Bintze  der  Schultheiss,  der  bis  uff  das 
vergangen  Jahr  seine  30  Jahr  und  länger  Märkermeister  gewest  war, 
bei  ihne  stunde,  hat  der  Eppensteinisch  Amtman  weiter  geredt:  be- 
gehrt zu  gewilligen  dass  der  Märkermeister  seinem  gn.  Junghem 
globdc,  und  obe  das  Bintze  thue,  wolle  er  ihn  zu  einem  Märker- 
meister ufnehinon,  wolle  er  es  aber  nit,  so  wolle  er  ein  andern 
nehmon.  Nach  einigem  Bedenken  haben  die  von  Isenberg,  Solms 
und  Krankfurt  „von  ihren  Herschaften  und   Dorff  wegen"  wider 

3"  Der  Stab  als  Symbol  des  Besitzens  nnd  Ucb  Aufgebens  der  Gewalt  ,  a. 
Grimm,  Rechtsalterthümer  8.  137. 


reden  lassen:  das  sei  nit  von  Alters  Herkommen,  Bintze  der  da  zu- 
gegen, sei  bei  30  Jahre  Märkermeister  gewesen,  und  habe  solches 
Amtes  halben  keinem  Herrn  von  Eppenstein  nie  gelobet;  als  er  zu 
erste  Märkermeister  geworden  sei,  habe  es  die  Gestalt  gehabt,  dass 
die  Märker  ein  merklich  Gespanne  mit  Sr.  FürstL  Durchl  gehabt 
haben:  „da  war  ein  Adelman  Märkermeister,  genant  Pawl  von  Irlen- 
bach,  der  war  alt  und  unverraüglich  worden,  hatte  darum  wegen 
der  Gezenke  die  Märker  gebeten  einen  andern  Märkermeister  zu 
machen,  da  hatte  derselbe  Pauli  von  der  Märker  wegen  von  Bintze 
gelobde  Ober  das  Märkermeister  Ampt  genommen.  Es  sei  auch  ein 
alt  Herkommen  das*  auf  der  Aue  ein  jegKcher  Märkermeister  auf 
dem  Märkerding  pflege  ein  stapp  für  sich  in  den  Wasen  zu  stecken 
und  damit  zu  sagen:  Ich  stecke  die  Mark  dahin,  und  sag  das  Mär- 
kermeister Amt  damit  uff.  Und  so  er  dann  wieder  darum  bäte,  so 
antworten  die  Märker  dass  er  widder  an  den  stab  griff,  und  das 
Amt  des  künftigen  Jahres  widder  an  sich  nehm  bei  der  globden  so 
er  vor  gethan  habe.  Also  sei  es  auch  bei  Bintzsn  nit  anders  gehal- 
ten worden  und  sei  keiner  in  der  Mark  dem  gedenke  dass  es  je 
anders  gehalten  worden  sei.  Das  hat  der  Eppensteinisch  Aratman 
auch  abgeschlagen  und  zu  Bintzen  gesagt  ob  er  das  Markermeister 
Amt  annehme  und  Ime  Beinem  gn.  Jungherrn  darüber  geloben  thue, 
woll  er  ihn  darzu  bestettigen.  Daruff  Bintze  geantwort  und  gesagt 
hat:  wo  das  der  Märker  Wille  sei  wolle  er  es  tbun.  Da  haben  die 
Eppensteinschen  ....  gesagt  ja  .  Isenberg,  Solms  und  Frankfurt 
Amtlude  und  Freunde  haben  in  kein  Neuerung  gewilligt,  sind  hin- 
weg geritten,  haben  ihren  Männern  gesagt  auch  abzuscheiden.  Also 
hat  Bintze,  derAmtman,  gelobt".  „Wie  aber,  ist  uns  nit  wissend"  fügt 
der  Frankfurter  Berichterstatter  bei. 

Im  Jahre  1483  auf  Walpurgistag  wurde  ein  Märkerding  gehal- 
ten „brantshalb  damit  die  Mark  beschädiget  worden  war11.  Die  von 
Petterweil  und  Nyddern  Irlebach  entgegnen  dem  Märkermeister 
Bintze,  der  sie  büßen  wollte,  sie  halten  ihn  vor  keinen  Märkermei- 
ster, er  sei  nit  erwählt  als  von  altem  Herkommen  sei. 

Zwei  Jahre  darauf  war  Bintze  der  Märkermeister  mit  Tode  ab- 
gangen. Erwin  Togel  oder  Dögel  wurde  an  seiner  statt  gewählt. 
Dieser  hat  gebeten  ihm  das  zu  erlassen,  auf  bitten  gesagt:  wo  er 
zugelassen  werde,  wolle  er  Inen  allen  zu  willen  reden.  Da  saget 
VValther  von  wegen  seinem  Herrn  von  Eppenstein:  „sei  nit  der 
Meinung  einen  Stab  stecken  zu  lassen".  Da  hat  Erwin  sich  des 
Märkermeister  Ampts  eutHchlagen.  Hat  Walther  die  Märker  geheissen 
einen  andern  zu  kiesen,  der  ime  anstatt  seines  Herrn  globde  thu; 


-    336  - 

haben  Isenbergk  und  Solms  von  Petterweil  wegen  gesagt :  sie  haben 
gekoren,  da  lassen  sie  es  bei,  und  seien  nit  schuldig  einen  andern 
zu  kiesen,  geptlre  auch  nit  Inie  die  globde  zu  thun,  und  sind  damit 
das  an  die  Herrschaft  zu  bringen,  abgeschieden.  Sie  wollten  in  kein 
andern  gebiliigen. 

Darauf  blieb  die  Mark  unbestellt,  wie  bereits  initgetheilt  wor- 
den, bis  im  Jahre  1490  durch  die  Abgeschickten  der  Obrigkeiten 
das  Märkerding  auf  Sonntag  Lätare  abgehalten,  Erwin  Dogel,  Amt- 
mau  zu  Erlebach,  wieder  zum  Märkermeister  erwählt  und  von  Phi- 
lips von  Buches  in  Pflicht  genommen  wurde.  Im  folgenden  Jahre, 
als  der  gütliche  Tag  zu  Germersheim  abgeschlagen  worden,  erschie- 
nen auf  dem  Märkerding,  Sontag  Lätare :  Herr  Fried,  von  Dorfeiden 
und  Georg  Meyer,  Schreiber,  von  wegen  des  wolgebornen  Jung- 
hern Philippen  Grafen  zu  Solms;  Philips  von  Buches  und  Diether 
von  Lutern  von  wegen  des  wolgep.  G.  Ludwigen  von  Iseuberg, 
Grafen  zu  Büdingen;  Balthasar  von  Eschpach  von  wegen  der  Herr- 
schaft von  Königstein ;  und  Wyker  Knobelach  sammt  Melchior  Swar- 
tzenberger,  Radsschreiber,  von  wegen  des  Rats  zu  Frankfurt;  und 
redt  Georg  Schreiber,  wie  sich  die  Merker  allwege  uff  den  Augen- 
schein erboten  haben,  also  sei  sein  gn.  Herr  ein  zukommender  Herr 
der  Mark  und  „wyß  nit  wyters,  wann  sin  gnad  underricht  werde". 
Desshalb  sei  Herr  Friedrich  und  er  also  abgefertiget,  die  Männer 
sollen  wisen  wie  von  alter,  doch  jeglicher  Parthei  irs  rechten  unbe- 
nommen. Die  Märker  haben  darauf  aus  jeglichem  Dorf  vier  erweh- 
let,  die  sollen  sich  besprechen  und  den  Herren  „mit  Willen  des  land- 
mans  Ire  Gerechtigkeit  wisen11  und  nachdem  sie  bedacht  waren 
haben  sie  also  gewiesen :  Zuerst  dass  der  Homberg  inhab  ein  oberster 
Waltpode  der  Mark  sei ;  darauf  über  dessen  Befugniss  zu  jagen  in 
der  Mark ;  sodann  dass  der  Waltpode  das  Recht  habe  frevelnde  Aus- 
marker  gefänglich  zu  halten  und  gnädiglich  zu  schätzen.  Es  folgt 
darauf  viertens  dass  die  mark  der  Herren  Eigenthum  sei  und  der 
Märker  Erbe.  Dann  heisst  es:  die  Männer  sagten  dass  sie  sich  irthen 
wer  den  Märkermeister  eidigen  soll,  sie  haben  alwege  gehört  dass 
sie  den  Märkern  geschworen  haben,  aber  es  sei  keiner  zugegen, 
dem  gedenk,  dass  je  ein  Märkermeister  geschworen  hab,  sondern 
alweg  bei  den  Eiden  die  er  vorgethan  hat,  bleiben  lassen.  Wohl  hab 
Bintz  dem  von  Epstein  vor  Jaren  gelübde  gethan,  sei  aber  wider 
Willen  der  Märker  bescheen,  sie  haben  auch  uff  der  Zeit  gesagt : 
„Byntz  sy  durch  den  Karren  gefallen".  Darauf  haben  sich  die  Ge- 
schickten  bedacht  und  vereinigt  den  Märkermeister  gemeinsam  an 
beeidigen  bis  zu  einem  schliesslichen  Vergleich.  Der  lantman  wäUHe 


Erwin  Dogeln  zu  einem  Märkermeister ,  der  also  von  beiden  Par- 
thien  geeidigt  worden  ist  „bei  den  eyden  die  er  vormals  den  herren 
und  dem  Rat  dwil  er  ir  iglichem  inn  sunderheit  gcsworen  were  das 
best  zuthon  befolen,  das  er  also  gelopt  hat8.  Mglb.  £.  29.  IIb  S.  144  ff. 
—  E.  30.  No.  2. 

Es  zeigt  uns  anch  dies  Beispiel  wie  wenig  die  Grundgesetze 
der  Marken  festgestellt  waren,  wie  vieles  von  den  Männern  abhing, 
welche  einerseits  den  Lantman  leiteten,  andererseits  dem  Waldpotten 
als  Räthe  dienten.  Erwin  Tögel  war  vielleicht  der  tüchtigste  Melker- 
meister unserer  Marken,  nie  mehr  späterhin  hat  der  Lantman  in  den 
Verhandlungen  eine  so  würdige  und  so  gewichtige  Stellung  einge- 
nommen wie  unter  seinem  Meisterthum.  Nicht  lange  nachher  ist  es 
den  gewandten  und  schlauen  Beamten  des  Waldpotten,  Diether 
Gewend  und  Georg  Vestenberg er,  gelungen  dem  letzteren  eine  bevor- 
zugte und  Uberwiegende  Stellung  zu  verschaffen ;  so  wurde  dann  das 
Recht  mehr  und  mehr  in  diesem  Sinne  gedeutet  und  abgeändert. 

Es  ist  sehr  merkwürdig  das»  noch  im  15.  Jahrhundert  über  die 
Frage  wer  die  Märkermeister  zu  verpflichten  hätte  Streit  in  der  Seul- 
berg-Erlenbacher Mark  entstehen  konnte,  in  der  Hohen  Mark  war,  wie 
es  scheint  ganz  richtig,  die  Wahl  dem  Lantman  zugewiesen,  die  Be- 
stätigung aber  dem  Waldpotten,  dem  Sendboten  des  Königs.  Unter- 
blieb die  Bestätigung  in  einer  Weise  dass  das  Wohlergeben  der 
Mark  dadurch  litt,  in  solchem  Falle  griffen  dann  die  Regierungen 
ein.  Die  Akten  fuhren  kein  Beispiel  auf  dass  die  Märker  beschwerend 
sich  an  den  König  und  Kaiser  selbst  gewendet.  Klagen  bei  dem 
Reichskammergericht  kommen  vor,  auch  Entscheidungen,  aber  nicht 
immer  waren  diese  durchzuführen. 

Die  älteste  Urkunde  der  Hohen  Mark,  der  Bericht  über  das 
Märkerding  anno  1401  feria  quarta  infra  octavas  pasche  (13.  April), 
gedenkt  der  Märkermeisterwahl.  Diese  sollte  auf  St  Katharinentag 
geschehen,  war  aber,  wie  es  scheint,  im  Jahr  1400  unterblieben.  Es 
wurde  bemerkt  „daß  noth  sei  daß  man  zwene  Merckermeister  Betze 
und  die  Marg  bestelle  als  man  auf  St.  Kathrinentag  thun  sollte,  und 
meinte  da  Schudereyn,  der  Schultheiß  zu  Hoenberg,  daß  der  Wal- 
pode  die  erste  Kore  haben  solte;  darzu  geantwortet  ward:  der  Wal- 
pode  hätte  kein  Kore,  dann  wen  die  Edelleute  und  der  lantman 
erkoren,  den  hätte  der  Walpode  zu  bestedigen".  Damit  war  die 
Frage  entschieden,  es  traten  die  Edelleute  bei  Seite  und  auch  der 
lantman,  und  koren  zu  Melkermeistern  Fritz  eehen  Clemmen  und  Da- 
men von  Prunheym  „zwischen  hie  und  St.  Katharinentag  als 
man  dann  gewöhnlich  neue  Merckermeister  setzen  soll*.  Das  wollte 


338 


sich  das  Fritzechen  nit  unterziehen;  da  erbat  man  Hennen  Clenuneu 
den  Bruder,  dass  er  sich  des  an  seiner  statt  unterzöge ,  und  also 
gelobten  Henne  und  Damen,  vorgenante,  dem  Walpodeu  in  sein 
Hand  der  Marg  getreulich  vor  zu  sein  und  zu  versehen  und  zu  schir- 
men, und  gleich  damit  umzugehen  dem  Armen  als  dein  Reichen,  und 
das  um  keinerlei  sache  nit  zu  lallen,  als  fern  als  ihn  der  Waipode 
auch  nach  seinem  Vermögen  darzu  getreulich  behelfen  wollte". 

Auf  dem  Märkerding  St.  Katharinen  tag  desselben  Jahres  1401 
wurde  dann  geweiset:  „wen  die  Edelleute  und  der  lantman  zu  Mer- 
kermeistern kiesen,  den  hat  der  Waipode  zu  bestedigen  und  ihn 
darüber  lassen  geloben  und  schwören:  der  Marg  getreulich  für  zu 
sein,  sie  zu  versehen,  zu  schüren  und  zu  schirmen,  und  gleich  da- 
mit umzugehen  dem  Armen  als  dem  Reichen,  und  das  um  keinerlei 
Willen  zu  lassen,  als  fern  ihne  kraft  und  Macht  getragen  mag  und 
als  ferre  als  ihne  der  Waipode  aucli  nach  seinem  Vermögen  dazu  be- 
hülflich  sei,  das  er  auch  also  thun  solle  ungefährlich*'.  Ks  wurdeu 
dann  zu  Märkermeistern  gekoren,  ein  Jahr  zu  sein,  als  der  Marg 
recht  ist:  Henne  ülemm  von  Hoemberg  und  Heinrich  von  Belders- 
heim  „und  dieselben  Merckermeister  haben  heute  zu  Tage  Conzchen 
Brendel  von  Hoemberg,  als  an  eines  Walpoden  stat,  gelobet  der 
Marg  recht  zu  thun". 

Auf  dem  feierlichen  Märkerding  1484  wurde  auch  wegen  der 
Märkermeisterwabl  geweiset:  „Und  wer  also  auf  den  Tag  zum  Mar 
kermeister  gekoren  wird,  den  hat  der  Wald  bot  t  zu  bestettigen,  und 
soll  er  sie  darüber  lassen  geloben  und  schweren  der  Mark  getreulich 
für  zu  sein,  die  zu  versehen,  zu  schauwern  und  zu  schirmen,  und 
gleich  damit  umbzugehn  den  Armen  als  dem  Reichen,  und  das  umb 
keiner  Bachen  willen  zu  lassen,  als  fem  ihm  K  rafft  und  Macht  tregt, 
ohn  alles  gefehrdte". 

Bei  Gelegenheit  der  Besprechung  des  Waldpotten  und  seiner 
Befugniss  ist  bereits  des  Streites  gedacht  welcher  im  Jahre  1541  auf 
dem  Seulberg-Erlenbacher  Märkerding  über  die  Wahl  des  Märker- 
meisters  sich  erhob.  Der  oberste  Waldpott  berief  sich  darauf  dass 
die  Mark  mit  Rath  der  gem.  Märker  solle  bestellt  werden.  Diether 
Gewend,  der  schlaue  Rathgeber,  verfocht  dieses  Recht  seines  Herrn, 
des  Grafen  Ludwig  zu  Königstein,  als  dieser  Zeit  obersten  Wald- 
potten. Zugegen  waren  auf  dem  feierlichen  Märkergeding  neben  dem 
obersten  Waldpotten  in  Person,  Graf  Philips  Herr  au  Sulmbs,  Graf 
Anthoni  von  Eyseuburgk,  Herr  Ulrich  von  Hinzspurck  und  Justi- 
niau  von  llolzhusen  für  den  Rath  und  die  Stadt  Frankfurt ,  endlich 
die  lugehörende  Markerman,  Dorff  und  Klecken  Sewelnburgk,  Cop- 


-    339  - 

pern,  Petterweyl,  Holzhusen,  Ober  Irlenbach  und  Nidder  Irlenbach. 
Den  Ansprüchen  des  obersten  Waldpotten  entgegen  liessen  die  Mär- 
ker durch  ihren  Redner  vortragen  dass  seit  20,  SO,  40  Jahren,  auch 
seit  Menschengedenken  nicht  vorgekommen  dass  ein  oberster  Wald- 
pott  ein  Merkermeister  hätt  mit  helfen  kiesen,  sondern  der  gemein 
Merker  habe  den  Melkermeister  gekoren,  dem  obersten  Waldpotten 
die  Wahl  angezeigt  und  gebeten  den  gewählten  zu  bestätigen  und 
in  Kid  zu  nehmen.  Ebenso  hat  der  Graf  Philips,  Herr  zu  Sulmbs, 
in  eigner  Person  Graf  Ludwigen  fleissig  erinnert,  dass  dergleichen 
Wahl  nie  vorgenommen  wäre  worden,  weder  zu  Zeiten  der  Hanaui- 
schen Herrn,  als  der  Zeit  einigen  Herrn  dieser  Gemark,  noch  vol- 
gends  bei  dem  landgraven  zu  Hessen,  noch  volgends  bei  andern 
Herrn  und  wieder  bei  dem  lantgraven  zu  Hessen  der  Wahl  halben 
ein  Intrag  geschehen.  Graf  Ludwig  aber  hat  den  Buchstaben  des 
Instruments  (von  1493)  f urgezogen  „daß  ein  oberster  Waldpott  die 
Mark  mit  Rath  der  gemein  Märker  bestellen  soll,  dies  bringe  mit 
sich  dal*  er  als  ein  oberster  Waldpott  mit  zu  kiesen  habe".  Es  wurde 
gegen  diesen  Grund  angegeben :  der  Gebrauch  solcher  Wahl  sei  älter 
als  das  Instrument,  welches  erst  48  Jahr  alt  sei.  Graf  Ludwig  erwi- 
derte: dieweil.es  zeuge  solle  es  billig  in  seinem  Buchstab  gehalten 
werden.  Er  sei  ein  oberster  Waldpotte  und  dieser  Zeit  der  Gemark 
Pfandherr,  müsse  das  Instrument  in  seinem  Buchstaben  handhaben. 
Da  hat  der  Amtmann  zu  Königstein  die  Dörfler  getrennt  und  die 
von  Seulberg  und  Köppern  beredt,  bei  dem  Instrument  zu  bleiben. 
Darauf  ist  Graf  Ludwig  zu  ihnen  geritten,  gesagt,  er  lass  ihnen  den 
Amtinan  Fleckenburg  zu,  wo  sie  mit  ihm  zufrieden  wären,  wollten 
sich  mit  einander  einigen.  Das  mag  auf  den  Lantman  Eindruck  ge- 
macht haben,  er  hat  sieb  „solchen  Vorschlag  gefallen  lassen,  one 
Erwegen  ja  gesagt".  Graf  Philips  von  Sulmbs,  sammt  Grafen  An- 
toni  und  den  Abgeschickten  von  Frankfurt  „so  diese  listige  Wahl 
vermerkt"  haben  nochmals  gebeten  den  gemein  Merker  allein  kiesen 
zu  lassen,  diesen  auf  den  Vortheil  der  Wahl  erinnert,  welchen  sie, 
als  die  unverständigen,  nicht  gemerkt  noch  verstanden  hätten.  Der 
Waldpott  malmte  man  möge  es  jetzt  bei  geschehener  Wahl  bis  zu 
künftigem  Merkergeding  bleiben  lassen.  Isenburg  und  Sulmbs  da- 
gegen warnten:  einmal  nachgelassen,  wäre  immer  nachgelassen,  hülfe 
keine  Protest&tion,  der  gemein  Merker  wolle  bei  altem  Herkommen 
bleiben.  Allein  die  Gemerker  Seulburg  und  Koppern  sind  abgefallen, 
sonderlich  die  jüngsten  unter  ihnen  schrieen:  „sie  wollten  bei  dem 
Instrument  bleiben*.   Bei  der  Abstimmung  traten  sie  auf  die  andere 

Seite;  sie  waren  die  Minderheit   Die  andern  begehrten,  dass  Graf 

22  • 


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-    340  - 


Ludwig  bei  dem  Mennig  (Mehrheit)  der  Wahl  bleiben  soll.  Dess  sich 
der  geweigert:  „es  wolle  ihm  als  einem  Pantherrn  nit  gebüren  des 
landgraven  Angehörige  aus  ihren  Gerechtigkeiten  zu  bringen,  solches 
wüsste  er  gegen  den  landgraven  nit  zu  verantworten;  er  wolle  es  an 
den  landgraven  gelangen  lassen8. 

Dass  die  Mark  nicht  gar  unbestellt  bliebe  haben  Sohns,  Ysen- 
burg  und  Frankfurt  darauf  sich  mit  dem  Waldpotten  verglichen, 
dass  die  Forstknecht  so  von  gemein  Märker  zu  Mitfasten  gewählt 
worden  bis  zu  nächster  Bestellung  bestätigt  sein  sollen.  Nach  dem 
Mittagsmahl  in  Ober-Erlenbach  haben  dann  die  gedachten  Herrschaf- 
ten für  gut  befunden  keinen  weiteren  Tag  mehr  zu  verlangen,  son- 
dern ihre  Unterthanen  bei  ihren  Gerechtigkeiten  bleiben  zu  lassen, 
oder  das  Recht  auch  am  kaiserlichen  Kammergericht  desshalb  ge- 
wärtig zu  sein.  Es  fand  in  demselben  Jahre  1541  noch  ein  zweites 
Märkerding  statt  „vermög  der  Tagsatzung  jüngst  in  Frankfurt  be- 
scheen";  der  Waldpott  weigerte  sich  Johann  Fleckenberg,  den  Amt- 
man  zu  Peterweil  als  Märkermeister  zu  bestätigen.  Die  andern  Herr- 
schaften wandten  ein,  dass  der  Buchstab  des  Instruments  nit  ex- 
presse  mitbring  dass  ein  Walpott  mitzuwählen  habe,  dagegen  von 
altem  Herkommen  sei,  dass  die  Märker  den  Märkermeister  unter  sich 
wählen  auf  Bestätigung  des  Walpoten.  Dieser  aber  schlug  es  ab, 
Seulberg  und  Koppern  hätten  das  Herkommen  nit  zugestanden,  er 
wolle  solches  an  Hessen  gelangen  lassen.  Erst  fünf  Jahre  später, 
1546,  erschien  Diether  Gewend  auf  begehren  des  Ausschusses  der 
gemein  Märker  bei  ihnen  zu  Ober  Erlenbach,  beredt  sich  mit  ihnen 
einer  Ordnung  und  hat  sich  verglichen.  Des  Merkermeisters  halben 
ist  bewilligt  ein  Jahr  lang  Johann  Fleck enpühell  (Fleckenberg)  mit 
Eidespflichten  anzunehmen  und  zu  bestätigen  durch  Verordnete  des 
Waldpotten. 

Vielleicht  waren  es  die  obschwebenden  Verhandlungen  in  der 
flohen  Mark,  welche  Diether  Gewend  bewogen  fttr's  erste  in  der 
Seulb.  Erlenbacher  Mark  sich  nachgiebig  finden  zu  lassen.  In 
späteren  Jahren  wurde  die  Wahl  der  Märkermeister  in  den  vorbera- 
thenden  Ausschussversammlungen  vereinbart  Im  Jahre  1588  heisst 
es:  Markmeister  anlangend  ist  gemeiner  Ausschuss  bedacht  schierst 
künftigen  Sonntag  Lätare  auf  dem  Markgeding  auf's  neue  einmttthig- 
lich  zu  bitten  den  Edlen  und  Vesten  Friedrichen  von  Doebschütz 
uf  schadenwalt,  Ysenburgischen  Amptman  zu  Petterweil,  und  den 
Ehrenhaften  Wolffhard  Falkenstein,  königsteinschen  Schultheiss  zu 
Obern  Erlenbach  ihr  Amt  noch  ein  Jahr  lang  zu  tragen,  .  .  .  „darin 
obersten  W'altpotten  Anwaldt  bewilliget  und  mit  denen  bißanhero 


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—    341  - 


und  auch  noch  ganz  wol  zufrieden  gewesen".  Ebenso  wird  bemerkt 
im  Jahre  1590  dass  der  Gemeindeausschuss  sich  bedacht  am  künftigen 
Mitfaaten  Sonntage  gen.  Laetare  auf  dem  Markgedinge  nnd  gewöhn- 
licher Wahlstadt  einmuhetlich  zu  bitten  die  Edlen  .  .  F.  von  Döb- 
schütz und  Rud.  Armbrostertl  das  Markermeister  Amt  noch  ein  Jahr 
anzunehmen,  .  „in  welchen  Vorschlag  Obersten  Herrn  Waldtpottens 
Anwalde  bewilliget  und  mit  denen  beiden  Personen  ganz  wol  zufrie- 
den und  content  ist8;  dann  heisst  es  gleich  weiter:  „sind  hieruff  er- 
petten  und  für  dem  Urabstande  zue  Mergkermcistern  confirmirt  und 
bestätiget  worden8.  In  ähnlicher  Weise  sind  im  darauf  folgenden 
Jahre  1591  Anthon  Zubrot,  Sollms  Laupachischer  Kellner  zu  Petter- 
weil und  Theobald  Schefer  zu  Nieder  Erlenbach  einmüthiglich 
erwählet,  der  Vorschlag  vom  Anwalde  bewilligot  worden,  und  1503 
war  der  Ausschuss  bedacht  mit  Zutliun  der  sämmtlichen  Märker 
auf's  freunds  und  dienstlichst  zu  bitten  die  Ehrenhafte  und  vornehme 
Wolffnardt  Falck enstein  und  Simon  Praun,  beide  Schultheissen  zu 
Ober  Erlen pach  und  Seulberg,  welches  bewilliget  worden. 

In  den  Berichten  der  Hohen  Mark  ist  nicht  immer  der  Bestäti- 
gung gedacht,  zuweilen  ist  nur  die  Wahl  angeführt;  so  im  Jahre  1521 
als  Eberhardt  Schenk  der  Amtman  von  Bonamesa  von  E.  Erb.  Raths 
wegen,  dann  Conrad  Weiss  und  Job.  Marsteller  „sammt  etlichen 
Knechten8  auf  dem  Märkergeding  erschienen.  Eberhardt  Schenk 
sammt  dem  Bereiter  zu  Königstein,  beide  Märkermeister  haben  be- 
gehrt „sich  und  ihre  jedem  insonder  des  Märkermeister  Amtes  zu 
erlassen"  und  an  ihr  stell  andere  zu  erwählon.  Darauf  ist  der  gemein 
Märker  oder  lantman  durch  kurtzen  Bedacht  dem  Amptman  und 
Bereiter  in  Antwort  begegnet;  „sie  bitten  sie  dafür  und  haben  sie 
auch  wider  herwählet;  das  dann  die  zween  widerumb  angenommen". 
Aber  auch  hier  kommen  in  späteren  Jahren  Beispiele  vor,  dass  trotz 
der  Vorschrift  des  Instruments,  der  Waldpott  oder  sein  Beamter  die 
Bestätigung  verweigerte.  Es  fand  dies  bereits  im  Jahre  1595  statt. 
Dr.  Strupig,  des  Waldpotten  Gesandter  zeigt  aut  der  Au  in  Homburg 
an,  daas  auf  jüngstem  Markerding  Philips  Wolff  von  Praunheim  und 
Wendell  Hoff  von  Ursell  seien  einstimmig  zu  Markermeistern  erwählt 
worden.  Ersteren  wolle  er  hiermit  einsetzen  und  bestetigen,  „denn  es 
Ihr  f.  Gn.  fast  wohl  gefallen,  dass  er,  der  Junker,  durch  gemeinen 
Rath  der  Märker  were  zum  Märkermeister  erwählet  worden.  Was 
aber  Wendell  Hoff  betreffe,  nehme  es  Ihre  f.  Gn.  Wunder  wie  sie 
diesen  einhellig  erwehlet,  da  er  doch  nicht  der  sämmtlichen  Märker, 
sondern  seinen  und  seiner  Mitbürger  Vortheil  suchte";  desswegen 
solle  er  diesmal  nicht  bestätigt  werden,  sondern  seines  Dienstes  hier- 


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mit  beurlaubt  sein,  bis  auf  künftigen  Bartholom«,  da  es  dann  den 
Märkem  frei  gestellt  sein  solle,  ihn  beizubehalten  oder  einen  andern 
zu  wählen.  Herr  Philips  Wolff  thäte  sich  darauf  ganz  freundlich  be- 
danken, dass  mau  ihn  dessfalls  würdig  und  gut  genugsam  geachtet, 
wandte  seines  Leibes  Schwachheit  vor.  Darauf  ging  der  Dr.  Strupig 
nicht  ein,  „er  habe  Befehl  den  Jungkern  von  Pfraunheim  zum  Mär- 
kerraeister  zu  bestätigen".  Wendell  Hoff  thet  sich  gleichfalls  ganz 
freundlich  bedanken,  bemerkte  er  wolle  gar  nicht  der  Rechtfertigung 
halber  für  partheiisch  gehalten  sein,  er  habe  es  allwege  mit  sämmt- 
liehen  Märkcrn  gehalten,  und  wolle  es  fUrters  so  halten.  Sie  möch- 
ten sehen  ob  sie  ihre  einhellige  Wahl  wollten  lassen  untergehen  und 
zu  nichte  werden,  es  gäbe  dies  ein  sonderliches  praejudicium,  als  ob 
man  die  Märkermeister  fllrschneiden  wollte.  —  Mglb.  E.  29.  III. 
S.  152.  ff. 

Wie  der  Bürgermeister  in  der  Burg  und  in  den  Qtädten,  so  der 
Märkermeister  in  der  Mark.  Er  vertrat,  soweit  und  wann  es  nöthig 
war,  die  Gesammtheit  der  Märker,  er  Überwachte  die  Mark  und 
ihre  Beamten.  Als  auf  dem  Märkerding  von  1541  Diether  Gewend 
sich  auf  die  neue  Ordnung  des  Jahres  1537  berief,  nach  welcher 
Ordnung  Rechenmeister  zu  wählen  seien,  welche  Macht  hätten  zu 
erlauben  und  zu  verbieten,  gestanden  die  Edelleute  keine  neue  Ord- 
nung zu,  dieselbe  sei  nit  weiter  denn  desselben  Jahres  zu  halten  ver- 
standen worden.  „Wir  wissen  im  Instrument  kein  Rechenmeister 
vermelt,  sondern  Merkermeister  die  Uber  die  Mark  bevelh  hätten". 
Mglb.  E.  29.  IP>  S.  112.  Die  Märkermeister  hatten  Markknecht  und 
Förster  mit  der  lantleute  Rath  zu  kiesen  M,  zu  eidigen  und  der  Mark 
geloben  zu  lassen;  sie  konnten  pfänden,  sie  hatten  die  Bussgelder 
einzunehmen,  sie  hatten  das  Holz  anzuweisen.  Wo  es  nöthig  war 
hatten  sie  ihre  Verrichtung  gemeinsam  mit  dem  Schultheissen  zu 
vollführen,  Armenzettel  sollen  von  dem  Schult!) eis«  den  Märker- 
meistern  übergeben  werden;  es  sollen  Märkermeister  und  Schultheissen 
zusammen  in  den  Markflecken  umgehen,  zu  sehen,  damit  die  ge- 
machte Bau  in  Vesten  und  Besserung  gehalten  werden;  Bauholz  zu 
alten  Bauen  soll  nach  unvermeidlicher  Nothdurft  von  Schultheiasen 
und  Burgermeistern  bescheinigt,  von  den  Märkermeistern  aber  er- 
laubt werden;  erstere  werden  verwarnet  mit  ihren  Siegelungen  nicht 
zu  betrügen,  letztere  aber  angewiesen  ein  fleissiges  Insehen  auf  der 
Schultheissen  und  Bürgermeister  Erkanntnüsse  zu  haben  „damit  sie 
von  denen  nicht  fallirt  werden11. 


39  So  1438  vergl.  Mglb.  E.  II.  8.  9fr.  V 


—    343  — 

Nach  der  Seulberg -Erlenbacher  Mark  Ordnung  von  1588  hatten 
die  Märkermeister  nnr  fl.  3  jährlich  Belohnung,  aber  sie  sollten  den 
halben  Theil  der  Bussen  haben.  In  der  Hohen  Mark  waren  die 
Bussen  zum  Theil  ganz  den  Märkermeistern  zugewiesen,  zum  Theil 
aber  auch  den  Förstern  oder  dem  Waldpotten.  Als  im  Jahre  1458 
die  Lehensherrn  wegen  des  Ausbleibens  gebüsst  werden  sollten,  be- 
merkte Bechtold  von  Eschpach  :  die  Bussen  hörten  dem  Markermeister 
zu,  und  wär  von  altem  Herkommen  dass  davon  Niemand  frei  wäre, 
so  hätte  die  Bussen  auch  Niemand  zu  erlassen.  Im  Jahr  1490  als 
Erwin  Dogel  den  Märkern  das  Märkermeisteramt  aufgesagt,  erinnert 
er  an  etliche  Kappun  und  Streng  so  dem  Märkermeister  in  seinem 
Amt  gefallen:  und  es  haben  die  Märker  den  Schützen  befohlen  die 
Bussen  in  14  Tagen  auszurichten,  sonst  zu  pfänden. 

Die  Märkermeister  standen  wie  die  andern  Märker  unter  dem 
Gesetz,  sie  waren  über  die  Ausübung  ihrer  Befugnisse,  besonders 
über  dio  eingenommenen  Bussen  Rechenschaft  vor  dem  Ausschuss 
abzulegen  verpflichtet  Zur  Zeit  der  Neuerungen  im  Jahre  1545 
wurde  ausdrücklich  erinnert  und  festgehalten,  so  ein  Märkermeister 
verbreche,  dass  er  gleich  einem  andern  Märker  taidingen  und  bttasen 
solle,  und  das  Theil  so  er  an  gemeinen  Bu essen  habe,  damit  auch 
verwirkt,  darzu  er  seines  Amts  entsetzt  sein,  und  kein  Lantman  sich 
des  Märkeruicistcrs  Verbrechen  be helfen  solle.  Früher  schon,  im 
Jahre  1492,  fand  eine  Verhandlung  desshalb  statt,  (s.  Mglb.  E.  29. 
II*  S.  36  b)  AU  die  Märkermeister  ihre  Zettel  von  den  Bügen  vor- 
lasen, also  hat  Guthcim  in  seinem  Zettel  mit  sammt  andern  gerüget 
Jorgen  Brendel  den  Märkermeister.  Hat  J.  Brendel  sich  verantwort 
es  möge  sein  Knecht  Holz  im  Walde  geholet  haben,  vermeine  das 
billig  gethan  als  ein  Märkermeister,  wo  er  das  verbQssen  solle  möge 
man  ihm  sagen  von  wem  er  Orlaup  heischen  solle,  denn  er  könnte 
es  nit  anders  verstehen,  denn  dass  die  Büge  geschee  aus  Feintschaft ; 
es  hab  der  knecht  andere,  die  er  billiger  rügen  solle,  nit  gerüget, 
sondern  von  eym  theil  geschenk  genommen  und  in's  Holz  fahren 
lassen.  Darnach  aufgefordert  Märkermeister  zu  kiesen  hat  der  Lant- 
man gesaget,  es  befremde  sie  dass  man  dem  knecht  als  einem  ge- 
schwornen  knecht  nicht  glauben  gäb,  und  gedenke  die  Mark  nit  zu 
bestellen,  es  sei  denn  dass  der  Märkermeister  btiss,  oder  sie  wollten 
auch  nit  büssen  nach  lüde  des  Instruments:  so  der  Oberst  Waldpott 
oder  die  seinen  in  der  Mark  verbrechen,  sei  ihnen  die  Mark  auch 
aufgethan.  Haben  sich  die  Geschickten  bedacht,  und  von  keinem  nit 
erfahren  mögen  dass  ein  Märkermeister  je  gerüget  sei  worden;  es 
beklagt  sich  der  Lantman  dass  die  Märkermeister  die  Bussen  nit  von 


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—    344  — 


den  Gewaltigen  sondern  allein  von  den  Annen  nehmen.  Am  Ende 
heisst  es,  man  wolle  Jörgen  Brendeln  itzund  die  Rüge  nachlassen 
„doch  so  ferre  er  sich  freuntlich  gegen  die,  so  verbrochen  haben  hal- 
ten wolle". 

Mark  er  ding.  —  Es  bleibt  nun  noch  übrig  einiges  über  die 
Versammlungen  der  Märker  zu  sagen,  und  über  die  Art  und  Weise 
wie  sie  das  Recht  in  der  Mark  übten  und  wiesen. 

In  der  Hohen  Mark  fanden  die  regelmässig  wiederkehrenden 
Versammlungen  der  Märker,  in  welchen  die  Mark  zu  bestellen,  Mär- 
kermeister  zu  wählen  waren  am  St.  Katharinentag  (25.  Nov.)  statt, 
auf  der  Aue  unter  den  Linden  südlich  vor  Oberursel.  Es  erschien 
auf  solchen  Tagen  derLantman  und  Märker  zwar  „für  sich"  aber  er 
stimmte  nur  nach  Dorfschaften.  Die  Mehrheit  der  Stimmen  gab  den 
Ausschlag,  sowohl  innerhalb  der  Gemeinde,  als  unter  den  Dorfschaften. 
Welcher  Märker  bei  dem  gewöhnlichen  Märkerding  ausgeblieben  der 
hatte  mehr  nicht,  als  seine  Küre  verloren  j  dies  galt  ebenso  von  dem 
Einzelnen,  wie  von  der  Ortschaft.  Im  Jahre  1484  wurde  der  feste, 
unberufene  Märkertag  deB  häufigen  Frostes  wegen  vom  St  Katharinen- 
tag auf  den  Mitwoch  nach  Pfingsten  verlegt. 

Die  Bezeichnung  für  diese  Versammlung  war :  Merkerding  oder 
Märkerding,  später  Märkergeding  oder  selbst  Märkergedingtag;  einige- 
mal findet  sich  auch :  Märkergericht    Mglb.  E.  30.  II.  1489. 

Sie  begannen  in  der  Regel  des  Morgens,  so  z.  B.  im  Jahre  1484 
waren  die  Märker  auf  9  Uhr  berufen;  als  in  späteren  Jahren  der 
Besuch  lässiger  war,  wurde  die  Mittagsstunde  festgestellt,  bis  zu 
welcher  die  Eröffnung  des  Tages  statthaben  sollte  *°. 

Es  traten  die  Märker  zu  einem  Kreis  zusammen,  ..zu  einem 
Rink",  in  welchem  die  Abgeschickten  des  Waldpotten  und  der 
Obrigkeiten,  sowie  die  Mäikermeister  und  Schultheissen  sich  befanden. 
So  forderte  der  Waldpott  oder  sein  Bevollmächtigter  den  Schreier 
auf  „die  Flecken  so  Merkorrecht  haben  zu  berufen''.  Darnach  wurde 
das  Märkerding  geheget41.    Dies  war  durchaus   nothwendig,  und 


*°  So  auch  wurde  in  der  Seulb.  Erlenbacher  etc.  Mark  i.  J.  1592  sab  33 
beschlossen,  dass  fürterhin  allen  Mitfasten  Sontage  deme  Instrument  nach  an  ge- 
wöhnlicher Wahlstat  das  Märkergediug  um  den  Schlag  12  Uhren  gehalten  wer- 
den solle  ,  zu  welcher  Stund  ein  jeder  Märker  bei  der  strafe  erscheinen  und 
dasselbige  Märkergeding  zieren  helfen  solle.  -tUUilmjf^ 

41  Es  findet  sich  dies  am  besten  beschrieben  in  dem  Weisthum  über 
Seulb.  Erlenbaeher  etc.  Märkerding  von  1493,  als  gegenwärtig  zu  Pferd  hielt 


-    345  - 

scheint  zur  Rechtsgültigkeit  der  Beschlüsse  erforderlich  gewesen  zu 
sein.  Auf  dem  stürmischen  Tag  von  1586  begann  das  Markerding 
mit  Beschwerden  der  Märker,  es  folgten  aufregende  und  beleidigende 
Verhandlungen.  Ganz  zuletzt  erst  heget  der  Keller  zu  Homburg 
das  Merckergeding  und  sind  dann  die  Rügen  verlesen  und  Märker- 
meister  gewählt  worden.  (Mglb.  £.  29.  III.  S.  125.)  Auf  dem  feier- 
lichen Märkerding  Mitwoch  nach  St  Margaretha  1484,  als  die  Märker 
versammlet  und  verhaufft  gewesen,  Hess  seine  Gn.  der  oberste  Wald- 
pott „an  seiner  Gnaden  statt  und  von  seiner  Gn.  wegen  das  Märker- 
ding hegenu,  und  als  das  gehegt  war  jeglichem  Flecken  rufen. 

Es  weiset  dies  hin  auf  die  Bestimmung  des  Märkerdings ,  neben 
der  eigentlichen  Bestellung  der  Mark  auch  Gericht  zu  halten,  oder 
besser  allgemein  gesprochen,  Recht  zu  weisen.  Ob  neue  Mitglieder 
der  Mark  an  solchen  Tagen  aufgenommen  oder  dem  Märkerding 
vorgestellet  worden,  darüber  findet  sich  in  den  Akten  nirgends  etwas; 
es  genügte  wol  die  Aufnahme  in  die  Gemeinde.  Das»  vor  dem 
Märkerding  Währschaft  gethan  wurde,  das  wird  aus  dem  Jahre 
1438  von  dem  Müller  zu  Eschersheim  erwähnt;  dieser  hatte  aber 
keine  Gemeinde  „iu  die  Mark  gehörig". 

Der  Waldpott  hatte  das  Recht  auch  ausser  der  Zeit  ein  beson- 
deres Märkerding  zu  berufen,  dazu  mussten  bei  Strafe  alle  Märker 
erscheinen  „mit  ihren  lehensherrn*.  Solche  Märkerdinge  waren  dess- 
halb  die  besuehteren,  sie  heissen  gewöhnlich  „ein  voll  Märkerding". 
Sie  waren  meist  nur  bestimmt  unerledigte  Streitigkeiten  zu  ordnen, 
oder  auch  Rechtsfragen  festzustellen  oder  zu  weisen.  Dem  gebotnen 
Märkerding  war  die  eigentliche  Bestellung  der  Mark  vorbehalten.  So 
wurde  im  Jahr  1401  feria  quarta  infra  octavas  pasche  dem  Amtman 
von  Hornburg,  als  er  verlangte  dass  gewiesen  werde :  „was  rechts 
eyn  oberster  walpodc  da  hette*,  geantwortet:  ein  Walpode  habe  auf 
St. Kathrinentag  die  Marg  zu  bestellen;  weiterhin  heisst  es  noch:  So 
mag  auch  ein  Walpodc  auf  denselben  tag  den  wiltpan  bestellen,  und 
wie  er  es  bestellet  also  soll  er  Ihn  auch  halten. 


der  Ersann  Georg  Msier  .  .  .  Anwalt  mit  vielen  andern  Herrn,  Edlen  und  Un- 
edlen, Dienern  und  Verwandten  und  sonderlich  des  gemeinen  lantmans,  hegt 
Erwin  Bogel,  der  Markenneister  auf  Geheiß  und  Befehl  das  Märkergeding,  er 
sagt  und  rufet  überlaut  mit  diesen  oder  dergleichen  Worten :  Von  wegen  meines 
gn.  Herrn  v.  Hanau  als  Oberherrn  und  Waldpotten  der  gemelten  Mark ,  der 
Homburg  mit  Ehren  und  Recht  inne  bat,  und  des  gemein  Märkers,  mit  aller 
Gewohnheit  hege  ich  dies  Märkergeding  und  Recht,  verbiet  damit  alle  Unrecht, 
Wort  und  Werk;  Fraget  ob  er  recht  geheget,  antworten  die  Mercker:  ja. 


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—  — - 

Es  finden  sich  m  den  älteren  Zeiten  durchaus  keine  Vorschriften 
wie  der  Marker  zu  erscheinen  habe.  Waffen  mit  Bich  zu  führen  war 
dem  Mürker  nicht  untersagt**,  auch  erschien  er  zuweilen  zu  Pferde. 
Von  dem  Mttrkerding  1524  Dienstag  St.  Lucas  wird  bemerkt:  „Auf 
soHchs  rucket  eyn  Mendlin  (Männlein)  von  Obern  Ursell  auf  eynem 
Pferd  herfür,  und  sagt  er  were  bescheiden  zu  redden*.  Bei  diesem 
Märkcrdmg  hielt  auch  der  Schultheis«  von  Bonemesa  nahe  dabei  zu 
Pferd.  Auf  dem  Märkerding  Mitwoch  nach  Pfingsten  1623  gab  der 
Jjantman  Antwort  durch  Henne  Urbern,  Schultbeissen  zu  ObernurseU, 
der  bei  Greßhana  von  Homburg  in  einer  gelben  Kappen  auf  einem  Pferd 
gehalten.  (Mglb,  E.  29.  II"  S.  73.  88.)  Auch  Hie  Abgeschickten  des 
Raths  zu  Frankfurt  erscheinen  gewöhnlich  zu  Pferd,  ja  sogar  „sammt 
etlichen  Knechten0.  (Mglb.  E.  29.  II''  S.  57.)  Auf  dem  Märkerding 
Samstag  nach  St.  Katharinentag  1458  meint  Simon  von  Hensheim, 
Schultheis  zu  Oberursel,  wer  nit  in  der  Mark  gesessen  oder  darin 
gegndet  wäre  der  solle  abtreten;  solches  ward  widerredt  ,,dann  alle- 
wege gewönlich  war  gewest,  daß  man  knechte  nachgeführt  hette", 
dabei  das  auch  blieb  **. 

Das  Märkerding  wie  wir  es  noeh  im  15.  Jahrhundert  finden, 
weist  uns  zurück  auf  die  alten  Zeiten,  da  die  Flur  von  dem  Wald 
noeh  nicht  getrennt  war,  da  den  versammelten  Markgenossen  die 
Souveränität  zustand  in  der  Nutzug  ihres  gemeinschaftlichen  Ver- 
mögens, des  Waldes  und  der  Weide,  ebenso  wie  In  Politik  und  Ge- 
setzgebung.    Mit  Recht  wird  geltend  gemacht,   dasB  im  ganzen 


«2  Auf  dein  Markerding  des  Jahrs  1464  greift  der  gewählte:  Märkermcistor 
Jacob  Wyderrette  „an  seine  Armbruste"  während  er  seinem  Gegner  Friedrich 
Clemme  beleidigende  Worte  zuruft  (Mglb.  E.  29.  llh.  S.  13  ff.) 

«  Auf  der  Landsgemeinde  von  Appenzell  Inncr-Rhoden,  welche  unter  den 
Schweizerischen  vielleicht  am  meisten  die  alte  Form  und  den  Geist  erhalten, 
wird  das  Ausschlicssen  der  Nichtburechtigten  nicht  streng  durchgeführt, 
so  lange  sie  nicht  etwa  stören.  Ks  ist  der  Tag  ein  Festtag  für  das  ganze  Volk. 
Jeder  Volljährige  erscheint  dabei  im  besten  Kleide,  er  trägt  seine  Wehr  bei  sich, 
einen  kurzen  Säbel  in  lederner  Scheide,  der  in  der  Regel  mit  dem  Regenschirm 
zusammengebunden  ist.  Es  ist  der  Stolz  des  freien  Mannes  dass  er  mit  seiner 
Wehr  auftreten  darf;  dies  selbst  auf  den  Landagemeinden  von  Appenzell  der 
äusseren  Rhoden.  Die  Wehr  ist  ein  Zeichen  der  Ehrenhaftigkeit.  Ehrlose  er- 
scheinen wehrlos.  Während  der  Dauer  der  Landsgemeinde  stehen  die  An- 
wesenden baarhaupt.  Frauen  und  Mädchen,  ebenfalls  festlich  gcachmockt, 
stehen  amber,  keineswegs  ängstlich  geschieden  von  den  Männern.  —  Ia  Betreff 
dsr  alten  Gebräuche  die  sich  in  Appenzell  erhalten,  e.  aneh  Osenbrttggen, 
cnltnrhistoriecbe  Bilder  ans  der  Schweis.  Lps.  1863.  .', 


-  347 


Gebiete  des  deutschen  Rechts  wir  jetzt  wol  nur  noch  in  den  Gebirgs- 
gegenden der  Schweiz  die  alte  grosse  Markgenossenschaft  in  lebendiger 
Wirksamkeit  finden  **.  Bis  in  dal  fünfzehnte  Jahrhundert  hatte  sich 
die  Hohe  Mark  ihre  alten  Befugnisse  gewahrt,  nicht  nur  in  Betreff 
der  Nutzung  und  Verwaltung  des  Wnldes,  sondern  auch  in  Betreff 
alles  desjenigen,  was  damit  in  Berührung  oder  Zusammenhang  stand, 
so  namentlich  in  Betreff  der  Jagd  auf  dem  gesammten  alten  Mark- 
boden. Die  Weisungen  der  Stärker  geben  uns  darüber  sicheren 
Aufschluse. 

Die  Weisungen.  —  Das  Weisen  des  Rechts  konnte  entweder 
einen  bestimmten,  vorliegenden  Fall  betroffen,  so  das  Aburtheilen 
über  Frevler,  oder  es  wurden  —  und  dies  wird  gewöhnlich  unter 
der  Bezeichnung  verstanden  —  im  allgemeinen  das  Recht  gewisser 
Personen  an  der  Mark  und  in  Beziehung  auf  die  Mark  ausgesprochen 
und  im  Einzelnen  festgestellt  Das  Bestrafen  der  Frevler  sollte  jedes- 
mal auf  dem  geboten  M&rkerding  goschchen,  auf  vorgängige  Anklage. 
Diese  wurde  entweder  vom  Märkcrmeister  und  den  Förstern  erhoben, 
oder  auch  von  irgend  einem  Märker.  Als  im  Jahre  1507  das  Mär- 
kerding bei  Ober- Erlen bach  geheget  worden,  wurde  den  Knechten 
der  Mark  befohlen  „au  rügen  das  sie  des  Jahrs  inne  den  Waiden 
gesehen  und  gebort  haben,  ein  Leumut  vor  ein  Leumnt,  und  ein 
Warheit  für  ein  Warheit".  Also  sind  etliche  gerüget  worden  nach 
Inhalt  eines  Zettels  „das  dem  Markermeister  überlieber t  wäret,  sie 
darnach  haben  au  straffen  und  zu  büßen". 

Anf  dem  Märkerding  der  Hohen  Mark,  1521,  hat  der  Märker- 
meister  drei  zettel  darin  der  rugbaren  Personen  Namen  angezeigt 
waren,  verlesen  lassen.  Darauf  haben  die  Nieder-Erlenbacher,  näm- 
lich Volcsen  Henne  Wendel  sammt  andern  die  durch  den  Keller 
von  Homburg  wider  alt  Herkommen  gestraft  worden,  dem  gemein 
lantman  solichs  klagweis  fürgebracht:  er  habe  das  Holz  genommen, 
und  von  einem  Wagen  einen  halben  Gulden  dazu,  welches  wider 
alt  Herkommen  auch  nie  noch  besehenen  gehört  were,  die  weil  die 
Straf  dem  lantman  und  nit  dem  Keller  zustünde;  mit  der  Bitt  „der 
Erbar  lantman  sollt  aolliche  Straf  onbilHg  besehenem,  und  dass  Inen 
ir  abgenommen  gelt  durch  den  Keller  obgen.  billig  wiedergegeben 
werden  sollt,  erachten  und  erkennen";  also  nach  Redde  und  Wider- 


44  Frtedr.  Wyss,  die  Schweizerischen  Landsgemeinden,  in  Zeitschr.  für 
Schweizerisches  Recht  I.  1.  S.  6<*.  zu  vergl.  J.  J.  Blomcr,  Staats-  u.  R.-Gesch. 
der  Schw.  Demoer.  II.  Bd.  cap.  III.  8.  1».  348. 


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-    348  - 

redde  hat  der  lantman  gebilligt  und  erkannt:  Wo  auf  nächst  gehalt- 
nem  Märkerding  anno  etc.  20  durch  den  gem.  Lantman  mt  gewilligt 
sei,  dass  der  Keller  au  Homburg  bis  auf  dies  itzig  Märkerding  stra- 
fen möge,  so  hab  der  Keller  solche  Straf  onbillig  und  widder  alt 
Herkommen  genommen,  und  solle  die  wider  herausgeben  und  den 
Gestraften  behanden,  und  die  von  Nidern  Erlebach  die  Straf  wie 
von  Alter  herkommen  vertaidingen. 

Auf  Mitwoch  nach  3  Königstag,  8.  Jan.  1522  zeigt  der  Keller 
auf  der  Au  vor  Ursel  an,  wie  die  Forstmeister  noth  bedünke,  dieweil 
der  Wald  merklich  beschädigt  werde,  dass  man  ein  Poen  darauf 
setze,  welcher  im  Wald  zwischen  dem  nächsten  Märkergeding  Holz 
hiebe,  dass  ein  Jeder  aus  der  Mark  so  einen  solchen  betrete,  Macht 
habe,  dem  ein  Pferd  auszuspannen  oder  das  Geschier  zu  nehmen, 
und  um  ein  Gulden  zu  pfänden.  Der  Pfender  sollt  schuldig  sein  aut 
dem  gemein  Märkergedingtag  bei  seinen  Eyden  anzusagen  und  zu 
rügen;  und  dass  man  in  eilen  Dorfen  mit  einer  läutenden  Glocken 
den  gem.  Märkern  verkünden  soll  den  Wald  bei  Poen  nit  zu  beschä- 
digen, dazu  aus  jedem  Dorf  2  Personen  gen  Homburg  zu  schicken, 
solliche  Ding  zu  beschliessen  Der  lantman  war  damals  der  Meinung 
dass  es  gut  sei  den  Wald  zu  schützen ;  aber  mit  dem  Tag  so  in  Hom- 
burg sein  sollt,  wäre  ihr  bedünken  es  wäre  besser  dass  der  gemein 
lantman  dabei  wäre.  Desshaib  ist  ein  ander  Märkerding  angesetzt 
worden.   Mglb.  E.  29.  U\  S.  60  ff. 

Es  ist  merkwürdig  wie  sehr  das  weisen  der  Rechte  selbst  im 
15.  Jahrhundert  noch  üblich  und  nöthig  war.  Dass  gerade  der  Wal- 
pott sich  damals  noch  seine  Rechte  und  Herrlichkeiten  weisen  lies», 
zeigt  wie  wenig  fest  und  klar  begrenzt  diese  Rechte  waren,  dann 
aber  auch  welches  Gewicht  damals  noch  in  dem  Brauch  und  in  dem 
Ausspruch  des  gemein  Märkers  lag.  Die  älteste  Urkunde  welche  in 
den  Akten  über  die  Hohe  Mark  sich  vorfindet,  der  Bericht  über  das 
Märkerding  von  1401  feria  quarta  infra  octavas  pasche  beginnt  da- 
mit dass  der  Pfand  -  Inhaber  von  Homburg  bei  dem  M&rkermeister 
anfragt,  ob  der  Märker  ihn,  Hennen  Brendeln  für  einen  obersten 
Waldboten  erkenne,  wie  das  auch  vorher  zu  zweien  malen  vor  ihm 
geweiset  wäre.  Der  Gefragte  antwortete:  Weisete  ihm  der  lantman 
ichtes  (etwas)  so  wollt  er  gorne  es  sagen,  weiseten  sie  ihm  aber 
nicht«  so  sage  er  ihm  auch  nichts.  Es  erfolgt  darnach  die  einmuthige 
Weisung  der  Märker.  Weiter  fragte  der  Stellvertreter  des  Waldpot- 
ten,  es  wären  Ausmärker  betreten  worden  und  hätten  verbrochen; 
sie  seien  „den  Förstern  entwältiget"  worden  von  den  von  Oberursel, 
dahin  sie  kamen,  was  des  Walpoden  Rechts  darum  sei?  Aueweichend 


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-    349  — 

war  die  Antwort:  Sie  haben  vor  dem  Walpoden  »ein  recht  geweiset, 
habe  ihn  jemand  daran  gehindert,  das  möge  er  fordern. 

Im  Jahre  1445  auf  Mitwoch  nach  St.  Margerethen  war  der 
Edle  Jnngherr  Gotfrid  von  Eppenstein  bei  Ursel  auf  der  Aue,  lies» 
ihm  da  weisen  sein  Recht  und  Herrlichkeit  über  die  Mark ,  und  die 
gemein  Märker  eine  Reihe  von  Artikeln  fragen.  Es  Hegt  den  Akten 
—  Mglb.  E.  29. 11''.  6.9.10.  —  ein  solcher  „Zeddel*  bei,  das  Papier 
gebrochen,  auf  der  einen  Seite  die  Frage,  die  andere  leer  fcir  die 
Antwort.  Diese  findet  sich  aber  erst  später  S.  18.  17.  auf  andern, 
ähnlichen  Zetteln.  Die  ersten  Artikel  betreffen  den  Wiltpant:  „Wie 
ferre  und  wie  weit  sein  Wiltpant  ginge*?  Die  Antwort  lautet  wie 
bereits  angeführt:  „Sein  Wiltpant  gehe  nit  weiter,  dann  er  sein 
Hecken  anbinde  in  der  Mark.  Jegete  er  aber  Hirze  oder  hynde  uU 
den  Hecken  und  folgete  yn  nach,  gonden  ihm  das  die  merker,  doch 
wüssten  sie  nit  ob  ins  recht  wereu.  Dann  wird  gefragt :  „wenn  s. 
Gnaden  den  Wiltpant  verbode,  und  wer  das  bräche,  was  der  darum 
verloren  hätte".  Hier  ist  beigemerkt  „uff  den  Artikel  ist  nichts  ge- 
sagt". Der  3,c  Artikel  fragt:  „Wenn  die  geschworen  knecht  oder 
sonst  Merk  er,  Ausmerker  die  geschadiget,  einführen  wollen,  und 
sprächen  ingesessen  Merker  um  Hülfe  an,  wenn  die  Merker  das  nit 
thäten,  was  sie  verbrochen  hätten".  Die  Antwort  lautet:  „Der  sollt 
der  Mark  verscholden  sein,  oder  sollte  dem  Herrn  den  Man  antwor- 
ten, die  Pferde  dem  lantman,  die  Wagen  und  sieler  dem  Furster0. 
Im  4.  Artikel  ist  weiter  gefraget:  „Wenn  die  geschwornen  knechte 
einen  rügen,  und  der  das  leugnen  wollte,  welcher  Parthei  man  dann 
glauben  sollte"?  Darauf  ist  gesagt:  sind  es  geschworne  knechte,  so 
sollte  man  ihnen  glauben,  es  wäre  denn  dass  die  Widderparthei  bes- 
sere kundschaft  hätte.  Der  Art.  5  fragt:  „Wenn  ein  Merkermeister 
uff  St  Cathar.  tag  gekoren  würde,  und  kein  Merkermeister  sein 
wollte,  wie  dann  der  Waltpott  die  Mark  bestellen  solte?"  Hieran 
heist  es:  „Uff  diesen  Artikel  ißt  nichts  gesagt".  Weiterhin  ist  gefragt: 
wie  ferre  man  uJ3merkern  nach  folgen  solle,  die  die  Mark  hinweg- 
tühren?  Auch  „uff  den  Artikel  ist  nit  gewiset,  da  etliche  sagen  bis 
an  den  Ryne,  aber  das  is  nit  bestandlich;  die  andern  Bagen  bis  mit- 
ten in  die  Nyde,  und  dies  bedilnket  sie  die  meiste  Menge". 

Es  scheint  dass  der  Waldpott  mit  diesen  Weisungen  sich  nicht 
zufrieden  gegeben,  denn  schon  auf  dem  Märkerding  1458  finden  wir 
dieselben  Fragen  zum  Theil  wieder  gestellt.  Als  gefraget  war,  zu 
wyßen  wie  weit  die  Mark  gehe,  drauf  besorgete  der  Lantman 
dass  die  Meinung  wäre  „so  man  wysete:  bis  mitten  in  die  Nidde,  so 
wollte  der  Walpode  sich  der  fischen  auch  unterziehen,  und  dannit  die 


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—    350  - 


Dorff«  das  verscheiden*;  wurde  geantwortet:  „daß  dem  lantman  wol 
Indenk  sei  daß  die  Frage  auch  mehr  gescheen  sei,  aber  sie  haben 
das  nie  gehört  wysen  und  darum b  so  sei  der  lantman  das  nit  be- 
dacht, und  wolle  das  hind  ihme  behalten  uf  das  nit  solch  wysungen 
mit  einem  genommen  und  dem  andern  gegeben,  und  einem  gegeben 
und  dem  andern  genommen  werde,  .  .  .  sondern  so  der  lantman  zu- 
sammen komme  zu  saut  Katharinen  tage  so  sei  er  dann  etwas  darauf 
bedacht". 

Als  unter  den  Märkern  Zwiespalt  über  die  Wahl  der  Märker- 
meister  sich  erhoben,  sollte  im  Jahre  1464  auf  Donnerstag  nach 
Kilian  hierüber  geweiset  werden.  Es  hatte  dahin  der  Edel  und  wol* 
geborn  Jungher  Godefrit  Herr  zu  Eppstein  seinen  Sohn  mit  den 
trefflichen  Räthen  gesandt.  Als  denDorffen  und  Hoffen,  als  gewöhn- 
lich war,  gerufen,  forderte  der  obgenante  Jungher  Gotfrit  durch  die 
Seinen  an  die  Edeln  und  andern  die  in  der  Mark  gegudet,  bei  ein- 
ander zu  gehen,  sich  zu  besprechen,  und  seiner Edelkeit  und  andern 
„deren  sich  der  gebürt  Ire  Herlichkeit  Gerechtigkeit  zu  wisenu.  Es 
schickten  sich  des  Raths  Freunde  bei  den  jungen  Herrn  von  Kppen- 
stein  und  erzählten,  nachdem  sein  Edelkeit  Vater  alle  Märker  hätte 
zu  ihm  verboten,  heute  herzukommen  und  seine  lehenherrn  mitzu- 
bringen, also  hätte  der  Rath  die  Ihren,  der  eine  gute  Menge  sei, 
die  da  Märker  seien,  daheim  heissen  bleiben,  nachdem  sie  mit 
Schäden  beladen  waren,  und  anderer  Sorglichkeit  halber.  Darzusein 
Edelkeit  det  antworten:  sein  Vater  hätte  sich  bishero  günstlich  und 
freundlich  gegen  den  Rath  und  denen  Ihren  erzeigt,  das  wolten  sie 
ihm  auch  thun.  Darauf  besprachen  sich  des  Raths  Freunde  mit  des 
Raths  arme  Leute  von  Bonamese,  Erlebach,  Hareheym  und  Calde- 
bach  *6  und  liessen  sie  ein  Schreiben  hören,  wie  vordem  gewest  wäre. 
Da  hatten  sie  alle  ein  gut  gefallen  darin,  und  sagten  es  wäre  auch 
also  geweiset  und  Herkommen.  Walther  von  Ryffenberg  kam  mit 
andern  Edeln  hiedersit  und  hynsit  der  Hoe,  erzählte  sie  hätten  sich 
mit  den  Ihren  besprochen  und  wäre  ihre  Meinung  dass  man  die 
Weisung  geschehen  lasse,  das  dan  des  Raths  Freunde  Meinung  auch 
war.  Also  begaben  sich  die  Solmsen,  die  Riffenbergischen  und  des 
Raths  Freunde  mit  allen  diesen  zu  Philips  von  Hatzstein  und  Bech- 
told  von  Espach  und  anderen  der  Königsteinsehen ^  fragten  die  was 
ihre  Meinung  wäre,  sagten  dabei  sie  liessen  die  Weisung  zugehen. 
Darzu  die  Köuigsteinschen  antworteten:  sie  liessen  es  auch  geschehen. 
   -  .  .i^i/ 

«*  Ueber  den  Wiederkauf  der  Dörfer  Harheim  and  Caldebach  dtfrcli 

stein  s.  Uglb.  E.  23.  Nr.  5.  ' « ijlf,  h 


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351  - 


Also  redete  Walther  von  Riffenberg  sie  hätten  einen  Zettel  wie  vor- 
mals auf  einem  gem.  Märkerding  geweiset  wäre,  des  Raths  zu  Frank- 
furt Freunde  hätten  auch  dies  schreiben,  desgleichen  hätten  sie 
gebilligt  Jass  man  der  eines  liess  verlesen  ohngeverlich.  Also  ward 
der  Zettel  des  von  Ryffemberg  gelesen,  der  „sich  des  Rats  schreiben 
baste  glichete".  Darauf  die  Königstein'schen  Bich  besprochen,  ant- 
worteten, sie  erkennten  dass  man  bisher  also  ge weist  hätte,  sagten, 
man  hätte  bisher  auch  geweist  das  nit  in  dem  Zettel  stünde,  oder 
möchte  billig  darinnen  stehen,  und  sie  hätten  Überhört  Man  hätte 
allerwege  auf  St.  Catharinentag  Märkermeister  gekoren,  und  welche 
„von  der  meinste  Minig  der  Dorffere  und  Hoffe  gekoren  waren  wor- 
den" dabei  wäre  es  blieben  und  hätte  allewege  ,.die  meinste  Menige 
Furgang  gehabt" ;  welche  Dörfer  und  Höfe  auf  die  Zeit  nit  dabei 
gewesen,  das  hätte  auf  die  Zeit  nit  mehr  denn  seine  kore  verloren. 
Daran  die  von  ßolmssen,  die  von  Ryffenberg  und  die  Frankfurt  sehen 
antworteten,  sie  Hessen  das  geschehen.  Es  verfügten  sich  darauf  die 
Märker  alle  zu  dem  jungen  Herrn  von  Eppenstein,  und  trug  Walther 
von  Ryffenberg  vor,  die  Mürker  hätten  sich  besprochen,  es  sei  ihnen 
ein  Zettel  gelesen  worden,  wie  die  Märker  vormals  geweiset,  sie 
auch  noch  wieseten,  bäte  Se.  Gnaden  den  zu  hören.  Nachdem  der 
Zettel  gelesen  bemerkte  der  junge  Herr  von  Eppenstein:  es  wären 
auf  St.  Catharinentag  etliche  zu  Märkermeister  gekoren,  die  hätteu 
noch  nit  Gehorsam  gethan  als  sich  gebürt,  begehrt  zu  wissen,  wsb 
die  Uesshalben  bussfällig  wären.  Darauf  mancherlei  Wechselrede,  die 
Märker  bringen  vor  dass  mehr  Märkermeister  gekoren  worden,  da 
dann  doch  nit  mehr  denn  zwei  sein  sollen.  Es  erhob  sich  Streit  über  den 
gewählten  Friedrich  Clemme  und  Jacob  Wyderrette.  Ersterer  sagt: 
Jacob  wär  nit  geboren  und  gut  genug  darzu  dass  er  Märkermeister 
sein  solle.  Darauf  Jacob  Wyderrette:  Er  wäre  besser  und  frommer 
denn  Clemme,  was  er  noch  verschrieben  und  versiegelt  hätte,  das 
hätte  er  frommeüch  gehalten ;  Clemme  hätte  das  nit  gethan.  Da  redete 
der  Schultheiss  von  Frankfurt  (der  von  Bonames?)  es  deuchte  ihn 
„zu  tunde  sein",  dass  man  die  Märkermeister  von  beiden  Seiten  abe- 
stelle  und  kore  itzud  zween  Märkermeister.  Die  Königstein'schen  und 
die  von  Ursel  antworteten:  die  sie  gewählt,  hätten  die  meisten  stim- 
men gehabt,  dächten  sie  nit  abezustellen  umb  nachfolgende  Menge 
(Stimmenmehrheit)  willen.  Da  wurde  von  den  Eppenstein'schen  deu 
Märkern  vorgehalten,  es  wäre  nur  um  */*  Jahr  noch  bis  zu  St.  Ka- 
tharinentag, sollten  die  Sachen  ruhen  lassen.  Das  wurd  also  aufge- 
nommen, und  schied  jederman  von  danuen.  —  (Mglb.  E.  29,  II  b. 
S.  13  ff.) 


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—    352  - 


Wieder  war  auf  St.  Vitatag  1484  ein  geraein  Märkerding  auf 
die  Aue  vor  Oberursel  berufen,  und  begehrte  Herr  Gottfrit  von 
Eppenstein,  der  persönlich  mit  seinen  Kathen  erchienen  war,  zu 
weisen  des  Walpoden  Herrlichkeit  und  der  Mark  recht.  Er  Hess 
einen  Zettel  verlesen  in  welchem  das  zu  weisende  recht  punctsweise 
verzeichnet  stand,  fragte  ob  der  Lantman  darauf  weisen  wolle?  Es 
wurde  nach  einem  Bedenken  geantwortet:  Es  wären  also  Verzeich- 
nungen und  Zettel  da  die  der  Lantman  gehört  hätte,  darauf  wollten 
9ie  weisen.  DerWalpode  aber  begehrt,  dass  der  Lantman  auf  die  ver- 
lesene Verzeichnung  sich  hören  lasse.  Es  wurde  durch  Arnoldt  von 
Holzhausen*6  Sr.  Gnaden  geantwortet:  der  Lantman  sei  noch  willig 
aus  den  alten  Verzeichnissen  oder  dass  man  ihm  der  Puncten  einen 
nach  dem  andern  anzeige,  mündlich  zu  weisen;  worauf  Sr.  Gnaden 
sich  mit  den  Käthen  besprochen  und  begehrt  dass  sie  nach  laute 
seines  verlesenen  Zettels  weisen  sollten,  oder  aber  dass  sie  bei  den 
Eiden  versichern  sollten,  diesmal  nicht  darauf  bedacht  zu  sein.  Die 
Märker  verlangen  durch  Arnold  von  Holzhausen  der  Zettel  Abschrift 
und  der  Ding  ein  uffzug,  sie  hinter  sich  an  seine  Herrschaft  zu 
bringen,  denn  der  gemein  Lantman  woll  auf  den  Eid  behalten,  er  sei 
diesmal  auf  die  verlesen  Zefael  zu  weisen  unbedacht  Demnach  wurde 
von  Sr.  Gnaden  ein  anderer  Tag,  Mitwoch  nach  St.  Margarethen 
auf  die  Au  zu  Ursell,  des  Morgens  um  9  Uhr,  angesetzt 

Mitwoch  nach  Peter  und  Paul  fand  eine  Besprechung  der  Herr- 
schaften und  anderer  in  der  Mark  gegudeter  Männer,  zwei  oder 
drei  der  ältesten  aus  jedem  Dorfe,  statt,  zu  Ursell  auf  dem  Iiathhaus. 
Zwei  alte  Weisunge  aus  anno  34  nnd  38  wurden  durch  die  Keiifen- 
bergischen  und  ein  Zettel  durch  die  Königstein'schen  vorgelegt,  und 
des  gemein  lantmanns  Meinung  gefragt  Diese  haben  gesagt  dass  sie 
nach  laut  der  verlesen  zwei  Zettel  weisen  wollten,  sich  darauf  un- 
terredt wer  die  Weisung  Sr.  Gnaden  thun  und  aussprechen  sollte  4T. 
Symon  von  Ursel  wurde  dazu  erbeten,  und  erklärte  sich  nach  einigem 
Bedenken  bereit,  dem  Lantman  zu  Gute  zu  thun  was  an  ihm  wäre. 
(Mglb.  E.  29.  II b.  S.  30.) 

Es  liegt  diesem  Berichte  ein  Zettel  bei,  mit  der  Aufschrift:  das 
sind  die  Puncte  der  Weisung  als  die  Königstein'schen  verzeichnet 
hatten: 

*•  Also  durch  einen  Abgeschickten  des  Frankfurter  Kalbs. 

*7  Bei  wiohtigen  Weisungen  haben  die  Mürker  immer  um  Zulassung  eines 
Redners  gebeten ;  ein  ruhiger,  verständiger,  wo  möglich  auch  angesehener  Mann 
wurde  dazu  bewogen.  Vielleicht  unrichtig  ist  daraus  der  Schluss  gezogen 
worden,  dass  dem  gem.  Manne  der  Muth  zu  reden  damals  schon  gefehlt. 


353 


Item  zum  ersten:  Wer  die  Mark  zu  bestellen  habe? 
„     wer  die  M&rkermeister  bestedigen  und  eidigen  soll? 
„     mit  dem  Ußrufen  von  dem  Schreier,  was  einer  verloren 
hätt  (der  nicht  erschienen  wäre)  und  wie  man  den  büßen? 
„     wer  den  Wiltpan  zu  bestellen  habe? 
„     von  Rügen  als  knecht  (Förster)  plegen  zu  rügen. 
„     obe  ein  ußraarker  schaden  thede. 
„     obe  ein  Inmärker  schaden  tede. 

„     Hulz  und  kolen  uU  der  Mark  zu  füren  und  wan  man  den 
begriff  etc. 

„     ob  ein  fol  merkerding  bescheident  wird,  waU  die  ußbliben, 
verloren. 

„  ob  ein  Inmerker  uff  der  Strassen  Hulz  hiche  (hiebe)  etc. 
d     ob  eckern  im  Walde  worden. 

„  obeVilwil  zu  derMarg  höre,  und  wie  el*  darzu  komen  sy. 
„     wie  ferre  die  Mark  gehe. 

„  ob  man  nit  alle  Zerung  zn  Hoemburg  tun  soll,  so  es  ein 
Hauptsloß  in  der  Mark  sy. 
Es  folgte  nun  das  merkwürdige,  feierliche  Märkerding  auf  Mit- 
wochen nächst  nach  St  Margarethen,  14.  Juli  1484,  auf  welchem 
der  Edel  Herr  Gottfried,  Herr  zu  Eppstein  mit  sämmtlichen  Amt- 
leuten  und  Rathen  erschien,  dem  Junker  Philips  von  Redeinheim, 
Rudolff  und  Bernhardt  Brendel  von  Homberg,  Gilbrecht  und  Hein- 
rich Rittesel,  endlich  Walther  Isenberg  seiner  Gnaden  Schreiber,  an 
einem  Theil;  andererseits  aber  der  Herrschaften  Solms,  Hanau  und 
Königstein  auch  der  Stadt  Frankfurt  und  der  Ritterschaft  von  Reif- 
fenberg  Amtleute,  Räthe  und  Sendbotten;  für  Solms  Philips  von 
Bicken,  Ritter  Krafft  von  Deckenbach  und  Jeckel,  Bereiter  zu  Re- 
delnheim;  für  Hanau  Heintz  Metzler,  Keller;  für  die  Herrschaft  zu 
Königstein,  Heinrich  von  Eppenstein,  Keller  zu  Butzbach,  Dietrich 
Geyseier,  und  Heinrich,  Bereiter  zu  Königstein;  für  Frankfurt  Jun- 
ker Jacob  von  Cronberg,  Amtman  zu  Bonemese,  Junker  Erwin 
Dögel ,  Amtman  zu  Erlebach  und  Junker  Walther  Schwartzenburger, 
Rathsman;  für  Reiffenberg  die  Junker  Philips  und  Marsilius,  der 
Jung,  von  Reiffenberg.  Endlich  erschienen  auf  der  Au  die  Märker- 
meister,  mit  ihnen  ein  gross  versammelte  Menge  Schultheissen,  Hüb- 
ner und  Landtman,  welche  Sr.  Gnaden  als  einem  Waldbotten,  sein 
Herrlichkeit  und  der  Mark  ihre  Hecht  und  Rüge  zu  weisen  vertagt, 
verbotten  und  also  versammlet  und  verhaufft  waren  48.   Die  Märker 


«»  Vergl.  Loraner*»  Chronik  I.  S.  465. 

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-    354  - 

erboten  sich  die  verlangte  Weisung  zu  thun,  doch  nicht  auf  ihre 
Eide,  da  ihnen  solch  Eide  zu  thun  gefährlich  wäre,  sie  in  vielen 
Jahren  eines  Waldbotten  Herrlichkeit,  der  Mark  Recht  und  Buge 
nicht  geweist,  und  der  Alten  die  das  melir  gesehen  und  gehört  hät- 
ten, gar  wenig  mehr  im  Leben  seien.  Es  ward  ihnen  darauf  ein  Eid 
gestabt  des  Inhalts,  dass  die  Weisung  die  sie  thun  wollten,  sie  von 
den  Alten  nicht  anders  gehört  hätten,  und  ihnen  anders  nicht  wis- 
sentlich wäre.  Sie  Hessen  durch  Heinrich  von  Eppenstein  eine  Ver- 
zettelung behändigen,  erboten  sich  durch  Simon  Bensheim,  wohnhaft 
zu  Ursel,  von  ihrer  allerwegen  mündlieh  auf  die  einzelnen  Puncte 
der  Verzettelung  zu  weisen.  Diese  Weisung  spricht  aus :  wem  die  Mark 
rechtlich  eigen  und  wer  darüber  ein  oberster  Herr  und  Waldpott  sei; 

wie  die  Mark  zu  bestellen,  und  die  Markordnung  einzu- 
halten sei; 

wie  insbesondere  es  mit  demWiltbann  zu  halten,  mit  dem  Heg- 
wald auf  den  Strassen  und  mit  der  neuen  Hege; 

wie  das  Verhältniss  zu  der  Ausmark  und  den  Ausmärkern  sei; 
wie  der  Eintrieb  in  die  Eckern  zu  geschehen  habe; 
wie  Frevel  zu  bestrafen  seien; 

wie  Märkerdinge  zu  halten,  Märkermeister  und  Förster  zu  er- 
wählen und  zu  verpflichten;  endlich  wie  Gericht  zu  halten  und  zur 
Noth  gepfendet  werden  solle. 

Hiernach  liess  der  Waldpott  den  Märkern  sagen,  dass  auch 
Noth  wäre  zu  weisen,  wo  die  Mark  aus-  und  anginge;  das  und  an- 
deres wolle  sein  Gnad,  nachdem  es  jetzt  spät  geworden  auf  diesmal 
beruhen  lassen  bis  auf  einen  andern  Märkerdingtag. 

Diese  Weisung  galt  von  nun  an  in  der  Hohen  Mark  als  geschriebenes 
Recht  Die  Märker  hielten  fest  daran,  sie  wollten  keinen  Buchstaben 
daran  ändern  lassen.  Der  Walpott  liess  ihnen  die  Buchstaben  und 
das  Papier,  wandte  und  drehte  aber  den  Inhalt  und  Geist  bis  sie 
nur  noch  ein  Hohn  waren  auf  die  ursprüngliche  Verfassung.  Beriefen 
sich  die  Märker  auf  ein  Herkommen,  so  erwiderte  er  dasB  davon  in 
dem  Instrument  nichts  stehe.  Die  Verhältnisse,  auf  welchen  das  In- 
strument beruhte,  änderten  sich  alle  mit  der  Zeit,  so  wurde  die 
Grundlage  des  geschriebenen  Rechtes  ebenso  wie  dies  selbst  mehr 
und  mehr  eine  hohle  Form.  Wol  wurden  noch  neue  Verordnungen 
gemacht,  aber  diese  betrafen,  soweit  sie  nicht  bestimmt  waren  die 
Macht  des  Waldpotten  zu  kräftigen ,  nur  Nebensachen,  Holztage,  Be- 
strafung oder  Bedrohung  der  Frevler,  u.  d.  m. 

Aus  diesem  Weisen  ersehen  wir  wie  darin  eine  lebendige  Quelle 
des  Rechts  gelegen,  wie  die  MarkgenoBsen  dabei  beständig  nicht  nur 


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auf  die  Erinnerung  sondern  auch  auf  ihr  Rechtsbewusstsein  zurück- 
gingen, wie  in  den  alteren  Zeiten  überhaupt  Herkommen  und  Gesetz 
mehr  noch  zusammenfielen49.  Erst  in  den  späteren  Jahrhunderten 
erhielt  das  geschriebene  vor  dem  im  blossen  Bewusstaein  des  Volkes 
ruhenden  Rechte  ein  entschiedenes  Uebergewicht  eingeräumt. 

Gränzbestiramung.  —  Wie  es  den  versammelten  Märkern 
zustand  das  Recht,  selbst  die  Herrlichkeit  des  obersten  Waldpotten 
zu  weisen,  ebenso  hatten  sie  auch  zu  bestimmen  wie  weit  die  Mark 
gehe  und  wer  dazu  gehöre.  Wegen  der  Gränzen  hatten  sie  sich 
theils  mit  den  benachbarten  Marken  zu  verständigen,  theils  mit  den 
Inhabern  der  geth eilten  Feldmark,  mit  den  Ortschaften  der  Mark 
selbst  Dies  geschah  auf  Umgängen  der  Mark  welche  bei  der  klein- 
eren Seulb.  Erlenbacher  Mark  oft  unmittelbar  von  den  Märker- 
dingen aus  unternommen  wurden.  Auf  den  Märkerdingen  ward  auch 
Uber  die  Berechtigung  zur  Mark,  Uber  den  Ausschluss  von  derselben 
und  über  das  Verhältniss  zu  der  Ausmark  erkannt  und  geweiset. 
Aus  dem  Jahre  1484  ist  angeführt  dass  unter  den  Puncten  auf  dem 
Zettel  der  Königsteinischen  auch  die  Frage  sich  befunden:  ob  Vilwil 
zu  der  Marg  höre,  und  wie  es  dazu  kommen  sei?  Diese  Frage  war 
eine  wol  begründete,  da  die  Nidda  Gränze  der  Hohen  Mark  war, 
Vilbel  aber  auf  beiden  Seiten  des  Flusses  liegt 

Auf  dem  Seulb.  Erlenbacher  Märkerding  von  1539  brachte  der 
Keller  Diether  Gewend  einen  handschriftlichen  Befehl  des  obersten 
Waldpotten  „uff  heut  dato  die  Mark  zu  umgehen".  Die  Märker  gaben 
Diethern  die  Antwort:  nachdem  sie  kein  Mangel  an  der  Gemark 
vermerkt  wäre  es  unnötbig  dieselbe  zu  umgehen.  Der  Keller  drohte 
mit  Ausschluss  von  der  Mark  und  Hess  auf  zwei  Seiten  treten  zur 
Abstimmung;  es  traten  aber  zu  ihm  nur  die  Seinen  von  Homburg  und 


*»  Dr.  Kriegk,  Frankfurter  Bürgerzwiste,  8.  31  berichtet,  wie  die  Zünfte 
verlangt,  der  Rath  solle  sie  „bei  den  Gewohnheiten,  welche  sie  von  Alters  her 
hätten,  handhaben";  der  Rath  habe  dies  Begehren  mit  Recht  zurückgewiesen, 
„weil  in  einer  königlichen  Stadt  ohne  des  Königs  Zustimmung  Mobsc  Gewohn- 
heitsrechte nicht  in  förmliche  Gesetze  „umgewandelt"  werden  konnten.  Das 
Herkommen  hatte  Geltung  in  einem  bestimmten  Bereiche,  sollte  eine  Erweite- 
rung stattfinden  in  der  Ausdehnung  seiner  Wirksamkeit,  sollte  es  bindend  wer- 
den für  andere  Mitbürger,  oder  für  die  Obrigkeit,  so  mussten  diese  oder  der 
König  zustimmen.  Auf  S.  383.  384  ete.  ist  dies  sehr  schön  dargelegt  in  dem 
Herkommen  der  Zünfte,  welches  in  eine  Gerechtsame  oder  Machtvollkommen- 
heit eingriff,  die  der  Rath  für  sich  in  Anspruch  nahm. 

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—    356  - 

Seulberg;  der  mehrer  theil  blieb  stehen.  Hierüber  unwillig  haben 
die  Homburger  Gesandten  ihren  Abschied  genommen;  die  andern 
Gesandten  aber  bewogen  nun  die  Märker  die  Marg  zu  umgehen, 
allein  es  solle  kein  neu  Instrument  aufgerichtet  werden.  So  hat  man 
sich  verglichen,  und  es  sind  aus  jedem  der  6  Ortschaften  von  den 
ältesten  und  von  den  jungen  Männern  etliche  dazu  gewählt  worden. 
Diese  Personen  verlangte  Diother  Gewend  in  einen  besonderen  Eid 
aufzunehmen,  mit  Begehr  an  die  Gesandten  sie  ihrer  Eide  und 
Pflichten,  mit  denen  sie  ihren  Oberen  zugethan,  ledig  zu  zählen. 
Dies  wurde  von  den  Gesandten  abgeschlagen,  aber  bewilligt  dass  die 
Märker  bei  den  Eiden  und  Pflichten  mit  denen  sie  ihren  Herrn  und 
Oberen  verpflichtet  seien,  ihm  Diether,  anstatt  und  von  wegen  des 
obersten  Waldpotten  „mit  handtgebend  treu  verpflicht  sein  sollen 
solliche  Gemark  zum  treulichsten,  niemand  in  lieb  oder  zu  leyde, 
zu  urobgehn".   Dess  sind  die  Beamten  des  Walpotten  zufrieden  ge- 
wesen. Der  gemein  Märker  hat  sich  nach  Hause  begeben,  die  Ge- 
wählten aber  mit  den  Beamten  haben  angefangen  die  Mark  zu  um- 
gehen.  Sie  gingen  damals  von  Seulberg  aus  zur  linken  Hand  am 
Wald  hin,  oben  am  hinter  Damm  an  der  Landgewer  hin  die  von 
Dollingen60  auf  das  Seulberger  Feld  gehet,  gegen  die  Krebshaide 
zu,  an  den  Wiesen  hinauf,  nach  der  deutsch  Herrn  von  Frankiurt 
Wald  und  der  Hohen  Mark  Gränze;  dieser  entlang  die  alte  Hohl 
hinauf,  auf  das  Rotlaub  und  zum  Fahrborn,  den  Throner  Weg  hin- 
auf über  den  Einsydel  bis  an  den  Pfalgraben ;   diesem  hinab  bis  an 
die  Throner  Mühl  und  die  Bach.   Dieselbig  bach  „gipt  und  nimpt 
zwischen  den  zweien  Wälden  Seulbergs  Irlenbach  und  Rhodemer 
Gemark"  M.  Die  Männer  zogen  die  Bach  hinab  bis  auf  die  Köpperner 
Wiesen,  dann  vor  dem  Walde  hinab  bis  zur  Hunerrap  **,  und  auf 
den  spis,  der  ist  den  von  Holzhauscn.  Vom  Spies  ging  es  nach  der 
Regelsbach  und  wieder  zurück  auf  den  hinter  Damm. 


*°  Das  alte  Dillingen  lag  südlich  deB  Waldes  dessen  Platz  jetzt  von  Friedrichs 
dorf  eingenommen  wird,  zwischen  den  Rohrwiesen  und  der. Hünburg. 

5*  Als  der  Umgang  zur  Knodeiner  Gemark  kam,  machten  die  Hanauer  Ge- 
sandten geltend,  wie  ihre  Unterthanen  in  der  Rhodemer  Mark  gleiche  Gerech- 
tigkeit „in  der  bachu  haben  (zu  fischen);  dies  haben  .die  Gesandten  des  Wald- 
potten" nicht  zugegeben;  die  andern  Gesandten  aber  haben  jedem  sein  Theil 
vorbehalten,  den  Streit  so  verglichen. 

51  Jetzt  Hahnruppen,  von  Hain,  auch  bei  Gonzenheim  ist  ein  Hahnberg. 
In  der  Ordnung  von  1588  heisst  es  Art.  10.  „Die  Pflege  der  Hain  Kuppen  sollen 
.  .  auch  dieses  Jar  .  .  .  verpotten  sein  darinnen  zu  hauwen.«'  - 


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Das  Verzeichnis  des  Umgangs  hatten  die  Märker  angegeben, 
Meister  Johann  Schwaben,  der  Notar  sollte  ein  Instrument  darüber 
aufrichten.  Als  der  gesammte  Ausschuss  mit  den  Gesandten  Abends 
7  Uhr  nach  Ober-Erlenbach  gekommen,  Hess  Diether  Gewend  über 
dem  Abend  Imbis  allerley  Wort  vernehmen,  daraus  zu  ersehen  war, 
dass  sich  der  oberst  Waldpott  zuviel  Gerechtigkeit  der  Mark  unter- 
ziehen wolle.  Des  Dienstag  zu  Morgen  haben  sie,  des  obersten  Wald- 
potten  Gesandte  nochmals  mit  Ernst  um  Aufrichtung  des  Instruments 
des  Umgangs  angehalten,  viel  Gegen-  und  Widerreden  wurden  ge- 
tlian.   Um  Mittag  verglich  man  sich:  wie  die  Gesandten  gestern  in 
den  Umgang  so  nit  von  nöthen  gewesen  gewilligt,  mit  dem  Oeding 
das»  sie  des  Umgangs  halben  ein  neu  Instrument  aufzurichten  ohn 
Vorwissen  der  Oberen  nit  zugegeben;  sie  versprachen  darüber  zu 
schreiben.   Freitag  nach  Medardus  fand  eine  Zusammenkunft  im 
Carmeliterkloster  zu  Frankfurt  statt,  es  wurde  wiederholt:  das  alte 
Instrument  wäre  genügend  gewesen,  Irrungen  seien  nicht  vorhanden, 
kein  sonder  Span,  sein  F.  Gn.  wolle  es  bei  dem  alten  Instrumente 
bewenden  lassen,  damit  nicht  Mißhelligkeit  aus  beiden  Instrumenten 
erwachse.  (Mglb.  E.  29.  Hb.  S.  174  ff.)  Es  findet  sich  noch  in  dem 
Fascikel  Mglb.  30.  No.  4  [3]  ein  Schreiben  d.  d.  Petterweil,  Freitag 
nach  Medardi  1539  unter  dem  aufgedrückten  Pittschaft  von  Engel- 
brecht Halbers,  Schultheissen  zu  Petterweil    und  Justinians  von 
fiolzhausen,   Schöffen  zu  Frankfurt :  auf  das  begehren  über  den 
Umgang  der  Mark  ein  neu  Instrument  zu  errichten  gaben  die  Ge- 
sandten und  der  Ausschuss  zu  erkennen,  dass  sie  den  Umgang  zu 
thun  für  unnöthig  angesehen,  dass  ihre  gn.  Heren  und  Oberen  nit 
erachten  dass  das  begehrt  neu  Instrument  aufzurichten  von  Nöthen 
sein  sollt,  wollen  also  gebeten  haben  dass  es  s.  f.  Gn.  also  bei  dem 
alten  Instrument  gnediglich  bleiben  wollt  lassen;  sie  bemerken  dass 
wo  Irrungen  fürfielen,  der  gemein  Märker  zu  jeder  Zeit  zusammen 
kommen,  davon  reden,  fürnehmen  und  handeln  möge,  wasdieNoth- 
durft  erfordere. 

Auch  bei  den  Umgängen  erschienen  die  verschiedenen  Bethei- 
ligten zu  Wahrung  der  eignen  oder  gemeinsamen  Interessen,  und 
nur  dann  wurde  das  Recht  als  festgestellt  angeschen,  wenn  die  ver- 
schiedenen Betheiligten  sich  Uber  die  Gränze  geeinigt,  wenn  sie  dem- 
nach gemeinsam  den  Weg  gemacht  hatten.  Bei  dem  Umgang  der 
Seulb.  Erlenbacher  etc.  Mark  am  28.  April  1593  welchen  der  schreib- 
seelige  Johann  Zangus,  notarius  publicus  und  bestellter  Markschrei- 
ber protocollirte,  erschien  Georg  Vestenberger  der  Kellner  zu  Hom- 
burg v.  <L  H.  „einestheils"  sodann  die  auch  ehrnhaffte,  ersame  und 


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-    358  - 

vornehme  Märkermeister  und  Markhäupter  „anderntheils"  auf  „vorge- 
hende Vergleichung  und  gepflogene  tractationa  auf  der  Haiden  gen 
Kirchdorff,  allda  solche  ihre  Mark  mit  deren  zu  Kirchdorff  und 
Seulberg  Termineyen  ihre  Angrenzung  hatt,  und  haben  von  Alters 
her  wohlangeordnetem  Brauche  nach  dieselbige  ihre  Marke  von  allen 
aufstossenden  Marken,  Waiden,  Sträuchen  und  Termineyen,  im  Beisein 
aller  derer  Besitzer,  Inhaber  und  Einwohner  .  .  bei  Eidspflichten 
abgangen  und  gewisse  scheide  oder  Mahl  mit  Rainen,  Steinen,  baum- 
lochen und  andern  mehr  kennezeichen  .  .  gemacht,  auch  die  alten 
„uffworffe  und  roahlzeychen*  wiederum  von  neuem  renoviren  lassen. 
Auf  der  Gränze  zwischen  Seulberg,  Kirchdorf  und  der  Hohen  Mark 
befand  sich  ein  alter  Eichenbaum,  der  jederzeit  für  das  SchiedBmabl 
der  dreien  Gränzen  gehalten;  er  war  durch  die  von  Kirchdorf  abge- 
hauen und  ein  wenig  ihres  Gebietes  hinunter  zu  einem  Damm  und 
Aufenthalt  des  zeitweise  den  Weg  hinunter  fallenden  gewässers  ge- 
braucht worden.  Die  Märker  haben  desshalb  der  anwesenden  gemeinen 
Nachbarschaft  in  Kirchdorf  von  wegen  ihres  unnachbarlichen  Wesens 
den  Kühe-  und  Vieh  trieb,  bo>  ihnen  seither  gegönnet  und  zugelassen 
worden,  ganz  und  gar  abgekündigt  und  zugethan.  Reuig  erboten 
sich  die  Kirchdorfer  „zu  guter  Nachbarschaft'4  und  wurde  das  Ver- 
bot gemindert,  dass  sie  in  Schriften  bei  dem  Märkerding  wieder  um 
den  Viehtrieb  ansuchen  sollten,  derselbe  könnte  ihnen  nochmals  wie- 
der vergönnet  werden.  Darauf  hat  man  den  ersten  Schiedhaufen  „an 
die  Mahlstatt  des  abgehauenen  und  entnommenen  alten  eychen  baums 
aufgeworfen",  und  den  Umgang  ostwärts  angetreten.  An  der  Bren- 
del von  Homburg  Walde  haben  die  Seulberger  „Markgut  zu  ihrer 
Terminey  und  für  ihren  Eigenthumb  abgangen",  die  Märker  aber, 
da  sie  Mastungsgerechtigkeit  darin  besessen,  die  Mark  ausser  dem 
Gehölz  an  der  Haiden  endigen  wollen.  Der  Kellner  von  Homburg 
ergriff  Parthei  für  die  Seulberger  als  homburgische  Unterthanen, 
„weißt  in  Schriften  nach  daß  in  einem  früheren  Abgange  solche  et- 
liche Ruthen  breit  Walds  für  der  Seulberger  Eigenthum  angezogen 
worden,  sie  also  nichts  neues  sondern  allein  dasjenige,  was  ihre 
lieben  Voreltern  seeligen  etwa  in  Prauch  und  Esse  gehapt0,  suchen. 
Er  ermahnt  die  Märker  bei  ihrem  Gewissen,  und  die  zu  Holzhausen 
und  Ober-Erleubach  haben  ihm  beifallen  wollen,  doch  hat  man  es 
bei  den  alten  Lochbäumen  verbleiben  lassen.  Weiter  zogen  die  Mär- 
ker nach  dem  hinteren  Damm  der  Hohle  hinauf,  vom  heiligen  Acker 
nach  der  Regelsbach  wo  der  37t0  Haufen  an  der  Wiesen  stand, 
dann  von  der  Dillinger  Haiden  die  lange  Wiesen  hinunter  bis  auf 
die  köpperner  Strasse,  auf  der  Landgewehr  herum  bis  an  den  Holz- 


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-  359 


h auser  Spiess ,  die  Haihnruppe  herum  bis  auf  die  Holzhäuser  Bach, 
folgende  ist  die  Bach  die  scheide  bis  hinauf  an  Bernhard  Möllers 
Wiesen,  stehet  in  der  Ecken  am  köpfferner  Gebiete  bei  einem  gros- 
sen gelochten  Baum  der  Gö^  Haufen;  von  dannen  hinauf  zumWalde, 
baß  am  köpfferner  Felde  hinauf  und  den  Wiesen,  von  dannen  hinauf 
„bis  an  die  Wald  möllen  soll  die  bach  scheiden«,  die  Mühle  stehet 
in  der  Mark,  gleich ergcstalt  bis  hinauf  an  die  Thröner  Mühle  ist  die 
Bach  die  Scheide  zwischen  dieser  und  der  Rodheimer  auch  köpffener 
Gemarken;  weiter  hinauf  scheidet  der  „Pollgraben"  diese  Mark  von 
dem  Thrönerwalde ,  allda  gegen  der  Hohe  Mark  den  Fahrbronnen- 
Weg  hinunter  bis  wieder  an  den  ersten  Haufen,  wurde  der  Weg 
für  den  unstreitigen  schiede  gehalten.  Zugegen  waren  bei  diesem 
Umgang  ausser  dem  Keller,  Schultheis»  und  Stadtschreiber  von 
Homburg,  Simon  Braun,  Schultbeiss  zu  Seulberg  Märkermeister, 
Wolfhardt  Falkenstein ,  Schultheis  zu  Ober-Erlenbach  und  Märker- 
meister, der  Kellner  und  der  Schultheiss  von  Petterweil,  Joh.  Beck 
Schultheiss  zu  Holzhausen,  Chunrad  Lohre,  Schultheiss  zu  Köpffern, 
anstatt  des  Schultheissen  zu  Nieder-Erlenbach  meister  Johann  der 
Schmied  daselbsten,  samt  den  Burgermeistern  und  etlichen  Eltisten 
der  Gerichte  auch  anderer  gemeinen  jungen  Personen,  je  10  Per- 
sonen ohne  die  Schultheissen  von  jedem  Flecken,  auch  die  beiden 
Förster.  (Mglb.  E.  30.  4.  Jahr  1593.) 

Ebenso  wie  in  der  Seulberger  Erlenbacher  finden  wir  auch  in 
der  Hohen  Mark  das»  bei  den  Umgängen  die  gesammte  Märker- 
schaft  vertreten  sein  musste,  ähnlich  wie  auf  den  Märkerdingen  Bei  bat. 
Auf  dem  Märkerding,  Sonntag  Claudi  1539  als  der  Keller  gesehen 
das»  der  ganz  Märker  nit  erschienen  „hat  er  gezornt",  aber  als  er 
dafür  gebeten  worden,  hat  er's  bleiben  lassen,  gab  an  der  Walpott 
wolle  das»  die  Mark  umgangen  werde  Darzu  wurden  aus  Oberursel 
20  Mann,  ebensoviel  aus  Homburg,  aus  Bonemesa  12  oder  14,  sonst 
aus  einem  Dorf  7,  aus  einem  Weiler  4  „jungk  und  alt  und  eynander" 
genommen.  Es  versammelten  sich  die  Geschickten  aus  jeden  Flecken, 
Dörffern  und  Höfen  der  Gemeinden  und  „derjenigen  welchen  der 
Eigenthumb  gemelter  Mark  zustehet"  oben  am  Vilwiller  Holtzgin 
und  dem  Spitzenstein;  sie  sind  gegangen  bis  an  den  Feldberg  gegen 
Reiffenberg  und  den  Pfingstbronnen  „bei  Volperhausen",  daselbst  hat 
sich  zwischen  den  geordneten  der  Gemeinen  des  Haus  Reiffenberg 
und  Inwohner  daselbst  „an  einem"  und  den  übrigen  Märkern  „am 
andern  Theil"  ein  Zwiespalt  des  Ganges  zugetragen ;  letztere  wollten 
nach  dem  kleinen  und  grossen  Bettstein  gehen.  Sie  haben  aber  ein- 
trechtiglich  Antwurt  geben:  es  sei  Niemand  unter  ihnen  der  auf  sei- 


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-  360 


nen  Eid  Bagen  könne  dass  er  das  streitig  Ort  je  bab  umgangen,  aber 
doch  auf  Hörensagen  und  wie  sie  von  ihren  Eltern  verstanden  fur- 
schreiten  und  gehen  wollen.  Die  Reiffenberger  protestirten  coram 
notario  dass  sie  in  ihrer  beseß  und  beweisen  wolten.  Das  Weiter- 
gehen unterblieb  damals.   (Mglb.  E.  II".  S.  171.) 

Auf  dem  stürmischen  Markerding  des  Jahres  1586  verlangten 
die  Räthe  des  Walpotten  dass  der  Umzug  der  Mark  auf  der  gemei- 
nen Märker  Kosten  geschehe.  Dies  stand  durchaus  der  Grundansicht 
entgegen,  dass  ein  jeder  Theil  sein  eignes  Interesse  dabei  zu  ver- 
treten habe.  Der  Ausschuss  der  Märker  bemerkt  desshalb  ganz  rich- 
tig, zu  dem  vorhabenden  Umgang  der  Mark  wolle  jeder  Flecken 
einen  Jungen  und  alten  Mann  auf  seine  Kosten  zuordnen,  nach  vori- 
gem Gebrauch ;  die  beiden  Märkermeister  aber,  der  Keller  zu  Hom- 
burg, der  Schreier  zu  Stedten  und  die  4  Markförster  oder  knecht 
sollten  ziemliche  Zehrung  aus  der  Mark  haben.  Nachdem  der  Aus- 
schuss noch  aller  Anwesenden  Gutdünken  explorirt,  hat  er  durch 
Wendel  llmstedten  weiter  noch  antworten  lassen:  Zu  beziehung 
der  Mark  wären  hiebevor  aus  jedem  Flecken  2  Personen  zugeschickt 
worden,  die  seien  von  jedem  Flecken  insonderheit  verköstigt  worden; 
nach  Vollendung  des  Umzugs  hätten  die  Märkermeister  allen  „Ar- 
beitsleuten", wann  ein  Vorrath  an  Bussen  vorhanden  gewesen,  eine 
Verehrung  zum  Trunk  aus  dem  gemeinen  Seckel  gegeben,  es  solle 
nachmals  auch  so  gehalten  werden.  Die  hessischen  Gesandten  aber 
beharrten  darauf  dass  der  Umzug  auf  gemeiner  Märker  kosten  solle 
vorgehen,  dann  wollten  sie  die  Räthe  sich  dazu  gebrauchen  lassen 
„nicht  allein  gegen  den  anstößenden  und  angrenzenden  Nachbauren, 
sondern  auch  gegen  dem  Inmärker  so  der  Mark  zu  schaden  gerai- 
detÄ;  sonsten  aber  deswegen  nicht  ein  Esel,  katz  oder  ein  ander 
gering  Thier  satteln  lassen.  Die  Märker  wollen  nun  „ibrestheils  dem 
Umgang  der  Mark  auf  folgenden  Tag  vorgehen  lassen,  da  die  an- 
stoßenden Nachbauren  hierzu  alle  citirt  seien.  Aber  die  hessischen 
Gesandten  gestunden  den  Märkern  den  Umzug  „vor  sich"  nit  zu. 
Der  Märkermeister  Hattstein  suchte  zu  vermitteln:  dieweil  für  diesmal 
Vorrath  in  der  Markkasse  sei,  solle  ausnahmsweise  der  Umzug  da- 
raus bestritten  werden.  Dieses  hat  aber  von  gemeinem  Märker  nicht 
eingewilligt  wollen  werden,  sondern  sind  stracks  auf  ihrer  erst  ge- 
thanen  Eröffnung  beharrt  Der  Umzug  wurde  vorerst  eingestellet  und 
abgekündigt.  Er  fand  erst  im  September  statt  Eine  sorgfältige  Be- 
schreibung desselben  ist  uns  in  dem  Fase.  Mglb.  E.  29.  IIL  S.  128 


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361  - 


aiiB  dem  Jahre  1586  »/».  Sept  aufbewahrt  Alle  Stein  und  die 
vornehmste  Lochbäum  sind  daselbst  beschrieben53. 


*'  Der  Umgang  begann  von  dem  ersten  Stein  bei  den  Loßbecken,  Stein- 
biieher  Terminei  inwendig  dem  Sölmischen  Wald,  zog  Uber  den  Königstein'schen 
Pfad  der  Croneburger  Mark  hinauf  nach  der  Förster  Kuh  Rüge  (Ruhe),  ober 
der  Förster  Wiesen  nach  der  Weydenstrut  und  den  Hünenburg  Wiesen.  Von 
der  Hopfreben  Wiesen  bis  auf  das  Hunerbruch  wurden  30  Lochbäume  gezahlt. 
Von  da  der  Hohl  hinauf  die  beide  Marken  (die  Hohe  und  die  Cronberger) 
scheidet,  nach  den  Haderhecken  bis  „uff  das  alt  künn"  •),  den  holen  Weg  hin- 
auf an  den  Masebörnerberg,  bis  an  die  Schiefersteinkauten,  hinter  dem  Kitzel 
Veitberg  hinaus,  hinter  dem  grossen  Veitberg  hinab  nach  dem  Schutterwald, 
welcher  in  die  Mark  gehöret,  und  Uber  den  Polgraben.  Von  dort  ging  der 
Zug  auf  der  Heiden  hinaus  Aber  die  Strassen  so  von  Reiffenberg  auf  Homburg 
gehet  nach  dem  Börnchen ,  der  Pfingstbrunnen  genannt ;  weiter  nach  den 
Steinen  von  Voltmerhausen  „obendig  dem  Weg  nacher  Hattstein",  vom  Diele- 
berg obendig  den  Arnßhayaer  Wiesen  und  der  Kredenbach,  nach  den  Seuffen,  einer 
Wiesen  Curt  von  Hattstein  zustendig,  und  aus  der  Mark  gerodt  worden;  weiter 
nach  einem  8tein  neben  der  Kredenbach  an  der  Schiefersteinkauten  „unter  einem 
Uolzapfelbaum,  so  ein  Lochbaum  ist."  Es  folgen  die  Lochbäume  am  grossen 
Bettstein  „der  Lochbaum  an  dem  Weg  der  aus  der  Kuetrenken  gehet,  ist  ab- 
gehauen, den  Forster  zu  fragen,  wer  es  gothan".  Weiter  an  der  Kremmelges- 
wieeen  stehet  ein  Buohenlochbaum  „daran  Homberger  nnd  Urseler  Wapen"; 
dann  folgen  die  Steine  am  „heyligen  Waldt",  ein  Stein  bei  dum  brunn  obendig 
dem  heimig  Seuffen  nach  dem  Weissen  Berg  zu,  welcher  auch  in  die  Mark  ge- 
höret ;  zwischen  dem  Wald  und  Feld  hinauf  am  Faulberg ,  den  Weissenberg 
hinauf,  „auff  ein  Holzapfelbaum  welcher  gelocht  ist",  zwischen  den  Anßbäcber 
Hecken  und  den  Weinpfölen  Ober  die  Alt-Rohe  hinüber,  bei  der  Klingenruhe 
und  dem  Klingenborn,  dorn  Ansbächer  Gebiok  und  dem  Polgraben  hin,  bis  auf 
die  Seulberger  Mark  und  den  Fahrborn.  In  dem  Graben  herunter  darinnen 
etzliche  Stein  bis  uff  die  Kirdorffer  Heidt,  uff  den  Lochbaum  daselbst  an  der 
Eeken  des  Walds;  die  Landtwehr  herunter  durch  die  Weingärten  bis  auf  das 
Kirtorffer  Hölzlein  Lazarius  genannt,  es  folgen  2 Steine  in  der  Landwehr,  dann 
an  der  Landwehr  hinaus  stehen  6  Steine  „bis  uff  die  Strassen",  weiter  ein  Stein 
an  den  Wiesen  in  der  Landwehr,  und  gehet  die  Landwehr  zwischen  dem  Hom- 
burger Feld  und  dem  Reyßberg  auf  Steden  zu.  Es  ging  der  Zug  vor  dem 
Brendelsbusch  her,  den  Thröner  Pfad  herum,  obendig  dem  Heuchelheimer  Feld 
hin,  über  die  Wiesen,  den  Graben  hinaus  nach  dem  alten  Hof  da  der  Steder 
Dreieckbrunnen  steht.  Fortan  „gehet  die  landtwehr  durch  das  Steder  Veit  bis 
an  die  Walt-Eck",  weiter  ein  Stein  auf  dem  Weg  so  von  Steden  auf  Ursel 
geht ;  ein  Stein  an  der  Ecken  zwischen  der  Wiesen  Ocbsenstein  gen.  und  der 
Weidt ;  dann  folgen  die  Steine  in  der  Lußhecken ;  den  Häuserfort  hinaus  unter 
der  Schreierwiesen  hin  und  fortan  zwischen  dem  Häuserhain  und  dem  Wald 
den  Weg  an  der  Landwehr  hinaus,  bis  an  die  Strassen  „da  vor  seiten  ein  schlag 
gestanden,  der  Houscrachlag  genant";  Furters  an  das  Eck  „zu  Endt  der 
Landwehr  da  vor  Zeiten  ein  Muhl  gesunden,  der  Lußmuhlen  genant";  den 


*)  EU  tat  hier  der  Abbaog  de*  Allkönlgs  ia  rerstebeo,  nicht  der  Gipfel ;  die  Oräncc  zog  »uf 


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Nach  dem  Notariatsprotocoll  Uber  den  Umgang  **/«  Aug.  1609 
ist  dieser  Umgang  ebenso  eingeleitet  worden  wie  ein  Märkerding. 
Es  hat  zwischen  7  und  8  Uhr  bei  Ursel  auf  der  Au,  da  man  pflegt 
das  Märkerding  zu  halten,  der  hessische  Rath  J.  Ph.  Kleinschmidt 
den  Tag  zu  dem  Märkerding  anfänglich  eröffnet  und  angezeigt:  es 
seien  Neuerungen  und  Eingriffe  geschehen,  die  Kirdorfer  Ausmärker 
gemacht ;  es  hätte  sein  gn.  Herr  diesen  Tag  ausschreiben  lassen, 
wollten  auch  hierauf  die  Homburger  Mark  umgehen,  und  in  Steinen 
und  Rainen  umziehen  lassen;  er  wollt  hiermit  den  Tag  auf  seines 
gn.  Herrn  Befehl  eröffnet  haben.  Darauf  haben  die  Mainzischen 
Abgesandten  protestirt,  der  Kirdorfer  Ausschliessung  wäre  nit  mit 
Billigung  sämmtlicher  Märker  geschehen,  sie  widersprechen  auch 
der  Bezeichnung  „Homburger  Mark".  Dagegen  bemerkte  der  Keller: 
man  sei  desshalb  nit  hie,  das»  man  viel  disputiren  wolle,  ob  es 
Homburger  oder  Hohe  Mark  genant  würde;  man  habe  hier  nit  mit 
den  partibus  Und  dem  toto  zu  thun,  sondern  die  Kirdorffer  wären 
per  majora  vota  ordentlich  ausgeschlossen.  Die  Mainzischen  und 
Königsteinschen  zogen  darauf  ab  und  hinweg,  den  Unter- 
thanen  war  geboten  worden  sich  des  Umzugs  zu  enthalten. 
Der  Umzug  wurde  begonnen  ohne  die  Mainzischen  und  die 
Reiffenbergischen  welche  mit  abgezogen  waren.  Ist  man  von  der 
Aue  hinweg  den  Cronberger  Weg  hinab  auf  die  Loshecken  zuge- 
zogen zu  dem  ersten  Stein  auf  dem  Triosch.  Als  daselbst  etliche 
Cronbergische  Beamte  und  Unterthanen  sich  gefunden,  hat  man 
abermals  durch  den  Waldschreier  auf  Seiten  der  hohen  Märker 
Umfrag  halten,  und  die  Schultheissen  rufen  lassen;  es  sind  mehren- 
theils  alle  andern  Schultheissen,  die  Mainzischen,  Hedernheim  uud 
Reiffenburgischen  allein  ausgenommen  erschienen  und  da  gewesen. 
Es  wurde  nachgefragt  wer  diesen  Umgang  mehr  mitgemacht,  viele 
waren  im  Jahr  1586  mitgezogen,  nur  einer  vor  30  Jahren,  andere 
vor  5  Jahren. 

Es  werden  dann  die  Cronberger  aufgezählt  welche  zu  den 
Hohen  Märker  stiessen,  aus  Nerings,  aus  Obernhexstatt  etc.  Eine 


Berg  hinauf  bis  an  den  Zwergweg  auf  der  Sandte  au  ten ;  hinüber  an  die  Eck 
am  Forst,  Aber  den  Urseler  Kuetrieb,  nach  einem  Stein  zwischen  dem  Uden- 
born und  dem  Hanpfad,  nach  dem  Königsteiner  Pfad  und  der  Atzelhell  „gehet 
furters  die  grenz  immer  an  den  Win?arten  hinab",  ein  Stein  am  Johannsberg, 
ein  grosser  Stein  an  dem  Beckerpfad,  weiter  von  dannen  ein  Stein  in  der 
Wiesen  die  Keßbach  genant,  item  ein  Stein  unten  an  der  Geyerewiesen ,  der 
letzte  Stein  am  Rädderveit  obendig  der  Cronburgerstraßen  „zeigt  auf  den 
ersten  Stein  uff  der  Loßheckeu  so  im  Anfangk  beschrieben". 


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—  363 


Ermahnung  wurde  an  alle  gerichtet  so  mitgingen  „also  die  Mark 
ku  umbzichen,  wie  es  von  Alters  herkommen,  und  es  ein  Jeder  vor 
dem  Richterstuhl  Gottes  verantworten  könne".  So  Bogen  sie  von 
dannen  am  Solmsischen  Wald  hinauf,  nach  der  Forsterwiesen,  an 
der  „Hünerburgk"  hin,  die  Hohle  hinauf  bis  an  die  Haderhecken 
so  zu  der  Cron burger  Mark  gehörig,  als  den  bohleu  Weg  hinauf 
„neben  dem  Altkin  hin"  nach  dem  Moseborner  Berg,  die  Strasse 
hinaus  „nacher  kühl  hermansbrunnen"  .  .  bis.  an  den  lutzelfeldberg, 
dann  den  Scharterwald,  so  in  die  Hohe  Mark  gehörig,  hinab  nach 
dem  Pfingstbrunnen.  Beim  22,cn  Stein  welcher  vom  Dielenberg  zur 
linken  Hand  hinüber  nach  dem  grossen  Bettstein  zeiget,  haben  die 
Hattsteinische  und  Reiffenbergische  diener  mit  etlichen  ihrer  Herrn 
und  Junkherrn  Unterthanen  und  Bauern,  rechter  Hand  hinauf  ziehen 
wollen,  und  trotz  des  Widerspruchs  der  Märker  vollführet  Diesämmt- 
lichen  Märker  sind  aber  hinabwärts  auf  die  linke  Hand  stracks  über 
ein  Bächlein  dem  grossen  Bettstein  zugezogen ;  von  einem  abgebrann- 
ten stumpf,  so  ein  gelochter  Apfelbaum  gewesen,  den  Schieferberg 
hinauf,  nach  Griromelgens wiese,  wo  sie  an  einem  Lochbaum  der 
Homburger  und  Urseller  Wappen  gehauen  fanden.  Da  es  spät  geworden 
sind  sie  von  hier  „nach  Schmitten  in's  Nachtlager  gereist*.  Dienstag 
den  22.  August  ist  man  mit  hellen  Haufen  in  früher  Tagezeit  wieder 
angezogen;  die  ReiiFenberger  hatten  über  Nacht  die  zwei  Wappen 
aus  dem  Buchbaum  ausgehauen.  Dagegen  protestirten  die  homburger 
Käthe,  solches  gereiche  den  sämmtlichen  gemeinen  Markern  zum 
merklichen  Schaden,  ihrem  gn.  Herrn  aber,  als  obersten  Waldbotten 
zu  sonderbarem  Despeci  Es  haben  die  Reiffenberger  ihr  Unwesen 
behaupten  wollen,  besagter  Lochbaum  stehe  auf  ihrer  Herrn  und 
Junkherrn  Grund  und  Boden;  dies  wurde  von  den  Märkern  wider- 
sprochen. Trotzdem  hat  weiterhin  Carl  Pfitzncr  von  Dresden,  als 
Reufenburgischer  Keller  den  Bauern,  so  er  bei  sich  gehabt,  befoh- 
len, dass  sie  einen  zweiten  Lochbaum  umhauen  sollten  „auch  darüber 
Herrn  Gebott  angelegt".  Als  die  Unterthanen  Hand  und  Axt  geho- 
ben den  Lochbaum  zu  fällen  „haben  des  Ober  Waldbott  Befelhaber 
und  Käthe  den  ReifFen bergischen  und  Hattsteinischen  solchen  Frevel 
underwegen  zu  lassen  gebotten",  aber  es  haben  derselbig  ein  oder 
etliche,  ein  Weg  als  den  andern  ungestüm  in  den  Baum  zu  hauen 
fortgefahren;  desshalb  Carl  Pfitzner  sammt  zweien  Bauern  „welche 
in  öffentlicher,  frischer  That  in  umbhawen  betretten,  zur  Hafft  ge- 
nommen und  auf  gethane  Handtastung  mit  nacher  Homburg  gefäng- 
lichen geftlhret  worden".  Nach  solchem  als  sich  die  übrigen  Reiffen- 
burgischen  und  Hatsteinische  abermals  abgesondert  und  zum  Theil 


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ausgerissen  und  die  Flucht  genommen,  ist  man  weiter  gezogen  nach 
dem  heiligen  Feld,  um  den  kleinen  Bettstein  und  den  weißen  Berg, 
von  dem  Weyhengrund  nach  den  Weinpfalen,  der  Klingenruhe  und 
dem  „Pfulgraben*  auf  einen  „Faulbieren  oder  Stinkbaum  Lochbaum". 
Bei  dem  Thröner  schlag  begann  die  Seulburg  Erlenbacher  Mark, 
und  am  Fahrborn  wurden  wieder  sämmtliche  Märker  vermahnet  und 
erinnert  „weilen  man  nun  bald  an  den  Ort  kommen,  welchen  die 
Kirdorffer  strittig  mächten,  daß  sie  so  gehen  wollten,  wie  von  Alters 
herkommen,  auch  sie  am  jüngsten  Tag  bei  ihrer  Seelen  Seligkeit 
verantworten  konnten*.  Alda  als  man  ein  wenig  gerastet,  hat  Paul 
Anthonius,  der  eine  Märkermeister,  um  Urlaub  und  Erlassung  des 
Märkermeister  Amtes  gebeten,  „weilen  ihm  solchem  vorzusein  bei  Ihr 
churfürstl.  Gn.  sehr  schwer  und  bedenklich  fiele,  wegen  bewußter 
entstandener  Uneinigkeit".  Dies  wurde  ihm  aber  nit  erlassen,  weil 
es  die  gebührende  Zeit  nit  were.  Er  wtird'  wissen,  was  er  geschwo- 
ren. Darauf  ist  man  fortangezogen  „den  hohlen  Weg  oder  alte  Straß, 
neben  dem  Orth  Waldts,  die  Straße  genandt,  hinunter"  bis  an  das 
Kirdorffer  Feld,  wo  die  Kirdorffer  neulich  Zeit  einen  Graben  auf- 
geworfen, aber  die  Märker  vor  diesem  wieder  geschleift  hatten.  Die 
Märker  haben  einhellig  bejaht,  dass  die  eine  Seit  der  Scheid  am 
Weg  der  Mark  zugehörig,  und  sind  also  am  zweiten  und  am  dritten 
Graben  hinübergezogen.  So  ist  man  auf  die  Kirdorffer  Heid  gekom- 
men, wo  ein  alter  Stumpf  eines  lochbaumes  unter  der  Erden  sich 
noch  gezeiget  und  merken  lassen.  Ist  ein  „Gemerk  mit  einer  Rhur- 
hawen  gemacht  worden,  ein  Markstein  daselbst  zu  setzen".  Aua  Kir- 
dorf war  Niemand  erschienen,  so  „ist  man  die  Landgewehr  den 
Graben  hinunter  nach  dem  kleinen  Eichwäldchen,  welches  die  Mär- 
ker Lazarius,  die  alten  Markbücher  aber  Sylvam  Lotharii  nennen, 
gezogen0.  Daselbst  hat  Joh.  Philipps  Kleinschmid,  im  Namen  Ihr. 
FürstLGn.  als  obersten  Waldbottens  „und  der  sämmtlichen  Märkern" 
protestirt,  dass  dieses  Wäldchen  von  den  Kirdorffern  aus  der  Mark 
gezogen  werden  wollte.  So  ging  es  weiter  die  Landgewehr  hinaus,  an 
Stedten  vorüber  nach  dem  Häuserfeld,  über  das  Triesch  nach  der 
Sandkauten.  Da  haben  die  landgräffischen  angezeigt,  dass  anno  1599 
zwischen  Mainz  und  Hessen  des  Orts  halber  am  Häusergrund  ein 
Vertrag  geschlossen  worden,  sie  wollten  diesen  repetiren;  dann  zog 
man  nach  Ursel  zur  Mahlzeit.  Nach  dieser  wurde  der  Umzug  weiter  . 
westlich  verfolgt  nach  der  Atzelhohl,  dem  Johannisberg  und  der 
Kesbach,  auf  die  Steinbacher  Weid,  hinab  bis  an's  Eck,  welches  der 
Steinbacher  Schultheiss  widersprochen,  Hans  Durkopf  aber  und 
Thinius  vom  Hain  vermelteten:  sie  wären  vor  23  Jahren  auch  so 


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—    365  — 


weit  hinabgegangen  wie  jetzo  und  hätte  Niemand  was  darwider  ge- 
redt So  wurde  von  den  Märkern  dahin  geschlossen,  dass  es  bei  den 
zweien  letzten  Umgängen  verbleiben  solle;  man  zog  auf  den  Stein 
in  der  Losshecken  zu,  woselbst  die  Märker  nochmals  feierlich  ange- 
redet und  dann  abgedankt  worden  sind. 

Bereits  bei  früherer  Gelegenheit  ist  auf  die  Landwehr  im  Taunus 
aufmerksam  gemacht  worden  *\  sie  habe  wahrscheinlich  zum  Schutze 
des  Feldes  gedient.  Wichtiger  war  vielleicht  noch  dass  sie  die  ge- 
seilte Feldmark  abzugränzen  bestimmt  war  von  der  ungeteilten 
Waldmark.  Im  Jahre  1700  beschweren  sich  die  Märker  dass  den 
Waldensern  ein  Platz  in  der  Hohen  Mark  eingeräumt  worden,  sie 
bemerken,  dass  die  Landwehr  am  Kaissberg  „so  jederzeit  beide  Ge- 
markungen Homburg  und  Hohe  Mark  von  einander  separirt  und  als 
Gränzstein  abgeschieden,  trotz  Protestation  eingeräumt  und  den 
Feldern  eben  und  gleich  gemacht,  die  Markgräuzen  perturbiret". 
Schon  in  älteren  Zeiten  als  das  Boden  mehr  oder  weniger  gestattet 
war,  mag  das  Fruchtfeld  über  diese  Markgränzen  hinüber  ausgedehnt 
worden  sein.  In  späteren  Zeiten  ist  es  auf  frevelhafte  Weise  noch 
in  grosserem  Massstabe  geschehen.  Schon  im  Jahre  1710  zeigte  sich 
das  bei  dem  Cron  berger  Umgang  mit  den  Hohen  Märkern.  Das 
Verzeichnis  der  Theilnehmer  an  demselben  ist  ein  sehr  reichhaltiges. 
Es  gingen  damals  mit,  zu  Fuss  und  zu  Pferd,  von  Cronberg:  der 
Amtmann,  Keller,  Ober-Schultheiss,  Stadtschreiber,  Stadtwachtmeister, 
3  Gerichtsmänner  und  ein  Mann  des  Raths,  Bürgermeister,  3  Bürger, 
Stadtdiener,  Amtsbott,  2  Förster,  1  Jäger  und  8  junge  Leute;  von 
Eschborn  der  Schultheiss,  ein Gericbtsman,  1  Lantman  und  2 Knaben; 
von  Niederheckstadt  der  Schultheiss  und  2  Gerichtsmänner,  ebenso 
war  betheiligt  Schwalbach,  Oberheckstadt,  Schönberg;  Mammolshain 
mit  dem  Schultheissen,  3  Gerichtsmännern  und  einem  Gemeindsmann; 
Steinbach  war  in  seinen  Vertretern  zurückgewiesen  worden,  weil  sie 
den  Umgang  um  den  strittigen  Ort  nicht  mit  vornehmen  wollten; 
von  Rödelheim  waren  erschienen  3  Mann,  von  Falkenstein  (Nerings) 
der  Schultheiss  und  drei  Mann.  Dazu  kamen  noch  die  Hohen  Märker; 
das  Grenze  ein  grosser  Zug  zu  Pferd  und  zu  Fuss.  Montag  den 
19.  Mai  war  der  Notar  welcher  berichtet,  zwischen  7  und  8  Uhr  nach 
der  Haide  an  der  Loosheck  geritten,  wo  der  Anwalt  der  Hohen 
Mark,  die  Schultheissen,  der  Waldschreier  mit  vielen  Förstern  zu 
Pferd,  sodann  eine  grosse  Zahl  der  Märker  sich  befand.   Die  Stein- 


*♦  Die  Hohe  Mark,  im  Arohi?  für  Pfts.  Gesch.  u.  K.  II.  S.  327. 


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bächer  Unterthanen  hielten  sich  parat,  sie  gehörten  zu  beiden  Mar- 
ken, waren  mit  den  Cronbergern  in  Streit  wegen  eingerodeten] 
Felde.  Die  Hohen  Märker  blieben  vorerst  an  dem  Stein  in  der  Loa- 
hecken  an  dem  Stierstädter  Feld;  die  Cronberger  gingen  zwischen 
den  Feldern  bis  auf  den  Kühtrieb,  forderten  die  Steinbacher  auf 
„den  Gang  mit  ihnen  zurttckzuthun",  mit  dem  Zusatz:  „falls  sie  Stein- 
bächer,  als  Mitmärker,  diesen  zur  Mark  gehörigen  District  nicht  mit 
begehen  würden,  man  von  Seiten  der  Cronberger  Mitmärker  sie  zur 
weiteren  Fortbegehung  der  Mark  nicht  admittiren  würde".  Die  Stein- 
bächer  weigerten  Bich  den  Gang  mitzuthun  „sie  seien  auch  bereits 
in  Abzug  begriffen",  so  wurde  der  Gang  vom  Viehtrieb  zur  Los- 
hecke ohne  sie  zurückgenommen;  dann  die  Hohen  Märker  zu  wei- 
terem, nunmehr  gemeinschaftlichen  Begängnisse  eingeladen.  Auch 
jetzt  wieder  gab  es  Streit.  Der  Anwalt  mit  den  Hohen  Märkern 
wollte  auf  einen  unten  an  der  Haide  vormals  gestandenen  Stein  und 
Baum  zu,  verwies  auf  eine  zu  sehende  Kaute  und  auf  ein  Stein- 
buch.  Der  Cronbergische  Amtmann  aber  wandte  ein,  das  Steinbuch 
sei  privata  scriptura,  sei  nicht  von  den  angrenzenden  Steinsetzern 
mit  aufgerichtet  worden.  Er  bestritt  den  Gang,  wie  die  Hohen 
Märker  ihn  vornehmen  wollten,  meinte  aber  man  solle  sich  wegen 
dieser  wenigen  Morgen  nicht  aufhalten,  werde  der  Beweis,  dass  sie 
in  die  Hohe  Mark  gehörten,  erbracht,  wollten  sie  sich  nicht  weigern. 
Dies  wurde  von  dem  Notar  der  Hohmärker  notirt,  und  der  von  den 
Cronbergern  requirirte  Notar  wurde  gleichfalls  ermahnt  die  Repro- 
testation  und  das  Erbieten  dem  Instrumente  einzuverleiben.  Der 
Umgang  wurde  auf  das  Solms'sche  zu  fortgesetzt  Dort  baten  die 
Oberheck  stätter  „daß  dieses  Begängniß  an  ihrer  Feldterminey  nicht 
präjudicirlich  sein  möge".  Es  wurde  erwidert:  diese  Erinnerung  sei 
unnöthig,  es  sei  bei  allen  vorigen,  uralten  Umgangen  keine  Erinner- 
ung geschehen.  Weiterhin  wurde  bemerkt  dass  die  Steinbächer  sich 
wieder  beigeschlichen  und  den  Umgang  mitmachten;  man  hielt  an, 
wies  sie  nochmals  ab,  und  Hess  10  Märker  bei  vier  Steinbächer  zu- 
rück, welche  sich  nicht  abweisen  lassen  wollten,  bis  diese  entweder 
von  selbst  abgehen  oder  der  Umgang  geschehen  sein  würde.  „Ob 
nun  wol  der  ein  und  andere  Steinbächer  sich  sehr  grob  in  Worten 
verliefe,  thete  man  ihnen  gleichwol  andersten  nichts  als  gemeld tes 
Verwehren".  Inzwischen  bewegte  sich  der  Zug  weiter  über  den  Kö- 
nigsteinerweg, über  den  alten  Graben,  durch  die  Hopfenrebwiese, 
den  alten  Weg  und  die  Hohl  hinauf  nach  der  Haderheck,  wo  „der 
anno  1699  in  Disput  gezogene  Ort,  an  welchem  die  Cronberger  und 
die  Hohe  marker  von  einander  gangen  sein".    Der  Anwalt  verlas 


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aus  alten  Umgangsprotocollen  die  betreffende  Stelle,  ersuchte  die 
Cronberger  sie  möchten,  wenn  sie  auch  einen  Umgang  de  anno  1585 
hätten  „von  anfaug  an  was  drauß  lesen,  zu  sehen  ob  die  Protocoll 
einander  glichen".  Da  nun  die  ersten  2  pagina  einander  von  Wort 
su  Wort  gleichlautend  waren,  insistirte  er,  Herr  Keller,  man  möchte 
sich  doch  gefallen  lassen  den  passum  dieses  in  disput  gezogenen  Orts 
su  lesen.  Es  fand  sich  dass  der  Homburger  Anwalt  „entweder  ohn- 
gefähr  oder  mit  Fleiss  einiges  übersehen  oder  ausgelassen,  was  er 
ganz  beschämt  gestehen  musste",  (nämlich:  die  Haderheck  „so  zur 
Cronberger  Mark  gehörig").  Der  Homburger  Anwalt  und  die  Märker- 
meister  suchten  nun  vergeblich  nach  Steinen ,  wussten  sich  mit  nichts 
„als  mit  etwelcher  Schamhaftigkeit"  zu  entschuldigen,  und  erboten 
sich  den  streitigen  Distrikt,  etwa  10  Morgen  lichtes  Gesträuch,  zu 
theilen;  auf  welches  die  Cronberger  nicht  eingingen.  Sie  richteten 
ihren  Gang  gerade  die  Hohl  hinauf  nach  der  Beschreibung  der 
Hohen  Märker  eignen  Umgangs.  Diese  aber  gingen  doch  den  Weg 
linker  Hand,  trafen  erst  zu  End  der  Haderheck  wieder  auf  die  Cron- 
berger. Von  dort  aus  ging  der  Umzug  gemeinschaftlich  weiter,  die 
Lochbäume  wurden  frisch  gelocht,  die  alten  Zeichen  gefrischt.  Diese 
Zeichen  scheinen  manichfaltig  gewesen  zu  sein;  ausser  den  Wappen 
finden  sich  bei  diesem  weiteren  Umgänge  der  Cronberger  ein  Baum 
mit  einem  kleinen  lateinischen  c,  sodann  mitten  einen  Holzhieb,  oben 
diesem  ein  Zeichen  es  entstand  hier  Zweifel  ob  dies  ein 
Lochbaum  sei.  Wie  das  Recht  der  Mark  bereits  in  Ver- 
gessenheit kam,  so  auch  die  alten  Zeichen.  Weiterhin  fand  man 
einen  Baum,  in  welchen  ein  Zapfen  eingeschlagen  war  „vermuth- 
lich  von  einem  Hirten  seinen  Brodsack  oder  Ranzen  daran  zu 
hängen".  Der  alte  Schultheiss  von  „Nörings  oder  Falckenstein*  Job. 
Ad.  Pfaff,  hat  aber  bei  seinem  Gewissen  behauptet,  dass  anno  1668 
dahin  gangen  und  „der  lochbaum"  denen  Königsteinern  gezeigt 
worden  sei.  Allein  die  Cronenberger  halten  ihr  Recht  gegen  die  König- 
steiner aufrecht;  sie  fuhren  den  Vergleich  von  1552  an. 

Unter  den  Lochbäumen  hatten  verschiedene  eine  besondere  Be- 
nennung, beim  gedachten  Cronberger  Umgang  finden  sich  erwähnt: 
der  Cronenbaum,  die  Schuhsohl,  dann  die  verfallne  Krämerbuch  bei 
dem  Königsteiner  Zollstock,  (s.  Gefach  E.  29  die  betreffenden 
Umgänge.) 

Iudem  wir  die  Bedeutung  des  Märkerdings  verfolgten,  sind  wir 
bei  Gelegenheit  der  Umgänge  in  spätere  Jahrhunderte  geführt  wor- 
den; wir  kehren  zu  den  älteren  Zeiten  zurück,  weiter  nachzusehen 
wie  auf  den  Märkertagen  das  Verhältniss  zu  den  Auamärkern  fest- 


-    368  - 

gestellt  und  Uber  die  Berechtigung  zur  Mark  erkannt  wurde.  Auf 
dem  Märkerding,  Dienstag  St.  Bartholomeustag  1563,  haben  die 
Waldachmid  von  der  Sorg  und  Hundtstall,  wie  ihnen  auferlegt  war, 
eine  Abschrift  ihres  Instruments  gebracht,  unter  zweien  Siegeln  der 
Befehlshaber  zu  Alten  Wylnau ;  darin  ist  die  Markabgränzung  gegen 
die  Anspacher  Mark  verzeichnet.  Sie  beginnt  mit  den  Worten :  „Wir 
von  Langen  Anspach  weisen* ;  es  wird  dann  die  Gränze,  von  Philips 
Mtilln  hinter  dem  Throne  anfangend  beschrieben:  den  Pfalgraben 
aussen,  hinder  dem  grauen  Forst,  furtan  den  Pfalgraben  aussen  bis 
an  den  Ryflenberger  Buchwalt  ...  in  die  Wynpfull,...  in  die  kleyn 
Weilnauer  Bach,  uff  den  Zitterling,...  bis  uff  den  pastrot,  do  steht 
eyn  nickel  etc..  Nach  Verlesung  dieser  Instruments- Abschrift  ist 
ihnen  gesagt,  die  Märker  seien  mit  solcher  Beweisung  zufrieden, 
wollen  hinüber  kommen  mit  ihnen  absteinen.  (Mglb.  E.  29,  III.) 

Die  Cronbergor  mussten  alle  Jahr  auf  dem  Märkerding  wegen 
der  Tränkung  ihres  Viehs  (wahrscheinlich  aus  dem  Dreiborn)  an- 
suchen; gleichergestalt  haben  „die  Höriger  under  Falckenstein  sess- 
haftig«  derTrenk  wegen  „bei  dem  Märker"  ansuchen  müssen.  (Mglb. 
E.  29,  V.  s.  Ordn.  vom  22.  Mai  1594.)  Der  Jungfern  vom  Thron 
wegen  wurde  auf  dem  Märkerding  1549  ausgesprochen:  die  Märker 
wollten  nit  leiden  das»  dieselben  mit  ihrem  Vieh  in  die  Mark  trei- 
ben, dass  den  Ausmärkern  einige  Gerechtigkeit  in  der  Mark  ge- 
stattet werde. 

Bei  dem  Märkerding  der  Seulberg  Erlenbacher  etc.  Mark  auf 
Sontag  Lätare  1498  hat  man  fürgeben  wie  dass  zwei  Bürger  von 
Friedberg  haben  Wellen  in  der  Mark  geholet  und  seien  darin  er- 
wischt worden  zu  Köppern,  auch  haben  die  von  Radeheim  einen 
Placken  in  der  Mark  abgehauen  über  das  man  sich  des  rechtlichen 
auf  Sr.  Gn.  den  Herrn  von  Hanau  erboten,  auch  Erwin  Dogel,  Mär- 
kermeister  solches  H.  v.  Hanau  gesagt;  ihm  aber  sei  nit  erwünscht 
Antwort  entstanden;  darum,  so  erklärt  der  Markermeister,  wo  man 
nit  darzu  thun  wolle,  lass  er  auch  gescheen,  gedenk  der  hinfuro  nit 
mehr  Märkermeiater  zu  sein.  Und  also  sind  die  von  Friedberg  er- 
schienen, haben  gesagt,  ein  Mann  von  Köppern,  so  zugegen,  hab 
ihnen  die  Wellen  verkauft  und  gesagt,  die  Wellen  gehören  ihm  zu. 
Aber  der  Märker  hat  sich  daran  nit  gekehrt,  sie  seien  betreten  wor- 
den nnd  sollen  sehen  wem  sie  abkaufen,  sie  gedächten  der  ihren, 
der  das  gethan  hätt,  auch  ungestraft  nit  zu  lassen»    hab  derselb 


"  Weil  er  Holz  aua  der  Mark  verkauft. 


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unbillich  verkauft,  mochten  sie  sich  an  demselben  auch  erholen ; 
darum  wollten  sie  Bich  in  Gnad  geben  und  taidingen,  woll  man  ihnen 
diesmal  Gnad  beweisen.  Also  haben  sie  sich  „in  die  taiding  geben". 
Der  ander  Gebrechen  halben  der  von  Radeheim  solle  der  Märker- 
meister  an  den  gn.  H.  v.  Hanau  bringen,  die  Mark  zu  verhören  und 
die  Mark  er  die  Herrlichkeit  weisen  zu  lassen.  Das  sei  in  lange  Zeit 
nit  geschehen  bei  einem  vollen  Märkerding,  dazu  verboten  damit  es 
im  üedächtnisB  halte.  Alsdann  solle  ein  einhellig  Instrument  ge- 
macht werden  zu  ewigem  Gedächtniss 56. 

Im  Jahre  1595  wurde  von  dem  Märkermeister  und  13  Ge- 
schwornen  der  gem.  Rodheymer  und  Köpfiener  Marcke  klagweise  an- 
gebracht, wie  dass  etliche  Märker  zu  Köpffern  nun  eine  ziemliche 
Zeit  sich  des  Nachts  mit  Brennholz  zur  Ausfuhr  auf  Ober- Wöllstadt 
und  Friedberg  versehen,  und  wenn  sie  dann  von  den  ihrigen  ange- 
schrieen und  zur  Rede  gesetzt  worden,  alsdann  furwenden,  dass  sie 
solch  Holz  in  Seulberger  und  Erlenbacher  etc.  Marke  gehauen,  also 
solcher  gestalt  ihren  Betrug  und  Diebstahl  bemänteln  und  sich  von 
der  Strafe  erledigen.  Damit  nun  glcichwol  hinfüro  das  Uebel  an's 
Licht  gestellt  und  gestraft  werde,  so  hat  man  sich  mit  ihnen  ver- 
einiget, wenn  ferner  ein  Märker  er  sei  gleich  von  Küpffem  oder 
Holzhausen  mit  Holz  zur  Ausfuhr  von  ihnen  in  ihrer  Mark  ereilet 
oder  betreten  werde,  welcher  fiirgebc  dass  er  das  Holz  in  Seulberger 
oder  Erlenbacher  etc.  Marke  gehauen,  dass  sie  solchen  durch  ihre 
Fürster  den  unsrigen  Märkermeistem  nahmhaftig  machen  sollen,  mit 
dem  Gegenanerbieten  dass  es  andererseits  gleichergestalt  gehalten 
werden  solle. 

Die  Nidda  war  die  alte  Gränze  der  Gesammtmark,  die  nord- 
wärts wohnenden  waren  darin  betheiligt,  dazu  berechtigt  Es  war 
aber  diese  Abgrenzung  nicht  streng  durchgeführt  worden ;  der  Abts- 
hof und  die  Mühle  bei  Eschersheim  hatten  Begünstigung  erfahren, 
und  auch  wegen  Vilbel,  das  auf  beiden  Seiten  der  Nied  gelegen, 
will  sich  der  lantman  auf  dem  Märkerding  von  1401  berathen.  Weit 
wichtiger  ab  diese  Frage  ist  für  das  Recht  der  Hohen  Mark  der 
Streit  welcher  über  die  Berechtigung  der  Mühle  zu  Bonames  im  An- 
fange des  16.  Jahrhunderts  geführt  wurde. 


*«  Auffallenderweise  ist  auch  hier  des  Instruments  und  Märkerdings  von 
149a  nicht  gedacht. 


24 


-    370  - 


Der  Kessler  zu  Bonames.  —  Wie  die  Reiffenberger  und 
Hatstciner  auf  den  Märkertagen  als  Edelleute  erschienen  und  zugleich 
als  Herrschaften,  so  war  es  ähnlich  bei  der  Stadt  Frankfurt.  Auch 
diese  hatte  einestheils  die  Herrschaft  über  verschiedene  Ortschaften 
welche  zur  Hohen  und  zur  Seulburger,  Erlenbacher  etc.  Mark  ge- 
hörten, dann  aber  war  sie  auch  markberechtigt  ihrer  Besitzungen  in 
Bonames  und  in  Nieder-Erlenbach  wegen;  für  diese  trat  sie  auf  den 
Märkerdingen  zugleich  als  Märker  auf.  Sie  wurde  ebenso  wenig  wie 
die  Edelleute  namentlich  aufgerufen,  stimmte  mit  diesen.  So  heisst 
es  bei  dem  Märkerding  auf  Katharinentag  1401  „Henne  Clemme  von 
Hoenberg  und  Heynrich  von  Beldershevm  sin  hude  zu  tage  von  den 
Edelluten,  den  burgerroeistern  von  Frankfurt  und  von  dem  lantman 
zu  merkermeister  gekoren". 

Der  Rath  lässt  als  Markberechtigter  Pfähl  hauen,  er  wird  aber 
auch  gerügt  als  Märker.  Es  berichtet  der  Geschickte  des  Raths  nach 
dem  Märkerding  von  1518:  sind  die  Rugezettel  verlesen  und  meine 
Herrn  von  Frankfurt  darin  auch  rugbar  angezogen  worden  der  Mei- 
nung, dass  sie  8  Wagen  mit  Holz  in  der  alten  Hege  und  zween 
Wagen  in  der  neuen  Hege  gehauen  haben.  Mglb.  E.  29.  II1',  98.  — 
Es  folgt  darauf  die  Rechtfertigung  des  Raths,  dass  er  die  Pfähl  für 
das  Schloss,  die  Brück  und  das  Wehr  zu  Bonamesa  habe  hauen 
lassen  8T. 

Wenige  Jahre  nachher,  1521,  entstand  eine  andere  Irrung  zwi- 
schen dem  Rath  und  den  Märkern  über  das  Zufuhren  von  Kohlen 
aus  der  Hohen  Mark  an  den  Kessler  oder  Kupferschmid  in  Bonames. 
Es  finden  sich  in  den  betreffenden  Verhandlungen  manche  Aufschlüsse 
Uber  den  Umfang  der  Hohen  Mark,  über  die  Machtstellung  der 
Markergedinge  und  über  das  richterliche  Amt  des  Waldpotten  in 
Streitigkeiten  unter  den  Märkern  selbst.  Es  ist  aber  bei  allem  stets 
im  Auge  zu  behalten,  dass  diese  Verhandlungen  in  die  Zeit  eiuer 
gewaltigen  Aufregung  fallen;  es  ist  die  heftige  und  ungebundene 
Sprachweise,  welche  der  Märker  sich  hier  erlaubt,  kaum  zu  irgend 
einer  andern  Zeit  wieder  zu  finden,  es  sei  denn  in  den  traurigen 
Zeiten  der  Auflösung  der  Mark68. 


*»  Aach  in  Vilbel  hatte  der  Rath  die  Brücke  zu  unterhalten  and  verlangte 
das  Holz  dazu  aus  der  Hohen  Mark.  1524  beschwert  er  sich  dass  die  Märker- 
meister  keine  Pfähle  zu  Besserung  dieser  Brücke  verabfolgen  lassen ;  diese 
entschuldigen  sich  und  der  Amtman  von  Königstein  schreibt,  er  werde  ihn 
weiters  unbelästigt  lassen.  -  Mglb.  E.  29.  II.  70. 

*  Die  weitläuftigen  Aktenstücke  hierüber  s.  Mglb.  E.  29.  IIb.  S.  60  ff.  E. 
29.  II.  S.  56  ff. 


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371  - 


Nachdem  auf  dem  Märkergeding  1621  den  22.  Tag  des  Monats 
May  die  Märker  die  Wahl  der  Förster  für  sich  beansprucht,  folgte 
die  Beschwerde  des  Raths  dass  dem  Kessler  zu  Bonames*  „als  Mit 
merkern"  kohlen  zu  kaufen  und  zufuhren  zu  lassen  onbillig  verbotten 
worden.  Der  Keller  zu  Hoemberg  sei  solch  s  Verpott  nit  gestendig 
gewest:  er  hätte  solches  Gebot  nit  angelegt.  Darauf  erwiderte  einer 
von  Homburg,  genannt  Groehans:  solches  werd  sich  wol  herfinden, 
wann  man  gen  Hombergk  auf  den  Tag  bis  nächst  Mitwoch  kommen 
werde,  solle  alsdann  desshalb  auch  gehandelt  werden.  Groshans  und 
einer  genant  Stynuß  hab  sich  dabei  öffentlich  hören  lassen  :  die  Mühl 
liege  über  der  Nidda,  so  kaufe  der  Kessler  kohlen  und  führe  die 
gen  Frankenfurt;  aber  denen  ist  man  solchs  nit  geständig  gewest. 
Auf  dem  Tag  zu  Homburg  erschienen  die  Frankfurter  Beamten,  der 
Schultheiss  zu  Bonamesa  und  Johann  Marsteller,  Rathschreiber,  mit 
samt  dem  Bereiter.  Weil  aber  der  gemein  lantman  damals  ausge- 
blieben, sind  die  genanten  alsbald  nach  dem  Essen  aufs  Rathhaus 
gegangen,  sich  gesezt  und  nach  Gewohnheit  handeln  wollen.  Es  / 
wurde  aber  bemerkt  dieweil  sie  nit  bei  einander,  könnte  man  mit 
Antwort  nit  begegnen;  E.  E.  Rath  möge  die  Mengel  auf  einem 
Märkerding  anregen.  Auf  dem  nächsten  Märkerding,  am  8.  Jan.  1522 
wurde  aber  nur  yon  Beschädigung  des  Waldes  gehandelt.  Erst  am 
13.  wurde  dem  Rath  entgegengehalten:  der  Kessler  zu  Bonemesa 
were  ein  knecht  und  kein  Märker,  item  so  läge  die  Mule  in  der 
Nidda;  in  dem  Instrument  finde  sich  diese  Mule  nicht  verzeichnet, 
also  solle  man  solche  Neuerung  nit  geschehen  lassen.  Zugleich  er- 
griffen die  Märker  diese  Gelegenheit  sich  über  den  BrUckenzina  zu 
Bonemesa  und  Hausen  zu  beschweren.  Der  Rath'  beantragte  die 
Mule  in  Augenschein  zu  nehmen.  Auf  einem  weiteren  Märkergeding 
Mitwoch  nach  Apollonia,  11.  Febr.  1523,  wurde  ein  Gebot  des  Wal- 
potten,  Landgrafen  Philips  zu  Hessen  mitgetheilt,  nach  welchem  dem 
Kupferschmitt  zu  Bonemesa  kohlen  für  Geld  zuzuführen  erlaubt  sein 
solle;  der  Keller  zu  Homburg  that  dem  gemäss  das  der  kohlen  halb 
von  den  Märkern  erlassne  Verbot  namens  seines  Herrn  auf.  Dagegen 
ist  der  lautmann  alsbald  fast  unwillig  worden,  und  gesagt  „sie  woll- 
ten darin  nit  willigen,  die  Mark  sei  ihre;  man  könne  das  Ihre  also 
nit  hinweggehen."  Die  Märker  haben  Bedacht  genommen  und  dem 
Keller  mittheilen  lassen  „der  Lantmann  hätt  sich  dess,  wie  beschehen, 
zu  dem  Waltpotten  nit  versehen,  sie  wären  ohnwissend  von  E.  Erb. 
Rathe  der  Stadt  Frankenfurt  beklagt,  sie  begehrten  die  Klagschrift 
um  darauf  zu  antworten,  sie  könnten  dem  Bescheid  nit  geleben,  und 

wollten  auoh  itzo  verboten  haben,  dass  Niemand  dem  Kessler  sollt 

24* 


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-    372  - 


kohlen  zuführen,  welcher  das  aber  darüber  thät,  den  wollten  sie 
rügen.  Dess  mehr,  bo  wäre  das  Verpott  hiebevor  durch  den  Keller 
und  lantraan  sainmtlich  angelegt,  und  würd'  itzo  ohn  den  lantmau 
uffgeben,  das  konnten  sie  nit  gedulden."  Darauf  der  Keller  sagt : 
„er  wäre  gehört,  dabei  wollt'  er's  bleiben  lassen,  könnt'  seines  Herrn 
Bescheid  nit  ändern".  Doch  stellte  er  die  Schrift  des  Raths  den  ge- 
mein Märkern  zu,  forderte  sie  auf  zu  antworten,  sein  gn&d.  Herr 
würde  ihnen  nit  unrecht  thun.  Er  wollt'  allen  denen  die  dem  Kessler 
Kohlen  zuführten  für  allen  Schaden  sprechen,  wollt'  leiden  daas  man 
sie  rüget,  aber  das  pfenden  nit,  das  habe  allein  sein  gn.  Herr  zu 
thun,  und  sie  nit.  Er  gestund  ihnen  auch  keines  gebots  oder  Ver- 
bots in  der  Mark,  auch  das  habe  nur  sein  gn.  Herr  zu  thun.  So  blieb 


Auf  dem  weiteren  gebotenen  Märkergeding  auf  Petri  und  Pauli 
1523  erschien  Assmus  Widdersheini  Keller  zu  Homburg,  dann  Ha- 
mann von  Holzhausen,  Conrad  Weiss  und  Johann  Marsteller  Rath- 
schreiber namens  des  Raths,  weiter  verschiedne  Abgeordnete  der 
Herrschaften  und  des  lantmans  eine  gute  Meng.  Der  Keller  zeigt 
an  dass  die  Irrungen  der  Kohlen  halber  zwischen  einem  Erb.  Rath 
der  Stadt  Frankfurt  eines,  und  dem  lantman  anderntheils  sich  er- 
halten, desshalb  sein  gn.  Herr  von  Erb.  Rath  durch  eine  Supplica- 
tion  angegangen,  darin  „etliche  recht  gebott"  vorgeschlagen  worden, 
desshalb  er  damals  alle  angelegte  gebott  und  verbott  abgethan  und 
widerrufen.  Dieweil  etliche  Märker  wären,  die  seines  gn.  Herrn  ge- 
bott verbieten  thäten,  und  was  sein  gn.  Herr  als  oberster  Waldpott 
aufgethan,  sie  dies  gemeinlich  zugethan,  das  gereiche  seinem  Herrn 
zu  nicht  geringem  ohnleidlichen  Abbruch.  Darum  hätte  er  von  sei- 
nem gn.  Herrn  den  Befehl  vom  lantman  einen  Abtrag  (Widerruf) 
zu  fordern,  den  begehre  er  jetzo  von  ihnen.  Wollten  sie  ihn  nicht 
bewilligen  so  hab'  er  einen  andern  Befehl  ihnen  fiirzuhaltcn,  der 
ihnen  wenig  gefallen  würde.  Darauf  hat  der  lantman  einen  Bedacht 
genommen  und  durch  Hans  Urber,  den  Schultheisseil  zu  Oberursel, 
reden  und  furtragen  lassen :  Das  Verbot  der  Kohlen  sei  mit  Willen 
des  Kellers  von  Homburg  geschehen,  so  aber  der  Rath  von  i  rankiurt 
dem  landgrafen  geklagt,  und  sie,  die  Märker,  noch  nit  gehöret  wor- 
den, wäre  von  Nöthen  dass  man  auch  sie  Hess  zur  Verantwortung 
kommen.  Sie  wollten  auch  eine  Schrift  an  Se.  Gnaden  machen  las- 
sen und  darin  alle  ihre  Mängel  und  Gebrechen  anzeigen.  Es  Wäre 
bekannt,  dass  die  Schmitt  zu  Bonames  nit  über  10  oder  11  Jahren 
gestanden,  darum  gestünde  man  ihr  kein  Mark  recht.  Darauf  be- 
merkte der  Keller:  Er  wäre  gehört,  er  wäre  nit  zugegen  mit  ihnen 


es  diesmals  dabei. 


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—    373  - 

zu  „taglayssen"  sein  gn.  Herr  werde  wol  Lout  haben,  die  geschickter 
wären  denn  er ;  verlangt  nochmals,  wie  vorbegehrt,  den  Abtrag.  Der 
Lantman  aber  erwiderte,  sie  wollten  kein  gebot  haben,  und  „hatt 
ein  unfreundlich  Gemurmeil  gehabt,  also  dass  der  Keller  sich  ent- 
setzt und  eyn  andern  Weg  ftirgenomen"  sich  bedacht  und  gesagt, 
er  dürfte  dem  lantman  rathen,  dass  sie  ihr  Gebot  Hessen  absein,  und 
seines  gn.  Herrn  Gebot  Hessen  fürgehen,  bislang  die  Sach  geordnet 
oder  die  Mule  besichtigt  würde,  damit  Niemand  unrecht  geschehe. 
Aber  der  Lantman  sich  nit  bewegen  lassen,  sondern  beharrte  auf 
dem  Fürnehmen,  wie  er  die  Verantwortung  und  Bericht  in  Schriften 
wollte  verfassen  lassen**.  Also  nach  vielen  Reden  und  Widerreden 
sagte  der  Keller:  er  gebiete  allen  Kölern  und  Märkern  dass  sie  der 
Kupferschmid  Kolen  sollten  zufilren  bislang  die  Sach  geordnet  werde. 
Er  wollt  auch  einem  Jeden  vor  allen  Schaden  versprechen.  Darwider 
soll  auch  Niemand  reden.  Da  waren  etliche  Märker  die  das  wider- 
sprachen, und  sagten  sie  wollten  das  widersprechen.  Also  sagt  der 
Keller  zuletzt:  er  wollt  die  Sach  diesmal«  bei  seinem  Verbot  und 
Gebot  bewenden  lassen,  sein  gn.  Herr  wttrd'  sich  gegen  Inen  wol 
zu  halten  wissen ;  nahm  Herrn  Haman  und  Conrad  Weissen  zur  Seite, 
sagte  ihnen:  dass  er  seines  gn.  Herrn  Gebot  nit  angelegt  wäre 
dies  die  Ursach,  dann  er  besorgt  wo  er  das  gethan,  es  wären  dem 
Lantman  Pferd,  Kühe  und  anderes  genomen  worden ;  dadurch  andere 
von  der  Ritterschaft  als  Grafen  Herren  und  Edelleut  zur  Sach  und 
ohn  Willen  kommen  wären,  dass  dann  vielleicht  mehr  zu  ohnnutz 
dann  zu  gutem  komen  möcht.  Darumb  hätt'  er  das  unterlassen. 
Darauf  Eberhart  Schenck  zum  Keller  gesagt:  Ein  Edl.  Rath  sei  nit 
gemeint  Unwillen  zwischen  dem  lantman  aufzurichten,  sagt  also  dem 
Keller  Dank.  Dieser  verspricht  er  wollt  selber  in  die  Höhe  reiten, 
und  allen  Kölern  von  wegen  seinem  gn.  Herrn  gebieten  der  Kupfer- 
schmitten Kolen  zuzuftthren.  Dabei  blieb  es.  Doch  hatten  etliche 
vom  lantman  gesagt,  so  dass  es  der  Marsteller,  und  auch  des  Amt- 
manB  Knecht,  der  schmit  zu  Bonemesa  gehört:  sie  wollten  dieKocler 
alle  erschlagen  wenn  sie  Kolen  nach  Bonemesa  führeten. 

Am  Tage  Margarethae  Virginia  in  anno  1523  überreichten  die  Mär- 
ker eine  Schritt  an  Herrn  Phillipaen,  Landgrafen  zu  Hessen,  den  Walt- 
potten.  Sie  sagen  darin :  Es  hab  ein  Erb.  Rath  zu  Frankfurt  in  den 
letzten  11  Jahren  jenseit  der  Nidd  und  dem  Flecken  Bonemesa  ausserhalb 


"  Weiterhin  wehrte  er  sich  wieder  gegen  das  „in  die  Feder1'  redon. 


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-  374 


des  Bezirks  darin  das  Markrecht  herbracht  sei,  ein  kupferschraitten 
gebaut  and  ein  Zeitlang  ihre  kolen  zum  theil  aus  der  Mark  doch  ohn 
der  Märker  gemein  Erlaubnis»  oder  wissen,  um  ihr  Geld  bestellt  und 
sich  des  stillschweigend  also  zu  brauchen  unterstanden,  bislang  solches 
an  sie,  die  Märker,  auf  gemeinem  Märkert&g  gelangt  sei.  Die  Mär- 
ker hätten  sich  unterredt  die  weil  solch  Schmitten  jenseit  der  Nidde 
gelegen  und  zufüren  der  kolen  ein  Neuerung  were,  darauf  nach  ge- 
meiner Mark  Herkommen  entschlossen,  man  sollt  es  von  Sr.  F.  Gn. 
als  obersten  Waltpotten  wegen  verbieten.  Welches  s.  F.  Gn.  Keller 
zu  Homburg  „wie  sich  auf  beschluss  des  Merckers  gebürt,  auch  ge- 
than".  Dabei  sei  es  ein  Zeitlang  also  blieben,  dasa  wiewol  der  Rath 
zu  Frankfurt  zu  mehrmalen  darwider  habe  klagen  lassen,  die  Märker 
doch  und  Sr.  F.  Gn.  Keller  mit  ihnen  auf  gemeltem  beschluss  des 
Verpots  bestanden.  Die  von  Frankfurt  hätten  dann  die  sach  zu  ihrem 
glimpff  aufgemüzet,  und  Sr.  F.  Gn.  derhalben  bevelh  geben,  die  be- 
rührten Verbot  abzuschaffen  und  es  bei  dem  alten  Herkommen  bleiben 
zu  lassen.  Dieses  letztere,  dass  es  bei  dem  alten  Herkommen  bleiben 
solle,  haben  Bie  gerne  gehört,  und  die  Sach  auf  ihrem  ersten  Beschluss 
bestehen  lassen,  ihres  Vermuthens  nit  unbillig,  nicht  als  ob  sie  den 
befehl  freventlich  übergangen  sollten  han.  Das  Verbot  sei  ihren 
Rechten  und  dem  Instrument  zuwider  welches  besage:  was  der  ge- 
meyn  Mercker  cyntrechtiglich  beschloss  soll  der  oberst  Waltpott 
hanthaben.  Die  von  Frankfurt  möchten  noch  mehr  Schmitten 
bauen,  und  würd  die  Lenge  der  Mark  nit  genügend  sein,  ihnen  zu 
ihrem  Wesen  kolen  zuzulassen.  Am  Spossart  und  andern  grossen 
Wäldern  gehe  es  am  Holz  allenthalben  ab,  desgleichen  in  der  Hoben 
Mark  gestatte  die  Notturft  kein  Neuerung.  Sie  verlangen  von  ihrem 
gn.  Herrn  und  Waltpott  dass  er  sie  schirme. 

Ks  ist  in  dieser  Schrift  zu  beachten,  wie  die  Märker  den  feinen 
Unterschied  des  Römischen  Rechts  zwischen  Besitz  und  Herkommen, 
wol  mit  einem  gewissen  Hohn,  Ubersehen  und  glauben  machen  wollen, 
der  Rath  habe  nur  auf  Letzteres  sich  berufen.  Ebenso  ist  es  be- 
merkenswerth  wie  der  Waldpott  seinerseits  im  Folgenden  die  Stellung 
eines  Römischen  Prätor  einzunehmen  sucht  und  seinem  Amtmanne 
Aufträge  gab,  ähnlich  wie  der  Römische  judex  sie  erhielt.  Der  Land- 
graf theilte  die  Antwort  der  Märker  dem  Rath  in  einem  Schreiben 
d.  d.  Sontag  nach  Jacobi  ap.  1523  mit,  es  heisst  darin:  Unsem 
günstigen  Gruss  zuvor.  Wir  haben  den  gem.  Märkern  befolen  die 
kupferschmitt  in  ihrem  brauch  zu  lassen,  wie  das  von  Alter  Her- 
kommen wäre;  nachdem  aber  sie  weiter  darüber  gehandelt,  einen 
Abtrag  von  ihnen  gefordert,  darauf  sie  uns  Antwort  gegeben  wie 


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hierin  zu  vernehmen.  Wenn  also  die  sach  wäre  wie  die  Merker  an- 
zeigen, wiewol  wir  auch  zu  willfahren  geneigt  wären,  müssen  wir  es 
, dabei  lassen;  wo  es  ein  ander  Gestalt  hat,  möcht  ihr  uns  Bericht 
darauf  geben,  seint  wir  geneigt  „soviel  uns  mit  Icht  fugen  will8  der 
G-epfire  und  gnädlich  darin  zu  halten.  Es  beeilte  sich  hierauf  der 
Rath  zu  erwidern,  wie  seit  Jahren  der  Mühle  kohlen  zugefürt  wor- 
den, es  sei  mit  Wissen  und  Erlaubnis»  der  Märker  geschehen ;  als  der 
Rath  im  Jahr  1521  auf  dem  Märkerding  sich  beschwert,  etliche  ver* 
hinderten  daas  kohlen  zugefürt  würden,  hab  der  Keller  gesagt,  er 
wisse  nichts  von  solchem  Verpot,  er  hab  es  nicht  gethan.  Der  Rath 
bemerkt  weiter,  die  Muhle  liege  nicht  jenseit  der  Nidda,  es  sei  altes 
Herkommen  daas  man  jeden  Märker  bei  seinen  Rechten  belasse.  Das 
Instrument  gäbe  dem  lantman  nicht  das  Recht  Gewaltsamkeit  zu 
üben,  noch  dem  Waltpotten  ungerechtes  Fürnehmen  einem  Dritten 
zum  Nachtheil  zu  handhaben.  So  der  Landman  in  seiner  eignen 
Sach  rechteprechen  möcht  und  den  Mitmärker  seines  Rechts  entsetzen, 
so  möcht  er  heut  einen  und  morgen  den  andern  hinauswerfen,  und 
ihnen  ihr  Recht  nach  Gelieben  nehmen.  Darum  sei  die  unterthenigste 
bitt  s.  F.  Gn.  als  oberster  Waltpott  und  beschirmer  solcher  obbe- 
stiramten  Recht  und  Gerechtigkeit  wolle  den  Rath  als  Mitmärker  bei 
seinen  unleugbaren  beaeß  und  Rechten  erbieten,  handhaben  und  dem 
Gebot  Vollziehung  thun. 

Der  Waltpott  war  damals  offenbar  in  grosser  Verlegenheit;  einer- 
seits das  Drängen  des  Frankfurter  Raths  auf  sein  gutes  Recht,  an- 
derer Seit»  die  drohende  Bewegung  des  lantmans;  dazu  kam  seine 
Betheiligung  an  der  Fehde  mit  Sickingen.  Am  Sonntag  nach  dem 
h.  Dreikönigstage  hatte  er  von  Cassel  aus  dem  Rath  geschrieben,  er 
wolle  seinem  Amtman  zu  Eppstein  und  Keller  zu  Homberg  vor  der 
Höbe  thun  schreiben  und  befehlen  mit  Fleiss  in  die  Dinge  zuzu- 
sehen, dass  es  wie  vor  Alters  gehalten  werde.  Ein  zweites  Schreiben 
datirt  am  Sonntag  nach  Corpus  Christi  1523  aus  dem  Feldlager  bei 
Ebernburgk  besagt :  sobald  er  wieder  innerhalb  Landes  gekommen 
wäre,  wolle  er  verschaffen  dass  das  besehenen  Verpot  aufgethan,  den 
Schmitten  kolen  zugeführt  werden.  Es  folgt  nun  ein  drittes  Schreiben 
d.  d  Cassel,  Freitag  nach  Assumpte  Mariae  1523  an  seinen  Amtman 
Herwigen  von  Lauerpach:  Wir  schicken  dir  hierbei  Abschrift  eines 
Berichts  uns  von  den  zu  Frankfurt  zugeschickt,  belangend  diesclbigen 
von  Frankfurt  von  wegen  einer  kupferschmitten,  und  die  Märker  in 
unser  Homburger  Mark  uf  der  Hohe,  und  dieweil  die  von  Frankfurt 
sich  anmaassen  dass  sie  solcher  Schmitten  halber  des  Markrechts  in 
gemelter  Homburger  Mark  in  bescas,  und  desshalb  offenbar  sein  soll, 


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auch  darauf  vorige  unsere  bescheid  und  befehl  gefallen,  und  aber  die 
Märker  solches  dermassen  nit  gestendig  sein  wollen;  —  ist  unser 
befehl  dass  du  dich  in  solchem  sommarie  erkundigst  und  wo  es  noth 
thut  beide  theile  darzu  forderst,  desshalb  ihren  Bericht  und  weiter 
Beibringung  zu  hören,  und  wo  du  befindest  dass  die  kupferschmitt 
in  Bonames  in  besess  ist,  oder  je  zum  wenigsten  das»  sie  in  sechs, 
acht  oder  zehn  Jahren  dem  nächsten,  kohlen  aus  der  Höhe  gebraucht 
hat,  alsdann  „von  Unsern  wegen  als  obersten  Herren  und  Waltpot- 
ten  gemelter  Schmitt  solche  kolen  further  bis  zu  rechtlichem  Austrag 
der  Sachen  zu  gebrauchen  vergennest0,  auch  dasselbige  bei  den 
Merkern  unverhindert  geschehen  zu  lassen  verschaffest,  und  denselben 
Merkern  ansagest:  wo  sie  darin  Beschwerung  hätten,  dieweil  dann 
solche  Irrung  zwischen  ihnen  und  den  von  Frankfurt  schwebt,  der- 
halben  die  Märker,  als  Partheien,  unsere  Fürsehen  nit  urtheilen 
mechten,  so  wären  wir  geneigt  als  der  Oberherr  und  Waltpott  gen 
Homburg  Tag  zu  setzen,  die  Gebrechen  auch  beider  Tlieil  bewei- 
sung  eigentlich  hören,  und  darin  was  recht  ist  geschehen  zu  lassen, 
und  dass  darauf  ein  Theil  den  andern  bei  recht  und  Gewalts  erlassen, 
daran  geschieht  unsere  Meinung.  —  Der  Amtmann  sollte  also  zufor- 
derst über  die  Besitzfrage  Untersuchung  einleiten,  dann  Uber  das 
Recht  selbst  Er  ordnete  eine  Tagfahrt  nach  Bonames,  Dienstag  nach 
Mathai  den  22.  Sept  1523;  es  fanden  sich  daselbst  ein  von  Seiten 
des  RatliB  Dr.  Niclaus  Rideker,  Advocat,  Haman  von  Holzhausen, 
Schöff,  und  Conrad  Weiss,  Rathsfreund,  samt  Joh.  Marsteller  dem 
Bereiter  und  etlichen  Söldnern,  weiter  etliche  vom  gemayn  landt- 
mann;  anstatt  Ss.  gn.  Herrn  zu  handeln  war  der  Ambtman  vor  der 
Hohe  Helwig  von  Lauerspach  zugegen  „auf  der  Wiesen  zwischen 
dem  Müelgrabeu  und  der  Nidda,  nahend  bei  dem  Weher,  so  dass 
Wasser  auff  die  gnant  sclimit  zwingt".  Daselbst  baten  die  von  Frank- 
furt den  Amtman  des  besess  halben  zu  handeln,  und  dass  der  Schmit- 
ten bis  zu  rechtlichem  Austrag  kolen  zugeführt  würden  zu  verschaf- 
fen. Sagt  der  Amtman  solche  Meinung  steh  noch  bei  ihm  dem  lant- 
man  fÜrzuhalten;  Er  besorge  die  Pauern  würden  solchs  nit  thun  ; 
er  wollt  doch  Boviel  möglich  darin  handeln.  Ging  also  zum  lantman 
mit  dem  des  Tags  Eröffnung  halben  zu  reden.  Er  verlangt  dass  ihm 
diejenigen  genant  würden  welche  der  kupferschmitt  kolen  aus  der 
Mark  zugeführt,  damit  er  sich  der  Sachen  erkundigen  möcht  Dem 
widersetzte  sich  der  Schultheis«  von  Oberursel  und  Grosshenne  von 
Homburg :  der  lantman  könne  jetzt  keine  Antwort  darauf  geben,  er 
bat  um  ein  gemein  Märkerding,  dass  alle  „die  Lehenherrn  und  Jun- 
kern so  Mark  recht  hetten,  dahin  kommen  mochten,  damit  Inen  und 


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der  Mark  nichts  entzogen  würde*.  Die  von  Frankfurt  erboten  sich 
die  Namen  schriftlich  dem  Amtman  zuzuschicken;  sie  beriefen  sich 
dann  wegen  de»  Hechtes  selbst,  auf  den  Augenschein  „dass  der 
Graben  so  uff  die  kupferschmitt  lief,  nit  die  Nidd  hieß*.  So  gefragt 
würde :  wie  heisst  das  Wasser  so  auf  die  kupferschmitt  lauft  müsst 
gosagt  werden:  der  Mülgraben  so  auf  die  Müle  lauft;  und  wieder  so 
gefragt  wurde  wie  heisset  das  Wasser  „den  Straumb  der  Nidd  mey- 
nend",  müsst  gesagt  werden:  die  Nidd.  Aus  dem  klarlich  abzunehmen 
dass  die  Mühle  nit  auswendig,  sondern  in  der  Mark  gelegen  wäre. 
So  wäre  länger  denn  Menschengedenken  eine  Walkmühle  an  Statt 
der  Kupferschmitten  gelegen  gewesen,  die  als  in  der  Mark  gehalten, 
und  darwider  keine  Einrede  gethan  worden.  Schliesslich  wurde  vom 
Amtmann  ausgesprochen,  dass  ein  jeder  so  vom  lantnian  zugegen 
gewesen  seinen  „Nachpauren"  diese  Handlung  entdecken  soll,  damit, 
wenn  sie  zum  nächsten  Märkerding  kommen,  ein  Jeder  wissen  möge, 
was  er  thun  und  lassen  sollte.  Und  sagt  ferner,  er  möoht  wol  leiden, 
dass  sie  „geschickt  leuth  dahin  schicken,  dann  wenn  sie  Ochsen  da- 
hin verordneten,  so  zugennd  (zögen)  sie  als  die  Buffell  und  kont 
niemant  mit  Inen  neherr  komen,  so  stunden  der  ejus  tails  und 
sagten  von  mehen  oder  sehenn,  die  andern  hörten  nichts  zuu.  Solche 
Spässchen  hörte  man  gern,  doch  ist  es  dabei  geblieben,  dass  ein 
Märkergeding  aolt  vorkündet  werden.  Mitwoch  nach  Pfingsten  1524 
erschien  auf  der  Au  vor  Oberursell  Jacob  Widdersheyn,  Schultheiss 
zu  Homburg  samt  dem  neuen  Keller  daselbst  als  Anwalt  des  Ober- 
sten Waltpotten,  Johann  Brennel  (Brendel)  als  Markermeister,  dann 
Fridrich  von  Ryffenberg,  N.  Karspach,  Eberhard  Schenk,  weiter 
Conrad  Wcibs  und  Johann  Mars  toller.  Als  der  lantnian  die  Wahlen 
allzusehr  in  die  Länge  zog,  vertilgte  sich  Herr  Conrad  Weiss  mit 
dem  Rathschreiber  in  den  Kreis,  brachte  die  Irrung  wegen  der  kolen 
vor,  bat  in  Ansehung  der  billigen  Gerechtigkeit  nochmals  von  ihrem 
unbilligen  Fümohmen  abzustehen.  Darauf  sich  der  lantman  bedacht 
und  nach  guter  Weile  einen  Kreis  gemacht  und  in  Beisein  des  An- 
walts von  Homberg  der  kolen  halb  geantwortet:  Sie  gestehen  der 
kupferschmitt  kein  Gerechtigkeit,  denn  sie  lieg  in  der  Nidde,  so  sag 
das  Instrument  man  soll  darin  kein  kolen  geben. 

Freitag  nach  Corpus  Christi  1524  ist  auf  Ansuchen  des  Raths 
der  durchlauchtig  hochgeborn  Fürst  und  Herr,  Herr  Philipps  Land- 
grafen zu  Hessen  aammt  seinem  Canzler  zu  Bonemesa  auf  den  Augen- 
schein, die  Kupferschmitt  belangend  erschienen,  die  besichtiget,  auch 
den  Fluss  des  rechten  Straumbs  der  Nidd  gesehen  und  E.  Erb. 
Raths  Bericht  empfangen.  Den  Gesandten  des  Raths  wurde  durch 


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den  Canzler  in  Antwort  begegnet:  Auf  das  Widerabreiten  vom 
Schiefleen  zu  Heidelberg  sollt  E.  Erb.  Rath  ansuchen,  wollt  sein 
Gn.  ein  Märkerding  machen  und  ehrliche  Käthe  zur  Handlung,  darin 
die  Partheien  *zu  verhören,  bei  den  Augenschein  verordnen  lassen. 

Freitag  nach  Bonifacius  ist  darauf  Johann  Marsteller  bei  s. 
günst  Herrn,  dem  Schrauttenbach  zu  Cronberg  gewesen.  Sobald 
dieser  abgesessen  und  sich  ausziehen  lassen,  sei  er  im  Schloss  oben 
erschienen,  habe  um  Tagsatzung  angesucht  Schrauttenbach  habe 
begegnet,  er  wolle  es  seinem  gn.  Herrn  anzeigen,  habe  ihn  auf  den 
Abend  wieder  beschieden,  dieweil  die  Räth  noch  hernidden  im 
Flecken  gewest  Also  sei  er  um  '6  Uhr  wider  hinauf  gangen  und 
habe  sich  ansagen  lassen.  Bald  darnach  seien  Schrauttenbach  und 
Herwig  von  Lauerbach,  Amtman  zu  Eppstein  und  Cronberg  zu  ihm 
kommen,  der  gn.  Herr  lasso  ihm  sagen,  wie  er  dem  Amtman  Helwig 
Befehl  gethan  das  Instrument  der  Mark  zu  ersichtigen  und  auch 
sonst  bei  den  Märkern  in  Erfarung  zu  bringen,  ob  der  Tagsatzung 
halber  ein  benante  Zeit  im  Instrument,  oder  sonst  der  Mark  Brauch 
were ;  wo  dann  dem  also,  denselbigen  Weg  zu  halten,  die  Räthe  und 
Gerichtschreiber  zum  Verhöre  zu  verordnen.  J.  Marsteller  bedankt 
sich  dieser  Antwort  mit  der  Zuversicht  E.  Erb.  Rath  werde  s.  f.  Gn. 
freundlichen  Dienst  aüerzeit  gern  willig  gedenken,  gedienen  und  on  ver- 
gessen sein.  Er  berichtet  dann  weiter:  „demnach  hat  Schrauttenbach 
J.  Hellwig  von  Lauerbach  gleich  bevolhen  mich  im  Saall  bei  dein 
Essen  zu  behalten.  Darauff  ich  mich  bedankt  und  angesagt  daß 
glych  uffsitzen  und  den  Weg  geynh  Frankfurt  woll  ftirnemen.  Da 
hab  ich  doch  zuvor  mit  dem  Amtman  in  den  Keller  gehn  und  eyn 
Drunk  nemen  müssen.  Hab  also  bei  dem  Herrn  Schrauttenbach  und 
Juncker  Hellwig  mein  freundlichen  Abschaid  erhalten,  der  mir  aber- 
mals zugesagt  des  Tags  und  der  Benennung  Indenk  zu  sein  und 
aufs  fürderlicbste  zu  vollnziehen.  Dabei  plieb  es0. 

Auf  dem  Märkerding  Dienstag  St  Lucastag  wurden  die  Gesand- 
ten der  Herrschaften  vom  Keller  zu  Homburg  gefragt,  ob  sie  mit 
E.  Erb.  Rath  gütlich  Verhöre  annehmen  wollten  oder  aber  rechtlich 
für  s.  gn.  Herrn  den  landgrafen  rurkommen  wollten.  Sie  haben  nach 
einem  Bedacht  dem  laut  man  angezeigt,  und  die  überredt  die  Güte 
zu  verfolgen;  es  ist  solches  durch  Philipp  Ryffenstayn  von  wegen 
der  Märker  öffentlich  zugesagt  worden.  Darauf  wurde  Dienstag  nach 
Martini  als  Tag  zum  Gttteversuch  bezeichnet  Es  eröffnete  denselben 
in  Homburg  der  Edel  und  Ehrenvest  Helwig  von  Lauerpach  mit 
begehr  ihm  etlicho  Schreiber  zuzugeben,  clage  und  Antwort  aufzu- 
schreiben, dann  ihm  solche  Fürtrag  im  Haupt  zu  behalten  unmög- 


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lieb  wäre.  Die  Edelleute  samt  dem  Lantman  erklären  dass  sie  allein 
dem  Waltpott  zu  Ehren,  Ihren  Rechten  unvorgreiflich,  erschienen 
seien;  es  wäre  dem  Weisthum  und  ihren  Markrechten  zuwider  „in 
Bchriften  etwas  zu  handien,  sondern  wollt  E.  Erb.  Rath  etwas  clagen, 
das  sollt  mondlich  geecheen,  und  in  Lufft  geredt  werden ;  wollten  sie 
sich  daruff  bedenken  und  Antwort  geben".  Der  Amtman  sagt  „were 
ihm  nit  müglich  zu  behalten,  was  in  Luft  geredt  werde,  darum  were 
sein  Bitt  noch  als  vor".  Der  lantman  wollte  aber  nit  in  die  Feder 
reden,  begehrten  dass  die  Klage  in  der  Güte  geschehe  mündlich, 
wo  aber  nit,  begehrten  sie  den  Tag  bis  zu  einem  Märkerding  „uf- 
zuschurtzen*.  Als  sich  beiderseits  viele  Rede  verlaufen,  sagt  der 
Amtman  „der  tag  sei  gelayst,  er  konnte  nit  meh  thun",  dann  er 
möge  wol  seinem  gn.  Herrn  anzeigen,  warum  und  wesshalb  sich 
dieser  Tag  gestossen  habe.  Darauf  Eines  Erb.  Raths  Gesandten  dem 
Amtman  gedankt  und  gebeten  dem  Waltpoden  zu  entdecken  dass 
sie  an  dem  Zerstossen  dieser  Handlung  nicht  Schuld  gewesen. 

So  sah  der  Rath  sich  genöthigt  Samstag  nach  Katharina  1524 
rechtliche  klage  zu  erheben.  Die  Form  derselben  ist  hier  nicht  un- 
wesentlich, sie  beginnt: 

„An  Herrn  Philipsen,  Landgraven  zu  Hessen.  Durchlauchtiger, 
hochgeborner  Fürst!  E.  F.  Gn.  seien  unser  unterthänig  willig  Dienst 
alles  Fleiss  zuvor  bereit  —  Gnädiger  Herr.  —  Der  Irrung  und 
Gebrechen  halben  so  sich  zwischen  dem  lantman  und  unsern  Mit- 
merkern  der  Homburger  Mark  eyns  —  und  uns,  unser  kupferschmitten 
halben  zu  Bonemesa  anderntheils  erhalten".  Die  Klage  gedenkt  im 
Eingang  der  Verhandlungen  vor  dem  Märkergeding,  und  des  Güte- 
versuchs  bei  welchem  aber  „nichts  fruchtparlichs  gehandelt8  weiset 
hin  auf  den  genommenen  Augenschein  und  die  Offenkundigkeit  dass 
die  kupferschmitte  in  der  Mark  liege,  deshalben  wie  andere  Schmit- 
ten darin  gelegen ,  Markrecht  habe.  Viel  Jahre  habe  sie  dies  Recht 
geübt,  der  Keller  tu  Homburg  habe  der  Märker  Verbot  wiederum 
geöffnet.  Es  wäre  unbillich  dass  dem  grossen  Haufen  der  Märker 
gestattet  werden  sollt  den  cläger  von  seinen  offenbaren  Markrechten 
ohn  einig  vorgehend  Gericht,  recht  oder  Erkantniss  zu  verunrechten, 
dieser  wisse  anders  Niemands  um  gebür liehe  Hilf  „dann  den  obersten 
Waltpotten  und  Herrn  der  Homburger  Mark"  anzurufen.  Die  Bitte 
geht  dahin  Se.  F.  Gn.  wolle  gnädigl.  verfügen,  dass  der  Schmitten 
kolen  bis  zu  Austrag  der  Sachen  zugeführt  werden,  und  den  so 
kolen  fuhren,  für  schaden  sein  und  dass  sie  Arges  nit  zu  gewarten 
haben.  „Wo  dann  die  Märker  je  vermeinen  wollten,  dass  solüchB  nit 
sein  sollt,  so  wollen  wir  ihnen  desshalb  fürderlichs  und  schleunigs 


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-    380  - 

rechtes  vor  E.  F.  Gn.  als  dorn  obersten  Walltpotten  und  Herrn  der 
Markh,  nit  vor  sein,  des  wollen  wir  uns  ...  zu  Ew.  F.  Gn.  als 
unserm  gn.  Herrn  untertheniglich  verdrehten  und  solchs  alles  Vleis 
umb  dieselben  E.  F.  Gn.  wiederumb  zu  verdienen  willig  und  bereit 
erfunden  werden".  Der  Rath  bittet  zuletzt  um  schriftliche  geneigte 
Antwort 

Diese  erfolgte  schon,  von  Cassel  aus,  Montag  nach  Andrea 
Ap.  Sie  war  ausweichend,  im  Gefühle  einer  bescheidenen  Machtstel- 
lung abgefasst  Der  Waltpott  schreibt:  er  sei  nit  gemeint  die  Zufüh- 
rung der  kolen  zu  hindern,  sondern  des  Gemüts  so  viel  an  ihm  läge 
kolen  zuzuführen  zu  gestatten,  dass  er  aber  vor  Schaden  sein  und 
dem  gebürliche  Verhütung  thun  solle  „das  will  uns,  als  ihr  selbe  zu 
ermessen  habt,  beschwerlich  sein.  Wir  lassen  aber  geschehen,  dass 
ihr  auch  etwas  besess,  soviel  recht  ist,  geprauchet,  was  uns  dann 
unsern  theils  als  aynem  obristen  Waltpotten  und  Herren  der  Marek 
dartzu  zu  thun  gebürt,  an  dem  soll  an  uns  keynn  Ifangeil  gespürt 
werdenn". 

Zum  Schlüsse  dieser  Verhandlungen  findet  sich  dann  in  den 
Akten  Mglb.  E.  29.  IIb.  S.  95  noch  eine  förmliche  KlagBchrift  des 
Raths,  welche  mit  den  Worten  beginnt:  Für  euch,  den  ernvesten 
und  verordneten  Rathe  des  durchl.  hochgeb.  Fürsten  u.  H.  etc.  er- 
scheinen Eines  E.  Raths  zu  Frankfurt  AnwäJde  zu,  „gegen  und  wi- 
der die  ernvesten  und  ersamen  landtman  und  Merker  der  Homberger 
Mark,  und  bringen  nachfolgende  Meynung  in  schlechter  erzelung 
der  Geschieht  in  Recht  klagweiß  für",  und  sagen,  dass  wiewol  die 
kupfermülc  zu  Bonamese  in  der  Homburger  Mark  und  derselben 

bezirk  gelegen  sei,  und  desshalb  Markrecht  hab,  so 

sei  doch  auf  begehr  des  gem.  lantmans  und  Merker  der  Hom- 
berger Mark  verboten  worden,  dass  der  kupferschmitt  zu  Bona- 
mes a   und   den   Inhabern   derselben    kolen    aus   der  Mark  zu- 

• 

geführet,  oder  um  ihr  Geld  verkauft  werden  solle.  Verhandlungen 
auf  den  M&rkerdingen  und  Gttteversuch  seien  vergeblich  gewesen. 
Demnach  sei  der  Anwälte  „in  recht  bit  und  begehr  an  die  verord- 
neten Ruthe  ....  sie  wollen  mit  endlichem  Rechtspruch  sprechen, 
urtheilen  und  erkennen,  dass  vielgemelter  gemainer  lantman  und 
M&rker  der  Homburger  Mark  solch  Neuerung  fllrzunohmen  und  Ver- 
pot  legen  zu  lassen  und  zu  verschaffen  nit  gepürt  und  daran  Unrecht 
gethan  habe,  dass  auch,  solch  vermeintlichen  Verpotts  onangesehen, 
der  kupfermul  zu  Bonemesa  und  Inhabern  derselbigen  Markrecht 
gleich  andern  Merkern  .  .  folgen,  gedeyen,  auch  Holz  und  kolen 
zugefürt  werden  sollen  und  mögen;  alles  mit  erstattenden  kosten  und 


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-    381  - 


schaden  ....  mit  ferner  angehängter  Bitt,  in  diesem  Fall  was  Recht 
sei  zu  sprechen,  und  ihnen  den  Anwälden  anstatt  eines  Erb.  Raths 
zu  Frankfurt  dasselbe  mitzutheilen,  auch  den  Gegentheil  uff  solche 
Klag  zu  antworten  und  den  krieg  für  allen  Dingen  zu  befestigen 
anzuhalten8.  Es  folgt  zum  Schluss  der  gewöhnliche  Vorbehalt  die 
Klage  zu  mehren  und  zu  mindern. 

Wie  diese  Sache  zu  Ende  gegangen,  darüber  findet  sich  weiter 
nichts  vor.  Wahrscheinlich  hat  der  Rath  für  klug  angesehen,  sie 
beruhen  zu  lsssen.  Im  Jahre  1561  wurde  sie  auf  einem  Märkerding 
wieder  angeregt:  Es  hab  sich  in  kurzer  Zeit  ein  Messerschmit  gen 
Bonames  gesetzt,  der  verbrauch'  zu  seinem  Hantwerk  soviel  kolen 
und  Holtz,  dass  es  der  Mark  zu  grossem  schaden  reiche;  desshalb 
auch  die  Hufschmid,  Waffenschmid ,  kopferschmid,  Schlosser  und  an- 
dere in  der  Mark  gesessen,  darüber  klageten  es  kom'  ihnen  zu  gros- 
ser beschwerung,  dann  der  Messigschmid  näm'  die  kolen  so  theuer, 
das»  sie  keine  kolen  können  bekommen,  er  halte  auch  einen  sonder- 
lichen knecht  und  ein  Pferdt  des  Walds  halben,  der  ihm  Holz  und 
kolen  zuführe.  Darauf  haben  sich  die  Märker  besprochen  und  bedacht 
dass  vor  Jahren  eine  kopferschmitte  zu  Bonmes  sei  gewesen,  die  sei 
abgangen,  aber  anstatt  derselbigen  sei  eine  BapiermttH  eingerichtet 
in  dero  wol  soviel  oder  mehr  Holz  und  kolen  verbraucht  werden 
als  zuvor  in  der  kopferachmitten  verbraucht  seien,  dass  aber  gar 
darüber  nun  auch  eine  kopfer-  oder  messig-achmitten  (zu  verderbung 
des  Walds)  angerichtet  sei  oder  wöll  werden  Das  sei  gar  ein  neues. 
Auch  einen  Glasmacher  haben  die  Märker  nit  wollen  leiden,  ebenso 
Eschenbrenner.  Henrich  Riedesell  hab  wollen  Kalk  zu  Obern  Espach 
lassen  brennen,  aber  die  Merker  habens  ihm  versagt  So  sagten  sie 
auch  wegen  des  messigschmid  sie  wollen  ihm  soviel  Holz  und  kolen 
als  er  zu  seiner  gemeinlichen  Haushaltung  bedürf,  gleich  einem 
andern  Merker  gunnen  und  nit  wehren,  aber  Holz  und  kolen  zu 
seinem  Hantwerk,  das  könnten  und  wollten  sie  nit  leiden. 

Auch  hier  bei  dem  Rechtsverhältnisse  der  Ausmärker  werden  wir 
wieder  hingewiesen  auf  den  Stolz  den  der  Märker  an  den  Tag  legte,  dass 
er  in  der  Mark  auf  seinem  eignen  Grund  und  Boden  stehe.  Würde, 
so  heisst  es  auf  dem  Märkerding,  Catharinentag  1401,  ein  Märker 
begriffen  der  die  Mark  schädigte,  den  sollen  die  Märkermeister  oder 
Förster  rügen  und  nit  pfänden,  der  solle  zu  büß  verloren  haben 
xv  tornese.  Würde  aber,  so  heisst  es  weiter,  ein  Ausman  in  der 
mark  begriffen,  der  da  innen  gehauen  hätte,  der  hätte  „lip  und  gut 
verloren,  und  sulde  man  den  Manne  antworten  dem  Walpoden,  der 
raitlme  leben  mag  wie  er  will,  anc  den  dot  und  lemede";  die  Pferde 


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-    382  - 


Bollen  werden  dem  lantman,  und  von  den  Pferden  den  Märkermeistern 
viü  ß  heller,  und  Wagen  und  Geschirr  den  Förstern.  Ebenso  wurde 
auf  dem  Mfirkerding  von  1438  gesagt:  wäre  es  dasa  ein  Märker  in 
derMarg  begriffen  würde,  den  solte  man  nit  pfenden  sondern  rügen, 
der  solte  xxx  Schilling  geben,  davon  solt  werden  ein  Pfund  den 
Märkcrmeistern  und  x  ß  den  Furstern.  Wurde  aber  ein  ußwendig 
man  dar  inne  begriffen,  da  soll  man  den  Mann  antworten  eym 
Walpoden  mit  dem  mag  er  umbgeen  wie  er  will,  also  dass  er  ihn 
nit  töde  oder  lühmete. 

Die  Bezeichnung  als  Ausmärker  enthielt  also  keineswegs  bloss 
die  Erklärung  dass  Jemand  nicht  an  dem  Gebrauch  der  Mark  theil- 
zunehmen  berechtigt  sei,  sondern  auch  dass  der  Schutz  der  Mark 
ihm  entzogen,  dass  er  der  Gewalt  des  Waldbotten  uberlassen,  dieser 
bei  Waldfreveln  zu  überliefern  sei. 

Im  Jahre  1551  wurde  auf  dem  Märkerding  geklagt,  dass  die 
Arnßheimer  und  die  von  der  Wyll,  eine  Hege  so  dem  Walde  zu 
gute  gemacht  war,  verwüstet  hätten  ;  sie  sollen  für  solche  Ueber- 
fahrung20fl.  den  Märkern  zurBuss  geben,  wenn  sie  nit  in  14 Tagen 
bezalt,  sollen  sie  für  Ausmärker  „eingetrieben*  werden.  Weiter  die- 
weil  der  Schultheiss  zu  Reiffenberg  in  einem  verbotenen  Hegewald, 
der  Scharterwald  genant,  Holz  erlaubt  hat,  und  doch  kein  Holzgeber 
noch  Merkermeister  nit  ist,  soll  er  den  Merkern  10  fl.  zu  Bus*  ge- 
ben, in  14  Tagen  vorlegen;  wo  nit  so  sollen  sie  vor  Ausmärker  ge- 
halten werden.  Im  folgenden  Jahre  ist  der  Häge  am  Pfutzenberg 
gedacht,  so  durch  die  Reiffenberger  und  Arnoltshainer  verhauen  sei. 
Dann  heisst  es  1554  das»  die  Reiffenberger  noch  kein  Bcweisung  des 
Bettsteins  wegen  gethan;  endlich  Heisst  es  im  Jahre  1562,  dass  der 
Dielnberg  oder  BeÜnstein  und  der  kleine  Be  tstein  ausgelocht  wer- 
den solle,  auf  dass  keine  Irrung  derenhalb  furfalle,  doch  onbegeben 
den  grossen  Bettstein;  durch  die  Arnßhainer  sei  eine  Säuheck  in  der 
Höhmark  gemacht,  und  viel  Holz  dazu  gehauen  und  verderbt  wor- 
den, die  Märker  haben  auch  angezeigt :  die  Reiffenberger,  Arnßhainer 
und  andere  jenseit  der  Höhe,  als  die  Mark  ausgegangen  worden, 
seien  sie  in  dem  Scharterwald  von  dem  rechten  Lochwege  einen 
andern  Weg  gegangen,  haben  den  Dielnberg,  den  grossen  Bettstein 
und  den  kleinen  Bettstein  alle  von  der  Mark  gegangen,  so  doch 
allein  um  den  grossen  Bettstein  Irrung  gewesen;  als  auch  diese 
gelocht  worden,  so  haben  darnach  die  Reiffenberger  ohn  Wissen 
und  Willen  der  gemein  Merker  die  gehauenen  Loch  an  dem  kleinen 
Bettstein  ausgehauen,  und  haben  darüber  den  grossen  Bettstein  ihnen 
zu,  und  den  Märkcrn  abgelocht  —  haben  die  Merker  sie  uff  diesmal 


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von  der  Mark  ausgeschlossen,  wollen  sie  für  Ausmärker  erkennen 
und  halten.  Im  folgenden  Jahr  begehren  darauf  die  zwen  Stamm 
von  Ryffenbergk  and  Hattstein  Anzeig,  warum  die  Mark  er  ihre  Un- 
terthanen  aus  der  Mark  geschlossen.  Die  Marker  geben  an:  die  Un- 
terthanen  haben  gut  Wissens  dass  sie  in  viele  Wege  der  Märker 
Ordnungen  zuwider  gelebt,  seien  auch  noch  vieler  alter  Bussen 
schuldig;  die  Byffenbergsen  und  Arnßhainer  seien  ein  tbeil  des 
Scharterwalds  und  den  Dielnberg,  den  kleinen  und  den  grossen 
Bettstein  von  der  Mark  gegangen  „darumb  können  die  gemein  Mer- 
ker sie  nit  für  Mitmerk  er  erkennen".  Den  Förstern  wird  befohlen, 
wo  sie  die  Byffenbergsen  oder  Arnßhainer  in  der  Mark  betreten, 
sich  dero  zu  gebrauchen,  so  sollen  sie  dieselbigen  „mit  lyben  und 
Hab  gen  Hombergk  dem  Waltpoten  liefern  zu  straffen  als  Ausraer- 
ker".  Darauf  fanden  sich  die  beiden  Ortschaften  erbötig  sich  mit 
den  Merkern  der  ganzen  Mark  zu  einem  gütlichen  Vertrage  zu  ver- 
gleichen; es  wurde  auf  den  25.  Oct.  1565  ein  gütlicher  Tag  nach 
Homburg  vor  der  Höhe  eingesetzt  um  die  Irrungen  der  Märker 
diesseits  und  jenseits  der  Höhe  zu  entscheiden.  (Mglb.  E.  29.  III. 
S.  12  ff.  S.  33.  37.) 

Theidigungstag.  Es  bildete  sich  früh  schon  der  Gebrauch 
aus,  dass  nur  die  wichtigen  Gegenstände  bei  dem  ganzen  Märkerding 
verhandelt  und  zur  Entscheidung  gebracht  wurden,  andere  wurden 
nur  dem  Märkerding  mitgetheilt,  von  diesem  dann  ausdrücklich  oder 
«tillschweigend  einem  Ausschusse  zur  Erledigung  überwiesen.  So 
wurden  insbesondere  die  oft  sehr  zahlreichen  BUgen  nur  verlesen, 
den  Betroffenen  stand  es  frei  sogleich  sich  zu  verantworten ,  zu  ver- 
theidigen,  oder  auch  14  Tage  nachher  auf  einem  Ausschusstag  zu 
Homburg  dies  zu  thun  «°.  Dieser  Tag  welcher  vorzugsweise  sich  mit 
dem  vertheitigen  odertaidingen  der  Gerügten  zu  befassen  hatte,  hiess 
desshalb  der  Theitigungstag  oder  auch,  weil  die  Vertheitigung  meist 
gar  nicht  versucht  wurde,  der  Bußsatztag,  oder  gar  der  Afterbus- 
theidingstag. 

Ein  sehr  unleserlich  geschriebener  Bericht  über  den  Tag  Don- 
nerstag nach  Conception  Mariae  1478  (Mglb.  E.29.  II*.  S.22.)  theilt 


r*o  So  in  der  Schweiz  die  Nachgemeinde,  8  oder  14  Tago  nach  der  grossen 
Landsgemeinde,  welche  öfters  von  den  Wahlen,  ganz  in  Anspruch  genommen 
war.  Sie  gehört  zu  dem  regelmässigen  Organismus  der  Behörden.  Die  Ver- 
pflichtung zum  Erseheinen  fällt  bei  dieser  weg;  sie  wird  schwächer  besneht 
Blumer,  Staats-  n.  R.-Gesch.  d.  Schw.  D.  II.  S.  103. 


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-    384  - 


mit  wie  die  beiden  Männer  von  Nieder-Erlenbach ,  welche  Holz  aus 
der  Mark  verkauft  hatten,  nach  Homburg  beschieden  waren.  Mit 
ihnen  erschien  Erwin  Doge],  damals  nur  als  Amtman  zu  Erlenbach, 
Ludwig  Waldeck,  Schultheiss  von  Hoemburg,  Pilipps  von  Redelnheira 
der  Jung,  Amtman,  der  Junker  von  Eppenstein,  Bechtold  von  Espach, 
Märkermeister,  u.  A.  m.  Da  erzählte  Philipp  von  Redeinheim,  es 
wär  auf  St.  Katharinentag  auf  der  Aue  vor  Ursel  dieser  Tag  6i  in 
Homburg  gesetzt  worden,  dass  die  von  Erlenbach  taidingen  sollten 
„und  dem  lantman  darbei  zu  sina,  da  es  sich  gebühre  dass  die  Männer 
vor  seinen  gn.  Jungherrn  den  obersten  Waltpotten,  den  Märker- 
meistern  und  dem  lantman  zu  büßen.  Darauf  sagte  Erwin  Dogel 
„die  armen  von  Irlebach  wären  also  da  zu  taidingcn  und  bäten  um 
Guade  und  gingen  daruff  uß.u  Also  unterredete  sich  der  Amtman 
Philips  von  Redeinheim,  Bechtold  von  Espach  9und  etliche  vom  lant- 
man, der  nit  vi!  da  waß";  man  war  der  Meinung  dass  die  Märker- 
meister und  lantman  nit  unterstünden  zu  taidingen,  da  wolte  der 
Amtman  seines  gn.  Junkhern  Meinung  auch  nicht  geben.  Darauf 
sagte  Erwin  Dogel,  sein  Jungher  war  oberster  Walpott,  so  die 
Männer  vor  sein  Gnaden  getaidinget  hätten,  hofften  sie  bei  den  an- 
dern desto  baß  gnade  zu  erlangen,  dann  der  bruch  stund  uff  sage 
und  wäre  klar.  Es  erhob  sich  aber  bedenken  hiergegen.  Also  sind 
sie  wieder  in  die  Stube  gegangen,  da  allerlei  geredt  worden,  der 
lantman  meinte  wieder,  dass  man  so  nit  „getaidingen"  könne ;  Erwin 
Dogel  darauf:  die  armen  leute  würden  also  unfreundlicher  Weise  zu 
kosten  bracht,  und  umgeführet,  und  bat  noch  ab  wie  vor  das  taidin- 
gen ufzunehmen,  aber  da  dies  nit  sein  möchte,  daß  dann  die  gemein 
zu  Irlebach  wieder  zugelassen  werde,  sich  der  Mark  zu  gebrauchen, 
denn  es  sei  unbillig,  obe  ein  oder  zween  von  ihnen  verbreche,  daß 
darum  eine  ganze  Gemeinde  solle  verstoßen  sein.  Darauf  erzählte 
PhiL  von  Redeinheim  wie  der  lantman  nit  all  da  wäre,  nachdem  dann 
die  sachen  lange  gestanden,  so  könnten  sie  itzt  die  von  Irlebach  nit 
zulassen,  da  das  müsste  durch  ein  gemein  Märkerding  geschehen. 
Hat  man  sich  abgeredt  daß  man  uff  Montag  nach  Halbfasteu  uff  die 
Au  zu  Ursel  zu  einem  gemein  Märkerding  käme  und  dazu  Märker- 


C1  Es  6odet  sich  Uber  diesen  Tag  noch  ein  kurzer  Uericht  in  Mglb.  £.  29. 
II.  S.  20b  :  da  die  Erlenbacber  Holz  aus  der  Mark  verkaufet,  sei  ein  Versuch 
der  (iüte  anberaumt  worden,  da  auf  dem  Tag  kein  ziemlich  Usstrag  oder  Güt- 
lichkeit zu  erlangen,  so  sei  auf  ein  voll  M&rkerdiug  erkannt  worden,  was  nach 
altem  Herkommen  billig  sei.  Es  war  demnach  jener  Tag  nicht  der  eigentliche 
Theitigungstag. 


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—    385    —  • 


meister  und  den  lantman  allenthalben  mit  Macht  in  die  Sache  zu 
kommen  verbotten.  Erst  auf  Montag  nach  Sontag  Lätare  1479  ist 
wieder  von  einem  Märkerding  berichtet,  vor  Ursell  auf  der  Au.  Es 
haben  die  zwei  Männer  vor  dem  Jungher  von  Eppenstein  angefangen 
zu  taidingen  und  werden  von  diesem  gebüßt  um  1  Achtel  Haber. 
Darnach  9hat  man  mit  dem  lantman  getaidingt*  also  dass  die  Männer 
ihm  büße  geben,  item  für  Bechtold  von  Espach,  Märkermeister,  der 
saget  er  wolle  sein  büße  der  armen  fallen  lassen ;  ,,damit  sollich  bruche . . 
vertaidingt  ist"  ;  es  werden  die  von  Irlebach  wieder  zugelassen. 

In  dem  Instrument  von  1484  ist  auch  über  das  theidigen  Weis- 
ung geschehen.  Art.  17  sagt  desshalb :  Wer  gerüget  wird,  dem  soll 
man  seinen  Sühntag  vor  Ursel  auf  die  Au  bescheiden  und  gelüst  den 
daselbst  zu  theydigen,  das  mag  er  thun;  und  ob  einer  auf  denselben 
Tag  nit  theydigt  so  soll  man  ihm  ein  andern  Tag,  nemlich  darnach 
Uber  14  Tag  gen  Homburg  bestimmen.  Theydigt  er  auf  dem  da- 
selbst auch  nicht,  so  mag  ihn  der  Waldbott  und  Märkermeister,  jeg- 
licher nach  seiner  Gebühr,  vor  ihre  verfallnen  büß  pfänden. 

In  derOrdnung  von  1594  heist  es  im  Art.  29  :  Ein  jeder  Flecken 
solle  seine  Bußfälligen  dahin  halten,  dass  sie  ihre  Bußen  auf  den  zwei 
thedingstageu  zu  Ursell  oder  Homburgk  erlegen,  sonst  sollen  die 
Nachbarn  alle  als  Ausmärker  eingetrieben  werden,  bis  die  Bußen  er- 
legt sind,  und  wollen  die  Märker  zugeben  dass  die  büßen  ohn  ge- 
taidingt  gesetzet  und  erhoben  werden.  Im  Art.  50  ist  vorgesehen, 
dass  keine  büßen  getheydingt  werden,  die  seien  denn  zuvor  auf  der 
Au  gerüget  worden. 

Auf  dem  Märkerding  am  27.  Mai  1607,  nachdem  die  Kugzettel 
verlesen,  sagt  der  Keller:  wer  anjetzo  nit  thätigen  wollte,  sei  iuner 
14  Tagen  nach  Honiburg  verwiesen. 

Im  Jahre  1703  werden  bei  Gelegenheit  der  vorgebrachten  Be- 
schwerden gegen  die  Uebergriffe  des  WTaldpotten  bemerkt :  bei  den 
Bußsatztägen  seien  beide  Märkermeister  und  die  Schultbeissen  der  in 
die  Hohe  Mark  gehörigen  Hauptflecken  zugegen,  und  würden  keine 
anderen  Verbrechen  daselbst  gethaitigt,  als  welche  bei  dem  Märker- 
ding angezeiget  und  gerüget  worden,  dahero  auch  einem  jeden 
Märker  freistehe  entweder  vor  öffentlichem  Märkergedi ug  oder  aber 
dem  folgenden  Bußsatztage  seine  Markbuße  zu  erlegen. 

Da  in  dem  Instrument  ein  fester  Tag  für  das  Theitigen  ange- 
setzt war,  so  wurde  ganz  mit  Recht  strenge  darauf  gehalten.  Der 
Anwalt  unterliess  es  nicht,  als  er  die  Rechte  der  Märker  allmälig 
kürzte,  auch  über  diese  Bestimmung  sich  hinauszusetzen.    Im  Jahre 

2f> 


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1644  findet  sich  auf  einem  Zettel  auch  die  Notiz,  wahrscheinlich  des 
Landbereiters  Zeundel,  dass  die  Ruhe  (Rüge,  Theidigung)  nacher 
Homburg  v.  dato  über  3  Wochen  angesetzt  sei  „umb  gewisser  Ur- 
sachen willen"  welches  die  Märkermeister  mit  Protestation  dass  dem 
Herkommen  nichts  präjudiret  werde  geschehen  lassen.  — 

Noch  ist  aus  der  stürmischen  Reformationszeit,  aus  dem  Jahre 
1524,  das  Märkerding,  Dienstag  sant  Lucastag,  zu  erwähnen.  Der 
Keller  von  Homburg  fragt  ob  etliche  Mängel,  Gebrechen  oder  Scha- 
den in  der  Mark  wären,  die  seien  jetzt  dem  Märker  und  gemeinen 
lantman  zu  entdecken.  Der  lantman  antwortet:  Er,  der  Amtman, 
möge  die  Förster  darum  fragen.  Diese  gerufen,  ob  auch  die  Gebott 
in  der  Mark  seien  gehalten  worden,  sagen  nein;  und  erhub  sich 
also  vielerlei  Rede.  Der  Amtmsnn  sagt  sie  würden  zulezt  die  Wald- 
ung gar  verderben,  die  armen  Leute  würden  den  grössten  Schaden 
dadurch  haben,  sie  könnten  kein  Holz  hauen  und  wären  doch  am 
Waldverderb  nit  Ursach ;  wenn  sie  weise  wären,  sie  würden  wohl 
anders  schreien.  Die  Märkermeister  beklagten  sich  dass  die  von 
Oberursel  und  von  Niedern  Eschpach  nit  wollten  der  bueß  halb 
thevdingen.  Da  ruckte  ein  Männlein  von  Oberursel  auf  einem  Pferd 
herfür,  sagt,  er  wäre  bescheiden  zu  reden.  Das  von  den  Märker- 
meistern  angeregte,  als  solten  etliche  zu  th eidigen  sich  geweigert 
haben,  solches  möcht  wol  also  bescheen  sein ;  doch  aus  dieser  Ursach, 
denn  die  Märkermeister  hätten  selbst  gebrochen.  Nuh  stund  im  In- 
strument „wenn  sie  brüchig  würden,  so  wäre  der  lantman  zu  tey- 
dingen  nit  schuldig,  und  wenn  der  Abt  Würffei  trüg  so  were  dem 
Mönch  spielen  erlaubt".  Darum  wollten  sie  nit  teydingen,  sondern 
bei  dem  Instrument  bleiben.  Helwig  von  Lauerpach  bemerkte  da- 
gegen, der  lantman  woll  hierin  sein  Nutz  nit  prüfen,  so  würden 
alle  Märker  in  Wald  fahren  und  den  ganz  verderben,  dass  je  ein 
gemeiner  Nutz  nit  wäre.  Darum  sollten  sie  itzo  alsbald  mit  den 
Märkerme istern  teydingen.  Darauf  ward  ein  gross  Geschrei  vom 
lantman,  sagte,  sie  wollten  das  itzo  nit  thun,  es  were  nit  also  her- 
kommen, sie  wollten  bei  dem  Instiument  bleiben.  Also  sagt  Job. 
Brendel,  Märkermeister:  Er  wtisst  nit  anders  denn  das  Instrument 
drückt  klarlich  aus,  wo  ein  Märkermeister  verfüre,  so  sollt  alsdann 
diejenen  so  nach  ihm  obertreden  nit  taidingen,  daraus  folge  nit 
dass  diejene  so  vor  ihm  gebrochen  hätten,  darum  zu  taidingen  nit 
schuldig  weren ;  und  welcher  mit  seinem  Eide  darthun  möcht,  dass 
er  nach  ihm,  dem  Märkermeister,  gehauen  hätt,  dem  sollt  nichts  ab- 
gefordert werden.  Aber  die  Märker  schrieen  gemainlich  darwidder, 
sagen,  sie  wollten  bei  dem  Instrument  bleiben.    Der  Amtman  Hess 


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-    387  - 


aus  jedem  Flecken  2  Personen  zum  Ausschuss  verordnen  und  ein 
Antwort  verfassen.  Nach  lang  gehabter  Unterredung  des  Aus- 
schusses ist  das  Mendlin  von  Oberursel  abermals  her  für  geruckt,  er 
hab  befehl  zu  sagen  dass  die  Personen  so  nit  getaydingt  nochmals 
bei  dem  Instrument  und  den  Zetteln,  wie  die  auf  nächstgehaltnem 
Märkerding  verlesen  worden,  bleiben  wollten,  es  bedünk  sie  unbillig 
sein,  dass  sie  bei  ihren  Eiden  sagen  sollten,  auf  welche  Zeit  sie  das 
Holz  gehauen  haben.  Es  seien  etliche  die  sagen,  er  soll  reden  was 
sie  ihm  befehlen  oder  sie  wollten  ihm  den  Kopf  zerschlagen ;  wo  nuh 
solches  besehene,  und  ihm  der  Kopf  zerschlagen  wUrde,  so  erschlu- 
gen sie  je  ein  arme  Kreatur,  er  hätt  aber  noch  Linder,  die  wurden 
das  nit  ongerochen  lassen.  Und  darauf  redd  das  Menlin,  es  ging 
die  Rede  Joban  Brendel  were  auf  die  Dörfler  geritten,  hiltt  die  buoß 
ingefordert,  habe  vorgegeben  die  von  Obern  Ursell  betten  getay- 
dingt, das  were  doch  nit  also  „mit  Einziehung  eines  Schimpfs  des 
Schulthissen  von  Bonamesa  wolt  solchs  also  geredt  haben*'.  Dieweil 
aber  solch  Wort  in  Schimpf  geredt,  lacht  der  Schultis  und  gestund 
das  nit  „als  auch  daran  ihm  onrecht  beschah".  Also  sagt  Joban 
Brendel :  welcher  das  von  ihme  redt,  der  sagt  nit  wahr.  Er  hätt  au 
den  von  Homburg  angefangen,  allein  Nachred  halben,  dass  nit  ge- 
sagt würd,  er  wollt,  dieweil  er  zu  Homburg  wohnet,  die  Urseller 
hassen  und  an  ihnen  anfallen.  Dieweil  aber  nichts  fruchtbares  mögen 
erlangt  werden,  hat  der  Amtman  gesagt:  er  wolle  das  seinem  Herrn 
anzeigen.  So  ist  damals  nicht  getaidingt  worden.  (Mglb.  E.29,  II1'  S  88.) 

Von  ungleich  grösserer  Bedeutung  als  in  der  hohen  Mark,  war 
der  Ausschuss  in  der  Seulberger,  Erlenbacher  etc.  Mark.  In  jener 
bestand  er  aus  den  Märkermeistern  und  den  Schultheissen  weniger 
Hauptflecken,  er  bildete  gleichsam  die  Vertretung  der  verschiedenen 
Regierungen  und  seine  Thatigkeit  war  vorzugsweise  eine  richter- 
liche; die  Schultheissen  stellten  die  Gerichtsschöffen  dar.  Der  letztere 
Ausschuss  war  in  mancher  Beziehung  verschieden,  sowohl  was  die 
Befugniss  als  was  die  Zusammensetzung  betraf.  Er  nahm  mehr  und 
mehr  die  Stelle  des  Märkerdings  selbst  ein,  verglich  sich  über  die 
Wahl  derMärkermeister  ebenso  wie  über  die  vorzuschlagende  Wald- 
ordnung, verglich  sich  mit  den  Verordneten  des  Waldpotten  und  den 
Märjcermeistern  über  den  Eintrieb  von  Schweinen  in  die  Eckern, 
und  hatte  ausserdem  auch  die  Frevel  zu  strafen,  welche  beim  Mär- 
kerding nicht  erledigt  worden.  Es  gehörten  zu  diesem  Ausschusse 
neben  den  Märkermeistern  die  Schultheisse  und  Burgermeister  sämmt- 
licher  6  Dörfer.   Diese  wurden  als  Markhäupter  bezeichnet. 

2.r>* 


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Samstag  nacb  Oculi  1553  sind  auf  Erforderung  des  Waltpottens 
der  Ausschuss  gemeiner  Märker  der  Seulberger  und  Erlenbacher 
Margk,  die  Krnvesten  und  ersamen,  neinlich  anstatt  und  von  wegen 
des  Waltpotten,  Joh.  Abt,  Keller  zu  Homburg  v.  d.  H., 
Item  aus  Petterweil  der  Edel  und  Ernvest  Pilips  Friderich  Haber- 
korn von  Zellingen,   Eißenburgischer  Amtmann,  Heinrich  Hu- 
bert, Solmsicber  Keller,  und  Gernhard  Zubrodt,  Schuld!*  da- 
selbst; 

Item. aus  Nidern  Erlebach:  Philips  Schefer,  der  Schulteiß,  Wendel 

der  Bender  und  Hans  Broli,  Burgermeistere ; 
item  aus  Seulbergk:  Hanß  Bockenheim,  Schultis,  Wolffs  Thomaß 

und  Henß  Steingesser,  Burgermeistere; 
item  aus  OberErlenbach :  Erarich  Bommerscheim,  Schultheiß,  Lenhart 

und  Hanß  Mauß,  Burgermeistere; 
item  aus  Burgkholzhausen  Erarichs  Henn,   Schultis,  Engelbert  und 

Heiin  Johan,  Burgermeiustere; 
item  aus  Kuppern  ...  Peter  anstat  desselbigen  Schultesse,  Endrcß  der 

Eulner  und  Heiin  Veitin, "  Burgermeinstere, 
in  Emrichs  des  Schultessen  Hauß  zu  Ober  Erlepach  erschienen,  sich 
daselbst  einer  Orduung  ...  wie  es  ein  Jahr  langk  bis  uff  ein  andern 
Merckertag  gehalten  soll  werden,  und  solches  „den  gemein  mer- 
kern uff  nechst  kommenden  mitfasten  Sontag  dieses  53  Jars  der 
Margk  zu  gutem  zu  verkünden,"  verglichen  und  entschlossen  wie  folgt. 

In  der  Ordnung  der  Sculberger  und  Erlenbächer  „und  zugleich 
anderer  Flecken  Margk44  vom  Jahre  1588  wird  ebenso  festgesetzt, 
was  dnrch  „den  Ausschuss  und  Häupter  deren  Flecken"  einhellig 
beschlossen  und  uffgerichtet  worden.  Doch  heisst  es  später :  Märker- 
meister  belangend,  ist  gemeinter  Ausschuss  bedacht  schierst  künftigen 
Sonntag  Lätare  auf  dem  Markgeding  ufs  neue  einmütiglich  zu  bitten 
den  Edlen  und  Vesten  Friedrichen  von  DoebschUtz  etc.  ihr  Amt 
noch  ein  Jahr  lang  zu  tragen. 

Da  die  Märker  hier  sich  nicht  streng  an  den  Wortlaut  des  In- 
struments hielten,  erlaubte  sich  sehr  bald  auch  der  Anwald  des  Wald- 
botten  Eigenmächtigkeiten.  Im  Jahre  1592  heisst  es:  demnach  daa 
Instrument  mit  klaren  Buchstaben  ausweiben  thut,  dass  ein  jeder 
Herr  so  Homburg  mit  Ehren  und  recht  in  hatt,  fUr  einen  OberHerrn 
und  Waltpotten  der  Marek  erkannt  werden,  und  jeden  Jars  auf 
Sonntag  Mitfasten,  Laetare  genannt,  die  Marek  mit  Rath  der  Märker 
bestellen  solle,  „welches  wolgeweistes  Recht  von  unsern  lieben  Vor- 
eltern und  uns  bis  auf  diese  gegenwärtige  Zeit  ganz  in  Achtung  ge- 
nommen, sonsten  es  auch  wol  also  gehalten  worden,  dass  von  wegen 


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der  Ungelegenheit  und  des  zeitlich  eingefallenen  rauhen  ungewitters 
die  Märkerhäupter  den  Donnerstag  in  der  Wachen  zuvor  ...  zusam- 
men gekommen  sind,  und  sich  auf  allerhand  Notwendigkeiten  be- 
dacht haben,  wie  gute  Polizei  und  Ordnung  erhalten1'...  und  aber 
alledem  entgegen  des  durchl.  Herrn  Georgen  Landtgraven  zu  Hessen 
...  jetzigen  Herrn  Waltpottens  Diener  und  Anwald  solche  von  Alters 
an  bestimpte  und  bisher  wolgelallige  Zeit,  aus  „andern  ehehafften  Ur- 
sachen und  trefflicheren  Herren  geschäften'4  acht  Tage  lang  zu  die 
sein  mahl  ungeschlagen  und  furter  diese  zween  Tage  indicirt  hat, 
nämlich  den  Mitwoch  nach  Lätare  zu  allerhand  nothdürftiger  Vor- 
bereitung oder  Abrede,  und  dann  den  darauf  folgenden  Sontag 
Judica  zur  Hegung  und  Haltung  des  Markgedings,  so  sind  hierauf 
zu  Ende  benante  Märkerhäupter  in  Petterweil  auf  dem  Rathhause 
zusammen  kommen,  in  Meinung  sich  allda  zu  beradtschlagen ;  ehe 
aber  zu  der  Haupttractation  soll  geschritten  werden,  haben  beiwe- 
sende  Häupter  des  Ufschlags  und  Verlegung  halben  des  Markge- 
dings und  der  Zeit  zum  zierlichsten  protestirt,  protcstiren  auch  noch- 
mals fllr  Euch  dem  ganzen  Unistande  allhie,  dass  dieses  thun  und 
diese  Neuerung  ihnen  und  auch  den  säramtlichcn  märkern  unschäd- 
lich sein  solle.  Zugegen  waren  diesmal  Georg  Vesteuberger,  der  An- 
wald, dann  von  wegen  der  gemeinen  Märker :  Anthonius  Zubrot, 
Sollmischer  Keller  zu  Petterweil  und  „Marckermäister",  Theobald 
Schäfer,  Schultheis  zu  Nider- Erlenbach  und  Marckermäister,  Herr 
Hieronymus  zum  Jungen  von  wegen  des  Burgsesses  Nider-Erlen- 
bach ;  Joh.  Beck,  Schultheiß,  und  Peter  Boch,  Lnntz  Kessel  beide 
Burgermeistere  zu  Holzhausen,  Seifried  Born,  Schultheiß,  und  Peter 
Seh  mied  t,  Heinrich  Grolie  beide  Burgermeistere  zu  Petterweil,  Con- 
rad Lohre  Vice-Schultheiß,  und  Georg  Reiff,  Hannß  Stam,  beide 
Burgermaistere  zue  Köpffern;  Heinrich  Lutzenbruck  genant  Becker 
und  Hanns  Weiphardt  beide  Burgermaistere  zue  Seulberg,  Matthies 
Kracker  und  Joh.  Ermell,  b.  Bürgerin,  zu  Ob.  Erlenbach,  und  end- 
lich Joh.  Schmiedt,  Burgerm  zu  Nid.  Erlenbach.  Und  ist  dieselbe 
Ordnung  hernacher  am  Sonntage  Judiea  den  12.  Martii  an  gewohn- 
licher Wahllstadt  bei  gehegtem  Merckergedinge  dem  ganzen  Um- 
stände „publicirt*  worden. 

Solche  Protestationen  haben  nie  irgend  welchen  Erfolg  gehabt, 
es  ist  nie  die  Zeit  gekommen  in  welcher  eine  muthigere  Generation 
sie  hätte  verwerthen  können.  Schon  im  nächstfolgenden  Jahre  1593 
findet  sich  wieder  ein  solcher  Aufschub.  Georg  Vestenberger,  der 
Anwald,  Hess  den  Ausschuss  am  Donnerstag  nach  dem  Sonntag  Lae- 
tare  bescheiden,  der  „gutwilligen  erschienen1',  und  hat  im  Namen  der 


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t 


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sämmtlichen  Märker  deu  abermaligeu,  gleichwol  aus  bewussten  ehr- 
haften UrBachen  und  treulichen  Herren  geachäften  Ufschlags  des 
Märkergedinges  sich  vor  allen  Dingen  zum  zierlichsten  bedinget,  de- 
ren tröstlichen  Zuversicht,  es  werde  derselbige  des  Herrn  Anwalds 
Anbringen  nach,  „nicht  tolo  malo  oder  ihnen  den  Märkern  zur  nach- 
theiligen (Jonsequenz  und  Präjutiz  sondern  aus  angezogenen  Ursachen 
furgenommen  worden  sein".  Dagegen  aber  Herr  Anwald  Beine  Qe- 
genprotestation  nicht  weniger  der  Gebühr  angestellet  und  dabei  ge- 
deutet hat,  dass  dergleichen  vor  ohngefahr  30  Jahren  auch  beachehen 
und  ftlrgangen  „Bein  solle"  darum  es  „vor  keine  Neuerung  angezo- 
gen werden  könnt"'.  Sonach  waren  nunmehr  die  „trefflichen  Herren 
geschäfte"  der  obersten  Markbeamten  fUr  wichtiger  erklärt,  als  die 
Bestellung  der  Mark  selbst. 

Das  Frankfurter  Archiv  hat  uns  in  den  Akten  Mglb.  E.  30,  IV. 
eine  gerichtliche  Verhandlung  vor  dem  Ausschüsse  der  Seulberger, 
Erlenbacher  etc.  Mark  aus  dem  Jahre  1597  aufbewahrt  Sie  betrifft 
die  Nider-Erlenbacher,  welche  Scliweinssteigen  im  Walde  errichtet, 
Holz  dazu  wider  ergaugnes  Verbot  gefällt  hatten,  und  beginnt  mit 
einer  Citation  an  die  Nider-Erlenbacher  Burgermeister  und  Gemeinde  : 

„Dieweyl  ihr  Burgermeister  und  Gemeind  zu  Nieder-Erlenbach 
„in  Verfertigung  eurer  ieitzigen  Schweinsteyhen  sowoll  wieder  die 
„newliche,  mit  euers  Schultheißen  willen  beschehene  YValdhegung, 
„als  auch  den  jetzigen  zue  Holtzhausen  durch  die  marckerhäupter 
„ufgeriechten  mast-  oder  eckern  beschluss  freuentlich  mißhandlet, 
„und  nit  allein  der  marcker,  sondern  auch  eures  Schultheißen  selbsten 
„treuliches  Abmahnen  verächtlichen  in  Wiende  geschlagenn  / 

„Allß  haben  gemeine  Marckerheupter  zu  bestraffung  solches 
„frevels  und  muthwillens  Sampstags  nach  Martini  den  12.  huj.  schierst 
„künfftig  abermalß  eine  Zusammenkunfft  in  Holtzhausen  angestellt 

„Heischen  euch,  obgenantte  Nieder-Erlenbach  er  Burgermeister 
„und  Gemeinde,  als  Verächter  hiermit  von  Marek  wegen,  und  wollen, 
„dass  ihr  auf  gemelten  Sampstage  umb  den  mittage  und  schlage  11 
„Uhr  zue  Holtzhaussen,  in  Peter  Jungen  Schultheißen  Behaußung, 
„für  ihnen  erscheinen  und  euren  verübten  muthwillen  theydigen  und 
„ abtragen  sollet  / 

„Ihr  erscheinet  nuhn  also  hieruf  oder  nicht,  wirdt  man  doch  auf 
„Gelegenheit  handien,  damit  der  veracht  und  muthwille  nit  unge- 
straft^ bleibe,  darnach  ihr  euch  zu  geriechtten. 

»Sign.  Seulberg  am  7.  Novembris  anno  1597. 

„Beide  Marckermeister  der  Seulb.  oder  Erlenbacher  etc.  Marcke.*4 


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Es  folgt  hierauf  ein  Protocoll  der  gerichtlichen  Verhandlung  mit 
dem  Urtheil: 

„Marckermeister  und  Marckerheupter  deren  Seulberger  oder  Er- 
„lenb.icher  etc.  marcke  siend  von  wegen  das  die  gemeind  zuNieder- 
„Erlenbach  ihre  ietzige  Schweinssteyhen  sowoll  der  Marckordnung 
„als  auch  dem  jüngsten  Mastbesohlusse  zuwieder,  in  den  newen, 
„gegen  der  Hohen  Marek  und  Kierchdorff  zu,  gehegten  Walde  ein- 
gesetzt und  uffgeriechtet,  auf  heut  unden  bemeltem  dato  zue  Holz- 
,,haußen  in  Peter  Jungen  Behausung  zusammen  kommen,  sie  Erlen- 
„bacher  solches  ihres  verübten  muthwillens  halben  in  gepürliche 
„Straffe  anzunehmen ,  unnd  haben  erstlich  gefordert  —  zehen  Gul- 
len, dass  die  Marckordnung,  dan  abermals  —  zehen  Gulden,  dass 
„den  mastbeschluss  überdretten  und  verachtet,  und  endlichen  —  neun- 
„zigk  Gulden,  von  wegen  das  90  eychenstämme  bey  ihrer  schwein- 
„steyhen  veröset  und  verbrändt,  Thut  zusamen  —  Einhundert  — 
„zehen  Gulden  <^> 

„unnd  obwoll  gedachtte  Marckere  aus  der  Mastordnung  und 
„aonsten  Ursach  genugsamb  gehabt  und  woll  befuget  gewesen,  sie, 
„Erlen bach er,  von  wegen  eines  jeden  Stammes  an  —  zween  gülden 
„onnnachleßlich  zu  bueßen  —  so  haben  ^ie  doch  ihr  eingewandte 
„Ursachen  der  Sterbesleufften  und  bei  ihnen  grassirender  Pestilenze 
„nachparlich  beherziget  und  es  dießmalß  bei  der  eintzeligen  straffe 
„verpleiben  lassen  /  Doch  mit  der  reservation  und  dem  vorbehält, 
„wofern  sie  auf  ihren  halsstarrigen  Wortten  bestehen  und  ihr  an- 
bringen ferner  anziehen  werden,  das  sie  alsdann  weitter  nit  gehört, 
„unnd  von  Marek  wegen  auf  diejenige  Mittel  und  Wege  bedacht 
„werden  soll,  wie  man  sie  zu  gehorsamb  priengen  und  die  gesetzten 
„büßen  für  vollem  erlangen  möchtt. 

„Hieruf  bekantten  die  Erlenbacher  abgesandte  ihre,  der  ge- 
„meind,  überdrettunge,  prättendirten  ihre  nach  der  sterbensl&ufften 
„und  Ptstilentze,  und  baten  um  lienderung  der  straffe ,  welche  sie 
„auf  gewohnlichem  Bußsazttage  zu  theydigen  willig  und  dießmals  der 
„Nachparschaift  bei  ihnen  zu  Nieder-Erlenbach  dießelbige  referiren 
„wollen. 

„Die  Marckermeister  und  Marckerheupter  pleiben  bei  obgesezter 
„ihrer  Forderung  der  —  110  fl.  und  ernennen  ihnen,  Erlenbachern, 
„zu  Erlegung  derselbigen  hiemit  acht  tage  zeit,  darinnen  sie  die 
„Sachen  riechtig  machen  sollenn. 

„Conclusum  Holthausen  den  12  Novembris  anno  neunzig  « 
„siebenn  durch  nach  beschriebene  Hern  Marckermeister  und  Marcker- 
„haupter  :  Johann  Bender  Schultheiß  und  Marckermeister,  Conrad 


—    392  - 


„Wächtcler  Marckermeistcr,  vor  mich  und  dann  auch  auf  Pitt  von 
„Seifried  Born,  Schultheitfeu  zu  Petterweill,  Peter  Jung  Schultheiß 
„zue  Holzhausen,  Conrad  Lorey,  Johann  Zaugus,  Markscbreiber." 

Es  wandten  »ich  hierauf  Schultheiß,  Bürgermeister  und  Gemeind 
zu  Nieder-Erlenbach  an  den  Rath:  es  sei  von  den  Märkern  der  Be- 
schluß gefasst  gewesen  keinen  Schweinstall  in  den  Wald  zu  machen 
mit  Holzwerck,  sondern  die  Schwiuställ  sollten  mit  Mauern  6  Schuh 
hoch  aufgeführt  werden ;  davon  hatten  sie  nichts  gewusst,  auch  nicht 
darinn  gewilligt ;  denn  sie  hätten  nicht  gehen  dürfen  Sterbens  halben. 
Kurz  vor  dem  Eintreiben  sei  es  ihnen  angezeigt  worden ;  es  sei  un- 
möglich gewesen  dem  Beschlüsse  nachzukommen  denn  kein  Nacbpar 
sei  bei  den  andern  gewandtert,  von  wegen  dass  Gott  der  Allmächtige 
sie  also  heimgesucht,  sie  auch  keine  fremde  Arbeiter  hätten  mögen 
bekommen.  Da  nun  sie  bedroht  seien  dass  heimlicherweise,  wenn 
die  Märker  einen  mit  Pferden  und  Wagen  bekommen,  sie  ihn  pfän- 
den und  gen  Uomburgk  eintreiben,  als  wie  Aussenmärker,  derohalb 
bitten  sie:  der  Rath  wolle  ihnen  Verschriefften  an  Hern  Jorgen 
Vestenberger,  Kellner  zu  Homburg  mittheilen. 

Eine  Aufschrift  zeigt  an,  es  sei  Montag  den  24.  April  1598  diese 
Sache  endlich  verglichen,  und  die  Gemeinde  Nieder-Erlenbach  bei 
fl.  50  straf  gelassen  worden.  — 

Schon  in  demselben  Jahre  1598  wurde  dann  Bernhard  Ebel  von 
Nieder-Erlenbach  wegen  weitereu  Umhauens  von  Stämmen  gerüget 
und  gefänglich  festgenommen.  Er  berief  sich  dwrauf  dass  die  andern, 
besonders  die  Homburgischen  Dorfschaften,  ebenfalls  Holz  zu  ihren 
Schweinsteigeu  genommen. 

Wie  in  der  Hohen  Mark,  so  hatte  auch  in  der  Seulberg-Erlen- 
bacher etc.  der  Ausschuss  die  vorbereitenden  gerichtlichen  Geschäfte 
zu  versehen,  z.  B.  den  Augenschein  einzunehmen.  Ein  solcher  wird 
besehrieben ,  als  im  Jahr  1593  die  Kirchdorfer,  wie  bereits  angeführt, 
einen  Eichen  lochbaum  gefrevelt.  Bei  einem  Markumzug  war  in 
Augenschein  befunden  worden  dass  ein  solcher,  der  am  Wege  ge- 
standen, entnommen,  und  in  einem  Graben  zu  einem  Aufhält  der 
Gewässer  hingelegt  worden.  Der  Keller  hatte  angedeutet,  dass  er 
oft  unter  dem  Baum  „auf  der  llasenlawV  gesessen,  den  wohl  kenne; 
dass  mau,  da  er  umgewälzet  werden  sollte,  die  Lochkerben  daran 
noch  befinden  würde.  Welche  Rede  als  SchultheisB  und  mehrer  theil 
der  Nachbarschaft  zu  Kirciidorf  gegenwärtig  und  nicht  widersprochen, 
sondern  mit  ihrem  Stillschweigen  die  bezüchtigto  That  gestanden, 
haben  darnach  die  Märkerhäupter  die  Gemeinde  zu  Kirchdorf  zu 
den  Rüg««n  heilen  sehreiben  und  am  Märkergeding  rügen  lassen, 


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auch  auf  dem  Bußsatztag  ihnen,  Kirchdörfern  20  fl.  zur  Strafe 
gesetzet  und  ibneu  den  vergünstigten  Viehtrieb  abkündigen  lassen. 
Erst  als  die  Strafe  abgefordert  worden,  haben  die  Kirchdorfer  ange- 
fangen der  ,,Heymmaßunga  oder  Bezichtigung  zu  widersprechen  und 
auf  den  Augenschein  mit  den  Märkern  zu  Stämmen;  haben  soviel 
auspraeht  „daß  der  landgrevische  Canzlar  zu  Darmstadt,  obgedach- 
ter  Keller  zu  Homburg,  und  alle  Markschultheissen,  Burgermeistere, 
Merckermeistere,  Schreiber  und  förstere,  sampt  Caspar  Köllen,  Ampt- 
schrciber  uff  Königstein ,  auch  Schultheiss  und  ganzer  Gemeinde  zu 
Kirchdorff'  am  24.  Mai  auf  den  Augenschein  kommen;  alda  sie 
nachmals  ihre  Beschwerden  der  abgeforderten  Straff  halben  anpraebt 
und  einen  öffentlichen  Widerruf  deren,  mit  solcher  BezUchtigung 
ihnen  zugelegten  injuri  begehret,  oder  aber  sie  zu  überweisen;  dann 
sie  mit  nichten  geständig,  dass  der  geklagte  Lochbaum  durch  sie 
abgehauen  worden,  viel  weniger  dass  es  dasjenig  Holz,  so  ihrerseits 
im  Graben  gelegen,  und  noch  liege,  sein  solle.  Die  Märker  antwor- 
ten, dass  die  zu  Kirchdorf  vor  einem  Jahre,  bei  dem  Abgang  ihrer 
Marke,  als  ihnen  die  Entwendung  zugemessen  worden,  darzu  still 
geschwiegen,  und  damit  Ursach  gegeben,  dass  die  Mark  er  sie  ge- 
rüget und  bestrafet  hätten,  darauf  sie  nochmals  beruheten.  Die 
Kirchdorfer  haben  aber  ihre  Klage  und  Verneinen  repetiret  und  be- 
weisen wollen,  wo  das  im  Graben  gelegene  Holz  abgehauen  worden. 
Denen  die  Märker  weiter  antworten  lassen,  dass  sie  nunmehr  Jahr 
und  tag  stillgeschwiegen,  und  so  sie  erstmals  sobald  widersprochen 
und  zum  Augenschein  sich  berufen  hätten,  wollt'  man  ihnen  ge- 
stämmet  haben,  welches  diesmal  nit  sein  könnte,  aus  Ursachen  dass 
seithero  beide,  der  Stock  sowol,  aucli  das  Holz  „verhergert  und  zer- 
hauen worden".  Nach  welchen  Reden  und  Gegenreileu  der  Canzler 
sich  erklärt,  dass  er  seinem  gn.  Fürsten  und  oben»  Herrn  Wald 
Potten  unterthänig  wolle  referhen,  was  er  befunden  und  was  geklagt 
worden;  was  dann  I.  f.  Gn.  darüber  decerniren  und  betcheyden  wür- 
den, solle  den  Partheyen  wiederumb  zu  seiner  Zeit  schriftlich  zuge- 
schickt werden,  indessen  aber  sollen  die  Sachen  einen  Stillstand 
haben,  und  man  fleissig  Nachforschung  haben  auf  den  Thätcr,  damit 
man  in  der  Sachen  desto  füglieher  verfahren  könnte  Damit  war  der 
Augenschein  beendigt;  die  Akten  theilen  nicht  mit,  dass  den  Par- 
theien  später  etwas  schriftlich  zugeschickt  worden  sei,  oder  dass 
Kirchdorf  die  Busse  bezahlt  habe «. 


«  Die  Wichtigkeit  und  Beliebtheit  des  Augenscheins  ist  noch  heute  in  der 
Schweiz  zu  verfolgen,  wo  %.  Ii.  in  Glarus  ein  Augonscheinsgericht  abgebalten  wird. 


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—    394  — 


Nutzung  der  Hark.  —  Als  der  eintretende  Holemangel  im 
]5tMI  und  besonders  im  16l*n  Jahrhundert  eine  grössere  Behütung  des 
Waldes  verlangte,  war  es  wieder  Sache  der  Ausschüsse  die  Mark- 
oder Waldordnungen  zu  berathen,  und  den  Märkern  vorzulegen. 
Am  sorgfaltigsten  geschah  dies  in  der  Seulburg,  Erlenbacher  etc. 
Mark,  wo  gegen  das  Ende  des  10**0  Jahrhunderts  alljährlich  die 
Holzordnung  revidirt  und  stets  mit  Zusätzen  versehen  wurde. 

Diese  Markordnungen  gestatten  uns  einen  Einblick  auch  in  die 
gewerblichen  Verhältnisse  der  Dorfschaften  unserer  Marken,  sie 
haben  vielfach  noch  Spuren  der  ursprünglichsten  Verhältnisse  auf- 
bewahrt. Die  Versuche  der  Communisten  und  Socialisten  sind  keines- 
wegs ein  Erzeugniss  unserer  Zeit,  sie  Bind  in  Deutschland  vor  langen 
Jahren  schon  durch  die  Genossenschaften  praktisch  zur  Durchfuh- 
rung gekommen.  In  den  urkundlichen  Zeiten  unserer  Marken  war 
die  Feldmark  bereits  unter  die  einzelnen  Familien  und  Bewohner 
getheilt,  der  Wald  aber  war  noch  Gemeingut  Es  konnte  nicht  nur 
ein  Jeder  nach  Bedürfuiss  sich  daraus  beholzen,  sondern  auch  da» 
Roden  einzelner  Walddistrictc  zu  ges  ndertem  Gebrauche  war  noch 
nicht  verboten.  Auf  dem  Märkerding  1537  wurde  von  den  wRhödernu 
in  dir  Hohen  Mark  gehandelt,  von  „den  gerothen  Gütern  so  inner- 
halb 20  Jahren  in  der  Mark  gerödt  worden",  die  sollten  mit  Zinsen 
belegt  werden.  Die  Märker  konnten  sich  wegen  des  Artikels  nit  ver- 
gleichen; die  Reiffenberger  mit  dem  grössten  Haufen  (wol  allen 
denen  die  dem  Wald  zunächst  gelegen),  wollten  dass  der  Artikel  der 
Zinse  Ii  alber  abe  sei,  es  sei  denn  dass  man  auch  die  früher  gero- 
deten Güter  mit  Zins  belege.  Im  Jahre  1545  wird  das  roden  ver- 
boten, und  soll  was  innerhalb  10  Jahren  gerodet  worden,  wieder 
zu  gemeiner  Mark  gezogen  werden.  In  der  Seulberg,  Erieubacher 
etc.  Markordnung  von  1552  wird  „das  rathenu  verboten  bei  10  fl., 
dazu  soll  das  ingenommen  Radt  der  Margk  bleiben.  Im  Jahr  1593 
wird  dies  wiederholt:  das  rohden  soll  durchaus  verboten  sein  bei 
Straf  10  0  und  das  eingenommene  Rohde  nichts  weniger  bei  der 
Mark  bleiben.  Trotz  alledem  wurde  noch  im  Jahr  1702  erwähnt 
dass  den  Märkern  noch  erinnerlich  sei  wie  Hans  Georg  Stubich  eine 
Wiese  auf  dem  Raisberg  gemacht,  von  der  Mark  aber  contradiciret 
worden,  und  Stubich  solche  wieder  liegen  lassen  müssen,  die  Märker 
<s  mit  ihrem  Vieh  betrieben,  und  Stubichen  kein  Nutzen  davon 
ziehen  lassen*3. 


«  Die  Schreibweise  von  „Knoden"  war  hier  so  verschieden,  wie  sie  noch 


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—    395  - 


Ebenso  war  es  dem  Märker  gestattet  Steine  nach  Bedürfniss  zu 
holen.  In  der  Ordnung  von  IbMi  h eiset  es:  der  Märker  sei  befugt  die 
Schiefersteinkauten  zu  gebrauchen,  ds  die  „laidecker"  zu  Reiffenberg 
vor  sich  allein  gebraucht  aber  kein  Zins  gegeben.  Als  später,  in  der 
Mitte  des  17,eu  Jahrhunderts,  der  Waldpott  durch  Bergki  appen  hin 
und  »wieder  graben  Hess,  beschwerten  sich  die  Märker  allein  aus  dem 
Grund  weil  „viel  Holz  verderbet"  worden. 

Das  Holz  der  Mark  wurde  gebraucht  zum  bauen,  zum  ein- 
heitzen  und  zu  den  mancherlei  Gewerben.  Erst  im  Jahrhundert 
wurde  der  freie  Gebrauch  eingeschränkt,  es  wurden  Holztage,  in  der 
Seulb.  Erlenb.  Mark  „Wittage*  festgestellt,  Weichköler  sollen  nicht 
gelitten  werden,  Hartköler  sollen  nur  mit  Anweisung  zweier  Förster 
kolen  brennen,  Kupfer-  und  Waffenschmieden  soll  nicht  mehr  als 
«>  karren  kolen  gefolgt  werden,  brauchen  sie  mehr  sollen  sie  für 
jeden  karren  2  fl.  „zu  straff  '  geben  Bretthauer,  Lattenhauer,  Felgen- 
hauer und  Wagner  sollen  ohne  Anweisung  kein  Holz  huuen.  Wir 
finden  in  diesem  gemeinschaftlichen  Genues  des  Waldes  eiue  natür- 
liche Erklärung  der  Beschränkung  beim  Verkaufe  mancher  Producte 
und  des  Vorkaufsrechts.  Die  Wagner  sollen  ihre  Arbeit  den  Inmär- 
kern  „umb  ein  gebührlich  Geld  wieder  zukommen  lassen  und  ver- 
kaufen14. Sie  dürfen  nichts  aus  der  Mark  verkaufen,  auch  soll  kein 
Holz  zu  „Schwindelstegen"  erlaubt  sein.  Auch  in  der  Seulb.  Erlenb. 
Mark  sollen  die  Ziegler  zu  Holzhausen  die  Ziegel  umb  gebürlich 
Bezahlung  „vor  Ausmärkern"  gönnen  und  lassen.  Es  sollen  daselbst 
nicht  mehr  als  2Auellofcn  geduldet  werden,  die  sollen  den  Märkern 
die  Ziegel  nicht  höher  als  4  fl.  das  tausend  verkaufen,  und  „also 
ihnen  den  Vorkauf  zulassen1".  Dass  dieser  Punct  „bisher  in  Wiend 
geschlagen,  davon  soll  schierst  künftig  uff  dem  bußatze  montags  nach 
Quasimodogeniti  weiter  tractation  gepflogen  werden0.  Später,  im 
Jahre  1591,  heisst  es  dass  die  Ziegeler,  wie  auch  alle  andere  welche 
in  dieser  Marke  Brennholz  zu  hauen  berechtiget,  den  Merkern  ihre 
Ziegel  das  tausend  einen  Gulden  wohlfeiler  als  einem  Ausmerker 
lassen  Im  Jahre  1595  wird  auch  des  Bierbrauens  halben  nothdürftig 
geradtschlaget  und  verabschiedet,  dass  der  Bierbrauer  zu  Ober- 
Erlenbach  den  Merkern  ihr  Bier  ein  ziembliches  wohlfeiler  geben 


jetzt  in  Appensel!  inner  und  äussere  Rhoden  es  ist.  Manche  Forseber  beziehen 
dies  Wort  snf  Abtheilung  zur  Entrichtung  einer  Leistung,  ef.  F.  Wyss,  die 
Schw.  Landsgemeinden  S.  71.  inZtsehr.  f.  Schw  R.  I.  1.  Kann  man  nieht  noch 
weiter  surückgehen,  auf  die  Veranlassung  solcher  Abtheilungen? 


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-    396  - 


solle,  als  den  Ausmerkern,  und  ihnen  allerdings  den  Vorkauf  ge- 
statten. 

In  den  damaligen  Zeiten  zog  ein  jeder  oder  eine  jede  Dorfschaft 
möglichst  alles  das  selbst  was  er  bedurfte.  Weinberge  haben  sich  in 
der  Namensuberlieferung  fast  allerwärts  noch  erhalten,  auch  in  Ort- 
schaften welche  die  Weinkultur  schon  längst  aufgegeben .  vielleicht 
in  den  traurigen  Zeiten  nach  dem  30jährigen  Kriege  als  die  Armuth 
den  lantman  zwang  dem  Weingenuss  zu  entsagen.  Bei  den  Markum- 
gängen zogen  die  ilärker  westlich  von  Oberursel  an  einer  ganzen 
Reihe  von  Weingärten  oder  Wingerten  hin.  Bei  Dortelweil  heilst  es: 
im  Weinstück,  und  am  Weingartenweg.  Die  Weingärten  von  Bona- 
mes lagen  beim  Horn  burger  pfad.  Unter  dem  Eschbacher  Hardwald 
liegt  der  Wiugertsberg ;  ebenso  der  Weinberg  unter  dem  Lohberg 
bei  Ober- Erlcnbach  Zwischen  dem  Creuzerweg  und  der  Borngass 
östlich  von  Niedcrursel  lagen  die  Weinberge  und  in  diesem  Orte  ist 
selbst  eine  Bendergasse  verzeichnet64. 

Wie  gewisse  Gewerbe  im  16'  "  Jahrhundert  in  dem  Holzver- 
brauche beschränkt,  so  wurden  andere  ganz  verboten.  Den  Bendern 
soll  kein  Eichenholz  in  der  Mark  erlaubet  werden,  Schwarz- 
färber, so  leinen  Tuch  färben  und  Aichen  und  Erlenholz  gebrauchen 
sollen  nicht  gelitten  werden.  Aichenpfael,  Girten,  Heifstangen  und 
Zauustoi  ken  sollen  im  ganzen  Wald  verboten  sein.  Auch  nicht  kau- 
fen soll  man  sie.  In  der  Seulberg,  Erlenbacher  etc.  Markordnung  von 
15  0  sind  überhaupt  Pfaell,  lattenstang  und  girten  verboten,  es  sei 
denn  dass  ffdie  gehe  hohe  noth  gemeinder  Margkflecken  Friede  zu 
erhalten  fürhanden",  alsdann  sollen  Märkermeistcr  erheischender 
Nothdurft  nach  „an  etwas*  geben,  und  also  den  Ueberfluss  meiden; 
dieweil  rathsamer,  auch  fürträglicher  und  sicherer  ist  eine  lebi-ndige 


*•  Vergl.  hierzu  Dr.  Kriegk,  Frankf.  Bürgerzw.  S.  241  Auch  anderwärts 
finden  wir  hierzu  bemerkeoswertho  Andeutungen,  so  in  den  Fichardischen  Aus- 
zügen. Aus  dem  Jahre  156b*  wird  aufgeführt  Hoch  heimer  Wein  das  Fuder 
MO  bis  31  U  Seekbäcber  21  fl.  Ringauer  29  fl. ;  1531  Burnheymer  Wein  per  Fu- 
der 11  fl  18  ß,  Wertbeymer  Hfl.;  1584  Riederberger  Wein  a  22  fl.  ;  1589  Hoch- 
heimer  Wein  neuer  per  Fuder  101  bis  102  fl.  Soder  Wein  nur  86  fl.;  1590  Nie- 
der-Erlenbacber  Wein  per  Fuder  56  fl.,  Soder  60  fl.,  Dürckolweiler  56  fl  Ober- 
'  röder  68  fl.,  Bonainesor  56  fl.,  Hochheimer  84  fl.  12  alb.  —  Im  Jahre  1543  kam 

der  Weinzehnte  der  Sulzbacher  und  Soder  Gemarkung  in  den  Rath&keller. 
omerer  ergab  2V2  Fuder.  Noch  im  Jahre  1628  wird  der  neue  Wein  von  Sulz- 
bach und  Soden  erwähnt,  1630  Oberroder  neuer  Wein  zu  48  fl.  Rauentbaler  zu 
42  R.  Hochheimer  zu  61  R.  im  Jahr  1635  Seckbacher  neuer  Wein,  und  1647 
Neiauheymer  Wein. 


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I 

-    397  - 

Gehege  um  einen  Flecken  zu  ziehen  tt,  und  uff  zu  pflanzen ,  als  die- 
selben mit  Zäunen  zu  befriedigen,  so  sollen  die  so  Holz  zu  Zaun- 
stecken begehren  werden,  auch  „um  sich0  eine  lebendige  Hege  zwan- 
zig Ruthen  lang  uffpflanzen  und  ziehen,  wer  sich  das  weigere,  dem 
soll  gar  kein  üolz  mehr  zu  Zaunstecken  gevolget  werden.  Dazu 
hetsst  es  im  Jahre  1591  welcher  Märker  seine  Zäune  mit  Wellen 
beschlagen  will,  dasselbige  nicht  von  Buchenholz,  sondern  von  Dor- 
nenwellen, aus  der  Haihnruppen  darzu  abgehauen ,  in's  Werk  richten 
soll.  —  Allen  denjenigen  welche  das  Haffener  oder  Döpffermachen 
handtwerk  nit  ehrlich  und  voll  gelernet,  soll  das  Ziegelmachen  ernst- 
lich verpotten  sein;  so  soll  auch  keiner  kein  gesinde  oder  knecht 
darauf  halten,  sondern  mag  ein  Jeder  der  das  Häfnerhandwerk  bei 
ehrlichen  leuten  gelernet,  mit  seinen  Kindern  und  Gesinde  auch  wol 
Ziegell  machen,  anders  soll  es  nicht  zugelassen  werden.  —  Jung 
eycheu  Holz  zu  bender  und  Wagener  Arbeit,  als  Fass  oder  Zuber- 
Dauben,  it.  Speichenfelge  und  Achsen  soll  bei  straf  10  fl.  nit  gehauen 
werden.  —  Dieweil  auch  des  Mühlwerks  auf  der  Bach  eine  Ueber- 
maass  vermerket,  so  ist  abgeredt  worden  dass  hinfüro  zu  keinem 
Mühlwerk  weiter  als  3  stamm  zu  ahrmen  gefolget  werden  solle.  — 
Endlich  sollen  die  welche  Erlaubnis»  bekommen  keine  kein  Ziegel- 
brandt allein  thun,  sondern  ein  Jeder  hinfüro  halb  Ziegel  und  halb 
Döpffen  zugleich  in  einem  Ofen  brennen. 

Wie  bei  den  Gewerben  Vorsehung  getroffen  wurde  den  Wald 
zu  schonen,  so  auch  bei  dem  Bauen.  Es  wurde  darauf  geachtet  dass 
der  Märker  seine  Bäue  nicht  verfallen  Hesse;  es  solle  ihnen  „zur 
Notturft  Wimprichen  und  Schornsteynrudena  erlaubt  werden ;  sollte 
ein  neues  Wohnhaus  errichtet  werden  so  hatte  Schultheis»  und  die 
Schöffen  eines  jeden  Orts  Länge  und  Weite  zu  messen;  der  Bauman 
oder  Erbauer  hatte  „zwei  dännen  Hölzer"  zu  erkaufen,  erst  wenn 
diese  auf  dem  Bau  Placken  liegen  befunden,  sollte  der  Schein  gege- 
ben werden,  es  sollte  der  Bauende  für  ein  jedes  Gebäude  8  Stämme 
angewiesen  erhalten,  ,  jedoch  daß  sie  der  Größe  und  des  beigefiihrten 
Dännenholzes  zuvor  gewiß  und  genugsamb  berichtet,  ohne  daß  sie 
denjenigen  so  sich  der  zweyen  Dännen  Holtzes  auf  ein  jedes  Gebäude 
zu  kaufen  verweigern  würde,  auch  den  geringsten  eychen  stamm  nit 
erlauben  sollen".  Zu  einer  Scheuer  sollen  20  Stamm  gegeben  werden, 
und  durchaus  Dännen  Holz  zu  Werckholz  gekauft  und  gebraucht 


«  Noch  jetzt  linden  sich  die  Spuren  solcher  Gehege  oder  Haingräbon  bei 
vielen  Ortschaften  vur,  z.  B.  bei  Seulberg,  Niedurursel,  Ober-Eschbach  u  s  w. 


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werden,  zu  einem  neuen  Stall  mit  einem  ganzen  Dache  sollen  2  dün- 
nen Hölzer  auf  den  Bau  Placken  hingeführt  und  besichtigt  werden, 
zu  einem  halben  Stall  1  dänneu  Holz. 

Eh  zeigt  uns  dies  dass  gegen  das  Ende  des  16Ma  Jahrhunderts 
in  der  Hohen  Mark  die  Tanne  noch  nicht  gefunden  wurde.  Die 
Eiche  war  der  vornehmste  und  wol  auch  häufigste  Baum  in  den 
Wäldern;  Eichen  und  Buchen  wurden  als  „fruchtbare  Bäume"  be- 
zeichnet, es  solle  in  den  verbotenen  Wäldern  nichts  an  fruchtbaren 
Bäumen  „es  sei  gleich  buchen  oder  eychen  Holz"  darin  gehauen 
werden,  bei  Verlust  von  zehen  Gulden.  Wenn  etwa  „Gedrayde  und 
Mästung  in  der  Margke  sich  erzeigen  thue"  soll  daselbe  besichtigt 
und  eine  Ordnung  aufgerichtet  werden.  Schon  in  der  Markordnung 
des  Jahres  15Ö2  ist  vorgesehen,  dass  wenn  sich  „Eckern-getraidt" 
im  Wald  erzeigt,  sollen  der  Verordnet  des  Waltpothens  mit  Merker- 
meistern und  dem  Ausschuss  gemeiner  Merker  sich  vergleichen,  wie 
es  damit  solle  gehalten  werden. 

Ausser  den  Eichen  und  Buchen  fanden  sich  aber  noch  Bäume 
in  sehr  grosser  Manichfaltigkeit  vor,  wie  wir  aus  den  Aufzeichnungen 
der  Lochbäume  sehen;  es  waren  darunter  Ahorn-6*  Holzapfel-  Faul- 
bier- oder  Stink -Bäume,  Birken,  Linden,  Erlen,  Eschen,  Hassel- 
Bäume,  ja  selbst  Kirschbäume  werden,  wenigstens  am  Saume  des 
Waldes  genannt.  Hasselbäume  wurden  sehr  hochgeschätzt;  die  Ord- 
nung von  15i*4  stellt  im  Art  31  auf:  wer  Haselbäume  um  der  Hasel- 
nus  willen  verderbe,  der  soll  gebüsst  werden  als  ob  er  ein  Eichen- 
baum verderbet  hätte. 

Bei  den  zunehmenden  Klagen  über  Verösung  des  Waldes  wird 
besonders  das  Abhauen  der  Eichbäume  schmerzlich  berührt.  Diese 
waren  damals  noch  ungleich  wichtiger  für  das  Leben  der  Mark,  weil 
zu  jener  Zeit  das  Schwein  eine  viel  bedeutendere  Rolle  unter  den 
Hauathieren  einnahm,  als  es  heute  zu  Tag  noch  der  Fall  ist.  Um 
das  Jahr  17(J0  wird  unter  den  Klagen  der  Märker  gegen  den  Wald- 
potten  auch  hervorgehoben  dass  er  viele  der  schönsten  tragbaren 
Eichbäume  abhauen  lassen,  von  deren  theils  4  und  mehr  Wagen 
Uhrholz  gegeben.  Uhr-,  Ur-  oder  Ohr-Holz  wurde  das  dürre  Stamm- 
holz genannt,  Holz  von  Fruchtbäumen,  d.  h.  von  Eichen  und  von 
Buchen.  In  der  Seulb.  Erl.  Mark-Ordnung  von  1552  werden  3  Tage 
festgestellt,  Montag,  Mittwoch  und  Freitag  BDore  Holza  zu  hauen, 


•«  Beim  Umgang  von  1710  (Mglb.  E.  29.)  geht  derselbe  nach  dem  Pflaster 
weg,  dastehst  ein  „Ohm  Holubaum",  weiter  wird  erwäbof  „ein  Ohrnbaam". 


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—    399  — 


uüzufUhren  und  zu  tragen,  doch  kein  Eichen-  oder  Bau  Holz,  kein 
Grünholz,  sondern  „dhor  ligende  Holcz".  Auf  dem  Märkergeding 
der  Hohen  Mark  wurde  1537  erlaubt  2  Tage  der  Woche,  Dienstag 
und  Freitag,  in  der  alten  Hege  „Uhr-Holtztt  auszufahren  und 
zu  tragen. 

Schon  um  die  Mitte  des  \6tw  Jahrhunderts  werden  auch  ganze 
Walddistricte  in  die  Hege  gelegt,  darin  zu  hauen  wird  verboten. 
Auf  Bartholome  1543  wird  beschlossen,  es  solle  3  Jahr  verboten  sein 
zu  hauen  von  dem  lauberichten  Baum  bis  uff  das  Kessbergen;  ebenso 
der  Berg  unwendig  der  Magt  Kreutz  herüber  bis  auf  die  Urseller 
bach  und  bis  auf  die  unterst  Scheibach;  weiter  der  Berg  uf  der 
Putzen,  vom  Pfal  an  bis  an  klingenborn  hinab.  Dann  wird  vorge- 
sehen das»  beim  Wellenschneiden  bei  jeder  Wellen  „ein  schneyder- 
lingk"  soll  „ausgeschneit4  werden;  ein  solcher  zu  einem  Stamm 
geschnittener  Sclineiderlingk  soll  keiner  abgehauen  werden,  bei  Ver- 
lust 12  ß  bueß.  Auch  in  der  Seulb.  Erlenbacher  Mark  soll ,  bei  einer 
Welle  so  gemacht  wird,  ein  Stamm  „uffgeschneidt"  werden,  damit 
man  „widder  Wald  uffziehen  mege*'. 

Die  Aufsicht  im  Walde  war  in  den  älteren  Zeiten  einer  kleinen 
Anzahl  Förstern  oder  Waldknechten  überwiesen,  die  aus  den  Mär- 
kern selbst  alljährlich  gewählt  wurden  Auf  dem  Märkerding  vor 
Ober-Erlenbach,  1491,  als  Erwin  Dogel  gelobt  hatte,  erwählet  er 
alsbald  zwei  Merkerknecht,  die  Jorgen  dem  Schreiber  geschworen 
haben,  dieweil  der  Märkermeister  den  Eid  zu  staben  nicht  geschickt 
wäre  »dem  es  doch  zu  thun  gepürt",  und  ist  gewest  einer  von  Seul- 
berg, der  andere  von  Erlenbach.  Im  folgenden  Jahre  wird  bemerkt 
das»  die  alten  Merkerknecht  wieder  aufgenommen  worden,  und  hat 
der  Merkermeister  die  knecht  beeidiget  Auf  dem  Märkerding  der 
Hohen  Mark  von  1438  wird  auch  erzählt  „das  die  merckermeister 
knecht  und  furster  hetten  zu  kiesen,  der  marg  zu  huden ,  doch  mit 
der  lantlude  Radt*. 

Noch  im  Jahre  1552  war  in  der  Seulb.,  Erlenb.  Mark  die  Wahl 
der  Förster  dem  lantman  nicht  entzogen.  Es  heisst  in  der  Markord- 
nung dass  2  oder  3  Förster,  nemlich  einer  zu  Seulberg,  der  andere  zu 
Holzhausen  und  der  dritt  unter  den  Merckern  „von  den  gemeinen 
Morckern  nechst  mitfasten  Sontag  angenommen  und  durch  den 
Merckermeisteru  bestätigt"  werden  solle.  Von  jeder  Rügen,  so  der 
Förster  vorbringt,  soll  ihm  1  Thornis  von  demjenigen  gegeben  wer- 
den, „so  die  bussen  uffhat".  Im  Jahr  1588  heisst  es,  dasB  wenn  die 
alten  Förster  wieder  darum  bitten,  sollen  sie  aufs  neu  angenommen 
werden,  sonst  soll  Ludwig  Schedel  zu  Obern  Erlenbach  (doch  uf 


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400  — 


ansuchen  und  vorhergehende  Pitt)  von  Märkermeistern  angenommen 
und  beeidigt  werden.    Auch  1590  ist  der  Förster  halben  vom  Aus- 
schuß« verabschiedet,  dass  an  gewöhnlichem  Ort  wenn  das  Merker 
geding  gehalten  werde,  zween  die  zuvor  der  Gebühr  darum  gebeten 
angenommen  und  vereidet  werden  sollen. 

Zu  Förstern  sollen  angenommen  werden  nicht  leichte,  sondern 
ernste  und  solche  Personen  welche  „einen  guten  Namen  bei  den  be- 
nachparten  haben,  und  in  stettiger  betrachtung  ihrer  geleisten  eydes- 
pfiichten  sich  mit  der  Hute  vleiPig,  und  im  rügen  getreulicli  verhalten 
möchten,  damit  nit  etwa  durch  Bie  die  Diener  oder  ihren  unehrlichen  Wan- 
del, die  Merk  er  unverschuldeter  Dingen  in  Despect  kommen,  und  also 
ihr  eingeführter  Nähme,  (sondcrß  rühm  zu  melden)  und  lob  guter 
Ordnung  und  Gerechtigkeit  verdächtig  gemacht  werde."  Wenn 
die  Förster  beim  Zechen  gefunden  werden,  sollen  sie  gefänglich  an- 
genommen werden.  Sie  dürfen  (1594)  keine  biichsen  im  Wald  tragen 
sondern  einen  Spieß  und  „ein  klapschell"  daran.  -  Die  Försterwiese 
soll  verliehen  werden,  die  Förster  die  Abnutzung  davon  nehmen. 

Tn  der  Hohen  Mark  erhob  sich  auf  dem  Märkerding  1518  Streit» 
es  beschwert  steh  der  gemein  lantman  wie  die  landgräfischen  Heintzen 
Junghern  zu  einem  Walt-  oder  Fürstknecht  angenommen,  und  von  dem- 
selben Gelübde  und  Eide  genommen.  Dies  sei  wider  das  Instrument. 
Der  gemeine  lantman  habe  die  knecht  zu  erwählen,  die  Fürster  dem 
Märkermeister  geloben  und  schwören  sollen.  Der  Schultheis«  von 
Homburg  giebt  vor  dass  der  oberste  VValtpott  solches  zu  thun  Macht 
habe.  Der  Kellner  sei  jetzt  abwesend,  so  wolle  er  sich  mit  Absetzung 
des  erwählten  Knechts  nicht  befassen.  Trat  der  lantman  ab,  sagte 
dann  wo  Heintz  Juugher  die  Merkermeister  und  gemein  lantman  ihn 
uffzunehinen  bitten  würde,  soll  ihm  eine  gut  antwort  werden ;  und 
darauf  Heintz  Jungher  „sollich  bitt  so  balde  gethanu.  Aber  Jacob 
der  Schultheis«  von  Homburg  hat  ihn  sehr  gescholten  und  gesagt :  er 
solle  Urlaub  haben,  ob  er  sich  also  in  Sack  laü  zwingen.  (Mglb.  E. 
29.  II".  S.  98.) 

Auf  dem  Märkerding  1521  erneute  sich  dieser  Streit,  der  Schul- 
theiBs  von  Homburg  behauptet  wieder  dass  sein  gn.  Herr  der  oberste 
Waltpott  allein  zu  wählen  die  Macht  habe;  er  verlangt  dass  aus 
jedem  Flecken  2  nach  Homburg  verordnet  würden,  da  man  dann 
dieser  sach  handeln  möchte.  Aber  noch  auf  dem  Märkerding  von 
1547  werden  Förster  erwählt,  von  Ursell,  Obersteden,  Kirtorff  und 
zu  Ryflenbcrg,  die  haben  den  beiden  Märkermeistern  gelobt  und  ge- 
schworen. 


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-    401  - 

Eigentümlich  ist  die  Bezeichnung  eines  Beamten  der  Hohen 
Mark  als  „Schreier0.  Der  Ursprung  dieser  Bezeichnung  reicht  in  eine 
Zeit  in  welcher  nicht  viel  geschrieben  wurde,  zugleich  aber  das  Be- 
dürfniss  beßtand  sich  mit  einer  nicht  unbeträchtlichen  Volksversamm- 
lung zu  verständigen  *7.  In  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  wurde 
der  Schreier,  auf  Antrag  der  Homburgischen  Gesandten,  zugleich 
oberster  Förster  und  reisig,  der  alle  Tag  in  den  Wald  ritte  und  zu- 
sehe, das»  die  Ordnung  gehalten  werde.  Da  er  sich  anders  als  ihm 
aufgelegt  halten  würde,  sollten  die  gemein  Märker  ihn  abzusetzen 
haben,  und  von  ihnen  den  Märkern  ein  anderer  erwählet  werden.  Er 
wohnte  in  Oberstedten,  war  also  von  dem  Waldpotten  abhängig. 
Schon  1563  zeigt  der  Amtman  von  Eppstein  an,  der  Fürst  von 
Hessen  hab'  einen  Schreier  gen  Stedten  gesetzt,  und  für  gut  ange- 
sehen dass  derselbig  auch  ein  Förster  soll  sein.  Die  Märker  ant- 
worteten :  die  Märker  haben  Märkerraeister  und  Forster  zu  wählen, 
und  sollen  die  Forster  durch  die  Märkermeieter  beeidigt  werden. 
Dagegen  protestirt  der  Amtman.  Um  das  Jahr  1578  Hees  sich  der 
Keller  von  Homburg  das  Amt  eines  Waldschreiers  übertragen,  sei  es 
der  Einkünfte  wegen  oder  um  allmählig  mehr  und  mehr  das  Ansehen 
des  Waldpotten  zu  festigen.  Er  gab  dies  Amt  „anderer  Geschäfte 
wegen"  auf,  suchte  um  Erlass  bei  Ihro  f.  Gn.  an ;  Ihro  f.  Gn.  hätten 
einen  andern,  so  zugegen,  zu  einem  Waldschreier  verordnet  „den  sie 
hiermit  den  Märkern  wöllen  präsentirt  haben".  Im  Jahre  1586  be- 
schweren sich  die  Märker  dass  dem  Schreier  die  Inmerker  zu  rügen 
zugelassen  werde,  er  solle  nur  auf  die  Förster  Acht  haben,  wo  nöthig 
Anzeige  machen.  Die  Hessischen  Gesandten  aber  halten  für  Recht 
dass  der  Schreier  auch  Inmärker  rüge,  er  sei  der  Mark  zu  gute  ge- 
ordnet ;  sie  wollen  nicht  zulassen  dass  vor  Einwilligung  oder  An- 
nehmung des  Schreiers  zum  Förster  die  Haltung  des  Märkerdings 
sollte  vorgenommen  werden.  In  der  Waldordnung  von  1594  soll  der 
Waldschreier  auf  die  Förster  Acht  haben,  auch  selbst  zu  rügen  ver- 
pflichtet sein.  Im  Jahre  1700  werden  unter  den  Beschwerden  gegen 
den  Waldpotten  auch  aufgeführt,  dass  der  Waldschreier  bei  Aus- 
führung des  Holzes  (für  die  fremden  Waldenser)  sagen  dürfen, 
solches  führe  er  auf  seine  Gefahr  aus;  statt  dass  er  die  bei  dem 
Märkerding  verfasste  Ordnung  beachten  solle:  deswegen,  wenn  der 


<T  Auf  der  Landsgemeinde  der  Inneres  Roden  von  Appenzell  tässt  der 
Landamman  selbst  abstimmen.  Auf  der  weit  grosseren  Landgemeinde  der 
äuMeren  Roden  versieht  der  Waibel  die  Stelle  eines  Schreiers. 

36 


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—    402  - 

Schreier  die«  wieder  unternähme,  die  Märker  ihm  das  Schreierbrodt 
zu  geben,  oder  rügen  von  ihm  zu  nehmen,  weigern.  — 

Noch  wäre  hier  bei  Gelegenheit  der  Waldordnung  einiges  We- 
nige über  das  Recht  der  Märker  an  Jagd,  Eckern  und  Fischerei  zu 
sagen.  An  anderer  Stelle,  in  dem  Aufsatze  :  die  Hohe  Mark  im 
Taunus,  ist  bereits  erwähnt  wie  1537  der  Oberst  Waldpott  mitge- 
theilt  dass  Niemand  gestattet  sei  in  der  Hohen  Mark  zu  jagen,  das» 
der  Adel  und  die  Märker  auf  das  Instrument  sich  berufen.  Dieses 
überliess  zwar  dem  Waldbotten,  so  man  die  Mark  bestelle  den 
Wildbann  zuzuthun,  setzte  aber  hinzu :  so  ein  Waldbott  darüber  darin 
jagte,  so  solle  es  darnach  über  3  Tagen  den  Märkern  und  landtman 
auch  erlaubt  sein  zu  jagen.  Es  scheint  aber  dass  der  Lantman  schon 
zu  jener  Zeit  weder  besonders  Zeit  noch  Lust  mehr  zum  Jagen  hatte ; 
es  waren  fast  nur  die  Edelleute  die  sich  dieses  Rechtes  noch  be- 
dienten. Anno  1554,  am  5.  October,  schrieb  Phil.  Landgraf  zu 
Hessen  an  Friedrichen  von  Reiffenbergk :  Unser  lieber  Getreuer;  wir 
sind  bracht  worden,  wiewol  die  Inmerker  in  der  Homberger  Mark 
weiter  nichts  als  die  Hude  und  Benutzung  in  derselbigen  Mark  be- 
rechtigt, dass  sich  doch  etzlich  derselben  unterstehen  Hirsche,  Seue 
und  Wiltpreth  ihres  gefallens  darin  zu  schießen,  auch  daruff  eigne 
Hund  halten.  Welches  nun  keineswegs  leidlich,  dir  auch  als  jetzigen 
Pfandsinhabern  unseres  Amts  Hombergk  in  dem  uns  zu  Nachtheil  und 
Abbruch  unserer  Gerechtigkeit  zuzuseen  nicht  gebüret;  Ist  deshalb 
unser  gnädigstes  begehren  du  wollest  den  Mitmärkern  mit  Ernst 
untersagen,  dass  sie  sich  des  Schießens  und  Jagens  in  der  Homber- 
ger Mark  genzlich  enthalten  und  an  der  Hude  und  Behulczung  be- 
gnügigt  sein. 

Es  findet  sich  darauf  weiter  (in  den  actis  Mglb.  E.  31.  IV.  Lit 
A.)  ein  Maudat  des  kaiserl.  Kammergerichts  vom  11.  Jan.  1566 
welches  mit  den  Worten  beginnt:  Wir  Maximilian  der  ander  etc... 
dem  wohlg.  Philipsen,  Landgr.  zu  Hessen,  .  .  .  unserm  lieben  Oheim 
und  Fürsten,  auch  e.  1.  Schultheissen  unsern  und  des  Reichs  getreuen 
Muel  Endressen,  Balthasar  Eppstein  zu  Steden  schreier,  unser  Gnad 
und  alles  Guts. 

Es  folgt  nach  dieser  freundlichen  Einleitung  dass  Graf  zu  König- 
stein und  Stollberg  geklagt,  wie  er  und  seine  Voreltern  von  alters- 
hero  herbracht,  welche  Zeit  der  Waldbott  in  der  Hohen  Mark  ge- 
jagt, dass  dann  nach  dreien  Tagen  er  Kläger  wie  andere  Mitmärker 
darin  zu  jagen  auch  Macht  gehabt.  Dem  entgegen  sei  Schultheiss 
Muel  Endres  in  der  Hohen  Marek  ohngefahr  bis  in  50  oder  mehr 
stark  zu  Ross  und  zu  Fuss,  am  19.  Dec.  65  als  Graf  Ludwig  nach 


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dem  Waldbotten  auch  jagen  lasset],  gewaltsamlich  eingefallen  und 
seinen  Jäger  genöthigt  anzugeloben  und  handtreuv  geben  müssen ; 
ihm  auch  in  die  150  Wildseiler  und  zwei  Rehe  gewaltsamlich  ge- 
nommen. Da  diese  Pfändung  uhd  Handlung  unrechtmässig  gewesen, 
so  gebietet  das  Gericht  bei  10  Mark  lottigs  Gold  ....  dass 
alsbald  nach  Verkündung  dieses  die  abgepfandt  Wildseil  samrat 
den  zweyen  Rehern  oder  den  gebührlichen  Werth  für  dieselben, 
an  des  Ort  ihr  solche  abgepfandt,  restituirt  .  .  .  dazu  auch  der  Kö- 
nigsteinische Jäger  seiner  abgedrungener  handgelübdt ,  doch  alles 
uf  ein  alte  gewöhnliche  Urphede  und  Wiederstellen,  im  Falls  her- 
nacher  mit  Recht  erkannt  würde,  relaxirt  und  ledig  gelassen  werde. 

Es  folgen  weitere  Copien,  einmal  des  Schreibens  von  Jeremias 
Sobne,  hess.  Kellers  zu  Rossbach  d.  19.  März  66,  in  welchem  man 
sich  erbietet,  dem  kaiserl.  Mandat  nachzukommen,  auffordert  Jeman- 
den von  wegen  des  Landgrafen  beneben  dem  Jäger  abzufertigen 
an  den  Ort  da  die  Pfändung  geschehen;  (es  war  dies  auf  dem 
Heuchelheimer  Feld  unter  Brendels  Busch)  dann  weitere  Verhand- 
lungen über  die  Form  der  Urphede.  Nach  eingetretenem  Verständniss 
wurden  zuletzt  die  Seile  zurückgegeben  und  für  die  Rehe  vier 
Thaler.  - 

Schon  im  Jahre  1578  war  wieder  Streit  wegen  des  Wildschiessens ; 
die  Gegenwärtigen  vom  Adel  so  in  der  Mark  gesessen,  da  sie  nit  alle 
beisammen,  bitten  ihnen  Zeit  zu  lassen,  wollten  schriftlich  antworten. 
Schliesslich  ist  es  aber  ihro  f.  gn.  „ernstlicher  bevelh"  dass  sich 
naaniglich  hinfüro  des  Wildschiessens  enthalte. 

In  ähnlicher  Weise  wurde  mit  dem  Fischen  verfahren.  Es  ist 
sehr  wahrscheinlich  dass  in  älteren  Zeiten  ein  jeder  Märker  die  Fo- 
rellen- aus  den  Waldbächen  fangen  durfte.  Es  wird  der  schönen 
Forellenbach  in  der  (ausgegangenen)  Häusergemarkung  gedacht,  ob 
solche  zu  der  Mark  oder  zu  Urseller  Gerichtsbarkeit  gehöre.  Schon 
im  Jahre  1582  aber  heisst  es  am  Schlüsse  des  Märkerdings :  der 
Oberst  Walpode  sei  berechtigt  die  Mark  zu  hägen  und  zuzuthun,  der- 
wegen  solle  sich  jederman  „des  Jagens,  läußens  und  Schießens,  auch 
fischen  und  krebsen  gänzlich  enthalten". 

Auch  das  Eintreiben  der  Märker-schweine  in  die  Eckern  wurde 
mehr  und  mehr  beeinträchtigt  zu  Gunsten  der  landgräfischen  Schwein. 
Unter  den  verschiedensten  Vorwänden,  selbst  dass  der  Waldpott  zu- 
vor jagen  müsse,  wurde  die  Ausübung  dieses  wichtigen  Rechtes  auf- 
gehalten. Nur  allein  über  das  Weiden  des  Rindviehs  theilen  die 
alten  Urkunden  keinen  Streit  mit;   es  ist  im  Art  34  der  Ord- 

26* 


nuiig  von  1594  vorgesehen  daxs  Schweine  nur  bis  Peterstag  in  Wald 
gehen  sollen,  verderben  dem  Rindvieh  die  Weide. 

Als  der  Wald  verödet,  die  alten  Eichwälder  ausgehauen  waren, 
hörte  das  Eintreiben  der  Schweine  wbl  mehr  von  selbst  auf.  An  der 
Stelle  der  Eichen  wuchs  jetzt  Gras  und  so  war  es  natürlich  dass  die 
Viehherden  mehr  und  mehr  Nahrung  fanden.  In  alteren  Zeiten 
waren  es  besonders  Pferde  und  Schweine  die  des  Märkers  Reichthum 
ausmachten.  Nur  Pferde  wurden  zum  Ziehen  gebraucht,  wurden  im 
Walde  beim  Freveln  gepfändet,  selten  wol  Ochsen  oder  gar  Kühe, 
die  nur  die  spätere  dürftige  Zeit  nach  dem  30jährigen  Kriege  zum 
Ziehen  benutzt.  Im  Jahre  1594  wollen  die  Niederurseier  205  Schwein 
in  die  Hohe  Mark  eintreiben;  Wendel  Hoff,  der  Märkermeister  zu 
Oberursel  will  es  anfänglich  wehren,  entschuldigt  sich  dann  er  habe 
diese  hergebrachte  Gerechtigkeit  „nicht  ausdrücklich  gewusst",  sie 
möchten  in  der  Hohen  Mark  auch  ihre  Stege  machen,  und  ein- 
schlagen wie  die  andern  Märker  thun.  Der  Bereiter  meint,  weun 
die  Nid.  Urseler  ihren  Vortheil  verstünden ,  würden  sie  zur  Mästung 
in  beide  Hohe  Mark  ihre  Steigen*8  machen. 

Gab  es  keine  Eicheln  so  wurde  verboten  Steigen  zu  machen ; 
1599  wurde  jedem  Märker  3  Schwein  einzutreiben  und  8ein  Wehr 
zu  kauffen"  erlaubt;  dem  Schultheissen  4.  Ein  Wehr  ist  geschätzt 
für  6  ß.  Dabei  hei  aßt  es :  die  Hirten  sollen  zulassen  ihnen  die  Säckel 
durch  die  Förster  besichtigen  zu  lassen,  damit  sie  kein  Eicheln 
lesen.  — 

Aenderung  der  Markverfassung.  —  Bald  nach  der  Refor- 
mation und  dem  Bauernkrieg  begann  in  der  Hohen  Mark  die  Macht 
des  Waldpotten  ungemessen  zu  steigen,  während  die  Bedeutung  der 
Märker,  des  Lantmans,  mehr  und  mehr  dahinschwand.  Vorzugsweise 
ist  hier  einer  der  Räthe  und  Beamten  des  Waldpotten  zu  nennen, 
welcher  diesen  Umschwung  anbahnte,  Dietherich  oder  Diether  Ge- 
wend. Er  begann  im  Jahr  1536  das  alte  Fundament  der  Markord- 
nung zu  lockern.    Es  werden  neue  Anstalten  getroffen  „die  Ver- 


'*  Steige,  Stege,  styge,  stfga,  ahd.  altnordisch;  stta  dänisch;  stie,  attge 
vergl.  Grimm  gram.  III.  433.  I»,  464  In  der  Hohen  Mark  werden  nur  Soliwein- 
steigen  erwähnt,  nicht  auch  Schafsteigen  oder  HOhnerateigen.  Das  Wesent- 
liche bei  Bolchen  Schweinsteigen  ist  das  umschliessen  und  verwahren ,  nicht 
anoh  daa  „Steigen".  Die  Steigen  sollten  später,  am  das  Holz  za  sparen,  von 
Steinen  gemacht  werden;  also  Trockenmauern.  Kostspielige  Steingebäude 
ab  Schweinsteigen  finden  wir  jetzt  noch  im  Frankfurter  Waide  an  Orten  wo  es 
kaum  noch  eine  alte  Eiche  mehr  giebt. 


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—    405  — 


wüstung  der  Mark  zu  hemmen*.  Es  sollen  2  glaubwürdige  Personen 
gekoren,  ihnen  ein  geschickter  Schreiber  zugeordnet  werden,  die  alle 
3  dem  Waltpotten,  Märkermeistern  und  gem.  Mürker  wegen  gebühr- 
lich Pflicht  thun,  ein  gemein  kisten  oder  buchsen  aufrichten  sollen, 
die  bussen  darin  zu  Bammeln.  Solche  Rechenmeister  sollen  aus  dem 
gemeinschaftlichen  Potte  belohnt  werden,  der  Rest  solle  theils  den 
Märkermeistern  zufallen,  theils  zum  Besten  der  Mark  verwendet 
werden.  Auf  dem  Märkerding  1537  wurde  über  die  neuen  Artikel 
abgestimmt,  einige  Zusätze  wurden  beliebt,  und  „also  ein  Jar  langkh 
zu  halten"  beschlossen.  Auf  den  Tag  Johannis  des  Täufers  war 
wieder  ein  Märkerding;  das  Roden  in  der  Mark  solle  beschränkt, 
geordnet  werden,  man  konnte  sich  über  die  Massregeln  nicht  einigen; 
da  drohte  Dieth er  Gewend,  es  möge  solcher  Span  nicht  fUr  sein  gn. 
Herrn  den  obersten  Waldpotten  kommen,  „dann  derselbige  würde 
etwan  anders  zur  Sachen  thun". 

Schon  auf  dem  Märkerding  1541  zeigte  es  sich  welchem  Ein  Aus« 
die  neuen  Rechenmeister,  die  auch  nach  Ablauf  des  Jahres  in  Thätig- 
keit  blieben,  zu  folgen  hatten.  Die  Mark  sollte  bestellt  werden  laut 
des  Instruments  und  der  neuen  Ordnung,  neulich  aufgericht  mit 
Rath  des  obersten  Waldpotten.  Als  die  Rügen  verlesen  worden  be- 
gehrt Diether  dass  ein  jeder  Fleck  2  Manu  geben  solle,  welche  zur 
Förderung  der  Sachen  neue  Märkermeister,  wo  von  Nöthen  ordnen 
und  kiesen  sollen.  Da  begehren  die  herrschaftlichen  Gesandten  und 
die  vom  Adel  zu  wissen,  ob  der  Schaden  in  der  Gemark  durch  Ir. 
Gnaden  verursacht,  mit  Wissen  des  gem.  Märkers  oder  der  Märker- 
meister geschehen;  ob  sein  Gn.  auch  solchen  Schaden  verbüsset? 
Die  Forstknecht,  zur  Rede  gestellt,  gestanden  dass  die  Bäume  gefällt 
worden  auf  Befehl  der  neuen  Rechenmeister;  diese  hätten  ihnen 
verboten  solches  in  die  Rüge  zu  setzen  oder  zu  schreiben,  derhalb 
sie  entschuldigt  wollten  sein.  Die  Edelleute  hielten  Diethern  vor, 
dass  nach  dem  Instrumente,  wo  ein  oberster  Waltpotte  in  der  Ge- 
mark Schaden  thue,  so  sei  der  gemein  Märker  die  verwirkte  Buss 
zu  geben  auch  nicht  schuldig.  Desshalb  wäre  beschwerlich  die  Ar- 
men zu  strafen,  wo  nicht  vermög  des  Instruments  Gleichheit  gehalten 
solt  werden.  Diether  berief  sich  auf  die  neue  Ordnung  von  1537 
nach  welcher  Ordnung  die  Rechenmeister  Macht  hätten  zu  erlauben 
und  zu  verbieten.  Entgegnet  wurde  die  neue  Ordnung  sei  nicht  wei- 
ter denn  desselben  Jahres  zu  halten  verstanden  worden.  Nur  die 
Märkermeister  hätten  Befehl  über  die  Mark.  Der  Keller  wollte  hier- 
auf einen  Ausschuss  zu  Wahl  der  Märkermeister  bestellen,  die 
Gesandten  aber  den  Markgenossen  verboten  keinen  Ausschuss  zu 


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geben.  Darauf  „der  weniger  Theil*  sich  verglichen,  die  andern  dem 
widersprochen.  Wo  er  nicht  bei  dem  Instrument  bleiben  würde,  woll- 
ten sie  die  Sach  an  ihre  Herrn  und  Oberen  gelangen  lassen.  Chri- 
stoffel von  Hattstein  bat  Diether  Gewend  die  neue  Ordnung  fallen 
zu  lassen,  so  wären  die  Märker  sammtlich  erbötig  die  Mark  helfen 
zu  bestellen,  wo  aber  solches  nicht  statt  habe,  einen  andern  gelegen 
Tag  zu  ernennen.  Der  Keller  berief  sich  darauf  dass  solche  Ordnung 
zu  Zeit  ihres  gn.  Herrn  des  Landgraven  als  der  Zeit  obersten  Wald- 
potten  mit  Wissen  des  gemein  Märker  aufgerichtet  worden,  es  würde 
vonnöthen  sein  ,  dies  an  lr.  fürstl.  Gnaden  als  Pfandherrn  gelangen 
zu  lassen.  Die  Gesandten  dagegen  brachten  vor,  es  wäre  unnöthig 
solches  an  Ir.  gnäd.  Herrn  von  Hessen  gelangen  zu  lassen,  nach  dem 
Instrument  habe  der  jeweilige  Waldpott  Macht  zu  handeln,  wäre  ihr 
begehr  es  an  den  obersten  Waltpotten  kommen  zu  lassen;  lieaaen 
auch  sofort  durch  einen  offenen  Isotarius  gegen  die  neue  Ordnung 
des  Jares  1537  protestiren,  ein  Instrument  zur  Notlidurft  aufrichten; 
vereinigten  sich  dann  auf  den  16.  Aug.  zu  Frankfurt  im  Prediger- 
oder Frauenbrüderkloster  zusammen  zu  treten,  zu  rathschlagen, 
dass  das  Instrument  bei  seinem  Buchstaben  gehandhabt  „die  neue 
uffgericht  Ordnung  abgethan  müg  werden". 

Auf  dem  Märkergeding,  Bartholome  1543,  waren  wenige  der 
Edlen  und  Märker,  lehenherrn  und  landsydel  erschienen,  es  hat  der 
Abschied  in  denen  Puncten  desshalb  das  Märkergeding  furgenom- 
men,  diesmal  hat  mögen  wirklich  vollenzogen  werden.  Doch  ist 
der  Abschied  (wahrscheinlich  der  von  1536)  öffentlich  verlesen  wor- 
den. Es  sollen  die  alten  bussen  innerhalb  14  Tagen  bezahlt  werden, 
welcher  Ort  solches  nit  thäte  „solle  aus  der  Mark  gestossen  sein* 
bis  sie  ihr  obgemelt  Antheil  bezalt  haben.  Solches  haben  die  Ge- 
schickten des  Waltpoden  gewilligt  Jeder  Fleck  sollt  bis  Michaelis 
die  alten  bussen  nach  Homburg  den  Rechenmeistern  erlegen ;  welcher 
in  verbotenen  Wäldern  Schaden  thäte,  den  sollen  die  Förster  ver- 
mög  des  Abschieds  „pfänden  oder  nach  Homburg  eintreiben* ;  würde 
ein  Ort  um  Hülfe  angesprochen  werden,  so  sollteer  bei  Verlust  des 
Märkerrechts  solch  Hilf  zu  thun  schuldig  sein. 

Auf  Sonntag  St  Laurentiustag  1544  war  wieder  Beratschlagung 
was  auf  nächstem  Märkerding  zu  bcschliessen :  wie  es  mit  den  bussen 
und  dem  roden  zu  halten;  die  Rechenmeister  sollen  Rechnung  ab- 
legen; es  soll  berathsch läget  werden,  wie  es  mit  den  Rechenmeistern 
zu  halten  sei  ;  und  solle  dies  dem  Instrument  ohnschädlich, 
auf  Wohlgefallniss  oder  besser  bedenken  des  Waltpotten  und  der 
Märkcr  vorgeschlagen  werden.    (Mglb.  E.  29.  IIb.  S.  118.) 


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—    407  — 

Auf  dem  ersten  Märkerding  von  1545  am  27.  Mai  wurde  ein 
AuBschuss  gemacht  und  beschlossen;  derselbe  solle  am  10.  Juni  in 
Homburg  zusammenkommen,  notttirftiglich  von  den  Sachen  handeln 
und  wie  die  Aerater  von  Neuem  möchten  bestellt  werden.  Es  hat 
hierauf  Diether  Gewend  „die  Mark  und  den  Wald"  zugethan  und 
verbotten  dass  kein  Märker  vor  dem  10.  Juni  darin  fahren  noch 
Bauholz  darin  haben  soll  „bei  Verlierung  des  Markerrechts  und  des 
Intriebs". 

Am  genanten  Tage  sind  die  Gesandten  auf  dem  Rathhause  zu 
Oberursel  erschienen,  haben  das  Instrument  besichtigt  und  iunf 
Artikel  so  der  Mark  nachtheilig  geachtet  worden  bedacht  und 
gebessert 

Es  wäre  unbegreiflich  wie  die  Gesandten  auf  die  nachfolgenden 
Vorschläge  hätten  eingehen  können,  da  sie  doch  gerade  bedacht 
waren  eine  gefährliche  Neuerung  des  Waldpotten  zu  beseitigen ; 
wie  sie  anstatt  einfach  die  Rechenmeister  als  Instruments  widrig  ab 
zustellen,  vermocht  worden  sind  dem  Waldpotten  ein  wol  ungleich 
wichtigeres  Zugeständniss  zu  machen.  Es  ist  dies  nur  in  der  Weise 
zu  erklären,  dass  die  ganze  Einrichtung  und  Ordnung  der  Mark  sich 
zu  einem  Vertragsverhältnisse  gestaltet  hatte,  und  dsss  auch  zur 
Abstellung  einer  getroffenen  Einrichtung  des  Waldpotten  Zustim- 
mung nöthig  war.  Er  knüpfte  diese  Zustimmung  an  die  Annahme 
eines  Artikels  welcher  anscheinend  zum  Besten  der  Mark  gereichen 
sollte,  in  der  That  aber  das  vertragsmäßige  Grundverhältniss  be- 
seitigte, den  Waltpotten  über  das  Gesetz  stellte.  Bis  jetzt  war  dieser 
durch  das  vertragsmässig»  festgestellte  Gesetz  gebunden  wie  der 
gemein  Märker,  frevelte  er  dawider,  so  zerriss  er  die  Ordnung, 
dann  war  auch  der  gemein  Märker  nicht  weiter  an  die  gestörte 
Ordnung  gebunden.  Damit  wurde  gleichsam  der  Frevel  gebüsset, 
denn  die  Ordnung  war  in  beiderseitigem  Interesse  und  Vortheil 
vereinbart  worden.  In  unscrn  Tagen  sucht  man  die  Sicherstelluug 
der  zwischen  dem  Herrscher  und  den  tlnterthauen  vereinbarten  Ver- 
träge darin,  dass  man  den  Rathen  des  ersteren  besondere  Rechte 
und  Pflichten  überträgt,  eine  Verantwortlichkeit  diesen  zuweist. 

Die  fünf  Artikel  welche  am  10.  Juni  1545  in  der  Vorberathung 
vereinbart  wurden  betrafen:  erstens  hat  der  Ausschuss  der  gemein 
Merker  in  Betracht  gezogen,  wie  der  2.  Artikel  im  Instrument 
verfüge,  dass  der  Waltpott  die  Bestellung  der  Mark  auch  halten 
solle;  so  der  Waltpott  verbreche,  dass  dann  der  Lantman  so  darnach 
verbricht,    nit  büssen  solle:   derhalben  bedacht,  obgleich  der  Walt- 


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-    408  — 

pott«»  dem  Beschlüsse  der  Märker  zuwider  hauen  Hesse,  dass  doch 
•  der  gemein  lantman  sein  buss  trage.  Nach  dem  2.  Artikel  »olle  der 
Märkermeister  taidingen  und  bussen  wie  der  gemein  lantman.  Der 
3.  und  der  4.  Artikel  betreffen  eine  Steigerung  der  Buassätze.  Der 
fünfte  endlich  erleutert  die  Bestimmung,  dass  der  Märker  auf  Erfor- 
dern des  Waldpotten  zu  erscheinen  habe,  solcher  Artikel  sei  nicht 
anders  dann  von  einem  vollen  Märkergeding  zu  verstehen,  und  soll 
sich  niemand  entschuldigen,  es  beneme  ihm  dann  Herrn  oder 
leibsnoth 70. 

Weiters  ist  dann  nach  diesen  Artikeln  „uff  beider  Waldpotten 
Gesandten"  begehr  zu  Förderung  und  Hegung  der  Mark  bedacht 
worden,  dass  ein  Schreier  zugleich  oberster  Förster  und  reisig 
wäre,  sodann  weitere  Massregeln  wegen  Köhler,  Bauholz,  Roden 
u.  d.  m. 

Diese  obgemelte  Puncte  sind  der  Mark  zu  gute  durch  den  Aus- 
schuss  bedacht,  doch  allen  Artikeln  de»  Instruments  onschädlich,  ein 
Jahr  lang  zu  halten  und  „zu  versuchen,  volgends  uf  gemeinen 
BeschluBs  der  Märker  zu  mindern,  zu  neuen  oder  gar  abzutunu. 

Neben  des  Ausschuss  Bedenken  haben  dann  die  Geschickten  der 
Erb-  und  Pfand  -  Waltpotten  vorgeschlagen  es  sollten  4  glaubhafte 
Personen  ernannt  werden  jede  Woche  einen  Tag  in  dem  Wald  sich 
finden  lassen  und  Aufsehen  haben.    (Mglb.  E.  29.  II  b.  S.119.) 

So  wurde  anscheinend  der  grösste  Eifer  an  den  Tag  gelegt  die 
Mark  durch  zweckmässige  Anordnungen  zu  bessern;  es  häufen  sieh 
auffallend  die  Berichte  über  Ausschusstage ,  während  der  gemein 
Märker  zur  Seite  geschoben  wurde.  Bereits  am  30.  Juli  desselben 
Jahres  1545  war  wieder  ein  Ausschusstag  um  eine  Ordnung  in  dem 
Wald,,  die  Hohe  Mark  genant,  aufzurichten;  es  sind  „etlich  Merk  er* 
zum  Ausschuss  erfordert,  die  haben  nach  gemelt  Ordnung  im  besten 
bedacht  und  abgeredt  doch  uff  mitbewilligung  hochbedach ts  Für- 
sten unsers  gn.  Herrn,  und  wolgemelts  Grafen  zu  Königstein  auch 
unsers  gn.  Herrn",  zum  ersten:  dieweil  zu  Versehung  der  Mark  und 
Annehmung  der  Merkermeister  Irrung  eingefallen,  und  der  weniger 
teyl  der  Merker  uf  diesem  Tag  erschienen,  deshalb  sie  sich  solcher 
irrung  nit  vergleichen  mögen,   und  doch  der  Mark  Notturfft  erfor- 


89  Die  Worte:  .«oder  die  Seinen  zu  Homburg'*  sind  durchstrichen 
f*  Auf  dem  Märkerding  von  1518  haben  sich  die  ReirTeoberger  „vernoit- 
botten"  lassen,  dies  der  Sebnltheiss  von  Oberursel  dem  gem.  Isndtman  zu  er- 
kennen geben  hat.  wiewol  o*er  von  Hompurg  das  nit  gestehn  wolt.   (Mglb.  E. 
29.  II*.  S.  99.) 


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-    409  - 


dert  „in  der  Eile  bestellung  zu  thun",  so  hat  der  Aussen  uss  im 
Namen  aller  Märker  diesmal  erbeten  Jungker  Johann  Brendel  den 
j ungern  von  Homberg,  als  einen  vom  Adel  der  Mark  gesessen,  und 
neben  ihm  „Diethern  Gewend  als  ein  eingesessnen  Merker,  und  an- 
derer gestalt  nit",  also  dass  die  beede  von  gemeiner  Merker  wegen 
eampt  und  sonder  zwischen  den  künftigen  Pfingsten  Märkermeister 
sein,  und  unsern  gn«  Herrn  Waltpoten  darüber  gebürlicb  Pflicht 
thun  söllen.  So  war  der  Wolf  zum  Hirten  gemacht,  oder  der  Bock 
zum  Gärtner  gesetzt  Freilich  wurde  sodann  auch  hier  vor  gut  an- 
gesehen, dass  uff  Verbrechung  des  Merkermeisters  ein 'gleiche  Poen 
gesetzt  sein  solle,  dass  er  gleich  einem  andern  Merker  taidigen  und 
büssen  solle,  auch  sein  Antheil  an  den  gemeinen  Bussen  verwirkt 
haben,  und  seines  Amts  entsetzt  sein  solle;  weiter  folgen  dann  ver- 
schiedene Artikel  welche  Strafen  schärfen,  das  Holzholen  erschwe- 
ren, die  gewesen  Rechenmeister  sollen  Rechnung  thun,  die  alten 
bussen  einbringen.  Diese  Puncte  seien,  so  heisst  es,  der  Mark  zu 
gutem  geordnet,  den  Artikeln  im  Instrument  onschädlich,  bis  zu 
nächstem  Märkergeding  also  zu  halten  und  zu  versuchen.  Es  waren 
zugegen  bei  dieser  Ordnung  von  wegen  des  Fürsten  zu  HeaBen, 
Diether  Gewend,  Amtman  zu  Homberg;  von  wegen  Königsteins  als 
Pfand  Waltpotens,  Philips  Ryffenstein,  Amtm.  zu  Ursell;  von  wegen 
Solms  derKellner  z.Redelnheim;  von  wegen  Hanau,  Erasmus  Steyndecker 
Keller  zu  Hanau;  von  wegen  des  Stamms  Brendel,  Johan  Brendel 
der  Elter  von  Homberg  des  H.Reichs  Burggraf  zu  Friedberg,  Joh. 
Brendel  der  jünger  von  Homberg;  von  wegen  der  Stamm  Ryffenberg 
und  Hattstein  der  Pfarrer  und  der  Schultheiss  zu  Ryffenberg;  dann 
Wilhelm  von  Bommersheym  und  N.  N.  von  Praumheym,  endlich  von 
wegen  der  Stadt  Frankfurt  Justinian  von  Holzhausen;  Joh.  Völker 
der  jünger,  und  Georg  von  Bellersheym  Amtm.  zu  Nidern 
Irlebach. 

In  den  Akten  E.  29.  HL  7  finden  sich  aus  dem  Jahre  1546  Auf- 
forderungen der  Märkermeister  Joh.  Brendel  von  Hombergk  und 
Diether  Gewend,  Amptman,  an  dieAmtleude,  Schultheissen,  Bürger- 
meister und  guten  Freund,  sie  sollen,  vermög  nächst  ufgerichter 
Markordnung  ihre  Mitbürger  anhalten  nach  Homburg  auf  das  Ratli- 
haua  zu  kommen,  ihre  bussen  zu  taidingen. 

Ueber  das  im  Jahre  1547  am  2.  September  gehaltene  Märker- 
ding wird  berichtet:  Auf  des  durchl.  Fürsten  und  Herrn  Phi- 
lipaen  Landgrafen  zu  Hessen,  Grafen  zu  Katzenelnbogen  als  dieser 
Zeit  obersten  Waltpoten  ausgegangnen  befehl  an  den  wolgebornen 
H.   Ludwigen    Grafen  zu    Stolbergk   und    Königstein ,  neralich 


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—   410  - 

dass  Se.  gnad  »oll  das  Gehölz  der  Mark  „zu  Abbruch  der  Pfand- 
verschreibung"  nit  veröhsen  lassen,  sondern  Einsehens  haben  dass 
solich  gehöltz  und  Hude  versehen  werde,  aber  mitler  Zeit  die  gewe- 
sen schwinden  Kriegsleuft  zugetragen,  dass  solich»  ordentlicher  Weise 
nit  hat  geschehen  mügen,  demnach  der  Waltpott  habe  Markerding 
berufen  lassen,  daselbst  mit  Rat  der  Merker  und  lantmans  beschlos- 
sen: sub  1  und  2  werden  Märkermeister  und  Förster  erwählt  und 
verpflichtet,  sub  3  findet  sich  die  Bestimmung  dass  wenn  Jemand 
gegen  Förster  sich  zur  Wehre  stelle,  Rollen  die  Förster  den  Waltpotten 
oder  die  Märkermeister,  oder  die  nächsten  Flecken  oder  Dorff 
um  Hiilf  ansuchen,  diese  bei  Verlust  ihres  Markrechts  schuldig  sein 
zu  helfen;  die  Ausmärker  sollen  in  Homberg  und  nirgends  anders 
eingetrieben  werden,  die  Merker  aber  mögen  nötigenfalls  auch  in 
Stedten,  UrseJl,  Kirtorff  oder  Ryffenberg  eingetrieben  und  angenom- 
men werden.  Zum  4.  sind  nachfolgende  Artikel  des  Instruments  uff 
diesem  tag  „mit  gemeynem  rat  erklert  worden",  nemlich  also:  wie- 
wol  das  Instrument  im  2.  Art.  ausweiset,  dass  der  Waltpott  Bestel- 
lung der  Mark,  wie  die  jährlich  geordnet  wird,  auch  halten  solle; 
so  ist  doch  demselbigen  Artikel  ein  Poen  angehengt,  die  „den  Mer- 
kern und  Wald  zu  beschwerlichem  Nachtheil  gereichen  mag*,  nem- 
lich: So  der  Waldpott  verbricht,  sollt  der  Märker  oder  lantroan,  ob 
der  darnach  auch  verbreche,  nit  büssen.  Aus  solchem  Anhang  sind 
viel  Rügen  hinterhalten ,  und  die  Mark  „dadurch"  merklich  besche- 
digt,  und  ist  „daraus"  gefolgt  dass  dem  Waltpotten  und  Untenan 
bisher  keine  Rechnung  geschehen.  Ist  auch  weiter  gefolgt  dass  die 
Merkermeister,  Rechenmeister  und  Forster  ihrer  Belohnung  „auch 
die  Wirt  ihrer  geborgten  Zerung"  bis  uff  diesen  tag  nit  bezahlt  sind. 
Solich  Unordnung  und  Mangel  zuvorzukommen  ist  „eyntrechtig  be- 
schlossen": obgleich  der  Waitpot  zu  ire  gn.  zimlichen  notturfft  dem 
jerlichen  beschluss  zuwider  im  Wald  Holtz  hauen  wttrd  oder  hauen 
Hess  „dafür  doch  der  gemein  mercker  untertheniglich  bitt,  auch  hofft 
solichs  geverlicher  und  beswerlicher  wyse  nit  geschehen  solle",  so 
sollt  doch  der  gemein  Merker  und  lantenan  ihre  verwirkten  bussen 
tragen,  und  sich  Verbrechung  des  Waltpotens  nichts  zu  behelfen 
oder  zu  weigern  haben.  Der  Untcrwaltpot  oder  bevelhaber,  oder  ein 
Merkermeister  soll  wie  ein  anderer  Merker  bestraft  werden.  Es  wer- 
den dann  auch  hier  die  bussen  geschärft  und  bestimmter  gefasst, 
auch  weil  „in  vielen  Jahren"  kein  Rechnung  geschehen,  beschlossen 
dass  dies  jetzt  geschehen  solle,  die  Obrigkeit  solle  dafür  sorgen ; 
weiter  solle  das  Eintreiben  und  Pfänden  der  Merker,  Pferd  und 
Wagen  zugelassen  weiden,  wer  sich  widersetze  solle  gefänglich  an- 


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-    411  - 


genommeu  werden;  endlich  wurde  Verfügung  wegen  der  Hege  ge- 
troffen. Zum  Schlüsse  heisst  es,  diese  Bestellung  sei  bis  zu  dem 
n&chsten  Märkergeding  zu  halten,  doch  so  dass  dem  Instrument  hier- 
mit „nichts  benommen  oder  abgezogen  sei,  in  keine  Wege,  sonder 
Geverde*.  Auf  Pfingsten  1549  wird  dem  Cronburger  hof  zu  Ober- 
heckstatt, so  verfallen  und  abgegangen,  kein  Beholzung  mehr  in  der 
Mark  gestattet,  sonst  soll  „die  Ordnung  im  47tu>  Jahr  ufgericht  in 
andern  Artikuln  und  Puncten  festiglich  gehalten  werden".  Auch  im 
Jahr  15Ö0  „soll  die  Ordnung  im  Jar  1547  durch  die  Gesandten  des 
öbersten  Waltpoten  und  die  gemeinen  Merk  er  uffgericht  auch  flirter 
gehalten  und  dero  gelebt  werden0.  Ausgenommen  wird  der  Artikel 
„halben  des  Holzgebens,  über  welchen  die  Merker  nicht  einig.  Dess 
halb  ist  dieser  Artikel  uff  diesmal  ufgeschlagen".  Auch  1551  wurde 
beschlossen  die  Artikel  wieder  zu  halten;  zugleich  ist  bemerkt,  dass 
die  Abrechnung  der  bussen  noch  nit  gescheen. 

Es  beginnt  in  der  Mitte  dieses  Jahrhunderts  eine  Gesetzgebungs- 
Periode  in  der  Mark,  welche  sich  darin  gefallt  bis  in's  kleinste  über 
alles  zu  beachliessen ,  Satzungen  zu  häufen,  stets  neue  Artikel  den 
Markordnungen  beizufügen.  Zugleich  aber  wurden  die  Gewalthaber 
gewöhnt,  mit  Geringschätzung  auf  das  alte  Recht  herabzusehen;  das 
Römische  Hecht  wurde  möglichst  in  alle  Verhältnisse  hereingezogen, 
ihm  gegenüber  stand  der  Märker  rathlos  da.  Von  grossem  Gewicht 
war  die  Abfassung  der  Gerichts-  und  Landorduung  der  Grafschaft 
Solms  und  Herrschaften  Münzenberg  etc.  aus  dem  Jahre  1571.  Sie 
wurde  von  Johan  Fichard,  dem  gelehrten  Syndicus,  verfasst,  und 
spricht  den  vornehmen  Uebermuth  der  Lehrer  des  Römischen  Rechts 
in  Beziehung  auf  das  einheimische  Recht  und  der  vaterländischen 
Verhältnisse  an  gar  vielen  Stellen  aus.  In  der  Einleitung  heisst  es: 
"Wir  Philipps  Graf  zu  Solms  etc.  thun  kund  .  .  wiewol  die  kaiserl. 
Satzungen  und  Rechte  in  dem  h.  Röm.  Reiche  allenthalben  an- 
genommen worden  .  .  so  haben  wir  doch  daneben  befunden,  dass 
der  gemeine  Mann  mebrentheils  eines  geraeinen  unbeschriebenen 
Landbrauchs  „so  von  alten  Zeiten  in  unsern  Grafschaften  .  .  einge- 
schlichen", bis  daher  sich  gehalten;  welcher  aber,  ob  er  wol  in 
etlichen  Puncten  und  Sachen  den  Rechten  und  der  Billigkeit  auch 
nicht  ungemäss,  und  derohalben  ihm  dem  gemeinen  Mann  ohne  Zer- 
rüttung schwerlich  zu  entnehmen,  doch  des  mehrentheils  unrichtig, 
ungleich,  disputirlich ,  .  .  auch  wol  ihm  selber  widerwärtig  ist.  Es 
gebühre  der  von  Gott  gesetzten  Obrigkeit  oberzählte  Beschwerlich- 
keiten abzuschaffen,  Landbräuche  in  eine  Gewissheit  zu  bringen.  In 
der  ersten  Abtheilung,  der  Gerichtsordnung,  wird  das  Verschieben 


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-    412  — 

an  die  Oberhöfe  abgestellt.  Es  sei  der  Brauch  bei  den  Untergerich- 
ten,  dass  die  der  Partheien  Geld  genommen,  und  sich  bei  andern 
Gerichten  als  Oberhöfen  Raths  und  Rechtens  erholet  „wir  aber  be- 
finden dass  dieselben  Oberhöfe  der  Sachen  und  des  Rechtens  gleich 
so  wenig,  etwa  auch  weniger,  Verstands  gehabt",  den  Partheien  also 
grosse  tinkosten  aufgelaufen  Die  Appellationes,  bo  heisst  es  dann 
weiter,  sollen  voo  dem  Gericht  an  die  Herrschaft  allein  „darin  dasel- 
bige  Gericht  gelegen  .  .  des  Orts,  als  dann  die  Herrschaft  ihre  Hof- 
haltung hat,  mit  ausdrücklicher  derselben  Herrschaft  Benennung  .  . 
geschehen.  In  der  zweiten  Abtheilung  wird  von  den  Landrechten 
gehandelt;  e*  heisst  daselbst  in  der  Vorrede:  Nachdem  neben  den 
Landrechten  .  .  .  auch  allerlei  Missbräuche  mit  der  Zeit  eingeschli- 
chen und  eingewurzelt,  dermassen  dass  dieselben  anders  nicht,  als 
zu  Recht  gehalten,  auch  darauf  in  den  Gerichten  erkennet  und  ge- 
urtheilet  worden:  welches  dann  fürnehmlich  aus  dem  hergeflossen, 
dass  die  einfältigen  Schöpfen  an  den  Untergerichten  etwan  von  den 
Alten,  von  Fällen,  und  wie  es  mit  einem  und  anderm  gehalten  wor- 
den gehöret,  Bolches  aber  zum  Theil  nicht  recht  eingenommen,  und 
zum  Theil  nicht  recht  verstanden  haben,  auch  oftmals  aus  einem  Fall, 
so  mit  Recht  erörtert  worden,  demselben  nach  einem  andern  so  doch 
derselbige  dem  vorigen  nichts  allerdings  .gleich,  sie  aber  den  Unter- 
schied als  ungelehrte  Leven  nicht  merken  noch  verstehen  können, 
geurtheilt  haben,  da  doch  nicht  eben  den  Exempeln  nach,  und  wel- 
cher Gestalt  zuvor  erkennet  worden,  sondern  dem  nach,  wa»  Recht 
ist,  soll  geurth eilet  werden. 

In  unseren  Tagen  hat  sich  der  alte  Kampf  um  das  Recht  wie- 
der erneut  Wohl  mussten  die  deutschen  Juristen  bei  den  Römern 
erst  in  die  Schule  geben,  bevor  sie  das  eigne  angestammte  Recht 
zu  geistiger  Freiheit  und  zu  höherer  Ausbildung  bringen  konnten. 
Aber  auch  die  Gesetze  der  Sprache  wurden  beachtet,  bevor  sie  zum  Be- 
wusstsein  erhoben  waren,  die  Gesetze  des  Denkens  wurden  im  Leben 
angewendet,  bevor  eine  Logik  diese  Gesetze  begriff,  das  Recht  wurde 
bewahrt  und  geschirmt,  bevor  die  Jurisprudenz  die  juristischen  Ge- 
danken darstellte,  getrennt  von  unmittelbarer,  individueller  Anwen- 
dung; es  wurde  angewendet,  wenn  schon  die  Richter  es  nicht  wis- 
senschaftlich begriffen  71 . 

Es  ist  anzuerkennen  dass  Fichard  in  sehr  zweckmässigen  Bei- 
spielen die  Unterscheidungen  darzulegen  sucht  welche  das  gebildete 


»«  BlnntBchli,  Staut«  n.  Rccht»Kcsch.  d.  St  u.  K.  Z.  1  S.  VII  S.  M. 


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-    413  — 


Römische  Recht  schon  längst  in  scharfer  Begrenzung  aufgestellt  hatte, 
aber  besser  wäre  es  noch  gewesen,  wenn  er  das  aus  den  Sitten  und 
den  Verhältnissen  der  Bewohner  erwachsene  Recht  fortzubilden  und 
auszubilden  gesucht  hätte,  statt  es  auf  die  Seite  zu  schieben  oder 
zu  verbieten.  Das  ist  aber  ein  Vorwurf  der  nicht  dem  einzelnen 
Gelehrten  gilt,  sondern  seiner  Zeit  Uns  freilich  ist  es  leicht  aus  den 
Folgen,  die  jetzt  vor  Augen  liegen,  das  Verderbliche  des  Unter- 
nehmens darzulegen. 

Eine  Fortbildung  und  wissenschaftlichere  Behandlung  des  gelt- 
enden Volksrechts  mag  damals  wol  Bedürfnis?  gewesen  sein.  Rechts- 
grundsätze, die  aus  der  Tiefe  der  nationalen  Sitte  hervortreten,  diese 
werden  von  jedem  verständigen  Individuum  erfasst,  und  mit  grösserer 
oder  geringerer  Klarheit  und  Sicherheit  befolgt  werden;  aber  bei 
gesteigerter  Manichialtigkeit  der  Lebensverhältnisse  und  deren  gegen- 
seitigen Beziehungen,  erfordert  die  richtige  Anwendung  der  Rechts- 
grundsätze eine  fortgesetzte  Aufmerksamkeit,  eine  mehr  ausschliess- 
liche Beschäftigung  mit  dem  Rechte71. 

Beeinträchtigung  der  Märker.  —  Zwei  Gegenstände  wa- 
ren es  in  der  nächsten  Zeit  welche  die  Beamten  des  Waltpotten  vor- 
züglich im  Auge  behielten  um  die  Macht  ihres  Herrn  in  der  Mark 
zu  erweitern,  die  Aufrichtung  von  Zollstöcken,  und  die  Beschränkung 
des  Schweinetriebs  der  Märker.  Aus  dem  Jahre  1566  oder  1567 
findet  sich  eine  „forma  der  merkere  bedenkens,  doch  uff  Verbesserung 
irer  obrikeiten,  ob  also  an  den  Fürsten  in  Hessen  zu  schreiben  sei*. 
Es  wird  darin  zuvörderst  dem  Fürsten  gedankt  dass  er  durch  seine 
Gesandten  zu  hinlegung  des  Zwiespalts  so  sich  zwischen  den  2  ed- 
len Stämmen  von  Reiffenberg  und  Hattstein  gegen  den  gem.  Märker 
diesseits  der  Höhe  viele  Jahre  erhalten,  beigetragen  habe.  Dann 
zeigen  die  Märker  an  dass  der  gewesene  Waldschreier  etliche  Zoll- 
stöck  in  die  Höhmark  auf  die  Strassen  gestellt,  als  ob  man  in  der 
Mark,  die  doch  der  Märker  rechtlich  eigen,  einen  Zoll  zu  geben 
schuldig  sei,  welches  gar  ein  neues  und  nit  erhört.  Sie  meinen  der 
Waldschreier  möchte  dazu  keinen  befehl  gehabt  haben,  bitten  S.  f. 
Gn.  wolle  verschaffen  dass  solche  zollstöck  aus  der  Mark  gethan 
würden.  Am  22.  Mai  1567,  auf  dem  Märkerding,  waren  wie  zu  er- 
warten gewesen,  die  Zollstöck  noch  nicht  entfernt  „wollen  die  Mer- 
ker uff  diesmal  öffentlich  darwider  proteatirt  haben,  uff  dass  Inen 


"  Beseler,  Volkarecht  and  Juristen  recht.  S.  117. 


kein  schad  deren  halb  entstehn  mögu.  Im  Jahre  1580  wenden  sich 
die  Märker  abermals  an  die  Herrschaften  um  Rath  und  um  Abhülfe ; 
auch  diesmal  ohne  Erfolg.  Vier  Jahre  später,  am  22.  Sept  1574, 
las  der  Kellner  ein  Schreiben  des  Landgrafen  Ludwig  auf  der  Au 
vor  Urseil :  dieweil  sich  nicht  gebühre,  dass  die  Märker  der  Hom- 
burger Mark  mit  ihren  Schweinen  eh  und  zuvor  eintreiben  lassen, 
der  Landgraf  habe  denn  zuvor  gejagt;  so  sei  dessen  befehl,  dass  den 
Märkern  das  Eintreiben  der  zahmen  Schwein  untersagt  Bei,  bis  so 
lang  der  Landgraf  die  Schwein h atz  verrichtet  habe ;  „welche«  dann, 
geliebts  Got,  sehr  bald  geschehen  wird".  Die  Märker  babeu  darauf 
wieder  beschlossen,  dass  jede  Parthei  ihrer  Obrigkeit  dieses  Verbot 
zu  wissen  thue,  ihres  Raths  darüber  untertheniglich  bitte.  Mglb.  E. 
29.  III.  74.  — 

Dem  Rath  wird  am  19.  Oct  1574  desshalb  eine  Schrift  über- 
reicht, in  welcher  zuerst  der  Zollstöcke  gedacht  ist,  alles  Protestiren 
sei  vergeblich  gewesen,  man  habe  nur  mehr  andere  Beschwerungen, 
so  wegen  des  Schweineeintreibens.  Die  Märker  hatten  nämlich  zu 
Ehren  und  Wohlgefallen  S.  Gn.  sechs  Tage  über  die  gewöhnliche 
Zeit  eingestellt;  inzwischen  schriftlichen  Bericht  an  Sr.  Gn.  abgehen 
lassen,  da  die  Eckern  schon  gefallen,  vieles  aus  dem  Wald  getragen 
worden.  Als  keine  Antwort  gekommen,  hatten  die  Märker  einhellig 
ihrem  Gebrauch  und  Gerechtigkeit  nach  instellen  wollen,  es  hatte 
aber  der  Kellner  zu  Homburg  das  ganze  Amt  aufgeboten  und  bei 
nächtlicher  Weil  eine  grosse  Anzahl  Volks  mit  wehrhaftig  Hand, 
mit  Hunden  und  mit  Trommen  in  die  Mark  getüret,  den  Märkeru 
die  Schwein  zurückgehalten  und  in  den  Wald  nit  wollen  treten  las- 
sen. Darnach  hat  der  Keller  den  Märkern  entbieten  lassen,  er  wolle 
ihnen  das  Einschlagen  nit  Jagens  halber  verwehren,  sondern  der 
unerlegten  bussen  und  unbezahlten  Wirthe  halben.  Dieweil  aber  die 
Bussen  den  Keller  nichts  angehen,  so  haben  die  Märker  sich  ent- 
schlossen, ihr  Vieh  einzuschlagen  und  sich  daneben  dermiisseu  zu 
stärken,  dass  sofern  der  Keller  sie  abermal  mit  Gewalt  zurück- 
treiben wollte,  sie  ihr  Vieh  doch  in  den  Wald  bringen  möchten.  Der 
Keller  mahnte  abermals  sein  ganzes  Amt  auf,  die  Mitmärker  (die 
Homburgischen  nämlich)  welche  sich  im  Walde  in  ihren  Rüstungen 
haben  sehen  lassen,  vermochten  aber  nichts  wider  die  Märker  aus- 
zurichten, doch  sahen  sich  diese  gemüssigt  ihre  Schwein  mit  etlichen 
bewehrten  Mannen,  nicht  ohne  grosse  Gefahr  und  Versäumniss  ihrer 
Nahrung,  in  die  Mark  zu  treiben. 

Eine  weitere  Beschwerde  liegt  in  dem  erwähnten  Akten-Fascikel 
S.  57 ;  sie  ist  von  dem  Schultheis«,  Burgermeister  und  Ratli  zu  Ober- 


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ursel  gegen  den  Kellner  von  Homburg  gerichtet  „Unsern  Gruss  in 
gutem  Willen11,  so  beginnt  sie,  „Ernhaffte,  gute  freunde  und  nach- 
bar  ".  Der  Kellner  habe  oft  und  viel  Holz  in  der  Mark  gehauen 
obn  alle  Erlaubnias,  keine  busseu  gegeben  noch  gethaidigt  Viel 
Holz  habe  er  aus  der  mark  nach  Frankfurt  fuhren  lassen.  In  et- 
lichen Jahren  habe  er  keinen  Markschreier  verordnet  „sondern  will 
selbst  Markschreier  sein,  nimt  auch  des  Waldschreiers  Belohnung, 
aber  er  dienet  den  Märkern  nit,  sondern  ist  ihnen  zuwider".  Er  habe 
innerhalb  4  Wochen  zween  Märker  mit  ihren  Leiben,  zween  Pferden 
und  einem  Wagen  voll  Wellen  gen  Homburg  in  Haft  geflibret  ohn 
alle  Verschuldung. 

Auf  dem  Märkerding  anno  1578  berichtet  der  Geschickte  de» 
Waldpotten,  dasB  die  Märker  vorigen  Winter  die  Schwein  in  Wald 
getrieben  ehe  die  Jagden  voln bracht,  die  von  Obernursel  sich  ge- 
lüsten lassen  mit  gewehrter  Hand,  buxen  und  Spiesen  in  die  Mark 
zu  laufen,  Ihrer  f.  gn.  Kellner  und  diejenigen  so  bei  ihm  gewesen 
anzufallen,  zu  schlagen  und  zu  schiessen  unterstanden;  einer  dessen 
Namen  aufgezeichnet  wäre,  habe  dem  Kellner  die  buxen  auf  den 
Leib  gehalten,  ihn  auch  vielmals  einen  Schelmen  gescholten;  die 
Schwein  habe  man  mit  Gewalt  wieder  in  die  Mark  getrieben,  deren 
sie  hoch  gefrevelt;  derwegen  solches  zu  verbüssen schuldig,  wie  denn 
anch  Ihre  f.  Gn.  befohlen  denen  von  Ursel  deswegen  4000  Thaler 
zum  Abtrag  abzufordern,  mit  bedrohung  da  sie  solche  in  kurzer  Zeit 
nit  erlegen  dass  Ihre  f.  Gn.  verursacht  würden  nach  den  Thätern  zu 
greifen,  sich  bei  Ihrer  Hoheit  und  Gerechtigkeit  handzuhaben.  Es 
wären  auch  Ihre  f.  Gn.  bericht  worden  dass  die  Märker  sich  ver- 
einigt hätten,  wo  der  Kellner  wieder  die  Schwein  abtreiben  würde, 
alsdann  mit  dreien  Schüssen  losung  zu  geben,  einander  zuzuziehen 
und  dem  Kellner  mit  Gewalt  zu  begegnen.  Da  wolten  Sie  die  märker 
gewarnt  haben,  nit  zu  fernerem  Ohnwillen  Ursach  zu  geben.  Die 
„hohe  Obrigkeit  und  Angriff1'  stehe  in  der  Mark  niemand  anders  zu 
als  Ihr  f.  Gn.  Der  Amtman  zu  Königstein  habe  Ihrer  f.  Gn.  Keller 
zu  Homburg  „thätlicher  landtfriedenbruchigerweiß'4  auf  Ihr.  f.  Gn. 
„Grund  und  Boden"  angegriffen,  denselben  anzugeloben  gedrungen, 
dass  er  sich  zu  Königstein  stellen  und  seinem  gn.  Herrn  einen  Ab- 
trag thun  solle.  Daran  gedachter  Amtman  höchlich  gefrevelt.  Noch 
anderes  über  das  Wildschiesgen  wurde  vorgebracht.  Darauf  haben 
nach  langem  bedenken  die  Mark  er  eine  Antwort  gegeben:  Sie  be- 
danken sich  dass  die  Herren  Wilhelm  und  Philips  Landgrafen  zu 
Hessen  „als  obristen  Waldvogt  der  Homburger  Marek'"  sich  gnädigst 
erboten  die  Märker  bei  ihrem  Herkommen  zu  schützen;   sie  hätten 


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von  Alters  her  jederzeit  ihre  Schwein  den  nächsten  Tag  nach  Mi- 
chaelis eingetrieben ;  auf  des  Kellers  bitten  hätten  sie  8  Tage  mit  dem 
lutrieb  gewartet;  als  sie  noch  8  Tage  hätten  warten  sollen,  wäre  es 
ihnen  nit  zu  tbun  gewesen.  Ausmärker,  auch  der  Keller,  wären  in 
den  Wald  gefallen  das  Eckern  aufzulesen;  durch  geschwinde  Kälte 
sei  das  übrige  zu  schänden  gangen.  Da  sie  nun  die  Schweine  ein- 
getrieben, sei  der  Keller  sammt  etlicher  andern  von  Homburg  mit 
Drummen  und  Pfeiffen  in  die  Mark  kommen,  habe  die  Schwein  zer- 
streut, verjagt,  vertrieben.  Die  Oberurseier,  besorgt  der  Keller  würde 
ihre  Schwein  gen  Homburg  eintreiben,  seien  hinausgeloften,  dem 
Keller  wehren  wollen ;  sie  seien  nit  geständig  dass  sie  an  denselben 
Gewalt  gelegt;  derwegen  auch  kein  Abtrag  zu  erstatten  schuldig, 
vielmehr  der  Keller  zu  verbüssen  schuldig  sein  solle. 

Nach  solchem  hat  Philips  Wolff  von  Pfraumheim,  Amtman  zu 
Königstein  erzählt,  dass  der  Keller  von  Homburg  seines  gn.  Herrn 
Unterthanen  unverschuldeter  Weise  gefänglich  angenommen  und  ge- 
pfändet; da  er  nun  gedachten  Keller  auf  seines  gn.  Herrn  Grund 
und  Boden  angetroffen,  habe  er  ihn  zu  Rede  gestellt,  und  als  er  ihm 
mit  trutzigen  bösen  Worten  begegnet,  sei  er  verursacht  worden  „die 
Faust  von  ihm  zu  nehmen,  dass  er  zu  Königstein  erscheinen,  und 
sich  bei  seinem  gn.  Herrn  dieser  Sachen  halben  klaglos  machen 
will".    Er  bat  den  Augenschein  einzunehmen. 

Es  brachten  dann  die  Märker  ihre  Klagen  vor  dass  Zollstöck 
in  der  Mark  errichtet,  die  doch  der  Märker  eigen  sei;  der  Keller 
hab  auch  etlichen  Märkern  den  Zoll  abgefordert,  ihnen  Vieh  und 
Wein  genommen.  Ebenso  hab'  derselbe  im  Walde  gerichtet  und 
gepfändet,  was  nur  den  Märkermeistern  gebühre.  Endlich  hab'  er 
in  dem  gehegten  Walde  und  auch  an  den  Strassen  gehauen  und 
desshalb  keine  Straf  geben  wollen. 

Hierauf  antwortete  der  Canzler  Nordeck:  Soviel  die  von  Ober- 
ursel belange,  wolten  sie  den  Märkern  nit  bergen  dass  Ihre  f.  Gn. 
und  Herrn  albereit  etliche  Zeugen  verhören  lassen,  welche  viel  an- 
ders ausgesagt,  derwegen  sie  von  ihrem  begehrten  Abtrag  nit  abzu- 
stehn  wussten.  Er  drohte  dass  die  „Fürsten  aus  Hessen"  die  Thäter 
greifen  und  in  Haft  einziehen  Hessen.  Belangend  des  Amtmann 
Entschuldigung,  wollten  sie  den  Augenschein  einnehmen;  es  hätte 
doch  dem  Amtman  nit  gebührt  Ihrer  f.  Gn.  Kellner  „des  Reichs 
Constitution  und  dem  Landfrieden  zuwidder"  handfest  zu  machen 
sich  an  fremden  Orten  zu  stellen,  wussten  demnach  von  begehrtem 
Abtrag  nit  abzustehen.  Dass  die  Märker  abgeschlagen  mit  ihren 
.Schweinen  bis  14  Tag  nach  Michaelis  mit  dem  Intrieb  einzuhalten 


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befremde  sie  nit  wenig,  dass  sie  solches  Ihre  f.  Gn.  zu  Ehren  nit 
gestatten  möchten,  wollten  demnach  die  Märker  noch  einmal  erinnert 
haben  solches  zu  bedenken,  Ihro  f.  Gn.  wollte  die  Eckern  durch  die 
Ihre  verhüten  lassen.  Soviel  aber  der  gemeinen  Märker  Gegenklag 
belange,  da  wttssten  sie  nichts  von  den  Zollstöcken,  t  viel  weniger 
dass  den  Märkern  einige  Schadlosverschreibung  zugesagt  worden, 
fraget  demnach  der  Herr  Canzler  den  Keller  von  Homburg,  ob  er 
etwas  davon  wüsste.  Dieser  antwortet  darauf,  es  wäre  nit  ohn,  dass 
Hans  Koch  auf  der  Märker  Anhalten  dieselbige  vertröstet,  dass  er 
bei  Ihrof.Gn.  deswegen  Anmahnung  thun  wolle,  verhoffenlich  ihnen 
solche  Schadlosverschreibung  solte  zugestellt  werden.  Dabei  es  der 
Herr  Canzler  bleiben  Hess.  Weiter  zeigt  er  an,  er  wisse  nicht  dass 
der  Keller  einigen  Märkern  den  Zoll  abgedrungen.  Es  wurden  aber 
alsbald  zween  fürgestellt,  deren  dem  einen  Zoll  vom  Wein,  dem  an- 
dern nit  allein  Zoll  vom  Vieh  abgenommen,  sondern  der  auch  ge- 
pfand  und  gestraft  worden  war.  Solches  „dieweil  es  die  fstl.  Ge- 
santen  nit  verantworten  konten,  namen  sie  solches  an,  ihrem  gn. 
Fürsten  u.  H.  zu  vermelden".  Das  eingenommene  Bussgeld  verant- 
wortet der  Keller,  er  habe  von  gemeiner  Mark  wegen  allerlei  aus- 
geben, wolle  derwegen  Rechnung  thun.  War  aber  nit  gesteudig  dass 
er  in  gehägten  Wäldern  noch  an  der  Strassen  Holz  gehauen,  sagt 
er  möcht  den  gern  sehen,  der  ihn  solches  in  Wahrheit  zeihen 
dörfte.  Die  Märker  antworten  dass  sie  auf  Bartholomä  sich  ferner 
erklären  wollten  Nun  erst  fand  die  Wahl  der  Märkermeister  statt; 
dann  wurde  der  Förster  halben  ausgerufen,  ob  Jemands  wäre  der 
sich  dazu  wolt  gebrauchen  lassen.  Als  sich  zween  anzeigten,  ruften 
etlich  aus  der  Gemein,  man  solt  die  alten  behalten  und  „nit  mehr 
Dieb  und  schelmen  machen".  Dabei  es  blieben.  Der  Waldschreier 
aber  rief  überlaut,  man  sollt  auch  die  Märkermeister  anhalten,  dass 
sie  einmal  Rechnung  thäten,  denn  er  habe  viel  Märkermeister  ge- 
sehen, aber  keinen  der  so  ehrlich  gewesen  dass  er  Rechnung  gethan 
hätte.  Es  erboten  sich  aber  die  zween  Märkermeister  dass  sie  als- 
bald wolten  Rechnung  thuu,  mit  der  Bitte  dass  man  sie  des  Amts 
erledigen  wolle.  Man  Hess  es  aber  dabei  bleiben,  und  sind  die  hes- 
sischen Gesandten  auf  den  Augenschein  mit  dem  Amtman  nach  Kö- 
nigstein gezogen.  (Mglb.  E.  29.  III.  60  ff.) 

Wozu  diente  nach  solchen  Vorgängen  alles  Drohen  der  Märker, 
dass  sie  „an  gepürenden  Orten  rechtlich  ihrer  Notturft  nachzusuchen 
und  keineswegs  zu  ersitzen  lassen"  gedächten  und  wozu  konnte 
das  Abfassen  neuer  Ordnungen  dienen,  wenn  das  Vertrauen  in  die 
Rechtlichkeit  der  eignen  Beamten  erschüttert  war? 


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Auf  dem  Märkerding  1583  Ubergab  Jost  Vestenberger,  der  Kel- 
ler, eine  neue  Ordnung  der  Mark  ob  die  Märker  dieselbe  annehmen 
wollten.  Die  Märkermeister  anlangend  befinde  der  Waldpote  das» 
dieselben  bisher  ihren  Eiden  und  Pflichten  nicht  nachgekommen,  die 
Königsteiner  «begünstigt ;  es  sollen  zwei  andere  Märkermeister  er- 
wählt und  umgewechselt  werden,  doch  dem  Waldpoteu  seine  Stimme 
in  der  Wahl  frei  behalten  werden.  Die  Bussen  sollten  sogleich  nach 
gesch ehner  Rüg  zu  Ursel  bezahlt  werden,  spätestens  14  Tag  danach 
zu  Homburg.  Wer  dies  versäume  solle  für  Ausmär k er  erklärt,  vom 
Waldpot  gepfändet  und  selbst  sein  Ort  angehalten  werden  können 
das  Pfand  einzutreiben,  bei  Verlust  des  Markrechts.  Ausmärker  die 
gefrevelt  sollen  mit  Ruthen  ausgehauen  werden,  damit  den  Dieben 
und  Frevlern  gewehret  Statt  der  alten  Strafen  für  das  anstecken 
und  schädigen  der  Mark  solle  unbestimmte  Strafe  nach  Erkenntnis« 
des  Waldpottens  und  gemeiner  Märker  angesetzt  werden.  Auf  des 
Kellers  Bericht  erwidern  die  Märker,  dass  sie  ein  gut  alt  Instrument 
haben,  dabei  sie  bleiben  wollten;  des  Kellers  Bedenken  stellen  sie 
den  Hauptflecken  zu,  darüber  zu  berichten;  sie  setzen  dem  neuen 
Vorschlag  ihre  Beschwerden  entgegen,  die  nicht  berücksichtigt  wor- 
den ;  sie  bringen  sie  abermals  zur  Abhülfe  an  ihre  Landesherrn. 
(Mglb  E.  29.  III.  S.  83  ff.)  Der  gravamina  sind  es  jetzt  19  dem 
obersten  Waldtbotten  von  den  vom  Adel,  Burger  und  Landtman  ge- 
meine Märcker  erwehnter  Marek  überschickt.  Zuerst  werden  auf- 
geführt die  Zollstöck;  dann  die  Verhinderung  des  Schweine-Ein- 
triebs ;  das  eigenmächtige  Holzhauen ;  das  Verkaufen  von  Brennholz 
aus  der  Mark;  das  Einschlagen  einer  übergrossen  Zahl  von  Schwei- 
nen znr  Mast ;  das  Pfänden  und  Einziehen  der  beiden  Märker ;  das 
Einziehen  eines  Oberurselers  in  der  Mark  „fremden  unmarklichen 
Sacbeu  halber'** ;  das  Anrichten  neuer  Wildhecken  und  das  Ausbauen 
dreier  grossen  Wildplätze;  dass  er  die  Müller  zu  Homburg  und  Ste- 
den ungebüsst  hauen  Hesse;  es  folgen  verschiedne  Beschwerden  we- 
gen der  Jagd,  auch  dass  das  Hundehalten  beim  Vieh  verboten;  dass 
die  Förster  und  der  Schreier,  die  Markdiener,  zu  den  Jagden  ge- 
braucht werden;  dass  die  Unterthanen  des  Amts  Homburg  angewie- 
sen worden  in  der  Mark  Eichen-Pfäl  zu  reissen  und  zu  Überliefern; 
dass  diese  desshalb  weder  „ingerugt"  noch  die  Busse  vertheitigt  oder 
dazu  angehalten  worden ;  auch  dass  diese  Unterthanen  ihr  Gebühr 
Unkosten»  zu  Anbringung  dieser  Beschwerungs-Puncten  nit  contri- 
buiren,  weil  solches  durch  ihre  Obrigkeit  verboten  worden.  Georg, 
Landgrav  zu  Hessen  entschuldigt  sich  hierauf  „dass  er  des  gemuets 
nit  wer  den  beamten  ichtwaß  so  der  Markordnung  zuwider  zu  ver- 


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statten" ;  er  »ei  erpietig  zufolge  seiner  beschehnen  Erklärung  eines 
gewissen  Tages  mit  ihnen  zu  vergleichen  den  Geprechen  soviel  mög- 
lich abhelfen  zu  lassen.  An  Schemen  Worten  hat  es  in  der  Welt  nie 
gemangelt.  — 

Auf  dem  Märkerding,  Mitwoch  den  25.  Mai  1586  kam  die  Sache 
weiter  zur  Verhandlung;  es  waren  erschienen  von  Seiten  des  Wald- 
potten  Hans  Hermann  von  Boßeck, '  gen.  Mönch ,  Oberamtra.  zu 
Darmstadt,  Johannes  Pistorius  filrstl.  Rath  und  Georg  Vestenberger, 
Keller  zu  Hombergk.  Sie  mahnten  sich  einer  Markordnung  auf  das 
künftige  Jahr  zu  vergleichen.  Die  Zahl  der  Artikel  ward  bis  zur 
Zahl  66  gemehrt.  Auch  auf  diesem  Märkerding  herrschte  der  Un- 
friede, die  Märker  wehrten  sich  gegen  die  Bezeichnung  der  Mark 
als  der  „Homberger  Mark",  sie  weigern  sich  dass  der  Umgang  der 
Mark  auf  der  gemeinen  Märker  Kosten  allein  geschehen  solle,  sie 
verlangen  dass  Rechnung  abgelegt,  die  Resolutiones  auf  ihre  Be- 
schwerden schriftlich  übergeben  werden.  Die  hessischen  Gesandten 
weigern  sich  dies  zu  thun,  sie  wollen  aber  so  „bescheydenlich  und 
verständig"  die  vorhalten,  repetiren  und  lesen,  dass  sie  wol  darauf 
antworten  könnten;  Rechnung  der  Märkermeister  musste  vor  den 
hessischen  Räthen  und  dem  Ausschüsse  geschehen  nicht  vor  dem 
Märkerding.  Weiter  wollen  die  Märker  nicht  zulassen,  dass  der 
Schreier  auch  auf  die  Frevler  Inmärker  Achtung  geben  solle,  zum 
Förster  könnten  sie  ihn  nicht  zulassen,  denn  die  Mark  mit  vieren 
sei  genug  versehen.  Sie  dringen  schliesslich  darauf  dass  zu  Haltung 
des  Märkerdings  geschritten  werde,  sonst  wollten  sie,  Märker,  ihres 
Theils  fernere  verrichten,  soviel  der  Mark  nöthig  und  dem  Instru- 
ment gemäss  sei.  Die  hessischen  Gesandten  erwidern,  dass  sie  nun 
abermals  gehört,  wie  Ihren  gn.  f.  u.  Herrn  Maas»  und  Ziel  gesetzt 
und  mit  Spott  und  Hohn  abgewiesen  werde;  wollten  protestiren  dass 
vor  Einwilligung  oder  Annehmung  des  Schreiers  zum  Förster  das 
Märkerding  gehalten  werden  solle;  sie  drohen  die  Mark  sei  churpfäl- 
zisches  Lehen,  (wie  er  Hans  Herman  Mönch  das  bei  seiner  „adelichen 
Ehro"  könne  affermiren).  Endlich  heget  der  Keller  das  Märkerding, 
die  Rügen  werden  verlesen,  Märkermeister  erwählt,  die  alten  Förster 
wieder  „verglübdr  und  es  ermahnt  der  hessische  Rath  Pistorius 
Merten  den  Schreier  von  Obersteden  „alles  so  er  in  der  Mark  bei 
In-  oder  Ausraärkern  rugbar  finden  würde  zu  merken''.  (Mglb.  E. 
29.  III  S.  125.) 

In  den  Akten  Mglb.  E.  29.  IV.  S.  19  findet  sich  ein  Bericht, 
als  auf  der  Märker  Schreiben  um  Abschaffung  der  zur  Mast  in  die 
Höhmark  eingeschlagenen  landgrevisclien  schwein,  Landgraf  Georg 

-J.1 ' 


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zu  Darmstadt,  Dienstag  den  3.  Nov.  1590,  durch  den  Oberaratman 
zu  Darmstadt  den  beiden  Märkermeistern  zu  Homburg  hat  vorhalten 
lassen:  sie  wären  dem  obersten  Waldpotten  und  Herrn  der  Mark 
mit  Aydt  und  Pflichten  zugethan,  ein  Schreiben  zu  erlassen  gebühre 
ihnen  nit.  Sie  erwiderten  dass  sie  keiner  hessischen  Pflichten  gestän- 
dig, sie  hätten  allein  geschworen  der  Mark  treulich  für  zu  sein ,  die 
zu  versehen  und  zu  schirmen.  Der  Ober-Amtman  berief  sich  auf  das 
Instrument:  wenn  Eckern  in  der  Mark  Wälden  wäre  so  sollten  die 
Märker  Ordnung  machen,  wieviel  ein  Waltpott,  sein  Märkermeister 
und  andere  sollten  eintreiben,  es  könne  hieran  nit  hindern  dass  ihre 
f.  Gn.  kein  Rauch  in  der  Mark  halten,  dann  solches  sei  nit  dem 
Herrn  sondern  den  andern  Märkern  geordnet  Er  wiess  auf  frühere 
Vorgänge  hin,  der  Waltpott  werde  sein  jus  manuteniren,  sei  nit  ge- 
meint die  Säu  gar  abzuschaffen.  Die  Märkermeister  erwiderten,  es  wäre 
in  der  Mark  also  hergebracht,  dass  zu  Mastungszeiten  einem  Keller 
zu  Homburg  anstatt  des  Waltpotten  erlaubt  würde  so  viel  Schwein 
zuzutreiben  als  der  zu  seiner  Haushaltung  bedürftig;  behielten  den 
Märkern  ihre  Gegen  Notturft  bevor. 

Am  21.  Juli  1606  kamen  die  Abgeordneten  von  Mainz,  Solms, 
Hanau,  Ysenburg  und  Frankfurt,  wie  auch  Phil.  Wolff  von  Praun- 
heim in  Oberursel  zusammen  zu  berathschlagen  was  fürzunehmen; 
ob  den  turbationes  zu  begegnen  mit  der  That  und  erlaubter  Gegen- 
wehr, oder  mit  rechtlichem  Process,  oder  aber  vermittelst  gütlicher 
Handlung.  Nicht  lange  zuvor  war  bei  der  Irrung  über  die  Beholzi- 
gungsgerechtigkeit  der  Burgsitze  zu  Petterweil  und  zu  Nied.  Erlen- 
bach dieselbe  Frage  Bchon  bei  Rath  verhandelt  worden.  Es  hatte 
nämlich  Graf  Solms  um  die  Freilassung  seines  inhafürten  Bürger- 
meisters von  Petterweil  zu  erleichtern,  den  Schultheissen  von  Holz- 
bausen, den  Bürgermeister  von  Obcr-Erlenbach  und  einen  Unter- 
thanen  von  Köppern  zu  Nid.  Willstadt  verkundschaftet,  gefangen 
gesetzt  und  nach  Assenheim  geführet  Bei  Rath  wurde  damals  vor- 
gebracht (30.  Juni  1605)  ob  nicht  auch  die  Thätigkeit  an  die  Hand 
zu  nehmen,  wie  Solms  gethan ;  ob  nicht  auch  einer  aus  den  Märkern  in 
Verstrickung  zu  nehmen,  und  so  lang  bis  E.  E  Raths  Unterthanen  erle- 
digt, darin  behalten,  oder  aber  ob  diese  Sache  rechthängig  gemacht  wer- 
den solle.  Man  hatte  befunden  dass  mit  solch  thätlicher  Handlung  nit  viel 
sonderlich  ausgerichtet,  wohl  aber  dadurch  allerlei  Unwillen  erregt 
worden;  es  möchte  gütliche  Handlung  zerschlagen,  Gegenpfandung 
veranlasst  werden.  Man  hatte  nochmals  an  den  Landgrafen  geschrieben. 

Auch  diesmal  hielt  man  dafür  dass  das  zuerst  vorgeschlagene 
Mittel  möge  auf  die  Länge  zu  schwer  werden,  dem  Herrn  Land- 


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—    >12\  — 

grafen  auch  leicht  zu  weiteren  Eingriffen  Ursach  gegeben  werden. 
Das  zweite  Mittel  sei  auch  langwierig  und  beschwerlich;  jedoch  die- 
weil  besser  wäre  über  30,  40,  50  oder  mehr  Jahr  dasjenige  wozu 
man  befugt,  der  Nachkommenden  zum  besten,  zu  erhalten,  als  es  ver- 
loren zu  geben,  so  solle  solcher  Weg  an  die  Hand  genommen  wer- 
den. Zuvörderst  möge  noch  an  den  Herrn  Waldbotten  zu  schreiben 

- 

sein,  weil  bei  dem  jetzigen  Landgrafen  solche  gravamina  noch  nicht 
vorgebracht  worden;  darneben  sollen  die  Märker  zu  gebührender 
Handhab  und  Defension  ihres  Herbringens,  und  andrer  Gestalt  nit, 
sich  gebrauchen.  Es  wurde  ein  advocatu»  bestellt  und  ein  director 
causae  in  dem  Erzbischof  von  Mainz  erbeten.  Wegen  der  Kosten  hat 
man  vor  gut  angesehen  dass  dieselben  aus  der  Märker  Vorrath ,  son- 
derlich wenn  derselbe  etwas  erstarke,  angewiesen  würde.  Die  Klage 
betreffenden  Registraturen  und  Archive  sollten  nach  Königstein 
eingeschickt  werden. 

Der  Beschwerden  der  Märker  werden  jetzt  22  aufgeführt,  dar 
unter  die  Zollstöck,  des  Kellers  eigens  Gefallens  Beholzung,  die 
Herrichtung  einer  grossen  Wildhecke  einer  Viertel  Meil  Wegs  lang, 
das  Aushauen  und  öd  machen  dreier  grossen  Wildplätze  so  etlich 
100  Morgen  einhalten;  nach  dem  Instrument  gebühre  den  Märkern 
„drei  Tage  zu  jagen"  doch  werde  sobald  gejaget  der  Wildpann 
sammt  fischens  und  krebsens  Gerechtigkeit  zugethan;  weiter  das 
Verbot  der  Hunde,  die  Mastschwein  des  Waldpotten,  das  Hauen  auf 
der  Strassen,  der  Missbrauch  des  Schreiers  und  der  Förster  zur 
Jagd;  weiter  dass  der  Waldpott  die  Hohe  Mark  als  Pf&lzisches 
Lehen  angedeutet,  seine  Gewalt  so  deute  als  solle  er  allein  und 
absolute  zu  disponiren,  zu  gebieten  und  zu  verbieten  haben,  und 
eine  sondere  Oberkeit  über  die  Märker  zu  suchen  sich  unterstanden. 
Er  habe  die  Märker  zur  Wolfsjagd  antreiben  lassen,  und  Inmärker 
gefänglich  angenommen  von  der  Mark  abgesonderter  Sachen  willen. 
Aus  dem  allen  bitten  die  Märker  ihre  Obrigkeit  ihnen  nothdürftige 
Hand  bietung  zu  erweisen  und  gütlich  oder  zu  rechtlichem  Austrag 
verhelfen  zu  wollen.   (Mglb.  E.  29.  IV.  S.  50). 

Die  mitgetheilte  Klag  kommt  dem  Waldpotten  fremd  für,  da  sie 
bei  ihm  nicht  das  geringste  gesucht,  welches  doch  billigst  hätte  ge- 
schehen sollen,  auch  die  Beschwerungspunkte  zum  Theil  aus  den 
Zeiten  seines  Vaters  und  Grossvaters  herrührten;  er  habe  schon 
erklärt  dass  sich  seine  väterliche  Gnaden  mit  den  Märkern  aller 
Billigkeit  nach  vergleichen  wollten.  Der  gravaminum  wegen  solle 
Bericht  eingezogen  werden,  Erklärung  solle  folgen  dass  die  Märker 
mit  Fug  nichts  sollen  zu  klagen  haben. 


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-    422  — 

Auf  dem  Märkerding  am  27.  Mai  1607,  nachdem  der  Schultheis* 
von  Erlebach  und  der  Rittmeister  von  Homburg,  Brendel,  zu  Mark  er 
meistern  erwählt  worden,  erklären  die  hessischen  Räthe:  die  Märker 
hätten  sich  an  die  Regierungen  gewendet  „da  doch  diese  mit  der 
Märker  Saeh  durchaus  nichts  zu  thun  k.  Hie  müssten  glauben  daas  die 
Beschwerden  „nicht  aus  der  samptlichen  Marker  bevelh  und  begern, 
sondern  aus  etlichen  Particular- Personen,  welche  zu  Verwiggelung 
der  Herrschaften  mehr,  als  zu  nachbarlicher  Einigkeit  tasten  trügen  7>, 
hergeflogen  seien".  Die  wesentlichsten  Beschwerden  seien  schon 
widerlegt  und  nicht  dagegen  replicirt  worden. 

Der  Obrigkeiten  Gesandten  nach  einem  kurzen  Abtritt  in's 
SchUtzenhaus  widersprachen  dem  allen,  sie  hätten  für  ihre  bedräng- 
ten Unterthanen  intercedirt  wie  es  Herkommen  sei.  Dabei  sie's  tur 
diesmal  bewenden  lassen  „weilen  sie  weiten  nit  instruirt".  Als  bie- 
mit  der  Convent  auf  der  Aue  dissipirt,  hat  man  sich  im  Schutzen- 
haus verglichen  wieder  zusammen  zu  kommen. 

Hühnburgswiesen.  —  Es  mag  hier  noch  einer  Irrung  gedacht 
werden  welche  der  Waltpott  in  seinem  Interesse  auszunützen  suchte. 
Sie  betraf  eine  in  der  Hohen  Mark  gelegene  Wiese  bei  dem  Enden 
pfuell,  ,auch  die  Hünerburgswiese  genannt  In  einem  Bericht  aus 
dem  Jahre  1592  (Mglb.  E.  29.  I.)  bemerkt  hierüber  der  Urseller 
Schultheis:  es  habe  der  gewesene  Stadtschreiber  in  Ursell,  Niclas 
Schönwalt  diese  Wiese  zeitlebens  in  Händen  gehabt,  seines  Dienstes 
wegen  von  derselben  keine  Beede  gegeben.  Nach  seinem  Ableben 
hätten  die  Erben  die  Wiese  Johann  Beckern,  Einwohner  zu  Stein- 
bach für  fl.  120  verkaufet  Auch  dieser  habe  die  Beede  nicht  ent- 
richten wollen,  wesshalb  der  Oberamtman  zu  Königstein  den  Erben 
auferlegt  die  Wiesen  wieder  einzulösen,  und  an  solche  Leut  zu  ver- 
geben von  welchen  man  die  Beede  ohne  Streit  erhalten  möge.  Dem 
Becker  sei  das  ausgelegte  Kaufgeld  sammt  Besserung  und  Kosten 
angeboten  worden.  Anfangs  habe  er  eingewilligt,  dann  sei  er  zurück 
getreten,  habe  sich  an  die  hessischen  Beamten  zu  Homburg  gehenket, 
die  erkläret  das»  die  Wiesen  zur  Höhmark  gehörig  sein  sollten, 
ihn  wieder  eingesctzet.  Becker  habe  sonach  die  Wiesen  gemähet, 
das  Heu  zu  sich  geführet  Desshalb  habe  ihn  der  Königsteiner  Ober- 
amtman zu  Oberheckstadt  auf  seinen  Gütern  annehmen  und  ge- 
fänglich nach  Königstein  führen  lassen.  Die  Beamten  zu  Homburg 

73  „Wühler"  würde  man  jetzt  Mjren. 


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—    423  - 


aber  haben  darauf  eine  Zusammenkunft  der  Märker,  mit  Ausschluss 
der  Urseller,  auf  das  Rathhaus  zu  Homberg  bescheiden  lassen,  da- 
selbst den  Schultheissen  von  Ursell  des  Märkermeister-Amts  entsetzet, 
einen  andern  beeidiget,  die  Gemeind  zu  Ursell  zur  Ausmark  erken- 
net, mit  der  Bedrohung  des  Pfandens,  Fahens  und  Eintreibens  wo 
Menschen  oder  Vieh  aus  Ursell  in  der  Höhmark  betreten  würden. 

In  Folge  dieses  Beschlusses  wurde  den  Ursellern  in  der  That 
eine  Heerde  Schaf  sammt  dem  Hirten  nach  Homburg  eingetrieben; 
der  churmainzische  Oberamtman  Gernaud  von  Schwalbach  frug  bei 
Rath  an,  ob  dies  mit  seiner  Zustimmung  geschehen?  Dieser  antwor- 
tete auaweichend:  in  diese  fremde  Sache  mische  er  sich  nicht,  werde 
sich  an  das  Instrument  halten.  Der  Schultheiss  zu  Bonames,  Bar- 
tholomaeus  Hildenbrandt,  zum  Bericht  aufgefordert  bemerkt,  dass 
der  Canzler  zu  Darmstadt  die  Hauptflecken  und  Ausschuss  entboten 
den  Augenschein  einzunehmen;  die  ältesten  Märker  hatten  ausge- 
sprochen dass  die  streitigen  Wiesen  zur  Mark  gehörten;  er,  Hilden- 
brandt, habe  sich  als  ein  ankommend,  neuer  Märker  entschuldigt, 
man  möge  die  Alten  fragen.  Uebrigens  deuche  ihn  in  seinem  ein- 
fältigen Verstände,  die  Wiesen  würden  nit  dahero,  fast  mitten  in  die 
Mark,  geflogen  sein.  Der  Märkerausschuss  habe  den  Urseller  Schult- 
heissen seines  Amtes  als  Märkermeister  entsetzet,  weil  er  dem  ober- 
sten Waldpotten  und  den  Märkern  einen  Eid  gethan,  der  Mark  treu- 
lich vorzustehn,  dieselbe  zu  schützen  und  zu  schirmen,  demselben 
aber  zuwider  gelebet  Die  Schafe  seien  eingetrieben  bis  der  gefangne 
Mitmärker  seiner  Verstrickung  entlediget  sein  würde. 

Die  Urseller  suchen  nun  nachzuweisen,  dass  alle  Wiesen  obendig 
Ursell  gelegen  von  unvordenklichen  Zeiten  her  zu  königsteinscher 
Obrigkeit  gehörig  und  Privat  posseasores  zuständig  gewesen.  In 
Ursell  seien  die  Wehrschaften  am  Gericht  ergangen,  durch  das 
Urseller  Gericht  seien  die  Scbiedsteine  gesetzt  worden.  Bei  Abson- 
derung der  Mark  von  den  „geroiden  gütern"  im  Jahre  1547  seien 
alle  diese  Wiesen  dem  Urseller  Gericht  zugestainet,  die  von  der  Mark 
abgesonderten  Güter  jedem  Gericht  ruhig  im  Besitz  gelassen  wor- 
den. Urseller  Bürger  müssten  noch  Beede  und  Schutzlohn  für  Wie- 
sen die  zur  Obersteder  Gerichtsbarkeit  gesteinet  worden,  dorthin 
abgehen.  Die  strittigen  Wiesen  seien  von  der  Höhmark  selbst  durch 
14  oder  15  Steine  abgesondert,  sie  seien  von  Becker  eingelösst  wor- 
den, dieweil  dieser  darin  noch  nit  gewähret  und  sich  fest  machen 
lasnen.  Auf  ungegründet  Erkenntniss  etlicher  junger  unerfahrener 
in  Marksachen,  der  Schultheissen  der  4  übrigen  Markhauptflecken 
sei  Becker  in  die  Wiesen  wieder  immittirt  worden;  die  Beamten  zu 


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Homburg  und  nit  die  Märkermeister  hätten  eine  Zusammenkunft  der 
Märker  zu  Homberg,  wider  den  klaren  Buchstaben  des  Markinstru- 
mente, unverhört  ihrer,  der  Urseller,  angestellet,  den  Märkermeister 
unverhört  des  Amts  entsetzet,  die  ganze  Gemeind  zu  Ursell  zur 
Ausmark  erkannt,  solch  nichtige  Händel  durch  den  Waldschreier 
ihnen  verkündigen  lassen,  endlich  eine  Heerd  Schaf- Vieh  „zur  Un- 
nachbarchaft«  durch  etliche  Obersteder  abtreiben  lassen.  Es  sei  den 
ITrsellern  bedenklich  gewesen  „diesseits  der  landwehren"  74  zum  Augen- 
schein zu  folgen,  ohne  ausdrücklichen  Befehl  der  churtttrtl.  Obrig- 
keit über  die  strittigen  Wiesen  zu  disputiren.  Sie  gedenken  des  aus- 
gegangen königstein'schen  Dorfes  Hausen,  zu  welchem  die  strit- 
tigen Wiesen  gehört;  es  sei  früher  ein  eigener  Wildschütze  von 
Ursel  auf  das  aus  der  Mark  in  die  Waldwiesen  tretende  Wild  gehal- 
ten worden,  und  ein  besonderer  Hüter  zu  Versehuug  der  Forellen- 
bach. Frevler  die  darin  betreten,  seien  von  ihrer  der  Urseller  Obrig- 
keit bestraft  worden.  Am  15.  März  1587  als  ein  Bürger  in  Ursell 
ein  stück  Wild  in  dem  Oberhäuser  Grunde  geschossen,  in  den 
Wiesen  um  den  Albansbrunnen  gelegen,  hätten  die  Märker  entschie- 
den dass,  weil  die  Güter  abgestainet  seien,  man  es  dabei  belassen 
solle.  Die  Homburger  Beamten  hätten  vorgegeben,  dass  die  Abstei- 
nung  bloss  darum  geschehen  sei,  dass  künftig  von  der  Mark  nichts 
weiters  solle  abgeroidt  werden;  allein  die  Märker  bestätigten  dass  sie 
nit  anders  wüssten,  denn  dass  die  Absteinung  der  Mark  von  den 
geraidt  gutem  geschehen  vor  kräftig  solle  gehalten  werden. 

Am  18/h».  Juli  desselben  Jahres  1592  protestirten  darauf  die  Ur- 
seller feierlichst  vor  Notar  und  Zeugen  wegen  vorhabend  Entsetzung 
wohlhergebrachter  Gerichtsbar-  und  Obrigkeit  auf  den  zugesteinten 
Waldwiesen,  wider  die  Beschlüsse  des  Märker  Convents  und  die 
Ausschliessung  der  Gemeind  zu  Ursell  aus  der  Mark. 

Die  beiden  Märkermeister  protestirten  ihrerseits  weil  der  strittige 
Grund  und  Boden  in  die  Höhmark  gehöre,  den  Märkern  eigentüm- 
lich sei,  die  „hohe  Obrigkeit  aber  und  was  derselben  anhängig"  dem 
Landgrafen  als  obristen  Herrn  und  Waldpotten  zustehe.  Dieser  sandte 
seinerseits  einen  Notar  nach  Frankfurt,  weil  auf  das,  für  die  556 
abgepfändeten,  nach  Frankfurt  verkauften  Schafe  erlösste  Kaufgeld, 
von  den  Ursellern  ein  Arrest  geschlagen,  Process  ausbracht  und 
erlangt  worden ;  die  Decision  gehöre  vor  den  Obristen  Waldbotten  ; 
er  protestire,  damit  an  habender  Oberherrlich-  und  Gerechtigkeit  in 
der  Hohen  Mark  nichts  präjudicirlich  eingeführt  werden  möge. 


»  Also  ausserhalb  des  Waldes  und  der  Competenz  des  Waldpotten. 


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425  — 


Die  Märkermeister  hatten  begehrt  dass  zu  Ausfuhrung  deren 
zwischen  dem  Landgrafen  und  den  Oberursellern  angefangener 
Rechtfertigung  ein  jedes  Hausgesess  4  <&  erlegen  solle.  Der  Rath  zu 
Frankfurt  ebenso  wie  der  Graf  zu  Solms  widersprachen  dem,  den 
Märkermeistern  käme  es  nicht  zu,  für  sich  eine  Schätzung  aufzu- 
legen, sonderlich  da  der  Nutzen  der  bussen  principaliter  dem  Wald- 
potten  concernire.  Es  wurden  weil  die  4  &  nicht  entrichtet  worden 
den  Flecken  Pommerßheim,  Stierstadt,  Weyßkirchen,  Kalbach, 
Harheym,  Vilbel,  Kirdorff,  der  Gebrauch  der  Höhmark  verbotten, 
kein  Bauholz  ihnen  gefolgt 

Im  Juni  1593  wurde  auf  einem  Märkerding  ein  besondere  Um- 
frag gehalten,  es  begehrten  die  Urseller  sie  zu  bescheiden  ob  die 
Märker  die  von  Ursell  für  Ausmärker  hielten;  die  Märker  sich  dess- 
halb  besprochen,  haben  dem  Schreier  eine  Umfrag  zu  thun  gerufen, 
welcher  bereits  gen  Oberursell  geritten  gewesen.  Man  habe  einen 
Boten  nach  ihm  geschickt,  inmittelst  aber  der  Sachen  ein  Anfang 
gemacht  und  eines  jeden  Meinung,  welche  ein  jeder  Fleck  durch 
seinen  Schultheissen  öffentlich  und  laut  ausgesprochen,  angehört  und 
aufgezeichnet  Es  habe  sich  befunden  dass  die  Märker  einhellig  sich 
erklärt  die  Oberursler  bei  der  Mark  zu  belassen.  Es  sei  dies  alles 
geschehen  mit  dem  ausdrücklichen  Vorbehalt,  dass  dadurch  weder 
dem  obersten  Waldpotten  an  deroselben  Gerechtigkeiten,  noch  auch 
dero  zwischen  Iren  f.  Gn.  und  dem  Herrn  ChurfÜrsten  von  Mainz 
am  kaiserl.  Cammergericht  schwebender  Rechtfertigung  nichts  be- 
nommen sein  sollt 

Auf  einem  ausserordentlichen  Märkertag,  am  10.  Juli  1593, 
bemerkt  der  Canzler  zu  Darmstadt,  die  Oberurseller  seien  zu  Hom- 
burg für  Ausmärker  erkannt,  aber  am  Pfingstmitwoch  wieder  zur 
Mark  zugelassen  worden;  solches  einander  zuwider  laufen  thäte. 
Die  Abgeordneten  mit  allerseits  Unterthanen  erklärten:  die  Zulassung 
sei  erfolgt,  weil  die  Ausschliessung  praecipitanter  und  ohne  Bedacht 
geschehen,  auch  nicht  auf  der  Au,  und  nur  durch  die  Hauptflecken 
„ohne  Vorwissen  derselben  Obrigkeit,  die  sie  in  solchen  wichtigen 
Sachen  pillich  ersuchen  Bollen44.  Die  hessischen  Gesandten  gaben 
hierauf  zu  verstehen  dass  die  Wiesen  quoad  utile  dominium  Privat- 
personen zuständig  seien,  es  solle  der  Beed  halber  kein  Eintrag 
geschehen,  allein  das  directum  dominium  gehöre  zur  Mark,  per  con- 
sequens  die  Jurisdiction  dem  obristen  Waldpotten.  Es  sei  gleich 
anfangs  in  dieser  Sachen  ein  grosser  Missv erstand  gewesen. 

Montag  den  11.  März  1594  wurde  der  Streit  wegen  der  Process- 
kosten  erledigt;  es  sei  vornemlich  hier  um  die  Jurisdiction  zu  thun; 


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* 

—    426  — 

dieweiJ  durch  den  Herrn  Erzbischoff  Process  ausgebracht  »ei,  als 
würde  Herr  Landgraf  solche  Sach  gegen  den  Erzbischoffen  auf  seine 
Kosten,  ohne  Zuthun  der  Märker  auch  wol  auszuführen  wissen ,  mit 
welcher  Bemerkung  man  allseitig  zufrieden  war.  Darauf  wurde 
am  22.  Mai  auf  der  Auen  ein  neuer  Märkermeister  gewählet  Der 
Schultheiss  und  Schreiber  von  Homburg  gab  die  erste  Stimm  für 
Wendel  Hoff  den  Schultheissen  von  Oberursell ,  welchem  die  anderen 
Märker  alle  gefolget  und  ihre  Stimme  gegeben;  worauf  der  Canzler 
erkläret:  er  wüsste  im  Namen  seines  Fürsten  und  Herrn  ihn,  Wendel 
Hofen,  nit  vor  ein  Märkermeister  zu  erkennen,  viel  weniger  zu  be- 
stätigen, man  solle  einen  andern  wählen.  Die  Märker  aber  beriefen 
sich  darauf  dass  sämmtliche  Märker  die  von  Oberursell  als  Mitmärker 
anerkannt,  begehrten  dass  dem  Instrument  nachgekommen  werde. 
Auch  die  anwesenden  Abgeordneten  waren  der  Meinung  dass  man 
nit  vorüber  könne,  sondern  es  dabei  müsse  bleiben  lassen,  da  nicht 
vor  der  Wahl  die  Einrede  geschehen  sei.  Wendel  Hoff  wurde  von 
dem  Canzler,  jedoch  unter  Widersprechen  und  Protestation  einge- 
setzet  und  beeidigt.  Ein  Versuch  die  Irrung  wegen  der  Wiesen  in 
Güte  beizulegen,  misslang  auch  diesmal;  Mainz  hielt  fest  an  der 
Oberherrlicbkeit  und  der  Beed;  die  Märker  wollten  mit  der  hohen 
Oberkeit  nichts  zu  thun  haben,  aber  auch  keine  Entschädigung 
zahlen;  der  Waldpott  wollte  weder  auf  die  Oberherrlichkeit  der 
Wiese  verzichten,  noch  seinerseits  Entschädigung  zahlen.  So  erging 
am  IG.  Jan.  1595  endlich  vom  Reichskammergericht  zu  Speier  ein 
Urtheil  im  wesentlichen  des  Inhalts:  Es  Bei  in  des  h.  Reichs  Consti- 
tution, insonderheit  anno  1555  zu  Augsburg  uffgerichteten  Abschied 
geordnet,  dass  kein  dem  h.  Reich  immediate  unterworfener  einen 
andern,  gleich  mäasig  demselben  unter than  oder  dessen  Unterthanen 
pfänden  oder  fahen  solle;  der  ChurfÜrst  sammt  der  Gemeind  zu 
Uhrsell  hätte  in  den  anno  1547  von  der  Hohen  Mark  .  abgesteinten 
Wiesen  alles  und  jedes  was  der  Obrigkeit  anhängig  sein  möge  her- 
bracht, dergestalt  dass  die  abgesteinte  Bezirk  gen  Uhrsell  verbeedt, 
verschätzet  und  darüber  Wehrschaft  gegeben,  die  Schiedsteine  durch 
die  Uhrseller  Gerichtsschöffen  gesetzt,  die  possessores  solche  Güter 
als  ihr  eigen  und  nit  als  Markgüter  kauft  und  verkauft,  —  dass  doch 
dessen  alles  ohnangesehen  Johann  Becker,  Hanauischer  Unterthan 
zu  Steinbach,  wegen  nit  entrichteter  schuldiger  Beed  und  angestif- 
teter trutziger  Verweigerung  anbefohlener  Wiederlösung  erkaufter 
5  Morgen  Wiesen,  auch  sonsten  schimpflicher  Verachtung  angektind- 
ter  Gebot  durch  Sr.  Lbdn.  Schultheiss  zu  Oberhexstadt,  aus  Befehl 
dero  Amtmans  zu  Königstein  zu  gefänglich  haften  gebracht  worden, 


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—    427  — 

—  dero  Lbd.  zugefahren  und  durch  Ihro  Schultheis  und  Schreier  zu 
Steden,  in  ohnzweiffeliger  Ub reeller  Weidgangs  district,  etliche 
Tag  durch  Johann  Mandeln  uf  der  Lauß  halten,  und  endlich 
575  schaf  gewaltsamlich  abpfänden,  nach  Homburg  in  Gewahrsam 
treiben,  daselbsten  einestheils  verschmachten,  die  übrig  um  ein  ganz 
geringes,  nemlich  vor  390  fl.  acht  Schilling  den  Frankfurter  Metz- 
gern verkaufen,  den  Werth  der  gemelter  Uhrseiler  Bürgerschaft  vor- 
enthalten lassen  :  —  hierumb  so  gebieten  wir  Dero  Liebden  von 
Römischer  kaiserlicher  Macht  bei  Poen  zehn  Mark  lediges  Golts, 
halb  in  unser  kais.  Kammer,  den  andern  halben  Theil  Sr.  unser 
Churf.  Lbd.  zu  bezahlen,  und  wollen  dass  dieselben  D"  Lbdn.  ohne 
Verzug  das  abgepfandt  Vieh  oder  den  billigen  Werth  dafür  restituire 

.  .  Wir  haischen  und  laden  auch  D°  Lbdn  auf  den  30*B  tag 

bemelter  Insinuation  .  .  selbst  oder  durch  einen  vollmächtigen  An- 
walt .  .  zu  erscheinen,  Iren  hierin  geleisteten  Gehorsam  gebürlieh 
anzuzeigen. 

Der  30jährige  Krieg.  Wenn  auch  schon  gegen  das  Ende  des 
16  Jahrhunderts  die  Verfassung  und  das  Recht  der  Hohen  Mark 
wesentliche  Beeinträchtigung  erfahren  hatte,  so  machte  doch  erst  der 
unselige  Bürgerkrieg,  welcher  im  Anfange  des  17.  Jahrhunderts 
Deutschland  so  schauderhaft  verwüstete,  eine  gedeihliche  Fortent- 
wickelung der  Markenverhältnisse  unmöglich.  Der  30jährige  Krieg 
hat  den  edlen  Stolz  der  Bürger  und  Bauern  gebrochen.  Kaum  kann 
weiter  noch  von  einem  Rechte  in  der  Hohen  Mark  geredet  werden, 
denn  an  die  Stelle  des  Rechts  war  die  Gewalt  getreten;  die  alten 
Formen  sind  geblieben,  aber  der  Geist  ist  nicht  mehr  darin  Noch 
ist  die  Hohe  Mark  der  Märker  eigen,  aber  sie  haben  in  ihrem  Eigen- 
thum nichts  mehr  zu  sagen  j  ihre  Stimme  wird  kaum  mehr  gehört; 
die  Obrigkeiten  treten  für  sie  auf,  mehr  um  das  eigne  Ansehen,  die 
eigne  Herrschaft  zu  wahren,  als  um  das  gekränkte  Recht  der  Unter- 
thanen  zu  schützen;  aber  auch  die  Thatkraft  dieser  Regierungen  ist 
gebrochen,  der  kecke  Uebermuth  spottet  ihrer.  Die  Berichte  welche 
der  Abgeordnete  des  Raths  zu  den  Märkerdingen,  der  Landbereiter 
Johannes  Zeundel  zu  der  Zeit  einschickte,  zeigen  welches  Interesse 
man  damals  an  den  Märkerdingen  nahm,  und  was  die  Märker  von 
den  Regierungen  zu  erwarten  hatten.  Er  berichtet  am  9.  Juni  1652 
dass  zuerst  die  Busse  verlesen  sei,  dann  9die  büße  Häuser  und 
Dächer  gereutt  und  in  14  Tagen  die  büßen  zu  dättigen  zu  Hum- 
burg". 


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Auch  im  16.  Jahrhundert  war  berichtet  worden  dass  etliche  Wölfe 
in  der  Hohen  Mark  sich  sehen  Hessen.  Die  Schultheisse  von  Dürkel- 
weil  und  Bonamese  fragen  am  6.  Dec.  1598  bei  Rath  an,  der  oberst 
Waldpott  habe  den  Märkern  zu  erkennen  gegeben  „nottürftig  ge- 
rußt* zu  erscheinen  und  die  stell-  und  jagdeo  verrichten  zu  helfen. 
Diejenigen  so  sich  „gehorsamlich  einzustellen  bedacht",  sollen  schrift- 
lich subscribiren.  (Mglb  E.  29.  in.  S.  157.)  Der  Rath  benahm  sich 
mit  den  Befehlhabern  von  Hanau,  mit  dem  Amtman  von  Königstein 
Oernaudt  von  Schwalbach,  und  mit  dem  Solras'schen  Kellner  zu 
Reddeinheim,  welche  vor  solchen  Neuerungen  warnen ,  andeuten 
wohin  solche  neuerliche  Anfange  zuletzt  gerathen.  Darauf  wiess  der 
Rath  die  Schultheissen  an,  sie  sollten  solche  begehren  an  die  ordent- 
liche Obrigkeit  weisen. 

Im  Jahr  1644  sollen  Nieder  Urschel  und  Dörkelweil  auf  dem 
Märkerding  gestraft  werden  weil  sie,  wie  der  Landbereiter  Zeundel 
berichtet,  nicht  wegen  der  Wolfsjagd  zu  Humburg  erschienen  seien. 
Aehnlich  erging  es  den  Märkern  der  Seulburg  Erlenbacher  etc. 
Mark.  Es  beschwert  sich  in  einem  Sehreiben  d.  d.  29.  Febr.  1648  Graf 
Johann  Augustus  zu  Solms,  Herr  zu  Münzenberg  und  Sonnenwald  an 
Frau  Margarethen  Elisabetha  Landgräfin  zu  Hessen,  es  seien  auf  den 
Befehl  bei  den  Wolfsjagden  zu  erscheinen,  nach  dessen  Verpleiben 
Förster  aus  der  Höhe  nach  Homburg  gefänglich  abgeführt  worden; 
er  verlangt  dass  sie  freigelassen  werden,  man  sei  bereit,  nach  Be- 
grtissung  der  competenten  Obrigkeit,  den  Unterthanen  die  Verfolgung 
der  schädlichen  Thiere  zu  befehlen.  Landgräfin  Margaretha  Elisa- 
betha, Wittib  und  Vormundin,  schreibt  am  13.  März  1648  dem  Rath : 
sie  wundere  sich  wie  derselbe  in  die  Gedanken  gerathen  sich  in 
fremde  ihn  gar  nicht  concernirende  Sachen  zu  mischen  und  fremden 
Leuten  in  ganz  ärgerlichen,  strafbaren  Vernehmen  beizufallen.  „Was 
wir  mit  den  widersinnigen  Petterweilern  zu  thun  bekommen,  das 
habet  ihr  nicht  zu  verantworten  noch  zu  vertreten".  Hätten  die 
Märker  sich  zu  beschweren,  sollten  sie  es  bei  ihr  zuvörderst  suchen 
und  Resolution  erwarten ;  sie  habe  das  nachbarliche  Vertrauen,  dass 
der  Rath  seine  Unterthanen  zu  gebührend  hergebrachter,  auch  ihnen 
selbst  nutzbarlichen  Schuldigkeit  anweise. 

Der  Graf  zu  Solms  wandte  sich  wieder  an  den  älteren  Bürger- 
meister Hieron.  von  Stalburg  wegen  der  vorgenommenen,  thätigen 
Hin  wegschleppung  seiner  armen  Unterthanen  zu  Peterweil,  in  billiger 
Verweigerung  ungeziemender  Wolfsjagden.  Die  Landgräfin  aber  ant- 
wortet auf  das  gütliche  Schreiben  des  Raths:  dass  früher  die  Märker 
zu  Wolfsjagden  verbunden  gewesen,  sie  könne  vor  diesmal,  bevorab 


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—    429  - 


vermöge  Vormünderpflichten  zu  Conservirung  aller  herbrachten  Rechte 
eidlich  verbunden,  ohne  Vorwissen  der  sämmtlichen  interessirten 
Fürsten  und  Landgrafen  zu  Hessen  in  das  Begehren  so  blösslich  nit 
wiüigen.  So  haben  scheinheilige,  fromme  Worte  zu  allen  Zeiten  hel- 
fen müssen  selbstsüchtige  Handlungen  zu  bemänteln. 

Auf  Lätare  1648  sind  vom  Herrn  Keller  zu  Homburg  „im  Nah- 
men ihrer  Fürstl.  Gn.  als  oberster  Waldbotin"  den  gesammten  Märk- 
ern Fragen  vorgehalten  „aber  von  Niemand  beantwortet  worden": 

Was  die  Wahrheit  sei  dass  Ober-  und  Nieder-Erlenbach  bei  ihrer 
Obrigkeit  geklagt  hätten? 

Warum  sie  nicht  zuvörderst  bei  I.  f.  Gn.  als  obersten  Waldbo- 
tin,  welche  ihnen  auch  gebott  anlegen  lassen,  geklagt  hätten? 

Ob  I.  f.  Gn.  als  Waldbotin  der  Mark  oder  den  Märkern  jemals 
etwas  zuwider  gethan,  das  ihnen  schädlich  gewesen? 

Wer  die  Märker  jemals  darzu  gezwungen,  zum  Wolfsjagen? 

Hierauf  antwortet  Schultheiss  zu  Holzhaussen:  er  meint,  sie 
müssten  es  thun  „dann  die  Wölfl"  liffin  ja  bald  in  die  höff,  eß  wöhre 
in  andreß  dran  gelegen,  alß  den  andern  Märkern,  dann  die  Leute 
hätten  gut  sagen,  sie  legen  weit  vom  Walt,  wir  aber  sind  dem 
Wald  zu  nahe  gesessen".    Ferner  wird  gefragt: 

ob  die  Leut  nit  gutwillig  zum  Jagen  erschienen?  aber  keine 
Resolution  erfolgt,  „außerhalb  daß  der  Schultheiß  von  Nieder-Erlen- 
bach geantwortet,  sie  plieben  bei  irer  Ordnung". 

Hierauf  gab  der  Kellner  wieder  zu  vernehmen  dass  nit  alles  in 
dem  Instrument  begriffen,  sondern  „vor  ohngefähr  20  Jahren"  eine 
neu  Ordnung  gemacht  und  verbessert;  darauf  der  Schultheiss  von 
Nieder-Erlenbach  erwidert:  es  werde  aber  keines  Wolfljagens  darin 
gedacht 

Ein  Erlass  der  Landgräfin  vom  2.  März  1649  belehrt  uns  wie 
der  Märker  jetzt  dem  obristen  Waldpotten  gegenüber  steht.  Es  werden 
Schultheiss,  Bürgermeister  und  ganze  Gemeinde  zu  Petterweil  gefragt, 
was  wegen  des  den  22.  Nov.  1647  angestellten  Wolfsjagens,  darauf  er- 
folgter Verbrechen  und  Frevel,  zu  erinnern  wissen.  Sie  hätten  nicht 
ihre  Schuldigkeit  gethan,  seien  zur  Bezeugung  ihrer  Widersetzlich- 
keit mit  Geschirr  und  Ochsen  des  Tags  Brennholz  zu  führen  sich  , 
gebraucht.  Die  Widersetzlichkeit  und  den  Trotz  könne  man  nicht 
dem  „ganzen  fürstlichen  Hause  Hessen  ohn  sonderbares  Praejudiz 
und  Nachtheil  ohngestraft  passiren  lassen".  Die  Petterweiler  sollen 
am  2.  April  zu  Seulberg  erscheinen  sich  zu  entschuldigen,  oder  nach 
Befinden  zu  verbüssen.  Als  der  Schultheiss  Johann  Leichner  den 
Nieder-Erlenbacher   Schultheissen  angeredet,  was  er  sich  deshalb 


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bedünken  Hesse ,  hat  dieser  den  Märkermeister  Burck  auch  angeredt, 
gefragt,  was  er  dann  dazu  sage,  ob  er  denn  still  dazu  schwiege;  wo- 
ruff  der  Holtzhäuser  Märkermeiater  geantwortet:  „Ey  wer  wird  sich 
an  solchem  Orth  widersetzen,  hätten  die  Petterweiler  einen  Mann, 
2  oder  3  geschickt,  wie  andere  auch,  so  hätte  es  keine  Noth  gehabt". 
Der  Ober-Erlenbacher  Schultheiss  aber  hätt'  unterm  Gespräch  mit 
diesen  Worten  herausgelassen:  man  hätte  vorm  Jahr  ihn  gerne  in 
Straf  bringen  wollen,  da  er  doch  nur  mit  ohngefähr  3  Mannen  allein 
zum  Wolffsjagen  gegangen,  indeme  aber  seine  Nachbarn  gesehen 
dass  die  Nieder-Erlenbacher  so  stark  herankommen,  so  weren  seine 
Nachbarn  uf  dieselbige  um  25  Personen  weiter  nachgefolget.  Weiter 
habe  der  Ober-Erlenbächer  Schultheiss  gesagt,  er  wäre  damals  zu 
Petterweil  in  Johann  Eckarts  Haus  bei  vorigem  Schultbeissen  Bai- 
thaser  Laissen  gewesen,  welcher  bei  der  Aufforderung  geantwortet: 
„Sie  möchten  jagen  oder  nicht,  es  wäre  morgen  Waldtag,  sie  führen 
in  Waldt". 

Zwei  Petterweiler  waren  in  Folge  der  Weigerung  und  Wider- 
setzlichkeit ein  Vierteljahr  in  Haften  gehalten  worden ; '  für  die  auf- 
gewandten Unkosten  wurde  Restitution  begehrt,  eingeschlagene 
Mastschweine  gepfändet,  fl.  100  Unkosten  und  fl.  50  Straf  verlanget 

Nicht  nur  Wölfe,  auch  andere  Gefahren  bedrohten  zu  der  Zeit 
die  Hohe  Mark.  Am  18.  April  1645  erging  ein  Erlass  von  Hom- 
burg, da  zum  öftern  in  der  Hohen  Mark  Brand  entstanden,  solches 
nun  überhand  genommen  und  durch  wenige  Wehr  nicht  gelöscht 
werden  mag,  hat  die  durchl.  hochgep.  Fürstin  und  Frau,  Frau  Marg. 
Elis.  Landgräfin  zu  Hessen  etc.  Obriste  Frau  und  Waldbottin,  .  .  in 
Gn.  ernstlichen  und  bei  fl  10  Strafe  anbefohlen,  dass  jeder  Mark- 
schultheiss  seine  Untergebene  mit  allem  Ernst  anhalte,  dass  sie  mor- 
gen Tags  Zeit  zu  Oberstedten  „mit  gewöhnlichem  Feuerwehr"  er- 
scheinen, und  da  dem  Brand  zu  wehren  sich  als  redliche  Märker 
gebrauchen  lassen  etc 

Im  Jahre  1663  beriethen  sich  die  Regierungen,  ob  die  Grenze 
begangen  werden  solle,  weil  viel  Klagen  wegen  der  hessischen  Ein- 
griffe eingelaufen.  Eine  Vorstellung  der  Märker  wiess  darauf  hin, 
wie  der  Umgang  immer  auf  dem  Märkerding  beschlossen  worden, 
nicht  erst  von  den  Regierungen  berathen;  der  Umzug  sei  nöthig 
weil  so  lange  keiner  gehalten,  der  Freiherr  von  Reifleuberg  Hoch- 
würdigen Gn.  einen  Markstein  bestreite  und  ein  Stück  Wald,  Holz 
fälle  und  Kohlen  brenne;  wegen  der  hessischen  Eingriffe  möge 
man  den  Umgang  nicht  aufhalten. 


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-    431  - 

Um  diese  Zeit  war  es  besonders  der  Oberamtman  von  König- 
stein, Freiherr  v.  Bettendorf,  welcher  im  Interesse  der  Regierungen 
den  Uebergriffen  des  Waldpotten  entgegenarbeitete.  Er  fragt  der 
Zollstöcke  wegen  bei  Rath  an,  ob  derselbe  die  Abschaffung  mit  be- 
treiben wolle,  da  „die  Herrschaften  bei  dem  Markwesen  sehr  we- 
sentlich interessirt"  seien ;  ersucht  das  Märkermeister-Amt  „bei  einem 
churf.  Mainzischen  subjecto"  zu  erhalten,  da  hessische  Unterthanen 
aus  tragendem  Respect  in  vorfallenden  Attentaten  leichtlich  nach- 
geben. Als  der  Mlirkerraeister  Joh.  Phil.  Stahl  von  Ober-Eschbach 
auf  gewöhnlichem  Bussthätigungstag,  ohngeständig,  in  Arrest  genom- 
men und  verwahrt  worden,  schreibt  im  Juli  1695  Freiherr  v.  Betten- 
dorf :  die  freie  Wahl  sei  das  einzige  was  die  Märker  sich  erhalten, 
es  scheine  dass  man  sich  absolute  Herr  von  der  Hohen  Mark  machen 
wolle,  der  Unterthanen  conservation  dependire  von  dem  Mark- Wald, 
vergeblich  habe  man  auf  Relaxation  gedrungen,  ob  nicht  von  Bäramt- 
lichen Herrschaften  mit  Repressalien  zu  verfahren  sein  möchte.  Der 
Rath  war  zu  allem  erbötig,  aber  in  diel  vorgeschlagenen  Repressa- 
lien, als  widerrechtlich,  könne  er  nicht  einwilligen.  Auf  den  7.  Febr. 
1696  wurden  die  Markschultheissen  und  der  Märkermeister  Messer 
wieder  nach  Homburg  berufen.  In  Gegenwart  Ihr.  hochf.  Durchl. 
wurde  denselben  bemerkt,  wie  der  Märkermeister  in  anno  1693  der 
Untreu  beschuldigt  worden,  er  habe  verschiedene  Stämme  Holz  an 
den  hochgräfl.  HanauiBchen  Rath  H.  Fabritius  verschenkt,  auch  Vieh- 
sebinderei  halben  gescholten,  weil  er  verrecktes  Vieh  durch  seinen  Schäfer 
in  seinem  Hof  abdecken  lassen.  Er,  der  Obrist  Waldpott,  habe  desshalb 
nicht  anders  gekonnt,  als  den  Märkermeister,  bis  er  unschuldig  be- 
funden, seines  Amtes  zu  suspendiren.  Die  Sache  sei  ohnausgemacht, 
die  Mark  in  Zertrennung  geblieben,  maßen  anno  1695  keine  Bussen 
angesetzt  noch  erlegt  worden  seien.  Er  schlage  vor,  die  Sache  auf 
einem  Tag  zu  Homburg  vor  dem  Anwalt,  dem  Märkermeister  Messer 
und  den  Schultheissen  der  5  Hauptflecken  zu  untersuchen,  dass  sie 
dann  entweder  bei  dem  ordentlichen  Busssatz  oder  auf  dem  nächst- 
kommenden Märkergeding  verlesen  und  abgethan  werde.  Märker- 
meister Stahl  und  Joh.  Jac.  Roth  von  Ober-Eschbach,  der  Anbringer, 
wurden  aufgefordert  auf  einem  „extraordinari  Märkerding  oder  Mär- 
kergericht"  zu  erscheinen,  ein  jeder  könne  mitbringen,  was  zu  der 
Sachen  Nothdurft  erforderlich  sei.  —  Es  findet  sich  weiterhin  eine 
Hanauische  Citation  d.d.  22.  Febr.  1696:  hochgräfliche  Canzlei  habe 
sich  mit  der  Burg  Friedberg  dahin  concertirt  dass  die  zwischen  Stahl 
und  Roth  geschwebte  Schwierigkeit  bei  der  hoehgräflichen  Canzlei 
ausgemacht  werde.    Das  Urtheil  wurde  am  3.  Sept.  publicirt;  nach 


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-    432  — 


ungehorsamem  Ausbleiben  des  Beklagten  wird  derselbe  wegen  wie- 
derholter Injurien  verurtheilt  dem  Kläger  eine  christliche  Abbitte  zu 
thun,  sich  aller  Thätlichkeiten  und  Injurien  zu  enthalten,  die  aufge- 
gangenen Kosten  zu  erstatten.  —  Auf  dem  extraordinari  Märkerge- 
richt  erschienen  beide  Theile  durch  ihre  Anwälte,  Roth  konnte  aber 
den  „geringsten  Beweiathumb  nit  beibringen".  Er  gab  desswegen 
vor:  das  Märkerding  sei  „sein  competent  forum  nitu.  Der  Schultheiss 
Wunderer  von  Bonames  berichtet  darüber:  diese  Behauptung  sei 
unrichtig,  da  Roth,  ein  Märker,  mit  der  ersten  Delation  des  Märker- 
meisters  Amts-Obligation,  mit  der  zweiten  seine  Ehr  und  Statum  in 
Quästion  gezogen,  daher  die  Untersuchung  nirgendswo,  denn  nur, 
altem  Herkommen  nach,  als  von  der  Mark  geschehen  müssen.  Weil 
nun  Roth  bei  der  Oitation  „de  forum  nit  excipirt"  sondern  das  ex- 
traordinari Märkerding  vor  sich  gehen  lassen,  also  habe  die  sammt- 
liche  Marek  mit  höchstem  Fug  den  Ausspruch  gethan,  dass  der  Herr 
Roth  wegen  der  falschen  delationen  dem  Märkermeister  Stahl  und 
der  Mark  wegen  erlittenen  Schadens  und  Unkosten  200  Rthlr.  Straf 
anzuhalten,  im  übrigen  es  bei  der  von  hochgräfl.  Hanauischen  Re- 
gierung ihm,  Rothen  „injurgirten  deprecation"  zu  lassen,  worauf  die 
Mark  wiederum  in  Einigkeit  gesetzt.  Zwar  habe  Herr  Roth  von  die- 
sem Ausspruch  coram  notario  et  testibus  an  höchster  Obrigkeit  her- 
nach sich  berufen,  worauf  auch  die  Mark,  wiewol  es  derselben  ge- 
hörigen Orten  nit  insinuirt  worden,  „die  fatalia  resp.  und  bis  zu 
deren  Verfluss  mit  der  Execution  zurückgebalten",  nach  deren  End- 
igung aber  die  Execution  dem  Markschluss  gemäss  vor  Hand  ge- 
nommen und  dem  Herrn  Roth  6  stück  Rindvieh,  nachgehends  $ 
Pferde  aus  der  Mark  nacher  Homburg  getrieben,  daselbst  dem  Her- 
kommen gemäss  3  Tag  enthalten,  ex  post  plus  offerendi  verkauft, 
ihm,  Rothen,  jedoch  auf  24  stunden  die  Lösung  gestattet.  Hiernach 
habe  Herr  Roth  wegen  solcher  Pfändung  Herrn  Stahl  zu  Friedburg, 
dann  bei  Ihrer  ftirstl.  Gnaden  actionirt;  da  es  vergeblich  gewesen, 
habe  er  bei  der  hochL  kaiserl.  Kammer  mandata  an  Sr.  hochf.  DurchL 
den  Herrn  Oberst  Waldbotten  ausbracht,  dass  ihm  die  ablata  oder 
der  Werth  dafür  restituirt  werde.  Die  zum  Theil  abschriftlich  bei- 
gelegten Sentenzen  legen  dar,  wie  die  freie  Reichsritterschaft  Mittel- 
Rheinischen  Kreises  in  der  Wetterau  und  Consorten,  Klägern,  wider 
Herrn  Landgrafen  Friedrich  zu  Hessen-Homburg  der  Execution  hal- 
ben Klage  erhoben,  letzterer  den  Märkern  den  Streit  verkündet, 
weil  im  Unterliegungsfalle  er  sich  an  der  Mark  wieder  erholen 
müsse.  Der  Schultheiss  hält  es  für  rathsam  interveniendo  einzu- 
kommen, sich  aber  nicht  in  den  Process,  den  Sr.  hochf.  DurchL  und 


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433  - 


der  Herr  Roth  untereinander  haben,  einzulassen,  die  Marksachen 
separirt  zu  halten,  und  in  Zeiten  zu  remonatriren.  (Mglb.  E.  29.  V. 
8.  60-69.  S.  162.) 

So  haben  die  Mark  er  den  Boden  ihres  alten,  guten  Hechtes,  auf 
dem  sie  unangreifbar  gewesen,  verlassen ;  sie  stehen  jetzt  auf  einem 
fremden  Rechtsgebiete,  auf  dem  sie  dem  Gängelbande  ihrer  Advo- 
caten  folgen,   Hab  und  Gut  und  die  Ruhe  ihres  Lebens  opfern 

Landgraf  Friedrich.  —  Der  Landgraf  Friedrich,  Obrist 
Waldpott,  wandte  sich  im  Sept  1698  an  den  Rath:  er  sei  gesonnen 
nächst  seinem  eigentümlichen  Tannenwald75  ohnweit  Stedten  einen 
kleinen  Thiergarten  anzulegen,  gedenke  sich  mit  der  Hohen  Mark 
zu  vergleichen,  dass  sie  ihm  den  streitigen  Brändeisbusch  nebst  dem 
jetzigen  Hägeholz,  incl.  des  Bleiwelsberg  erb-  und  eigentümlich 
überlassen  möge,  er  dagegen  wolle  der  Hohen  Mark  „unsere  beyde 
sogenannte  Straßen"  gleichfalls  auf  ewig  cediren.  Die  Beholzung 
darin  sei  noch  in  sehr  gutem  Zustand.  Er  habe  die  gute  Zuversicht 
dass  der  Rath  die  Sache  fördern  werde,  dazu  „Beine  Beamten  an- 
weisen lasse0  dass  sie  dem  Tausch  nicht  entgegen  seien.  Der  Rath 
erwiderte,  es  sei  ihm  berichtet  worden,  dass  diejenigen  Stücke  welche 
Se.  Fttrstl.  Durchlaucht  der  Hohen  Mark  zu  überlassen  willens,  der- 
selben nicht  eigentümlich,  sondern  als  obersten  Waldbotten  zu- 
kämen, mithin  also  ohnedem  schon  mit  zur  Hohen  Mark  gehören  thä- 
ten.  Unter  den  Beschwerden  der  Märker  findet  sich  dann : 
dass  der  Dannenwald  und  die  daselbst  gelegene  Wiese,  auch  ein 
Stück  von  3  Morgen  undisputirlich  Markgut,  zum  Ganingesgarten 
mit  einem  Zaun  umgeben  worden.  Landgraf  Friedrich  schreibt  wei- 
ter an  den  Rath :  er  habe  bereits  vorgestellt,  wie  er  seinen  kleinen 
Thiergarten  zu  seinem  Pläsir  und  Ergötzlichkeit  in  etwas  vergrössern 
wolle,  er  erwarte  dass  der  Rath  durch  seine  Beamte  dahin  wirke, 
wie  es  zur  Erreichung  seines  intents  am  sichersten  sein  möge  „zu- 
mal da  solches  nur  zu  unserm  pläsir  angesehen  ist".  Die  Antwort 
des  Raths  war :  er  müsse  sich  mit  den  andern  Herrschaften  beneh- 
men, zumal  da  berichtet  worden  dass  diejenigen  Stücke,  welche  Se. 
fürstl.  Durchl.  der  Hohen  Mark  überlassen  wollten,  deroselben  nicht 
eigentümlich  seien. 


n  Es  ist  dies  der  erste  Tannenwald  dessen  in  der  Hohen  Mark  gedacht 
wird. 

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—    434  - 

Ueberall  wo  dieser  Landgraf  Friedrich  in  den  Akten  der  Hohen 
Mark  handelnd  auftritt,  erscheint  er  als  ein  lebendiges  Bild,  that- 
kräftig  und  unternehmend,  aber  rücksichtslos,  ohne  irgend  eine  Ahn- 
ung dass  es  neben  oder  über  ihm  noch  ein  Recht  gäbe,  dass  auch 
Andere  zur  Glückseligkeit  berechtigt  seien. 

Aber  der  alte  Stolz  der  Märker  regte  sich  zuweilen  noch,  seibat 
einem  solchen  Waldpotten  gegenüber.  Von  der  Homburger  Canz- 
lei  wurde  im  April  1699  geschrieben  a  Monsieur,  Monsieur 
Wunder,  Schultheiss  de  la  ville  Imperiale  ä  Bonamöa :  zu  bevor- 
stehender Reise  des  Landgrafen  solle  er  Verordnung  stellen, 
dass  durch  seine  Untergebne  ein  guter  Weg  an  dem  Ort,  wo 
die  grundböse  passagc  am  Wasser  sei,  gemacht  werde,  aller- 
niassen  hochf.  Durchlaucht  sich,  noch  dero  Suite,  durch  diese  gefähr- 
liche Weg  weiter  nicht  mehr  hazardiren  wolle.  Versehe  sich  dass 
wenn  dieselbe  morgen  auf  Bonamös  kommen,  sie  den  verfertigten 
Weg  ohngehindert  passiren  können.  Der  Schultheiss  berichtete  an 
den  Rath  dass  der  Landgraf  an  laufendem  gefährlich  Wassers  zu 
Bonames  passiren  wollen,  die  Unmögb'chkeit  aber  wär,  dass  man  die 
ordinari  Strass  passiren  könnte,  desswegen  von  ihm  begehrt  worden 
man  raög  eine  Brück  über  einen  Graben  vor  einem  umgezackerten 
jedoch  unbesäten  Acker  machen  lassen.  Dies  sei  durch  die  Unter- 
thanen,  wie  schon  öfters  geschehen,  ausgeführt  worden ;  ein  jeder 
habe  das  gern  gethan,  sagend,  man  müsse  so  einem  Herrn  aus  der 
Gefahr  forthelfen.  „Kommt  ein  Nachbar  aus  Bonames,  Fetter  Mi- 
chell,  fähret  mit  Ungestüm  heraus,  wer  ihnen  solches  befohlen? 
darauf  die  Männer  geantwort,  es  hätte  solches  der  Schultheiss  be- 
fohlen, dem  sie  zu  pariren  schuldig  gewesen;  Petter  Michell  aber 
geantwortet,  das  wären  sie  nicht  schuldig  zu  thun;  wenn  der  Schul- 
theiss Brücken  wolle  gebaut  haben,  solle  er  sie  auf  sein  Gut  bauen, 
das  wäre  Schelmenarbeit,  oder  ein  Schelmengebrauch.  Worauf  die 
Männer  geantwortet,  wo  denn  der  Fürst  sollte  fort  kommen?  Petter 
Michell  sagend :  er  solle  nach  dem  Teuffei  fahren,  möchte  sehen  wie 
er  hinüberkämeu.  Ein  anderer  Nachbar  habe  geantwort,  das  seien 
Worte  die  sich  nicht  noch  einmal  sagen  lassen.  Darauf  Petter  Michel, 
er  sage  es  noch  sechsmal.  Die  Leute  hätten  dies  nicht  verschweigen 
können,  er,  der  Schultheiss,  habe  sie  bis  auf  den  nächsten  Rathstag 
auf  das  hochlöbL  Land- Amt  vertröstet  Während  der  Zeit  seien  Ihro 
Durchl.  passiert,  hätten  gesprochen,  man  möcht  die  Brück  bis  künf- 
tigen Montag  liegen  lassen,  sein  ältester  Prinz  würde  mit  dero  Ge- 
mahlin passiren,  der  Schultheiss  habe  dem  gemäss  befohlen,  man 
solle  die  Borden  von  den  Trumen  thun,  bis  auf  etliche,  damit  sicha 


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—   435  - 

nicht  ein  Jeder  bediene,  und  dem  Nachbar  Schaden  dardurch  ge- 
schehe. „Wie  nun  der  Prinz  früh  morgens  korapt,  wo  die  Brück 
gewesen,  hatt  ein  böser  Bub  den  Rest  von  der  Brück  abgemacht  und 
zur  Nied  hineingeworffen ;  ist  eine  andere  Brück  durch  Bonameser 
Nachbar  gemacht  worden,  daß  also  der  Prinz  ohne  Gefahr  passiret 
ist"  Der  Schultheis»  brachte  obgemeldt  action  bei  hochl.  Land- 
amt klagbar  vor.  Michell  wurde  angewiesen,  solches  nicht  mehr  zu 
thun.  Bei  diesem  Berichte  bemerkt  der  Schultheis»  noch,  dass  eben 
kein  Vortheil  bei  des  Herrn  Landgrafen  seiner  Passirung  sei;  er 
habe  sich  oft  beschwert,  aber  niemahlen  gewisse  ordre  bekommen. 
Die  vielen  Passagiers  machten  den  Schaden,  denn  es  sei  eine  Land- 
strasse,  und  suche  sich  ein  Jeder  „aus  dem  Wasser  zu  Baiviren*.  Die 
Bonameser  hätten  sich  oft  auch,  bei  bösen  Wegen,  auf  der  Wald- 
straase Vortheil  bedient,  nie  habe  einer  die  geringste  Ungelegenheit 
desshalb  im  Homburgischen  gehabt.  (Mglb.  E.  29.  V.  114.) 

Es  lag  sehr  in  dem  Interesse  des  Landgrafen  nicht  nur  die  An- 
zahl seiner  Unterthanen  zu  mehren,  sondern  auch  eine  Stimme  in 
Angelegenheiten  der  Hohen  Mark  mehr  zu  erhalten.  Ob  bei  An- 
legung der  Waldenser  Dörfer  auch  Gründe  der  Menschlichkeit  mitge- 
wirkt, das  kann  hier  nicht  untersucht  werden.  Der  Freiherr  von 
Bettendorf  schrieb  am  27.  Aug.  1699:  es  seien  in  der  Gegend  von 
Stedten  Waldenser  angelangt,  vorhabend  Anbauung  eines  neuen 
Dorfs,  forderte  den  Rath  auf,  sich  desshalb  beschwerend  an  den  Land- 
grafen zu  wenden.  Es  sei  die  Beholzung  und  Weide  ziemlich  zu- 
sammengegangen und  Mangel  daran;  ob  auch  ein  Dorf  dagestanden, 
bei  dessen  Abgang  hätten  sich  die  Einwohner  samt  dero  Güther  in 
andere  nächst  angrenzende  Markflecken  und  Dorfschaften  gezogen, 
selbige  sich  dadurch  um  soviel  mehr  verstärkt  und  vergrössert,  bäte 
also  den  Landgrafen  Waldpotten  den  Anbau  eines  neuen  Dorfs  zu 
verhindern.  Friedrich,  Landgraf  zu  Hessen,  churfurstl.  Brandenbur- 
gischer über  die  Cavallerie  bestalter  General,  antwortet  am  2.  Sept. 
1699 :  er  habe  vernommen  wie  die  zur  Hohen  Mark  gehörigen  Un- 
terthanen sich  beschweret  Uber  die  intention  filr  die  armen  ver- 
triebenen Waldenser  ein  Dorf  aufzubauen;  es  sei  aber  kundig  dass  in 
diesem  District  welcher  den  Waldensern  eingeräumt  worden,  vorher 
das  Dorf  Dornholzhausen  gelegen,  solches  in  der  Mark  berechtigt 
gewesen,  würde  sich  also  seine  jura  und  Gerechtsame  nicht  dispu- 
tiren  lassen,  sondern  sich  derjenigen  „rechtlichen  Freiheiten"  in  der 
Hohen  Mark  bedienen,  wie  auch  andere  Mark-Flecken,  denen  er- 
laubt sei  sich  durch  Ankömmlinge  und  Fremdlinge  zu  peupliren  und 

ferner  zu  bauen.    Er  hoffe  also  dass  der  Rath  seine  Unterthanen 

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zur  Rohe  weise.  Dieser  aber  wandte  sich  beschwerend  an  den  An- 
walt, dass  die  Waldenser  welche  keine  Mitm&rker  seien  sich  unter- 
stehen mit  ihrem  Vieh  in  die  Hohe  Mark  zu  fahren,  auch  Bauholz 
zu  fällen.  Die  Schultheisse  von  Praunheim,  Ursell  und  Bonames 
traten  zusammen :  ohnerachtet  der  Märker  Protestation,  auch  „der 
Herrschaften  Thädigungsschriffien*  unterfange  man  sich  Holz  au» 
der  Mark  für  die  Waldenser  durch  die  Unterthanen  fuhren  zu  lassen; 
sie  schlagen  vor  gegen  die  so  Holz  fuhren  ohne  Vorwiasen  der  Mär- 
kermeister  mit  Pfändung  und  Eintrieb  zu  verfahren,  den  Eintrieb 
aber,  weil  es  Homburg  concernire,  anderswo  als  nach  Homburg  zu  thun, 
„die  Herrschaft  um  Vcrhaltungsbefehl  zu  bitten",  wie  man  sich  im 
Widersetzungsfall  zu  verhalten.  (Mglb.  E.  29.  V.  S.  90,  94,  98.) 

Die  Herrschaften  waren  nicht  weniger  rathlos  als  die  Märker. 
Es  schrieb  Freiherr  von  Bettendorf,  der  Königsteiner  Amtmann,  an 
den  Rath:  es  seien  von  Seiten  Ihr.  f.  Durchl.  je  länger  je  mehr 
Missbräuch  sowohl  zu  Nachthoil  der  Märker,  als  auch  condominorum 
der  Mark  eingeschlichen,  ja  sogar  über  die  Jagensgerechtigkeit 
gleichsam  ein  dominium  absolutum  und  Jurisdiction  darunter  usurpirt 
werden  wollen,  da  doch  dieselbe  darein  nur  limitatum  jus  herge- 
bracht. Ob  es  nicht  räthlich  dass  die  Märker  beim  nächsten  Märker- 
ding ihre  Beschwerden  nochmals  übergäben,  auch  wofern  nicht 
abgeholfen  werde,  man  „die  Markgerichter  sistiren,  und  weiter  nit 
erscheinen  werde"  bis  abgeholfen  sei.  Der  Rath  liess  sich  den  Vor- 
schlag Wohlgefallen,  will  die  Seinigen  anhalten  zu  rechter  Zeit  sich 
einzufinden,  würde  es  nichts  helfen,  sei  weiter  zu  berathen.  Weiter 
finden  sich  aus  dem  Jahre  1702  die  Vorschläge  und  Berichte  über 
die  gravamina  der  Märker:   Es  sind  dies 

1)  Dass  zwar  in  dem  Weisthum  von  1484  ein  Dorf  Dornholz- 
faausen  stehe,  dass  aber  selbiges  über  200  Jahre  schon  in  Abgang 
kommen,  ingleichen  dass  das  jetzige  an  einem  andern  Ort  und  der 
Waldgränzc  viel  zu  nahe  stehe.  2)  Dass  der  Obrister  Herr  Wald- 
bott  vieles  Holz  „ausser  der  ordinarü  Notwendigkeit"  als  zu  Salz 
soden,  Canälen  und  Palisaden,  Ziegelhütten  und  Kalköfen  ohn  An- 
weisung oder  Zahl  weghauen  lassen,  ebenso  durch  seine  Köhler  und 
alle  welche  nur  einen  Schein  einer  Bedingung  von  Ihme  haben.  3) 
Dass  er  ein  absonderliches  Stück  in  der  Hohen  Mark,  die  Strasse 
genant,  für  sich  allein  halten  und  benutzen  wolle,  da  doch  im  Instru- 
ment Art  6  vorgesehen,  dass  auf  derselben  auch  einWalbott  keinen 
Schaden  thun,  oder  sonst  den  Märkern  büssen  solle7*.   Weiter  folgt 

'«  Es  findon  sieb  anf  dem  Situstionsriss  (Risskiste  Nr.  89),  welcher  bei  Ge- 
legenheit „der  vorgewesenen  Theilung"  im  Jahre  1777  duroh  den  f.  bess.  ban. 


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anter  6)  das»  er  der  Jagd  in  der  Hohen  Mark  gar  nicht  privative 
berechtigt  sei,  vielmehr  auch  den  Märkern  nach  dreien  Tagen  zu 
jagen  gestattet  sei;  unter  7)  dass  er  sich  der  Territorialjurisdiction 
anmasse,  habe  Hunde  todt  schiessen  lassen,  die  keinen  Knüttel  ge- 
tragen; unter  8)  dass  er  Zoll  hebe  in  der  Hoben  Mark.  Weiter 
dass  er  „die  anbauende  Walt  Enßer,  oder  wer  die  sein  mögen",  für 
Mitmärker  angenommen  und  den  Wald  ruiniren  lassen;  dass  er 
Schwein  über  8  Tag  nach  verglichenem  Einschlag  kommen  lassen, 
solche  noch  eingeschlagen,  dazu  Ausmär k er  schwein  mit  untertreiben 
lassen;  dass  der  Kaningesgarten  vergrössert,  dazu  der  Marker  Ei- 
genthum hinweggenommcn,  auch  viel  Holz  zu  Zäun  gehauen  wor- 
den. Diese  und  andere  Beschwerden  sind  unterzeichnet  von  den 
Märkenneistern  Job.  Jacob  Messer  und  Job.  Ph.  Stahl,  von  den 
Schultheissen  B.  Anthoni,  Caspar  Brendel,  J.Wunder,  und  Jobannes 
Conwcrt  (?),  sie  wurden  am  14.  Juni  1702  auf  gewöhnlichem  Märker- 
ding dem  AnwaJd  übergeben. 

Jedes  Markerding  fast  sah  jetzt  neue  gravamina  vorlegen,  und 
die  betheiligten  Regierungen  beriethen  emsiger  welche  Schritte  zu 
thun  seien,  um  die  Herrschaft,  die  sie  für  sich  selbst  beanspruchten, 
nicht  durch  die  Willkühr  des  Waldpotten  beeinträchtigt  zu  sehen. 
Im  Jahre  1703  waren  es  12  gravamina  welche  die  Märker  aufs 
Weitläufigste  zu  begründen  suchten.  Der  Oberste  Herr  und  Wald- 
bott  liess  Gegenerklärung  ausarbeiten,  und  gravamina  auch  seinerseits 
vorbringen.  Er  bemerkt : 

Des  Waldpotten  Jagdgerechtigkeit  sei  auf  Observanz  und 
Herkommen,  auch  auf  klaren  Vergleich  randirt,  auf  jedem  Märker- 
ding  sei  das  Jagen  verboten  worden.  Diese  Gerechtigkeit  sei  mit 
der  Cession  und  Uebergab  Homburgs  an  den  Waldpotten  gekommen, 
müsse  also  vom  Hause  Hessen  mit  geschützt,  Eviction  geleistet  wer- 
den ;  es  befremde  ihn,  wer  die  gemeine  Märker  so  aufwiegeln  möge, 
dass  sie  nach  zwei-,  dreihundert  Jahren  sieb  „nun  erst  unterstehen" 
solche  praetensiones  vorzubringen  und  jus  et  possessionem  anzufechten. 
Ebenso  sei  die  Territorial-Jurisdiction  oberherrlich-  und  Gerechtig- 
keiten in  der  Observanz  und  im  Hohen  Mark  Instrument  de  1484 


Landcomroissarius  Job.  Hein.  Zincke  und  Joh.  Friedr.  Zincke  Uber  die  „In  der 
Wetterau  gelegene"  berühmte  Hohe  Mark  verfertigt  wurde,  auch  die  2 
Strassen  aufgezeichnet :  „gebück,  hocke  oder  Strasse"  unregelmassig  begrenzte 
Walddistricte.  einer  auf  dem  Wege  von  dem  Brendelsbusch  nach  der  Saalburg,  unter- 
halb des  Fahrborns,  ein  «weiter  bei  dem  Elisabetbenstein ,  in  der  Gegend  des 
alten  Heegwaldes. 


438  — 


§.  2  klar  exprimirt  „dazu  alle  conneza  and  accessoria*.  Was  nicht 
expresse  für  andere  vorbehalten  „sei  Bubgenere  eines  obersten  Herrn 
begrieffen*.  Diese  jura  und  regalia  seien  auch  durch  ein  zwischen 
Chur-Mainz  und  Hessen  am  4/i*.  Juli  1599  aufgerichteten  Vergleich 
weiters  erläutert.  Auch  die  Hebung  des  Zolls  in  der  Hohen  Mark 
sei  nie  widersprochen  gewesen,  zu  dem  Ende  noch  vor  16  a  18 
Jahren  zwei  Zollstöcke  in  der  Hohen  Mark  gesetzet  Wenn  auch 
darin  „excessus  durch  scheltworte,  Schlägerei,  Todtschlag  oder  auf 
andere  Weise"  vorgehe,  competire  obersten  Herrn  und  Waldpotten 
darin  Cognition,  decision  und  Bestrafung,  Execution  und  Einmahnung 
der  Strafen,  wie  aus  verschiedenen  Bußsatztagen  zu  ersehen.  Es 
folgen  weiter  Entschuldigungen  über  den  Holzbedarf,  dass  er  zum 
Theil  von  den  Märkern,  zum  Theil  anderswoher  gekauft,  der  angeb- 
lich zugefügte  Schaden  müsse  näher  erläutert  werden,  die  herrschaft- 
lichen Bedienten  würden]  „andern  Märkern"  durchgehend  gleichge- 
stellt, die  angebliche  Zerreissung  tragbarer  Eichbäume  könne  bis  zu 
besserer  Bescheinigung  nicht  geglaubt  werden.  Der  Oberste  Herr 
und  Walpott  verlange  dass  die  Laodtgewehr  und  Markgrenzen  in 
richtigem  Stand  erhalten  werden,  dahero  auch  öfter  erinnert  das 
Umgehen  der  Mark  nicht  zu  trainiren.  Die  Landwehr  von  Dorn- 
holzhausen sei  ohne  sein  Wissen  eben  und  gleich  gemacht,  auf  seinen 
Befehl  auch  wieder  aufgericht  und  in  ebenen  Stand  gesetzt  worden ; 
es  befremde  dass  man  diesen  Posten  dennoch  anregen  mögen  7T. 
Wegen  Erweiterung  des  Caningesgartens  habe  Oberster  Herr  und 
Waldbott  „das  Vertrauen  auf  die  sämmtüchen  Märker  gesetzet,  dass 
sie  sich  hierin  von  selbst  begriffen,  und  dieserhalb  gegen  dero  Piaair 
. . .  nichts  weiter  entgegensetzen  werden*.  Suchen  auch  der  Mark  gar 
nichts  zu  entziehen,  „sondern  selbiges  soll  vor  wie  nach  die  Quan- 
titet  eines  Markstücks  behalten*.  Der  Bezirk  sei  nicht  der  Mühe 
werth  etwas  dagegen  einzuwenden,  da  obersten  Herrn  und  Wald- 
botten  mit  Benutzung  der  Mark  wohl  nicht  verwehret  werden  könne, 
noch  werde,  einen  solchen  Bezirk  mit  Palisaden  zu  verwahren.  Nie- 
mand könne  beibringen  dass  in  Betreff  der  Strassen  etwas  gegen  den 
VI  Art  der  Mark  instrumenti  prätendirt  werde,  es  stehe  Obersten 
Herrn  und  Waldbotten  frei  darin  zu  hauen,  auch  solches  noch  weiter 
durch  einen  Märkergedings  abscheidt  d.  a.  1547  erläutert  sei  (?)  den 
Märkern  stehe  auf  den  Strassen  der  Weidgang  und  Mästung  zu ;  man 


"  Nach  der  Karte  von  Stumpf  ist  Dornholzhausen  genau  in  der  Richtung 
und  auf  der  Landwehr  erbaut!!! 


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*39  - 


verlange  hierin  nichts  alleinig  zu  haben.  Dornholzhausen  sei  im  In- 
strument benennet,  höre  in  die  Mark,  sei  nur  das  alte  wieder  aufge- 
baut. Was  von  Ausmärkerschweinen  angeführt,  solle  untersucht 
werden,  im  übrigen  aber  sie  Märker  sich  in  ihren  vermeintlichen 
gravaminibua  nunmehro  besser  begreiffen  und  sich  in  Buhe  begeben 
würden. 

Die  Märker  antworteten  in  einer  sehr  umfangreichen,  mit  latei- 
nischen Citaten  aus  Stryk,  Zeyler,  Speydel,  Klock  u.  A.  reichlich 
versehenen  Schrift,  heben  vor  Allem  die  Bedeutung  des  Instruments 
und  seiner  dauernden  Geltung  hervor,  gedenken  des  Widerspruchs 
den  die  Märker  den  Neuerungen  stets  entgegengesetzt,  dem  Verbot 
Hunde  in  den  Wald  mitzunehmen,  auf  der  Wolfsjagd  zu  treiben. 
Die  Nutzungen  der  Mark  stünden  den  Märkcrn  allein  zu,  auch  die 
Bergwerke  gehörten  diesen.  Der  Vertrag  mit  Ghurmainz  sei  nicht 
bekannt  gemacht  worden,  könne  die  Märker  nicht  binden.  Gegen 
die  Zollstöcke  habe  man  immer  protestirt,  es  sei  die  Antwort  gewesen 
dass  die  Zollstöck  nur  der  Ausmärker  wegen  gesetzet  seien,  der 
Cronbergischen  und  anderer  Juden.  Es  folgt  eine  Ausfuhrung  der 
vielen  Frevel  welche  Namens  und  im  Interesse  des  obersten  Wald- 
botten  statt  hätten,  der  Zerreissung  tragbarer  Eichstämme  zu  Brenn- 
holz, des  Kohlenbrennens  in  der  Mark  und  der  Errichtung  von  aller- 
lei Bauwerk.  Es  dürfe  in  der  Hohen  Mark  nur  Holz  gehauen 
werden  zu  nöthigen  Bauten  „wo  unter  Obdach  und  in  das  Trockne 
kommen",  dahero  s.  v.  Schweinställe,  Thor,  Pfosten,  Pallisaden, 
Kennel  und  dergleichen  aus  der  Mark  zu  hauen  verboten.  Es  sei 
aber  bekannt  dass  viel  tausend  Schuh  Kennel  zu  den  Salz  Soden, 
eine  grosse  Quantität  Pallisaden,  viel  Holz  zu  Mühlen,  Ziegel-  und 
Kalköfen  Homburgischerscits  gehauen  worden,  und  meist  im  Iläge- 
wald  7Ö.   Die  Landwehr  und  den  Beißberg  eigenmächtig  denWalden- 


TC  Es  finden  sich  aus  den  Jahren  1679  bis  1704  Specification  der  Wald- 
frevel so  die  Homburg-Meyercy  knecht  und  Frohndienst-leuth  in  der  Hoben 
Marek,  sonderlich  in  denen  Verbotenen  Hägwälden  begangen ;  vielfältig  wird 
angegeben,  wie  die  herrschaftlich  kneebt  mit  dem  schädlichen  Eicben-Trauden 
noch  nicht  nachlassen,  also  dass  auf  vielen  Bäumen  kein  Ast  bleibe;  dass  sie 
beim  Holzholen  junge  Eichen  hauen,  zu  hemmen;  Kichenstämtoe  im  »principal 
Heegwald  dem  Rothlauf1'  gehauen,  dass  sie  im  neuen  Hägewald  ,,so  denen 
Märckern  so  schärft*  verbotteu  ist"  reidel  geholt;  dass  der  Waldschreier  eben- 
daselbst Reisser  gelangt,  dass  er  Eichbäum  geschlagen,  dass  zum  Kalkoften  im 
Jahr  1697  356  Karrn  Holz  verbrennt  worden,  dass  der  Vogelfänger  an  der 
Haardt  zwei  Claußbäume  zu  Brennholz  gehauen;  dass  im  Frühling  1698  Über 
vierzig  Claußb&um  für  die  Homburger  Herrschaft  auf  der  sogenannten  Straaften 


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—    440  — 


sern  einzuräumen  Bei  nicht  erlaubt  gewesen  ,  ebensowenig  den 
Caninchesgarten  zu  erweitern;  die  Mürker  möchten  dem  obersten 
Herrn  Waldbotten  seine  Plasir  und  Lust  gern  gönnen,  wenn  es  nur 
ohne  der  Mark  Schaden  geschehen  könne.  So  wenig  man  sich 
sonsten  von  Seiten  des  Obristen  Herrn  Waldbottens  an  das  alte 
Mark  Instrument  binden  lassen  wolle,  so  sehr  habe  man  bei  An- 
bauung des  neuen  Dorfs  sich  dessen  zu  bedienen  gesucht.  Ein  Dorf 
Dornholzhausen  sei  in  der  Hohen  Mark  mitberechtigt  gewesen,  aber 
über  Menschengedenken  gänzlich  eingegangen  und  gleichsam  abge 
.sterben,  so  dass  es  weder  ein  eigen  Gericht  gehalten,  noch  in  dessen 
Namen  jemand  bei  dem  gewöhnlichen  Märkergeding  erschienen,  noch 
auch  dasselbe  unter  andern  in  der  Mark  berechtigten  Flocken  abge- 
lesen worden.  So  sei  das  neu  erbaute  Dorf  Dornholzhausen  nicht  für 
einen  Marknecken  zu  halten,  umsoweniger  als  es  auf  einem  andern 
Orte  stehe,  und  von  ganz  fremden  Waldensern  bewohnet  werde  -, 
der  Herr  Waldbott  könne  nicht  ohne  Rath  der  Marker  ein  neues 
Dorf  mit  allen  Beeilten  aufnehmen. 

Kurze  Zeit  darnach  bringen  die  Märker  zur  Anzeige  dass  die 
Homburgischen  bedienten  eine  neue  Majerei  oder  Viehhaus  mit  dazu 


gehauen  worden,  desgl.  5  Eichen  im  Rothlauf  zum  Vogelheerd,  weiter  im  Jahr 
'  1699  die  Bau-  und  Vieh-hoflfknecht  bei  10  Stamm  auf  der  Straaßen  gehauen; 

es  heisst  dabei :  die  Waldenser  im  neuen  Heegwaldt  und  nächstgelegner  Orten 
hauen  nach  Belieben,  holtzen  und  thun  grossen  Schaden;  vier  Eichen  Stimm 
im  gehegten,  onig  den  bergen  zu  einer  Waldenser  Mühl  gehauen ;  Herr  Obrist 
Winther  zu  Frankfurt  25  Stück  Schwein  unter  denen  herrschaftlichen  Schweinen 
in  der  Marek  gehabt;  sodann  im  Jahr  1700  in  der  güldenseller  drei  Eichen- 
stamm  zur  Pulrermühl  gehanen,  zu  Schindeln  in  diesem  Jahr  viel  baulicher 
Bucbbäum  im  gehegten  gehanen  worden,  und  was  sich  nicht  gar  wohl  dann 
schickt,  bleibt  liegen ;  die  Waldenser  bauen  eigenes  Gefallens  im  neuen  Heegwald, 
treiben  Geißviehe  in  die  Marek,  so  denen  Marckern  nicht  gestattet  wird.  Unter 
einer  langen  Reihe  von  Rügen  im  Jahre  1701  heisst  es  auch :  die  Stellmacher 
6  junge  Eichen  zum  Schlitten  gehauen ,  der  Stedter  Meyerey  Hoffmann  im  ge- 
hegden  einen  grünen  Baum  für  den  Herrn  Wagner  gehauen,  desgl.  einen 
Summ  für  den  Herrn  Glafier.  Die  Waldenser  continuiren  in  der  Mark  auf 
discretion  zu  hauen  nnd  zu  weyden,  auch  zu  roden,  davon  die  Eichen  Stümpf 
so  noch  hie  und  da  stehen  den  Augenschein  geben.  Im  Jahr  1704:  die  Bau- 
wagen 8  Eichen-Stamm  ausgeführt,  so  au  ff  der  Güldenseller  durch  die  Hom- 
burger Soldaten  gehauen  worden ;  Herrn  Marchals  knecht  6  Claußbium  am 
Lindeberg;  der  herrschaftl.  Weingammann  300  Trudern  im  neuen  Heegwaldt 
gehauen;  der  Stellmacher  8  Eichen  im  Brendelsbusch,  weitere  Beschädigungen 
kommen  vor  an  balthsen  hellgen,  auf  dem  gebrauten  am  Craußeu  bauragon, 
auff  der  Sang,  im  Schmidts  Wildehen,  auf  der  Bromann  Onner,  bei  dem  M Uhl- 
horn, im  Hanß  Wagner  und  anderwärts;  endlich  wird  angeführt,  dass  täglich 
2  Wagen  Holz  zur  Brennerei  ausgeführt  werden.  (Mglb.  E.  29.  V.  8.  132). 


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erfordernder  Stellung  in  die  Hohe  Mark  auf  den  Pohlgraben  anzu- 
legen im  Werk  begriffen  seien.  Sie  protestiren  und  erinnern  dass 
der  Boden  der  Märker  rechtlich  Eigen  sei. 

Versuche  der  Regierungen.  —  Bei  solchen  unablässigen 
Beschwerden  wurde  immer  mehr  die  Besorgniss  der  andern  Herr- 
schaften rege,  dass  ihre  Unterthanen  und  auch  ihre  eigne  Regierung 
allzusehr  beeinträchtigt  werden  möchten.  Der  Frankfurter  Rath 
war  mit  Allem  was  geschehen  solle  einverstanden,  nur  extremen  Schrit- 
ten war  er,  wol  im  Interesse  der  Handelstadt  abhold.  Als  bei  der  Be- 
rathung  welche  im  Sept  1704  zu  Ursel  statthatte,  vorgesehlagen  wurde, 
eine  würkliche  Jagd  in  vim  realis  contradictionis  einmal  vorzunehmen, 
waren  die  Frankfurter  Herrn  Gesandten  darauf  nicht  instruirt,  wol  aber 
möge  man  die  Replicirung  der  Märker  mit  einem  Schreiben  unterstützen. 
Wenige  Tage  darauf  berichtete  Freiherr  von  Bettendorff  dass  der 
Auwald  den  churfürstlichen  Jäger  zu  Reiffenberg  wegen  eines  in  der 
Hohen  Mark  gefällten  Rehes  nach  Homburg  eingefuhret,  demselben 
sein  Rohr  abgenommen  und  ihn  in  Eissen  und  Banden  geschlossen. 
Wahrscheinlich  galt  dies  als  Antwort  des  energischen  Landgrafen 
Friedrich  auf  die  Schreibereien  der  Andern.  Auch  ein  uralter  durch 
Stedten  führender  Waldweg  wurde  jetzt  den  Märkern  gesperrt, 
Aexte  und  Ketten  den  Uebertretern  abgenommen.  Auf  einem 
Marek  Convent  zu  Homburg  erklärten  die  beiden  Märkermeister, 
Christoph  Balthasar  Antoni  und  Johann  Adolph  Wunderer,  den  Mark- 
schultheissen  der  Hauptflecken  (in  Abwesenheit  des  Herrn  Sohul- 
theissen  von  Homburg)  dass  am  24  April  ein  in  der  Hohen  Mark 
gefundener  todter  Körper,  ohne  Anzeig  bei  den  Märkermeistern,  mit 
Gewalt  durch  den  hochfUrstl.  Stadtschultheissen  und  einige  aus  dem 
Rath  zu  Houmburg  über  Stedten  dahin  abgeführt  worden.  Gegen 
solches  Attentat  habe  man  namens  der  Märker  protestirt,  den  todten 
Körper  reclamirt,  oder  einen  Revers  de  non  praejudicando  verlangt. 
Dem  Notar  sei  ein  Revers  zugesagt  worden,  sofern  das  Requisitions- 
schreiben  durch  die  eigenhändige  Unterschrift  beider  Märkermeister 
legitimirt  Bein  sollte.  Nach  dreien  Tagen  sei  endlich  der  Notar  mit 
einem  eigenhändig  von  Sr.  Durchlaucht  unterschriebnen  Schein  ab- 
gefertigt worden.  Dies  sei  aber  kein  Revers  sondern  die  Ansetzung 
einer  Geldstrafe  gewesen,  wegen  des  kühnen  Unternehmens;  sie 
hätten  es  dem  Notar  zurückgegeben,  es  wieder  hinzuliefern.  Da  nun 
Se.  DurchL  wenn  sie  in  solchen  gefahrlichen  Unternehmungen  weiter 
fortfahre,  endlich  gradatim  die  Märker  dero  Gerechtsamen  entsetzen 
würde,  möge  man  an  die  hohen  Herrschaften  sich  wenden,  ohne  deren 


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assistenz  da»  Nachtheilige  zu  redressiren  die  Märker  zu  schwach  und 
gering  seien.  Abschrift  des  hqcnfOrstl.  Erlasses  darauf  d.  1.  Mai  1709 
liegt  den  Akten  E.  29.  V.  S.  242)  abschriftlich  bei ;  es  heisst  darin : 
dass  durch  die  Protestation  wider  das  kundbare  Herkommen,  auch 
die  dem  Obristen  Herrn  und  Waldbotten  allein  zustehende  hohen 
Ober-  und  bott massig-  auch  herrtichkeit  beeinträchtiget,  „maßen  wir 
und  unsere  durchlauchtigste  Vorfahren  glorwIirdigstenGedächtniss  in 
sothaner  hohen  Marek  alle  gebothe,  Verbotte,  Angriffe,  bestraffungen 
und  andere  zur  hohen  Obrigkeit  gehörende  actus  jederzeit  und  ohn 
widersprechlieh  weit  Ober  Menschen  Gedenken  gerubiglich  herge- 
bracht .  .  .  Damit  wir  aber  dergleichen  strafbares  und  widerrecht- 
liches beginnen  von  denen  Marckermeistern  nicht  mehr  auf  solche 
unzulässige  Art  gewärtig  sein  mögen,  so  werden  sie  .  .  .  hiermit 
jedweder  besonders  in  fÜnffzig  Reichsthaler  Straff  ohnnachlässich  ab- 
zuführen, condemnirt,  wornach  sie  sich  gehorsamst  zu  achten  wissen 
werden." 

Verhandlungen  der  Herrschaften  folgten,  auch  Frankfurt  ver- 
spricht einen  Abgeordneten  auf  das  nächste  Märckerding  zu  schicken. 
Am  10.  Juni  1710  hatten  sich  in  Oberursel  eingefunden  seitens 
Churmainz  Herr  von  Ritter,  Hofrath,  u.  Straub,  Rath  und  Rent- 
meister zu  Königstein;  v.  Seiten  Hanau's  Rath  Wohlfahrt;  v.  S.Solms 
Sartorius,  Ganzleidirector  zu  Rödelheim;  v.  S.  Frankfurts  von  der 
Birgden,  Schöff  und  des  Raths,  und  Syndicus  Sondershaussen.  Sie 
versammelten  sich  vor  Beginn  des  Märkerdings  auf  dem  Rathhause, 
gemeinschaftliche  Schritte  zu  besprechen  gegen  die  Attentate  des 
Obristen  Waldbotten.  Chur-Mainz  eröffnete  die  Sitzung,  Hanau  trug 
Bedenken  zu  wirklichen  Thätlichkeiten  zu  schreiten,  da  man  Hessen- 
Homburg  im  Hanauischen  Lande  nicht  beikommen  könnte,  die  Sache 
nur  schlimmer  würde;  Solms-Rödelheim  meinte  die  im  Mark-Instru- 
ment fundirten  jura  sollten  einmal  exercirt  werden,  im  Uebrigen  aber 
sei  der  Weg  rechtens  der  sicherste  und  hinlänglichste.  Chur-Mainz 
befürchtete  dies  würde  in  eine  Langwierigkeit  ausschlagen,  grosse 
Spesen  erfordern,  ohne  noch  zur  Zeit  zu  wissen  wer  solche  tragen 
werde ;  schlug  vor  die  Unterthanen  anzuhalten  keine  Klage  vor  dem 
Waldbotten  allein  zu  thun,  keine  Citation  ohne  Vorwissen  der  Mark- 
meister anzunehmen ;  die  Frevel  nicht  mehr  auf  dem  Bussensatztage 
in  Homburg  sondern  vor  Ober-Ursell  zu  thätigen,  den  Waldschreier 
auf  dergleichen  Betretungsfälle  mit  dem  Thurm  abzustrafen ,  die 
bürgerlichen  Gefälle  des  Waldbotten  in  eines  jeden  Mitmärkers  ter- 
ritorio  zu  hemmen,  und  feierlichst  zu  erklären  dass  man  sich  Selbsten 
die  rechtliche  Satisfaction  verschaffen  werde.  Zugleich  brachte  Chur- 


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Mainz  ein  Mittel  in  Vorschlag,  auf  das  man  in  unseren  Tagen  von 
anderer  Seite  gekommen  ist,  dass  man  nämlich  die  Märkermeister 
wegen  deren  gegen  sie  ausgeübten  Pfändungen  indemnisire  und  sicher 
Btclle ;  es  regte  endlich  einen  früheren  Plan  wieder  auf,  nämlich  einen 
Jagd-actum  in  der  Hoben  Mark,  dem  alten  Weissthumb  gemäss, 
thun  zu  lassen.  Die  andern  Abgeordneten  stimmten  alle  gegen  Thät- 
lichkeiten,  waren  aber  zur  feierlichen  Protestation  bereit,  auch  zur 
Abhaltung  eines  Jagdactums ;  es  solle  jede  Herrschaft  etliche  von 
ihren  Jägern,  benebenst  einer  gewissen  Mannschaft  von  der  Land- 
miliz zur  Bedeckung,  auch  zum  Treiben  etliche  Eintzünge  Unter- 
thanen,  keine  so  fuhr  halten,  darzu  bestellen,  jedoch  in  beflissener 
stille. 

Diesemnach  begaben  sich  Domini  deputati  um  10  Uhr  Vormit- 
tags theils  zu  Pferd,  theils  in  Chaisen  auf  die  Aue  vor  Oberursell 
alwo  die  verabrabredete  Protestation  beiwesend  des  ganzen  Umb- 
stands  vieler  versambletcr  Märker  gegen  den  Anwald  durch  den 
Churmainzischen  Herrn  deputatum  primarium  communi  nomine  ein- 
gelegt wurde.  Nach  dem  Abschied  wurde  dann  noch  besprochen 
wer  die  Spesen  der  Entschädigung  der  Markmeister,  des  Protestes 
und  des  in  Aussicht  stehenden  Jagd-Actus  tragen  solle,  und  wurde 
allerseits  dio  Abrede  dahin  genommen,  dass  solche  ad  interim  von 
den  Märkern  erhoben  und  gezahlet  werden  sollten,  spätere  Ver- 
gütung vorbehalten. 

Wie  im  Archiv  f.  Frfts.  Gesch.  u.  A  IL  S.  344  bereits  ange- 
führt worden,  so  hat  der  hessische  Anwald  gegen  die  Turbation 
des  Märkergedings  protestirt  und  seinerseits  ein  angebliches  Recht 
gewahrt,  die  Märker  entlassen.  Damit  daraus  kein  Schaden  für  die 
Mark  erwachse  liess  er  ein  Schreiben  ergehen,  untersagte  „krafft 
habender  Hoheit  und  Herrlichkeit8  jedem  Märker  Verwüst-  und 
Ruinirung  der  Mark.  Unterzeichnet  ist  neben  dem  fttrsti.  Anwaldt 
Stüler,  auch  J.  H.  Stein  „tilrstl.  Hessen-Homburg.  Stadt  und  Marek- 
Schultheiß." 

Auf  den  1.  Oct  1710  war  ein  weiteres  Märkergedi ng  anberaumet 
worden  5  der  vom  Frankfurter  Rath  dazu  abgeordnete  Andr.  Textor 
berichtet  darüber,  dass  vor  demselben  Verhandlungen  mit  dem  An- 
walt stattgefunden,  welcher  als  expediens  vorgeschlagen,  die  herr- 
schaftlichen Beamten  sollten  im  Kreis  erklären  dass  sie  nur  da  seien 
um  zu  hören,  welches  aber  nicht  angenommen  worden.  Beim  Mar- 
kergeding habe  der  Anwalt  sogleich  gefragt,  was  die  Ausmärker 
und  Beamten  dabei  zu  thun  hätten?  Die  Beamten  erklärten  darauf 
dass  sie  dem  alten  Herkommen  gemäss  da  seien,  um  ihrer  Hohen 


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U4  — 


Herrschaften  und  derer  zur  Hohen  Mark  gehörigen  Gemeinen 
Märker  Interesse  zu  obaerviren.  Es  erwiderte  der  Anwalt  die  Be- 
amten waren  keine  Märcker,  hätten  im  Kreis  nichts  zn  tlran,  könnten 
im  Fall  der  Noth  anch  ausser  dem  Kreis  mit  ihren  Leuten  reden. 
Diese  entgegneten  es  sei  allezeit  Herkommens  gewesen  das»  die 
Beamten  dem  Märkcrgeding  beiwohnten;  als  des  Herrn  Ober-Wald- 
bottens  hoehfurstl.  Durehlaucht  erst  vor  wenigen  .Jahren  das  Märkcr- 
geding  in  hoher  Person  selbst  gehäget,  habe  er  nicht  das  Geringste 
dagegen  eingewendet.  Der  Anwalt  führte  dagegen  an,  wie  anno 
1623  der  Amtschreiber  von  Königstein  abgewiesen  worden,  als  er 
zum  Markschluss  beigehen  wollen  ;  aber  ein  Märkermeister  bemerkte 
wie  aus  dem  verlesenen  Protocoll  klar  zu  ersehen  sei,  dass  der  an- 
geführte Markschreiber  zur  Session  wo  der  Anwaldt,  Märkermeister 
und  Markschultheissen  deren  ö  Hauptflecken  zusammen  zu  sitzen 
pflegten,  sich  habe  nähern  wollen,  und  wäre  davon  weggewieaen 
worden:  hier  sei  aber  nicht  von  einer  Session  sondern  von  einem 
Märkerding  die  Bede.  Darauf  habe  der  Anwald  die  Formeln  de» 
Mürkermeistoreids  verlesen,  und  gerufen,  die  Herrn  Märkermeister 
handelten  gegen  ihre  Pflicht,  wenn  sie  zuliessen  dass  die  Beamten 
im  Creyss  stehen  möchten,  sie  waren  verbunden  die  Märker  und 
deren  Gerechtsame  gegen  alle  fremde  Herrschaften  zu  schützen. 
Diese  aber  hielten  fest  daran,  dass  die  Herrschaften,  wie  das  Instru- 
ment bewiese,  keine  fremde  seien.  Nachdem  darauf  von  allen  Seiten 
wegen  dieser  angeblichen  turbation  protestirt  und  reprotestirt  war, 
ist  der  homburgische  Anwalt,  Rath  Stühler,  abermahlen  unverrichteter 
Sachen  davon  geritten,  so  dass  das  hochnötbige  Märkerding  sich 
wieder  zerschlagen. 

Es  folgten  darauf  jämmerliche  Verhandlungen  über  das  Recht 
der  Herrschaften  beim  Märkergeding  zu  erscheinen.  Chur-Mainz  blieb 
der  beständigen  Meinung  „ehistens  einen  Jagens  actum  dem  mit  be- 
liebten moduni  nach,  vorzunehmen,  auch  solchen  mit  Waldhörnern 
und  Hunden  ciamoros  und  Esclatant  machen  zu  helfFen.* 

Der  Waldbott  fuhr  fort  die  Märkermeister,  welche  das  Interesse 
der  Mark  zu  wahren  suchten,  auf  alle  Weise  zu  bedrängen ;  sie  be- 
schweren sich  dass  sie  bei  einem  theidigungstag  in  Homburg  publice 
ziemlich  verächtlich  tractiret,  ja  wohl  gar  prostituiret  und  bedrohet 
worden,  da  doch  vielmehr  der  Obrist  Waldbott  verbunden  sei  die 
Märkermeister  zu  handhaben,  zu  schauern  und  zu  schirmen.  Als  das 
Amt  Cronberg  den  Anwalt  und  beide  Märkermeister  schriftlich  zu 
einer  Gränzbegehung  invitiret,  habe  der  Anwalt  den  Markermeistern 
das  Original  zurückgehalten,  und  eine  mit  demselben  gar  nicht  über- 


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einstimmende  Üopiam,  in  welcher  nicht  gemeldet  gewesen,  dass  auch 
an  sie  die  Einladung  ergangen  sei,  communiciret,  auch  die  Märker 
beschieden  das»  sie  in  termino  des  Umzugs  an  der  CronbergerGränz 
erscheinen  sollten.  Die  Märkermeister  hätten  aber  die  Märker  ad 
locum  consuetum,  auf  die  Aue  vor  Ursell  beschieden,  wo  sie  auch 
erschienen  wären.  Als  der  Herr  Anwald  den  versammelten  Märkern 
seines  Herrn  Principal is  Interesse  an  den  Cronberger  G ranzen  zu 
obeerviren  anbefohlen,  hätten  diese  ihr  an  der  Hohen  Mark  haben- 
des Eigentumsrecht  reserviret  und  sich  erkläret,  das»  sie  bei  bevor- 
stehender Gränzbegehung  ihre  Nothdurft  wohl  würden  zu  besorgen 

Auch  mit  den  Herrschaften  erhob  sich  nun  ein  offener  Streit. 
Diese  schickten  einen  Notar  und  zwei  Zeugen  nach  Homburg,  die 
Protestation  wegen  des  Märkergedings  zu  überbringen.  Der  Anwalt 
Hess  die  Zeugen  nicht  eintreten,  verlangte  dass  der  Notar  sein  Schrei- 
ben, welches  vorzulesen  nicht  gestattet  wurde,  wieder  mitnehmen 
solle,  dazu  eine  Protestation  welche  er  wegen  der  Herrschaften  An- 
niasBinigen  hiermit  wiederhole.  Der  kaiserl.  Notar  Moll  legte  darauf 
das  Instrument  nebst  dem  copeilichen  Requisitionsschein  auf  einen 
Tisch,  es  wurde  ihm  aber  zweimal  von  dem  eingetreteneu  Homburger 
Schultheis8cn  wieder  unter  den  Arm  gesteckt,  so  dass  er  es  endlich 
auf  den  Boden  fallen  und  liegen  Hess.  Der  Anwald  aber  Hess  den 
Notar  durch  die  Schlosswaclit  arretiren  bis  er  das  Instrument  wieder 
an  sich  nehmen  würde.  Auf  sein  Bitten  wurde  er  um  Mittagszeit  in 
das  Wirtbshaus  zum  goldenen  Engel  von  einem  Soldaten  geleitet, 
allda  bewachet,  bis  ihm  von  einem  Notar,  welchen  der  Stadtschul- 
theiss  und  der  Stadtwachtmeister  begleitete,  das  Instrument  und  ein 
Protest  überbracht  worden  war.  (Mglb.  E.  29.  V.  8.  307,  308.) 

Die  Herrschaften  setzten  in's  Werk  diejenigen  zu  entschädigen, 
welche  in  Ausübung  der  Mark  Interessen  durch  den  Obersten  Wald- 
bott  Noth  gelitten  hätten.    Es  liegt  eine  Spesenrechnung  bei  den  . 
Acten  (E.  29.  V.  S.  349);  sie  enthält  folgende  Posten: 

a)  Specification  des  Herrn  Märckcrmeisters  Anthoni 

dessen  Schaden  an  Heu    und  Ohmathe  ent-  6.  kr.  hl. 

haltend   114.  50.  — 

b)  Derselbe  an  andern  Auslagen  dcsshalb             .  62.  45.  — 

c)  Notarius  Moll  wegen  insinuirtera  Instrument  19.  34.  — 

Conferenz-Kosten : 

d)  bei  H.  Joh.  Jac.  Mösser  seel.  Wb.     .      .  90.  36.  3 

e)  „   Joh.  Walthern  dem  Babenwirth  .  4.  28.  — 


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0  bei  Henr.  Mann  Wirth  zum  Ochsen  .  9.  — .  — 

g)  „    Casp.  Burckharden,  Wirth  zum  Hirsch  8.  14.  — 

h)  H.  Märckermstr.  Wanderer  an  Zehrung  und  Bo- 

tenlohn ausgelegt   6.  — .  — 

Summa   314.  27.  3 
Ferners  pro  hodierna  die   46.  33.  — 

fl.  350.  — .  3 

Specification  der  Märcker  und  waß  ein  Rauch  darin  hat,  frey 
und  ohnfrey,  nichts  ausgeschlossen: 

Churmainz:  Oberursel  220.  Bommersheim  76.  Stierstadt  51. 
Weisakirchen  36.  Callbach  48.  Harheim  82.  Kirtorf  72.  Hedemheim 
65  (auf  den  Rand  bemerkt:  56  Christen  und  35  Juden  seindt  in  He- 
dernheim).  Oberheck  stadt  3. 

Gemeinschaftlich:  Reiffenberg  34.  Arnoldshain  35.  Schmitten  18. 

Hanauisch :  Vöibel  142.  Steinbach  47.  Ober-Eechbach  48.  Nie- 
der-Eschbach  67.  Mauenheim  36.  Abtohof  u.  die  Mühl  zu  Eschers- 
heim je  1. 

Gemeinschaftlich:  Praunheim  48. 

Solms-Rödelheim:  Niederursel  gemeinschaftl.  mit  Frankfurt  59. 

Frankfurt:  Bonamoes  38.    Nider-Erlenbach  80,  Torckelweyl  48. 

Summa  1355  Märker.    Es  trägt  jedem  Märcker  15  kr.  2  hl. 

Homburgischer  Seite  suchte  man  dagegen  alle  die  zu  er- 
leichtern, welche  von  Seiten  der  Herrschaften  bedrängt  wurden. 
Weygand  Kester  von  Nieder-Eschbach  hatte  sich  auf  der  Aue  vor 
Oberursel,  nachdem  das  Märkcrgeding  aufgelösst  worden,  beleidigend 
gegen  die  Herrschaften  geäussert,  war  desshalb  von  dem  Schultheis- 
Ben  zu  Rodheim  gestraft,  wegen  der  Unkosten  war  Execution  heim- 
gelegt worden.  Der  Homburger  Anwalt  Stiller  drohte,  wofern  dem 
Märker  KeBter  derExequirer  nicht  sofort  abgenommen  würde,  werde 
man  zu  andern  Mitteln  greifen,  erklärte,  er  würde  den  Kester  auf 
alle  ersinnliche  Weise  Bouteniren  und  ihm  zu  seiner  vollkommnen 
Satisfaction  sammt  Unkosten  hinwider  verhelfen;  und  dies  unter  dem 
Prätext  „weilen  Weygand  Kester  bei  dem  Märkergericht  zu  Ursel 
gesündigt,  folglich  seine  hochf.  Durchl.  allein  darüber  zu  cognosciren 
habeu.  Dieser  Erlass  wurde  in  Abschrift  auch  dem  Bestraften  durch 
den  Waldschreier  insinuirt,  mit  dem  Bedrohen  das»  er  bei  Verlust 
seines  Markrechtes  durchaus  sich  zu  nichts  verstehe,  wegen  dem 
Exeqniren  nichts  zahle,  wogegen  ihm  „nach  Inhalt  des  Instruments 


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-    447  — 

Sc.  hochftLreti.  Dnrchl.  allen  Schutz,  Schirm  und  Schadloshaltung 
gnädigst  versichern  lasse". 

So  sah  es  dazumal  im  deutschen  Reiche  ans;  aus  den  Akten 
würde  man  nicht  ersehen  dass  zu  der  Zeit  noch  ein  Kaiser  dage- 
wesen, wenn  nicht  ein  jedes  notarielle  Instrument  ihn  nennte  und  alle 
Länder  aufführte,  welche  er  beherrscht  In  trauriger  Weise  bewährte  sich 
da«  alte  Sprüchwort:  dass  die  Völker  geschlagen  werden,  wenn  die 
Herrscher  streiten.  Während  der  churmainzer  Beamte  den  betreffen- 
den Ortschaften  verbot  von  dem  Obristen  Waldbotten  allein  ergang- 
nen  Citationen  zu  pariren,  beschwerte  sich  der  Homburgische  An- 
walt dasa  die  Obrigkeiten  selbst  die  Unterthanen  zum  ohngehorsam 
verleiten.  Zum  Markerding  Donnerstag  den  1.  Oct  1811  requirirte 
er  einen  Notar  um  für  den  Fall  dass  die  Güte  nicht  Platz  greifen 
sollte,  gegen  die  Anwesenheit  der  Herrschaft*  Lea  inten  zu  protestiren, 
dann  aber  das  Märkergeding  zu  hägen.  In  dem  von  dem  Notare 
verlesenen  Proteste  findet  sich  auch  die  Beschwerde:  dass  die  Aus- 
mär k  er  -  Beamten  sich  unterstanden  die  gemeinen  Märker  gegen  den 
obersten  Herrn  und  Waldbotten  aufzuwickeln,  Geld  zu  erpressen, 
sie  mit  harten  Auflagen  zu  tribuliren;  ;die  Märker  werden  angewie- 
sen „sich  im  geringsten  nicht  zu  den  Geldpressuren  zu  verstehen, 
vielweniger  selbige  zu  erlegen,  so  lieb  ihnen  die  Gnade  des  obersten 
Herrn  und  Waldbotten  hochfürstl.  Durchl.  und  Vermeidung  harter 
Bestrafung"  sei.  (Mglb.  E.  29.  V.  S.  341-361.) 

Inzwischen  und  nach  diesem  hörten  aber  die  Belästigungen  des 
gemeinen  Märkers  nicht  auf.  Nach  dem  Bericht  de«  Stadtschultheis- 
Ben  zu  Ursell  war  der  Zollstock,  welcher  1683  an  die  Strasse  in  die 
Hohe  Mark  jenseits  des  Stierstädter  See's  aufgerichtet  worden,  aber 
zerfallen,  im  Jahre  1713  wieder  erneuert:  es  befand  sich  darauf  Name 
und  Wappen  samt  der  Unterschrift:  „allhier  giebt  man  Zoll";  die- 
jenigen welche  diesen  Stock  passiren  wollten,  hätten  zur  Entrichtung 
des  Zolls  auf  Stedten  bei  einer  Stunden  Wegs  oder  Stunden 
auf  Homburg  umzugchen  gehabt;  damit  sei  denen  hochfürstl  hessi- 
schen gesambt  Häusser  welche  an  dem  Weinzoll  gemeinschaftlich 
participiren  das  jus  telonii  in  der  Hohen  Mark  eingeräumt  worden. 

Zu  dem  auf  den  22.  Mai  1731  ausgeschriebenen  Märkerding  und 
der  dazu  angestellten  Mahlzeit  hatte  der  Märkermeister  zu  Ursell 
fünf  Märker  ausgeschickt,  herkömmlicher  Weise  Forellen  aus  der 
Mark,  worinnen  Se.  hochf.  Durchl.  bereits  einige  Tage  zuvor  hatte 
fischen  lassen,  zu  fangen.  Diese  Männer  wurden  mit  Gewalt  ergriffen, 
gefänglich  nach  Homburg  geführt,  und  gleich  den  ärgsten  Malerican- 
ten in  Ketten  und  Banden  geschlossen,  endlich  der  Märkermeister 


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—    US  — 

zur  Verantwortung  gesogen.  Die  Herrschaften  schickten  wieder  einen 
kaiserlichen  Notar  mit  zweien  Zeugen  nach  Homburg  bei  Sr.  Dnrchl. 
zu  proteatiren.  Dieser,  nachdem  er  vorgelassen  worden,  begann  mit 
schuldigstem  Bespect  seinen  Auftrag  auszurichten,  wurde  aber  mit 
den  Worten  unterbrochen:  ^Wisset  ihr  nicht,  wo  mein  Anwalt  ist? 
was  hundert  sacrement,  wollt  ihr  vor  mir,  in  meinem  Schloss  prote- 
atiren, wollt  ihr  100  Prügel  haben,  wie  der  andere  Notarius".  Als 
nun  der  Notar  Isidoras  Bauer,  so  berichtet  er  selbst,  seinen  Auftrag 
auszuführen,  den  Protest  auf  einen  Tisch  gelegt,  habe  8e.  Durch- 
laucht ihm  das  Spanisch  Rohr  aus  der  Hand  gerissen,  und  ihn  der- 
malen auf  Kopf,  Buckel  und  Arm  geschlagen,  dass  das  Rohr  von 
einander  gespalten,  auch  so  lange  fortgefahren  bis  er  das  Instrument 
wieder  von  dem  Tisch  fortgenommen,  hernach  dem  dabeistehenden 
Läufer  und  andern  Anwesenden  zugerufen,  auf  ihn,  den  Notar  und 
die  Zeugen,  zu  schlagen,  was  dieser  mit  dem  dicken  Lauffer -  stock 
auch  ohn  Unterlass  gethan,  auch  die  Wacht  zugeloffen  „worauf  sie 
voller  Schlag,  Aengst  und  Schrecken  außer  dem  Schloß  flüchtig 
werden  müssen«.  (Mglb.  E.  29.  V.  372.  S.  401  ff.) 

Zu  jener  Zeit  galt  Mensch  und  Menschenwürde  nur  wenig  oder 
nichts;  und  nicht  viel  mehr  in  Frankfurt,  wie  in  Homburg  Darüber 
giebt  einen  Nachweis  und  Beleg  dieTheilung  des  gemeinschaftlichen 
Fleckens  Niederursel  welche  im  Jahr  1714  zwischen  dem  Rath  der 
Stadt  Frankfurt  und  den  Grafen  Ludwig  und  Ludwig  Heinrich 
Gebrüder  zu  Solmß  und  Fleckenburg,  Herrn  zu  Münzenberg  etc. 
vorgenommen  wurde.  Das  Dorf  wurde  getheilt  durch  die  lange 
Strasse;  „weilen  der  ober  Theil  etwas  schwächer  auffällt  an  Mann- 
schaft" so  solle  Arnold  Pfleger,  Job.  Dechert  und  Uhrich  Hofmann 
aus  dem  untern  in  den  obern  Theil  sich  häuslich  niederlassen,  ihnen 
dazu  Gelegenheit  und  Holz  zum  Bauen  angewiesen  werden*.  Der 
Weg  durch  die  Spilles-  oder  Spielsgasse  und  durch  die  Bendergasse, 
Kirch,  Kirchhof  u.  s  w.  blieben  gemeinschaftlich.  Es  folgt  in  der 
Theilungsurkunde  (Mglb.  E.  41)  eine  Specifieation  aller  Unterthanen 
eigen-  und  lehen-baren,  anch  steuerbaren  Güter,  dann  das  Notariats- 
instrument  über  die  Theilung  wie  bic  am  9.  Juli  erfolgte.  Bei  der 
Kirche  war  auf  dem  Solms'cben  Bauplatz  ein  Zelt  aufgeschlagen  ; 
nach  den  üblichen  Anreden,  Besichtigung  der  Urkunden  u.  s.  w. 
wurde  die  Verloosung  vorgenommen,  die  Unterthanen  der  Pflichten 
entlassen,  und  wieder  in  absonderliche  Pflichten  genommen,  wie 
auch  dieLandmüiz  und  Leibeigne  gegen  einander  limittirt  und  über- 
geben. Syndicus  Orth  erhielt  für  Frankfurt  die  obere  Hälfte;  dies 
hatte  in  Niederursel  an  Leibeignen  4  Männer,  6  Weiber,  9  Sühne 


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1 


-    449  — 

und  7  Töchter,  Solms  dagegen  besasa  18  Männer,  29  Weiber,  48 
Söhne  und  $6  Töchter7»;  so  sah  sich  Frankfurt  genöthigt  zur  Thei- 
lung  Leibeigne  in  Praunheim,  Ossenheim  und  Petterweil  abzugeben, 
um  den  Austausch  bewerkstelligen  zu  können.  Hierauf  wurden  die 
sämmtlichen  Bürger  aufgerufen  und  abgezählt,  in  2  Reihen  gestellt, 
die  Solms'chen  rechts,  die  Frankfurter  links  nach  der  oberen  Seite 
zu,  ihrer  Pflichten  entlassen,  dem  neuen  Herrn  Übergeben,  die  Leib- 
eigne an  den  neuen  Herrn  „nebst  angehenkter  Gratulation  über- 
tragen", darauf  die  absonderliche  Pflicht  und  neue  Huldigung  der 
Unterthancn  vorgenommen.  Diese  erhielten  je  2  Ohm  Bier  zum 
Huldigungstrunk,  die  Depntirten  aber  nachdem  sie  sich  an  der 
Gränze  aus  dem  possesa  und  in  posscss  gesetzt,  haben  eine  Mahlzeit 
unter  einem  Zelt  auf  der  Wiesen,  nach  Frankfurt  zu,  eilige- 
oomnicn  * 

Entsittlichung.  —  Wie  die  Missbräuche  sich  steigerten,  so 
wuchs  die  Sittenlosigkeit  und  eine  abschreckende  Selbstsucht;  die 
Achtung  vor  dem  Gesetz  schwand  mehr  und  mehr;  Jeder  sorgte  nur 
für  sich  und  die  Seinen,  die  Klagen  verhallten  ungehört  oder  sie 
gaben  nur  Veranlassung  zu  neuen  Missbräuclien  auch  auf  anderer 
Seite.  Die  abgelegeneren  Ortschaften  wiederholen  die  Beschwerden 
über  die  Quantitäten  Holz  welche  von  den  Homburgischen  Brenne- 
reien consumirt  würden,  die  Pächter  müssten  ihrerseits  ein  grosses 
Stück  Geld  an  die  Herrschaft  zahlen;  es  seien  in  einem  Jahr  über 
fl.  6000  Bügen  gemacht  worden,  aber  es  geschehe  keine  Verrech- 
nung; den  Gemeinden  werde  kein  Bauholz  mehr  verabfolgt;  viel 
Wald  sei  bereits  ausgerodet,  Wiesen  angelegt  und  verliehen,  Geld 
werde  dafür  nicht  verrechnet;  die  nahegelegenen  Mainzer  und  Hom- 
burger Unterthanen  ruinirten  die  Mark  mit  Rind-  und  Scbafvieh. 
Besonders  beschweren  sich  die  Niederurseier  dass  ihnen  verwehrt 
worden  Steigen  in  der  hohen  Mark  aufzuschlagen,  sie  sollten  ihre 
Schweine  in  den  beim  Walde  liegenden  Orten  unterbringen,  dort 
würden  sie  aber  nicht  aufgenommen.  Sie  bitten  den  Rath  um  Ab- 
hülfe; diesem  antwortet  der  Waldpott:  es  hätten  die  Urseller  grünes 
Holz  für  die  Hirtenhütte  geschlagen,  den  Wald  sträflich  devastirt, 
der  Märkerbeschluss  sei  gefasst  worden  die  deterioration  des  Waldes 


'9  Die  Leibeignen  waren  von  denselben  Namen  und  wol  auch  Familien  wie 
die  Freien,  darunter  Greif,  Wentzel,  Kuppel,  Launhard,  Dcchert,  Heimber- 
ger  etc. 

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I 


-  *fo  - 

I 

zu  verhindern.  Auch  gegen  den  Stadtschultheiasen  Dr.  Thonnet  zu 
Oberursel  wurden  Klagen  wegen  Waldfrevel  erhoben,  wie  gegen 
andere  Beamte.  Das  Landamt  stellte  Verhör  deshalb  an;  es  erschien 
der  Landhauptmann  Kühn  von  Bonames,  erklärte  auf  Befragen :  er 
wäre  ein  mitbeisitzender  Markschultheiss  und  „schicke  sich  also  nit 
wohl  für  ihn,  wenn  er  auch  gleich  einige  Fehler  wissen  sollte,  dass 
er  sich  hierinnen  herauslassen  sollte.  Es  könne  sein,  dass  einige 
derer  erregten  gravaminum  Grund  hätten,  doch  getraute  und  könnte 
er  nicht  solche  behaupten"  So  entlassen  erschien  Schultheiss  Bilger 
von  Dortelweil,  Schultheiss  Boch  zu  Nieder  Erlenbach  und  Schult- 
heiss  Kuppel  zu  Niederursel,  sagen  ans:  „sie  glaubten  wohl  daß  es 
nicht  in  allen  Stucken  gar  zu  richtig  herginge,  und  ließen  die  ihnen 
vorgelesene  gravamina  an  ihren  Orf  gestellt  sein,  sie  könnten  nicht 
alles  wissen  was  fürginge,  noch  auch  was  diesfalls  recht  und  un- 
recht sei". 

So  sprachen  im  Jahre  1736  die  Schultheisseh  der  Hohen  Mark! 
(Mglb.  E.  29.  VI.  S.  20  ff.) 

Es  findet  sich  in  den  Akten  aus  dem  Jahre  1746  eine  Anfrage 
des  Landamts,  ob  den  Dörfern  Dörkelweil,  Nieder  -  Erlebach  und 
Niederursel  „ihr  gewöhnlicher  Beitrag  zu  dem  Bonameser  Märker- 
geding"  zu  erlassen  sei.  Diese  Gemeinden  müssten  zu  '/&>  V*  UQd  V» 
wegen  des  alljährlich  zu  haltenden  Märkergedings  Mahlzeit  zu  Bona- 
mes „coneurriren",  sie  seien  durch  Fouragirung  und  Märsche  verarmt 
und  im  betrübten  Stand,  so  dass  diese  Mahlzeitskosten ,  welche 
gegen  100  fl.  betrügen,  nur  schwer  beizutreiben  seien.  Es  möchte 
den  armen  Gemeinden  vor  dieses  Jahr  citra  omnem  consequentiam 
„ihre  sonsten  rechtliche  Schuldigkeit"  in  Gnaden  zu  erlassen  sein  *°. 
Vom  Jahr  1773  an  erfolgt  dann  regelmassig  der  Beschluss,  dass 
dieses  Jahr,  citra  consequentiam,  die  sonst  gewöhnliche  Mahlzeit  ein- 
zustellen. Im  Jahre  1775  war  angeführt  worden,  dass  der  aus  dem 
ganz  und  gar  ausgehauenen  Gehölze,  in  dem  man  vergeblich  Bäume 
suche,  entspringende  Nutzen  so  gering  sei,  dass  er  zu  dem  in  dieser 
Markzehrung  erforderlichen  Aufwand  in  gar  keine  Vergleichung  ge- 
setzt werden  könne.  Es  wurde  aber  das  Gesuch  diesmal  abgeschla- 
gen. Auf  der  über  und  über  mit  Tinte  beschmutzen  Eiugabe  findet 


Es  erben  sich  Gesetz'  und  Rechte 

Wie  eise  ew'tre  Krankheit  fort; 

Sie  schleppen  von  Geschlecht  sieh  zum  Geschlechts, 

Uud  rücken  sacht  von  Ort  so  Ort. 

Vernunft  wird  Unsinn,  Wohlthat  Plage.  — 


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-   4*  - 

weh  aufgeschrieben:  dass  löbl.  Land-A.  Deputirten,  Tit  H.  Schöffen 
Stalburg  jun.  „diese  pieco  in  dieser  traurigen  Gestalt  ad  Archivnra 
geliefert4.  Das  macht  wenigstens  seinem  Herzen  Ehrel  Auf  S.  875 
und  534  findet  sich  noch  eine  Notiz:  Wenn  die  Deputirten  dem 
Märkergeding  beigewohnt,  war  es  üblich  geworden  in  der  retour  bei 
dem  Märkermeister  in  Bonames  zu  Mittag  zu  speisen,  die  Zehrungs- 
kosten  wurden  von  den  Markdorfschaften  getragen;  sie  betrugen 
anfangs  6  fl.',  dann  Uber  fl.  20,  endlich  waren  „die  sogenannte  Marker- 
gedings-zehrungakosten"  dergestalt  in  die  Höhe  gestiegen,  dass  die 
Frankfurter  Ortschaften  dafür,  Uber  fl.  100  zu  zahlen  hatten.  Sie  be- 
trugen im  Jahre  1730  fl.  $7.  80;  1750  fl.  113;  1769  fl.  152; 
1771  fl.  182.  .  . 

Vergebens  wurde  verflucht  «olche  und  ähnliche  Misabräuche  ab- 
zuschaffen oder  zu  mildern,  die  Mahlzeiten  sollten  bei  einem  ordent- 
lichen Gastwirthe  gehalten,  keine  Fremde  nach  Gunst  zugezogen 
werden;  man  erwog  wie  fler  Holzverbrauch  zu  verringern,  wie  die 
Markgelder  unter  sicheren  Verschluss  zu  legen,  von  Ursel  weg,  an- 
derswo in  Sicherheit  zu  bringen.  Alles  Vertrauen  war  geschwunden, 
ein  ganzer  Fascikel  (Mglb.  E.  29.  Vn.)  befasst  sich  mit  den  Rech- 
nungs  -  und  Gegenrech  nungs  -  Irrungen  eines  Märkermeisters ;  die 
Schultheissen  erklärten  vor  dem  Landamte  dass  die  Waldtiige  nicht 
eingehalten;  wie  die  mehrsten  Obermärker  manchen  Waldtag  2  bis 
3  mal  in  den  Wald  führen,  das  beste  und  schönste  Holz  niederhieben, 
wie  die  grossen  Herrnhöfe  und  die  reichen  Märker  Eichen-  und 
Buchbäume  holten,  die  Armen  aber,  die  Einläuftigen  so  kein  Ge- 
schirr hätten,  verkürzet  seien;  die  Waldforster  wurden  mit  grossen 
Geschenken  bestochen.  (Mglb.  E.  29.  VI.  S.  60.)  Conferenzen  wurden 
veranstaltet  und  man  Hess  Hanauisch erseits  die  Diäten  dazu  mittelst 
Anlegung  eines  Arrestes  auf  die  Waldrügen  bei  dem  Markschultheis- 
sen  bezahlen;  FrankfurterBcits  fand  man,  die  Billigkeit  erfordere  dass 
die  beiden  hiesigen  Herrn  Deputati  ebenfalls  exemplo  der  andern, 
jedoch  beide  nur  für  einen,  die  Diäten  gemessen.  Es  wurden  fl.  78 
dafür  berechnet  Die  Bügen  sollten  eingetrieben,  einstweilen  auf  dem 
Landamte  hinterlegt  werden.  Hierüber  neue  Verhandlungen  und 
weitere  Diäten. 

Was  der  Auwald  befahl,  verboten  die  Herrschaften;  was  der 

Anwald  und  die  Homburgischen  frevelten,  dem  wollten  nun  die 

Märker  nicht  nachstehen.   Die  Märkermeister  erschienen  nicht  auf 

dem  Märkergeding  am  21.  Gct.  1748  weil  es  ihnen  nicht  notificiret 

worden;  die  Schultheissen  widersetzten  sich  der  Abhaltung  des  Tags. 

Ein  Mark-Convent  wurde  darauf  ohne  Homburg  berufen  um  dem 

29* 


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-  4?2  - 

gemein  Mann  noch  jedem  2  Wagen,  soviel  Märker  als  seien,  ange- 
deihen  zu  lassen ;  und  weilen  sich  die  Homburgischen  herrschaftlichen 
Bedienten  angemasset  120  Klafter  Buchenholz  niederzuhauen,  als 
solle  von  Seiten  der  Hohen  Mark  gleichfalls  einem  jeden  Märker 
ein  Wagen  ausgetheilet  werden.  Gleich  darnach  findet  sich  ein  Er- 
las» des  Landamts  an  die  Frankfurter  Schultheiasen,  bei  demMärker- 
geding  am  22.  Oct.  1748  nicht  zu  erscheinen  „erheblicher  Ursachen 
halber".  Der  fürstliche  Anwalt  seinerseits  erliess  eine  Weisung  an 
die  Mark  schultheiasen  „sich  an  keine  eigenmächtigen  Verordnungen 
derer  Herrn  Markermeister  zu  kehren".  Der  Märkermeister  Mergent- 
heim zu  Vilbel  aber  sandte  ein  Promemoria  umher  „daß  man  den 
anmaßlichen  Neuerungen  ersagtem  Herrn  Obrist  Waldbotten  und 
deren  Anwalt  keine  Folge  leisten",  auf  einseitige  Citation  nicht  er- 
scheinen solle,  wenn  nicht  vorher  von  den  Märkermeistern  nomine 
der  Mark  mit  concertirt  worden.  Auf  einer  anno  1748  gehaltenen 
Markconferenz  der  Hohen  Mark  Mitherrschaften  wurde  dann  noch 
beliebet  und  der  vielen  Diäten  und  Unkosten  halber  vereinbart,  dass 
die  Rügen  nicht  mehr  an  die  Märkermeister,  sondern  an  jeden  Dorf  - 
schultheissen  abgegeben  und  bei  Amt  deponirt  werden  sollten.  So 
wurde  von  allen  Seiten  willkührlich  in  das  alte  Recht  eingegriffen 
aber  stets  ausdrücklich  versichert,  dass  dies  nicht  geschehe  die  alte 
Markverfassung  aufzuheben,  sondern  blosserdiugs  wegen  des  eingeris- 
senen höchst  verderblichen  Haushalts  „als  welcher  nicht  remedirt 
werden  wollen". 

Es  begann  allmählig  eine  verzweifelnde  Stimmung  der  Gemü- 
ther sich  zu  bemächtigen,  jeder  suchte  für  sich  aus  dem  wenigen 
Uebrigen  noch  etwas  zu  retten.  Es  findet  sich  aus  dem  Jahre  1747 
ein  promemoria  über  das  befindliche  Holz  in  der  Hohen  Mark 
Waldungen,  darin  heisst  es  unter  anderem:  der  vordere  Ohrenberg 
so  kahl.  .  .  .  der  kleine  Bettstein  hat  jung  Buchen  Raidel,  .  .  .  der 
Lantzenboden,  der  Eymersberg,  Mallmensteiu  hat  junges  Geheck; 
derHirtzberg  etwelche  Daunen,  der  Bleibeskopf  noch  einige  Eichen- 
stümpf.  Am  besten  wäre  noch  der  Hegwald  auff  der  Strassen  bestellt, 
darinne  befanden  sich  noch  etwelche  alte  Buchenbäume;  wäre  billig 
dass  nicht  auch  das  andere  Holz  noch  von  einem  H.  Waldbott 
für  sich  private  missbraucht  würde.  Auf  dem  Laudenberg,  in  der 
Goldgrub,  am  Sinnesblacken ,  im  alten  Hegwald,  Pferdskopf,  an  den 
Haidengräben  fänden  sich  wol  keine  100  Wagen  dürre  Eichen  stumpf 
übrig.  Es  würde  nützlich  sein  die  doch  von  einem  Waldbotten 
schlecht  gehaltne  Heege  an  der  Strassen  für  die  Märker  aufzuthun. 


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-    453  — 

Die  Selbstverwaltung  der  Markgenossen  hatte  ganz  aufgehört 
Am  31.  Mai  1756  wurde  bei  Rath  beschlossen,  dass  der  Landmann 
jederzeit  das  Märkerding  besuche,  der  Markschultheiss  wegen  der 
Busstäge  berichte.  Ein  ProtocoU  des  Landamts  vvom  4.  Juni  1756 
zeigt  wie  dies  geschah.  Landeshauptmann  Kühn  Hess  Bich  wegen  Ab- 
wesenheit entschuldigen,  Philipp  Greiff  von  Niederursel  zeigt  an, 
dass  der  Schultheiss  Büppel  8anderer  Geschäfte  wegen"  anheute  bei 
Amte  nicht  erscheinen  könne;  die  rückständigen  Rügegelder  beizu- 
treiben sei  derselbe  nicht  im  Stande.  Der  Schultheiss  von  Nieder- 
Erlenbach  schützte  Unpässlichkeit  vor.  Der  Schultheiss  Bilger  von 
Dorckelweil  wollte  nächstens  die  Unterthanen  azu  gelebigen  ihrer 
Schuldigkeit  anweisen",  Gelder  habe  er  nicht  hinter  sich.  Schultheiss 
Hobsmann  von  Bonames  hat  die  Rtigenzettel  bereits  übergeben,  auch 
etliche  fl.  40  in  Händen,  aber  noch  Diäten  an  die  Mark  zu  fordern, 
so  wolle  er  solche  gegen  auszustellende  Quittung  in  Händen 
behalten. 

Wie  die  Märker  den  Haushalt  in  der  Mark  ansahen  und  beur- 
teilten das  ergiebt  sich  am  deutlichsten  aus  den  Untersuchungs- 
acten  gegen  die  Stierstadter  d.  a.  1765.  (Mglb.  E.  29.  VI.  S.  479.) 
Die  Markförster  Lissing  und  Eissel  hatten  sich  mit  dem  Waldschreier 
Einickc  von  Oberstedten  nach  Stierstadt  begeben  um  auszukund- 
schaften wohin  einige  gefrevelte  Eichstämme  gebracht  worden.  Da 
die  drei  Männer  den  Schultheissen  nicht  zu  Hause  antrafen,  wiess 
dessen  Frau  einen  Märker  an,  dieselben  nach  Georg  Sulzbachers 
Hause  zu  führen,  wohin  angeblich  die  Stämme  gebracht  worden. 
Der  Märker  Spiessmann  J.  Aumüller  weigerte  sich  sie  dahin  zu  be- 
gleiten, er  wolle  sich  keine  Feinde  machen.  Auf  der  Strasse  trafen 
sie  eine  grosse  Anzahl  Stierstadter,  welche  auf  sie  eindrangen  und  mit 
Heugabeln,  Schippen  und  Prügel  losschlugen.  Schwer  verletzt,  mit 
gebrochnem  Arm  und  Rippe  gelang  es  ihnen  nach  des  Schultheissen 
Haus  zu  flüchten,  wo  die  Schultheissin  auf  alle  Weise  Misshandlungen 
zu  verhüten  suchte.  Sie  drohte  zuletzt,  man  boDc  Ruhe  halten,  es 
gäbe  Schantzarbeit  Es  gelang  aber  weder  ihr,  noch  zweien  Husaren 
welche  von  Oberursel  desshalb  abgeschickt  worden,  die  Wüthenden 
zu  besänftigen.  Auf  der  Flucht  noch  wurden  die  Förster  bei  den 
Haaren  ergriffen,  zu  Boden  gerissen,  mit  Stössen  und  Tritten  auf's 
gräulichste  zugerichtet.  Die  Husaren  Schlewitz  und  Harff  sagten 
später  aus,  dass  der  eine  Angreifer,  dem  aus  Bosheit  der  Schaum 
am  Munde  gestanden,  als  er  des  Lissing  wieder  ansichtig  worden, 
ihm  mit  der  Faust  in's  Gesicht  geschlagen  und  ausgerufen:  „bist  du 
da,  Spitzbubi"  Es  sei  in  dem  Getümmel  den  Husaren  der  Pelz  vom 


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—    454  — 

Leibe  abgerissen  worden;  gross  und  klein,  Mann  und  Weibeleuth, 
sogar  die  kleinen  Buben  wären  zusammengerottet  und  aufrührerisch 
gewesen;  und  wenn  sie,  die  Husaren,  nicht  gekommen,  wären  die 
Förster  doch  noch  todt  geschmissen  worden. 

Es  wird  dies  alles  hier  raitgetheilt,  nicht  damit  daraus  ersehen 
werde  dass  auch  in  der  Hohen  Mark  zuweilen  Schlägereien  stattge- 
funden, sondern  damit  aus  dem  gewaltsamen,  leidenschaftlichen 
Ausbruche  auf  die  tief  eingewurzelte,  lang  genährte  Erbitterung 
geschlossen  werden  könne. 

Auch  von  dem  Waldschreier  wurde  ausgesagt  dass  er  misshan- 
delt worden,  spottweise  habe  man  ihn  bald  geküsst,  bald  an  der 
Barrick  gezopft.  Er  hat  gleich  anfangs  die  Worte  gehört:  „Was 
sucht  ihr  hier,  ihr  Spitzbuben!1'  Während  des  Tumults  habe  Alles 
geschrieen:  „Schlagt  die  Hunde,  die  Spitzbuben  todt!"  In  desSchult- 
heissen  Haus  hörte  der Waldschreier  gegen  Lissing  ausrufen:  „Siehe 
Spitzbub,  du  Hund,  es  wäre  kein  Wunder  ich  stiesse  dir  das  Messer 
in  Leib  hinein !"  Und  später  als  er  von  den  Bauern  gezwungen  wor- 
den mit  ihnen  Branntwein  zu  trinken,  habe  bald  der  eine,  bald  der 
andere  zu  ihm  gesagt:  „Bist  du  nicht  ein  Spitzbub,  seynd  nicht 
auch  die  Märkermcister  Spitzbuben?  gelt  du  bist  ein  Spitzbub?;t 

Die  Regierungen  dachten  nicht  daran  die  tiefer  liegende  Veran- 
lassung solcher  Scenen  aufzusuchen  und  kräftig  aus  dem  Wege  zu 
räumen,  sie  fanden  „daß  dieses  grobe  Vergehen  nicht  ohngestraft 
bleiben  könne,  wo  nicht  das  ganze  Markwesen  in  größte  Confusion 
gerathen  solle".    Die  Confusion  war  aber  bereits  längst  da. 

In  den  Akten  Mglb.  E.  31  befinden  sich  eine  Anzahl  abschriftlicher 
Urkunden,  darunter  auch  ein  Chur  Mainzer  Regierungsschreiben  d.  d. 
Mainz  10.  Mai  1765,  die  Stierstadter  Gewalttätigkeiten  betreffend.  Das- 
selbe besagt:  Man  habe  aus  den  Untersuchungsprotocollen  ersehen,  wie 
die  eines  nächtlichen  Waldfrevels  wegen  abgeschickten  Förster  und 
Waldschreier  Liesing  und  Kiesel,  von  mehreren  zusammengerotteten 
Purschen  . .  dergestalten  misshandelt  worden,  dass  solche  viele  Kopf- 
wunden und  Armbrüche  erlitten  haben.  „Nachdem  solche  schwere 
Thätlichkeiten  auf  das  schärfste  zu  ahnden  sind,  als  hättet  ihr  die 
beiden  Rädelsführer  Henrich  Glock  und  Johannes  Sulzbach,  nach- 
dem Ihr  diesen  beiden  vorher  in  loco  Stierstadt  eine  ihrer  Leibes 
Constitution  proportionirte  Tracht  Schläge  öffentlich  habet  geben  las- 
sen, zu  Verrichtung  einer  jährlichen  ohnabbittlichen  Schantzenstraf, 
dahingegen  den  Henrich  Schreiber  zur  halbjährigen  Schantzenarbeit, 
und  den  Walther  Sulzbach  auf  vier  Wochen  lang  in  dahiesiges 


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—    4*5  — 

Zuchthaus  an  Eml.  Gewaltebotten  wohlverwarter  einliefern  zu  lassen"  . . 
Es  sei  nöthig  „zu  Aufrechthaltung  dea  gemeinen  Ruhestandes  und 
der  nöthigen  Subordination  deren  Untergebenen  gegen  ihre  Vorge- 
setzte", dass  keiner  der  betheiligten  Pursche  „ohngestraft  davon 
kommen  möge",  .  .  auch  hättet  Ihr  den  Heinrich  Aumüller  „als 
welcher  damals  den  Dorfspieß  getragen  gehabt,  wegen  dessen  dabei 
bezeigter  Widerspenstigkeit  14  Tage  lang,  und  zwar  des  andern 
Tags  bei  Wasser  und  Brod  zu  seiner  künftigen  Warnung  einzu- 
thürnien".  Wegen  der  Privatsatisfaction  sei  noch  Verzeichniss  der 
Cur  und  anderen  Kosten  zu  verfertigen,  auch  die  vulneratos  zu  ver- 
nehmen, wieviel  sie  für  ihre  erlittenen  Schmerzen  zu  fordern  ge- 
dächten, mittlerweile  aber  deren  Thätern  samtliches  Vermögen  in 
Beschlag  zu  nehmen,  .  .  demnächst  aber  das  abzuhaltende  Protocoll 
zur  weiteren  Verfügung  einzuschicken. 

Solche  Scenen  mögen  doch  mitgewirkt  haben,  dass  die  Regie- 
rungen endlich  daran  dachten  eine  Theilung  der  Mark  zu  bewerk- 
stelligen. Der  Frankfurter  Rath  sprach  um  diese  Zeit  die  Befürch- 
tung aus  dass  bei  so  fortgehenden  Verhältnissen  die  Mark  in  wenig 
Jahren  von  Holz  entblösst  und  zu  einer  leeren  Haide  gemacht  sein 
würde.  Von  Seiten  Hanau's  wurde  betont  dass  es  an  guten  alten  und 
neuen  Verordnungen  nicht  fehle,  dass  aber  der  Effect  von  sothanen 
Ordnungen  von  Seiten  Hessen-Homburg  nicht  nur  guten  Theils  behindert 
werde,  sondern  auch  von  daher  selbsten  grosse  Eingriffe  geschehen. 
Conferenzen  wurden  in  Aussicht  gestellt,  von  Frankfurt  und  Hanau 
auch  betrieben,  von  Mainz  aber,  dessen  Dörfer  den  Markwaldungen 
näher  und  günstiger  gelegen,  wenig  unterstützt  „Seit  ich  letzt  die 
Ehre  gehabt*,  schreibt  der  Urseler  Amtmann  Thonet,  „Ew.  Wohl- 
geboren aufzuwarten  bin  von  Mainz  ins  Rhingau  bis  dato  herum- 
spaziert, und  dadurch  außer  Stand  blieben  die  .  .  Antwort  .  .  ver- 
sprochener maßen  einzuschicken;  aus  der  .  .  .  ausgeschriebenen  Con- 
ferenz  dörflte  wolil,  wenigstens  sobald,  nichts  werden,  womit  ver- 
bleibe etc.«  (Mglb.  E.  29.  VI.  70.)  Der  Rath  hatte  schon  im  Jahr 
1747  den  „Deputirten  zur  Conferenz  in  Sachen  die  Hohe  Mark  be- 
treffend, den  Herrn  Schöffen  Joh.  Georg  Schweitzer,  Edlen  Herrn 
von  Widerhold  und  Joh.  Jac.  Lucius,  seinem  Consulentcn  und  Syn- 
dicus,  vollkommne  Macht  und  Gewalt  gegeben,  das  Nöthige  zu  ver- 
handeln. Homburg  zeigte  an,  dass  wegen  Chur  Mainz  ein  Aufschub 
statt  finden  mtisste.  Es  komme  jetzt  vorzüglich  auf  die  Frage  an : 
wie,  wo  und  welchergestalt  künftig  in  der  Mark  zu  beholzigen  wäre, 
ein  Augenschein  sei  zu  veranstalten.  Der  Rath  Hess  die  Markschult- 
heisson  vernehmen,  ob  und  wie  eine  Theilung  der  Mark  zweckmässig 


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> 


—    456  — 

»ei?  Er  hört  nur  wieder  die  alten,  bekannten  Klagen.  Ebe  Thei- 
lung  sei  um  jeden  Preis  wünschenswerth. 

Die  Verhandlungen  Uber  die  Marktheilung  dauern  nun  über  ein 
halbes  Jahrhundert,  sie  füllen  eine  ganze  Reihe  von  dicken  Folian- 
ten; sie  werden  ausschliesslich  zwischen  den  Regierungen  welche  die 
Interessen  ihrer  Dorfschaften  vertreten,  und  den  Beamten  des  ober- 
sten  Waldbotten  geführt;  die  Markgenossenschaft  wurde  nur  zuletzt 
der  Genehmigung  wegen  angegangen81. 

Die  Wahl  der  Beamten,  namentlich  der  Märkermeister  war  ganz  den 
Regierungen  anheimgefallen,  diese  suchten  sich  über  die  Wahlen  bestens 
zu  verständigen,  das  eigne  Interesse  dabei  zu  wahren.  Auf  dem  Märker- 
gedi ng  von  1 759  sollte  die  Wahl  eines  Märkermeisters  an  des  Raths  Thonet 


*•  Weit  kräftiger  als  in  Deutschland  hatte  in  der  Schweiz  der  Sinn  für  das 
Recht  sich  erhalten.  Aeholich  wie  in  der  Hohen  Mark  war  noch  um  die  Mitte 
des  vorigen  Jahrhunderts,  bis  zum  Jahr  1786,  das  ganze  Land  Toggenburg  ein 
ökonomisches  nnd  politisches  Gemeinwesen,  mit  gleichen  Rechten,  Pflichten, 
Nutzungen.  Gewisse  Corporationen  oder  Private  bcsaBseu  wol  privatrechtlich 
erworbene  Kuh-  oder  Atzungarechte,  aber  die  Voralpen ,  unbestossene  Alpen 
wurden  gemeinschaftlich  benutzt.  Auch  die  Holznutznng  war  eine  allgemeine. 
Dies  Nutzungsrecht  fiel  auch  hier  zunächst  den  Anwohnern  zu,  die  Entfernten 
erhielten  nichts  oder  wenig ;  die  Waldungen  wurden  von  den  oberen  Toggen- 
burgern  gelichtet,  der  gemeinschaftliche  Boden  von  diesen  bebaut.  Die  unteren 
Toggenburger  ergriffen  zuerst  die  Gelegenheit  der  neu  zu  errichtenden  Land- 
Strassen,  sie  wollten  Geld  auf  die  gemeinschaftlichen  Voralpen  aufnehmen,  da- 
von Strassen  bauen;  dann  aber  verlangten  sie  Abtheüung,  da  ihr  Recht  an  dem 
Gemeineigenthum  illusorisch  geworden.  Die  oberen  Toggenburger  bestritten 
dass  dies  eine  Rechtsangelegenheit  sei,  es  sei  Landes-  oder  Gemeindsangelegen- 
heit, der  Landrath,  nicht  der  Richter  habe  über  die  Nutzungen  zu  entscheiden. 
Die  unteren,  katholischen  Toggenburger  wandten  sich  aber  „in  dieser  pur  ei- 
vilen  Interessesache"  an  den  Fürst-Abt.  Dieser  suchte,  wie  der  Waldpott  in 
der  Hohen  Mark,  seinen  Eintluss  zur  Geltung  zu  bringen,  erklärte  dass  er  Nie- 
manden, der  Recht  suche,  solches  abschlagen  könne.  Der  Gerichtstag  wurde 
zu  Schwarzenbach  unter  dem  Vorsitze  des  Fürst-Abts  gehalten.  Die  oberen 
Toggenburger  sagen,  es  sei  dies  Gemeindesache,  in  welcher  jeder  einzelne 
Toggenburger  seine  Stimme  abzugeben  habe.  Die  unteren  aber  verlangen 
Entscheid  über  Mein  und  Dein,  es  liege  eine  Civilsache  vor,  welche  den  Land- 
rath nicht  berühre,  ein  Anliegen  des  Interesse  und  Eigenthums;  der  Landes- 
herr habe  Entscheidung  und  Fürsorge  für  die  Untergebenen.  Die  Theilung 
wurde  verfügt,  nnd  zwar  nach  Proportion  der  Mannschaft;  jede  Gemeinde 
erhielt  eignes  Corporationsgut.  —  Vergl.  das  Land  Toggenburg  und  sein 
Landesallroeindcn  Reclamationsprocess.  St.  Gallen  1845.  Zu  bemerken  ist  hier- 
bei dass  in  einzelnen  Districten  des  Toggenburgs  Freizügigkeit  galt.  Die 
Landleute  von  Uster,  Gasser  und  Wallenstedt  konnten  aus  Stadt  in  Land 
ziohen,  und  umgekehrt.  —  Zu  vergl.  noch:  .die  Rechte  der  Gemeinde  Kappel 
auf  die  Allroeinden  Steintbal  und  Brandhols".  St  Gallen  1647. 


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I 


—    457  — 

Stelle  vorgenommen  werden.  Homburg  ist  dafür,  es  möge  variirt, 
nicht  immer  aus  denselben  Orten  die  Märkermeister  genommen  wer- 
den. Die  freie  Wahl  dürfe  nicht  beeinträchtigt  werden,  wurde  ent- 
gegnet, und  wieder  von  Oberursel  der  Stadtschreiber  Messer  ge- 
wählt Zu  den  Wahlen  von  1762  finden  sich  empfehlende  Schreiben 
der  Regierungen,  Frankfurt  stimmt  für  Phil.  Carl  Bauer  von  Eysen- 
eck  zu  Bonames;  Waltbott  Bassenheim  empfielt  seinen  Rentrneister 
Bauer;  Hanau  verwendet  sich  für  Heegbereuter  Henning  zu  Ober- 
.Eschbach;  Chur  Mainz  für  Joh.  Holzmann  zu  Bonames,  Landhaupt- 
mann Im  Mai  1767  wurde  berichtet,  der  Stadtschultheiss  zu  Ober- 
ursel Vitus  Franz  Bauer  sei  „aus  besonders  bewegenden  Ursachen" 
seiner  Diensten  entlassen  worden.  Chur  Mainz  empfahl  nun  den  der- 
maligen Schultheissen  Montmorenci  als  Markmeister,  weil  „nicht 
schicksam"  dass  erstcrer  als  Markmeister  beibehalten  werde.  Der 
Graf  Waldbott  Bassenheim,  Cammergerichtspräsident,  bringt  wieder 
die  Theilung  der  Mark  in  Anregung,  schlägt  vor  die  Wahlen  aus- 
zusetzen. Die  Wahl  sei  jedesmal  wider  Vermuthen  so  gerathen,  dass 
die  Markbedienten  von  dem  Waldwesen  kerne  Kenntniss  gehabt; 
sie  hätten  den  Meister  gespielt  und  ihren  guten  Vortheil  gewahret 
(Mglb.  E.  29.  VI.  S.  518  ff.)  Derselbe  schreibt  später  noch  aus 
Wetzlar,  21.  März  1775,  beschwert  sich  über  die  Eigennützigkeit 
der  beiden  Märkermeister,  deren  jeder  aHein  für  sich  handle,  die 
grössten  Unordnungen  erlaube,  einer  Gemeinde  die  strafbarsten 
Handlungen  nachsehe,  einer  andern,  wenn  sie  auch  nur  aus  Irrthum 
gefehlet,  unmässige  Kosten  verursache.  Die  Frankfurter  Ortschaften 
klagten  gegen  den  Urseller  Märkermeister  Montmorenci,  andere 
gegen  den  Bonameser  Schultheissen  und  Märkermeister  Holtzmann. 
Auf  dem  Märkergeding  am  7.  Juni  1773  heisst  es:  weilen  annebst 
die  Gemeinde  Heddernheim  auf  den  im  vorjährigen  Protocollbericht 
gemerkten  20jährigen  Rügenruckstand ,  der  an  dieselbe  ergangnen 
Verwahrung  ohngeachtet,  nichts  abgefuhret,  so  wird  dadurch  dem 
Waldschreier  und  Förstern  aufgegeben  sämmtliches  Geschirr  und 
Schiebkarren  welche  von  Heddernheim  in  die  Mark  kommen  werden, 
sofort  nacher  Homburg  einzutreiben,  inmassen  die  Mark  sich  länger 
nicht  herumführen  lassen,  sondern  einen  vor  den  andern  von  den 
Heddernheimern  angreifen  wird.  Es  findet  sich  nichts  darüber  dass 
im  21.  Jahre  des  Rückstandes  die  Drohung  erfüllt  worden. 

Aenderungen  in  der  Seulb.  Erl.  Mark.  —  Es  wird  hier 
einiges  Uber  die  Seulburg,  Erlenbacher  etc.  Mark  nachzutragen  sein, 


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da  auch  dort,  aber  in  ganz  verschiedener  Weise ,  der  Freiheit  der 
Wahlen  um  diese  Zeit  gedacht  wurde. 

Wie  durch  Dornholzhausen  in  der  Hohen  Mark,  so  hatto  durch 
die  Erbauung  von  Friedrichsdorf  in  der  Seulberg,  Erlenbacher  etc. 
Mark  der  Waldpott  —  abgesehen  von  allen  edleren  Beweggründen 
die  ihn  bei  der  Aufnahme  der  FlUchtlingo  möglicherweise  bestimmt  — 
sein  Ansehen  und  seinen  Einfluss  zu  steigern  gesucht  Die  Märker 
hatten  seinem  Beginnen  nur  Klagen  entgegenzusetzen  den  Muth, 
und  kaum  diese.  Die  Härkermeister  und  Schultheissen  schreiben  im 
Jahro  1698  an  den  Rath,  das  neue  Dorf  oberhalb  Seulberg  habe 
sich  also  vermehrt,  dass  de  facto  20  und  mehr  Hausgesessen  sich  allda 
befinden,  wodurch  den  Märkern  grosser  Schaden  zugefüget  werde. 
Dio  neuen  Inwohner  liessen  sich  auf  den  Märkerdingen  ablesen  gleich 
den  rechtbefugten  Märkern,  suchten  sich  in  die  Mark  einzuschleichen. 
Die  Märker  seien  vorgerufen  worden,  gefragt  warum  sie  kein  Bau- 
holz zu  gedachtem  Orte  hätten  verabfolgen  lassen,  hätten  sich  ent- 
schuldigt .,dass  solches  nicht  bei  ihnen,  sondern  bei  ihren  gnädigsten 
und  gnädigen,  auch  grosagünstigen  Herrschaften  stünde"  ;  worauf 
Ihro  hochf.  Durch  1.  zur  Antwort  ertheilt,  dass  vormals  in  eben 
selbigem  Ort,  wo  dies  neu  Dorf  anitzo  auferbaut  sei,  auch  ein  ander 
Dorf  gestanden.  Ihnen,  den  Märkern,  sei  darüber  nichts  wissig, 
hätten  nichts  darüber  erfahren  können;  wäre  immer  noch  die  Frage, 
ob  sie  Mitmärker  gewesen.  Jetzt  seien  die  Inwohner  des  neuen 
Dorfs  zwar  erbietig  die  Bussen  gleich  den  rechtmässigen  Märkern 
zu  thätigen,  aber  sie  strichen  die  Mark  durch  nach  ihrem  Wohl- 
gefallen, rinden  die  Bäume  in  der  Mark  ab,  dass  solche  abgängig 
würden.  Vergeblich  habe  man  gehofft  dass  Friede  werde  und  des 
neuen  Dorfs  Inwohner  in  ihres  Landes  sich  wiederum  begeben,  es 
brächen  dieselben  jetzt  ihre  Hütten  ab,  formale  Häuser  zu  erbauen, 
ja  sogar  Döppen  und  Ziegelöfen  zum  Nachtheil  der  Mark  auf- 
zurichten. 

Auf  die  Beschwerde  -  Schreiben  des  Churmainzer  Oberamtmanns 
Freiherrn  von  Bettendorf  antwortete  der  Landgraf:  an  der  Stelle  von 
Friedrichsdorf  sei  ein  adlicher  Hof 81  und  dabei  das  Dorf  Di  Hingen 
gelegen  gewesen,  welches  vor  diesem  den  von  Brendell  zugehöret, 
von  welchen  es  auf  die  von  Harffen  gekommen.  Von  diesen  habe  es 
der  Landgraf  vor  einigen  Jahren  gekauft,  daselbst  die  refugirten 
Franzosen  aufgenommen.   Er  habe  denselben  auch  den  ihm  eigen- 


m  Wol  die  Schnepfenburg  V 


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—    459  — 


thümlichen  Dannenwald,  an  dessen  Stelle  Willkoromshaueen  gestan- 
den, zugewiesen,  da  dann  die  Franzosen  Wohnungen  gebaut  und 
die  Wüsteneien  wiederum  zu  fruchtbaren  Aeckern  gemacht,  sich 
darauf  der  Markgerechtigkeit  »gleich  ihren  Vorfahren"  bedienet  Die 
neuen  Einwohner  seien  auch  eine  Zeitlang  wohl  gelitten  gewesen, 
ihnen  Holz  verabfolget  worden,  sie  wegen  etwaigen  excessus  ge- 
bührend mit  der  Markstrafe  belegt  worden,  wodurch  sie  dann  „öffent- 
lich für  Mitmarker  erkläret"  und  in  der  „uhralten  Gerechtigkeit 
continuiret*  und  auf'b  neu  wieder  in  possession  gesetzet  worden.  Ein 
Abriss  der  Gegend  mit  Angabe  der  Lage  der  verschiedenen  Ort- 
schaften und  Höfe  war  dem  Schreiben  beigelegt  (Mglb.  E.  30  IV.) 

Graf  Ingelheim  schrieb  darauf  am  19.  Juni  1701  an  den  Rath: 
als  seine  beiden  Gemeinden,  die  Flecken  Holzhausen  und  Ober- 
Erlcnbach  sich  über  die  Homburgischen  Eingriffe  beschwert,  um 
Schutz  angesucht,  habe  er  die  Sach'  an  seines  Lehenherrn  chur- 
furstlicbe  Regierung  zu  Mainz  gelangen  lassen,  von  dort  sei  dem 
Oberamtmann  zu  Königstein  sogleich  befohlen  worden  die  Anmas- 
sungen  sofort  „zu  thätigen*,  dahin  zu  sehen  dass  die  Mark  an  ihren 
Rechten  gelassen  werde.  Er  frage  an  ob  es  nit  rathlich  mit  gesamm- 
ter  Hand  bei  behörigem  Richter  zu  klagen.  Herr  von  Bettendorf 
meinte,  es  seien  schon  viele  Schriften  gewechselt,  niemals  aber  recht 
gründlich  durchgedrungen ,  man  möchte  die  Sach  mit  rechtem  Nach- 
druk  angreifen,  entweder  via  juris  vel  facti  ausmachen,  erwar- 
tet vom  Rath  „derenselben  hochvernünftig  Gedanken  darüber".  In 
der  Folge  betrat  Graf  Ingelheim  seinerseits  den  Rechtsweg.  Es  be- 
traf die  Klage  die  Gerechtigkeit  der  Nachjagd,  Missbrauch  des 
Klägers  Unterthanen  zu  Jagddiensten,Uebertretung  der  Waldordnung, 
Devastirung  des  Waldes,  Bestellung  neuer  Markermeister  und  Forste 
bedienten,  einseitiger  Aufnahme  von  Markgenossen  u.  d.  m.  Das 
Urtheil  des  Reichskammergerichts  vom  16.  November  1713  erkannte 
dass  Beklagter,  Herr  Friedrich  Landgraf  zu  Hessen -Homburg,  modo 
Successoren  und  Erben,  daran  zuviel  und  Unrecht  gethan  und  sich 
dessen  zu  enthalten,  ohnbenommen  dessen  was  ihm  als  Christen 
Waldbotten  und  als  Oberherrn  der  Mark  flecken  Seulberg  und  Köppern 
von  Rechtswegen  zukomme.  Am  14.  Jan.  1715  wird  dem  Herrn 
Landgrafen  zu  Hessen  aufgegeben  nachzuweisen,  dass  er  dem  Urtheil 
gchorBamlich  sei,  dass  er  sich  auch  des  anzüglichen  und  taxirlichen 
Styls  gegen  das  höchste  Gericht  enthalte.  Der  Landgraf  beeilte  sich 
nicht  der  Aufgabe  nachzukommen;  mittlerweile  beauftragte  der 
Freiherr  von  Ingelheim  einen  Notar  dem  Märkerding  am  30.  März 
1715  beizuwohnen.  Dieser  begab  sich  zu  dem  Amtmann  Carl  Lud- 


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wig  Neuhoff  zu  Homburg,  forderte  ihn  auf  zu  dem  morgenden  Mär- 
kergeding  das  alte  Markinstrument  mitzubringen,  es  öffentlich  ver- 
lesen zu  lassen,  auch  im  Uebrigen  alles  nach  dem  ergangnen  Ca- 
meral-Urtheil  zu  halten.  Neuhoff  antwortete:  „Er  wolle  nachsehen 
ob  dieses  Instrument  in  dem  Archiv  zu  finden  und  bei  Händen  wäre, 
er  vor  sich  zwar  hätte  noch  niemahlß  eine»  gesehen",  er  habe  auch 
noch  keine  Instruction  was  morgen  zu  geschehen  habe.  Vor  Hegung 
des  Märkerdings  erinnerte  der  Ingelheimsche  Consulent  und  Abge- 
ordnete dass  die  Friedrichsdörfer  vom  Märkerding  und  Bußsatztage 
auszuschließen,  die  Vor-  und  resp.  Nachjagd  aufzuthun,  die  Wüd- 
bahn  sammt  dem  Forst  zu  hegen  und  schonen,  das  Markinstrument 
zu  extradiren  und  vorzulesen,  ein  ohnpartheiischer  Markschreiber 
anzunehmen,  die  Markmeister  zu  Ablegung  der  Rechnung  und  zu  ge- 
meinschaftlichem Handeln  anzuhalten,  dass  die  eigenmächtig  angelegte 
Mühl  oberhalb  Köppern  abgeschafft,  die  auf  Markboden  angelegten 
Wiesen  zu  allgemeiner  Markgeniesaung  überlassen  würden.  Es  er- 
folgten theils  leere  Versprechungen,  theils  ausweichende  Antworten; 
als  dann  der  Kreis  geschlossen,  wurde  auch  der  Friedrichsdorfer 
Schultheiss  gerufen;  der  Ingelheimische  Notar  trat  vor  und  protestirte. 
—  Im  Januar  1717  wurde  der  Notar  Cretschmar  requirirt  um  das 
Kammergerichtsurtheil  vom  13.  Nov.  1713,  da  der  hohe  Impetrat  auf 
4malige  Citation  nicht  erschienen,  in  den  betreffenden  Dörfern  zu 
publiciren.  Zuerst  wurde  die  Gemeinde  Holzhausen  durch  den 
Glockenschlag  convocirt,  mitgetheilt,  dass  das  alte  Markin- 
strument zu  ediren  und  sämmtlichen  Märkern  zu  communi- 
ciren,  da»B  die  den  Ingelheimischen  Unterthanen  abgepfändeten 
3  Paar  Ochsen  und  Wagen,  oder  deren  Werth,  zu  restituiren, 
Kosten  und  Schaden,  ebenso  die  abgedrungenen  100  Rthlr.  Straf 
mit  Interessen  und  Unkosten  zu  erstatten,  einseitig  abgesetzte 
Markfbrster  wieder  zu  agnosciren,  wegen  des  unzulässiger  Weise 
zu  Erbauung  der  Salz -Soden,  des  Schlosses,  der  Vorstadt 
zu   Homburg,    anderer    FürstL    Privatgebäuden    und   des  Orts 

Friedrichsdorf  genommenen  Bau  „auch  entführten  Brennholzes 

und  der  nicht  competirend,  dennoch  im  Uebermass  gebrauchten 
Mästung,  abzufinden,  ebenso  die  Friedrichsdorfer  für  genossene  Weid, 
Aeckerigs,  Brenn-  und  Bauholzes  Satisfaction  zu  geben,  die  auf 
Markboden  gesetzte  Papiermühl  abzuschaffen,  endlich  Caution  zu 
leisten,  dass  keine  ferneren  Eingriffe  geschehen  in  der  Mark  Eigen- 
thum und  Gerechtigkeiten.  Anderes  noch  war  in  dem  Decret  hervor- 
gehoben, dass  die  Markbediente  ordentlich  zu  wählen,  dass  die  Mark- 
Instrumente,  Protocolle  u.  d.  m.  in  einer  gesammten  Mark-Truhen 


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-  m  - 

zu  verwahren,  dass  keine  Rüge  einseitig  angesetzt,  kein  Märker- 
meister  private  ein-  und  abgesetzt  werde,  das»  der  Flecken  Fried- 
richsdorf abgeschafft  oder  wenigstens  die  Bewohner  sich  der  Mark 
enthalten  und  vor  Ausmärker  passiren  sollen.  Zu  schuldiger  Parition, 
Erfüll-  und  Gelobung  dessen  allen  wurde  eine  Htägige  Frist  prae- 
figirt  mit  militärischer  Ezecution  gedroht  Nachdem  dies  Executions- 
Decret  und  Patent  verlesen  und  am  Rathliause  angeschlagen  war, 
verfugte  man  sich  zu  gleichem  Zwecke  nach  Ober -Erlenbach  und 
den  übrigen  Markflecken.  Der  Solms'sche  Amtskeller  Patrick  von 
Petterweil  war  weggeritten,  der  Hessen-Darmstädtische  und  Solmsi- 
sche Schultheiss,  Melchior,  wollte  die  Gemeinde  ohne  gnädigsten 
herrschaftlichen  Befehl  nicht  convociren:  das  Deeret  wurde  an  das 
Rathhaus  affigirt.  Das  gleiche  geschah  in  Seulberg;  auch  in  Fried- 
richsdorf hatte  der  Schultheiss  Moses  Lapart  sich  entfernt;  in  Köp- 
pern Hess  sich  der  Schultheiss  Rh  ein  eck  als  unpässlich  melden. 
Abends  halb  fünf  Uhr  kehrte  die  Commission  nach  Burgkholzhausen 
daselbst  das  Nachtlager  zu  nehmen,  begab  sich  am  folgenden  Tage 
Sonntag  den  17.  Jan.,  nach  verrichtetem  Gottesdienste  „auf  Franck- 
furth  nacher  Haoü,  worniit  dann  dieser  gantze  Executions  actus  ge- 
schlossen und  völlig  geendigt  worden". 

Welchen  Erfolg  dieser  actus  gehabt  das  ergiebt  sich  aus  dem 
Protocolle  über  den  Märker-Convent  welcher  wenige  Tage  darnach, 
am  27.  Jan.  1717  zu  Seulberg  gehalten  wurde.  Es  heisst  darin: 
Nachdem  der  Obrister  Herr  und  Waldbott  aus  dem  .  .  affigirten 
Subdelegations-Decret  ersehen,  dass  die  mehrsten  Pnncten  nicht  den 
Obristen  Herrn  und  Waldbott  angingen,  sondern  die  Mark,  und 
dieses  derselben  an  ihren  Gerechtsamen  nicht  allein  schädlich  und 
schimpflieb,  sondern  auch,  wenn  sie  ihre  Gerechtsame  nicht  wahr- 
nehmen, gar  darum  kommen  könnten,  d esshalb  sei  ein  Märker-Con- 
vent berufen  worden.  Von  Seulberg  war  zugegen  der  Mfirkerraeister 
und  Schultheiss  Dorsch  sammt  beiden  Burgermeistern;  von  Ober- 
Erlenbach  niemand,  haben  sich  excusirt;  von  Petterweil  der  Schul- 
theiss Schneider,  sampt  den  beiden  Burgermeistern,  ebenso  Schult- 
heiss Rheineck  von  Köppern  mit  den  Burgermeistern,  von  Nieder- 
Erlenbach  Bürgermeister  Lentz  welcher  den  Schultheissen  excusirte, 
von  Holzhausen  Niemand,  Friedrichsdorff  hatte  sich  schriftlich  excu- 
sirt Die  Anwesenden  wunderten  sich,  dass  sie  von  keiner  Klage 
wüssten,  keine  Vollmacht  zur  Klage  gegeben,  protestirten  einstimmig 
und  einhellig  dagegen  und  behielten  sich  Gerechtsame  bevor;  wollten 
auch  den  Obristen  Herrn  und  Waldbotten  unterthänigst  gebeten  ha- 
ben zu  inquiriien,  welcher  so  unnöthigen  Process  suche;  sie  dankten 


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unterthänigst  dasa  derselbe  sie  in  ihrer  Gerechtsame  zu  schützen 
suche,  sie  die  Anwesenden  wüssten  im  Geringsten  von  keiner  Klage 
oder  Beschwerde.  Die  einzelnen  Puncto  wurden  vorgenommen:  Je- 
des Ort,  so  wurde  bemerkt,  habe  allerdings  Abschrift  des  Instru- 
ments, das  Original  aber  wisse  Niemand.  Wer  nicht  zahle,  müsse 
eingetrieben  werden,  dieses  sei  der  Zwang  von  welchem  sie  als  Her- 
kommens nicht  abgingen;  worbei  sämmtüche  anwesende  Burger- 
meistere  auftretten,  die  Anzeige  gethan,  dasa  sie  bei  dem  Herkommen 
roaiuteiiirt  werden  möchten.  Die  Holzhäuser  seien  die  gross ten  Wald- 
frevler, sie  und  die  Ober-Erlenbacher  seien  abgegangen,  aber  sei 
doch  das  Märkergeding  vor  wie  nach  gültig,  die  Abgetretenen  hätten 
ihre  vota  verloren.  Einzig  und  allein  derObrist  Herr  undWaldbott 
»ei  befugt  in  dieser  Mark  zu  jagen,  in  dem  Annehmen  und  Abschaf- 
fen der  Förster  wolle  sich  die  Marek  nichts  vorschreiben  lassen ; 
die  Saline  sei  von  purem  Dannenholz  gebaut,  und  es  sei  so  wenig 
iu  Holz-  als  in  Mast-sachen  sich  Ziel  und  Maas  vorzuschreiben.  Die 
Papiermuhle  sei  noch  nicht  erbauet,  erst  in  Fundament  geleget,  der 
Papiermache r  erbötig  zu  weichen.  Die  Märkermeister  und  Förster 
seien  stets  durch  die  mehrsten  Stimmen  erwählet,  wer  abtrete  und 
das  Markergeding  abandonnire,  verliere  seine  Stimme.  Bei  dem  Punct 
wegen  Friedrichsdorf  trat  der  Nieder-Erlenbächer  Burgermeister  auf : 
es  sei  ihm  bekannt,  dass  wegen  dieses  Dorfs  von  ihrem  Schulzen 
proteatirt  worden;  was  aber  die  prätendirte  Satisfaction  oder  Strafe 
angehe,  so  sei  desshalb  keine  Vollmacht  ertheilt  worden,  die  Frie 
drichsdörfer  seien  als  Märker  gerüget  und  bestrafet  worden  „per 
consequenz  als  Märker  wir  sie  alle  zu  erkennen* ;  wäre  unbillig  sie 
nochmalen  zu  bestrafen.  Schliesslich  finden  sich  sämmtüche  an- 
wesende Märker  gemüßigt  aufs  feierlichste  zu  protestiren,  ihre  von 
undenklichen  Zeiten  wohlhergebrachten  Rechte  und  Gerechtigkeiten 
zu  wahren;  sie  widerrufen  alles  was  der  Herr  von  Ingelheim  hierin 
gethan,  erkennen  ihn  als  einen  Ausmärker,  welcher  mehr  seinen 
Privatnutzen  als  der  Mark  Beates  und  Vortheil  suchte.  (Mglb.  £.  30.  IV.) 

Am  27.  März  1728  machte  die  FttrstL  Hessische  Canzlei  zu 
Homburg  die  Anzeige,  dasB  die  Differenzen  mit  dem  Freiherrn  von 
Ingelheim  vollkommen  gehoben,  wobei  denn  die  Friedrichsdörfer  als 
Mitmärker  in  bemelter  Mark  aufgenommen,  und  ihre  Stimme  gleich 
andern  haben  sollten.  Sie  ersucht  den  Rath  dem  Schnltheissen  zu 
Nieder-Erlenbacu  die  nöthige  Notiz  zuzustellen.  Ein  Beschluss  findet 
sich  nicht  aufgeschrieben.  Frankfurt  suchte  nun  an  der  Wahl  der 
Märkermeister  in  der  Weise  Antheil  sich  zu  erhalten,  daas  die  Ort- 
aehaften  Holtzhausen,  Petterweil,  Ober-  und  Nieder-Erlenbach  ge- 


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meinachaftlich  gegen  die  drei  homburgischen  Ortschaften  Seulberg, 
Köppern  und  Friedrichsdorf  majora  machen  sollten.  Wie  dies  er- 
reicht worden  geht  aus  späteren  Akten  hervor. 

In  dem  dickeren  Aktenpack  £.  30  findet  sich  d.  d.  Hanau 
28.  Dec.  1767  ein  Schreiben  des  filrstL  Hees.-Hanauischen  zur  Re- 
gierung  verordneten  Präsidenten  etc.  Man  erinnert  Äaran  wie  in 
dem  Anfang  dieses  Jahrhunderts  das  fllrstl.  Haus  Hessen-Homburg 
in  der  Seulberger-Erlenbacher  Mark  verschiedne  Vorzüglichkeiten 
sich  angemasset,  die  Sache  aber  von  dem  Herrn  Baron,  nachherigen 
Grafen  von  Ingelheim  vor  kaiserl.  Reichskammergericht  anhängig 
gemacht,  auch  verschiedene  günstige  Urtheile  ausgewllrket  worden, 
wie  Ludolph  in  Consultat.  II.  p.  406  berichte.  Der  Herr  Graf  habe 
aber  sich  bewegen  lassen ,  wie  vor  einiger  Zeit  in  Erfahrung 
gebracht,  nach  der  Hand  mit  Hessen  -  Homburg  in  gütliche 
Tractaten  sich  einzulassen,  und  zum  grössten  Nachtheil  der 
ganzen  Märkerscbaft,  gegen  einige  Ihme  vor  sich,  seine  Beamten 
und  Unterthanen  nachgelassne  Privatvortheile,  sich  zu  vergleichen. 
Man  empfielt  eine  Protestation.  Das  hierauf  erstattete  Syndicatsgut- 
achten  pflichtet  dem  bei  mit  der  Bemerkung  dass  in  den  Akten  keine 
Spur  zu  finden  sei  was,  oder  ob  etwas  auf  die  Vergleichs-Anzeige 
d.  27.  März  1728  geantwortet  worden.  In  Abschrift  liegt  dem  Hes- 
sen-Hanauischen Schreiben  der  Vergleich  zwischen  Hessen-Darm- 
stadt,  Hessen-Homburg  und  Ingelheim  bei,  aber  ohne  datum.  Vor 
allem  wird  darin  der  Landgraf  als  Obrist  Herr  und  Waldbott,  auch 
als  Territorial  Herr  der  Seulberger  und  Erlenbacher  Mark  aner- 
kannt mit  Vorbehalt  der  den  Märkern  zukommenden  utilitates; 
2)  werden  die  Friedrichsdorfer  als  Mitmärker  anerkannt;  3)  ver- 
zichtet Ingelheim  auf  die  Jagd  in  der  Mark  erhält  dagegen  die 
Jagdbefugniss  in  der  Seulberger  Gemarkung;  4)  erhält  die  Gemeinde 
Ober-Erlenbach  den  Viehtrieb  durch  den  Flecken  Seulberg  gegen 
eine  bestimmte  Entschädigung;  5)  Boll  dem  Ingelheim'schen  Beamten 
freistehen  dem  Bussensatz  und  Abhor  der  Rechnungen  beizuwohnen. 
Ein  etwaiger  Ueberschuss  aus  den  Rechnungen  solle  6)  sogleich  für 
jeden  Marktflecken  pro  quota  ausgetheilet,  der  Friedrichsdorfer  An- 
theil  aher  wieder  unter  die  Homburgischen  und  Ingelheimischen 
Markflecken  repartirt  werden;  7)  obligiren  sich  Hessen-Darmstadt 
und  Homburg  bei  der  Wahl  eines  Märkermeisters  allezeit  die  Stim- 
men ihrer  Markflecken  einem  Ingelheimischen  Beamten  oder  Schult- 
heissen  zu  geben,  hingegen  sollen  die  „Ingelheimische  zu  wählende 
Burgermeistere  Ihre  Stimme  vice  versa"  allezeit  einem  hessischen 
Markschultheissen  geben,   der  Ingelheimische  Märkermeister  einen 


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Waldförster  zu  ernennen,  auch  den  Sitz  nach  dem  hochftbrstl.  Anwalt 
haben;  8)  wird  der  Eintrieb  der  Märker  „worin  der  Mark  herge- 
brachter Zwang  und  Execution  bestehet"  gestattet;  9)  wegen  Mahl- 
zeiten und  Diäten  werden  hohe  Ansätze  ausgeworfen.  Es  soll  er- 
halten den  ersten  Tag  ftlr  Mund,  Pferd  und  Knecht  der  Anwalt  8  fl., 
der  M&rkermeister  5  fl.,  der  Markschreiber  5  fl.,  ein  Markschultheiss 
1  Rthlr.,  ein  Burgermeister  15  alb.,  ein  Förster  1  fl.,  die  folgenden 
Tage,  sowie  bei  Mark-Umzugen  weniger8*.  10)  Wenn  ein  Ingel- 
heimischer Unterthan  in  der  Mark  Todtes  verfahren,  solle  nach  Be- 
sichtigung den  Angehörigen  des  Verblichenen  abgefolgt  wer- 
den, friminalia  aber  vorbehalten  bleiben.  Es  sollen  11)  die  ge- 
meinschaftlichen Mark-Documente  von  den  beiden  Märkermeistern 
verwahrt  werden;  12)  solle  eine  scharfe  Waldordnung  gemacht 
werden;  endlich  solle  13)  der  Process  beim  Cammergericht  abge» 
ruien  werden. 

Daas  dieser  Vergleich  zur  Geltung  gebracht  wurde  das  ist  unter 
anderem  aus  dem  Schreiben  des  Raths  d.  d.  2a  Mai  1778  ersichtlich, 
in  welchem  derselbe  den  Landgrafen  darum  angehet,  es  möge  ein- 
mal wieder  aus  Nieder-Erlenbach  ein  Märker-Meister  gewähkt  wer- 
den. Nach  dem  Berichte  des  Laodamts  war  dies  seit  61  Jahren 
nicht  mehr  der  Fall  gewesen  In  der  Antwort  des  Landgrafen 
Friedrich  d.  d.  13.  Juni  1778  ist  versichert,  wie  es  ein  wahres  Ver- 
gnügen gewesen,  auch  bei  dieser  Gelegenheit,  so  wie  bei  einer  jeden 
andern,  dem  Rath  Dienstgefalligkeiten  zu  leisten,  es  stehe  aber  die 
Verfassung  der  Mark  und  die  denen  Burgermeistern  eines  jeden 
Markortes  zustehende  freie  Wahl  im  Wege  „zu  deren  Beschränkung 
wir  uns  nicht  entschließen  können".  — 

Am  6.  Juni  1781  zeigt  der  Schultheiss  von  Nieder-Erlenbach  an, 
es  sei  durch  die  Stimmen  der  3  Homburger  Ortschaften  und  des 
Markorts  Ober-Erlenbach  ein  Seulberger  Gerichtsmann,  Safan,  zum 
Märkermeister  ge wählet  worden.  Die  übrigen  hätten  gegen  diese 
Wahl  protestirt,  weil  im  Jahre  1747  der  jetzige  Schultheiss  von  Holz - 


m  Nach  einem  Landamts-Protocoll  vom  12.  Jan.  1782.  (Mglb.  E.  SO.  dicker 
Quartpack  [39]  bemerkt  Schaltbeiss  Lamper t,  eiu  Märkormeister  geniesse,  wo 
er  nicht  irre  9  fl.,  bei  Mark-Conventen  hätten  sie  nebst  dem  Tisch  1 R.  Diäten, 
bei  sonstigen  Verrichtungen  1  R.  ohne  Kost;  die Marksohultheissen  aber  hätten 
bei  Märkergedingen  1  R.  Diäten  ohne  Kost,  bei  dem  Baßsatz  1  R.  und  die 
Kost;  die  folgenden  Tage  and  bei  sonstigen  Verrichtungen  1  fl.  and  die  Kost. 
An  Holz  erhielten  die  Märkermeister  soviel  sie  nOtbig  hätten ,  der  Markschul- 
theiss geuiess  4  Wagen,  Bürgermeister  und  Pfarrer  2  Wagen,  jeder  Baner  1 
Wagen;  soviel  er  wisse  gründe  sich  dies  auf  Observanz. 


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—    465  - 

baußen,  Fritz,  ebenfalls  als  Gerichtsmann  gewählet,  die  Wahl  vor 
ungültig  angesehen  worden,  und  weil  die  Wahl  auf  höheren  Befehl 
geschehen  sei.  Er  bittet  bei  dem  Bußsatztage  dem  herrschsüchtigen 
Verfahren  abseiten  Homburgs  Einhalt  zu  thun.  Ein  Schöffenbe- 
schluss  verfugte  darauf,  dass  die  Nieder-Erlenbacher  bei  dem  Buß- 
satztage sich  nicht  einfinden  sollen.  (1)  Die  Nieder-Erlenbacher  Bür- 
germeister Hahn  und  H.  Müller  gingen  aber  doch  hin,  entschuldigten 
sich,  dass  die  Gemeinde  es  so  verlangt  habe.  Der  Schultheis  be- 
richtet, dass  er  ihnen  „die  alleinige  Befolgung  des  herrschaftlichen 
und  nicht  der  Gemeinde  befehl"  anbefohlen,  dass  eine  solche  Auffüh- 
rung „mit  dem  Namen:  Unterthan  gar  nicht  reime*;  aus  solchem 
Ungehorsam  für  den  Rath  und  für  ihn  selbst,  den  „die  befehl  be- 
kannt machenden  Schultheisaen",  die  allcrschlimmsten  Folgen  ent- 
stehen könnten;  hofft  dass  Bestrafung  erfolge.  Solchem  Bath  wurde 
gerne  entsprochen,  es  wurden  die  Bürgermeister  bis  auf  weitere  Ver- 
fügung in  Arrest  gebracht,  später  noch  um  3  Rthlr.  gebüsst,  weitere 
Untersuchung  der  Anstifter  angeordnet! 

Schultheiss  Lantpert  berichtet  am  25.  Mai  1782  an  das  Land- 
amt, dass  die  Märkermeister  Safan  und  Rupp  wieder  gewählt  worden. 
Es  sei  aber  bei  dieser  Wahl  bei  der  er  sich  doch  wegen  der  zu 
Seulberg  gehaltnen  Conferenz  mehrere  Unparteilichkeit  absehen 
Homburg  vorgestellet  hätte,  abermahl  ordnungswidrig  verfahren,  die 
Bürgermeister  der  Ortschaften  Seulberg,  Friedrichsdorf  und  Köppern 
den  Samstag  vor  Pfingsten  nach  Homburg  citiret  und  ihnen  zum 
votiren  der  Befehl  gegeben  worden.  Auf  die  Frage  des  Waldschreiers 
Mack:  wie  es  gehalten  werden  solle?  habe  der  Seulberger  Burger- 
meister die  Antwort  gegeben:  Es  werde  wohl  beim  Alten  bleiben; 
welchem  die  Burgermeister  von  Friedrichsdorf,  Köppern  und  Ober 
Erlenbach  beigestimmt,  dass  also  auch  diesmal  wieder  wie  seit  10 
und  mehr  Jahren  die  Märkermeister  durch  die  Stimmen  der  ver- 
bundenen Markortschaften  erwählet  worden,  die  andern  nicht  zum 
votiren  gekommen.  9Die  Wahl  selbsten  wird  vor  das  künftige,  wie 
bishero,  eine  blosse  Ceremonie  sein,  die  beiden  Männer  im  Dienst 
erhalten  werden,  weilen  Homburg  durch  ihre  Eydbrüchige  Conni- 
ventz  im  Mark- Wald  thun  kann,  was  es  nur  will". 

Hierauf  wurde  in  Senatu  Scab.  am  1.  Juni  1782  beschlossen : 
beruht  auf  sich,  es  wird  aber  löblichem  Land-Amt  committirt  dem 
Schultheissen  zu  Nieder-Erlenbach  seine  gebrauchte  unanständige 
Schreibart  wegen  Hessen-Homburg  zu  erweisen  (verweisen),  und  ihm 
künftighin  ein  glimpfliches  Betragen  einzuschärfen. 


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—    466  — 


Einrodungen. —  Es  könnte,  hier,  insofern  das  Recht  der  Hohen 
Mark  darzulegen  unternommen  wurde,  vielleicht  nicht  unzweckmässig 
ein  Abschluss  stattfinden;  denn  es  bleibt  fraglich  ob  das,  was  noch 
folgt,  mit  dem  Rechte  zusammenzustellen  sei.  Es  werden  die  Rechts- 
verhältnisse wie  sie  zuletzt  sich  gestaltet,  nur  vorgelegt,  weil  Be- 
richte und  Thatsachen  jener  traurigen  Zeit  entnommen,  dazu  gedient 
haben  in  der  Lehre  Uber  die  Markverfassungen  eine  nicht  unwichtige 
Rolle  zu  spielen.  Darum  sei  es  vergönnt  noch  Einiges  Uber  diese 
Zeit  und  die  in  derselben  handelnden  Personen  anzuführen. 

Als  im  Jahre  1773  die  Theilung  der  Hohen  Mark  wieder  ange- 
regt wnrde  hoffte  man  auf  guten  Erfolg,  weil  die  churmainzische 
Regierung  durch  den  Grafen  von  Bassenheim  für  dieselbe  günstig 
gestimmt  sei.  Tüchtige  Regierungsbeamten  nahmen  sich  der  Sache 
jetzt  und  in  der  nächstfolgenden  Zeit  mit  grossem  Eifer  an,  der 
hanauische  Amtmann  Usener  zu  Bergen,  Landamtmann  Luther  von 
Frankfurt,  Justizrath  Hoffinann  von  Rödelheim  u.  a.  m. ;  man  unter- 
suchte die  Fragen,  wie  zu  th eilen,  und  was  zuvor  zu  ordnen  sein 
möchte.  Die  Frankfurter  Schultheissen  hielten  für  ihre  Ortschaften 
ebenso  vortheilhaft  eine  Theilung  nach  Köpfen,  als  nach  Ortschaften; 
ohne  die  Theilung  sei  keine  Hoffnung  je  wieder  Holz  aus  der  Mark 
zu  erhalten.  Wie  zu  theilen,  überlassen  sie  der  „erleuchteten  Ueber- 
legung  einer  hohen  Ohrigkeit*.  Es  folgen  genaue  Aufstellungen  der 
Einwohner  und  der  Gebäulichkciten;  die  obschwebenden  Streitig- 
keiten zu  erledigen  wurde  versucht.  Vor  allem  kam  wieder  die  ge- 
bückte Heege  zur  Sprache,  über  welche  im  Jahre  1780  Hessen- 
Homburg  erklärte,  dass  auf  der  angeblich  strittigen  Fahrbor- 
ner  Strasse  die  privative  Beholzigungsgerechtigkeit  dem  Obristen 
Herrn  und  Waldpotten  zustehe ;  die  Strasse  sei  uie  strittig  gewesen. 
Er  berief  sich  auf  ein  abschriftlich  beigegebenes  Hohc-Mark-Protocoll 
vom  2.  Juni  1597  in  welchem  die  Grenzen  abgesondert  worden 
seien84;  sodann  Abschrift  eines  Märkerdings-Protecolls  vom  30.  Mai 
1590  inhalts  dessen  die  Märkerschaft  bekenne  dass  diese  Strasse  dem 
Herrn  Waldbott  allein  zustehe;  endlich  andere  Mark  Protokolle  nach 
Ausweis  deren  die  Grenzen  zwischen  der  Strassen  jenseits  Kirdorf 
und  gemeinen  Mark  verglichen  worden.  Am  4.  Juni  1014  sei  man 
zu  Oberursel  desshalb  zusammengekommen,  aus  jedem  Flecken  sei 
eine  Person  mit  genügsamer  Vollmacht  erschienen.    Am  5/26.  Sept. 


**  In  diesem  Protocoli  ist  ein  Umzug  mitgetheüt,  welcher  angeblich  statt» 
gefanden. 


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I 


—    467  — 

sei  getheilt  worden,  indem  Feldgeschworene  und  Landtseheider  eines- 
theils  vom  Kesslergrund,  andererseits  vom  Pfad  gegen  Kirdorf?  aus 
die  Ruthen  gegen  einander  geschlagen,  die  Breite  gemittelt  und  einen 
aufgeworfenen  Haufen  jedesmal  in  die  Mitte  gemacht 

Der  Rath  Hess  bei  der  hessischen  und  bei  der  churfü retlichen 
Regierung  anfragen  ob  in  dortigen  Archiven  von  den  angeführten 
alten  Höh en-Mark  Protokollen  etwas  vorfindig  sei.  Es  wurde  aber 
nichts  darüber  aufgefunden.  Die  Streitigkeiten  blieben  unerledigt, 
neue  kamen  stets  dazu,  indem  nun  die  meisten  der  Hohen-Mark- 
Waldung  anliegenden  Ortschaften  Ländereien  für  sich  einzuroden 
anfingen.  Beim  Umgang  von  1768  hatte  besonders  Stierstadt  ge- 
zeigt, wie  das  ungestraft  geschehen  könne.  Vor  Beginn  dieser 
Grenzbesichtigung  hatte  der  Anwalt  die  Märker  bedeutet,  dags  wenn 
einer  oder  der  andere  gesonnen  sei  zu  protestiren  ein  jeder  solches 
mit  Bescheidenheit  thun  möge.  Man  war  darauf  rechter  Hand  über 
die  Aue  nach  der  Triesch  an  der  Looshecke  geritten,  dort  hatte 
man,  an  der  Kasbach,  die  Stierstadter  bei  einem  Wackenstein,  welchen 
sie  als  Grenzstein  bezeichneten,  angetroffen,  mit  allerhand  tödtlichem 
Gewehr,  als  nemlich  Rohrhacken,  Mistgabeln,  Sensen,  Krappen  und 
dergL  bewaffnet;  sie  weigerten  sich  die  Märker  durchzulassen,  ja 
sie  schlugen  ohne  alle  Veranlassung  einen  Homburger  Unterthanen 
mit  einer  Rohrhacke  nieder,  und  „wofern  der  Schultheiss  von  Stier- 
stadt, wenigstens  pro  forma  den  andern  Schlag  nicht  aufgehalten 
hätte",  so  wäre  dieser  vielleicht  noch  weit  gefahrlicher  geworden. 
Der  fürstliche  Herr  Anwalt  protestirte  namens  des  höchsten  Wald- 
botens und  der  sämmtlichen  Hohen  Mark,  behielt  sich  alle  Rechte 
vor,  und  die  Märker  „Hessen  also  den  ganzen  District  von  der  Kecs- 
bach  bis  an  das  Solms'sche  Wäldchen  liegen".  Am  Cronenberger 
Weg  waren  einige  Kastanienbäume  in  die  Hohe  Mark  gesezet,  wo- 
gegen der  Auwald  sowohl  als  die  Märkermeister  protestiret,  und  re- 
solviret  worden  das»  sie  nächstens  sollten  ausgerodet  werden.  Weiter- 
hin hatten  die  Stierstadter  wieder  einen  Stein  besezt  „weilen  aber 
.  .  .  keine  Gewalttätigkeiten  sollten  verübet  werden,  so  Hessen 
wir",  heisst  es  „auch  diesen  Stein  liegen  cum  reservatione  omnium 
jurium".  Als  später  der  Schultheiss  von  Stierstadt  dem  Zuge  sich 
anschliessen  wollte,  wurde  er  bedeutet,  dass  man  wegen  den  Kx« 
cessen  seiner  Leute  seiner  Person  nicht  nöthig  habe.  Der  Schultheiss 
entschuldigte  „die.  Ungezogenheit  seiner  Leute  und  ging  nach 
Hausea.  Die  Märker  zogen  weiter,  nahmen  auf  dem  Feldberg  ein 
kleines  Mittagessen  ein,  das  auf  sie  wartete,  und  ritten  nach  Reiffen- 

berg,  allda  sich  einzuquartiren  „weilen  die  Sonne  sie  verlassen  und 

30* 


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-    468  - 

hinter  die  Gebürge  sich  verstecken  wollte*.  Nachdem  sie  ihre 
K  raffte,  berichtet  weiter  das  Notariatsprotocoll,  wieder  ein  wenig 
zusammen  gesamlet  und  ein  kleines  Frühstück  eingenommen  ver- 
folgten sie  weiter  den  Umgang,  nahmen  am  Rebhüngensberg  „die 
Wüsche  ab",  welche  die  Anspacher  zu  weit  ausgehänget,  zogen  nach 
der  Saalburg,  den  Fahrborn  hinunter  bis  an  die  Strasse.  Nachdem 
aber  das  Regenwetter  so  stark  gewesen  ,;(lass  es  kein  Mensch  länger 
aushalten  konnte8,  ritten  sie  nach  Homburg  und  aasen.  Den  dritten 
Tag  weiter  nach  dem  Wolfsgarten,  wo  sie  die  Kirdorffer  Gemeinde 
trafen,  und  protestirten,  „dass  sie  nicht  sollten  den  Ober-Eschbacher 
Weg  passiren*.  Der  Anwalt  schlug  vor  alles  unentschieden  zu 
lassen,  die  Kirdorffer  aber  Hessen  demohngeachtet  die  Märker  „nicht 
passiren".  Der  Waldschreier  zeigte  den  Märkern  die  Grenze  gerad 
über  das  Feld  hinaus,  wie  es  1609  beschrieben.  Der  Schultheiss  von 
Dornbolzhausen  protestirte  darauf,  die  Herrn  Märkermeister  repro- 
testirten,  wollten  der  Mark,  weil  sie  nicht  in  der  Grenze  gingen, 
„nichts  vergeben  haben*.  Den  Raisberg  hinauf  protestirte  Hom- 
burg; gleicherweise  als  die  Märker  links  die  Heck  hinauf  nach  dem 
Brendelsbusch  zu  gehen  prätendirten,  da  doch  der  Tannenwald  dem 
durchlauchtigsten  Fürsten  von  Homburg  prätendirtermassen  gehörig 
sein  solle.  So  ging  es  um  den  lauen  Wald;  im  Haynmüller  pro- 
testirte Stetten,  die  Herrn  Märkermeister  reprotestirende  mit  dem 
Bedeuten  dass  dieser  Mark-Umzug  keinem  Theil  präjudicirlich  sei; 
an  der  Hege  bei  Oberursel  protestirte  Oberursel.  „Wir  Hessen  also 
alles  Hegen"  schreibt  der  Notar  Johannes  Laurentius  Stellwag,  „ritten 
nach  Oberursel  bei  Herrn  Märkermeister  Montmorency  und  aasen 
zu  Mittag.  Hiermit  endigte  dieser  actus.*  —  (Mglb.  E.  29.  Umgang 
v.  1768.) 

Es  ist  nicht  wol  nachzuweisen  ob  eine  solche  Auflösung  der 
Ordnung  vom  Waldpotten  überall  begünstigt  wurde,  in  einigen  Fällen, 
nämlich  so  weit  es  die  Homburger  Unterthanen  betraf,  scheint  es 
der  Fall  gewesen  zu  sein.  (Es  finden  sich  die  Aktenstücke  über  die 
Einrodungen  der  Oberstedter  und  Kirdorfer  Mglb.  E.  31.  VL)  Die 
Gemeinde  Stedten  gab  im  Jahre  1781  vor,  sie  habe  einige  alte  Grunz 
steine  gefunden ;  ohne  dass  den  Märkern  Mittheilung  gemacht  —  nur 
der  Märkermeister  Montmorency  wurde  auf  den  Augenschein  ge- 
laden —  hob  man  die  Steine  und  zog  den  District  ein.  Es  war 
derselbe  noch  im  Jahre  1769,  beim  letzten  Umgange  für  Markantheil 
erkannt  worden,  die  Mark  war  in  unbestrittenem  Besitz  gewesen. 
Jetzt  aber  wurde  behauptet,  die  Stedter  hätten  sich  wieder  „in  den 
alten  Besitz  gesetzt«.   Ein  Bericht  über  das  „strafwürdige  Einrotten 


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der  hess.  homburg.  Oberetedter  Gemeinde"  wurde  auf  dem  Märker- 
geding  vom  16  Juli  1781  überreicht  Dasselbe  wurde  von  dem 
Bruder  dea  Anwalda,  dem  fürotl.  homb.  Regierungsrath  Neuhof  abge- 
halten. Dieser  soll  nach  dem  Bericht  des  Landamtmanns  Luther 
betrunken  gewesen  sein,  habe  sich  auf  so  unschickliche  Art  be- 
nommen das*  Amtmann  Usener  den  Kreis  verliess.  Neuhof  habe 
vergessen  die  Hegung  des  Mftrkerdings  vorzunehmen,  gleich  die 
Märkermeister  abgedankt  Dann  habe  er  gestottert,  den  Titel  des 
Landgrafen  vergessen,  aber  hinzugesetzt:  totus  titulus  non  est  ne- 
cessarius,  auch  den  Markschreier  beordert  die  Märkermeister  wieder 
in  den  Kreis  zu  holen,  mit  dem  Anfügen,  es  sei  besser  dass  er  sie 
hole,  als  dass  sie  der  Teufel  hole.  Bei  dem  Verlesen  der  Rügen 
habe  er  wiederholt  Zweideutigkeiten  zugefügt  und  zum  Schlüsse  ge- 
sagt: „nun  muss  ich  auch  noch  laußen,  schmaußen,  fischen,  hetzen, 
ächzen,  krächzen,  jagen,  und  wie  das  einfaltige  Zeug  alle  heisst,  ver- 
bieten1'. Auf  den  eingereichten  Bericht  und  beigefügten  Protest  der 
Regierungen  wegen  dem  Einroden  der  Oberstedter  am  Mutzengarten 
liegt  kein  Beschluss  des  Märkerdings  vor.  Aber  die  homb.  Regierung 
theilte  in  einem  Schreiben  vom  14.  August  1781  mit,  es  sei  bei 
dem  Markergeding  der  Protestation  hinlänglich  begegnet  worden, 
besagte  Gemeinde  befinde  sich  in  rechtmässigem  Besitz  des  bestrittenen 
Landes.  In  einem  späteren  Schreiben  d.  26.  März  1782  wiederholte 
sie,  dass  die  Märker  nicht  den  mindesten  Anspruch  auf  das  Stück 
Landes  zu  machen  hätten  >  sie  erbot  sich  zu  gemeinschaftlichem 
Augenschein,  behalte  aber  der  Gemeinde  jedenfalls  nach  wie  vor  ihre 
Rechtszuständigkeit  bevor.  Am  6.Sept  1782  berichtet  Landamtmann 
Dr.  Luther  über  diesen  eingenommenen  Augenschein :  In  Bonames 
habe  er  erfahren  dass  der  Anwald  auf  den  gleichen  Tag  ein  Mark 
Convent  berufen.  Um  9  Uhr  sei  er  mit  Amtmann  Usener  von  Ober- 
nrsel  nach  der  Hohen  Mark  aufgebrochen ,  dabei  die  Märkermeister. 
einige  MarkschultheiBsen,  Förster  und  der  Markschreiber.  Am  Mutzeu- 
garten seien  Bauern  mit  Hacken  beschäftigt  gewesen,  welche  zum 
Schein  auf  dem  eingerodeten  Stück  arbeiteten.  An  diesem  bereits 
eingerodeten  Stück  Feld  hätten  etwa  30  Bauern  mit  Hacken,  Schau- 
feln, Karsten  das  Vorgehen  gehindert;  man  habe  ihnen  und  dem 
Schultheissen  vorgestellt  „dass  man  nur  spazieren  gehe,  dass  man 
nur  die  Gegend  besehen  wolle,  dazu  befehligt  sei,  die  einseitige  Be- 
augenscheinigung schade  ihnen  nichts".  Sie  hätten  grob  geantwortet: 
es  wäre  ihr  und  ihres  gnädigen  Herrn  Grund  und  Boden.  Einige 
hätten  geschrieen:  schlagt  zu,  scbmeisst  ihnen  auf  den  Kopf,  dass  sie 
die  schwere  Noth  kriegen ;  besonders  habe  dies  Martin  Schmid  ge- 


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sagt,  auch  der  Schultheis»  trotzig  bemerkt,  mau  habe  hier  nicht«  zu 
suchen.  So  sei  man  unverrichteter  Sache  zurückgegangen.  Der  Be- 
richt ist  unterzeichnet  von  Kraus»  für  Königstein,  Usener  für  Hanau, 
Pfnor  für  Usingen,  Weber  für  Solms-Rödelheim,  Krebs  für  Reiffen- 
berg,  Luther  für  Frankfurt.  (Mglb.E.  31.  VI.  [64J66])  Der  letzte  be- 
merkte noch  im  Bericht  es  sei  vorgeschlagen  worden  das  Gepflänz 
wieder  herauszuschmeissen,  aber  unter  Bedeckung,  das»  kein  Wider- 
stand von  Seiten  Homburgs  zu  befürchten  sei.  Er  sei  später  nach 
Heinzenberg  geritten,  wo  der  Rentheiverwalter  Krauss  einen  Vor- 
schlag gemacht,  „dass  jeder  Theil  suchen  solle  DiBtricte  der  Hohen 
Mark  für  sich  einzurotten",  der  „saubere  Vorschlag  auf  den  er  sich 
noch  viel  zu  gut  zu  thun  schiene"  sei  aber  verworfen  worden. 

Noch  theilte  Landamtmann  Luther  in  dem  Berichte  mit,  der 
Hessen  Hanauisclie  Landcommissarius  Zink  sei  beauftragt  worden 
den  Bezirk  im  Geheimen  zu  messen;  er  sei  Nachts  weggeritten,  habe 
ihn  mit  Tagesanbruch  begangen.  Als  er  durch  Homburg  geritten, 
habe  er  den  Regierungsrath  Neuhoff  gesprochen,  der  sich  sehr  über 
den  Vorgang  der  Oberstedter  gekitzelt,  gesagt,  er  sei  im  Haupt- 
quartier zu  Oberstedten  gewesen,  und  sein  Herr  habe  sich  ebenfalls 
nicht  weit  davon  befunden,  es  wäre  hauptsächlich  auf  den  Renthei- 
verwalter  Krauss  gemünzet  gewesen,  dass  der  etwas  abbekommen 
möchte.  Es  erhielt  der  Landamtmann  Luther  nicht,  wie  der  Schul- 
theiss  Lamport,  einen  Verweis  „wegen  unanständiger  Schreibart". 

Der  „saubere  Vorschlag  '  des  Rentheiverwalters  Krauss,  so  widrig 
er  auch  dem  Ohre  eines  rechtlichen  Beamten  klingen  mochte,  scheint 
demohngeachtet  den  traurigen  Verhältnissen  angemessen  und  nicht 
unpraktisch  gewesen  zu  sein85.  Es  nahmen  auch  die  Kirdorfer  eine 
Wiese,  die  als  Markgut  verpachtet  gewesen,  für  sich  in  Anspruch. 
(Mglb.  E.  31.  VI.  S.  ö.)  Daun  wird  berichtet,  die  Gemeinde  Kirdorf 
habe  ungefähr  200  Morgen  Hoheu  Mark  Gut  eingerodet  zu  Acker- 


Wenn  der  Gedruckte  nirgends  Recht  kann  finden, 
Wenn  unerträglich  wird  die  Last  —  greift  er 
Hinauf  getrosten  Muthes  in  den  Himmel, 
Und  holt  herunter  seine  ew'gen  Rechte, 
Die  droben  hangen  unveräusserlich 
Und  unzerbrechlich,  wie  die  Sterne  selbst  — 
Der  alte  Urständ  der  Natur  kehrt  wieder, 
Wo  Mensch  dem  Menschen  gegenüber  steht  — 
Zorn  letzten  Mittel,  wenn  kein  andres  mehr 
Verfangen  will,  ist  ihm  das  Schwert  gegeben.  — 

Schüler,  Teil. 


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-    *71  - 


land,  der  dasige  Schultheis  habe  erklärt:  sie  wollten  es  ebenso 
machen  wie  die  Oberstedem  Später  erfolgt  Anzeige,  dass  das  Ort 
Dornbolzhausen  sich  gleichermaßen  ein  beträchtliches  Stück  Land 
von  der  Hoben  Mark  abgepflöcket  hätte,  sie  wollten  es  mit  einem 
Graben  umziehen,  hätten  es  zum  Theil  schon  zu  Ackerland  gemacht. 
Die  Regierungen  berathen  ob  man  an  die  höchsten  Reichsgerichte 
geben  solle,  Hanau  ist  für  Zurückziehung  des  £ingerodeteu,  allenfalls 
unter  militärischer  Unterstützung,  alle  Regierungen  raüssten  angreifen, 
lest  zusammenhangen  wie  Kletten. 

Aber  es  blieb  nur  bei  dem  Gerede.  Auf  einer  (Konferenz  zu 
Frankfurt  brachte  Churmainz  wieder  den  vorzunehmenden  Jagdactus 
zur  Sprache.  Vor  allem  aber  wurde  immer  wieder  der  Theilung 
gedacht,  diese  könne  nicht  auf  einem  Märkerge ding  ausgemacht  wer- 
den, es  sei  Gegenstand  der  von  höchst  und  hohen  Herrschaften  er- 
nannten deputatorum.  (Mglb.  £.  31.  U.  29.  Mai  1782.)  Vorgeschlagen 
wurde  die  Wahlen  der  Märkermeister  auszusetzen  bis  zur  Theilung, 
und  Vogteischreiber  Schumann  wurde  1788  durch  Mehrheit  der 
Stimmen  „einstweilen"  bestellet  die  Markgeschäfte  nach  Treu  und 
Gewissen  zu  besorgen,  welches  derselbe  auch  mit  Ilandgelöbniss  an- 
gelobet Darauf  wurde  erst  am  10.  Juli  auf  Verwendung  von  Chur- 
mainz der  churfUrstl.  Amtsvogt  Seebold  als  Märkermeister  gewählt. 
Bei  dieser  Gelegenheit  kam  die  Abänderung  des  Märkermeistcr-Eides 
zur  Sprache,  der  Eid  für  Seebold  sei  ein  anderer  gewesen  als  der 
jenige,  welchen  Bauer  1763  abgelegt  Die  eigenmächtige  Abänderung 
sei  präjudicirlich,  sei  auch  bereits  im  Jahr  1707  angemasst  worden. 
Auch  der  Waldschreier  sei  im  Protocoll  „fürstlicher"  Waldschreier 
genannt.  Die  hesseu-homburgischo  Regierung  bemerkt  darüber  kurz : 
die  bisherige  Eidesformul  sei  ..gerade  nicht  bei  Händen  gewesen", 
man  habe  keine  Neuerung  intendirt. 

Im  übrigen  aber  tbat  die  Homburgische  Regierung  jetzt  so  ziem- 
lich was  ihr  gefiel.  Sie  Hess  Schneisen  aushauen,  überliess  von  dem 
gehauenen  Holz  statt  des  Arbeitslohnes  an  die  Stedtcr  Leut,  und  ver- 
kaufte eigenmächtig  angebranntes  Holz.  Viele  tausend  Morgen 
wurden  gänzlich  abgeholzt,  Reisig  gemacht  und  zur  Versteigerung 
gebracht.  (Mglb.  E.  31.  V.)  Als  Aratman  l Tiener  Satiafaction  ver- 
langt hatte  wegen  der  Grobheit  der  Stedter  Bauern,  demonstrirte 
der  Anwalt,  Regier.  Rath  Neuhof  auf  dem  Augenschein  „nach  seiner 
bekannten  Beredsamkeit  ',  wie  Landamtmann  Luther  berichtet,  „weit- 
läufig die  unwidersprechliche  Befugniss  der  Oberstedter  Gemeinde 
zu  besagtem  Districte  aus  dem  alten  Steinbuche  de  1547  '.  Als  Pro- 
duetion  desselben  verlangt  worden,  bedauerte  er  recht  sehr,  dass  er 


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solches  mitzunehmen  vergessen  habe,  er  könne  deshalb  „die  angeb- 
lichen alten  Steine  nicht  zeigen".  „Diese  abermahlige  Impertinenz", 
so  hebst  es  weiter  in  dem  Bericht  an  den  Rath,  „verdross  uns  so  dass 
wir  nach  Ursel  zurückkehrten8,  verabredeten  auf  das  Angehen  eines 
höchsten  Reichsgerichts  zu  dringen,  um  eine  Theilungscommission  zu 
erlangen.   (Mglb.  E.  31.  II.  [185] ) 

Die  Schultheißen  berichten  wieder  und  wieder  dass  Marktheilung 
das  einzige  Heilmittel  sei,  dawider  lehne  man  sich  homburgischer- 
seits  mit  allen  Kräften  auf,  weil  man  bloss  auf  Beibehaltung  und  Be- 
förderung des  eignen  Nutzens  und  der  Privatabsichten  das  Augen- 
merk richte.  Der  Anwald  aber  erklärte  auf  dem  Märkergeding  vom 
9.  Juni  1784  er  erwarte  nur  wegen  der  Theilung  bessere  Vorschläge 
der  Regierungen.  Auf  ein  weiteres  Mahnschreiben  beschwert  man 
sich  homburgischer  Seits  wegen  des  unpassenden  Titels,  „der  Herab- 
setzung bis  auf  den  Grad  eines  Obersten  Märkers*,  (Mglb.  £.  31  II. 
[217])  verbittet  sich  diesen  gar  nicht  schicklichen  Ausdruck. 

Französische  Revolution.  — Werkann  sagen  wie  dies  jammer- 
volle Treiben  sich  weiter  fortgesponnen,  wie  lange  es  noch  gedauert  hätte, 
wenn  nicht  die  französische  Revolution  einen  Riss  in  das  alte  be- 
schauliche Leben  gemacht  und  dem  stagnirenden  versumpften  Ge- 
wässer neuen,  lebendigen  Lauf  gebracht  Jeder  Versuch  die  alten 
Missbräuche  abzuschaffen  missglilckte.  Der  Markförster  Gr  oh  wurde 
abgesetzt,  weil  er  in  den  Jahren  1793 — 1794  nicht  einen  einzigen 
Lastträger  zur  Rüge  gebracht.  Das  Amt  Bergen  beantragte  Abschaf- 
fung der  pflichtvergessenen  Bauernforster.  Ein  neuer  „sehr  recht- 
schaffener, gelernter  Förster"  wurde  von  dem  ganzen  Mark-Convent 
angestellt,  versäumte  aber  die  Landesherrschaft  um  die  Erlaubniss 
der  Niederlassung  in  Reiffenberg  anzugehen,  „wahrscheinlich  wurden 
desBhalb"  die  frevelnden  Märker  im  stillen  von  den  Beamten  unter- 
stützt, (Mglb.  E.  31.  V.  S.  161.)  es  wurde  von  den  Bassenbeimischen 
Ortschaften,  wie  es  hiess  ,,ein  IlebellionsbUndniss  abgeschlossen"  den 
Förster  Strobel  nicht  in's  Logis  aufzunehmen;  als  er  nach  Arnolds- 
hain einem  Frevler  nachging,  wurde  er  angegriffen  und  erbärmlich 
geschlagen.  Die  alten  Herkommen  wurden  mehr  und  mehr  ausser 
Acht  gelassen;  im  Jahre  1789  berichtet  Land- Amtmann  Luther,  das 
Märkergeding  sei  nicht  auf  der  Auw  gewesen,  sondern  in  des  Mär- 
kermeisters  Seebold  Behausung,  nicht  öffentlich 8*.  Holzzettel  wurden 


8«  Das  Protocoll  ?om  10.  Juni  1789  sagt  trotsdem :  „Actum  Ober  Ursel 
.auf  der  Aus". 


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-    473  - 


eingeführt,  und  von  den  Märkermeistern  eigenmächtig  verkauft.  In 
einem  Berichte  heisst  es:  der  neue  Märkermeister  Seebold  habe  sich 
trotz  aller  Versprechungen  unglaublich  geändert,  schreibe  Waldzettel 
Leuten,  die  gar  keine  verlangt,  oder  die  von  dem  Märkermeister 
Holzmann  abgewiesen  worden,  habe  erkläret  dass  die  Theilung  der 
Mark  niemals  zu  Stande  kommen  werde.  In  einem  Schreiben  von 
Homburg  d.  7.  Nov.  1803  heisst  es:  Man  habe  diesem  «Unfug  Ein- 
halt thun  wollen*,  Mannschaft  sei  beordert  worden  diejenigen,  welche 
sich  mit  solch  nichtigen  Anweisungen  beholzigen  wollten,  gleich  Frev- 
lern einzutreiben.  Den  Förstern  wurde  verboten  künftig  die  Befehle 
der  Märkermeister  noch  zu  respectiren  „indem  dieselben  nichts  mehr 
in  der  Mark  zu  befehlen  hätten".  (Mglb.  E.  81.  III.  S.  50.  S.  62.) 
Darauf  hätten  die  Förster  die  Anweiszettel  der  Märkermeister  zu- 
rückgegeben. Der  Büchsenspanner  Lötz  sei  mit  Mannschaft  aus  den 
Homburger  Ortschaften  zur  Aufsicht  nach  der  Hohen  Mark  geschickt 
worden,  mit  dem  Auftrag  jeden  Märker  der  einen  Ausweiszettel  von 
einem  Märkermeister  habe,  sogleich  einzutreiben.  Dieser  habe  mit 
16  Mann  einen  Ober-Urseler  festnehmen  wollen,  das  habe  Lärm  ge- 
geben, Amts- Vogt  und  Märkermeister  Hilt  habe  3  mal  Sturm  läuten 
lassen,  und  sei  mit  40  bis  50  Bewaffneten  in  die  Mark  gegangen  „da 
dann  die  Homburger  von  ihrem  Vorhaben  abliessen  und  davon  liefen". 

Darauf  wurde  Hilt  als  Märkermeister  und  als  Conventsmitglied 
von  Hornburg  nicht  mehr  anerkannt;  Hilt  habe  den  geschwornen 
Eid,  „dem  Obristen  Herrn  und  Waldpotten  in  Sachen,  die  Mark  be- 
treffend, untertänigsten  Respect  zu  bezeigen",  verletzt  Es  sei  Sache 
der  Herrschaften  noch  vor  der  Tli eilung  gemeinsame  Massregeln  zu 
ergreifen,  dass  unter  den  Markofficianten  Ordnung,  unter  den 
Märkern  Ruhe  erhalten  werde.  Märkermeister  Hilt  sucht  sich  zu 
rechtfertigen  dass  sein  Verfahren  allein  „die  Rettung  der  angetaste- 
ten Gerechtsamen  des  Mark  -  Convents  und  beider  Märkermeister 
bezielt  habe".  Justizrath  Hoffmann  von  Rödelheim  bemerkt  dazu: 
„Mag  denen  Markmeistern  von  alten  und  neuen  Sünden  zu  Last 
kommen  was  da  will,  so  sind  Eigenmächtigkeit  und  gewaltsame 
Eingriffe  in  die  Markgerechtsame  von  Seiten  Homburgs  klar  vor 
Augen  und  äusserst  empörend". 

Weit  diplomatisch  schlauer  äussert  sich  Syndicus  Bachmann  in 
dem  Frankfurter  Gutachten  Uber  diese  Angelegenheit:  Es  müsse  die 
Absicht  vorherrschen  bei  dem  Theilungsgeschäfte  Ruhe,  Einigkeit 
und  Ordnung  zu  erhalten,  desshalb  habe  er  für  jetzt  von  einer 
specifischen  Protestation  „gegen  die  Homburger  Emancipation"  be- 
sonders wegen  der  Holzzettel,  des  Holzfällens  etc.  abgesehen,  be- 


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-    47*  - 


rühre  nicht  die  im  Grande  lächerliche  and  incompetentc  Absetzung 
des  Märkenneisters  Hilt:  „diesseitige  jura  können  überdies  nie  leiden11, 
sie  würden  auf  das  zweckmässigste  gewahret,  wenn  man  beiden 
Theilen  zu  Gemüthe  rühre,  von  allen  Thathandlungen  abzulassen, 
wodurch  die  Mark-Verfassung  angetastet  würde.  Er  möchte  die  letz- 
ten Vorfalle  durchaus  als  nichtgeschehen  erachten,  oder  den  Mangel 
einer  Instruction  vorwenden,  die  Sache  ad  referendom  nehmen,  pro- 
testiren  etc.  In  einem  weiteren  Votum  d.  23.  Mai  1804  bemerkt  er: 
Wenn  mächtigere  Stände  mit  einander  hadern,  so  rathe  es  die 
Klugheit,  dass  der  schwächere  diese  Rivalität  benütze,  sieh  hinc  inde 
suchen  lasse,  nichts  vergebe  und  mit  keinem  abwerfe.  Solle  sich  die 
Theilung  verschlagen,  so  sähe  man  klärer  warum?  lerne  mehr  die 
jetzige  geheime  Mischung  der  Charten  kennen,  könne  sich  her- 
nach mit  desto  sicherem  Success  an  die  Cordatioree  anschließen 
und  jura  prohibentis  in  causa  communi  vertheidigen.  Um 
zwischen  Hessen  und  Nassau  vota  paria  zu  erhalten,  keinen  Be- 
schluss  auf  dem  Märkerding  zu  Stande  kommen  zu  lassen,  räth 
er  Instruction  sich  vorzubehalten.  Frankfurt  müsse  majora  macheu, 
wenn  Nassau,  Rödelheim  und  Bassenheim  gegen  Hanau,  Darmstadt 
und  Homburg  stimme,  „welches  aber  gegen  unsere  sentiraens  an- 
stiesse".  In  der  Hauptsache  verdürbe  man  damit  auf  diesem  Wege 
mit  keinem  Theile.  Dieser  Status  würde  das  Theilungsgeschäft  acce- 
leriren.  (Mglb.  E.  31.  III.  S.  116  ff.) 

Im  Ganzen  wurde  im  Sinne  dieses  Votums  die  Misshelligkeit 
behandelt;  Märkermeister  Hilt  hatte  erklärt  dass  er  die  Thätlichkeit 
nicht  als  Markmeister,  sondern  als  fürstlich  Nassauischer  Privatdiener 
unternommen  habe;  der  Anwalt  nahm  desshalb  die  frühere  Publika- 
tion zurück,  hoffte  von  der  ftirstl.  Regierung  Genugthuung  an 
erhalten. 

In  dem  bezeichneten  Jahre  1804  war  das  Märkerding,  das  her- 
kömmlich hätte  geheget  werden  sollen ,  aus  verschiedenen  Ursachen, 
auch  des  Vorfalls  mit  Hilt  wegen,  abgesaget  worden.  Trotzdem  war 
der  Märkermeister  Hilt,  Justitzrath  Hoffmann  von  Rödelheim,  die 
Usingischen  Schultheisscn ,  der  Schultheiss  von  Reiffenberg,  der 
Schultheiss  von  Praunheim,  welcher  in  churhessischen  und  Solms- 
Rodelheimischen  Pflichten  stand,  der  Solras'sche  Schultheiss  von 
Niederursel,  endlich  die  Frankfurter  Schul theiasen  von  Bonames. 
Nieder- Erlenbach,  Dortelweil  und  Niederursel  erschienen.  Nach 
seiner  Instruction  sollte  der  Märkermeister  Hilt  bei  Nichthegung  des 
Markergeding»  statt  des  Anwalts  die  Hegung  und  die  Wahl  des 
Märkermeisters  vornehmen.   Solms-Rödelheim  will  es  aber  nicht  all- 


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—    47*  — 


znsehr  mit  Churhessen  verderben,  möchte  aus  politischen  Rücksich- 
ten eine  abweichende  Erklärung  geben,  Bassenheim  und  Frankfurt 
schfiessen  sich  dem  an,  sind  abgeneigt  „an  einem  von  Hilt  zu  halten- 
den Märkerding  Theil  zu  nehmen",  und  die  betreffenden  Scbultheis- 
sen  „dabei  abstimmen  zu  lassen'.  Die  Schultheissen  erhielten  den 
Wink  sich  einstweilen  auf  die  Aue  zu  verfügen,  die  Beamten  folgten. 
Dort  erklärte  dann  Märkermeister  Hilt:  dass  weil  der  hessische 
Herr  Anwalt  sich  nicht  eingefunden,  er  deswegen  ausdrücklich  pro- 
testire,  der  Mark  und  den  Markherrschaften  alle  Gerechtsame  vor- 
behalten wolle. 


Schluss.  —  Bereits  in  den  Jahren  1797  und  1798  war  das  her- 
kömmliche Märkerding  „politischer,  unabwendbarer  Ursachen  wegen" 
zurückgesetzt,  an  dessen  statt  ein  Markconvent  abgehalten  worden. 
Es  solle  das  keinerseits  zu  einem  Präjudize  gereichen.  In  den  Jahren 
1807  und  1808  walteten  diese  Umstände  „wiewohl  in  etwas  ver- 
ändert" wieder  ob.  Die  Märkermeister  und  Schultheissen  beruhig- 
ten sich  theils  bei  der  Erklärung  des  Anwalts,  theils  protestirten  sie. 
Der  Anwalt  bemerkte  dass  er  dem  obersten  Herrn  und  Waldboten 
dies  unterthänigst  hinterbringen,  höchst  dessen  Befehle  erwarten, 
und  selbige  dem  Markconvent  bekannt  machen  werde.  Die  Mitthei- 
lung des  Anwalts  Dufais  vom  7.  Juni  1808  hatte  einfach  gelautet: 
„da  die  Hegung  des  diesjährigen  Märkergedings  nicht  vorzunehmen 
für  genehm  befunden  worden  ist,  .  .  so  wollte  ich . .  diese  getroffene 
Maasregel  .  .  bekannt  machen"  etc.  Als  darauf  im  folgenden  Jahre 
am  31.  Mai  1809  die  Märker  sich  wieder  auf  dem  gebotenen  Märker- 
ding einfanden,  wurde  ihnen  ein  Bericht  des  grossh.  hessischen  Hoff- 
Rath  und  Hoheitsbeamten  Trapp  mitgetheilt  des  Inhalts:  „dem  Un- 
terzogenen zugestossene  Unpäßlichkeit  hindert  ihn  eine  höchste 
Willensmeynung  Sr.  königl.  Hoheit  des  Grossherzogen  von  Hessen, 
Hertzogen  zu  Westpbalen,  in  Betreff  der  Ausübung  der  Rechte  eines 
obersten  Herrn  und  Waldpoten  in  der  Hohen  Mark,  auf  dem  heute 
zu  haltenden  Märkergeding  bei  Oberursel  gehörig  zu  verkündigen, 
ohne  welche  Verkündigung  die  Hegung  dieses  öffentlichen  Gerichts 
dermalen  „„und  fernerhin8"  nicht  stattfinden  kann8. 

Die  Herrschaften  fanden  dass  wegen  der  „grossh er zogl.  Hessi- 
schen Aninassung*  welche  auf  eine  Ansprache  auf  die  Rechte  der 
obersten  Staatsgewalt  über  die  Hohe  Mark  abziele,  zu  protestiren 


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-  476 


sei,  und  ertiessen  ein  Besch  weningsschreiben.  Sie  hoben  hervor  das« 
kein  Hessischer  Hoheitsbeamter  gegen  Vertrag  und  Observanz  die 
Stelle  eines  Anwalds  des  0 bristen  Herrn  Waldbotten  vertreten  könnte 
und  drangen  auf  beruhigende  Erklärung.  Auf  dem  Märker -Convent 
vom  12.  Sept  proteetirten  auch  die  Märkermeister  und  die  Schult- 
heissen  Neuhof  von  Bonames  und  Brück  von  Heisenberg.  Der  Au- 
wald proponirte  dieses  Jalir  nur  für  Holzträger  und  Schubkärcher 
Holztage  zu  gestatten,  indem  diese  Klasse  von  Märkern  vorzüglich 
zu  berücksichtigen  wäre.  Allein  die  Märkermeister  Hüt  und  Henning, 
sowie  die  Schultheissen  Neuhof  von  Bonames,  Hirschner  vonPfraun- 
heim  und  Brück  von  Keiffen borg  widersetzten  sich  dem  volksthümeln- 
den  Vorschlage;  gerade  die  bezeichneten  Märker  beholzigten  sich 
tagtäglich,  mit  Hintansetzung  aller  Markordnungen,  sie  sorgten  für 
ihr  eignes  Bedürfniss  und  verkauften  noch  so  viel  von  dem  gefrevel- 
ten Holze,  dass  sie  mit  ihren  Familien  alleinig  davon  lebten.  Dies 
sei  unwiderlegliche  Tbatsache  und  aus  den  Bügeregistern  zu  ersehen. 
Die  Fuhrleute  als  die  wohlhabendere  Classe  der  Märker  bezögen 
ausser  den  Waldtägen  nicht  den  geringsten  Nutzen  aus  der  Mark. 
Sonach  wurde  mit  Widerspruch  des  Anwalds  und  des  Schultheissen 
Birkenstock  von  Homburg  zur  Rcgulirung  der  HolztÄge  ge- 
schritten. 

ImOctober  lief  ein  Antwortschreiben  von  Giesen  ein;  die  grossh. 
hess.  Regierung  verwunderte  sich  über  die  gethanen  Aeusserungen, 
es  sei  eine  bekannte  Sache,  dass  das  landgräfl.  Haus  Hessen -Hom- 
burg die  Landeshoheit  und  Territorialgerechtsame  Uber  die  Hohe 
Mark  von  jeher  behauptet,  und  actenkundig  in  deren  Besitz  sich  befun- 
den; so  könne  über  die  „durch  die  neueren  politischen  Verände- 
rungen" Sr.  königl.  Hoheit  zugefallenen  Souveränitätsrechte  ein 
Zweifel  nicht  entstehen.  Gegen  eine  solche  Rechtsdeduction  hätte 
vielleicht  eingewendet  werden  können,  dass  das  Amt  eines  Waldpot- 
ten  nicht  an  den  blossen  Besitz,  sondern  an  den  rechtlichen  Besitz 
von  Homburg  geknüpft  gewesen;  eine  furstl.  Primatische  Regierung 
konnte  aber  nichts  anderes  erwidern,  als  dass  man  einer  Ausdeh- 
nung jener  befragten  Rechte,  weiter  als  dem  Herkommen  nach  zu- 
lässig, wehren  würde. 

Schultheis*  Neuhoff  von  Bonames  überreichte  am  7.  Nov.  1809 
ein  ihm  von  dem  Anwald  der  Hohen  Mark  zugekommenes  Circulär, 
Inhalts  dessen  Se.  k.  Hoheit  der  Grossherzog  zu  Hessen  sieb  be- 
wogen gefunden  habe,  des  Herrn  Landgrafen  von  Hessen-Homburg 
bochfürstl.  Durchl.  bei  den  veränderten  Umständen  einstweilen  den 
Auftrag  zu  ertheilen,  die  Rechte  des  Obersten  Herrn  und  Waldbotten 


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—    477  — 


< 


in  der  Hohen  Mark  zu  wahren  und  auszuüben.  Der  Senat,  indem 
er  den  Empfang  der  Anzeige  bemerkt,  verwahret  sich,  das»  aus  der 
Uber  den  Herrn  Landgrafen  erlangten  Souveränität  in  Beziehung 
auf  dessen  Würde  als  Oberster  Waldbott  ein  mehreres  nicht  gefol- 
gert werde,  als  was  dem  Herkommen  und  „dem  Mark  verein"  ge- 
mäss sei. 

Es  lief  Beschwerde  ein  dass  in  der  Hohen  Mark  19  Wagen  Hole 
auf  Anweisung  des  fUrstl.  Anwalds  zu  Homburg  für  die  Officiere  der 
Besatzung  und  die  dortigen  Wachten  gefallt  und  durch  Frohnd- 
fuhren  abgefahren  worden.  Ein  nachdrückliches  Schreiben  wegen 
des  Eingriffs  in  die  Gemein -Eigenthum -Gerechtsame  der  Bethei- 
ligten sollte  desshalb  an  die  hessische  Regierung  zu  Giessen  erlassen 
werden,  mit  dem  Verlangen  dass  der  Werth  des  gefällten  Holzes  den 
betheiligten  Gemeinden  ersetzt  werde.  Es  heisst  in  dem  Schreiben 
dass,  nachdem  der  Herr  Landgraf  von  Homburg  „denen  jetzt  be- 
stehenden staatsrechtlichen  Verhältnissen  gemäss"  dem  grossherzog- 
lich  hessischen  Hause  wie  in  jeder,  also  auch  „in  der  Eigenschaft 
eines  obersten  Waldbothen  und  Mitgenossen  der  Hohen  Mark,  sub- 
ordiniret  und  unterworfen*  sei,  die  grosshersogl.  hessische  Regierung 
solche  Verfügungen  an  gedachten  Herrn  Landgrafen  von  Homburg 
ergehen  lassen  möge,  damit  dergleichen  den  Rechten  der  Markge- 
nossen,  wie  auch  „den  bestehenden  Märkerdingen"  schnurstracks 
zuwiderlaufende  Eingriffe  unterblieben.  Die  Besorgnias  wegen  Ter- 
ritorialer Eingriffe  war  zwar  stets  wieder  der  leitende  Gedanke,  aber 
die  Rechte  der  Unterthanen  wurden  doch  in  den  Vordergrund  ge- 
stellt. Während  alle  Rechte  der  Hohen  und  der  Herrscher  mit 
Füssen  getreten  wurden,  behielt  ein  Recht,  Jahrhunderte  hindurch 
angegriffen  und  verletzt,  immer  noch  Werth, —  das  alte,  gute  Recht 
der  Märker!  Die  Untergebnen  des  Französischen  Kaisers  suchten  sich 
die  alten,  ehrwürdigen  Bezeichnungen  mundgerecht  zu  machen, 
sie  fochten  damit,  wie  Kinder  in  alten  Rüstungen  mit  den  verroste- 
ten Schwerten  umherhauen.  Sowie  über  die  Markverhältnisse  eine 
Verfügung  zu  treffen,  denselben  irgend  ein  Verhältniss  anzupassen 
war,  trat  immer  wieder  vor,  wie  ein  drohendes  Gespenst,  —  das 
alte  gute  Recht! 

Es  wurde  den  beiden  Archivaren  Dr.  F.  Max.  Stark  und  J.  G. 
Chr.  Thomas  der  Auftrag  darüber  zu  berichten,  wie  es  sich  mit  den 
Landeshoheitsrechten  der  Hohen  Mark  eigentlich  verhalte.  In  wenigen 
Wochen  lieferten  sie  einen  vortrefflichen  Bericht,  in  welchem  der 
Nachweis  zu  erbringen  gesucht  wurde,  dass  die  von  Homburg 
angesprochene  Landeshoheit  über  die  Hohe  Mark,  demselben  nie 


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—    478  - 

zugestanden 61 .  Die  ftlrstl.  Commission  sprach  der  Arbeit,  welche 
einen  den  Archivaren  zur  Ehre  gereichenden  Beweis  ihres  Fleisses 
enthalte,  das  Wohlgefallen  Eminentissinri  aus,  wünschte  dass  noch 
angegeben  werde,  was  sich  in  dem  Archiv  über  den  Ursprung  und 
Geschichte,  wie  das  ehemalige  kaiserliche  dominium  der  Hohen 
Mark  an  die  markbetheiligtcn  Gemeinden,  rücksichtlich  des  Privat- 
Eigenthums,  und  anderen  Herrschaften  oder  Obrigkeiten  behufc  der 
Gerichtsbarkeit  oder  Landeshoheit  „verschenkt  oder  überlassen0  wor- 
den sei.  Wenn  auch  über  diese  Fragen  zum  grossen  Theil  nur  auf 
Hvpothesen  und  Vermuthungen  hingewiesen  werden  konnte,  wurde 
doch  auch  diesem  Berichte  die  gebührende  Anerkennung  zu  Theil, 
er  enthalte  von  den  Kenntnissen  und  dem  Fleisso  der  Verfasser  da» 
rühmliche  Zeugniss,  werde  später  gegen  die  homburgischen,  modo 
grossherzoglich  hessischen  Prätensionen  zu  benutzen  sein.  (Mglb.  E. 
31.  VII.  acta  commiss.  general.) 

Die  Verhältnisse  der  Hohen  Mark  hatten  sich  durchaus  geändert, 
aber  der  genossenschaftliche  Geist  war  desshalb  nicht  wiederge- 
kehrt, und  die  kleinlichen  Eifersüchteleien  der  Regierungen  waren 
geblieben. 

Im  Mai  1810  wollte  der  Anwalt,  nachdem  mit  Zustimmung  der 
Märkermeister  400  Haufen  Stumpfholz  und  24000  Wellen  aufgebun- 
den worden,  dies  Holz  zum  Besten  der  Markkasse  versteigern.  Aus 
seinem  abschriftlich  bei  den  hiesigen  Akten  liegenden  Berichte  geht 
hervor  dass  der  Schulthetss  von  Bonames  gegen  dies  angeblich  ein- 
seitige Verfahren  protestirt,  darauf  die  anwesenden  Märker  dreister 
geworden  „völlig  hörbar*  erklärten,  wie  sie  jeglichen  Steigerer  stei- 
nigen wollten.  Da  diese  Aeusserung  bei  jedesmaligem  Ausbot  eines 
Holzhaufens  wiederholt  wurde,  „der  Lärmen  auch  merklich  zunähme, 
so  bliebe  nichts  anderes  übrig,  als  sich  nach  Hause  zu  begeben8. 
Den  betreffenden  Aktenstücken  rindet  sich  von  Minister  v.  Eberstein 
die  Bemerkung  aufgeschrieben:  „der  diesseitigen  Protestation  sind 
übrigens  alle  andern  Märker  beigetreten,  und  H.  Dufais  —  welcher 
sogar  hessische  Soldaten  herbeirufen  wollte,  um  seine  Operation 
durchzusetzen  „war  am  Ende  froh  mit  heiler  Haut  davonzu- 
kommen". 


"  Wenn  auch  die  Arbeit  eine  Partbeischrift  genannt  werden  muss,  so  ist 
doch  tu  bedauern,  dass  sie  in  dem  Archiv  vergraben  und  vergessen  ge- 
blieben ist. 


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—    *79  - 


Die  TheiluDg  der  Mark  kam  früher  in  der  Seulberger,  Erlen- 
bacher  als  in  der  Hohen  Mark  zu  Stande.  Bereits  in  den  Jahren 
1780  bis  1784  war  in  ersterer  lebhaft  desshalb  verhandelt,  dann 
Anstellung  einer  Theilungsklage  beschlossen  worden.  Diese  war  un- 
terblieben. Erst  nach  der  französischen  Revolution  wurde  die  Thei- 
lung wieder  angeregt,  diesmal,  im  Jahre  1800,  von  Homburg  selbst, 
,,uin  denen  durch  den  Druck  des  Krieges  verarmten  Unterthanen 
wieder  aufzuhelfen**.  Homburg  hatte  zuerst  den  vierten  Theil  der 
Mark  nebst  dem  ganzen  Jagdrecht  verlangt,  im  Laufe  der  Verhand- 
lungen erhielt  es  f/9  oder  soviel  als  ein  Dorf  erhalte,  und  zwar  im 
Spiss,  dem  besten  Mark  walde.  Das  übrige  wurde  querüber  getheilt  nach 
Ortschaften,  doch  so  dass  Ober  -  Erlenbach ,  die  stärkste  Gemeinde, 
ein  aversionale  von  40  Morgen  darüber,  Friedriclisdorf  aber  nur  3/* 
des  Flächengehaltes  den  jede  der  übrigen  6  Gemeinden  zugemessen 
bekam,  erhielt  Die  bisherige  Gemeinschaft  der  7016  Morgen  halten- 
den Markwaldung  solle  aufhören,  und  dergestalt  aufgehoben  bleiben, 
dass  der  einer  jeden  Gemeinde  zufallende  Betrag  quoad  jura  terri- 
torialia  et  regalia  der  betreffenden  Landesherrschaft,  aber  quoad 
dominium  privatum  dieser  Gemeinde  daselbst  zugehöre.  Der  Land- 
graf erhielt  seinen  Theil  quoad  jura  territorialia  et  regalia  und  quoad 
dominium  privatum  als  praecipuum  zur  Entschädigung  dessen,  was 
er  durch  diese  Theilung  verliere.  Es  ist  unnöthig  hier  weiter  in  die 
Einzelheiten  des  Vertrags  einzugehen.  Durchführung  allenfallsiger 
Delinquenten  und  Cadavers  war  ausdrücklich  darin  bedacht.  Unter- 
zeichnet war  er  am  14.  Aug.  1802 
für  Hessen- Cassel  durch  Reg.-Rath  v.  Meyerfeld, 
„  Hessen -Homburg  „  Reg.-Rath  v.  Sinclair  u.  Amtsrath  Haupt, 
„  Solms -Rödelheim  „  K.  W.  Hoffmann,  Justizrath, 
„  Frankfurt  „    J.  C.  Dietz,  Land-Amtmann, 

„  Jngelheim  „    Hofrath  von  Konenberg,  Amtmann. 

Die  Gemeinde-Vorstände  hatten  im  Voraus  für  sich  und  für  die 
Gemeinden  das  Einverständniss  ausgesprochen.  (Mglb.  E.  30.  6.) 

Auch  in  der  Hohen  Mark  hatte  im  Jahre  1802  Homburg,  wegen 
dessen  Ansprüchen  in  früheren  Jahren  die  Theilung  vereitelt  ge- 
blieben, selbst  wieder  Theilungsvorschläge  gemacht.  Die  grossen 
Ereignisse  welche  im  deutschen  Reiche  kurz  nachher  stattfanden, 
sollten,  so  hoffte  man,  das  Vorhaben  beschleunigen.  Die  Zahl  der 
Souverains  in  der  Hohen  Mark  sei  auf  vier  reducirt;  der  Gross- 
herzog habe  nun  die  Mittel  in  Händen,  Theilung  zu  bewirken.  Syn- 
dicus  Bachmann,  der  Referent,  hält  es  für  wünschenswerth  dass  die 
Frankfurter  Ortschaften  mit  3000  Morgen,  auch  ungemessen ,  sich 


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-  480 

begnügen,  der  Beat  der  Auseinandersetzung  dem  hessischen  Gesammt- 
hause  mit  Nassau  überlassen  bliebe. 

Am  20.  Febr.  1810  erliess  die  grossherzoglich  hessische  Re- 
gierang zu  Giessen  ein  Antwortschreiben  wegen  der  schwebenden 
Frage  der  Theilung;  sie  bemerkte  dass  sie  weit  entfernt  sei,  der 
erwünschten  Verkeilung  der  Mark  Schwierigkeiten  in  den  Weg  zu 
legen.  Da  es  aber  eine  bekannte  Sache  sei,  dass  der  Herr  Landgraf 
zu  Homburg  „sich  wenigstens  in  einigem  Besitz  der  angesprochenen 
landeshoheitlichen  Rechten  über  die  Mark  bis  auf  die  neueste  Zeiten 
erhalten*  so  vermöchte  die  Regierung  die  von  demselben  behauptete 
Gerechtsame  ebensowenig  geradezu  aufzugeben,  wie  sie  die  Wider- 
sprüche noch  zur  Zeit  für  ganz  begründet  anerkennen  könne.  Sie 
stellt  es  dahin  ob  der  Augenblick  der  geeignete  zur  Theilung  sei 
bei  der  unentschiedenen  Lage  des  Fürstentums  Hanau.  Die  her- 
zoglich nassauische  Regierung  drängte  auf  eine  Theilung,  da  auch 
die  Cronberger  Mark,  wobei  die  Hanauische  Gemeinde  Steinbach 
betheiligt  gewesen,  getheilet  worden  sei;  inzwischen  erfolgte  die 
Besitzergreifung  des  Fürstenthums  Hanau,  die  beiden  Eschbach  wur- 
den von  Seiten  der  fürst-Primatischen  General-Commission  provisorisch 
in  Beschlag  genommen,  von  dem  k.  Commissaire  aber  nicht  garantirt. 
Sie  gehörten  zum  Amte  Rodheim,  wesshalb  Hessen  protestirte.  Die 
Entscheidung  wurde  dem  Kaiser 88  zur  Entscheidung  vorgelegt.  Auch 
wegen  Reiffenberg  war  noch  Ungewissheit ;  Staatsrath  Seeger  be- 
merkt in  seinem  Gutachten,  dass  Herr  Graf  von  Bassenheim,  soviel 
er  wisse,  in  Ansehung  jenes  Dorfes  unter  hessischer  Souverän  etat 
stehe.  —  Bei  den  weiteren  Verhandlungen  über  diese  Theilungs- 
angelegenheiten  bemerkte  Minister  v.  Eberstein  in  einem  votum,  dass 
es  sich  allerdings  mehr  um  das  Communalinteresse  der  Mark- 
betheiligten ,  als  um  Behauptung  von  Territorialitätsansprüchen 
handele,  es  würde  aber  Hessen,  wenn  es  in  den  Besitz  der  beiden 
Eschbach  gesetzt  sein  werde,  eine  ganz  andere  Sprache  als  bisher 
fuhren,  und  namentlich  die  Territorialität  in  der  Hohen  Mark  sehr 
nachdrücklich  ansprechen.  Nassau  wollte  die  vorbereitenden  Arbeiten 
beginnen,  Hessen  verwies  auf  den  nahenden  Winter.  (Mglb.  E. 
31.  V.) 

So  kam  es  erst  im  Jahre  1813,  nach  vielen  und  langen  uner- 
quicklichen Verhandlungen,  zur  Theilung  der  Hohen  Mark.  Auch 
hier  erhielt  der  Waldpott  eben  bestimmten  Antheil  an  den  24509 


Dem  frtnzüaiachen ! 


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—    481  - 


Morgen,  im  übrigen  aber  wurde  die  Kopfzahl  der  4444  Märker  be- 
rücksichtigt, auch  Juden,  Mühlen,  Höfe  in  bestimmter  Weise  ein- 
gerechnet Am  23.  Sept.  1813  nach  vollzogener  Grenz-Absteinung 
leerten  die  Theilungscommissäre  auf  dem  Gipfel  des  Feldbergs  noch 
einmal  den  Markbecher  welchen  im  Jahre  1623  Johannes  Marien- 
baum und  Abolonia Gleserin  gestiftet89;  ein  vielhundertjähriger  recht- 
licher ZuBtand  war  gelöst  worden ;  einem  jüngeren  Geschlechte  blieb 
es  anheimgegeben  auf  neugeschaffener  Grundlage  die  rechtlichen 
Verhältnisse  fortzubauen. 

Es  führt  uns  diese  Geschichte  der  Irrungen,  welche  über  die 
Verwaltung  und  Nutzung  der  Hohen  Mark  im  Herzen  unseres 
Vaterlandes  entstanden,  vor  Augen,  wie  unser  Volk  mit  treuer 
Anhänglichkeit,  aber  auch  mit  kluger  Vorsicht  lange  die  eignen 
Sitten  und  Gewohnheiten  gewahrt,  wie  die  Gewalt  über  das  Recht 
triumphirt,  aber  auch  so  noch  Jahrhunderte  dahinflössen,  ehe  die 
alte  ehrwürdige  Verfassung  beseitigt  und  eine  Grundlage  zur 
neuen  Gestaltung  der  Verhältnisse  gelegt  werden  konnte.  Diese 
Geschichte  eines  kleineren  Theils  erfüllt  uns  mit  froher  Zuversicht 
für  die  Zukunft  des  Gesammt- Vaterlandes.  Mit  jugendlicher  Kraft 
stehen  die  zerrissenen  Theile  desselben  wieder  auf,  sie  Buchen  nach 
dem  alten  Recht  und  der  alten  Sitte,  überzeugt  in  derselben  auch 
die  alte  Grösse  und  Herrlichkeit  Deutschlands  wieder  zu  gewinnen. 
Was  Jahrhunderte  noch  Uberdauert  als  es  gebrochen  war,  kann  nicht  in 
einem  Lebensalter  neu  gebaut  werden;  unberechtigt  ist  die  Klage 
dass  die  Neugestaltung  nicht  in  einem  Jahre  zur  Vollendung  ge- 
bracht worden.  Unserer  Generation  ist  die  erhebende  Aufgabe  ge- 
worden den  edlen  Stolz  des  Volkes  wieder  zu  beleben,  den  Sinn  für 
das  Recht  wieder  zu  wecken,  neue  Formen  für  das  alte  Recht  zu 
schaffen. 


Vergl.  die  Hohe  Mark  im  Tannus,  in  dies.  Archiv  II.  S.  350. 


31 


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Inhalt. 


Seit» 

Ansiedelangen  an  der  Höhe.   Oborurscl.  351 

Die  Hohe  Mark,  ihr  Umfang,  ihre  Abtheilung   259 

Urkundliche  Quellen   .      .      .  362 

Die  Märker   268 

Der  gemein  Märker   273 

Die  Ortschaften   274 

Die  Frauen   279 

Der  Adel  und  die  Schlösser   279 

Die  Geistlichen   288 

Der  Waldbott  .      .  291 

Die  Beamten  des  Waldbotten    306 

Die  Obrigkeiten  oder  Herrschaften  309 

Ihre  Beamten:  die  Schultheis»*   330 

Die  Bürgermeister  331 

Die  Märkermeister   333 

Das  Märkerding   344 

Die  Weisungen    ....  347 

Gränzbestimmungen  gegen  die  Feldmark  undgegen  die  Ausmark  356 

Verfügung  Uber  die  Berechtigung  zur  Mark    ....  360 

Der  Kessler  zu  Bonames   370 

Ausmärke  r  381 

Der  Theidigungstag   383 

Benutzung  der  Mark   393 

Das  Roden.    Bau-  und  Brennbolz.    Gewerbe.  Holzbestand. 
Aufsicht.   Jagd.  Eckern.  Fischerei. 

Aenderung  der  Markverfassung   .      .    404 

Beeinträchtigung  der  Märker.  Zollstöcke.  Sehweinetrieb  413 

Die  Hühnburgswiesen   422 

Folgen  des  30jährigen  Krieges   427 

Landgraf  Friedrich  mit  dem  silbernen  Bein   438 

Die  Waldenser. 

Versuche  der  Regierungen.  Protestationen.  Scbadloshaltung  441 

Entsittlichung   449 

Die  Beamten.  Die  Märker.   Der  Stierstädter  Gewaltthat. 

Verhältnisse  der  Seulburg-Erlenbacher  Mark   457 

Friedrichsdorf.   Vergleich  zwischen  Hessen  und  Ingelheim. 
Auflösung  der  Ordnung  in  der  Hohen  Mark.  Einrodungen.  Versuche 

einer  Theilung   466 

Die  französische  Revolution   472 

Sehluss   475 


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Beiträge 

zur  Geschichte  des  CoUegiatstifts  Moxstadt 

aus  dem  Frankfurter  Stadtarchive 
von 

Dr.  L.  H.  Euler. 


Ueber  das  ehemalige  Collegiatstift  Moxstadt  finden  sich  in  ge- 
druckten Werken  nur  wenige  Nachrichten.  Gudenus  hat  in  der 
Sylloge  variorumdiplomatariorum  (Frankf.  1728)  S.  568  den  Stiftungs- 
brief veröffentlicht  und  mit  einigen  Bemerkungen  begleitet  Danach 
haben  Hildigunt  und  ihr  älterer  Bruder  (senior)  Hartmann  ihr  eigen- 
tümliches Gut  Odoldeshuson  der  Kirche  des  h.  Donatus  in  dem  Ort 
(oppido)  Muggistat  geschenkt,  für  die  Kirche  die  Körper  tünf  heiliger 
Märtirer  erworben  und  in  demselben  Orte  eine  saueta  congregatio 
errichtet,  auch  den  ehrwürdigen  Mann  Liuthar  bestimmt,  dem  Orte 
ad  Dei  servicium  secundum  canonicorum  regulam  ordinandum  vorzu- 
stehen. Die  Urkunde  ist  nicht  datirt,  sie  rührt  aber  noch  aus  dem 
10.  Jahrhundert  her  und  Gudenus  gibt  au»  dem  von  ihm  zu  Mainz 
eingesehenen  Necrologe  des  Stifts  an,  dass  die  Stifter  dem  Geschlechte 
der  Dynasten  von  Limpurg  an  der  Lahn  angehört  haben.  Er  fügt 
bei,  dass  die  villa  Muggistat,  jetzt  Moxstadt,  in  der  Wetterau  gelegen, 
dem  lutherischen  Glauben  anhange  und  eine  Pfarrkirche  habe,  nem- 
Hch  die  frühere  Gollegiatkirche  der  heil.  Georg,  Martin  und  Donat . 
obwohl  aber  das  collegium  canonicorum  seine  Kirche  verloren,  so 
bestehe  es  doch  fort  und  aeien  seine  Mitglieder  zeitweilig  (paasim) 
die  Canoniker  von  St  Bartholomäus  zu  Frankfurt,  welche  auch  die 
übriggebliebenen  Einkünfte  bezögen.  Büsch ing  (neue  Erdbe- 
schreibung, Hamb.  1768,  Tbl.  3.  S.  1253)  gibt  bei  Beschreibung  der 
Grafschaft  Ober-Ysenburg  an,  dass  die  gräfliche  Linie  Ysenburg- 
Büdingen  unter  Anderm  auch  das  Gericht  Mockstatt  besitze,  welches 

31* 


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-  484 


eigentlich  ein  Viertel  der  Ganerbschaft  Staden  sei,  1662  dem  gräf- 
lichen Hause  zugetheilt  worden  und  vom  Erzstift  Mainz  zu  Lehen 
gehe:  zu  diesem  Gerichte  gehörten  die  Dörfer. Ober-  und  Nieder- 
mockstatt,  an  dem  ersten  .Orte  sei  ein  den  h.  Martin  und  Donat  ge- 
widmetes Collegiatstift  gewesen,  welches  später  mit  dem  Stifte  St. 
Bartholomäi  zu  Frankfurt  vereiniget  worden  und  den  Dechaneihof 
sammt  andern  Höfen,  Gütern  und  Renten  besitze:  zu  Nieder-Mock- 
statt  befinde  sich  der  Probsteihof:  die  gesammten  geistlichen  Gefalle 
erhebe  das  gräfliche  Haus  Büdingen  gegen  eine  jährliche  Abgabe1. 
Würdtwein  endlich  erwähnt  des  Stifts  Moxstadt  an  zwei  Stellen 
seiner  Diöcesis  moguntina,  tom  HI,  (Mannb.  1777),  S.  96  und  228. 
An  erster  Stelle  wird  gesagt,  nicht  weit  von  Staden  liege  die 
Collegiatkirche  von  Moxstadt,  den  h.  Martin,  Donat  und  Nazarius 
geweiht,  deren  Probst  das  Stift  des  Orts  (collegium  oppidi)  und  den 
Ort  selbst,  die  Pfarrei  allda,  die  Capelle  in  Ranstadt,  das  Dorf 
Nieder-Mockatadt  und  die  umliegenden  Höfe  unter  seiner  (geistlichen) 
Jurisdiction  habe,  die  Sende  halte,  alle  Maasse  prüfe,  die  Ueber- 
schreiter  bestrafe,  einem  Canonicum  das  Ofncialat  übertrage  u.  s.  w., 
so  das*  also  diese  Kirchen  von  dem  Archidiaconate  der  Collegiat- 
kirche der  Jungfrau  Maria  zu  den  Greden  in  Mainz  eximirt  seien. 
An  der  andern  Stelle  aber  werden  nur  zehn  auf  Moxstadt  bezügliche 
Urkunden  gegeben.  Alle  diese  Urkunden  und  was  sich  sonstwo  be- 
sonders in  einzelnen  Staden'schen  Deductionen  vorfand,  hat  Scriba 
in  den  Regesten  der  heas.  Urkunden  verzeichnet.  Ausserdem  ent- 
halten auch  die  Hessischen  Urkunden,  her.  von  Baur,  im  dritten 
Bande  (Darmst.  1863)  drei  aus  dem  hiesigen  Archive  mitgetheüten 
Moxstadter  Urkunden. 

Diese  wenigen  Nachrichten  über  die  Moxstadter  Collegiatkirche 
erhalten  nun  eine  ansehnliche  Bereicherung  durch  das  Archiv  des 
Stifts,  welches  sich  in  dem  Frankfurter  Stadt-Archive  befindet  Das 
Stift  sah  sich  nämlich  gegen  das  Ende  des  16.  Jahrhunderts,  offenbar 
in  Folge  des  Uebertritts  der  ganzen  dortigen  Gegend  zur  Re- 
formation, genöthigt,  seinen  bisherigen  Wohnsitz  zu  verlassen.  Es 
begab  sich  damals  nach  Frankfurt,  behielt  aber  seine  in  Moxstadt 
und  der  Umgegend  belegenen  Güter  und  Zehnten,  und  verwaltete 
diese  von  Frankfurt  aus.  Hier  fand  es  in  dem  St  Leonhards-Stifte 
einen  bleibenden  Sitz  und  sein  Archiv  wurde  in  demjenigen  des 


1  Walther,  das  Grossh.  Hessen,  Darmst  1854  erwähnt  9.  418  bei  den 
Angaben  über  Nieder-  und  Obormockstadt  das  ehemalige  Stift  nicht. 


\ 


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Leonhards-Stiftes untergebracht.  Alain  Folge  der Secularisation  (1803) 
die  Reichsstadt  Frankfurt  das  Leonhards-Stift  einzog,  kam  mit  dessen 
Archiv  zugleich  auch  dasjenige  des  Stifte  Moxstadt  in  den  Besitz 
der  Stadt  Dasselbe  war  mit  den  Gütern  und  Gefällen  dieses  Stifts 
der  Fall,  welche  später  durch  Kaufvertrag  vom  25.  Juli  1846  von 
der  Stadt  an  den  Fürsten  von  Isenburg-Büdingen  um  den  Preis  von 
fl.  40,000  verkauft  wurden.  Es  ergibt  sich  hieraus,  dass  die  Angabc 
Büsching's  von  einer  Vereinigung  des  Stifts  Mozstadt  mit  dem  St 
Bartholomäus-Stifte  eine  irrige  ist;  es  hat  sich  wenigstens  für  diese 
Behauptung  kein  Beweis  in  dem  Archive  gefunden  und  es  scheint 
dieselbe  wohl  nur  aus  einem  Missverständnisse  der  von  Gudenus  er- 
wähnten allerdings  begründeten  Thatsache  entsprungen  zu  sein,  dass 
zuweilen  Mitglieder  des  Bartholomäus-Stifts  zugleich  Canoniker  von 
Moxstadt  waren. 

Das  Moxstadter  Archiv  lag  Jahre  hindurch  unbeachtet  und  theil- 
weise  zerstreut  in  dem  städtischen  Archive.  Erst  in  Folge  der  seit 
Kurzem  bewirkten  Ausscheidung  des  älteren  historischen  Theils  der 
Archivalien  von  den  neuerem  und  laufenden  wurde  bei  Ordnung 
des  älteren  oder  Stadt-Archivs  von  dem  Herrn  Archivar,  Professor 
Dr.  Kriegk  auch  das  Moxstadter  Archiv  seiner  bisherigen  Ver- 
gessenheit entzogen,  durchgesehen  und  geordnet  Es  bestehet  aus 
869  Urkunden  und  Actenstücken,  die  in  den  Zeitraum  von  1220— 
1802  fallen.  Dazu  kommen  noch  14  Copial-Statuten,  Zins-  und 
andere  Bücher.  Ueber  alle  diese  Archivstücke  hat  Herr  Dr.  Kriegk 
ein  Verzeichniss  angefertiget  und  mir  dessen  Gebrauch  mit  Er- 
laubnis hohen  Senats  gestattet.  Dafür  und  für  manche  freundliche 
Beihülfe  bei  gegenwärtiger  Arbeit  spreche  ich  ihm  hier  gerne  meinen 
Dank  aus. 

Den  Inhalt  aller  dieser  ArchivBtücke  hier  anzugeben,  würde  zu 
weit  führen  und  mehr  Zeit  erfordern,  als  ich  auf  diese  Arbeit  zu 
verwenden  habe.  Es  genügt  mir,  auf  diese  urkundlichen  Auf- 
zeichnungen, die  ihren  hauptsächlichen  Werth  für  die  Local-  und 
Gemarkungsgeschichte  der  Orte  Ober-  und  Niedermoxstadt  und  der 
umliegenden  Gegend  haben,  hier  aufmerksam  zu  machen  und  nur 
die  sämmüichen  älteren  Urkunden,  mit  ZufÜgung  weniger  späteren, 
lasse  ich  in  Regestenform  folgen. 

Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dass  die  Herren  von  Lim- 
purg, welche  das  Stift  Moxstadt  gründeten,  die  Besitzer  der  dortigen 
Gegend  waren.  Schon  frühe  mögen  sie  dieselbe  nach  damaliger 
Sitte  geistlichen  Herren  zu  Lehen  aufgetragen  haben.  So  wie  1308 
Herr  Johann  von  Limpurg  anerkennt,  dass  er  den  Ort  und  die  Burg 


-    486  — 


Staden  nebst  andern  Gütern  dorten  gleich  seinen  Voreltern  von  dem 
Stift  Fuld  zu  Lehen  trage  und  da«  Stift  um  Bekräftigung  diese« 
Anerkenntnisses  bittet,  weil  seine  Schwestern  diese  Besitzungen  ftlr 
Allodc  ansähen  (Scriba  pag.  974),  so  bestätigt  ihm  in  demselben 
Jahre  Erzbischof  Peter  von  Mainz,  dass  er  die  Vogtei  in  Ober-  und 
Niedermoxstadt  und  in  Heegheim  als  ein  Lehen  der  Mainzer  Kirche 
besitze.  Wie  das  Verhältniss  des  Vogte  zu  dem  Stifte  beschaffen 
gewesen,  zeigt  das  Weistbum,  welches  1365  in  dem  Dorfe  Ober- 
moxstadt  unter  dem  Spielhause  in  einem  gemeinen  offenen  Gerichte, 
genannt  das  ungebotene  Ding,  deren  man  drei  in  dem  Jahre  hegen 
soll,  von  den  Hausgenossen  in  Gegenwart  des  Dechanten  Hermann 
und  des  Amtmanns  Difftel  von  Staden,  der  das  Gericht  von  des 
H  errn  G  erlac  h  von  Limpurg  wegen  besass  (d.  h.  ihm  vorsass),  ge- 
geben wurde.  Die  Hausgenossen  theilten  zu  Recht,  dass  die  Aigen- 
schafft  (das  Grundeigenthum)  zu  Obermoxstadt,  Niedermoxstadt  und 
Hegheim  dem  Stifte  und  Probste,  die  Vogtei  daselbst  aber  einem 
Herrn  von  Limpurg  gehöre,  und  dass  dieser  dafür  mancherlei  Ab- 
gaben, Dienste  und  Leistungen  zu  empfangen  habe,  aber  auch  das 
Stift  und  dessen  Landsiedel  beschirmen  und  ein  Richter  des  Stifts 
in  seinem  Gerichte  sein  solle,  so  oft  es  Noth  thue.  Auch  habe  das 
Stift  zehen  freie  Huben  zu  Obermoxstadt  und  der  Probst  seinen  Hof 
zu  Niedermoxstadt  mit  dem  Rechte,  dass  wer  auf  Gnade  sich  dahin 
flüchte,  es  sei  wegen  Todtschlags  oder  irgend  einer  andern  Schuld, 
nicht  mit  Gericht  oder  sonsten  angegriffen  werden  dürfe,  sondern 
eine  Meile  Wegs  weit  von  dannen  geleitet  werden  solle,  mit  Hülfe 
des  Herrn  von  Limpurg,  wenn  es  nöthig  wäre.  Dass  jedoch  dies 
Vogtei-VerhaUtnisB  dem  Stifte  nicht  immer  von  besonderm  Vortheil 
gewesen,  zeigt  die  Urkunde  desselben  Herrn  Gerlach  vom  Jahre 
1364.  Denn  das  Stift  wurde  dadurch  auch  an  den  Fehden  betheiligt, 
in  welche  sein  Vogt  verwickelt  war,  und  muss  grade  zu  Herrn 
Gerlach's  Zeiten  hart  mitgenommen  worden  sein.  Wenigstens  lässt 
sich  aus  der  Urkunde  schliessen,  dass  die  Kirche  und  das  Stift  zer- 
stört worden  war  und  dessbalb  eines  Neubaues  bedurfte.  Da«  Ver- 
sprechen des  Herrn  Gerlach,  das  Stift  bei  seinen  alten  Hechten  und 
Freiheiten  zu  lassen,  wie  man  sie  ihm  zu  den  ungebotenen  Dingen 
unter  den  vier  Schirnen  zu  Obermoxstadt  (wohl  derselbe  Ort,  den 
das  Weisthum  als  Spielhaus  bezeichnet)  theile,  und  diese  Gerichte 
zu  hegen  und  zu  beschirmen,  war  übrigens  wohl  die  Veranlassung 
zu  dem  vorerwähnten  im  folgenden  Jahre  geschöpften  Weisthum. 
Noch  ungünstiger  scheint  sich  die  Lage  gestaltet  zu  haben,  als  1405 
Herr  Johann  von  Limburg,  den  der  Erzbischof  von  Mainz  1400  mit 


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—    487  — 

der  Vogtei  belieben  hatte,  sein  Schloss  und  Gericht  Staden  an  Johann 
von  Isenburg,  Herrn  zu  Büdingen,  die  Burg  Friedberg  und  17  Ritter 
verkaufte  und  diesen  Ganerben  auch  die  Gerichte  und  Dörfer  Ober- 
moxstadt,  Niedermoxstadt  und  Hegheim  mit  allen  Zubehörungen 
ttberliess.  Denn  dieser  Gesammtheit  gegenüber  musste  es  dem  Stifte 
schwer  fallen,  sich  bei  seinen  Rechten  zu  halten  und  von  deren  Fehden 
unberührt  zu  bleiben.  Merkwürdig  ist  die  Urkunde  vom  Jahr  1400 
(feria  VI.  post  festem  annunc.  Mariae),  in  welcher  die  Ganerben 
festsetzen,  zu  welchen  Theilen  sie  an  dem  genannten  Schloss  und 
den  Gerichten  berechtigt  sein  sollen.  (Scriba  Reg.  1943.)  Herrn 
Johann  von  Isenburg  gehört  ein  Viertel,  ein  anderes  der  Burg  Fried- 
berg, Ydel  Weiss  von  Fauerbach,  Johann  von  Stockheim,  Eberhard 
Weiss  und  Conrad  Weiss,  und  zwar  so,  dass  die  drei  Letztgenannten 
die  eine  Hälfte  dieses  Viertels  besitzen,  an  der  andern  Hälfte  die 
Burg  Friedberg  drei  Theile,  Ydel  Weiss  einen  Theil  hat.  Das  dritte 
Viertel  gehört  Conrad  von  Carben,  Gilbrecht  Weiss  von  Fauerbach, 
Johann  und  Werner  von  Stockheim,  dergestalt  dass  Conrad  hieran 
die  Hälfte,  den  andern  drei  die  andere  Hälfte  zukommt  und 
hieran  wieder  Gilbrecht  Weiss  so  viel  hat  als  die  zwei  andern. 
In  das  letzte  Viertel  endlich  theilen  sich  „nach  marzalu  Conrad  von 
Cleen,  Eberhard  Low  von  Steinfurt,  Mengoz  von  Düdelsheim,  Henne 
von  Cleen,  Eppich  von  Cleen,  Heinrich  von  Buches,  Ludwig  Weiss 
von  Fauerbach,  Hermann  von  Buches,  Jorg  und  Henne  Vogt  von 
Vilbel.  Stirbt  einer  der  Betheiligten  und  hinterlässt  keinen  Manns- 
stamm, so  sollen  nicht  Töchter  erben,  sondern  die  nächsten  Gan- 
erben den  erledigten  Theil  an  sich  nehmen.  Namens  der  Ganerben 
aber  wird  noch  in  demselben  Jahre  1405  der  Ritter  „Eitelweiß"  von 
Fanerbach  von  dem  Mainzer  Erzbischofe  mit  Ober-  und  Nieder- 
moxstadt und  Hegheim  als  rechtem  Mannlehen  beliehen.  (In  gleicher 
Weise  erhielt  noch -1607  Adam  Eberhard  von  Carben  dasselbe 
Lehen.)  Hiernach  waren  auch  die  Vogtei -Rechte  der  Herren  von 
Limpurg  auf  die  Ganerben  übergegangen  und  diese  hatten  damit 
ebenso  die  Schirmpflicht  des  Stifts  übernommen.  Obwohl  aber  das 
Letztere  sich  alsbald  nach  diesem  Verkaufe  mit  den  Ganerben  in 
dieser  Hinsicht  zu  einigen  suchte,  so  kam  es  doch  in  kurzer  Zeit  zu 
so  heftigen  Streitigkeiten,  dass  das  Stift  die  Granerben  gegen  Basel 
citirte  und  die  Erkennung  des  Banns  über  sie  erwirkte.  Erst  im 
Jahre  1407  gelang  es  dem  Erzbischof  Dietrich  von  Mainz  einen 
Vergleich  zwischen  beiden  Theilen  zu  vermitteln  und  es  geht  aus 
demselben  hervor,  dass  die  Ganerben  nicht  nur  die  Kirche  und  die 
Güter  des  Stifts  arg  geschädigt,  sondern  namentlich  dessen  „Stein- 


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-    488  - 

haus"  zu  Moxstadt  zerstört  hatten.   Es  muss  dies  ein  burgartiges 

Gebäude  gewesen  sein,  welches  sich  die  Stiftaherren  zu  ihrer  Sicher- 
heit mitten  unter  dem  fehdelustigen  Adel  erbaut  hatten,  denn  es 
wurde  bei  der  Gestattung  des  Wiederaufbaut  ausdrücklich  bedungen, 
dass  es  nicht  so  fest  werden  solle,  um  dem  benachbarten  Schlosa 
Staden  gefährlich  zu  werden.  Auf  lange  hinaus  war  jedoch  dem 
Stifte  damit  die  Buhe  nicht  gesichert  Es  fehlen  zwar  Nachrichten 
über  die  einzelnen  Vorfälle,  aber  es  lag  in  .  der  Natur  der  Dinge, 
dass  ein  friedliches  Verhältniss  zwischen  Raubrittern  und  einem  zu  kräf- 
tigem Widerstande  unfähigen  Stifte  nicht  dauernd  bestehen  konnte. 
So  beschloss  das  Stift  1435,  wegen  der  steten  Bedrängniss  und  Ver- 
gewaltigung durch  die  Ganerben  an  geistlichem  Gerichte  Becht  zu 
suchen  und  1508  kam  es  zu  dem  Entschlüsse,  wegen  der  häufigen 
Beraubungen  durch  die  Stadener  Bitter  seinen  Sitz  an  einen  anderen 
sichereren  Ort  zu  verlegen.  Dieses  Vorhaben  scheint  damals  nicht  in 
Ausführung  gekommen  zu  sein,  als  aber  im  Laufe  des  16.  Jahrhun- 
derts die  Beformation  unter  dem  besondern  Schutze  der  Ganerben 
in  den  Stiftsdörfern  Eingang  fand,  begab  sich  das  Stift  nach  Frank- 
furt und  fand  hier  Aufnahme  im  St  Leonhards-Stift.  Das  Jahr,  in 
welchem  dies  geschehen,  lässt  sich  nicht  angeben,  doch  wird  die 
Uebersiedlung  wohl  kurz  vor  1580  und  jedenfalls  muss  sie  vor  1585 
stattgefunden  haben.  Denn  1579  fand  in  Frankfurt  der  Angriff  auf  den 
Dechanten  Bromsack  statt  und  1585  wurde  der  s.  g.  Steinheimer 
Vertrag  von  dem  Erzbischofe  von  Mainz  mit  den  Ganerben  abgc* 
schlössen.  In  demselben  wurde  dieAenderung  der  Religion  zugelassen 
und  die  Anstellung  eines  protestantischen  Pfarrers  zu  Moxstadt  ge- 
stattet, von  dem  Stifte  und  dessen  Bechten  aber  nichts  gesagt:  sed 
in  hac  transactione  nulla  fit  mentio  capituli  aut  juris  ejusdem,  wie 
sich  ein  späterer  Bericht  ausdrückt.  Seine  Güter  und  Gefälle  hatte 
das  Stift  behalten  und  dass  es  hieran  im  Laufe -der  Jahre,  namentlich 
in  den  Zeiten  des  dreissigj ährigen  Kriegs,  grossen  Verlust  erlitt, 
ergibt  ein  1643  unter  der  Ueberschrift:  Status  miserrimus  ecclesiae 
Moxst.  gefertigtes  Verzeichniss  seiner  Einkünfte.  Später,  als  bei  der 
Theilung  des  Gerichts  Staden  zwischen  Isenburg  und  den  übrigen 
Ganerben  die  drei  s.  g.  Stiftsdörfer  an  Isenburg- Büdingen  kamen 
(1662,  durch  den  kaiserl.  Commissionsspruch ,  Büsching  IIL  3033, 
Scriba  3113),  entstanden  neue  Streitigkeiten  mit  diesem  Hause 
wegen  Einziehung  der  Gefälle.  Eine  um  1700  gemachte  Aufzeich- 
nung, „notae  circa  statum  ecclesiae  Moxst.  breves"  gibt  von  der  da- 
maligen Lage  des  Stiftes  eine  trübe  Schilderung.  Es  heisst  hier : 
Bekannt  ist  es,  in  welchen  Stand  bei  Veränderung  der  Religion 


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-    489  — 

gemeldetes  Stift,  nach  und  nach  bis  auf  den  Steinheimer  Vertrag 
gesetzt  worden.  Bekannt  sind  seine  Leiden  im  dreissigjährigen  Kriege, 
bekannt  die  seit  ungefähr  1660  zwischen  dem  Stift  und  den  Stadener 
Ganerben,  nachher  Isenburg  obgewalteten  jetzt  durch  Erzbischof 
Lothar  Franz  verglichenen  Verdrießlichkeiten:  so  ist  das  Stift  herun- 
ter gekommen,  es  hat  zur  Erhaltung  des  unkatholischen  Pfarrers  und 
Schulmeisters  zu  Moxstadt  (denn  religio  catholica  ist  eliminirt  nach 
Massgabe  des  anni  decretorii)  den  grossen  und  kleinen  Zehnten 
zurückgelassen,  auch  seine  Grundzinsen  cediren  müssen;  es  ist  ihm 
zwar  ein  Stticklcin  katholischen  exercitii  gelassen,  mit  der  Auflage 
in  der  Kirche  eine  Separatmaucr  aufzuführen,  dahinter  den  Altar, 
den  Lättner  (oder  Männer-Bien)  und  die  Beichtstühle  zu  haben,  aber 
es  muss  ein  Priester  gesucht  werden  um  die  Kirche  zu  halten,  denn 
an  dem  Ort  darf  keiner  wohnen;  seinen  Gottesdienst  hält  das  Stift 
alliier  zu  Frankfurt  ad  S.  Leonardum  und  muss  in  subsidium  cerae 
etc.  Zahlung  leisten.  So  war  denn  in  den  letzten  Zeiten  das  Stift 
Moxstadt  eigentlich  nur  dem  Namen  nach  vorlianden;  die  übrig 
gebliebenen  Einkünfte  scheinen  zumeist  dazu  gedient  zu  haben,  um 
durch  Verleihung  der  Präbenden  das  Einkommen  anderweitiger 
Pfründen  -  Inhaber  zu  verbessern.  Es  hatte  sich  überlebt  und  unbe- 
achtet, wie  es  zuletzt  bestanden,  ging  es  unter. 

Das  alte  Siegel  des  Stifts  zeigt  einen  sitzenden  Probst  mit 
Stab  und  Buch,  das  jüngere  den  heiligen  Martin.  Es  sind  noch 
die  drei  Originalstempel  im  hiesigen  Archive  vorhanden.  Das  grössere 
Siegel  führt  die  Umschrift:  S.  Conventus  Ecclesie  Sti.  Martini  in 
Moxstat.  Die  beiden  anderen  kleineren  haben  die  Umschrift:  Sigil- 
lum  capituli  Ecclesie  colleg.  Moxstadiensis.  Die  letzteren  stammen,  wie 
die  Form  der  Buchstaben  zeigt,  nicht  aus  derselben  Zeit:  sie  wurden 
ad  causas,  zu  weltlichen  Geschäften  benutzt  (vergl.  Reg.  37)  und  der 
häufige  Gebrauch  oder  der  Umstand,  dass  die  Siegel  einmal  dem 
Erzbischofe  von  Mainz  eingehändigt  worden,  scheint  die  Fertigung 
des  jüngeren  Siegels  veranlasst  zu  haben. 


Reges  ten. 

(Die  mit  t  bezeichneten  Urkunden  sind  in  latein.  Sprache  abgefasst.) 
1 1220.  XIII  Kai.  Jun.  (20.  Mai).  Ernst  Sifrid  von  Mainz  verfugt  in 
(1.)  Betracht  der  geringen  Mittel  der  Kirche  zu  Moxstadt,  das« 
nach  dem  Tode  oder  der  Resignation  eines  Bruders  (d.  h. 
eines  Canonicus)  die  Einkünfte  des  folgenden  Jahres  der 
Kirchenfabrik  zufallen  sollen,  bis  die  Kirche  vollendet  sei 
Baur  Urk.  III.  1513. 


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fl269  Rupertus  von  Heyderscheim  schenkt  mit  s.  Ehe- 

(2.)   gattin  Hedwig  als  Seelgerette  seine  Güter  in  Holtzassen  der 
Kirche  in  M.  [Cop.  auf  Papier.] 
f  ca.  1260— 1286.  (s.  die  et  anno.)  Gerlach  von  Limpurg  und  seine  Ge- 
(3.)   malin  gestatten  dem  Gebhardus  Prime  von  Staden  den  Ver- 
kauf ihrer  Güter  in  Moxstadt 

Gerlacus  de  Limpurg  et  Meina  uxor  ejus  tenore  presentium  re- 
cognosctmus  et  publice  profitemus  quod  de  bona  volnntate  per- 
mittiinus  et  consentimus  quod  Gebhardus  dictus  Prime  de  Staden 
vendidit  bona  nostra  sita  in  Mukestat  que  fuerunt  ilarmudi  dicti 
Schimere  nomine  proprietatis.  In  cujus  rei  tcstimonium  bas  literas 
dcdimus  sigüli  noetri  rouoimine  roboratas.  Huius  rei  teste*  Wolra- 
mus  scultetus  de  Frankenvort.  Marcholfus  de  Nasen.  Heinricus  de 
Hazegeystein. 

f  1266.  Die  Brüder  Conrad,  Hermann  und  Walter  von  Lybesberg 
(4.)   verkaufen  ihr  Gut  in  Aldenstadt  dem  Heinrich  von  Bleichen- 
bach, einem  Canonicus  zu  Moxstadt.    Diöc.  Mog.  UI.  231. 
Scriba  567. 

f  1275.  Idus   Dec.  Tragbodo  von  Eisenbach,  Probst  zu  Moxstadt, 
(5.)   und  Canon,  zu  Mainz, «übergibt  dem  Decanate  der  Kirche  zu 
M.  alle  Aecker  der  Blasius  -  Kapelle  daselbst  mit  dem  anstos- 
senden  Baumgarten.  D.  M.  III.  229.  Scr.  652. 
f  1275.  Erzb.  Werner  von  Mainz  befiehlt  dem  Dccane  zu  Moxstadt, 
(6.)   alle  Güter  und  Einkünfte  der  M.  Kirche  zwischen  sich  und 
seinen  Concanonikern  gleichheitlich  zu  theilen.  D.  M.  UI.  229. 
Scr.  654. 

f  1275.  Derselbe  bestimmt,  dass  nach  dem  Ableben  des  zeitigen 
(7.)  Decans  Gottfried  der  von  demselben  bewohnte  Hof  mit  allen 
zu  seiner  Prftbende  gehörigen  Aeckern  und  Wiesen  fortan 
zum  Decanate  gehören  solle,  ausgenommen  die  Zehnten  und 
Güter  in  llolzsassen,  welche  gleichheitlich  zwischen  dem 
Decane  und  den  Canonikern  zu  theilen  seien.  D.  M.  1U.  229. 
Scr.  655. 

f  1275.  Derselbe  bestätigt  die  obige  Verfügung  des  Probstcs  Trag- 
(8.)    bodo,  seines  Kapellans.  D.  M.  III.  230.  Scr.  652. 

f  1277.  VI  Id.  Jan.  (8.  Juni.)  Die  Brüder  Heinrich  und  Bertram 
(9.)    von  Bleychcnbach,  Canoniker  zu  Moxstadt,  schenken  der 
Kirche  daselbst  verschiedene  Zinsen  zu  Ranstat  und  Wolfar- 
teshusen,  damit  das  Licht  in  derselben  reichlicher  unterhalten 
werde.  JoannisBer.Mog.  H.894.  Scriba671. Baurill  1551. 
f  1277.  VI  Id.  Jan.  Diosclben  schenken  dieser  Kirche  zum  Seelen- 
(10.)  gerette  alle  ihre  Güter  in  Aldenstat 


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t  1277.  III  Non.  Apr.   Der  Dekan  Gotrridus  in  M.  schenkt  seine 
(11.)  Güter  in  Holtaassen  als  Seelgerette  der  Kirche  in  M.  fCop. 
auf  Papier.J 

f  1277.  V  Non.  Jul    Erzb.  Werner  von  Mainz  verfugt  in  Betracht 
(12.)  der  geringen  Personenzahl  des  Stifts,  dass  nur  den  anwesen- 
den Canonikcrn  die  Einkünfte  ihrer  Präbenden  gegeben 
werden  sollen.   D.  M.  III.  231.   Scr.  676. 

f  1284.  III  Kai.  Aug.   Gerlacus  dominus  de  Limpurg  genehmigt  in 
(13.)  seinem  und  seines  Sohnes  Johannes  Namen  den  Verkauf  des 
Zehntens  in  Hegeheim ,  welchen  Rudolfas  civis  Geylinhusensis 
als  ein  Lehen  des  Gerlach  seither  besessen  hatte,  an  die 
M.  Kirche. 

f  1289.  III  Kai.  Mart.  (27.  Febr.)  Der  Moxst.  Dekan  Ger.  beur- 
(14.)  kündet,  dass  er  die  Güter  in  Aldenstadt,  welche  er  mit 
seinem  verstorbenen  Bruder  H.  gekauft  und  der  Kirche  in 
M.  schon  längst  übergeben  habe,  unter  gewissen  Bedingungen 
in  die  Hände  des  Canonicus  Heinrich  genannt  Moyn  für  das 
Stift  resignirt  habe.  Unter  den  Zeugen  wird  auch  Frater 
Theodoricus  dictus  Hacho,  also  ein  Moxst  Canonicus,  mit 
aufgeführt.  Bauer  III.  1560.  (In  einer  Abschrift  heisst  der 
Dekan  Bertram  und  ist  sonder  Zweifel  der  1277  mit  s.  Bru- 
der Heinrich  vorkommende  Bertram  von  Bleichenbach.) 

f  1289.  IH  Kai.  Mart    Die  Brüder  und  Canoniker  der  Kirche  in 
(15.)  M.  beurkunden  diese  Schenkung. 

1299.  IV  Non.  Apr.  Die  Richter  zu  Mainz  beurkunden  in  einem 
(16.)  Rechtsstreit  deB  Decans  und  Capitels  zu  Moxstadt  gegen  die 
Brüder  Heinrich  und  Conrad  von  Waldradehusin ,  betreffend 
eine  von  deren  Vetter  Eberhard  dem  Stifte  gemachte  Schen- 
kung von  drei  Maltern  Getraide,  in  welcher  Webe  die 
darüber  abgehörten  Zeugen,  darunter  der  Moxst.  Canonicus 
Bertram  von  Bleychenbacb,  ausgesagt  haben.  D.  M.  III.  232. 
Scr.  880. 

1302.  In  festo  Barth.  Sifrid  von  Solms,  Probst  zu  M.  und  Cano- 
(17.)  nicus  zu  Mainz,  überträgt  den  zur  Probstei  gehörigen  Wald 

dem  Decan  und  ganzen  Capitel  zu  M.   D.  M.  III.  233. 

Scr.  911. 

1 1307.  IH.  infra  octav.  nativ.  Mariae.    Liebhardus  und  seine  Ver- 
(18.)  wandte  Guda  von  Rodcheym  entsagen  allen  Rechten  an  die 
bei  Ober -Moxstadt  gelegenen  Güter,  welche  Harbordus  einst 
den  Canonikern  der  Kirche  zu  M.  geschenkt  hat 


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—  492 


1307.  Cathed.  Der  Edelknecht  Henrich  Lorbachir  verkauft  dem 
(19.)  Stifte  zu  M.  seine  Grundstücke  daselbst   (Cop.  auf  Papier). 

f  1308.  Cal.  Jul.   Erzb.  Peter  von  Mainz  bekennt  den  edeln  Mann 
(20.)  Job.  von  Limpurg  mit  der  Vogtei  in  Ober-  und  Nieder- 
Moxstadt  beliehen  zu  haben.  (Cop.) 

Nos  Petras  d.  g.  S.  Mogunt  sedis  archiep.  sacri  imperii  per  Oer- 
maniam  archicancellarius  recoguoscimus  tenore  praesentiam,  publice 
profitentee,  nos  oobili  viro  Joanni  de  Lynburg  Advocatiam  in  su- 
periore  at  inferiori  Moxstadt  ac  in  villa  Heegheimb  cum  suis  per- 
tinentiia  jaribus  et  honoribas  et  attineotiis  universis,  quatenos  nos 
et  ecclesiam  nostram  contingit  sicut  idem  Joannes  a  nostris  praede- 
cesaoribus  babuit,  contulisse  titulo  feudal i  de  qua  sibi  sub  nostrarum 
praesentiam  testimonio  literarum  veram  warandiam  facimus  ut  te- 
nemur.  Datum  in  villa  Anno  dorn.  1308  Cal.  Jul. 

1313  am  .12.  Tage.   Heinrich  von  Dorheim  verständigt  sich  mit 
(21.)  dem  Mugstater  Capitel  und  entsagt  allen  Forderungen  an 
dasselbe. 

f  1326.  H  Kai.  Junii.    Der  Abt  Heinrich  von  Fulda  tritt  Güter  in 
(22.)  Rode,  Wolfartshusen ,  Ranstadt,  Huchilheim  und  Wecking- 
scheim  an  die  Kirche  zu  M.  ab. 

1333.  Sonntag  vor  Cristisdage.   Die  drei  Gebrüder  von  Bleychen- 
(23.)  bach  verkaufen  dem  Stifte  zu  M.  all  ihr  Gut  zu  Ober- 
Moxstadt 

1335.  Fer.  H.  post  asc.  dorn.  Die  Gattin  des  Friedrich  Dugel  von 
(24.)  Merodde  verkauft  dem  Stift  zu  M.  einen  Korngulden  zu 

WilliniresBaßscn. 

1335.  dominica  Cant.  Die  geistliche  Jungfr.  Gerdrud  von  Clen 
(26.)  verkauft  dem  Stifte  zu  M.  einen  Korngulden  zu  grossen 

Aldenstad. 

1336.  Donnerstag  vor  Allerheiligen.  Conrad,  Johann  und  Bertram 
(26.)  von  Bleychenbach  verkaufen  dem  Decan  und  Capitel  zu  M. 

alle  Güter  in  Hoenheim  um  29  Mark  leichter  Pfennige,  deren 
man  zwei  für  drei  Haller  zählt  D.  M.  HI.  234.  Scr.  1282. 
cfr.  Reg.  Boica  VII.  164. 

1343.  Urbani.  Der  Edelknecht  Heynrich  von  Langitte  verzichtet 
(27.)  zu  Gunsten  des  Stifts  zu  M.  auf  all  sein  Gut  in  Rode  bei 

Ranstadt. 

1344.  Valent.  Das  Stift  zu  M.  gibt  dem  Edelknecht  Henrich  Lor- 
(28.)  bacher  sein  Gut  zu  Wolfartiahusen  in  Erbpacht. 


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1345.  Petri.   Erklärung  des  Gerlach  Monich  über  das  Seelgerette 
(29.)  (Weingarten  zu  Dodilsheim),  welches  Wernher  Struch  dem  Stift 
M.  gegeben  hatte.    (Ist  Transfix  eines  undatirten  Briefs  des 
Ritters  Dile  von  Beldirsheim  über  diese  Weingärten.) 

1345.  am  Sende  nach  Johanni.  Aussage  der  Anverwandten  des 
(30.)  W.  Struches  über  das  Seelgerette  desselben  beim  M.  Stifte. 

1 1345.  Dienstag  vor  Purif.  Mar.  Johann  von  Hegeheim  Dechant  des 
(31.)  M.  Stifts,  bekennt   dass  er  für  seinen  Todesfall  genannte 
Grundstücke  der  Pfarrei  zu  Hegeheim  gegeben  habe. 

1346.  Tag  nach  dem  18.  Tage.  Hermann  von  Wertdorf  und  Andere 
(32.)  vergleichen  sich  mit  dem  Stifte  zu  M. 

1348.  Fer.  II  ante  Phil,  et  Jacob.  Der  Edelknecht  Lorbecher  bekundet, 
(33.)  dass  das  M.  Stift  ihm  das  Gut  zu  Wolfarteshusin  in  Erb- 
pacht gegeben  habe. 
1363.  Samstag  vor  dem  12.  Tag.    Durch  Vermittlung  des  Ritters 
(34.)  Johan  von  Buches  und  des  Heinrich  Moyn  verzichtet  Hein- 
rich Laufstedir  von  Hegeheim  auf  ein  Gut  daselbst  zu  Gun- 
Bten  des  M.  Stifts. 
1354.  H  Id.  Jan.    Erzb.  Gerlach  von  Mainz  eximirt  den  Schola- 
(35.)  sticus  und  Can.  Gerlach  von  Butzbach  zu  Moxstadt  von  s. 
persönlichen  Dienstleistung  daselbst.    Würdtwein  nota  subs. 
dipl.  V.  praef.  Nr.  22.   Scr.  1481. 
i"  1354.  Antonii.   Päbstliche  Commissare  entheben  das  M.  Stift  von 
(36.)  der  Excommunication  und  andern  Strafen,  denen  dasselbe 
wegen  Ungehorsams  gegen  päbstliche  Anordnungen  unter- 
worfen worden  war. 
f  1355.  XI  Kai.  Maj.   Conrad  von  Hockler  Dechant,  Gerlach  von 
(37.)  Budisbach  Scholaster  und  der  ganze  Convent  verpachten  eine 
curia  des  Stifts.    (Angehängt  ist  des  Stifts  kleineres  Siegel, 
genannt  Sigillum  ad  causas.) 
1357.  In  festo  Kath.  virg.    X)er  Edelknecht  Heinrich  Lorbechir, 
(38.)  seine  Frau  und  Kinder  verkaufen  mit  gesammter  Hand  dem 
Dechant  und  Capitel  zu  M.  ihre  Güter  zu  Ober-Moxstadt  um 
27  Pfund  Heller.   D.  M.  HI.  234.   Scr.  152a 

1360.  In  festo  S.  Briccii  confess.  Wyenher  Habermann  et  uxor 
(39.)  Gela  verkaufen  Herrn  Heinrich  von  Else  Dechant  und  dem 
Stifte  zu  M.  den  achtel  Korngeldes  ewiger  und  jährlicher 
Guide  aus  ihrem  Gute  zu  Nieder-Moxstadt.  Herr  Gerlach 
von  Lympurg  ist  Siegler.  (Abschrift  von  1452,  beglaubigt 
von  Henne  von  Echzel,  dessen  Siegel  aufgedrückt  ist.) 


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1361.  Miseric.  dorn.  Schiedsrichterspruch  des  Ritters  Conrad  Behefan 
(40.  )  von  Morle  in  dem  Streit  des  Wigand  von  dem  Baches  mit  dem 
11  Capitel  über  ein  Gut  zu  Hegeheim. 

1364.  Galli.  Gerlach  Herr  zu  Lympurg  ersetzt  dem  M.  Stifte  den 
(41.)  in  seinen  Kriegen  erlittenen  Schaden  dadurch,  dass  er  ihm 

seine  alten  Freiheiten  verbürgt. 

Wir  Gerlacus  Herr  za  Lympurg  and  wir  Else  sein  ehel.  Haus 
frau  thun  kund  .  .  .,  wenn  die  ehrsamen  Herrn  Dechant  und  Ca- 
pitel und  das  Stift  gemeinlich  zu  M.  grossen  Schaden  und  Verlust 
empfangen  haben  in  unaerem  Kriege,  hierumb  zu  ergetzen  und  zu 
erstatten  sie  ihres  Schadens  und  Verluste,  so  han  wir  ihnen  diese 
Gnad  und  Freundschaft  gethan,  also  hernach  geschrieben  stehet, 
mit  Nahmen  : 

So  sollen  wir  Ihnen  und  Ihrem  vorg.  Stift  lassen  alle  ihre  Frey- 
heit  und  Recht  alß  sie  von  alten  gehabt  han  bei  unsern  Vorfahren 
und  Eltern,  mit  Nahmen  alß  man  Ihnen  theylet  zu  den  nngebodten 
Dingen  unter  den  4  schirnen  zu  Obermoxstadt  und  Bollen  wir  und 
uosere  Amptleuthe  von  unsern  wegen  die  vorg.  ungebodtoo  Ding 
hegen  und  beschirmen  ernstiglich  und  getreulich. 

Auch  sollen  wir  Ihnen  die  Kirche  und  Stift  daselbst  zu  Mörstadt 
widerthun  und  reichen  so  wir  aller  erst  mögen  ohne  Arglist. 

Vortmehr  so  sollen  wir  bestellen  an  die  zu  Obermoxstadt  und 
die  darzu  halten,  dass  sie  dem  vorg.  Stift  die  Wey  dt  die  da  heiast 
das  alaß  und  die  obere  Haag  die  die  Nachbarn  zu  Ober-Moxstadt 
mit  ihnen  gemein  hat,  dass  die  Nachbarn  ihnen  die  zumahleu  lassen 
12  Jahre  lang  die  allererst  nach  einander  kommen,  ohnmittel  zu 
dem  Baw  des  vorg.  Stifts. 

Vortmehr  so  sollen  wir  bestellen  und  die  Nachbarn  zn  Ober- 
Moxstadt  darzu  halten,  dass  sie  ihnen  das  newe  Hauß  reumen  und 
daruß  thun  was  sie  darin  hant,  dass  die  vorg.  Herren  ihr  Gemach 
zu  ihrer  Notturft  darin  haben  mögen. 

[Zur  Urkunde  siegeln  die  Aussteller.] 

Datum  A.  D.  1364  ipso  die  S.  Galli  confessoria. 

f  1366.  XIV  cal.  Maj.  Der  Kardiualpriester  Pileus  bestätigt  dem 
(42.)  Decan  und  Kapitel  zu  M.  ihre  Indulgentien,  Statuten  und  Gewohn- 
heiten.  Reg.  Boica  IX.  120.   Scr.  1600. 

1365.  15.  Mai.  Weisthum  über  die  Gerechtsame  der  Herren  von 
(43.)  Limburg  und  des  Stifts  zu  M.  in  dem  Gerichte  Ober-  und 

Niedermoxstadt  und  Hegeheim.  Grimm  Weistb.  III.  43ö. 
Scr.  1602. 

1366.  Feria  V  infra  octavas  1.  paschae.  Johannes  Herr  zu  Lym- 
(44.)  purg  bestätigt  den  Brief  seines  Bruders  Gerlach  und  dessen 

Ehefrau  Else,  den  Gott  gnade,  unter  s.  Siegel. 


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1366.  in  die  b.  Valent  Die  Burgmannen  und  Schöffen  zu  Staden 
(45.)  als  gewillkührte  Richter  entscheiden  die  Zwistigkeiten  des 
Stifts  M.  mit  Henzen  Hasensteybe  wegen  eines  Landsiedel- 
guts.   Der  zweite  der  Streitpunkte  betruft  das  WympÜ,  das 
die  Herren  des  Stifts  sich  gearbeitet  haben  und  wegen  dessen 
abgeredet  war,  dass  man  ihnen  oder  ihren  Landsiedel,  die 
das  Wympil  halten,  keinen  Schaden  zufügen  solle.   Die  Sieg- 
ler waren  die  Edelknechte  "Wolf  von  Burgbach  und  Ulrich 
Krug,  deren  Siegel  noch  anhängen. 
1378.  Fer.  HI.  p.  Pasche.    Mentzer  Grefe  von  Assinheym  legt  als 
(46.)  Obmann  den  Streit  zwischen  dem  M.  Stifte  und  dessen  Land- 
sidem  in  Hegehaym  und  Mozstadt  bei. 
1 1380.  1.  Mai.   Notariats-Instrument,  wonach  das  M.  Stift  gegen  das 
(47.)  von  Erzb.  Ludwig  von  Mainz  wider  dasselbe  eingehaltene 
Verfahren  protestirt  und  sich  die  Appellation  an  den  Papst 
vorbehält 

1387.  Thymothei.    Heinrich  von  Hutzenrode  gibt  als  Seelgerette 
(48.)  dem  M.  Stifte  das  Gut  zti  Wolffershusen,  welches  des  alten 
Thymen  Gut  heisst. 
1 1390.  Dom.  Exaudi  (29.  Mai).   Hermann  erzb.  Generalvicar  zu  Mainz 
(49.)  weiht  die  Kapelle  auf  dem  Felde  zu  M.  zu  Ehren  der  h. 
Katharina  und  des  h.  Donat   Joannis  B.  Mog.  H.  906. 
Scr.  1810.  4662. 

1400.  Der  Erzb.  von  Mainz  ernennt  Johann  von  Limpurg  zum  Vogt 
(50.)  in  Moxstadt  und  Hegheim.  (Copie.) 

1405.  Fer.  IV  ante  Valent.  Mart.  (11.  Febr.)  Johann  Herr  zu  Lim- 
(61.)  purg  und  seine  Gemalin  Hildegart  von  Sarwerden  verkaufen 
an  Sibold  Low  von  Steinfurt,  Eberhard  Weis  von  Fauerbach, 
Eppechin  von  Cleen  und  Henne  von  Stockheim  Schloss  und  Stadt 
Staden  mit  den  Gerichten  und  Dörfern  Ober-Moxstadt,  Nie- 
der-Moxstadt,  Heegheim  u.  s.  w.  Ysenb.  Succ.  Hecht.  Beil.  1. 
Scr.  1938. 

1405.  Fer.  IV  post  Val.  (18.  Febr.)   Abt  Joh.  v.  Fuld  willigt  in 
(62.)  den  Verkauf  des  Schlosses  und  der  Stadt  Staden  von  Seiten 
Johannes  Herrn  von  Limpurg  an  Johann  von  Isenburg- 
Büdingen,  Burg   Friedberg  und   17  benannte  Ganerben. 
Ysenb.  Succ.  B.  BeiL  5.  Schannat  client.  Fuld.  N.  155.  Scr.  1941. 
1405.  Fer.  IV  post  Valentini.    Erzb.  Jobann  von  Mainz  verleiht 
(63.)  Ober-  u.  Nieder-Moxstadt  sowie  Hegheim  zu  rechtem  Mann- 
lehen dem  Eytelweiss  von  Fauerbach,  Bitter,  an  Stelle  der 
Ganerben  von  Staden, 


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1405.  Primum  post  diem  St.  Valentini.   Das  M.  Stift  und  die  Gan- 
(64.)  erben  erklären  sich  über  den  Kauf  Stadens  durch  die  Letz- 
teren und  deren  Pflichten  gegen  das  Stift 
1407.  Freitag  post  divisionem  apost.  Erzb.  Dietrich  von  Mainz  be- 
(65.)  urkundet  zu  Aschaffenburg  den  zwischen  Probst,  Dechant  und 
Capitel  des  Stifts  M.  und  den  Ganerben  zu  Staden  durch  ihn 
vermittelten  Vergleich. 

Der  Vergleich  betrifft  im  Wesentlichen  folgende  Punkte: 

1)  Der  Schaden,  den  die  Ganerben  dem  Stift  an  der  Kirche,  dem 
Steinhause,  dem  Dorfe  und  seinen  Landsiedeln  getiian  haben,  soll 
zur  Entscheidung  stehen  bei  Dietber  von  Ysenburg  Herrn  zu 
Büdingen  und  Helwig  zu  Poppard,  des  Erzb.  Richter  zu  Höchst. 
Die  Ganerben  dürfen  das  Stift  am  Aufbau  des  Steinhauses  nicht 
hindern,  doch  soll  es  nicht  so  fest  werden,  dass  es  dem  Scbloss 
Staden  schädlich  wäre. 

2)  Die  Ganerben  sollen  das  Stift  bei  den  Freiheiten  lassen,  die  es 
bei  ihren  Vorfahren,  den  Herren  von  Limpurg  gehabt  und  nament- 
lich das  nngebotten  Ding  unter  den  vier  Scharren  zu  Ober  Mögen- 
Stadt  hegen  und  schirmen,  auch  die  Schöffen  nicht  an  ihrem 
Woissthum  hindern. 

3)  Ob  die  zwei  Wälde,  der  Buchwald,  den  die  Mogenstädter  ihre 
Mark  und  die  Gancrbcn  die  Stadter  Atla  nennen ,  end  der  Rein- 
hardt-Winkel,  sowie  die  Wiesen  dem  Stifte  gehören,  sollen  die 
geistlichen  Gerichte  entscheiden. 

4)  Das  weggenommene  Heu  sollen  die  Ganerben  vergüten. 

5)  Die  Zwietracht,  welche  bisher  bestanden  und  wegen  deren  die 
Ganerben  gen  Basel  citirt  und  zu  Bann  gebracht  sind,  soll  be- 
endigt sein. 

1429.  Sabb.  ante  Invocavit.  Vergleich  zwischen  dem  M.  Stift  und 
(56.)  Jungfr.  Eathar.  Stumpen  in  Betreff  eines  Ackers. 

1432.  For.  II.  ante  Symon.  et  Judae.  Genante  Männer  bescheinigen, 
(67.)  dass  sie  in  den  letzten  40  Jahren  den  Zehnten  von  einem 

Hegheimer  Acker  von  dem  Stifte  M.  gepachtet  und  erhoben 
haben. 

1433.  Judica.  Diether  von  Isenburg  Herr  zu  Büdingen  entscheidet 
(58.)  einen  Zwist  des  M.  Stifte  mit  Erwin  Metzeler  von  Ortinberg 

zu  Büdingen  wegen  des  von  beiden  Theilen  in  Anspruch  ge- 
nommenen Zehntens  von  einem  Hegeheimer  Acker. 

1435.  Empf.  Mariä.   Das  Stift  zu  M.  beachliesst  wegen  der  steten 

(69.)  Bedrängniss  und  Vergewaltigung,  welche  die  Gan erben  zu 
Staden  ihm  und  seinen  Landsideln  zufügen,  an  geistlichem 
Gerichte  Recht  zu  suchen  und  zu  diesem  Zwecke  einträchtig 
beisammen  zu  stehen. 

1437.  Vergleich  des  M.  Stifts  mit  den  Ganerben  zu  Staden 

(60.)  über  den  Bau  in  Mörstadt 


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1438.  Verzichtbrief  zweier  Leute  auf  den  Anspruch  von  4 

(61.)  Achtel  Korn,  welchen  sie  an  das  Stift  gemacht  hatten. 

1456.  Vertrag  zwischen  Gerlach  von  Ryneberg  und  dem  M. 

(62.)  Vicar  Johann  Gobel  über  Wiesen  zu  Nieder-M. 

1462.  Erbleihbrief  Uber  den  Pfarrhof  zu  M. 

(63.) 

1467.  Leihebrief  über  Grundstücke  uf  der  Holtzsassen. 

(64.) 

1468.  Freitag  nach  Kreutzerhöhung.  Ansprache  und  Schuldigung 
(65.)  des  Stifts  zu  M.  zu  den  Nachgeburn  und  Mennern  zu  Ranstat 

von  des  Zehends  wegen  der  Hube  die  man  nennet  die  pfaffen  hübe. 
(Auf  diesen  Streit  beziehen  sich  noch  mehrere  andere  Urkunden.) 

1469.  Die  Pfarrer  zu  Rodenbach,  Oberauwe  und  Höst  und 

(66.)  der  Kaplan  zu  St.  Kathar.  in  Lintheim  verkaufen  dem  M. 

Stift  eine  halbe  Hube  Selegeretes  Land  zu  Huchelnheim, 
welche  sie  von  dem  verst.  Ritter  Johann  von  Buches  her  be- 
sessen haben.  (Das  Siegel  des  Eberhard  von  Buches  hängt  an.) 

1478.  Freitag  nach  Margar.  Erzb.  Diether  von  Mainz  beurkundet, 
(67.)  dass  ihm  Cristian  Gansse,  Probst,  Dechant  und Capitel  St.  Martins 

zu  Moxst  ein  deutsches  Instrument  ad  vid.  vorgelegt  habe, 
welches  seinem  ganzen  Umfange  nach  inserirt  ist  (Es  ist  das 
Weisthum  von  1365.) 

1479.  Katharina.  Das  M.  Stift  verleiht  an  Godtfryts  Heintz  ein 
(68.)  Grundstück. 

-  1481.  Remigii.   Verzeichniss  der  Abgaben  von  des  Stifts  Hof  zu 
(69.)  Sondellyngen. 

1495.  Ausspruch  des  Mainzer  geistl.  Gerichts  gegen  das  weltl. 

(70.)  Gericht  zu  Staden,  btrf.  gewisse  dem  M.  Stift  zugehörigen 
Grundstücke  und  Gefälle  in  M.  und  Holtzsassen. 
f!503.  23.  Jan.   Der  Erzb.  von  Mainz  beauftragt  den  Dekan  der 
(71.)  Peterskirche  in  Fritzlar  mit  einer  Untersuchung  in  dem  Pro- 
cesse  über  födus  matrimonii. 
f  1507.  —  —  Dekan,  Scholaster  und  3  Kanoniker  des  M.  Stifts  be- 
(72.)  stellen  sich  einen  Procurator  im  Streite  mit  ihrem  Probate 
wegen  der  Gefälle  in  Holtzsassen.  (Notar-Instrument) 
f  1508.  10.  Nov.  Das  M.  Stift  beschliesst  wegen  seiner  öfteren  Be- 
(73.)  raubung  durch  Stadener  Ritter  und  Andere,  seinen  Sitz  in 
einen  andern  befestigten  Ort  zu  verlegen.  (Not-Instr.) 
1 1515.  —  —  Bestellung  von  Procuratoren  in  Betreff  der  preces  pri- 
(74.)  mariae  des  Erzb.  Albrecht  von  Mainz  und  der  in  Folge  da- 
von auf  den  Pastor  in  Dauernheim  übertragenen  Provision. 

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f  1519.  21.  Juni.  Jacob  Furster  wird  znm  Notarius  et  tabellio  publi- 
■  (75.)  cub  und  judex  Ordinarius  ernannt. 

1 1520.  23.  Juli.    Der  geistl.  Vicar  Theodorius  (Zabel  verleiht  dem 
(76.)  Donatus  Weber  aliter  Boler,    dem  Sohne  eines  Presbyter, 
die   Dispensation  zur   Erlangung   geistlicher  Aemter  und 
Würden. 

1520.  Antonii  Abbatis.  Der  Scholasticus  des  Stifts  M.  Johann  Mauss, 
(77.)  verkauft  einen  Wiederkaufsgulden  auf  seinem  Hofe  in  Alden- 
stat  an  den  Pfarrherrn  und  Altaristen  der  Friedbergcr  Pfarr- 
kirche. 

1527.  Lüne  post  regum.  Der  Probst  Georg  Laur  schreibt  aus  Cöln 
(78.)  an  Jodocus  Lochmann  Vicar  des  Frankf.  Liebfrauenstifts,  sich 

beklagend  und  Masnregeln  drohend,  weil  gewisse  Leute  in  M. 

ihm  das  Seinige  vergeudet  haben. 

f  1528.  Michaelis.  Das  M.  Stift  bevollmächtigt  einen  Canonicus,  seine 
(79.)  Gerechtigkeit  und  Nutzung  an  dem  hubischen  Gerichte  und 
Fautei  zu  Sondelingen  dem  Herrn  von  Königstein  zu  ver- 

f  1528.  1.  Weinmonat.  Protocoil  einer  Gerichtssitzung  zu  Sondelingen, 
(80.)  in  welchem  die  Gefalle  und  Rechte  des  M.  Stifts  daselbst 
bestimmt  und  dem  Herrn  von  Königstein  abgetreten  werden. 

1531.  17.  Juni.  Der  M.  Probst  Georg  Laur  quittirt  den  Empfang 
(81.)  gewisser  Gelder  vom  M.  Capitel  und  von  Spyer  von  Seiten 

des  in  Mentz  studirenden  Johan  Agricola  sonst  Cochley  (?) 
genannt. 

1532.  Non.  Hart.  Ein  Ungenannter  in  Cöln  gratulirt  dem  Decan 
(82.)  wegen  des  von  Johannes  Cochläus  erhaltenen  Deeanate  und 

entsagt  einer  Vicarie  des  St.  Barthol.  Stifts  in  Frankfurt, 
indem  er  zu  bewirken  bittet,  dass  diese  der  Unterkelner  Key» 
ner,  Famulus  des  Moxst.  Probstes  in  Cöln,  erhalte. 

1533.  Samstag  nach  Barth.   Der  M-  Probst  Georg  Laur  in  Cöln 
(83.)  schreibt  an  Philipp  Weis  von  Fauerbach,  Baumeister  zu  Sta- 
den, dass  er  seinen  Moxst.  Probstei-Zehnten  noch  langer  an 
ihn  und  Johann  Soder  verleihen  wolle. 

1551.  Freitag  nach  Remin.    Die  Baumeister  des  Schlosses  Staden 
(84.)  machen  den  Leuten  zu  Mörstadt  und  Hegeheim  bekannt,  wie 
viele  Pferde,  Schafe,  Kühe  und  Kälber  jeder  von  ihnen  halten 
dürfe  und  setzen  Strafen  an  für  die  Beschädiger  oder  Be- 
atebier von  Wiesen  und  Gärten. 


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  *  QQ   

1552.  Mich.  Dechant  u.  Scholaster  des  M.  Stifts  treten  eine  Prä- 
(86.)  bende  Behausung  ab,   damit  dieselbe  als  Scholasterie-Haus 

diene  und  die  alte  verfallene  Scholasterie  in  einen  Lustgarten 
des  Stifts  verwandelt  werde. 

1553.  Inr.  Steph.  Henne  Seyp  Schultheiss  zu  Obermoxstadt  bittet 
(86.)  den  Erzb.  von  Mainz,  seinen  zwei  Söhnen,  deren  einer  Ca- 

nonicus  zu  M.  ist,  ein  besseres  Einkommen  zu  verschaffen. 
(Der  Erzb.  schreibt  am  7.  August  an  das  Stift,  dieser  Bitte 
zu  willfahren.) 

1556.  29.  Jan.  Erzb.  Daniel  von  Mainz  schreibt  dem  M.  Stift,  dass 
(87.)  er  dem  Wolfgang  Wellen  eine  dortige  Präbende  bestimme, 
f  1557.  28.  Decbr.   Der  Decan  des  M.  Stifts  Joh.  Merckel  ertheilt 
(88.)  dem  Nie.  Heyl  von  Niedermoxstadt  eine  Präbende. 

1559.  Samstag  nach  Quasimodogen.     Der  Dechant  Joh.  Merckel 
(89.)  fordert  den  Scholasticus  Joh.  Bromsack  und  den  Vicar  Hein- 
rich Brom  sack  in  einem  Schreiben  auf,  die  Kirchengeschäfte 
zu  verrichten  und  die  Religions-Neuerung  abzuwehren. 

1559.  Dom.  V.  Trin.  Der  Dechant  J.  Merckel  und  der  Scholasticus 
(90  )  J.  Bromsack  Ubersenden  aus  besondern  Gründen  das  Stifts- 
siegel  und  einige  handschriftl.  Bücher  dem  Erzb.  von  Mainz. 

1573.  27.  April.  Die  Gemeinde  Ranstat  fordert  das  M.  Stift,  sein 
(91.)  dortiges  Einkommen  zur  Türken -Schätzung  zu  verschätzen. 

1574.  Johanni.  Das  M.  Stift  gibt  seinen  grossen  Hof  zu  Nieder-M. 
(92.)  an  Ludwig  Bredhauger  in  Erbpacht. 

1579.  11.  Mai.  Das  M.  Stift  bittet  die  Ganerben  von  Staden  um 
(93.)  Schutz  gegen  Phil.  Werner  Bucher  von  Staden,  welcher  in 

Frankfurt  den  Dechanten  Joh.  Bromsack  mit  dem  Schwerte 

angegriffen  hat. 

1585.  18.  Januar.  Der  Erzb.  von  Mainz  vergleicht  sich  mit  den 
(94.)  Ganerben  der  Burg  Staden  wegen  der  in  Moxstadt  und 

anderwärts  angenommenen  Augsburger  Confession.  (Der  s.  g. 

Steinheimer  Vertrag.) 

1587.  3.  Nov.  Der  Erzb.  von  Mainz  befiehlt  dem  Canon.Weißbrodt,  das 
(96.)  in  seinen  Händen  befindliche  Verzeichniss  der  Einkünfte  des 
M.  Stifts  an  die  erzb.  Canzlei  abzuliefern. 

(um  1590.)  ....   Wolfsbach,  Vicar  des   Frankf.  Barth.  Stifts, 

(96.)  bittet  den  päbstlichen  Nuntius  um  das  Moxst  Decanat. 

1592.  30.  Septbr.    Quittung  des  Ysenburgischen  Amtmanns  über 

(97.)  das  vom  Stifte  M.  bezalte  Schutzgeld  von  1584—1592. 

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1601.  5.  Janr.    Der  Erzb.  von  Mainz  schreibt  an  den  Dechanten 
(98.)  des  Frankf.   Barth.  Stifts,   um  sich  über  die  Gläubigkeit 
des  zum   M.   Canonicus   ernannten   Petrus    Schrainck  zu 

erkundigen. 

1603.  16.  März.  Der  Erzb.  von  Mainz  erlaubt  dem  M.  Stuft  ein 
(99.)  Anlehen  von  1000  Gulden  aufzunehmen. 

1607.  22.  Oct.  Aschaff.  Erzb.  Joh.  Schweickhart  von  Mainz  leiht 
(100.)  dem  Adam  Eberhard  vonCarben  die  Güter  zu  Moxstadt  und 

Hegheim,  wie  sie  Eytel  weil*  1405  zu  Lehen  empfangen  habe. 

1608.  22.  Juni.  Erbleihbrief  über  die  Holtzässen  und  das  Glock- 
(101.)  geländt 

1610.  11.  Juni   Das  M.  Stift  nimmt  den  Canonicus  des  Frankf. 
(102.)  Liebfraustifts  Jodocus  Asslerus  zum  Canon,  auf  und  dieser 
leistet  den  Eid« 
1 1612.  Margar.   Erneuerung  der  Statuten  des  M.  Stifts. 
(103.) 

f  1624.  5.  Decbr.   Der  Dechant  des  M.  Stifts  schreibt  an  den  Probst 
(104.)  und  empfiehlt  ihm  die  Bitte  der  Moxst  Colonen,  sich  ftlr 
ihre  Kriegserleichterung  bei  Tilly  zu  verwenden. 

1624.  Der  Dechant  des  M.  Stifts  publicirt  einen  Schutzbrief 

(105.)  des  Kaisers  von  1623  bei  den  Kriegsunruhen. 

1627.  13    December.    Der   M.   Probst   schreibt    an   das  Ka- 
(106.)  pitel    bezüglich    des   Schutzes   der    Colonen    gegen  Ein- 
quartierung. 

1628.  26.  Jul.  Das  M.  Stift  ersucht  den  kais.  Hofkriegsrathpraei- 
(107.)  denten  um  ein  Sauvegarde- Schreiben  ftlr  sich  und  sein 

Eigenthum. 

1633.  14.  Febr.  Die  schwedische  Regierung  zu  Mainz  setzt  den 
(108.)  bisherigen   schwedischen  Verwalter  des   Stifts  M.  ab  und 

ernennt  den  Ludwig  Adolf  Krugk  an  dessen  Stelle. 

1634.  12.  Juli.  Die  k.  schwedischen  Räthe  zu  Mainz  schreiben  an 
(109.)  L.  A.  Krugk  in  Betreff  der  Anmassungen  des  M.  Stifts- 

dechanten. 

1634  Der  M.  Dechant  bittet  die  schwedische  Regierung  im 

(110.)  ober-  und  niederrheinischen  Kreise,  seine  Gerechtigkeiten  in 
M.  anzuerkennen  und  zu  schützen.  [In  einem  gleichzeitigen 
Schreiben  rechtfertigt  er  sich  bei  der  schwed.  Regierung 
wegen  des  Vorwurfs,  sich  Rechte  in  M.  angemaßt  zu  haben.] 
1649.  13.  Mai.  Die  mainz.  Visitatores  Cleri  zu  Frankfurt  erlassen 
(111.)  einen  Befehl  wegen  der  im  Leonhards  und  Moxst  Stift  zu 
Fr.  eingerissenen  MisubrÄuche. 


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1658.  16.  Decbr.   Die  erzb.  Regierung  zu  Mainz  schreibt  an  den 
(112.)  Dechanten  in  M.  bezüglich  der  Begehwerden  des  Stifts  über 
den  Grafen  von  Isenburg  und  Büdingen, 
f  1683.  6.  Septbr.   Der  Mainzer  geistliche  Vicar  befiehlt  dem  Stift, 
(113.)  dem  als  Pfarrer  in  Schwanheim  meistens  abwesenden  Cano- 
nicum Henr.  Preusser  seinen  Antheil  an  den  Gefallen  doch 
su  verabfolgen. 

1686.  23.  Febr.   Das  Capitel  zu  M.  schreibt  an  den  Probst  bezllgl. 
(114.)  der  Jurisdiction  in  den  3  Stiftsdörfern. 
1690.  22.  Oct   Bericht  des  Job.  Wilh.  Weber  an  die  erzb.  Regie- 
(115.)  rung  in  Mainz  wegen  des  Nichtvorhandenseins  von  Schult- 

heiss,  Gericht  und  Gefangniss  in  den  3  Stiftsdörfern. 
1706.  8.  Juni   Die  Ganerben  des  Gerichts  Staden  vergleichen  sich 
(116.)  mit  der  Probstei  M.  wegen  der  Administration  des  probsteil. 
Hofs  zu  Nieder -M.  sowie   wegen  der  übrigen  Güter  der 
Probstei  zu  Ober-  und  Nieder-  M.  und  Heegheim.  Ysenb. 
Succ.  44.  Scr.  3155. 
1706.  8.  Sept   Vertrag  des  Stifts  mit  den  Stadener  Ganerben 
(117.)  wegen  der  3  Dörfer. 

1706.  15.  Sept.   Vergleich  zwischen  Churmainz  und  den  Ganerben 
(118.)  zu  Staden,  kraft  dessen  Ersteres  den  Letzteren  das  jus 
collectandi  über  die  Stift  M.  Gilter  zu  Ober-  und  Nieder- 
Mox8t.  und  Heegheim  zu  Lehen  reicht   Vertheid.  Eigenth. 
der  Ganerben  zu  Staden.  Beil.  61.  Scr.  3159. 


L  Verzeichniss  der  Pr obste  des  Moxstadter  Stifte. 


1275.  Tragbodo  von  Eisenbach    Reg.  5.  8. 

1302.  Sifrid  von  Solmisse.   Beg.  17. 

1435.  Conrad  Buwe. 

1478.  Christian  Ganße.    Beg.  67. 

1527.  Georg  Laur.  Beg.  78.  81.  83. 

1594.  Georg  Erstenberger. 

1618.  Wilh.  Dielrich  von  Dhaun. 

1627.  Anton  Waldbot  von  Bassenheim. 

1647.  Job.  Ulrich  von  Andlaw. 

1650.  Peter  Schickius. 


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—    502  — 

1672.   Andreas  Birnbcck. 

1675.   Daniel  Lenx. 

1683.    Emmerich  von  Bobenheim 

1707.  Phil.  Carl  Freiherr  von  Eitz,  1(5.  Aug.  vom  Pabst  Cle- 
mens XI.  ernannt 

1710.    Dominicua  Lorengus,  erhält  die  Probate i  vom  Pabst. 

1730.  Hugo  Franz  Carl  Freiherr  von  Eitz,  wird  vom  Pabst 
Clemens  XII.  zum  Coadjutor  des  Probates  Phil.  Carl 
von  Eitz  ernannt 

1765.    Heinrich  Wilhelm  von  Harff. 

1781.  Friedrich  Franz  Freiherr  von  Harff,  vom  Erzb.  von 
Mainz  ernannt 


IL  Verzeichniss  der  Dechanten  des  Moxstadter  Stifts. 


1275.  Gottfried.   Reg.  7.  11. 

1289.  Bertram  von  Bleychenbach.   Reg.  15. 

1345.  Johann  von  Hegehein.   Reg.  31. 

1355.  Conrad  von  Hockler.   Reg.  37. 

1360  Heinrich  von  Else.   Reg.  39. 

1365.  Hermann. 

1435.  Johann  Eckardi. 

1479.  Erbinus  Lantfoydt. 

1506.  Peter  Isenberg. 

1524.  Johann  Dop. 

1553.  Peter  Rauhe. 

1557.  Joh.  Merckel.  Reg.  88. 

1561.  Joh.  (Fabri,  genannt)  Bromsack.     Reg.  93.   (bis  1588) 

1594.  War  das  Decanat  vacant:  II.  Schurer,  L.  Hamm  an  und 
S.  WeiUbrodt  sind  die  von  dem  Erzb.  von  Mainz  er- 
nannten Directoren  des  Stifts. 

1603.  Laur.  Haroman. 

1605.  Heinr.  Schurer,  f  17.  Aug.  1611. 

1611.  Joh.  Ludwig  von  Hagen,  f  16-  Sept  1654. 

1658.  Joh.  Kempf. 

1667.  Joh.  Breuning. 

1686.  Balth.  SartoriuB  (am  10.  üct  vom  Erzb.  von  Mainz  er- 
nannt). 


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—  50a  - 

1720.   Nie.  Martinengo,  f  1729. 

1729.   Job.  Paul  Xaver  von  Heck  (vom  Pabst  Benedict  XIII. 

ernannt)  f  1754. 
1754.    Heinrich  Peter  Cunibert  (21.  Decbr.  vom  Erzb.  von 

Mainz  ernannt)  f  1765. 
1765.   Andr.  Bernli.  Brozzendörfer.    (Seine  Wahl  wird  vom 

Pabst  bestätigt). 
1775.   Aegidius  von  Lohr. 
1792.   Carl  Hieron.  Kolborn. 


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Anselesenheiten  der  reforniirten  Gemeindeu 

nach  den 

Protocollen  des  lutherischen  Predigenniiiisteriums. 

(Ergänzung  zu  Archiv  II.  8.  246.) 
MitgetbeUt  von  Pfarrer  Basae. 


1747  Montag  den  24.  April  theilte  Herr  Senior  Walther  dem 
Ministerium  mit,  dass  er,  Coli.  Stark,  Schlosser  und  Schmidt  der  Ein- 
ladung des  Herrn  Consist-Directors  Schöffen  Textor  gemäss  im  Römer 
erschienen  seien,  wo  ihnen  in  Anwesenheit  der  Herren  Skabini  v. 
Schweitzer,  v.  Lersner  und  Lucius  mitgetheilt  worden,  dass  die  Re- 
formirten  bei  der  hohen  Reichsversammlung  einen  favorablen  Scbluss 
vor  sich  zu  erlangen,  die  beste  Hoffnung  haben,  es  komme  also  jetzt 
darauf  an,  ob  man  sich  auf  die  justitia  causae  verlassen  oder  die  re- 
gulas  prudentiaeet  consilii  vorziehen,  aus  zweien  Uebeln  das  geringste 
wählen,  sofort  die  Vorschläge,  wie  gütlich  aus  der  Sache  zu  kommen, 
anhören,  darüber  deliberiren,  aber  doch  alles  blos  sub  spe  rati,  et 
salva  ratificatione  amplissimi  senatus  besorgen  wolle.  Uebrigens  sei 
ein  leiblicher  Eid  zu  leisten,  die  Sache  geheim  zu  halten.  Auf  die 
sehr  detaillirte  Mittheilung  antwortete  das  Ministerium  am  26.  April 
dem  Senat: 

Es  überlasse  der  Klugheit  und  Liebe  des  Senates  zum  jetzigen 
und  künftigen  Vaterlande,  wann  l)kein  anderer  Weg  mehr  zu  hoffen 
und  wann  2)  die  bürgerlichen  Collegien  einstimmten,  die  Vorschläge» 
wie  gütlich  aus  der  Sache  zu  kommen,  anzuhören,  auch  alsdann  zu 
prüfen,  ob  die  extremitas  zu  erwarten,  oder  amicabilis  compositio  zu 
erwählen  sei 

Diese  Antwort  überreichte  der  Senior  am  29.  April  dem  Skabi- 
nat  und  man  fand  dort,  dass  des  Ministern  Gedanken  vernünftig  und 
theologisch  abgefasst  seien. 


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Am  7.  August  berief  der  Senior  das  Ministerium,  um  ihm  mit- 
zutheilen,  dass  am  4.  August  eine  grosse  Bathsdeputation  zusaramen- 
getreten  sei, 

[bestehend  aus  : 

Textor,  Lersner,  Lucius,  Schneider,  Dr.  Moors  aus  dem  Senat, 
v.  Fichard  und  v.  Kellner  von  Limpurg, 
v.  Uffenbach  und  v.  Morenhelm  von  Frauenstein, 
Nicolai,  Schmid  und  Firncrantz  von  den  51ern, 
Walther  und  Stark  aus  dem  Ministerium, 
Thilen,  Kumpel  und  Gladbach  von  den  Graduirten, 
Bischof  und  Diehl  von  den  Neunern], 
in  welcher  mitgetheilt  worden,  der  Rath  habe  den  Reform irten  eine 
Gegenerklärung  aufsetzen  lassen,  wolle  aber,  damit  nichts  einseitig 
geschehe,  zuvor  die  Gesellschaften  abhören,  ob  sie  mit  dem  Rathe 
einer  Meinung  seien.   Um  sich  Uber  die  Sache  äussern  zu  können, 
wurden  den  Collegien  die  verschiedenen  Schriftstücke  eingehändigt 
und  zwar : 

Die  erste  Schrift  der  Reformirten.  Darin  theilen  die  2 
reformirten  Gemeinden  mit,  dass  der  Reichshofrath  und  Reichskonvent 
ihre  Angelegenheit  instruirt  habe,  sie  also  Hofihung  hätten,  zu  dem 
geruhigen  Genusa  ihres  Gottesdienstes  binnen  dieser  Stadt  zu  ge- 
langen. Zu  diesem  Zwecke  wünschen  sie,  durch  eine  aus  ihrer 
Mitte  gewählte  Commission  die  Angelegenheit  mit  den  zustehenden  Be- 
hörden gütlich  zu  vermitteln. 

[Friedrich  de  NeufVille.  Rud.  Passavant  Christ  Ziegler. 
Jak.  Passavant  Carl  Behagel.  Jean  de  Bary.  Pierre  Bri- 
villier.  J.  N.  d'Orville.   Georg  Leerse.] 

Die  andere  Schrift  der  Reformirten  enthält  die  Bitte 
um  Erlaubniss  innerhalb  der  Stadtmauer  eine  Kirche  zu  bauen,  um 
darin  nicht  nur  Predigt  und  Abendmahl,  sondern  auch  die  anderen 
Amtshandlungen  etc.,  Kindtaufen  und  Kopulationen  halten  zu  dürfen. 
Dafür  erbieten  sie  sich: 

1)  die  Kirche  auf  eigne  Kosten  erbauen  zu  lassen; 

2)  dem  luth.  Ministerium  als  Entschädigung  für  den  Ausfall  des 
Honorars  für  Taufen  und  Kopulationen  fl.  15,000  in  die 
Wittwenkasse  zu  zahlen; 

3)  auf  Raths-Stellen  und  Stadtbedienungen  eidlich  zu  renon- 
ciren ; 

4)  die  Jurisdiction  des  luth.  Consistoriums  allezeit  anzuerkennen 
und  sich  selbst  den  Namens  Consistorii  nicht  zu  bedienen: 


—      DUO  — 

5)  für  die  Erlaubnis«  des  Kirchenbau's  50,000  Thlr.  in  das  Aerar 
zu  bezahlen. 

Die  dritte  Schrift  der  Reformirten  gibt  die  Motive  an, 
warum  sie  den  Vorschlag,  ihre  Kirche  vor  die  Stadt  zu  bauen  und 
die  Kopulationen  und  Kindtaufen  fernerhin  von  den  luth.  Geistlichen 
vornehmen  zu  lassen,  nicht  annehmen  können,  denn 

1)  wäre  diese«  Temperament  ihren  Gerechtsamen  und  ihren 
günstigen  Aussichten  entgegen; 

2)  würde  es  durch  Annahme  eines  solchen  Temperamentes  von 
der  Willkühr  des  vor  denen  Thoren  sich  aufhaltenden  Zigeu- 
ner und  liederlichen,  auch  durch  eine  Kirche  sich  gemeiniglich 
herbeiziehenden  Bettler-Gesindels  lediglich  abhängen,  unsere 
neu  zu  erbauende  Kirche  stehen  zu  lassen,  sie  sich  mithin 
auf  die  Ausübung  ihres  Gottesdienstes,  und  darinnen  nicht 
gestöhrt  zu  werden,  weder  bei  Friedens-  am  allerwenigsten 
bei  Kriegszeiten  sicheren  Staat  machen  können,  zumalen  uns 
die  traurige  Erfahrung  allbereit  gelehret,  dass  die  von  Einem 
Hochedlen  Magistrat  ihnen  vor  dem  Thor  zu  bauen  erlaubte 
Kirche  schon  einmal  durch  Mordbrenner  in  Staub  und  Asche 
gelegt  worden,  und  die  täglichen  Exempel  vor  Augen  liegen, 
dass  auch  selbst  die  Gärten  von  denen  Mitgliedern  Eines 
hochedlen  Magistrats  vor  dem  Frevel  dergl.  Gesindels  bis  auf 
diese  Stunde  noch  nicht  verschont  geblieben; 

3)  weilen  alte,  kranke  und  schwächliche  Personen,  Schwangere 
und  Säugende  ihren  Gottesdienst  auszuüben  sich  verhindert 
sehen  würden,  in  dem  erstere  denen  üblen  Witterungen  sich 
nicht  exponiren,  letztere  aber  die  durch  eine  Kirche  sich  her- 
beiziehende auch  gemeiniglich  sehr  monströsen  Bettler  anzu- 
sehen, ihnen  nicht  zuzumuthen; 

4)  würde  das  liederliche  Gesindel  bei  Nacht  die  Kirch'e  eröffnen, 
darin  allerlei  Bubenstücke  ausüben,  und  solche  zu  einer 
Mörder-  und  Diebsgrubc  machen;  auch  würde  das  Gesinde 
und  die  bei  ihnen  in  Condition  stehenden  jungen  Leute,  unter 
dem  Vorwande  Gottes  Haus  zu  besuchen,  auf  die  herumliegen- 
den Dörfer  laufen  und  schändliche,  der  hiesigen  Bepublik 
höchst  nachtheilige  Handlungen  ausüben; 

5)  würden  die  Meisten  genöthigt  werden  zum  Nachtbeil  der 
Einzler  und  Lohnkutscher  sich  Kutschen  und  Pferde  zu  halten, 
wodurch  ihnen  nicht  nur  grosse  Ausgaben,  sondern  auch 
darum  Schaden  geschähe,  weil  die  Pferde  im  Freien  halten 
raussten ; 


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-  507 


6)  würden  bei  einem  während  des  Gottesdiensten  ausbrechenden 
Brande  viele  Tausend  Menschen  der  Stadt  beim  Löschen 
entzogen,  ausserdem  aber  viel  böses  und  liederliches  Gesindel 
sich  mit  den  von  ihrem  Gottesdienste  zurückkehrenden  Men- 
schen über  die  Brücke  her  ein  schleichen,  wodurch  diese  Stadt 
sich  von  Mordbrennern,  Schelmen  und  Diebsgesindel  auch  bei 
Pestzeiten  vor  inficirten  Personen  niemalen  sicher  stellen 
könnte; 

7)  würden  bei  der  wegen  eines  begangenen  Mordes  oder  Dieb- 
stählen erfolgten  Schliessung  der  Thore  die  ihren  Gottesdienst 
abgewarteten  oder  denselben  abzuwarten  intentirenden  Per- 
sonen aus  der  Stadt  heraus  oder  hineinzugehen  sich  verhindert 
sehen; 

8)  würden  die  meisten  Potentaten  und  Reichsstände  meinen,  die 
Reformirten  hiesiger  Stadt  verdienten  die  Liebe  der  Obrigkeit 
nicht,  da  sie  doch  ohne  Ruhm  melden  können,  dass  sie  ihre 
Bürgerpflichten  treulich  erfüllen; 

9)  würde  bei  einem  jähen  Ueberfalle  des  Gottesdienstes  eine 
geschwinde  Hülfe  nicht  geleistet  werden  können,  sondern 
man  müsste  die  Ueberfallenen  ohne  Hülfe  dahin  sterben 
las  Ben. 

Aus  diesen  Gründen  bitten  sie,  ihnen  eine  favorable  Resolution 
über  ihre  am  17.  Juli  cur.  eingereichten  Vorschlage  zu  geben. 

Das  vierte  Schriftstück,  die  „Magistratische  Gegenerklä- 
rung" beruft  sich  auf  die  bei  der  Wahl  Carl's  VII.  gewährten  Zu- 
geständnisse, vor  den  Thoren  unter  deren  Kanonen  ihre  Kirche 
bauen  zu  dürfen,  sieht  nicht  ab,  warum  die  Reformirten  jetzt  ein 
Mehreres  fordern,  und  ertheilt  die  Resolution, 

1)  dass  er  gestatten  wolle  an  einem  abgelegenen  Orte  innerhalb 
der  Stadt  eine  Kirche  für  beyde  Gemeinden  zu  erbauen, 
welche  niemals  erweitert  werden  dürfe; 

2 — 4)  diese  Kirche  aus  eignen  Mitteln  zu  erbauen  und  weder 
mit  Thurm  noch  Glocken  zu  versehen; 

5)  die  Trauungen  wie  bisher  von  den  luth.  Geistlichen,  dagegen 
die  Taufen  von  den  ref.  Predigern  vollziehen  zu  lassen; 

6)  Proklamationen  in  den  luth.  Kirchen  vorzunehmen ; 

7)  keine  Schule  zu  errichten; 

8)  das  luth.  Consistorium  anzuerkennen ; 


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-    508  - 

9)  nicht  mehr  als  zwei  deutsche  und  zwei  französische  Prediger 
anzustellen,  welche  als  Bürger  oder  Beisassen  zu  allen  I^asten 
herbeizuziehen  sind,  ftlr  welche  Gnade  die  Summe  von  100,000 
Rthlr.  zu  entrichten; 

10)  bei  Streitigkeiten  zwischen  der  Gemeinde  und  den  Predigern 
entscheide  der  Rath  oder  eine  theol.  Fakultät; 

11)  auf  alle    städtischen  Aemter  zu  verzichten.  (12 — 14  un- 
wesentlich.) 

Das  fünfte  Stück,  „des  Ministerii  erfordertes  Beden- 
ken', spricht  aus: 

1)  seine  Verwunderung,  dass  die  Reformirten  eine  runde  Bitte 
vorbringen,  die  Kirche  innerhalb  der  Stadtmauern  haben 
zu  wollen.   Desshalb  sei  es 

2)  dem  Ministerium  bedenklich,  dass  die  Reformirten  dieses  Ge- 
such als  Fundament  friedlicher  Beilegung  vorausfordern. 

3)  Die  Nachwelt  würde  die  Beschwernisse,  welche  aus  dieser 
Nachgiebigkeit  entspringen,  schwer  beseufzen  und  den  Rath 
sowohl  als  die  bürgerlichen  Collegien  wegen  Mangels  nöthig 
gewesener  Klugheit  beschuldigen. 

4)  Also  könne  das  durch  diese  Umstände  sehr  bekümmerte  Mi- 
nisterium sein  bejahendes  Wort  nicht  geben,  denn 

a)  die  ehemaligen  Bedenken  gelten  noch  fort ; 

b)  die  Nachgiebigkeit  wäre  strafbare  Menschenfurcht  in  Folge 
deren  betrübte  bürgerliche  Unruhen  auszubrechen  schei- 
nen, welche  die  gesammte  Verfassung  wankend  machen 
dürften. 

c)  die  Einwohner  der  Stadt  würden  durch  das  erleichterte 
Behören  der  reform.  Predigt  in  Zweifel,  Irrungen  und 
Zerrüttungen  gesetzt; 

d)  das  Anerbieten  10,000  fl.  in  die  Wittwen-Kasse  zu  geben 
zur  Ersetzung  der  bisher  genossenen  Accidentien  von  den 
Taufen  und  Kopulationen  ist  betrübt  und  empfindlich  und 
macht  das  Ministerium  völlig  furchtsam;  denn  nicht  der 
nicht  leicht  zu  missende  Ausfall  betrübt  sie,  sondern  die 
Lästerung  der  künftigen  Welt,  dass  sie  um  schändlichen 
Eigennutzes  willen  gehandelt  und  ihre  vieljährigen  Actus 
ministeriales  vor  Geld  verkauft  hätten. 

Die  oben  erwähnte  zusagende  Bestimmung  des  Rath  es  vom  Au- 
gust wurde  aber  durch  die  Bemühung  der  Neuner  und  51er  unter 
dem  Vorwande  hintertrieben,  man  könne  den  Reformirten,  ohne  die  14 


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Quartiere,  d.  h.  die  ganze  Bürgerschaft  zu  befragen,  keine  Kirche 
in  der  Stadt  zugestehen ;  desshalb  berief  der  Rath  am  15.  November 
die  Deputationen  des  Raths,  der  Gesellschaften  Frauenstein  und  Lim- 
burg, der  51er,  des  Ministeriums,  der  Graduirten  und  der  Neuner 
wieder  zusammen,  wo  man  sich  denn  dahin  einigte,  es  solle  den  Re- 
formirten  gestattet  werden,  dass  sie  auf  einem  ihnen  gratis  zu  über- 
lassenden Platze  vor  den  Thoren,  nach  dem  Exempel  der  Stadt 
Nürnberg,  eine  Kirche,  wie  sie  solche  Anno  1601  gehabt,  aufbauen 
dürften. 

Als  den  Ref.  Gemeinden  diese  Antwort  am  17.  Nov.  mitgetheilt 
worden,  wenden  sie  sich  klagend  an  das  Corpus  Evangelicorum  in 
Regensburg,  stellen  die  Sachlage  klar  und  bestimmt  dar  und  bitten 
um  Hülfe.  Das  Corpus  las  das  Gesuch  am  23.  Dec.  1747  vor  und 
beschloss,  eilig  zu  beschliessen ,  eine  Estaffettc,  jedoch  auf  Kosten 
der  Impetranten,  zu  versenden.  Wirklich  wurde  an  demselben  Tage 
ein  Benehmungsschreiben  des  Corpus  an  den  Rath  abgeschickt. 
Darin  wundert  sich  das  Corpus,  dass  der  Rath  eine  Kirche  ausser- 
halb der  Stadt  zu  bauen  gestatte,  aber  innerhalb  verbiete.  Es 
wäre  ausnehmend  ohnverantwortlich,  wenn|ein  bloses  Nichtwollen, 
welches  man  niemals  mit  soliden  Rationibus  wird  zu  unterstützen 
vermögen,  wider  tiefere  Einsicht  das  gemeine  Wesen  periklitiren 
sollte;  räth  an,  die  angefangenen  Vergleichs-Traktaten  fortzusetzen, 
dass  den  Reformirten  innerhalb  der  Stadt  eine  Kirche  zu  Theil 
werde. 

[Unterschrieben  von  Chur-Sachsen,  Brandenburg,  Braunschweig ; 
von  den  fürstlichen  Ständen:  Magdeburg,  Bremen,  Sachsen- 
Gotha,  Altenburg,  Weimar  -  Eisenach  ,  Brandenburg  -  Culm- 
bach,  Onoitzbach,  Braunschweig-Zelle,  Braunschweig-Calenberg, 
Br.-Grubenhagen,  Br.- Wolfenbüttel.  Halberstadt,  Vehrden,  Vor* 
Pommern,  Hinter-Pommern,  Württemberg,  Holstein-Glücks tadt, 
Hessen-Cassel,  Hessen-Darmstadt,  Baden-Durlach,  Baden-Hoch- 
berg, Sachsen-Lauenburg,  Minden,  Anhalt,  Henneberg,  Schwerin, 
Camin,  Ratzeburg,  Hirschfeld,  Mümpelgard,  Nassau-Hadamar 
und  Siegen,  Nassau-Dillenburg  nnd  Dietz,  Ostfriesland,  Grafen 
v.  d.  Wetterau,  Fränkische,  Westphälische.  Von  Rheinischer 
Bank,  Lübeck,  Bremen,  Oberländische  Bank :  Heilbronn,  Landau. 
In  Summa  43  ] 

Dieses  wohlgemeinte  Schreiben  brachte  die  Estaffette  schon  am 
25.  Dec.  1747  nach  Frankfurt,  worauf  der  Rath  umgehend  dem  chur- 
mainzischen  Directorial-Residenten  Freiherrn  von  Lincker  und  Lützen- 
wirk in  RegenBburg  ein  Gesuch  um  Aufschub  des  geforderten  Eni- 


scheidcB  auf  2  Monate  einreichte.  Derselbe  beantwortet  dieses  Ge- 
such unter  dem  2.  Januar  1748,  dasa  er  die  Bitte  billig  finde,  der 
Rath  möge  aber  den  Aufschub  benutzen,  die  Sache  endlich  zum  Ver- 
gleich zu  bringen,  sich  auch  keine  Mühe  geben,  die  von  den  Refor- 
mirten  beschickten  Höfe  auch  zu  beschicken,  um  dieselben  gegen  die 
Reformirten  umzustimmen,  was  keinen  Erfolg  haben  dürfte. 

Der  Rath  übergab  die  beiden  Schreiben  von  Regensburg  dem 
Ministerium  sofort  zur  Begutachtung.  Dieses  antwortete  am  10.  Ja- 
nuar, es  sehe  so  viele  betrübte  Folgen  dieser  Sache  in  unsrer  Stadt, 
Religion  und  Freiheit  mit  Zittern  und  Beben  voraus,  dass  es  in 
gläubigem  Vertrauen  auf  die  Hülfe  und  Gnade  Gottes  lieber,  was 
für  ein  harter  Schluss  aus  uns  noch  zur  Zeit  ganz  unbekannten 
Gründen  unter  Gottes  Zulassung  diese  Stadt  betreffen  werde,  er- 
warten, als  zu  einer  bedenklichen  Veränderung  selbst  die  Hand  bie- 
ten und  dadurch  uns  bei  den  Nachkommen  den  Verdacht  ent- 
weder eines  Eigennutzes  oder  einer  Unachtsamkeit  aufladen  wollen. 

Mittlerweile  war  der  Syndikus  von  Löen  von  Raths  wegen  nach 
Regensburg  geschickt  worden  und  der  Rath  theilte  dessen  Bericht 
dem  Ministerium  am  22.  Mai  1748  mit  Herr  von  Löen  beschuldigt 
darin  zunächst  die  Reformirten,  sie  hätten  den  Rath  in  Regensburg 
anzuschwärzen  gesucht;  die  Kaiserlichen  Gesandten  hätten  die  Sache 
nicht  als  eine  religiöse,  sondern  als  eine  rein  politische  betrachtet; 
bei  seinen  Visiten  seien  sämmtliche  Gesandten  der  Meinung  gewesen, 
das  Reichsgutachten  werde  gegen  den  Rath  ausfallen,  denn  die 
Neuner  und  51er  hätten  sich  auf  die  Oeconomica  zu  beschränken,  in 
Kirchensachen  aber  nichts  zu  sagen;  und  die  Stimmen  gingen  aile- 
sammt  dahin,  dass  der  Rath  zur  Nachgiebigkeit  sieb  entBchliessen 
solle,  ja  der  Kaiser  eröffnete  dem  Herrn  von  Löen  selbst,  er  solle 
den  Rath  bestimmen,  den  Reformirten  zu  willfahren. 

Während  des  Jahres  1749  ruhte  die  Angelegenheit,  aber  am 
2.  Febr.  1750  berief  Senior  Fresenius  einen  Extrakonvent,  um  dem 
Ministerium  mitzutheilen,  da»s  Kayserl.  Majestät  Franz  I.  ein  sehr 
ernstliches  Rescript  vom  16.  Juni  1750  an  den  Rath  habe  ergehen 
lassen,  darin  er  denselben  vermahnt,  den  Reformirten  den  Kirchenbau 
in  der  Stadt  zu  erlauben,  denn  hierdurch  sei  der  Weg  zu  einem 
noch  bessern  Commerzium  auch  ausserhalb  des  Reiches  gebahnt  und 
droht,  er  werde  der  weiteren  gleichsam  zur  Gewohnheit  werden 
wollenden  Widersetzlichkeit  die  behörigen  Schranken  setzen  oder 
andere  Mittel  aus  Kais.  Macht  fürkehren.  Auf  Antrag  des  Seniors 
äusserte  dagegen  das  Ministerium  an  den  Rath,  dass  sie  zwar  voll 
christlicher  Liebe  gegen  die  Reformirten  seien,  ihr  Gesuch  aber 


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-    511  - 


gegen  das  inviolable  Reichsgrundgesetz  des  Westphülischen  Friedens 
offenbar  streite.  Es  bittet  den  Rath,  auf  dem  bisherigen  Weg  der 
Standhaföglceit  zu  verbleiben,  erinnert  desshalb  an  die  vielen  Un- 
ruhen, welche  die  Reformirten,  seitdem  sie  in  der  Stadt  sind,  dem 
Rath  gemacht  haben,  wie  sie  die  heil.  Religion  verunglimpft,  wie 
die  Wohlfahrt  der  evangelischen  Bürgerschaft  gekränkt  werden 
würde  und  schliesst  mit  Versicherung  seiner  Ergebenheit  gegeo  den 
Kaiser  und  den  Rath.  (10  Folioseiten.) 

Das  Schreiben  des  Ministeriums  wurde  vom  Rath  so  beifällig 
aufgenommen,  dass  der  Senior  am  9.  Februar  abermals  einen  Con- 
vent  berief,  welcher  seine  Bitte  um  Standhaftigkeit  gegen  die  Re- 
formirteu wiederholte.  Die  grosse  Gefahr,  welche  der  Evangelischen 
Gemeinde  drohe,  gebe  ihnen  den  Muth  schon  wieder  zu  schreiben 
und  zu  erklären,  dass  der  Rath  ohne  Verletzung  der  Gewissen  in 
den  Bau  der  Kirche  nicht  einwilligen  könne,  denn  das  Gewissen 
kann  nicht  zugeben,  dass  man  das  Eigenthum  eines  Dritten  ohne 
dessen  Bewilligung  verschenke;  sie  rathen  an,  dem  Kaiser  nicht  zu 
gehorchen,  zumal  ja  derselbe  den  Weg  des  beschworenen  Rechtes 
nicht  verlassen  werde,  vertrauen  übrigens  Gott,  dass  derselbe  dem 
Rechten  beistehen  und  des  Kaisers  Herz  lenken  werde. 

Dem  Gutachten  des  Ministeriums  schlössen  sich  die  51er  und 
Neuner  am  3.  Februar  dahin  an,  dass  sie  den  Rath  baten,  sich  von 
der  Bürgerschaft  nicht  zu  trennen,  da  ja  der  Kaiser  1749  erklärt 
habe,  die  Stadt  nicht  zwingen  zu  wollen,  und  versprechen,  dass  die 
Bürgerschaft  dem  Rath  alle  Begebnisse  standhaft  tragen  helfen 
werde.  Auch  die  sämmtlichen  Oberoffiziere  nebst  der  ganzen  luthe- 
rischen und  katholischen  Bürgerschaft  schlieasen  sich  durch  eine 
Eingabe  vom  5.  Febr.  1750  dieser  Ansicht  an,  „damit  das  von  der 
andern  Seite  ausser  der  mindesten  rechtlichen  Befugniss  stehende 
Begehren  abgewendet  und  der  gesammten  Evangelisch-lutherischen 
und  Katholischen  Bürgerschaft  der  sonst  imminirende  äiiBserste  Ruin 
verhütet  sein  möchte* 

Von  da  an  scheint  in  der  Angelegenheit  dem  luth.  Ministerium 
nichts  mehr  zugekommen  zu  sein,  wenigstens  findet  sich  in  den  Pro- 
tokollen bis  1756  kein  Wort  mehr  davon. 

(Dr*  Weitere  findet  sich  Archiv  II.  S.  808.) 


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Die  Auflösung  des  Grossherzogthums  Frankfurt 

Ein  geschichtlicher  Rückblick  auf  die  beiden  letzten  Monate  des  Jahres  1813. 

Von  Dr.  Wilh.  P.  C.  Stricker. 


Es  war  den  französischen  und  primatischen  Behörden  gelungen, 
bis  zum  27.  October  die  Unfälle  der  grossen  Armee  der  Bürgerschaft 
von  Frankfurt  zu  verheimlichen.  Erst  an  diesem  Tage  erlebte  mau 
eine  officielle  Aeusserang  der  Furcht  vor  einem  Angriff,  indem  der 
General  Preval,  welcher  mit  3 — 4000  Mann  die  Stadt  besetzt  hielt, 
die  beiden  Lücken  auf  der  Brücke,  welche  mit  Balken  belegt  waren, 
mit  Tagesanbruch  abbrechen  liess,  wodurch  der  Verkehr  zwischen 
Frankfurt  und  Sachsenhausen  nur  für  einzelne  Fussgänger  möglich 
blieb.  Der  nächste  Feind  war  die  auf  dem  linken  Mainufer  stehende 
Heeresabtheilung  des  Prinzen  Karl  von  Baiern  und  des  Generals  von 
Höchberg,  welche  damals  schon  zwischen  Offenbach  und  Seligenstadt 
stand.  Bei  ihrem  Näherrttcken  räumte  Preval  die  Stadt  und  am  30. 
October,  Morgens  10  Uhr,  zogen,  über  eine  Nothbrticke  die  Oeff- 
nungen  der  Steinbrücke  überschreitend,  von  Sachsenhausen  her,  die 
Baiern  in  Frankfurt  ein  unter  lärmendem  Jubel,  zunächst  zwei  Rei- 
terschwadronen und  ein  leichtes  Bataillon,  welchen  am  Nachmittag 
zwei  Fussregimenter  und  eine  Batterie  folgten.  Sie  führten  eine  An- 
zahl französische  Gefangene  mit  sich  und  zogen  durch  die  Stadt  auf 
das  Galgenfeld,  während  um  2  Uhr  Kosaken  durch  das  Friedbergerthor 
in  die  Stadt  eindrangen.  Die  grosse  Armee  war  wie  verschollen ; 
man  wusste  weder,  welche  Richtung  sie  von  Eisenach  an  eingeschla- 
gen, ob  sie  nicht  durch  Westfalen  (Kurhessen)  und  Nassau  nach  Cob- 
lenz  hin  sich  gewandt,  noch  in  welchem  Zustand  des  Zusammenhaltes 
sie  sich  befand.  Durch  den  Jubel  in  der  Stadt  überhörte  man  in 
dieser  Gemüthslage  die  so  nahen  Ereignisse  bei  Hanau  (30.  Oct)  und 
war  am  Morgen  des  31.  überrascht  von  der  Wahrnehmung,  dass  die 
besser  unterrichteten  Baiern  sich  während  der  Nacht  nach  Sachsen- 


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—    513  — 


hausen  zurückgezogen  hatten.  Am  Morgen  des  81.,  eines  Sonntags, 
näherte  der  französische  Vortrab  sich  der  Stadt,  um  11  Uhr  waren 
die  ersten  am  Thore  und  bald  wälzte  sich  ein  bunter  Haufe,  meist 
Berittene,  von  der  Allerheiligen-Gasse  her  über  die  Zeil  und  weiter 
zum  Bockenheimer  Thor  hinaus  auf  die  Strasse  nach  Mainz  Der 
Oberstlieutenant  der  freiwilligen  Reiterei,  Staatsrath  Simon  Moritz 
von  Bethmann,  welcher  gerade  die  Wache  am  Ober- Mainthor 
besichtigte,  fasste  den  Plan,  durch  persönliche  Begrüssung  des  Kaisers 
die  mit  der  Einquartierung  der  zuchtlosen  Schaaren  unvermeidlichen 
Leiden  von  der  Stadt  abzuwenden  und  vermochte  den  Maire  Guiol- 
let,  Um  zu  Wagen  zu  begleiten.  Sie  trafen  den  Kaiserin  der  Mitte 
seiner  Schaaren  nahe  an  den  Riederhöfen.  Die  nun  folgende  Scene 
geben  wir  mit  den  Worten  Anton  Kirchner's  (Ansichten  von 
Frkf.  L  167),  der  ohne  Zweifel  von  Bethmann  selbst  die  Einzelhei- 
ten erfuhr. 

„Kaum  mit  wenigen  Worten  bei  Napoleon  beglaubigt,  wurde  er 
von  diesem  beauftragt,  ihn  nach  seinem  (dem  Bethmann  sehen)  Land- 
hause am  Friedbergerthore  zu  bringen.  Absichtlich  wählte  drauf  der 
Führer  einen  Seitenweg,  welcher  den  Kaiser  und  seinen  Stab  an 
jener  bretternen  Ansiedlung  vorbeiführte,  die  für  Rechnung  der  Stadt, 
um  Tausenden  von  Verwundeten  und  Kranken  zum  letzten  Obdache 
zu  dienen,  auf  der  Pfingstweide  erbauet  war.  Napoleon  fragte  nach 
der  Bestimmung  dieser  Gebäude  und  trabte,  wie  er  die  Antwort  ver- 
nahm, mit  einem:  „Ich  bin  euer  Schuldner!"  rascher  davon. 

Mochte  dieser  Eindruck  wirken,  oder  glaubte  der  Kaiser  bei  länge- 
rem Weilen  die  Reste  seines  Heeres  gefährdet,  —  genug,  ergab  stren- 
gen Befehl,  dass  ohne  seine  Erlaubniss  keiner  der  Flüchtlinge,  welche 
baarfuss  und  im  Kotbe  bis  über  die  Knöchel  watend,  zu  Tausenden  vorü- 
berzogen, in  die  Stadt  gelassen  würde.  So  drängten  sich  dann  diese  Un- 
glücklichen in  dichten  Haufen  zu  den  verschlossenen  Eingängen  hin,  die 
welken  Hände  durch  das  Eisengitter  streckend,  um  von  dem  Mitleid 
der  Bürger  ein  Brod  zu  erflehen,  das  ihnen  gern  gereicht  wurde*. 


1  Eine  am  Bockenheimer  Thor  vergessene  bair.  Abtheilung  wurde  von  Be- 
wohnern der  Stadt  nach  dem  Untermainthor  gewiesen  und  dort  den  dicht 
drängenden  Verfolgern  durch  Ueberfahrt  Aber  den  Hain  entzogen,  welche 
Färcher  unter  den  Kugeln  des  Feindes  vollzogen.  Der  Officier,  welcher  jene 
Abtheilung  führte,  warder  am  U.Juni  1865  zu  Bamberg  verstorbene  Gen.-Ltnt 
A.  von  der  Mark. 

2  Nach  den  Zeitungen  jener  Tage  kamen,  mit  Ausnahme  der  Vorposten, 
in  die  Stadt  bloss  die  Marschälle,  Generäle,  die  Kranken  und  Verwundeten,  die 
Equipagen  des  Kaisers,   ein  Bataillon  Infanterie  und  die  Elttegendarmerie. 

33 


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-    514  - 


Welchen  die  Kraft  nicht  erlaubte,  sich  vorzudrängen,  die  sanken 
erschöpft  nieder  und  bildeten  bald,  von  der  Hand  des  Todes  gemäht, 
Schaaren  von  Leichen.  Während  selbst  im  Angesichte  des  Land- 
hauses, wo  der  Kaiser  rastete,  die  erschöpften  Jünglinge  sich  still  nie- 
derlegen, im  eisernen  Schlummer  aller  Leiden  zu  vergessen ;  während 
die  Fenster  dieses  Hauses  vom  Donner  des  Geschützes  klirren,  das 
vom  diesseitigen  Mainufer  Tod  und  Verderben  hinüber  schleudert; 
während  die  brennende  BrUckenmUhle  den  umflorten  Abendhimmel 
röthet:  erörtert  Frankreichs  Beherrscher  gesetzt  und  ruhig  vor  den 
Abgeordneten  der  Stadt  die  Gründe,  die  ihn  bewogen,  den  Banke- 
rott in  seinem  Handelsgesetzbuche  mit  besonderer  Strenge  zu  ahnden. 
—  Der  Herr  vom  Hause  benutzte  einen  Ruhepunct  im  Gespräche, 
um  Schonung  von  dem  Kaiser  Air  die  Stadt  und  ihre  Bewohner  zu 
erbitten.  Er  hatte  sich  früher,  aber  vergeblich,  an  den  Fürsten  von 
Neuch&tel  gewandt  Jetzt  stellte  er  Napoleon  selbst  mit  wenigen, 
aber  eindringenden  Worten  vor,  wie  verderblich  für  Frankfurt  und 
wie  zwecklos  für  das  französische  Heer  die  Fortsetzung  des  Geschütz- 
feuers sei  —  BBerthier,  faites  cesser  le  feu!u  Mit  dieser  Antwort 
war  Gut  und  Blut  von  Tausenden  gerettet.  Der  Donner  schwieg, 
und  die  beruhigende  Nacht  versöhnte  auf  Augenblicke  die  feindseli- 
gen Gewalten.  Durch  das  Fürwort  desselben  Mannes  ward  der 
Polizeimeistcr  des  Hauptquartiers,  Lelorgne  d'Ideville,  welcher  sich 
aller  auf  der  Post  vorräthigen  Briefe  bemächtigt  hatte,  bewogen,  sie 
un  eröffnet  zurückzugeben.  So  wurden  Hunderte  vor  Unruhe  und 
Verlust  geschützt.11    So  weit  Kirchner. 

Wir  wenden  uns  jetzt  zu  den  Vorfallen  am  Mainstrom,  auf 
welche  in  der  obigen  Erzählung  angespielt  ist.  Die  Baiern  hatten 
nicht  nur  auf  dem  Mühlberg  eine  Batterie  aufgefahren,  welche  ihre 
Granaten  bis  in  die  Gegend  des  Allerheiligenthores  warf,  sondern 
auch  die  beiden  Brückenmühlen,  die  Gallerie  der  vorspringenden 
Pfeiler  des  Kreuzbugens  der  Mainbrücke,  das  deutsche  Haus  und 
andere  Gebäude  in  Sachsenhausen  mit  Schützen  besetzt  und  auf  der 
Brücke  einige  Kanonen  aulgefahren  und  beherrschten  auf  diese 
Weise  den  Ausgang  der  Fahrgasse.  Die  Franzosen  fuhren  nun  eine 
Batterie  am  Ober-Mainthor  auf  und  beschossen  von  der  Seite  die 
Brücke,  steckten  auch  endlich  mit  Granaten  die  östlich  an  der 
Brücke  angebaute,  zunächst  der  Stadt  Frankfurt  liegende  der  beiden 
Mühlen  in  Brand.   Die  um  sich  greifende  Feuersbrunst  zwang  die 

  _  _   

War  sonach  die  innere  Stadt  vor  Verwüstungen  ziemlich  geschützt,  so  waren 
desto  mehr  die  Gartenhäuser  preisgegeben,  welche  geplündert  und  deren  be- 
wegliches Holzwerk  in  den  Wachtfeuern  verbrannt  wurde. 


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-    515  — 


Baiern  sich  nach  Sachsenhausen  zurückzuziehen,  worauf  Napoleon's 
obenerwähnter  Befehl  das  Artilleriefeuer  veratummen  lie8s;  ein  Ver- 
such  der  Franzosen   aber,  mit   einbrechender  Nacht  unter  dem 
Schutze  vorgewälzter  Fässer  der  Brücke  sich  zu  bemächtigen,  wurde 
von  den  nunmehr  am  Eingang  Sachsenhausen's  aufgestellten  baieri- 
schen  Kanonen  und  von  den  Schützen  in  den  dortigen  Häusern 
blutig   zurückgewiesen.    Am  1.  November  Morgens  begann  der 
Abzug  der  französischen  Truppen,  um  Mittag  folgte  Napoleon,  der 
am  Abend  dieses  Tages  sein  Hauptquartier  in  Höchst  aufschlug. 
Die  Nachhut  des  französischen  Heeres  unter  dem  Marschall  Mortier, 
Herzog  von  Treviso,  kam  am  1.  Nov  Abends  an,  zog  um  die 
Stadt,  lagerte  vor  derselben  im  Freien  und  setzte  am  2.  Morgens 
ihren  Marsch  nach  Mainz  fort.   Um  8  Uhr  Morgens  den  2.  Nov. 
zogen  Cosacken,  Österreichische  (Meerveldt-Uhlanen  und  Blanken- 
stein-Husaren) und  baierische  leichte  Truppen  durch  die  Stadt  gegen 
Mainz  zu  und  ereilten  vor  dem  Bockenheimer  Thore  die  Nachhut 
der  französischen  Artillerie,  welcher  sie  mehrere  Kanonen  abnahmen 
Den  Tag  über  dauerten  die  Durchzüge  baierischer  und  österreichi-' 
scher  Heerestheile  fort.   Von  8—11  Uhr  waren  etwa  30,000  Mann 
der  bei  Hanau  erprobten  Truppen,  einschliesslich  der  in  Sachsen- 
liauaen  verbliebenen  Baiern  eingezogen,  von  sechs  Uhr  bis  Mitter-  * 
nacht  dauerte  der  Durchmarsch  des  Vortrabs  der  grossen  (böhmi- 
schen)  Armee   des   Fürsten  Schwarzenberg  in  der   Stärke  von 
40—50,000  Mann.   Diese   ganze   Truppenmasse  lagerte  auf  dem 
Galgenfeld.   Am  3.  Nov.  kam  das  Gros  des  österreichischen  Heeres 
heran,  auch  preussische  Feld-  und  Garde-Regimenter  und  diese  wur- 
den bei  den  Bürgern  einquartirt.   An  einzelnen  Tagen  belief  sich 
die  Einquartirung  bis  zu  56,000  Mann,  also  mehr,  denn  die  Bevöl- 
kerung der  Stadt.    Am  4.  Nov.  Nachmittags  traf  Fürst  Schwarzen- 
berg ein  und  nahm  sein  Hauptquartier  im  Belli'schen  Hause  gegen- 
über der  Hauptwache.   Am  5.  gegen  Mittag  hielt  Kaiser  Alexander 
von  Russland  seinen  Einzug  hinter  seinen  Gardekosaken;  ihm  nach 
führte  Grossfürst  Constantin  die  russischen  und  preussischen  Garde- 
reiter, welche  der  Kaiser  an  der  Katharinenkirche  an  sich  vorbei- 
defiliren  Hess;  er  nahm  dann  sein  Hauptquartier  im  v.  Schweizeri- 
schen Hause  (heute  Russischer  Hof),  Grossfürst   Constantin  im 
Englischen  Hof.   Abends  war  die  Stadt  erleuchtet. 

Am  6.  Novbr.,  einem  Samstag,  bildeten  früh  die  preussischen 
und  russischen  Garden  und  die  österreichischen  Grenadierbataillone 
vom  AUerheiligenthore  über  die  Allerheiligonstraase,  die  Zeil,  die 
Katharinenpforte,  Bleidenstrasse,  Neuekräme,  den  Markt  bis  zum 

83» 


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-    516  - 


Dom  ein  Spalier;  die  „Geleitsreiter"  rückten  in  Gala  aus  und  von  der 
Brücke  bis  zum  Recheneigraben  waren  64  österreichische,  32  russi- 
sche und  8  Frankfurter  Kanonen  aufgefahren.  Es  galt  den  Einzug 
des  Kaisers  Franz  zu  feiern.  Gegen  11  Uhr  ritten  Kaiser  Alexander 
und  sein  Bruder,  gefolgt  von  einer  glänzenden  Generalität,  dem 
österreichischen  Kaiser  entgegen,  welchen  sie  an  den  Riederhöfen 
antrafen.  Der  prunkende  Zug  der  beiden  Kaiser  wurde  auf  der 
Rückkehr  am  Allerheiligentbore,  wo  ein  Zelt  aufgeschlagen  war, 
von  einer  Deputation  des  Raths  empfangen.  Es  waren  Männer  dabei, 
welche  1792  über  demselben  Mann  als  deutschen  Kaiser  den  Bal- 
dachin getragen  hatten,  dem  sie  jetzt  als  österreichischem  Kaiser  die 
Schlüssel  der  Stadt  überreichten.  Welcher  Wechsel  der  Dinge  lag 
zwischen  den  beiden  Jahren!  Noch  stand  an  dem  Thore  „Gross- 
herzogthum Frankfurt"  angeschrieben  als  lebendige  Mahnung,  wie 
ungewiss  die  Zukunft  der  Stadt  sei,  welcher  einstweilen  der  Prinz 
von  Hessen -Homburg  als  Generalstatthalter  vorgesetzt  war.  Der 
Empfang  des  Kaisers  Franz  war  enthusiastisch;  die  Kanonen  donner- 
ten, die  Trommeln  und  die  Feldmusik  wurden  gerührt  und  darüber 
brausten  die  Vivatrufe  und  klangen  die  Töne  sämmtlicher  Glocken. 
Kaiser  Franz  wohnte  zunächst  einem  feierlichen  Te  Deum  im  Dome 
bei,  besuchte  dann  den  Kaiser  Alexander  im  Schweizerischen  Hause 
und  begab  sich  schliesslich  in  den  Taxis'schen  Palast,  wo  an  dem- 
selben Tage  grosse  Tafel  stattfand.  Aber  noch  vorher  wurde  der 
erste  Versuch  gemacht,  etwas  licht  Uber  die  dunkle  Zukunft  der 
Stadt  zu  verbreiten.  Bei  einer  kurzen  Audienz,  welche  die  Vorstände 
der  vierzehn  Stadtquartiere,  die  Bürgercapitäne,  mit  ihrem  Sprecher, 
dem  Advocaten  Dr.  Friedrich  Sigismund  Feyerlein,  gegen  4  Uhr 
bei  Kaiser  Franz  erlangten,  wusste  der  geschickte  Anwalt  bei  dem 
durch  den  Einzug  in  seine  Krönungsstadt  noch  angeregten  Kaiser 
Saiten  anzuschlagen,  welche  auch  neben  den  Erwägungen  der  Politik 
bei  der  späteren  Entscheidung  des  Schicksals  der  Stadt  nicht  ohne 
Wirkung  geblieben  zu  sein  scheinen.  Denn  Frankfurt  war  immer 
ein  wünschenswerther  Besitz  gewesen.  Hatte  1806  zuerst  Hessen- 
Darmstadt,  dann  Baden  (durch  den  Minister  von  Reitzenstein)  in 
Paris  sich  bei  dem  Protector  des  Rheinbundes  um  den  Besitz  der 
Stadt  beworben,  so  war  sie  jetzt  durch  einen  geheimen  Artikel  des 
Vertrages  von  Ried  sammt  dem  übrigen  Grossherzogthum  zur  Ent- 
schädigung an  Baiern  für  die  an  Oesterreich  zu  machenden  Gebiets- 
abtretungen bestimmt  Doch  die  grosse  Menge  liess  sich  von  solchen 
Sorgen  nicht  anfechten;  sie  drängte  sich  im  Theater,  wo  die  Fest- 
oper Titus  zu  patriotischen  Kundgebungen  für  die  beiden  anwesen- 


\ 


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—    517  — 


den  Kaiser  benutzt  wurde,  indem  Publius  den  verbündeten  Monar- 
chen ein  Hoch  ausbrachte  und  Titus  selbst  das* Lied:  „Gott  erhalte 
Franz  den  Kaiser"  anstimmte.  Am  Abend  war  die  Stadt  aufs 
Glänzendste  beleuchtet.  Am  8.  Nov.  traf  der  Kronprinz  von  Preus- 
sen  (Friedrich  Wilhelm  IV.)  mit  dem  Staatskanzler  Hardenberg  ein 
und  stieg  im  Darmstädter  Hof  ab;  am  11.  Novbr.  kam  der  GroBB- 
herzog  Ferdinand  von  Würzburg  an,  am  13.  die  Grossherzoge  Karl 
Friedrich  von  Baden  und  Ludwig  von  Hessen,  und  spät  am  Abend 
die  Könige  Friedrich  Wilhelm  III.  und  Max  Joseph.  Am  15.  traf 
der  Herzog  von  Nassau  und  der  Fürst  Blücher  und  am  19  der 
König  von  Würtemberg  ein,  welcher  am  2.  Nov.  eine  Allianz  mit 
den  Verbündeten  abgeschlossen  hatte.  Es  war  ein  Fürstencongress, 
welcher  manche  Parallele  mit  dem  fünfzig  Jahre  später  an  demsel- 
ben Orte  gehaltenen  anregt.  In  den  Beherrschern  von  Oesterreich, 
Baiern,  Hessen- Darm stadt  und  Nassau  und  dem  Kronprinzen  von 
Würtemberg  waren  1863  fünf  Enkel  der  Monarchen  von  1813  hier 
anwesend.  Dazwischen  gingen  mancherlei  militärische  Schauspiele, 
deren  glänzendstes  die  grossse  Parade  war,  welche  unter  Leitung 
des  Grossfürsten  Constantin  am  Sonntag  den  14.  Novbr.  stattfand 
und  wobei  die  Truppen  vom  Allerheiligenthore  bis  zum  Theaterplatz 
aufgestellt  waren.  Am  16.  Novbr.  fand  ein  glänzender  Ball  statt, 
welchen  die  Casinogesellschaft  den  verbündeten  Monarchen  im 
Theater  veranstaltete.  So  näherten  sich  die  Wirthe  und  Gäste  immer 
mehr  einander  und  besonders  populär  wurde  Friedrich  Wilhelm  III., 
welchen  man  jeden  Mittag  nach  der  Parade  mit  seinem  Sohne  durch 
die  Schlimm -Mauer  vor  das  Eschenheimer  Thor  in  die  Anlagen 
gehen  sah.  Beide  trugen  einfache  Uniformsröcke  und  an  der  Mutze 
das  Landwehrkreuz.  Die  Einwohner  der  Strasse  grlissten  sie  und 
ein  aus  Sachsen  stammender  Bürger  und  Handwerksmeister  konnte 
sich  nicht  enthalten,  dem  Könige  jedesmal  zuzurufen:  „Schönen 
guten  Morgen,  Majestät,  wünsche  wohl  geruht  zu  haben!0  worauf 
der  König  immer  freundlich  dankte. 

Betrachten  wir  aber  auch  die  Rückseite  der  Zustände  1  Die 
Zahl  der  Einquartierten  stieg  auf  30,000  -  40,000  Mann,  daneben 
wurden  einzelne  Heerhaufen  aus  den  Vorräthen  der  Stadt  verpflegt 
und  bedeutende  Lieferungen  für  die  Zukunft  ausgeschrieben.  Alle 
nur  immer  entbehrlichen  Gebäude,  selbst  Kirchen  und  Schulen,  waren 
Vorraths-  und  Siechenhäuser  geworden.  Hospitäler  waren  errichtet:  . 
in  der  Stadt:  im  deutschen  Hause,  dem  Leinwandhaus,  der  Wel- 
lenscheuer (auf  der  Altgasse)  und  der  Reitbahn;  vor  der  Stadt 
auf  der  Pfingstweide,  dem  Fischerfeld,  auf  dem  Sandhof  und  in  dem 


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SchlÖ8schen  zu  Bockenheim.  Dennoch  blieben  Tragende  von  Kran- 
ken aus  Mangel  an  Raum  in  den  Bürgerhäusern  zurück  und  ver- 
breiteten dort  den  tödlichen  PeststofF.  Denn  jene  schauerliche  Seuche, 
welcher  schon  im  Sommer  Opfer.'gefalleu  waren,  war  jetzt  zu  einer 
Kriegspest  geworden,  welche  einen  nicht  unbeträchtlichen  Theil  der 
städtischen  Bevölkerung  wegraffte.  Es  starben  in  Frankfurt  im 
Jahre  1813:  1566  Personen,  nämlich  im  ersten  Quartale  230,  im 
zweiten  323,  im  ersten  Halbjahr  also  563;  im  dritten  Quartale  271, 
im  vierten  742,  im  zweiten  Halbjahr  also  1013,  davon  allein  im 
November  338,  und  zwar  vom  13.  bis  19.  November  102;  im 
December  297.  Im  Dr.  Senckenbergischen  Bürgerhospital  waren 
1812:  299  Kranke  aufgenommen  und  74  davon  gestorben; 
1813  stiegen  diese  Zahlen  auf  467  und  100.  Im  Fremden- 
hospital zum  heil.  Geist  wurden  850  Kranke  verpflegt,  wovon 
114  starben.  Es  starben  am  Typhus  die  Aerzte:  Scherbius,  Physi- 
kus,  f  8.  Nov.,  J.  V.  Müller,  f  18.  Nov.,  Holtzmann,  Physikus, 
f  2.  Dec.,  Brumhard,  Physikus,  f  2a  Dec  1813,  U.  Wagner, 
Hospitalarzt,  f  5.  März  1814. 

In  dem  Hospital,  welches  auf  dem  Sandhof  in  der  Art  errichtet 
war,  das*  nicht  nur  der  grosse  Saal,  sondern  aus  Mangel  an  Platz 
auch  die  Musiktribüne  mit  Kranken  belegt  war,  nahm  die  Sterblich- 
keit solche  Dimensionen  an,  dass  der  behandelnde  Arzt,  Dr.  Neeff, 
trotz  des  rauhen  Wetters,  die  Kranken  auf  Leiterwägen  ins  Freie 
fahren  liess  und  damit  gute  Resultate  erzielte  3.  Im  deutschen  Hause 
war  ein  russisches  Hospital.  Unten  in  den  hochgewölbten,  mit 
Stuckatur  verzierten,  mit  gehöhnten  Fussböden  versehenen  Sälen, 
wohin  der  Kaiser  kam,  lagen  in  reinlichen  Betten  die  Kranken  der 
russischen  Garden;  oben  in  den  Dachkammern,  wohin  der  Kaiser 
nicht  kam,  lagen  auf  Stroh  die  Kranken  der  Feldregimenter;  die 
eisernen  Oefen  waren  bis  zum  Rothglühen  geheizt,  während  durch 
die  zerbrochenen  Scheiben  der  Wind  und  der  Schnee  seinen  Weg 
fand.  Noch  trauriger  sah  es  aus  auf  den  nächstgelegenen  Dörfern. 
Den  Landbewohner  drückten  die  Uebel  doppelt,  unter  deren  Last 
die  Bürger  seufzten.  Der  Zustand  der  Gemeinden  war  so  zerrüttet, 
als  das  Vermögen  der  Bauern.   Für  die  Besitzer  einzelner  Güter 


3  Es  war  dies  in  derselben  Zeit,  als  Emst  Horn  in  den  Sälen  seiner 
'  Typhuskranken  in  der  Berliner  Charite  eigenbändig  die  Fenster  einschlug,  weil 
er  in  der  reinen  Luft  das  Hauptmittel  der  Genesung  erkannte  und  sieb  doch 
nicht  auf  die  Folgsamkeit  seiner  von  Vorurtheilen  befangenen  Untergebenen 
verlassen  konnte, 


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-    519  — 


und  Höfe  war  das  Futterholen  eben  Kosakenhaufens  so  schlimm 
als  eine  förmliche  Plünderung  und  nicht  ein  Hähnchen  entkam  dem 
geübten  Auge  dieser  vielgepriesenen  Naturkinder. 

„Linderung  der  Leiden,  die  im  Gefolge  dieses  Krieges  herein- 
brachen, soweit  solche  in  den  Wirkungskreis  der  Frauen  einschlu- 
gen", war  der  Zweck  des  in  diesen  Tagen,  nach  dem  Muster  de» 
zu  Berlin  bestehenden,  gebildeten,  wenn  auch  erst  am  2.  Februar 
1814  förmlich  constituirten  Frauenvereins,  welcher  noch  jetzt  in 
segensreicher,  wenngleich  anders  gearteter,  Thätigkeit  fortbesteht 

Von  seiner  Gründung  bis  zum  Ende  des  Jahres  1814  konnte  der 
Verein  an  baarem  Geld  gegen  21,000  fl.  und  höchst  bedeutende 
Mengen  von  Kleidungsstücken,  Weisszeug,  Bettwerk  und  Verband- 
Leinen  spenden  und  daran  nicht  nur  Frankfurter  Freiwillige  und 
Linientruppen ,  deutsche  und  andere  Verbündete:  Russen,  Spanier, 
Englander,  Italiener,  Holländer,  Brabanter  und  Schweizer,  sondern 
auch  Franzosen  betheiligen,  und  noch  4000  fl.  den  Hospitälern  an- 
derer deutscher  Städte  zukommen  lassen. 

Indessen  bereiteten  die  Fürsten  sich  vor,  Frankfurt  zu  verlassen, 
und  so  musste  noch  ein  zweiter  Sturm  auf  das  Herz  des  Kaisers 
Franz  gewagt  werde.  Es  war  abermals  Feyerlein  mit  den  Bürger- 
capitänen,  welche  diesmal  zu  längerer  Audienz  bei  dem  Kaiser 
zugelassen  wurden.  Feyerlein  bemühte  sich  besonders  die  Zweifel 
des  Kaisers,  ob  Frankfurt  auch  zu  selbständiger  Existenz  noch  die 
Mittel  besässe,  und  nicht  weniger  dessen  Bedenken,  ob  man  den 
gefährlichen  Neuerungen  nicht  zu  sehr  zugethan  sei,  zu  widerlegen. 
Die  neuere  Geschichtschreibung  hat  eine  andere  Charakteristik  des 
Kaisers  Franz  aufgestellt,  als  die  unseren  Vätern  geläufige  und  so 
ist  es  uns  weniger  sicher,  als  es  der  vorhergehenden  Generation 
war,  dass  Feyerlein'B  Rede  und  Denkschrift  mehr  als  die  allgemeine 
Abneigung  gegen  Baierns  abermalige  Vergrösserung  bei  der  end- 
lichen Entscheidung  des  Schicksals  der  Stadt  in  die  Waage  gefallen 
sei;  das  soll  aber  das  Verdienst  des  wackeren  Sprechers  nicht  schmä- 
lern, dem  die  Erkältung  bei  rauher  Herbstluft,  nachdem  er  in  leich- 
ter Hoftracht  sich  vor  dem  Kaiser  warm  gesprochen  hatte,  eine 
Krankheit  zuzog,  an  welcher  er  um  Weihnachten  erlag. 

An  demselben  Tag  (8.  Dec.)  erschien  ein  Generalpardon, 
welcher  jedem  Deserteur  und  Refractär  aus  den  Departementen 
Frankfurt,  Fulda  und  Aschaffenburg  des  Grossherzogthums  Frank- 
furt, sowie  aus  dem  Fürstenthum  Isenburg,  wenn  er  sich  vor  dem 
1.  Januar  1814  bei  einer  Militär-  oder  Civilbehörde  des  Landes,  wo 
er  entwichen  ist,  stellt,  Straflosigkeit  zusichert  —  Auffallend  ist, 


dass  dieser  erat  am  17.  Dec.  veröffentlichte  Erlass  des  Generalgou- 
verneurs  eine  so  kurze  Frist  festsetzt,  wodurch  es  bei  den  damaligen 
Verkehrsverhältnissen  vielen  unmöglich  wurde,  der  angebotenen  Ver- 
zeihung rechtzeitig  theilhaftig  zu  werdeo. 

Ehe  die  Früchte  der  Feyerlein'schen  Audienz  bei  Kaiser  Franz 
zu  Tage  traten,  erließ»  der  Prinz  von  Homburg  einen  Aufruf,  in 
welchem  er  des  Kaisers  Ideengang  wiederholte,  wie  denn  die  Reac- 
tion  gegen  die  Verheissungen  von  Kaiisch  begonnen  hatte  urid  in 
dem  Franzosenkaiser  nicht  nur  der  Eroberer,  sondern  auch  der 
Erbe  jacobinischerGrunds&tze  bekämpft  wurde:  „Habt  ihr",  so  wen- 
dete am  11.  December  der  Prinz  sich  an  die  Freiwilligen,  „die  alte 
Treue  und  den  deutschen  Sinn  bewahrt,  bei  welchem  der  ausländi- 
sche Schwindelgeist  seine  Grenzen  fand  —  so  eilt  und  schlieft 
euch  willig  den  Schaaren  an,  welche  für  das  einst  so  heilig  von 
euch  geachtete  Gut:  vaterländische  Freiheit,  Sitte  und  Verfassung, 
muthig  in  den  Kampf  eilen  und  nie  die  Uebermacht  wollen  zurück- 
kehren lassen,  w eiche  das  alte  Volk  der  Deutschen  mit  schimpflicher 
Knechtschaft  und  völligem  Untergang  bedrohte.  Ein  grosser  Waffen- 
platz ist  ganz  Deutschland;  für  alle  Deutschen  sind  die  Schranken 
geöffnet,  zu  erndten  Ruhm  und  unsterbliches  Verdienst  um  das 
Vaterland.'4 

Am  14.  Dec.  endlich,  kurz  vor  der  Abreise  der  Monarchen, 
erschien  die  Erklärung  derselben,  in  welcher  die  demnächstige  Ein- 
setzung der  Stadt  Frankfurt  in  ihre  vormaligen  Rechte  und  Frei- 
heiten verkündigt  wurde. 

Am  17.  Dec.  forderte  ein  „Organisationsbureau11  der  Freiwilligen 
im  „Generalgouvernement  Frankfurt"  die  bemittelten  Glieder  der 
„Communen"  auf,  Beiträge  zur  Ausrüstung  der  Freiwilligen  zu  sam- 
meln. Man  sieht,  es  war  nicht  die  Zeit  des  Purismus;  die  sogenannte 
altdeutsche  Tracht,  die  8Banner"  und  „Fähnlein"  tauchen  erst  später 
hier  auf. 

Endlich  am  letzten  Tage  dieses  ereignissvollen  Jahres  wurde 
die  Bürgerschaft  durch  folgende  Bekanntmachung  von  „Bürgermeister 
und  Rath  der  freien  Stadt  Frankfurt"  überrascht:  „Wenn  wir  am 
19.  August  1806  unseren  Mitbürgern  die  traurige  Eröflnung  machen 
mussten,  dass  ein  mächtiger  Wille  über  die  freie  Verfassung  der  hie- 
sigen Stadt  entschieden  habe,  so  mussten  wir  uns  mit  dem  Gedanken 
aufrichten,  dass  kein  Verschulden  diess  unaufhaltbare  Ereignis« 
herbeiführe  und  dass  vielleicht  das  gütige  Geschick,  welches  mensch- 
liche Dinge  mit  wohlthätiger  Hand  weise  lenkt,  früher  oder  später 
ein  Ziel  setzen  werde.  —  Dieser  gewünschte  Zustand  ist  jetzt 


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I 


-    521  - 

erschienen.  —  Die  Allerhöchsten  Verbündeten  Mächte  haben 
beschlossen,  dass  die  hiesige  Stadt  mit  ihrem  ehemaligen  Gebiete  in 
ihre  eigne  städtische  Verfassung  vorläufig  wieder  zurücktrete.  Heute 
halten  wir  die  erste  Sitzung  u.  s.  w."  Während  der  Neujahrsnacht 
strahlten  die  Strassen  von  Frankfurt  im  Scheine  einer  glänzenden 
Beleuchtung  —  es  war  dieselbe  Nacht,  als  Blücher  bei  Caub  über 
den  Rhein  ging  und  den  Verhandlungen,  welche  den  Rhein  als 
Deutschlands  Grenze  und  jenseits  ein  übermächtiges  Frankreich 
wollten,  ein  thatsächliches  Ende  bereitete.  Diese  Verhandlungen 
waren  seit  dem  8.  Nov.  durch  St.  Aignan  geführt  worden  und  wür- 
den bei  unverzögerter  Annahme  der  Friedensbedingungen  durch 
Napoleon  die  sogenannten  natürlichen  Grenzen  Frankreichs  (Rhein, 
Alpen,  Pyrenäen)  zugestanden  haben4;  sie  hatten  auch  Blücher 
abgehalten,  schon  am  15.  Nov.  bei  Köln  über  den  Rhein  zu  gehen. 
So  spielten  in  jener  denkwürdigen  Zeit  in  unserer  Stadt  die  Geschicke 
Europas  und  die  Geschicke  eines  der  kleinsten  Staaten  neben  einan- 
der und  erst  der  Nachwelt  ist  es  deutlich  geworden,  welches  schwere 
Verhängnis«  durch  Napoleons  damalige  Verblendung  von  Deutsch- 
land abgewendet  worden  ist 


*  Ueber  den  Gang  dieser  Verhandlungen  verweisen  wir  auf  Schlossers 
Gesch.  des  18.  Jahrhdts.  Heidelb.  1848.  VII.  1051  ff.  1090  ff. 


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Lorenz  Heister, 

geb.  im  Jahr  1683  zu  Frankfurt,  gest.  1758  in  Helmstadt. 
Von  Dr.  Eduard  Heyden. 


Wenn  aus  der  nicht  unbeträchtlichen  Anzahl  bedeutender  Män- 
ner auf  geistigem  Gebiete,  die  in  Frankfurt  am  Main  das  Licht  der 
Welt  erblickt  haben,  der  Name  eines  der  ausgezeichnetsten  Söhne 
dieser  Stadt  allmälig  selbst  in  gelehrten  Kreisen  zwar  nicht  einer 
gänzlichen  Vergessenheit  anheimgefallen,  aber  doch  mehr  und  mehr 
in  den  Hintergrund  des  Gedächtnisses  getreten  ist,  so  trägt  von  die- 
ser Erscheinung  sicherlich  weniger  die  Zeit  die  Schuld,  als  vielmehr 
der  besondere  Umstand,  dass  gerade  die  wissenschaftlichen  Fächer, 
in  denen  jener  einst  so  weithin  berühmte  Frankfurter  vor  seinen 
gleichzeitigen  Berufsgenossen,  und  nicht  etwa  nur  vor  seinen  gelehr- 
ten deutschen  Collegen,  glänzend  hervorragte,  seit  der  Mitte  des  vori- 
gen Jahrhunderts,  wo  derselbe  vom  Schauplatze  des  irdischen  Wir- 
kens abtrat,  ganz  außergewöhnliche,  fast  riesenhafte  Fortschritte 
gemacht  haben. 

Ohne  Zweifel  ist  es  als  eine  der  Aufgaben  unseres  Vereines  zu 
betrachten,  das  Andenken  an  verdienstvolle  Männer,  welche  aus  dem 
engeren  heimathlichen  Gebiete  hervorgegangen  sind,  unter  Frank 
furts  Bürgern  in  dauernder  Frische  und  Lebendigkeit  zu  erhalten. 
Gilt  diess  im  Allgemeinen  als  richtig,  um  so  gerechtfertigter  dürfte 
es  dann  wohl^seinTm  gedrängtem  Abrisse  das  Leben  und  Wirken 
eines  Mannes  wieder  zu  vergegenwärtigen,  welcher  einst  als  „eine 
Zierde  Deutschlands"  und  der  Wissenschaft  zur  ehrenvollen  Aner- 
kennung deutscher  Forschung  bei  allen  gebildeten  Völkern  unseres 
Erdtheils  mächtig  beitrug,  um  dessen  Besitz  der  grosse  Czar  Peter  I. 
mit  fürstlichen  Pflegern  deutscher  Hochschulen  wetteiferte  und  den 
einer  seiner  Biographen  bei  den  Lesern  seiner  Schilderung  mit  der 


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—    523  - 


rühmlichen  und  erfreulichen  Bemerkung  einführt,  dass  ihn  —  diesen 
grossen  Beförderer  der  Arzneikunst,  Chirurgie,  Anatomie  und  Bota- 
nik —  die  Reichsstadt  Frankfurt  hervorgebracht  habe. 

Es  war  im  Jahr  1784,  als  zwei  berühmte  italienische  Gelehrte, 
beide  Professoren  zu  Pavia,  auf  einer  wissenschaftlichen  Reise  durch 
die  angesehensten  Länder  Europa's  in  einer  norddeutschen  Univer- 
sitätsstadt an  das  Grab  des  Mannes  geführt  zu  werden  verlangten, 
von  dem  hier  die  Rede  ist  und  seit  dessen  Tode  damals  bereits  sechs 
und  zwanzig  Jahre  verflossen  waren.  Wer  kennt  nicht  die  Namen 
des  grossen  Physikers  Alessandro  Volta  und  des  grossen  Anatomen 
und  Chirurgen  Antonio  Scarpa !  Als  sie  an  die  ersehnte  Stätte 
kamen,  sprach  Scarpa  zu  seinem  Begleiter:  In  genua  procidamus! 
—  Die  Stadt,  wo  dies  geschah,  war  Helmstädt,  und  das  Grab,  wo 
zwei  Koryphäen  wissenschaftlicher  Forschung  vor  den  Manen  eines 
deutschen  Gelehrten  mit  ehrerbietiger  Bewunderung  sich  beugten, 
war  die  letzte  Ruhestätte  eines  verdienstvollen  Sohnes  unseres  Frank- 
ftirt.  Die  einfach  auf  Rasen  angebrachten  Buchstaben  L.  H.  bezeich- 
neten es  als  das  Grab  des  weltberühmten  Lorenz  Heister. 

Natürlich  kann  es  sich  bei  einer  Lebensskizze  dieses  Mannes  in 
einem  niclitmcdicinischen  Werke  nur  um  die  Berücksichtigung  allge- 
meiner Gesichtspunkte  und  darum  handeln,  von  seinen  Erlebnissen, 
Leistungen  und  Verdiensten  ein  mit  Leichtigkeit  zu  Uberblickendes 
Gesammtbild  zu  entwerfen. 

Lorenz  Heister  wurde  in  Frankfurt  am  19.  September  1683 
geboren,  gerade  in  der  Woche,  wo  sich  hier  wegen  dos  sieben  Tage 
vorher  von  Sobiesky  und  den  deutschen  Truppen  bei  Wien  über  die 
Türken  erfochtenen  grossen  und  entscheidenden  Sieges  die  freudigste 
Stimmung  kund  gab.  Sein  Vater,  Johann  Heinrich  Heister,  damals 
Diel-  und  Holzhändler,  erkaufte  2  Jahre  später  das  Gasthaus  „zum 
Tannenbaum0  in  der  Fischergasse  Die  Mutter,  Maria  geborene 
Alleinz,  entstammte  einer  achtbaren,  kaufmännischen  Familie,  Beide 
Eltern  versäumten  bei  ihrem  Sohne  nichts  von  dem,  was  zu  einer 
guten  Erziehung  gehört.  In  seinem  neunten  Jahre  übergaben  sie 
ihn  dem  hiesigen  Gymnasium,  wo  er  ein  volles  Jahrzehnd  hindurch 
unter  dem  Rectorat  der  Herren  Arnold,  Schudt  und  Klumpf  bei 
unersättlicher  Wissbe  gierde  und  rastlosem  Fleisse  sich  in  Sprachen 
und  Wissenschaften  di  e  gründlichste  Ausbildung  zu  verschaffen  suchte. 


i  Dieses  Haus  führt  jetzt  die  Bezeichnung  „zur  Stadt  DÄrmstadt1'. 


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-    524  - 


Sein  nachmaliger  Biograph  Leporin*  erwähnt,  dass  Heister  in  allen 
Klassen  allezeit  einer  von  den  obersten  Schillern  gewesen  uud  äussert 
»ich  über  seine  Thätigkeit  als  Gymnasiast  unter  Anderm  wie  folgt: 
„In  denen  obersten  (Klassen)  hat  er  ohne  dem  vorbemeldeten  Arnoldo, 
auch  dessen  Successorem,  den  zwar  zu  zeitig  gestorbenen,  aber  den- 
noch unsterblichen  Jo.  Jac.  Schudt,  und  den  jetzigen  berühmten  Rec- 
torem  Herrn  Jo.  Thom.  Klumpf,  zu  seinen  vornehmsten  Praeceptoren 
gehabt,  unter  welches  letztern  Anweisung  zur  Poesie,  er  solche  Lust 
und  Inclination  zu  derselben  bezeuget,  dass  er  schon  damals  in  den 
zwei  letzten  Jahren  auf  der  Schule,  sonderlich  Ao.  1700  biss  1702, 
viele,  sowohl  Lateinische,  als  Deutsche  Gedichte,  im  17.,  18.  und  19. 
Jahre  seines  Alters,  auf  allerley  damahls  sich  ereignende  Vorfälle 
und  in  allerley  Materie,  geistliche  und  weltliche,  verfertiget,  welche 
vielen  Kennern  nicht  missfallcn;  sonderlich  hat  er  damahls  ein 
Gedicht  auf  die  Victorie  des  Königs  von  Schweden  bey  Narva,  auf 
Ihro  Kayserl.  Majestät,  als  Sie  damahls  als  König  nach  Spanien 
gingen,  auf  den  ersten  Feld-Zug  des  damahUgen  Römischen  Königs 
Josephi  und  die  Belagerung  von  Landau,  auf  den  König  in  Engeland, 
auf  die  Chur-Fürstin  in  Bayern,  als  sie  durch  Frankfurth  passirte, 
auf  die  eroberte  Silber-Flotte  zu  Vigos,  wie  auch  verschiedene  Hoch- 
zeit- und  Leichen-Gannina,  und  allerley  Epigrammata  etc.  geschrie- 
ben, auch  solches  nach  diesen  noch  zuweilen  continuiret,  und  sich 
dadurch  von  liederlicher  Gesclschafft  imd  Müssigang  entzogen.  „Und 
—  fugt  Leporin  noch  ausdrücklich  hinzu  —  ob  er  auch  in  einem 
Gast-lioffe  oder  Wirthsliause  erzogen  worden,  wo  junge  Leute,  weil 
sie  insgemein  von  denen  Fremden  mehr  Böses,  als  Gutes  sehen  und 
hören,  leicht  übel  gerathen,  bo  hat  er  dennoch  nach  Arth  der  Bienen, 
aus  allen,  auch  sogar  aus  dem  Bösen,  nicht  den  Giflft,  sonder  den 
Honig  oder  das  Gute  gezogen,  und  zu  seinem  Besten  angewendet* 
In  der  That  kann  Heister  in  weiser  und  gewissenhafter  Zeit- 
verwendung und  in  sorgfältiger  Benutzung  der  ihm  von  seinen  treff- 
lichen Eltern  gebotenen  Gelegenheiten  zum  Lernen  allen  Knaben 
und  Jünglingen  als  nachahmungswerthes  Muster  dienen.  Es  heisat 
von  ihm :  „Nachdem  er  etwas  erwachsen,  und  im  Lateinischen  ziem 
liehe  Fundamenta  gclcgct,  haben  ihm  seine  Eltern  auch  Sprach- 
Meister,  um  erstlich  die  Französische,  hernach  auch  die  Italiänische 


2  „Ausführlicher  Bericht  vom  Leben  und  Schriften  des  durch  ganz  Europain 
berühmten  Herrn  Dr.  Laurentii  Heisteri,  Allen,  die  von  wahrer  Gelehrsamkeit 
Profession  machen,  sonderlich  denen  Herren  Medicis  zum  Dienst  publiciret  von 
Christian  Polycarpo  Leporin,  D.  Quedlinburg  1725." 


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-    525  — 

Sprache  zu  lernen,  ingleichen  geschickte  Anführer  in  der  Musique, 
im  Zeichnen  und  andern  nützlichen  Exercitien  gehalten,  welche  Künste 
und  Wissenschaften  er  alle,  ehe  er  auf  Universitäten  gegangen,  auch 
ziemlich  begriffen.  So  hat  er  auch  als  ein  Knabe  von  blossen  Zusehen 
zum  Zeit- Vertreib  das  Buchbinden  gelernt,  und  ihm,  so  lange  er  in 
Frankfurth  gewesen,  bey  müssigen  Stunden  seine  meisten  Bücher 
selbst,  und  mearentheils  so  gut  als  ein  Buchbinder,  gebunden."— 
Ueberhaupt  behielt  es  in  in  der  Ausbildung  Heister 's  nicht  bloss  bei 
geistigen  Arbeiten  sein  Bewenden;  er  betrieb  auch  „anständige  Lei- 
besübungen". 3 

Mit  dem  Jahr  1702  begann  bei  dem  nun  neunzehnjährigen  Jüng- 
ling ein  zweiter  Abschnitt  vielseitiger  und  unermüdlicher  Tbätigkeit, 
die  nicht  weniger  als  sieben  Jahre  umfassende  Zeit  seiner  speciellen 
Fachstudien.  Zunächst  begab  er  sich  auf  die  Universität  Giessen, 
um  sich  dort  der  Erlernung  der  Heilkunde  zu  widmen.  Hier  war 
es,  wo  der  ausserordentliche  Professor  der  Medicin  und  Physikus  der 
Grafschaft  Nidda,  Höller,  den  jungen  Mann  durch  seine  Gelehrsam- 
keit so  an  sich  zu  fesseln  wusste,  dass  letzterer  nicht  blos  sein  eifri- 
ger Zuhörer  und  Tischgenosse  wurde,  sondern  ihm  auch  bereits  im 
nächsten  Jahre  mit  einigen  andern  Studenten  nach  Wetzlar  folgte, 
wohin  Möller  als  Physikus  des  Reichskammergerichts  berufen  worden 
war,  und  nicht  weniger  als  vier  Jahre  lang  als  lernbegieriger  Schüler 
bei  ihm  verblieb. 

Während  er  sich  bei  diesem  kenntnissreichen  Lehrer  in  den  ver- 
schiedenen ärztlichen  Fächern  theoretisch  und  practisch  zu  bilden 
suchte,  kam  ihm  zugleich  der  Umstand  sehr  zu  statten,  dass  er  im 
Hause  eines  Apothekers  wohnte,  wodurch  er  Gelegenheit  fand,  sich 
mit  der  Bereitung  der  Heilmittel  und  mit  den  verschiedenen  chemi- 
schen Proceduren  vertraut  zu  machen.  Er  betheiligte  sich  auch 
nicht  bloss  bei  den  Sectionen  menschlicher  oder  thierischer  Körper, 
welche  Möller  vollzog,  sondern  begab  sich ,  so  oft  auf  dem  anatomi- 
schen Theater  in  Giessen  interessante  Zergliederungen  stattfanden, 
zu  gleichem  Zwecke  dahin.  Ferner  begleitete  er  seinen  Lehrer,  wenn 
dieser  seine  vornehmen  Patienten  in  den  Taunusbädern  besuchte.  Da 
er  zugleich  eine  grosse  Neigung  zum  Studium  der  Pflanzenkunde 
hegte,  so  verwandte  er  einen  Theil  der  schönen  Jahreszeit  auf  bota- 
nische Wanderungen  und  „erwiess  sich  gantz  unermüdet,  die  Zeit,  da 
man  Kräuter  finden  kann,  zum  öfftern  alle  Gärten,  Wiesen,  Berge, 
Wälder  und  Felder,  sowohl  um  Nidda,  als  auch  um  Wetzlar,  Gies- 

*  Vgl.  Brucker,  Bildersaal,  III.  Zehnt. 


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Ben,  Frankfurth  und  aller  Orten,  wo  er  hin  kam,  durch  zu  kriechen, 
da  er  denn  alle  Kräuter,  die  er  nur  bekommen  kunte,  geaamlet, 
derselben  Nahmen  erkundiget,  selbige  sauber  aufgedrucknet,  und  zu 
einem  Herbario  Vivo  bewahret,  so  dass  er,  ehe  er  noch  nach  frem- 
den Landen  gereiset,  weil  die  Gegend  von  Nidda,  Wetzlar,  Glessen 
und  Frankfurth  von  Kräutern  nicht  arm  ist,  auch  allerley  schöne 
Gärten  vorhanden,  schon  über  zwey  Tausend  Kräuter  beysammen 
gehabt,  worzu  sonderlich  des  Herrn  D.  Eberhards  *  vornehmen  Raths- 
herrn, Schöppen  und  Bürgermeisters  in  Franckfurth  schöner  Garten, 
welcher  zu  der  Zeit  von  curieusen  fremden  Gewächsen  eine  grosse 
Menge  in  sich  hielt,  vieles  contribuiret  hat" 

Heister  hätte  nach  vierjährigen  raedicinischen  Studien  schon  pro- 
moviren  können,  wollte  aber  damit  nicht  eilen,  „um  sich  in  allen 
desto  besser  zu  perfectioniren*.  Er  begab  sich  deshalb  auf  An- 
rathen  seines  Lehrers  und  mit  Genehmhaltung  seiner  Eltern,  zu  An- 
fang des  Sommers  1706  nach  Holland.  Die  Reise  machte  er  zu 
WaBser  auf  dem  Main  und  Rhein,  besichtigte  genau  alle  au  letzte- 
rem Strome  gelegene  „schöne  und  berühmte8  Städte,  als  Mainz, 
Bacherach,  Rheinfels,  Koblenz,  Andernach,  Bonn,  Köln,  Düsseldorf, 
Kaiserswerth,  Wesel,  Nymwegen,  Dortrecht,  Rotterdam  u.  a.,  und 
gelangte  endlich  über  Delfft  nach  der  Universitätsstadt  Leyden,  wo 
er  jedoch  erfuhr,  dass  die  Fächer  der  Anatomie  und  Chirurgie  ge- 
rade damals  besonders  gut  in  Amsterdam  könnten  erlernt  werden. 
Dahin  eilte  er  unverzüglich  und  studirte  daselbst  hauptsächlich  auf 
das  Eifrigste  die  Zergliederungskunst  bei  dem  berühmten  Ruysch, 
der,  als  Anatom,  Arzt,  Chirurg,  Geburtshelfer  und  Lehrer  der  Bo- 
tanik fast  gleich  ausgezeichnet,  in  der  Geschichte  der  medicinischen 
Wissenschaften  und  der  Heilkunde  wohl  für  alle  Zeiten  einen  hervor- 
ragenden Rang  behaupten  wird.  Hierbei  versäumte  er  keine  Ge- 
legenheit zu  wundärztlichen  Operationen,  welche  sowohl  von 
Ruysch,  als  von  anderen  bedeutenden  Chirurgen  ausgeführt  wurden. 
Da  es  ausdrücklieh  heisst,  dass  er  sich  mit  vielen  Personen  und 
Gegenständen  des  Lernens  durch  grosse  Mühe  und  „Kosten8  bekannt 
gemaeht  habe,  so  ersieht  man  auch  hieraus,  wie  sehr  ihn  seine  Eltern 
in  seinem  ernsten  und  eifrigen  Strebeu  unterstützten. 

Um  nun  die  in  Anatom i eis  und  Chirurgicis  erworbenen  gründ- 
lichen Kenntnisse  durch  praktische  Anwendung  dauernd  zu  befesti- 


*  Conrad  Hieronymus  Eberhard,  genannt  Schwind,  Dr.  med.  —  einer  der 
wenigen  Aerate,  die  in  den  Frankfurter  Rath  gekommen  sind  —  starb  1744  im 
seltenen  hohen  Alter  von  beinahe  91  Jahren. 


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—    527  — 

gen,  begab  er  sich  im  Juni  1 707  zu  der  im  Kampfe  gegen  Ludwig  XIV. 
begriffenen  verbündeten  Armee  der  Britten  und  Niederländer  und 
beschäftigte  sich  als  ausübender  Arzt  und  Wundarzt  in  den  grossen 
Feldhospitälern  zu  Brüssel,  wobei  ihm  besonders  der  Umgang  mit 
»wei  vortrefflichen  Wundärzten,  Amiand  und  Crepin,  sehr  zum  Vor- 
theile gereichte.  Seine  ganze  übrige  Zeit  verwandte  er  dabei  theils 
auf  theoretische  Studien  im  Fache  der  Chirurgie,  theils  auf  Erler- 
nung der  englischen  Sprache  zum  Zwecke  der  Conversation  sowohl 
wie  zum  Verständniss  englischer  Schriften. 

Als  der  Feldzug  zu  Ende  ging,  begab  sich  Heister  wieder  nach 
Leyden,  um  unter  Albin,  Boerhave,  Letton  und  andern  hervorragen- 
den Meistern  seines  Faches  weiter  zu  studiren.  In  den  Freistunden 
„applicirte  er  sich  auch  auf  die  Mathesin  und  lernte  dabey  das 
Glasschleiffen  und  Microscopia  zu  machen".  Die  Ferien  verwandte  er 
zu  Ausflügen  in  verschiedene  holländische  Städte,  theils  um  mit  ge- 
lehrten Männern  in  nähere  Berührung  zu  kommen,  theils  zu  botani- 
schen Zwecken,  indem  er  es  sich  zur  Aufgabe  gemacht  hatte,  seine 
Sammlung  mit  Exemplaren  seltener  Pflanzen  und  Kräuter  aus  den 
holländischen  Gewächshäusern  und  Gärten  zu  bereichern.  Als  er  einst 
auf  einer  dieser  Reisen  nach  Amsterdam  kam,  lernte  er  bei  Ruysch 
den  damaligen  Rector  und  Dekan  der  medicinischen  Fakultät  an 
der  Universität  Harderwyk,  von  Almeloven,  kennen.  Nachdem  dieser 
vernommen  hatte,  dass  Heister  in  nächster  Zeit  zu  promoviren 
gedächte,  richtete  er  an  letzteren  die  Bitte,  ihm  die  Ehre  zu 
erzeigen  und  in  Harderwyk  die  Doctorwtirde  zu  erwerben,  was  denn 
auch  in  der  Pfingstwoche  1708  zur  Ausführung  kam  Hierauf  kehrte 
Heister  nach  Leyden  zurück,  „und  weil  er8,  heisst  es,  „gerne  seine 
angefangene  Collegia  continuiren  und  zu  Ende  bringen  wollte, 
cachirte  er  noch  seinen  Gradum,  vor  keine  Schande  achtend,  als 
Doctor  noch  eine  Weile  in  die  Collegia  zu  gehen  und  brachte  selbige 
alao  auch  völlig  zu  Ende." 

Beinahe  wäre  Heister  um  jene  Zeit  seinem  deutschen  Vaterlande 
für  immer  verloren  gegangen.  Da  es  einerseits  in  Holland  an  tüch- 
tigen Anatomen  fehlte,  andrerseits  lernbegierige  Jünglinge  sich  bald 
zu  ihm  hingezogen  fühlten,  so  beschloss  er  sich  in  Holland  zu  habi- 
litiren.  Dieser  Plan,  von  seinem  Lehrer  Ruysch  nicht  nur  gebilligt, 
sondern  wesentlich  unterstützt  und  gefördert,  erhielt  auch  die  Zu- 
stimmung seiner  Eltern,  und  so  begann  er  denn,  „nicht  zweiffelnd, 
dass  er  durch  seine  Studia  und  Fleiss  mit  Gott  daselbst  (in  Holland) 
weitere  Fortun  finden  würde*,  noch  im  Jahr  1708  zu  Amsterdam 
seine  anatomischen  Vorträge.  Sein  erste»  Auditorium  bildeten  B sehen 


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—    528  .— 


Frantzösiscbe  Chirurgi  oder  Barbiergesellen",  bei  deren  Unterwei- 
sung er  sich  der  französischen  Sprache  bediente;  eine  zweite  Reihen- 
folge von  Vorlesungen  eröffnete  er  bald  nachher  für  das  Winter- 
semester von  1708  auf  1709  vor  einem  Hörerkreise,  der  aus  deut- 
schen Studenten  bestand.  Er  wohnte  im  Hause  des  berühmten 
Mathematikers  und  Philologen  Tiberius  Hemsterhuis  und  benutzte 
die  ihm  dadurch  gebotene  Gelegenheit,  sich  mit  den  verschiedenen 
Fächern  der  angewandten  Mathematik,  der  Mechanik,  Statik,  Hydro- 
statik, Hydraulik,  Optik  und  Akustik,  in  ihren  Beziehungen  zu  den 
medicinischen  Wissenschaften,  insbesondere  zur  Anatomie  und 
Chirurgie  vertraut  zu  machen,  sowie  auch  in  den  Besitz  der  nötbigen 
mathematischen  Instrumente  zu  gelangen. 

Im  folgenden  Jahre  veranlasste  ihn  sein  unbegrenzter  Eifer  für 
möglichste  Ausbildung  in  der  Wundarzneikunst,  sich  noch  einmal 
als  Feldarzt  zur  Armee  zu  begeben.  Im  Verein  mit  dem  holländi- 
schen Generalwundarzt  von  Quavre  bediente  er  die  Feldhospitäler 
zu  Oudenarde  und  Brüssel,  in  welch  letztere  Stadt  unter  andern 
die  5000  in  der  Schlacht  bei  Malplaquet  verwundeten  Holländer 
gebracht  worden  waren. 

Gegen  Ende  des  Feldzugs  kehrte  Heister  nach  Amsterdam 
zurück,  wo  er  seine  Vorlesungen  weiter  fortsetzte.  Bald  darauf  lernte 
er  jedoch  einen  jungen  Arzt  aus  Nürnberg  kennen,  welcher  ihn 
darauf  aufmerksam  machte,  dass  in  Altdorf  eine  medicinische  Profes- 
sur  offen  sei  und  die  Hoffnung  in  ihm  erregte  und  zu  beleben  ver- 
stand, dass  eine  etwaige  Bewerbung  um  diese  Stelle  nicht  ohne 
günstiges  Ergebnisa  sein  werde.  In  der  That  meldete  er  sich  mit 
einem  schriftlichen  Gesuche  bei  dem  Rath  zu  Nürnberg,  und  Ruysch 
empfahl  ihn  den  (Juratoren  der  Akademie  so  nachdrücklich,  dass  er 
1710  —  mithin  in  einem  Alter  von  27  Jahren  —  die  Professur  der 
Botanik  und  Anatomie  zu  Altdorf  erhielt 

Bevor  er  dieses  Amt  antrat,  machte  er  noch  für  einige  Monate 
eiue  Reise  nach  England,  wo  er  sich  mit  den  grössten  Aerzten  dieses 
Landes  in  persönlichen  Verkehr  setzte  und  seine  botanische  und 
chirurgische  Sammlung,  sowie  seine  Bibliothek  auf  das  Ansehnlichste 
bereicherte. 

Neun  Jahre  lang  lehrte  Heister  zu  Altdorf  mit  unermüdetem 
Eifer,  und  mit  ebenso  grosser  Anschaulichkeit  als  Gründlichkeit, 
wobei  er  sich  zugleich  einer  ausgezeichneten,  fürstliche  und  diploma- 
tische der  näheren  und  weiteren  Umgebung  der  Universitätsstadt 
angehörige  Kreise  in  sich  schliessenden  Praxis  als  ausübender  Arzt 
zu  erfreuen  hatte.   Hier  war  es  auch,  wo  seine  äusserst  fruchtbare 


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-    529  - 


und  nachhaltige  Wirksamkeit  als  medicinischer  Schriftsteller  begann. 
Blumenbach  nennt  ihn  in  der  Einleitung  zur  Geschichte  der  medici- 
nischen  Wissenschaft  „utilis  et  extensae  famae  polygraphus,  de  re 
chirurgica  et  anatomica  meritissimus".  Im  Jahr  1719  erschien  seine 
„Chirurgie",  eines  der  berühmtesten  Bucher,  welches  in  fast  alle 
europäischen  Sprachen  übersetzt  und  noch  1779,  also  volle  sechzig 
.  Jahre  nach  der  ersten  Veröffentlichung,  in  sechster  Auflage  gedruckt 
wurde.  Ebenso  wurde  sein  zu  Altdorf  1717  erschienenes  Com- 
pendium  anatomicum  in  ganz  Europa  das  allein  herrschende. 

Binnen  wenigen  Jahren  erwarb  sich  Heister  durch  seine  literari- 
schen, akademischen  und  praktischen  Leistungen  innerhall}  und  aus- 
serhalb Deutschlands  die  allgemeine  Anerkennung  als  einer  der  aus- 
gezeichnetsten Aerzte.  Die  kaiserliche  Akademie  der  Naturforscher 
sowohl,  wie  die  königlichen  Akademien  der  Wissenschaften  in  Berlin 
und  London  ernannten  ihn  zu  ihrem  Mitgliede.  Was  aber  für  seine 
weitere  Thätigkeit  und  für  seine  ganze  Zukunft  entscheidend  war: 
er  erhielt  im  Jahr  1719  vom  Herzog  von  Braunschweig  den  Ruf  als 
Professor  der  Anatomie  und  Chirurgie  an  der  Juliusuniversität  zu 
Helmstädt.  Heister  nahm  nicht  bloss  das  dargebotene  Amt  au,  son- 
dern kein  noch  so  verlockendes  Anerbieten  hat  ihn  später  veranlassen 
können,  von  Helmstädt  wieder  zu  scheiden  Czar  Peter  der  Grosse 
trug  ihm  die  Stelle  eines  Leibarztes  an,  die  mit  ansehnlichem  Ge- 
halt und  mit  verschiedenen  Remunerationen  verbunden  war.  Er 
schlug  sie  aus.  In  gleicher  Weise  leimte  er  die  vorteilhaften  Aner- 
bietungen ab,  welche  ihm  vom  Bischof  zu  Bamberg,  dem  Herzog 
von  Holstein  und  von  anderen  Seiten  her  gemacht  wurden.  Freilich 
fehlte  ihm  auch  in  Helmstädt  die  Anerkennung  nicht,  die  er  ver- 
diente. Hatte  man  ihn  schon  in  Altdorf  äusserst  ungern  verloren  — 
die  meisten  Professoren  und  viele  Beamte  begleiteten  ihn  bei  seinem 
Scheiden  „biss  ein  gut  Stück  Weges  ausser  der  Stadt"',  und  die 
Studenten  der  Medicin  zu  Pferde  bis  nach  dem  drei  Meilen  entfern- 
ten Nürnberg  — ,  so  war  es  in  Helmstädt  namentlich  der  Herzog 
selbst,  welcher  Heister's  Anhänglichkeit  an  diese  Hochschule  durch 
Ernennung  zum  Leibarzt  und  Hofrath,  sowie  durch  vermehrten 
Gehalt  zu  belohnen  wusste. 

Es  kann  wohl  als  gemeinsame  Folge  einer  guten  Leibesconstitu 
tion,  geschonter  Jugendkraft  und  geregelter  Lebensweise  anzusehen 
sein,  dass  Heister  bei  all  seiner  grossen  Thätigkeit  ein  hohes  Alter 
erreichte  und  erst  im  75.  Jahre,  am  18.  April  1758,  einem  bösartigen 
Katarrhalfieber  unterlag,  nachdem  er  achtunddreissig  Jahre  lang  in 
Helmstädt,  und  —  die  Zeit  in  Amsterdam  und  Altdorf  mitgerechnet 


34 


-    530  - 

—  beinahe  ein  halbes  Jahrhundert  als  akademischer  Lehrer  ge- 
wirkt hatte. 

Was  seine  Stellung  in  der  Geschichte  der  medicinischen  Wissen- 
schaft betrifft,  so  präcisirt  sie  Huske*  in  den  Worten:  „Deutschland 
kann  ihn  sicher  als  den  ersten  ansehen,  welcher  die  Chirurgie,  die 
in  England,  Frankreich  und  Holland  schon  grosse  Fortschritte 
gemacht  hatte,  in  seinem  Vaterlande  au  einer  Wissenschaft  erhob 
und  in  Ansehen  brachte.  Seine  Beobachtungen  Uber  Steinschnitt, 
grauen  Staar,  Thränenhstel  und  Wasserbruch  waren  zu  damaliger 
Zeit  trefflich  und  haben  sich  bis  jetzt  als  richtig  und  treu  erwiesen; 
hierbei  war  es  für  ihn  vom  grössten  Nutzen,  dass  er  selbst  Kupfer- 
stecher und  Verfertiger  seiner  chirurgischen  Instrumente  war8. 
Das  Kupferstechen  hatte  er  während  seines  Aufenthaltes  in  Altdorf 
erlernt. 

Auf  Ersuchen  von  Seiten  des  Verfassers  dieser  Lebensskizze 
hat  der  hiesige  ausübende  Arzt  Herr  Dr.  C.  L.  Jung,  dessen  Thfc- 
tigkeit  sich  bekanntlich  vorzugsweise  im  Gebiete  der  Chirurgie 
bewegt,  Uber  Heister's  Stellung  in  der  Geschichte  der  Heilkunde 
nachstehendes  Urtheil  abgegeben:  „Wie  Heister's  Nadel  6  von  riesiger 
Dimension  (6"  lang,  2*"  breit)  Entschlossenheit  des  Charakters  kenn- 
zeichnet, so  wandte  unser  Landsmann  die  Chinarinde  (seit  1640  in 
Europa  bekannt7)  mit  [zuerst  bei  gangränösen  Leiden  an8  und  war 
dem  Aufblühen  pathologischer  Anatomie  bahnbrechender  För- 
derer 9.  Wenn  Heister  Trepanationsanzeigen  zwar  nur  auf  Kopf- 
verletzungen einschränkt i0,  bleibt  ihm  immerhin  das  Verdienst  gerade 
hierin  damaligem  Unfuge  gesteuert  zn  haben.  Ebenso  danken  wir 
seiner  Beobachtung  den  Existenznachweis  der  Kapselstaare  u.  Bei 
Nasenpolypen  ist  derselbe  meines  Wissens  Begründer  des  Wurzel- 
abdrehens mittels  stumpfer  Zange  **,  und  der  Trachealschnitt,  -eine 


*  Vgl.  den  Artikol  „Heister"  in  Ersch  and  Gruber,  Atigemeine  Encyclopä- 
die  der  Wissenschaften  und  Künste. 

fi  Fr.  Andr.  Ott,  Lithogr.  Abbildungen  nebst  Besohr.  d.  vorzfigl.  Sit.  und 
neu.  Chirurg.  Werkzeuge  und  Verbände.  München.  1829.  S.71.  Taf.  VII.  Fig.  29. 

»  Kurt  Sprengel ,  Versuch  einer  pragm.  Gesch.  der  Arzneikunde.  Halle, 
1800  -  03.  Bd.  5.  §.  16.  S.  285. 

*  Inst.  Chirurg.   Amstclod.  1750.  p.  321. 

»  Medic.,  Chirurg,  und  anat.  Wahrnehmungen.  Rostock.  1753.  Bd.  1. 
«o  Chirurgie,  Nürnberg  1719.  Kap.  40.  S.  444. 

»  Ibid.  8  478  und  Apol.  et  über,  illustr.  System,  sai  de  catar.  Altd.  1717. 
"  Chirurgie,  8.  514. 


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segensreiche,  selbst   heute  von  competenter  Seite  noch   oft  ver- 
worfene Operation,  fand  anHeiater  einen  eifrigen  Lobredner  Seine 
Heilung  der  Gefaasfistel  durch  Gorgeret,  Hohlaonde  und  spitzen  Scal- 
pell1*  wird  bis  zur  Stunde  alt  bestes  Verfahren  nachgeahmt;  im 
Streite  aber  um's  königliche  Gesetz "  vertheidigte  er  mit  Energie 
die  Sectio  caesarea  bei  dem  Ableben  schwangerer  Mütter1«  und  ver- 
sprach sich  schon  vom  Hautlappeu  für  Amputationen  mehr  Nutzen 
als  Verduin's  Fleischpolster  "  bieten  konnte,  auch  galt  ihm  hier,  im 
Gegensatz  zu  Anderen,  nur  die  Unterbindung  als  sicherstes  Stypti- 
cum  w.     Ihm,  dem   Chirurgen    nüchternen   Verstandes,  erschien 
Tagliacozzi's  Rbinoplastik  *•  geradezu  als  Fabel      Schwer  erklärlich 
ist  seine  Furcht  vor  dem  Ausschneiden  chronischer  Mandel  schwel- 
lungen  Si.  War  er  doch  nie  messerscheu,  wo  es  Geschwülste  ansehn- 
lichsten Umfangs  wegzunehmen  galt  **.    Vom  alten  Schlendrian, 
Wunden  mit  Wieken  anzufüllen,  vermochte  sich  Heister  nicht  los- 
zumachen M,  auch  musB  sein  Mitfassen  kleiner  Compressen  unter  die 
Ligatur  des  Samenstranges  getadelt  werden*4.    Von  Instrumenten 
besitzen  wir  nach  seiner  Angabe  einen  Lippenhalter  für  Hasen- 
scharten13, gefensterte  biegsame   Silberröhrchen  aus  Brusthöhlen 
Eiter  oder  Blut  abzulassen  M,  endlich  messingene  Harnrecipienten  w. 
In  seinen  Werken  verzeichnet  verdienen  ferner  Erwähnung:  beson- 
dere Nadeln  zur  Arterienunterhindung,  Flechsennaht,  die  vordere 
Augenkammern  zu  öffnen;  dann  ein Perf Oratorium  des  Thränenbeins, 
ein  Pelikan  und  Mundspiegel,  verschiedene  Messerformen  für  Her- 


>3  Ibid.  Cap.  92.  S.  556» 

"  Ibid.  Cap.  131,  S.  691. 

•*  Digest  Hb.  XI.  tit.  8.  De  mortuo  infer.  I.  2. 

16  Dias,  foetum  ex  utero  raatr.  mort.  mature  exacimlenduin  esse.  Altd.  1720. 

»»  Dias,  epist  de  nov.  artunm  deourtaod.  ratione.   Amstelod.  1096. 

«  Haller,  dias.  ohir.  vol.  V.  pag.  221. 

t»  De  cartor.  ohir.  libr.  duo.  Venet.  1597. 

»  Chir.  b.  oben.  Cap.  66.  S.  519. 

"  Ibid.  Cap.  85.  87.  S.  547. 

»  Dias,  de  optima  cancr.  uiammar  exstlrpandi  ratione.  Altd.  1720  io  Haller 
I.  «.,  vol.  IL  p.  509. 

23  Inat  chir.  P.  I.  Hb.  I.  Cap.  5.  §.  7.  pag.  97.  Note  b. 

24  L.  Heister  et  Heise,  Diss.  de  Sarcocele.  Heimst  1754.  und  Haller ,  1.  c. 
Vol.  II.  pag.  509. 

2>  J.  A.  Brambilla,  Instrum.  ebir.  Vien.  Vindob.  1780.  Tab.  XXI.  Fig.  6 
und  7. 

16  Chir.  Nürnberg,  1770.  Tab.  V.  Fig.  9  und  Tab.  VI.  Fig.  10.  11. 
"  Ibid.  Tab.  XVI.  Fig.  7. 

84* 


—    532  — 


niotomien,  Gliedabnahmen  u.  b.  w.;  »eine  Flügelsonde  hervorquellen- 
den Darm  zn  schützen,  ein  männlicher  Katheter,  Dilatatorium  und 
Conductor  bei  dem  Steinschnitt,  auch  scharfe  Haken  zur  Mutter- 
gewächsexcision  etc.  In  Behandlung  der  Schlüsselbeinbrüche  und 
Scoliosen  bediente  sich  Heister  gewisser  Rückenkreuze  um  Becken 
und  Schultern  befestigt  *e,  und  sein  Retinaculura  des  Dammes  *• 
nahm  die  Gabel  des  Petit'schen  Werkzeugs*1  zur  Reduction  ver- 
renkter Schenkelköpfe  auf." 

Was  Heister' a  Charakter  anlangt,  so  wird  von  ihm  gerühmt,  das* 
er  im  Umgange  liebreich,  gütig  und  dienstfertig  gewesen  sei.  Zu 
bedauern  ist,  dass  er  sich  in  seinen  späteren  Jahren  auf  eine  des 
wahren  Gelehrten  nicht  würdige  Weise  gegen  Linne*  benahm,  dem 
er  um  jeden  Preis  die  Ehre  der  Erfindung  der  Sexualtheorie  streitig 
zu  machen  suchte.  Er  veröffentlichte  zu  diesem  Zwecke  sogar  einen 
Brief  des  Wolfenbütteler  Arztes  Joh.  Heinr.  Burckhanl  an  den 
berühmten  Leibnitz,  richtete  aber  damit  nicht  viel  aus.  Denn  obgleich 
allerdings  Burckhard  die  von  Linne*  in  seinem  Systeme  ausgeführte 
Idee  angedeutet  hatte,  so  erkannte  man  doch,  dass  dadurch  die  Ver- 
dienste Linne" s  nicht  geschmälert  werden  könnten.  Auch  in  der 
Praxis  suchte  er  das  Linnl'sche  System  durch  Aufstellung  seines 
eignen,  im  Wesentlichen  auf  die  Verschiedenheit  der  Frucht  begrün- 
deten, zu  verdrängen,  erlangte  jedoch  keine  Anerkennung  und  Ver- 
breitung desselben  31.  Sein  Herbarium  war  übrigens  allmälig  bis  zu 
98  Bänden  angewachsen,  in  jedem  Bande  ungefähr  70  getrocknete 
Pflanzen  enthaltend.  Im  Jahre  1801  kaufte  es  der  Herzog  von 
Braunschweig  in  einer  Versteigerung  für  die  Universitätsbibliothek 
zu  Helmstädt. 

Heister  besass  auch  eine  grosse  Sammlung  medicinischer  Dispu- 
tationen: 160  Bände  mit  je  50,  zusammen  also  etwa  8000  Abhand- 
lungen. Auch  diese  Sammlung  ging  später  in  den  Besitz  der  Helm- 
städter Bibliothek  über. 

Von  Heister's  beiden  Söhnen  war  der  erstgebome  schon  als 
Kind  verstorben,  der  andere  —  Elias  Friedrich,  geboren  1715  zu 
Altdorf,  studirte  von  seinem  sechzehnten  Jahre  an  die  Medicin  zu 
Helmstädt,  Berlin  und  Leipzig,  wurde  17-18  zu  Helmstädt  Doctor 


"  De  fsscüs  et  vincturi«  chir.  Amstelod.  175«.  Tab.  VIII.  Fi*.  13. 
»»  Ott.  1.  c.  8.  221.  Taf.  XXX.  Fig.  12. 

*  K.  J.  C.  Garengeot,  Nonv.  Trsit.  des  instrum.  de  chir.  le  plus  ntiles 
2.  T.  Par.  1723. 

31  Vgl  E.  Winckler,  Geschichte  der  Botanik.  Frankfurt  a.  M.  1864.  S.  198. 


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und  machte  1740  eine  Reise  nach  Holland,  auf  welcher  er  aber 
bereits  am  U.  November  des  genannten  Jahres  plötzlich  am  Ver- 
Bchlucken  eines  Stückes  von  einem  Messer,  oder  nach  anderer  An- 
gabe an  einem  sehr  bösartigen  Magenkrämpfe  starb,  nachdem  der 
erst  fünfundzwanzigjährige  talentvolle  junge  Mann  noch  vorher, 
gleich  seinem  Vater,  zum  Mitglied  der  kaiserlichen  Akademie  der 
Naturforscher,  zum  Hofrath  und  Professor  zu  Helmstadt  ernannt 
worden  war.  Auch  er  hatte  bereits  viel  geschrieben,  doch  fehlte  ihm 
die  Zeit,  es  gehörig  zu  bearbeiten  und  herauszugeben. 


Johann  Michael  von  Loeu. 

Goethe'»  Grossoheim. 


Quellen: 


Strodtmann,  das  Neue  Gelebrtc  Europa.  Th.  2.  S.  520—570. 
Stosch,  des  Neuen  Gelehrten  Europa  9.  Th»il,  S.  42»— 439.  Brucker, 
Bildersaal.  Hymmen,  Bey träge  zu  der  juristischen  Literatur  in  den 
preussischen  Staaten.  Fünfte  Sammlung.  S.  257— 28G.  v.  Locn,  Gc 
sammelte  kleine  Schriften.  Diarium  der  Wahl  und  Krönung  Kaiser 
Karls  VII. 

In  dem  Werke  „Aus  meinem  Leben"  sagt  Goethe  unter  Anderm  : 
„Mein  Vater  mochte  sich  auf  Reisen  und  in  der  freien  Welt,  die  er 
gesehen,  von  einer  eleganten  und  liberalen  Lebensweise  einen  andern 
Begriff  gemacht  haben,  als  sie  vielleicht  unter  seinen  Mitbürgern 
gewöhnlich  war,"  und  fugt  dann  hinzu :  vZwar  fand  er  darin  Vor- 
gänger und  Gesellen."  Als  solche  nennt  er  ausser  anderen  den 
Schöffen  von  Uffenbach,  den  Baron  von  Häckel  und  seinen  Gross- 
oheim Johann  Michael  von  Locn,  bei  welchem  letzteren  er,  neben- 
bei bemerkt,  sich  des  kleinen  Irrthums  schuldig  macht,  dass  er  ihn 
als  nicht  von  Frankfurt  gebürtig,  sondern  als  einen  in  die  Rcichs- 
stadt  Eingewanderten  bezeichnet 

Goethe  eröffnet  seine  Mittheilung  über  Loen  mit  dem  Bemerken, 
dass  derselbe  in  der  literarischen  Welt  sowohl  wie  in  Frankfurt 
ziemliches  Aufsehen  gemacht  habe.  —  In  der  That  war  der  Ge- 
nannte zu  seiner  Zeit  besonders  als  Schriftsteller  und  vornehmer 
freimtithiger  Mann  geschätzt  Er  schrieb  —  ein  ächter  Vertreter 
seiner  Zeit  —  lateinisch,  deutsch  und  französisch.  Theils  also  au* 
eben  erwähntem  Grunde,  theils  aber  auch  wegen  der  socialen  Stel- 
lung, welche  dieser  Verwandte  der  Goethe'schen  und  Textor'acheu 
Familie  eine  geraume  Zeit  lang  in  seiner  Vaterstadt  einnahm,  dürfte 


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wohl  ein  Abriss  seiner  Lebensgesclüchte  den  Lesern  des  Archivs 
nicht  unwillkommen  erscheinen. 

Im  ersten  Viertel  des  siebenzehnten  Jahrhunderts  hatte  sich  der 
Niederländer  Justus  oder  Jost  von  Loen  aus  seiner  Heimath  nach 
Frankfurt  gewendet,  am  18.  Februar  1623  mit  Margaretha,  der  nach- 
gelassenen Tochter  des  hiesigen  Handelsmanns  Hans  Steffen,  ver- 
heirathet  und  ein  grosses  und  ansehnliches  kaufmännisches  Geschäft 
errichtet  (negotium  suscepit  magnum  et  copiosum).  Er  starb  am 
20.  März  1660.  Sein  Sohn  Johannes  (1628—1703),  vermählt  mit 
Anna  Jordiss,  aus  der  angesehenen  Frankfurter  Familie  dieses  Na- 
mens, führte  das  väterliche  Geschäft,  jedoch  nicht  mit  demselben 
ausdauernden  günstigen  Erfolge,  weiter  (magna  commercia  patris, 
ast  impari  successu,  continuavit).  Von  seinen  elf  Kindern  setzten 
nur  zwei  Söhne,  Paulus  und  Michael,  das  Geschlecht  fort:  ersterer 
in  Schlesien,  letzterer  in  Frankfurt  Im  Jahr  1690  verheiratete  sich 
Dämlich  Michael  von  Loen  mit  Maria  Passavant,  der  Tochter  des  im 
Jahr  1666  hier  eingewanderten  reichen  Handelsherrn  Rudolph  Eraa- 
nuel  Passavant,  des  ehren werthen  Ahnherrn  der  Frankfurter  Passa- 
vant Dieser  Ehe  entstammte  unser  Johann  Michael  von  Loen.  Da 
im  hiesigen  Kirchenbuche  der  13.  December  1694  als  dessen  Tauf- 
tag eingeschrieben  ist,  so  erscheint  die  Angabe,  dass  er  am  21.  De- 
cember des  genannten  Jahres,  d.  h.  am  11.  nach  dem  bis  zum 
1.  Januar  1701  hier  gebräuchlichen  Julianischen  Kalender,  geboren 
sei,  als  vollständig  begründet.  Leider  verlor  das  Kind  seine  Mutter, 
die  als  „ein  Beispiel  kluger  Frauen"  bezeichnet  wird,  schon  im  dritten 
Lebensjahre.  Sie  starb  am  17.  April  1697.  Wegen  seiner  hervor- 
stechenden geistigen  Anlagen  wurde  indessen  sowohl  von  Seiten  des 
Vaters  als  von  der  des  Grossvaters  Passavant  auf  seine  Entwickclung 
und  Ausbildung  eine  besondere  Sorgfalt  verwendet  „Sein  sich  zeitig 
äussernder  munterer  Geist,  der  feurige  Witz,  der  schon  in  der  Kind- 
heit leuchtende  Blicke  sehen  Hess,  und  ein  aufgewecktes  Wesen 
machten,  dass  man  für  seine  Erziehung  sorgfältig  bekümmert  war. 
Kriegssachen,  Komödien,  Malen,  Versemachen  ergötzten  diesen  feu- 
rigen Knaben  und  entdeckten  die  Gluth,  von  der  man  sich  nach 
verlodernder  Flamme  eine  wärmende  Hitze  zu  versprechen  hatte." 
Dreizehn  Jahre  alt  kommt  er  in  den  fürstlich  Isenburgischen  Resi- 
denzort Birstein,  „wo  damals  eine  gute  Landschule  war  und  wo 
junge  Leute  von  den  besten  Franckfurtischen  Häusern  studirten.' 
Hier  hatte  er  sich  eines  guten  Umgangs  und  trefflichen  Unterrichts 
zu  erfreuen,  so  dass  er  bereits  1711  die  Universität  Marburg  be- 
ziehen konnte,  wo  er  sich  dem  Studium  der  schönen  Wissenschaften 


und  der  Rechtskunde  widmete«  Auch  am  letztgenannten  Orte  waren 
alle  äusseren  Verhältnisse  seiner  Ausbildung  überaus  förderlich,  so 
dass  er  denn  unter  anderm  schon  als  siebenzehnjähriger  Jüngling  in 
einer  öffentlichen  Disputation  auftrat  und  sich  bald  den  Ruf  eines 
jungen  Gelehrten  und  dadurch  die  besondere  Liebe  seines  Gross- 
vaters Passavant  erwarb,  der  ihm  „seine  Disputation  reichlich  be- 
lohnte4*. 

Im  Jahr  1712  vertauschte  von  Loen  die  Marburger  Hochschule 
mit  der  zu  Halle.  An  letzterem  Orte  fand  er,  was  er  suchte:  reich- 
liche Nahrung  für  seinen  wissbegi erigen  Geist,  und  Lehrer  nach 
seinem  Wunsch  und  Verlangen.  Insbesondere  war  es  der  berühmte 
Thomasius,  aus  dessen  Unterweisung  und  Umgang  er  den  möglichsten 
Vortheil  zu  ziehen  verstand.  Neben  seinen  ernsten  Studien  ver- 
säumte er  nicht  die  Erlernung  der  Musik  und  des  Zeichnens,  und 
betrieb  auch  das  Fechten  und  Reiten.  Letzteres,  sowie  der  persön- 
liche Verkehr  mit  Leuten  von  feinster  Bildung  trug  natürlich  viel 
dazu  bei,  ihn  allraälig  zu  einem  gewandten  Weltmann  zu  machen. 

1715  kehrte  er  nach  Frankfurt  zurück.  lu  seiner  Bescheidenheit 
sah  er  die  mitgebrachte  Gelehrsamkeit  mehr  für  glänzend  als  gründ- 
lich an,  und  drang  desshalb  in  die  Seinigen,  ihm  die  Erlaubniss  zu 
einer  längeren  Reise  zu  gewähren.  Seinem  wiederholten  Verlangen 
wurde  auch  entsprochen,  doch  musste  er  sich  zuvor  im  Herbste  des 
zuletzt  genannten  Jahres  zu  Wetzlar  mit  dem  Kammergerichta- 
prozess  bekannt  machen,  oder,  wie  er  selbst  sagt,  „den  Kammer- 
schlender  kennen  lernen  und  einen  sechzigjährigen  Prozess  von  einer 
alten  Grossmutter  besorgen".  „Man  hätte  es,*  fügt  er  hinzu,  „wohl 
nicht  übler  treffen  können,  um  mir  eine  Lust  zur  Juristerey  beizu- 
bringen.0 

v.  Loen  berichtet  ausserdem  über  diese  kurze  Episode  seines 
Lebens  unter  Anderm  noch  Folgendes:  „Zu  meiuer  Zeit  war  kein 
Kammerrichter  in  Wetzlar.  Der  Freiherr  von  Ingelheim  und  der 
Graf  von  Solms- Laubach  waren  Präsidenten :  zwei  redliche  Männer 
von  gleich  grossem  Ruhm.  Der  Assessor  Ludolff  war  damahls  einer 
der  wichtigsten  Referenten:  er  war  sehr  gelehrt,  man  konnte  es 
ihm  recht  ansehen.  Der  Assessor  F.  machte  die  Ehre  der  Kaminer 
auf  eine  andere  Art.  Wer  ihn  besuchte,  kam  insgemein  betrunken 
wieder  nach  llauss.  Dieses  war  ein  solainen  miserum  für  manche 
unglückliche  Sollicitanten." 

Im  Frtthlinge  des  Jahres  1716  trat  von  Loen  seine  Reise  an 
und  verweilte  zunächst  eine  Zeitlang  in  Regensburg,  dem  Sitze  des 


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—    537  — 

deutschen  Reichstags  *.  Von  hier  ans  begab  er  sich  nach  Augsburg, 
dann  nach  München  an  den  kurbayerischen  Huf,  hierauf  durch 
Schwaben,  Franken  und  Thüringen  nach  Halle,  von  da  nach  Dres- 
den, Torgau,  Berlin  und  Frankfurt  a.  d.  O.  zu  seinem  Oheim  von 
Loen,  und  endlich  nach  Wien.  Von  dem  Treiben  in  dieser  Haupt- 
stadt und  dem  kaiserlichen  Hofe  gibt  er  eine  sehr  anschauliche  und 
lebendige  Schilderung. 

v.  Loen  gedachte  von  Wien  aus  den  englischen  Diplomaten 
Lord  Montague  auf  seiner  Gesandtschaftsreise  nach  Konstantinopel 
zu  begleiten,  konnte  aber  dazu  nicht  die  Erlaubniss  seines  Gross- 
vaters Passavant  erwirken  und  kehrte  desshalb  nach  Frankfurt  zu- 
rück. Von  hier  aus  besuchte  er  die  benachbarten  Fürstenhöfe,  dann 
die  vorzüglichsten  Städte  der  Niederlande  und  reiste  hierauf  über 
Bremen  und  Hamburg  nach  Berlin,  wo  er  den  Winter  von  1717 — 
1718  verweilte.  Von  dem  Hofe  des  Königs  Friedrich  Wilhelm  L, 
des  Vaters  von  Friedrich  dem  Grossen,  hat  er  eine  sehr  anziehende 
Schilderung  hinterlassen. 

Einige  Stellen  daraus  dürften  von  besonderem  Interesse  sein :  „Ich 
sehe  hier,  sagt  unter  Anderm  v.  Loen,  einen  königlichen  Hof,  der 
nichts  glänzendes  und  nichts  prächtiges  als  seine  Soldaten  hat.  Es  ist  also 
möglich,  dass  man  ein  grosser  König  sein  kann,  ohne  die  Majestät 
in  dem  äusserlichen  Pomp  und  in  einem  langen  Schweiff  buntfärbig- 
ter,  mit  Gold  und  Silber  beschlagenen  Creaturen  zu  suchen.  Hier  ist 
die  hohe  Schule  der  Ordnung  und  der  Haushaltungskunst,  wo  grosse 
und  kleine  sich  nach  dem  Exempel  ihres  Oberhaupts  mustern  lernen". 
. . .  Der  König  ist  von  seiner  Neigung  für  die  Soldaten  ein  wenig  zu 


1  Beachtenswerth  erscheint,  geradeln  unseren  Tagen, was  er  Über  letzteren 
anter  Anderm  äussert :  „Es  wäre  zu  wünschen,  dass  besser  auf  unsere  Reichs- 
grundgesetze gehalten  würde;  allein  die  besten  Verfassungen  in  der  Welt  leiden 
durch  die  Veränderung  der  Zeiten  und  Menschen  allerlei  Anstösse.  Hätte  das 
Reich  in  seiner  vortrefflichen  und  glückseligen  Gestalt  bleiben  sollen,  so  hätte 
auch  ein  jeder  Stand  so  bleiben  müssen ,  wie  er  war.  Es  hätte  keiner  mehr 
Hechte,  mehr  Macht,  mehr  Ansehen,  mehr  Gewalt  und  mehr  Länder  gewinnen 
müssen,  als  er  zu  der  Zeit,  da  die  goldene  Bulle  gemacht  wurde,  wirklich  be- 
saas  und  innen  hatte;  denn  der  Wachsthum  eines  Körpers  verändert  auch 
die  Gestalt,  und  was  einen  kleinen  wohl  kleidet,  das  kleidet  darum  nicht 
auch  einen  grossen.  Die  allzuwichtige  Erhöhung  einiger  mächtigen  Reichs- 
stände macht  die  andern  zu  klein  und  zu  schwach.  Diese  müssen  es  zugeben i 
daes  sich  jene  über  sie  vieles  herausnehmen.  Gebet  Gesetze,  wie  ihr  wolt,  wo  die 
Macht  ist,  da  verlieren  sie  ihre  Kraft.  Grosse  und  mächtige  Fürsten,  die  durch 
sich  selbst  bestehen  können,  lassen  sich  nicht  wohl  mehr  ex  decreto  Sancti 
Imperli  und  durch  Reichsabschiede  behandeln." 


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-    538  - 

sehr  eingenommen.  Vergebens  sucht  er  alle  Mittel  anzuwenden,  um 
Leute  in  sein  Land  zu  ziehen,  welche  die  Handlung  und  die  Fabri- 
ken darinnen  empor  bringen  könnten.  So  lang  aber  nur  noch  ein 
Schatten  der  gewaltsamen  Werbungen  herum  wandert,  so  ist  derselbe 
wie  ein  Gespenst,  welches  alle  Menschen  schrecket.41  v.  Loen  knüpft 
gleich  daran  eine  Betrachtung,  die  den  ganzen  Mann  kennzeichnet. 
Er  sagt:  „Das  sicherste  Mittel  ein  Land  zu  bevölkern,  ist  die  Frei- 
heit. Wo  diese  ist,  da  ziehen  sich  die  Menschen  hauffenweise  hin. 
Wo  viel  Volk  ist,  da  ergiebt  sich  die  Nahrung  von  sich  selbst  Man 
lasse  nur  den  Landmann  ruhig  bei  seinem  Ackerbau;  der  Haudwerks- 
raann  und  der  Künstler  werden  beyde  genug  Arbeit  finden,  und  der 
Kaufmann  wird  sich  ebenso  geschäftig  erzeigen,  den  Anwachs  der 
Früchte  und  die  verarbeiteten  Waaren  zu  vertreiben.  Dadurch  ent- 
stehet die  Handlung,  welche  die  Seele  der  Reichthümer  und  desUeber- 
flusses  ist.  Die  Gelder  kommen  von  einer  Hand  in  die  andere,  und 
dieser  glückliche  Umlauf,  der  alle  Nerven  beweget,  wird  den  ganzen 
Staatskörper  mit  Geist  und  Stärcke  beleben.  Eine  Handthirung  wird 
auf  die  andere  wirken,  und  wie  das  Räderwerk  in  einer  Maschine 
fortlauffen.  Die  Einkünfte  des  Königs  werden  sich  dadurch  erstaun- 
lich vermehren,  nnd  sein  Volk  wird,  wann  es  zugleich  durch  eine 
gute  Policey  regiert  wird,  das  glücklichste  auf  Erden  seyn.  Man 
könnte  dieses  alles  mathematisch  erweisen ,  wann  die  Erfahrung  uns 
dieser  Mühe  nicht  überhoben  hätte,  indem  sie  zu  obigen  Grundsätzen 
den  völligen  Beweis  vor  Augen  legt.1' 

v.  Loen  kommt  sodann  auf  den  jungen  Kronprinzen  zu  spre- 
chen und  sagt:  „Dieser  zeiget  bei  einem  noch  zarten  Alter  eine  unge- 
meine Fähigkeit,  ja  etwas  ganz  ausserordentliches.  Er  ist  ein  über- 
aus munterer  und  lebhafter  Prinz.  Er  hat  eine  sehr  feine  und  geist- 
reiche Bildung;  er  fasset,  er  lernt  alles,  was  man  ihm  vorlegt,  mit 
der  grössten  Leichtigkeit.  Er  gehet  nun  in  das  siebente  Jabr;  man 
ist  beschäftiget  denselben  aus  dein  Frauenzimmer  zu  tliun  und  ihm 
einen  besondern  Hofstaat  beizulegen....  Man  sagt,  dass  der  König 
im  Stande  sey,  für  das  Geld,  womit  er  unter  dem  Schloss  die  Ge- 
wölber angefüllet  hätte,  noch  zwey  Armeen  auf  die  Beine  zu  setzen. 
Dieses  ist  wohl  zu  glauben.  Als  unlängst  der  Kronprinz  mit  einem 
grossen  Gefolg  von  Offizieren  hinter  dem  König  herging,  radelte 
derselbe  mit  seinem  kleinen  Stöckchen  wider  die  Pallisaden,  und  rief 
dabey  aus:  Wie  froh  werden  einmal  diese  Gefangene  sein,  wenn  man 
sie  erlösen  wird.  Die  Offiziere,  die  um  ihn  waren,  fingen  darüber 
an  überlaut  zu  lachen.  Der  König  hörte  solches,  er  wand  sich  herum 
und  fragte,  was  da  wäre.     Niemand  wollte  sich  erkühnen  das  gute 


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-    539  — 

Wörtchen,  welches  dem  Kronprinzen  entfahren  war,  dem  König  zu 
»agen ;  dieser  drang  mit  Heftigkeit  darauf  und  machte,  als  er  es  ver- 
nahm, darüber  keine  gar  gnädige  Miene ;  er  entdeckte  in  den  Worten 
des  Kronprinzen  die  Sprache  anderer  Leute." 

Den  nächsten  Frühling  und  Sommer  verbrachte  v.  Loen  am 
prachtvollen  Hofe  des  Königs  von  Polen  und  Kurfürsten  von  Sachsen, 
August  des  Starken,  zu  Dresden.  Er  entwirft  davon  unter  Anderm 
folgende  Schilderung: 

„Ich  beschreibe  hier  den  prächtigsten  und  g a  la ntes  t e n  Hof  von 
der  Welt.  Man  muss  mir  das  letzte  Wort  im  Teutschen  gelten  las- 
sen, denn  es  ist  in  Hachsen  sehr  üblich,  und  ich  finde  auch  sonst  kei- 
ne» in  allen  mir  bekannten  Sprachen,  welches  dasjenige  besser  aus- 
drücken solte,  was  ich  hier  sagen  will:  es  bedeutet  solches  so  viel, 
als  ein  lebhaftes  artiges  Wesen,  das  gefällt,  das  rühret,  das  sich  der 
Sinnen  bemächtiget  und  den  Witz  gebrauchet,  um  desto  empfindlicher 
wollüstig  zu  sein. 

„Das  sächsische  Blut  ist  das  schönste  in  Teutschland :  es  ist  feurig, 
zärtlich  und  überaus  verbuhlt.  Die  Wollust  macht  die  Einwohner  in 
diesem  Land  sinnreich,  angenehm,  höflich  und  schmeichlerisch;  aber 
zugleich  auch  wanckelmütliig,  weichlich,  plauderhaft  und  schwelgerisch. 
Weil  sie  von  Natur  mit  einer  glücklieben  Erfindungskraft  begäbet 
sind,  so  findet  man  unter  ihnen  die  meisten  Poeten  und  .Romanen- 
schreiber: sie  sind  die  ersten,  die  sich  erkühnt  haben,  teutsche  Schau- 
spiele nach  dem  Geschmack  der  Franzosen  zu  verfertigen.  Wenn 
man  die  Gottschedische  Sammlung  und  Lustspiele  des  Herrn  Gellerts 
lieset,  so  muss  man  ihre  glückliche  Nachahmung  bewundern. 

„Sie  sind  Uberhaupt  zu  allen  Künsten  und  Wissenschafften  vor 
andern  Teutschen  aufgelegt,  und  was  dabey  am  merkwürdigsten  ist, 
so  sind  sie  eben  so  glücklich  in  tiefsinnigen  und  ernsthaften,  als  in 
lustigen  und  scherzhaften  Sachen.  Unsere  zwey  gröste  Weltweisen 
Leibnitz  und  Wolff  haben  sich  in  diesem  Land  hervorgethan.  Drey 
gelehrte  Thomasii,  Jacobus  und  dessen  berühmte  Söhne,  Christian 
und  Gottfried,  sind  Leipziger  gewesen:  und  wenn  wir  die  SchrifFten 
und  die  Nachrichten  von  den  gelehrten  Leuten  lesen,  durch  welche 
die  vier  sächsische  hohe  Schulen  Leipsig,  Wittenberg,  Jena  und  Halle 
so  berühmt  worden  sind,  so  können  wir  sie  fast  allein  allen  andern, 
welche  sich  in  den  übrigen  Theilen  von  ganz  Teutschland  bekannt 
gemacht  haben,  entgegensetzen. 

„Das  Frauenzimmer,  und  darunter  vorzüglich  das  Meissnische, 
hat  etwas  überaus  holdseliges  und  liebreizende« ;  hier  findet  mau 
die  besten  Sprachmeisterinnen  der  Teutschen;  der  liebliche  Klang 


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-    540  — 

ihrer  Stimme  macht  auch  selbst  unsre  sonst  rauhe  Thönc  zärtlich  und 
angenehm.  Das  sächsische  Frauenzimmer  übertrifft  noch  die  Eng- 
länderinnen an  Wuchs  und  Schönheit.  Es  hat  die  Freybeit  der  Fran- 
zösinnen, und  das  Feuer  der  Italienerinnen ;  in  dem  schmeichelhaften 
und  zärtlichen  Wesen  aber  geht  es  allen  vor.  Es  hat  dem  Ansehen 
nach  etwas  sehr  sittsames  und  unschuldiges ;  es  schläget  aber  die  Au- 
gen insgemein  nur  deswegen  nieder,  um  mit  einem  geschärfften  Blick 
desto  mehr  Unheil  anzurichten. 

„So  sehen  die  Menschen  aus,  welche  zu  unserer  Zeit  den  Glanz 
des  dresdnischen  Hofs  ausmachen.  Nie  hat  man  eine  solche  zusammenhan- 
gende Pracht  und  eine  solche  stets  fortstreichende  Galanterie  gesehen. 

„Der  König  scheint  recht  darzu  gebohren  zu  sein,  den  Menschen 
Lust  und  Freude  zu  machen.  Alle  seine  Lustbarkeiten  sind  auf  eine 
Art  angestellt,  dass  sein  Volk  nicht  darunter  leidet,  und  Beine  Schätze 
nicht  erschöpfet  werden.  Er  befördert  dadurch  die  Künste,  die  Wis- 
senschaften, die  Handlung  und  den  Umlauf  des  Gelds,  wovon  alle 
Handthierimg  und  Nahrung  ihren  ersten  Trieb  bekommt.  Viele  mey- 
nen,  August  hätte  das  Geheimniss  Gold  zu  machen.  Es  ist  glaublich, 
das»,  wo  diese  Wissenschaft  der  Verwandlung  der  Metalle  möglich 
wäre,  dieser  König  solche  besitzen  mttste.  Alle  chymische  Philoso- 
phen haben  ihre  Künste  hier  probiret,  und  die  Ausgaben  des  Königs 
beziehen  sich  gleichsam  auf  unerschöpfliche  Einkünfte.  Ich  bin  aber 
der  Meynung,  dass  diese  Distillirer  nichts  dazu  beytragen ;  wohl  aber 
die  stattliche  Handlung,  die  reichen  Bergwerke,  der  gesegnete  Acker- 
bau und  eine  .Menge  Volk ,  das  sich  durch  Fleiss  und  Arbeit  nährt : 
Quellen,  die  nicht  zu  erschöpften  sind,  wenn  das  Geld  fein  im  Land 
herum  lauft,  und  mehr  hineingebracht,  als  hinaus  geschleppet  wird. 
Sachsen  hat  es  unter  allen  teutschen  Ländern  darinnen  am  weitesten 
gebracht." 

v.  Loen  gibt  nun  eine  kurze  Charakteristik  der  vornehmsten  Hof- 
und  Staatsbeamten,  des  Feldmarschalls  Grafen  v.  Flemming,  der  Gra- 
fen v.  Vitzthum,  v.  Wackerbart  u.  s.  w.,  schildert  dann  die  in  Dres- 
den aufgehäuften  Kunstschätze,  und  geht  hierauf  zur  Beschreibung 
einiger  Feste  Uber,  denen  er  als  Augenzeuge  beigewohnt  hatte.  Eins 
derselben  war  in  gewisser  Beziehung  so  eigenthümlich ,  dass  wir  es 
nicht  ganz  übergehen  wollen.  Am  13.  Juli  1718  Hess  der  Feldmar- 
schall Graf  v  Flemming  sechs  Regimenter  ungefähr  eine  Stunde  vor 
Dresden  ins  Feld  rücken  und  eine  Schlacht  improvisiren.  Neben  dem 
König  ritt  als  Amazone  gekleidet  die  von  ihm  begünstigte  Gräfin 
Dönhof.  Nach  geendigtem  Treffen  setzte  sich  der  König  unter  ein 
grosses  Gezelt  mit  den  vornehmsten  Herren  und  Damen  zur  Tafel. 


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—    5*1  — 

„Da»  lustige  Schauspiel",  berichtet  v.  Loch,  begunte  nach  geendigter 
Tafel.  Die  Tische  wurden  nicht  aufgehoben,  sondern  alles  Esswerk, 
was  darauf  stund,  den  hungerigen  Soldaten  preisgegeben.  Weil  es 
aber  an  Brod  gebrach,  so  befahl  der  Feldmarschall  1000  harte  Gul- 
den; um  diesen  Mangel  zu  ersetzen,  in  so  viel  kleine  Stücke  Brod 
zu  stecken.  Es  wurde  darauf  Sturm  geblasen.  Die  in  Schlachtord- 
nung gestellte  Soldaten  rannten  muthig  auf  die  mit  Speisen  angefüll- 
ten Tiscbe  loss;  die  fordersten  aber  wurden  von  den  hintersten  zu 
Boden  gedruckt,  sogar  dass  auch  das  eine  Tischblatt  mitten  entzwey 
brach  und  also  wohl  über  100  Mann  auf  einem  Hauffen  untereinan- 
der wühlten.  Hierauf  wurde  Alles  aus  dem  Weg  geschaffet,  in  dem 
königlichen  Gezelt  aber  ein  Teppich  ausgebreitet  und  bis  Abends  um 
7  Uhr  getanzet.  Der  Feldmarschall  tranck  dabey  seinen  Gästen 
wacker  zu  und  wurde  selbst  trunken.  Der  König  schien  auch  nicht 
mehr  ganz  nüchtern :  doch  begieng  er  nicht  die  geringste  seiner  Ma- 
jestät unanständige  Ausschweiffung,  sondern  geberdete  sich  in  allem 
als  ein  König.  Ich  beobachtete  hier  mitleidigst  die  Marter  eines 
gewissen  Cammerherrn,  welcher  die  Aufwartung  bey  demselben  hatte. 
Dieser  stund  eine  lange  Zeit  mit  einem  Glas  Wasser  hinter  dem 
König  und  war  dabey  so  wankelmüthig  auf  seinen  Füssen,  das  man 
ihn  mit  einem  Finger  hätte  übern  Hauffen stossen  können.  Man  hatte 
eine  muthwillige  Freude  ihn  in  dieser  Stellung  zu  sehen.  Der  Feld- 
marschall aber  war  für  Freuden  ausser  sich.  Er  fiel  dem  König, 
als  er  sich  wegbegeben  wolte,  ganz  vertraulich  um  denHalss:  Bruder, 
sprach  er:  Ich  sage  dir  alle  Freundschaft  auf,  wann  du  weg  gehest 
Die  Gräfin  von  Dönhof,  die  den  König  nie  verliess,  suchte  ihn  zwar 
von  solchen  Unanständigkeiten  zurück  zu  halten.  Allein  Flemming 
war  viel  zu  vergnügt,  ab  dass  er  sich  diesesmahl  mit  dem  Wohl- 
stand hätte  viel  zu  schaffen  machen  sollen.  Er  wolte  die  Gräfin  lieb- 
reich in  seine  Arme schliessen.  Du  kleines  H**  sprach  er,  schweige 
du  nur  still,  du  bist  doch  ein  gutes  H  *  * !  Dergleichen  artige  Com- 
plimenten  war  die  Gräfin  von  dem  Feldmarschall,  wann  er  getrunken 
hatte,  schon  gewohnt^  sie  beantwortete  solche  mit  Lachen  und 
bemühete  sich  nur  ihn  von  dem  König  abzuhalten.  Der  König  setzte 
sich  darauf  zu  Pferd,  schlug  aber  hinten  über,  und  würde  einen  üblen 
Fall  gethan  haben,  wann  nicht  einer  von  seinen  starken  Läuffern 
gleich  bei  der  Hand  gewesen  wäre  und  ihm  unter  die  Armen  gegrif- 
fen hätte.  Alles  lieff  darüber  zusammen.  Man  bat  den  König,  dann 
er  sich  in  eine  Kutsche  setzen  möchte.  Der  Stallmeister  Rakc- 
nitz  war  etwas  heftig  in  seinen  Vorstellungen;  der  König  stiess  ihn 
deswegeu  im  Zorn  von  sich.    Die  Gräfin  Dönhof  liesB  darauf  ihre 


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Beredsamkeit  wirken.  Der  König  aber  antwortete  ihr  sehr  höflich : 
Laiaaez  moi,  Madame,  je  connois  mon  cheval:  Ne  Von«  en  raettez 
pas  en  peine.  Er  rannte  damit  in  einem  Galopp  nach  Dresden;  ihm 
folgten  die  Cavaliiergarde  und  andere  Herren  des  Höffes  nach.  Die 
Gräfin  Dönhof  wolte  ihren  Heldenmuth  auch  bey  dieser  Gelegenheit 
zeigen  und  den  König  nicht  verlassen;  sie  hätte  aber  bald  das  Un- 
glück gehabt  vom  Pferd  zu  ztürzen,  wo  nicht  ein  Ca  valier,  der  sie 
begleitet,  den  Fall  noch  mit  Geschicklichkeit  unterbrochen  hätte. 
Man  bat  sie  desswegen  sich  in  die  Kutsche  zu  setzen.  Sie  bedachte 
sieh  auch  nicht  lang,  sondern  stieg  vom  Pferd  und  fahr  sicherer  mit 
sechsen,  als  sie  auf  einem  ritt;  wiewohl  sie  sonst  eine  gute  Reutcrin 
war.  Nachdem  sich  auf  solche  Weise  der  Hof  entfernt  hatte,  begunte 
der  Feldmarschali  immer  noch  lustiger  zu  werden.  Er  grif  in  Er- 
mangelung der  Damen,  nach  den  anwesenden  Grisetten  und  sprang 
mit  ihnen  herrlich  und  in  Freuden  herum.  Endlich  brach  die  Nacht 
darüber  ein  nnd  machte  dieser  sehr  natürlichen  Kurtzweit  ein  Ende. 

„So  sehen  öfters  die  grossen  Leute  in  der  Nähe  aus.  Wann  es 
geziemend  und  erlaubet  wäre,  ihre  persönliche  Geschichte  mit  einer 
freyen  Feder  zu  beschreiben,  was  würde  der  politische  Aberglauben 
nicht  darunter  leiden  müssen,  der  uns  in  ihnen  Götter  zu  verehren 
vorstellet?  Ich  befragte  einen  von  meinen  guten  Freunden,  der  de* 
Hofs  kundig  war,  ob  die  bezeigte  Unehrerbietung  des  Feld raarschalis 
gegen  den  König  ihm  so  hingehen  würde.  Ha!  sprach  er  im  Lachen, 
das  sind  wir  so  gewohnt  Flemming  hat  wohl  noch  andere  Sachen 
angefangen;  allein  wenn  der  Rausch  verschlaffen  ist,  und  er  wieder 
nach  Hof  kommt,  so  heist  es:  Ich  höre,  Flemming  ist  gestern  ein 
wenig  närrisch  gewesen;  Ihro  Majestät  werden  es  il.m  doch  nicht 
ungnädig  nehmen.  Der  König  lacht  darüber,  und  dann  ist  alles  wie- 
der gut  In  der  That  ist  Flemming  ein  grosser  Mann,  der  dem  Kö- 
nig sehr  getreu  ist,  und  dem  also  eine  kleine  Ausschweifung  im  Trünke 
mit  nichten  übel  zu  nehmen  ist;  zumaht  da  der  König  selbst  dazu 
Gelegenheit  giebt  und  auf  solche  Weise  seinen  Ministem  öfters  in 
den  Grund  ihres  Herzens  sehen  kann.* 

Am  Ende  des  Jahres  1718  (7.  December)  starb  von  Loen's 
Grossvater  Passavant,  von  welchem  er  so  viel  erbte,  dass  er  von 
nun  an,  ohne  sich  um  Aemter  und  Anstellungen  zu  bemühen,  seiner 
Neigung  und  seinem  Grundsatze  „Nemo  sit  alterius,  qui  suus  esse 
potest"  nachleben  konnte.  Zunächst  bereiste  er  die  Schweiz  und 
Frankreich,  üeberall,  wo  er  sich  aufhielt:  in  Basel,  Zürich,  Bern, 
Lausanne,  Genf,  Lyon  und  Paris  benutzte  er  jede  Gelegenheit  sich 
im  Umgänge  mit  Leuten  aus  allen,  namentlich  den  höheren  Ständen 


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und  im  persönlichen  Verkehr  mit  den  ausgezeichnetsten  Gelehrten 
auf  das  vielseitigste  auszubilden.  Von  seiner  scharten  und  richtigen 
Beobachtungsgabe  zeugt  seine  Darstellung  des  französischen  Hofes 
und  französischen  Volkscharakters.  Nach  längerem  Aufenthalt  in 
unserem  westlichen  Nachbarlande  kehrte  er  über  Gent,  Brüssel, 
Löwen,  Mastricht,  Aachen  und  Köln  nach  Frankfurt  zurück,  wo 
die  Verwaltung  des  ihm  zugekommenen  mütterlichen  Erbes  seine 
Gegenwart  erforderte  und  ihn  auch  an  der  Ausführung  einer  nach 
England  beabsichtigten  Reise  verhinderte. 

Nachdem  er  dagegen  eine  zweite  Reise  in  die  Niederlande 
gemacht  hatte,  gedachte  er  Italien  zu  besuchen,  Hess  sich  indessen 
durch  Befreundete,  welche  ihm  den  Posten  eines  königlich  preussi- 
schen  Ministers  am  oberrheinischen  Kreise  verschaffen  wollten,  im 
August  1720  zu  einer  Reise  nach  Berlin  bestimmen,  um  dort  dem 
Könige  vorgestellt  zu  werden,  der  aber  mittlerweile  nach  Preusseu 
sich  begeben  und  das  Patent  als  Hofrath  für  ihn  zurück  gelassen 
hatte.  Aus  letzterem  Umstände  glaubte  v.  Loen  zu  erkennen,  dass 
man  mit  der  Absicht  umgehe,  ihn  in  preussischen  Staatsdienst  zu 
ziehen,  und  da  dies  um  jene  Zeit  seinen  Neigungen  völlig  wider- 
sprach, kehrte  er  nach  Frankfurt  zurück.  Unterwega  besuchte  er 
in  Halle  seinen  früheren  Lehrer  Thomasius,  welcher  ihn  in  der 
Meinung  bestärkte,  „er  solte  nicht  eines  andern  Knecht  seyn,  wann 
er  sein  eigener  Herr  sein  könne". 

Den  Schluss  seiner  Wanderungen  bildete  im  Sommer  des  Jahres 
1722  eine  Reise  zu  seinem  Oheim  nach  Breslau,  bei  welcher  Gele- 
genheit er  sich  auch  in  Nürnberg,  Prag,  Dresden  und  Berlin  ver- 
weilte, und  1724  eine  Reise  nach  Italien,  welche  jedoch,  gegen 
seinen  Willen,  in  Folge  unvorhergesehener  Hindernisse  auf  einen 
Theil  von  OberitaUen  beschränkt  blieb. 

In  einem  Alter  von  30  Jahren  stehend  und  im  Besitz  eines  an- 
sehnlichen Vermögens  gedachte  nun  v.  Loen  fernerweit  als  freier 
Mann  zu  leben,  und  sich  völlig  ungehemmt  und  nach  eigenem  Er- 
messen seinen  Studien  und  geistigen  Neigungen  zu  widmen.  Zunächst 
vermehrte  er  seinen  Büchervorrath  durch  Ankauf  einer  ansehnlichen 
Bibliothek  und  seine  Kupferstichsammlung  durch  den  des  Meriani- 
schen  Kabinets,  welches  letztere  damals  in  Folge  der  unsinnigen 
Verschwendung  des  mit  der  Merianischen  Erbtochter  verheiratheten 
Eosander  von  Goethe  zur  Veräußerung  gelangte.  Obschon  er  Stille 
und  Zurückgezogenheit  liebte,  konnte  er  es  doch  nicht  verhindern, 
dass  sein  Haus  bald  ein  Mittelpunkt  guter  Gesellschaft  wurde. 
„Was  einen  feinen  und  geläuterten  Geschmack  hatte,  fand  sich  - 


-    5*4  - 

so  wird  berichtet  —  in  seiner  Gesellschaft  ein,  und  was  von  Frem- 
den was  zu  bedeuten  hatte,  kam  von  Zeit  zu  Zeit  dazu.  Es  wurde 
eine  ordentlich  eingerichtete  Gesellschaft  daraus,  welche  durch  ein 
auf  praktische  Art  wöchentlich  gehaltenes  Zeitungscollegium  unter- 
stützt  wurde.  Gelehrte  und  politische  Unterredungen,  musikalische 
Concerte  und  allerlei  Gattungen  von  ehrbaren  Belustigungen  machten 
sie  lebendig,  und  zogen  auch  Standespersonen  herbei* 

Zu  von  Loen's  Freunden  zählten  unter  andern  die  gelehrten 
Herren  v.  Uffenbach  und  v.  Lersner,  sowie  später  der  um  einige 
Jahrzehende  jüngere  ausgezeichnete  Staatsrechtslehrer  Johann  Daniel 
v.  Olenschlager. 

Im  Jahr  1729  verheirathete  sich  von  Loen  mit  Katharina 
Sibylla  Lindheimer,  der  Schwester  von  Goethe's  Grossmutter  Textor, 
dereu  Vater,  Cornelius  Lindheimer,  im  hiesigen  Kirchenbuche  aU 
b.  R.  Doctor,  verschiedener  des  heiligen  römischen  Reiches  Stände 
Raths  und  des  Kaiser-  und  Reichskammergerichts  Advocat  und  Pro 
curator  ordin.  bezeichnet  ist,  später  aber  unter  dem  Namen  „v.  Lind- 
heim" in  den  Adelstand  erhoben  wurde.  Sein  Hochzeitstag  war 
seines  einzigen  Bruders  Sterbetag.  Letzterer  verschied  ohne  Leibes- 
erben und  hinterliess  ihm  seinen  Antheil  von  dem  Merianischen 
Landgut  „auf  der  Windmühle*,  welches  beide  gemeinsam  erkauft  und 
besessen  hatten.  Im  Jahr  1733  kaufte  er  das  Rittergut  Mörfelden, 
um  daselbst  das  Landleben  zuweilen  ungestörter,  ab  in  der  unmittel- 
baren Nähe  von  Frankfurt  gemessen  zu  können.  1742  gab  die  Wahl 
und  Krönung  Kaiser  Karls  VII.  Gelegenheit,  dass  der  spanische 
Gesandte  Graf  von  Montijo  seine  Villa  miethete  und  zu  einem 
Schauplatze  der  herrlichsten  Feste  machte.  Unter  Anderm  fand  am 
18.  November  des  gedachten  Jahres  zur  Verherrlichung  des  Namens- 
festes der  Königin  von  Spanien  ein  prachtvolles  Feuerwerk  daselbst 
statt.  Die  Beschreibung  desselben  im  Diarium  der  Krönung  Kaiser 
Karls  VII.  gibt  zugleich  einen  Beleg  für  den  stattlichen  Umfang  der 
Loen'schen,  früher  Merianischen  Besitzung. 

Die  freisinnige  Richtung  seiner  Lehrer:  Homberg  in  Marburg, 
Thomasius  und  Gundling  in  Halle,  verbunden  mit  dem  ihm  inne- 
wohnenden lebhaften  Trieb  die  Wahrheit  zu  ergründen  und  dabei 
zugleich  die  Menschen  zu  friedlichem  Einverständnisse  zu  bringen, 
führte  von  Loen  zu  einer  eben  so  regen  als  vielseitigen  schriftstelle- 
rischen Thätigkeit.  Zunächst  richtete  er  seinen  Blick  auf  die  religiösen 
Zerwürfnisse  zwischen  den  protestantischen  Confessionen  und  Sekten, 
was  zur  Herausgabe  seiner  ersten  Schrift,  die  unter  anonymer  Be- 
zeichnung des  Verfassers  erschien,  Veranlassung  gab.   Ihr  folgten 


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dann  Publikationen  der  verschiedensten  Art  Wir  lassen  hier  das 
Verzeichnis»  seiner  sämmtlichen  Werke  in  chronologischer  Reihe 
folgen: 

1)  Evangelischer  Friedenstempel  nach  Art  der  ersten  Kirche 
entworfen  von  Christian  Gottlob  von  Friedenheim.   Frankfurt,  1724. 

2)  Jo.  Joach.  de  Kussdorf  consilia  et  uegotia  politica,  accedit 
collectio  epistolarum  tamiliarium  ad  viros  illustre»  cx  bibliotlieca 
Loeniana.  Francof.  1725. 

3)  Sylvander's  von  Kdelieben  zufällige  Betrachtungen  von  der 
Glückseligkeit  der  Jugend.  Ebend.  1726.  In  zweiter  Auflage  er- 
schienen zu  Hanau  1728  unter  dem  Titel :  Moralische  und  politische 
Schriften. 

4)  Oeuvres  Francoises  de  Mr.  d'E.  1726.  Mit  einer  Vorrede  von 
Dr.  Burggrave. 

5)  Höchst  bedenkliche  Ursachen,  warum  beyderseits  Lutherische 
und  Reformirte  in  Fried  und  Einigkeit  sollen  zusammenhalten  und 
mit  einander  einerlei  Gottesdienst  pflegen,  von  G.  E.  von  F.,  1727. 
Eine  Fortsetzung  des  Friedenstempels. 

6)  Hiob  Ludolfs  allgemeine  Schaubühne  oder  Beschreibung  der 
vornehmsten  Weltgeschichte  des  XVII.  Jahrhunderts.  Fünfter  Theil, 
von  1676  bis  1688.  Mit  einer  Vorrede  von  Dr.  Pritius.  Frankfurt, 
1731. 

7)  Bibliotheca  Loeniana  selecta  realis  systematica.  1734.  (Ein 
Verzeichniss  seines  beträchtlichen  und  auserlesenen  Bucherschatzes, 
dessen  Druck  aber  in's  Stocken  gerieth.) 

8)  Hrn.  S.  von  E.  Bedenken  vom  Separatisroo  und  Vereinigung 
der  Religionen.   Frankfurt,  1737. 

9)  Fr.  de  Salignac  de  la  Mothe  Fenelon's  geistliche  Schriften 
in's  Deutsche  übersetzt.  2  Theile.  Frankfurt  1737  und  1743. 

10)  Der  vernünftige  Gottesdienst  nach  der  leichten  Lehrart  des 
Heilandes,  untersucht  bey  Gelegenheit  einiger  an  Ihro  hochgrärl. 
Excellenz  den  Hrn.  Grafen  von  Zinzendorf  gerichteten  und  von 
Ihroselben  beantworteten  Fragen.  1.  Thessal.  V.  21.  Prüfet  aber 
Alles,  und  das  Gute  behaltet.  Frankfurt,  1738.  3.  Aufl.  1741.  -  Die 
von  v.  Loen  in  der  Frankfurter  Zeitung  an  Zinzendorf  gerichteten 
und  von  diesem  nur  sehr  dürftig  und  unvollständig  beantworteten 
Fragen  waren  folgende:  1)  Ob  die  Herrnhuter  nicht  besser  thäten, 
wenn  sie  keine  besondere  Brüderschaft  und  Gemeine  unter  sich  auf- 
richteten und  sich  in  Einfalt  zur  evangelischen  Kirche  hielten,  weil 
sie  doch  zu  ihren  Lehren  sich  bekenneten?    2)  Ob  die  besonderen 

Versammlungen  in  den  Häusern ,   die  eine  Art  eines  öffentlichen 

35 


-    546  - 


Gottesdienstes  vorstellen  und  zu  vielen  verkehrten  Urtheilen  Anlass 
geben,  nicht  fUglieher  eingestellet,  und  die  Erbauung  gutgesinnter 
Seelen  in  einem  gewöhnlichen  Umgange,  durch  gute  Ermahnungen, 
vertrauliche  Gespräche  und  dergleichen  möchte  befordert  werden, 
damit  es  nicht  das  Ansehen  hätte,  als  wollte  man  etwas  apartes 
haben?  3)  Ob  ihre  Lieder,  weil  viele  darunter  anstössig,  seltsam 
und  dunkel  schienen,  in  allgemeinen  Versammlungen,  wo  allerhand 
Leute  mit  zugegen  sind,  besser  nicht  gesungen  würden?  4)  Ob  es 
ihren  Absichten  nicht  gemässer  seyn  sollte,  in  adiaphoris  sich  auf 
keinerlei  Weise  auszuzeichnen?  In  Betrachtung,  dass  weder  Christus 
noch  seine  Apostel  etwas  getban  und  gelehret,  woraus  man  einen 
singularismum  in  decoro,  Kleidern,  Manieren  und  dergleichen  äusser- 
lichen  Dingen  abnehmen  könnte.  Es  heisset  wohl,  stellet  euch  nicht 
dieser  Welt  gleich ;  wir  halten  aber  davor,  die  Welt  heisse  hier  so 
viel  als  Gottlosen,  und  nicht  der  in  der  Welt  übliche  Wohlstand. 

5)  Ob  sie  in  ihrer  Sittenlehre  öfters  nicht  auch  zu  weit  gehen,  wenn 
sie  dem  Menschen  den  Genua»  eines  zeitlichen  Vergnügens  gar  leicht 
pflegen  zur  Sünde  zu  machen ;  da  doch  Gott  diese  ganze  Welt,  und 
alles  wsb  darinnen  ist,  zum  Dienst  und  Genuas  des  Menschen  er- 
schaffen, doch  so,  dass  er  allezeit  die  Früchte  des  verbotenen  Baumes, 
welche  noch  immer  die  Strafe  und  den  Tod  nach  sich  ziehen,  sorg- 
fältigst zu  meiden  hat.  Wie  viel  Schätze  und  Reichthüraer  hat  uns 
nicht  die  Güte  und  Freundlichkeit  Gottes  zu  unserer  Freude  und 
seiner  Verherrlichung  ausgesetzet,  bey  deren  Genüsse  wir  weiter 
nichts,  als  die  uns  vorgeschriebene  Ordnung  zu  beobachten  haben  ? 

6)  Ob  die  Lehre,  dass  ein  Jünger  Christi  zur  Stillung  der  Lüste 
nicht  heirathen  soll,  so  zu  verstehen  sey,  dass  dieses  nicht  finis  Pri- 
marius matrimonii  seyn  müsste;  oder  ob  dadurch  die  Lust  selbst  au 
verstehen,  von  welcher  Paulus  sagt:  Es  ist  besser  heirathen,  al* 
Brunst  leiden.  Wie  wir  im  ersten  Sinne  der  Meynung  völlig  bey- 
pflichten,  das»  unser  Hauptzweck  in  allem  die  Ehre  und  Verherr- 
lichung Gottes,  und  nicht  die  Befriedigung  unserer  Begierden  seyn 
soll,  so  könnten  wir  im  andern  Sinne,  so  fern  dadurch  die  Lust 
selbst  verbothen  würde,  diesen  Lehrsatz  nicht  verstehen,  gestalten 
die  actus  matrimoniales  ohne  Lust  nicht  vollführet  werden  können; 
es  bleibt  und  haftet  in  unsern  Sinnen  diejenige  lustgebtthrende  Em- 
pfindung, welche  der  Einfluss  ausser  lieh  er  Dinge  in  unser  Wesen 
ordentlicher  Weise  zu  haben  pflegt,  und  die  wir  desswegen  als  etwas 
GuteB  und  unserer  Natur  gemässes  appetireu?  7)  Ob  die  Notwen- 
digkeit der  Wiedergeburt  zugleich  auch  involvire,  dass  man  den 
Moduin  müsste  wissen  und  determiniren  können?  und  ob  nicht  der 


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Processus  conversionis  sowohl  nach  und  nach  (nachdem  ein  Mensch 
guter  Art  und  eine  feine  Seele  empfangen,  mithin  den  Wirkungen 
der  Gnade  bey  sich  Raum  lässt),  als  durch  einen  ganz  merklichen 
Umsturz  seiner  ganzen  Natur  auf  einmal  vor  sich  zu  gehen  pflege, 
und  der  neue  Mensch  spiritualiter,  wie  er  in  partu  naturali  physice 
gebohren  würde?  —  Am  Schlüsse  dieser  Schrift  fasst  v.  Loen  den 
religiösen  Glauben  in  Einem  Artikel  zusammen.  8Es  ist  schwer, 
sagt  er,  sich  einzubilden,  dass  der  Glaube  so  vielerley  Begriffe  und 
Wissenschaften  in  sich  halten  sollte,  welche  kaum  den  sdiarfsinnigsten 
und  gelehrtesten  Köpfen  verständlich  vorkommen.  Es  muss  demnach 
eine  gewisse  Grundwahrheit  seyn,  welche  die  andern  alle  begreift, 
und  welche  alle  diejenigen  verstehen  müssen,  die  da  suchen  selig  zu 
werden.  Diese  Grundwahrheit  muss  die  Eigenschaft  haben,  1)  dass 
sie  deutlich,  2)  allgemein,  3)  nach  der  Fähigkeit  aller,  auch  der 
schwachsinnigsten  Menschen  eingerichtet  sey."  v.  Loen  bezeichnet 
diese  Grundwahrheit.  „Sie  ist  der  Glaube  au  Jesum  Christum,  nicht 
aber  ein  historischer,  soudern  lebendiger.  Denn  von  diesem  Jesu 
zeugen  alle  Propheten,  Apostelg.  IV,  12;  X,  43,  und  alles  ist  ge- 
schrieben, dass  wir  glauben  sollen,  Jesus  sey  der  Christ  u.  s.  w. 
Joh.  XX,  31.a  „Meynungen,  fährt  er  fort,  Wörterkriege,  Lehrsätze 
nach  eigener  Weisheit,  symbolische  Bücher,  gelehrte  Kritik,  Wissen- 
schaft der  Alterthümer,  alle  diese  Dinge  gehören  nicht  hieher:  sie 
laufen  gemeiniglich  nur  auf  leere  Fragen  hinaus,  die  nicht  zur 
Besserung  dienen,  und  hernach  in  so  viele  Sekten  ausbrechen,  als 
Menschen  sich  finden,  die  von  ihrer  eigenen  Weisheit  eingenommen 
sind."  —  Es  erhellet  auch  hieraus  v.  Loen's  Verlangen  nach  con- 
t'essioneller  Vereinigung. 

11)  Gelehrte  Zeitungen  und  amusemens  litteraires.  Einiges  davon 
findet  sich  iu  der  „Frankfurtischen  Gelehrten  Zeitunge"  Jahrgang 
173«. 

12)  Discours  vom  Soldatenstande;  s.  des  GeneralB  Eosander 
Kriegsschule,  welcher  es  vorgedruckt  ist    Frankfurt,  1738. 

13)  Der  redliche  Mann  am  Hofe,  oder  die  Begebenheiten  des 
Grafen  von  Bivera,  nebst  beygefügten  freyen  Gedanken  von  der 
Verbesserung  eines  Staats.  Frankfurt,  174Ö.  Diese  Schrift  erlebte 
verschiedene  Auflagen  und  wurde  auch  in's  Holländische  übersetzt. 

14)  Novemviratus  oder  kurzer  Entwurf  von  der  Macht,  Hoheit, 
Würde  und  Gerechtigkeit  der  neun  hohen  Churhäuser  des  h.  röm. 
Reichs.  1741. 

15)  Die  güldene  Bulle  Kaiser  Carl's  IV.  uach  dem  zu  Frankfurt 

befindlichen  lateinischen  und  deutschen  Original  iu  einer  neuen  Ueber- 

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-    5*8  — 

setznng  Dach  dem  eigentlichen  Wortverstande  nnd  den  verschiedenen 
Lesearten,  mit  Anmerkungen,  auch  andern  beygefügten  Reiehsgrund- 
geaetzen.    Frankfurt,  1741. 

16)  Der  Kaufmannaadel,  untersucht  von  einem  nnpartheyischen 
Rechtsgelehrten.  1742.  (Erschien  in  vielen  Auflagen). 

17)  Lettre«  curienses  d'nn  Gentilhomme  AJ Jemand  touchant  les 
moenrs  et  les  affaires  du  tems.  2  Theile.  1741  und  1742. 

18)  Memoire«  dun  Gentilhomme  au  sujet  de  ce  qui  se  passe  de 
plus  remarquable  a  la  diete  de  Frankfort,  1741. 

19)  Le  Soldat,  ou  le  metier  de  la  guerre  considere*  comme  le 
metier  d'honneur,  avec  un  essais  de  bibliotheque  miliuire.  Frft.  1748. 
Eine  vermehrte  deutsche  Auflage  1748,  und  eine  weitere  1752. 

20)  Das  Bild  eines  weisen  Mannes  und  eines  Christen  am  Hofe 
in  dem  Leben  des  Erzbischofs  Fenelon.    Frankfurt,  1743. 

21)  Die  Religion,  entworfen  von  dem  Herrn  Racine  und  in's 
Deutsche  Ubersetzt  mit  Anmerkungen.  1744  in  gebundener  Rede. 

22)  Fenclon's  Gespräche  der  Todten  der  aiteu  und  neuen  Welt, 
mit  einigen  Fabeln,  aus  dem  Französischen  fibersetzt,  mit  Anmer- 
kungen.  2  Theile.  Frankfurt,  1745. 

23)  Lob  der  Bankerutirer.  1745. 

24)  Freye  Gedanken  zur  Verbesserung  der  menschlichen  Gesell- 
schaft. 4  Theile.  Frankfurt  174ö  und  1747.  Neue  Auflagen:  1748, 
1750,  1752.  Das  Buch  beginnt  mit  dem  Schreiben  eines  TTtopianers 
von  den  Sitten  und  Mängeln  der  Europäer. 

25)  Entwurf  einer  StaatBkunst,  worin  die  natürlichsten  Mittel  ent- 
deckt werden,  ein  Land  mächtig,  reich  und  glücklich  zu  machen.  1747. 

26)  Bedenken  von  der  Schädlichkeit  der  Festungen  und  dem 
wider  das  Natur-  und  Völkerrecht  laufenden  Gebrauche  des  Pul- 
vers. 1747. 

27)  FenelouV  kurze  Lebensbeschreibungen  und  Lehrsätze  der 
alten  Weltweisen,  ins  Deutsche  übersetzt  und  mit  Anmerkungen  und 
Zusätzen  vermehret  174M. 

2H)  Nene  Sammlung  der  merkwürdigsten  ReiBegeschichten ,  von 
einer  Gesellschaft  gelehrter  Leute  in  einen  historischen  Zusammen- 
hang gebracht.  1.  Theil.  Frankfurt,  1748.  v.  Loen  hatte  vielen  An- 
theil  an  diesem  Unternehmen,  verzichtete  jedoch  nach  Erscheinen 
des  fünften  Theils  auf  die  Leitung  desselben. 

29)  Les  rejouissancen  des  Hollandois.  Epitre  gratulatoire  par 
ChrisocostnopopMlax.  1749.  Auch  in  deutscher  Sprache  gedruckt 
Eine  feine  und  zugleich  scharfe  Satyre  Uber  die  Freudenbezeugungen 
der  Holländer  bei  der  Erhebung  des  Prinzen  Erbstatthalters. 


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30)  Abbildung  des  Grafen  von  Zinzendorf. 

31)  Gesammelte  kleine  Schriften,  besorgt  und  herausgegeben 
von  J.  E.  Schneidern.  4  Theile.  Frankfurt,  1749.  1750.  1751  und 
1752  *  (In  einer  Recension  —  Göttinger  Zeitung,  1750,  No.  53  — 
heisst  es  von  dem  zweiten  Theil,  welcher  35  Sendschreiben  enthält, 
folgendermassen:  „Des  Herrn  v.  Loen  angenehme  und  abgemessene 
Art  zu  erzählen,  seine  viele  am  rechten  Ort  angebrachte  moralische 
und  politische  Betrachtungen  geben  ihnen  besondere  Vorzüge.  Herr 
v.  Loen  kennet  die  Welt  und  das  menschliche  Herz.  Eine  edle  und 
wirksame  Menschenliebe  zeiget  sich  bei  ihm  allenthalben.  Er  folget 
nicht  dem  gemeinen  Wahne  und  laset  sich  nicht  durch  den  Schimmer 
der  ausserlichen  Hoheit  blenden.  Er  sagt  öfters  Wahrheiten,  die 
andere  Scribenten  in  Gedanken  behalten.  Er  ist  ein  abgesagter 
Feind  der  Schmeicheley,  der  Pedanterey,  des  lieblosen  und  zänkischen 
Religionseifers.  Dabei  aber  schreibt  er  ohne  alle  Bitterkeit  und  be- 
sitzt die  seltene  Gabe,  seine  Lehren  so  vorzutragen,  dass  sie  auch 
denen,  deren  Eigennutz  dadurch  getroffen  wird,  an's  Herz  gehen.") 

32)  Moralische  Gedichte,  herausgegeben  von  Naumann,  mit  einer 
Zuschrift  an  Albrecht  v.  Haller.  1750. 

33)  Die  einzige  wahre  Religion,  allgemein  in  ihren  Grundsätzen, 
verwirret  durch  die  Zänkereyen  der  Schriftgelehrten,  zertheilet  in 
allerhand  Sekten,  vereiniget  in  Christo.  2  Theile.  1750  und  1752. 
Neue  veränderte  Ausgabe  1756.  Dieses  ins  Lateinische  und  Hollän- 
dische übersetzte  Buch  machte  grosses  Aufsehen  und  erweckte  dem 
Verfasser  viele  Gegner.  Ein  kurzer  Ueberblick  über  den  Inhalt 
desselben  wird  dies  begreiflich  machen.  Das  Wesentliche  der  ganzen 
Religion  setzt  v.  Loen  in  die  Liebe  und  in  die  Begriffe  von  Gott, 
seinen  Eigenschaften  und  Werken,  die  auch  der  beschränkteste 
Mensch  auffassen  könne.  In  den  Grundwahrheiten  stimmen  Vernunft 
und  Offenbarung,  vernünftige  Heiden  und  Christen,  Katholiken, 
Protestanten,  Socinianer,  Pietisten  und  andre  Sekten  miteinander 
überein.  Die  Sätze,  worin  sich  diese  Sekten  unterscheiden,  betreffen 
nicht  das  Wesentliche  der  wahren  Religion  und  dürfen  also  die 
Vereinigung  nicht  hindern.  Alle  Glaubensformen ,  Systemata,  Contro- 


'  Dieses  Werk ,  das  doch  nicht  leicht  in  einer  Bibliothek  damaliger  Zeit 
fehlen  durfte,  wurde  dem  Verfasser  von  seinem  Verleger  Heinrich  Hutten  mit 
zwei  Thal  er  n  fUr  den  Bogen  bezahlt;  dasselbe  gab  Fleischer  für  dessen 
Werk  „der  Soldat",  in  welchem  mit  grossem  Freirauthe  die  Cirundztige  einer 
Landwehrorganisation  entwickelt  wurden.  Vgl.  Didaskalia  1867,  Nro.  51. 
„«»oethe's  Vaterstadt  vor  seiner  Geburt-  von  A.  v.  L. 

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Versen  müssen  abgeschafft  werden.  Alle  Ceremonien,  zu  denen  er 
auch  Taufe  und  Abendmahl  rechnet,  sind  Erfindungen  der  Geist- 
lichen und  daher  in  religiöser  Beziehung  gleichgültig;  man  kann  sie 
beibehalten,  „wenn  sie  nützlich  und  ehrerbietig  Bind"  Das  Abend- 
mahl aber  gehört  nicht  in  die  Kirche,  sondern  nach  Christi  Absicht 
sollen  wir  uns  nur,  wenn  wir  essen  oder  trinken,  seines  Leidens 
erinnern.  Papst,  Bischöfe,  Klöster  u.dgl.  will  er  beibehalten,  jedoch 
von  Missbräuchen  gereinigt  wissen.  —  Aus  der  nicht  unansehnlichen 
Zahl  der  Gegenschriften,  welche  das  Buch  hervorrief,  wollen  wir 
hier  nur  zweier  Erwähnung  thun:  der  einen  „dass  die  Kindertaufe 
in  der  heiligen  Schrift  befohlen  und  in  der  ersten  christlichen  Kirche 
üblich  gewesen  sei",  weil  sie  von  J.  J.  Plitt,  damals  (1751)  Professor 
in  Marburg  und  später  Senior  des  lutherischen  Predigerministeriums 
zu  Frankfurt  ausging;  und  einer  andern,  als  der  bedeutendsten: 
„Historische  und  dogmatische  Anmerkungen  über  das  Lehrgebäude 
des  Herrn  von  Loen  in  der  Schrift  die  einzige  wahre  Religion,  mit 
einer  Vorrede  von  Dr.  Siegm.  Jac.  Baumgarten  (dem  bekannten 
Hallischen  Theologen)".  Letztere  enthält  eine  gründliche  und  einge- 
hende Kritik  der  v.  Loen'schen  Schrift.  Ausser  mehreren  Verthei- 
digungsschriften  des  Verfassers  erschien  „Lob-  und  Trauerrede  auf 
die  letzte  Unionsschrift  des  Herrn  v.  Loen,  das  ist  freundschaftliche 
und  bescheidene  Prüfung  derselben,  abgefaaset  von  einem  die  Wahr- 
heit liebenden  evangelisch -lutherischen  Christen.  Leipzig,  1751". 
Der  ungenannte  Verfasser  ist  der  Meinung,  man  habe  sich  in  Beur- 
teilung der  v.  Loen'schen  Schrift  zwischen  den  beiden  Extremen 
massloser  Lobpreisung  und  verächtlicher  Geringschätzung  bewegt 
Er  verfährt  auf  andere  Weise.  Im  ersten  Theile  ftlhrt  er  solche 
Dinge  an,  die  man  in  der  Schrift  des  Herr  v.  Loen  nicht  recht  gut 
heissen  könne.  Dahin  rechnet  er  1)  dass  Herrn  v.  Loen  allzu  viel 
Gleichgültigkeit  in  Bezug  auf  die  Religion  an  den  Tag  lege,  weil 
er  den  Glauben  zu  sehr  beschränke  und  die  meisten  Glaubensartikel 
für  Kleinigkeiten  und  Erfindungen  der  Geistlichen  halte,  2)  dass  er 
allzu  verschwenderisch  mit  der  Seligkeit  umgehe,  da  er  sie  auch 
denen  ohne  Unterschied  zuspreche,  die  von  Christo  nichts  wissen 
sofern  sie  nur  Deisten  seien,  3)  dass  er  allzuviel  Gleichgültigkeit 
gegen  die  vou  Jesu  selbst  eingesetzten  Sacramente  blicken  lasse, 
4)  dass  er  alle  Concilien  und  symbolischen  Bücher  als  werthlos  und 
schädlich  verwerfe,  und  5)  dass  er  über  die  Geistlichen  allzu  übel 
urtheile,  sie  für  die  Urheber  alles  Unheils  ansehe,  alle  theologischen 
Streitigkeiten  für  unnütz  halte  und  die  theologischen  Facul täten 
am  liebsten  aufgehoben   sehen  möchte.    Der  zweite  Theil  ist  die 


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Lobrede  und  handelt  von  dem,  was  man  in  der  Schrift  billigen 
inüsse.  Dahin  zählt  er  1)  die  Vereinigimg  verschiedener  christlichen 
Sekten  und  Religionen,  2)  die  Herstellung  und  Gründung  gewisser 
Arten  von  Klöstern  u.  s.  w.  Er  lobt  die  Vorschläge  v.  Loen's  mit 
satyrischer  Feder,  empfiehlt  sie  als  erspriesslich  und  vermehrt  sie 
mit  neuen  Vorschlägen,  zweifelt  aber  mit  Recht  an  deren  Erfüllung. 

34)  Der  Adel.  Ulm,  1752. 

35)  Systeme  de  la  Religion  universelle.  1763. 

36)  Freye  Gedanken  von  dem  Hofe,  dem  Adel,  den  Gerichts- 
höfen, der  Policey  etc.  Ulm,  1760.  3.  Aufl.  176a 

37)  Freye  Gedanken  vom  Hofe,  der  Policey,  dem  gelehrten, 
bürgerlichen  und  Baurenstande,  von  der  Religion  und  einem  be- 
ständigen Frieden  in  Europa.  Frankfurt  und  Leipzig,  1768. 

In  Betrefl  einiger  anderer  Schriften  ist  seine  Autorschaft 
zweifelhaft. 


Zur  Entwerfung  einer  Parallele  der  hiesigen  Zustände  um  die 
Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  und  wie  sie  jetzt  sind,  möchte  wohl 
nachstehender  Aufsatz  aus  den  „Gesammelten  kleinen  Schriften"  (31) 
sehr  geeignet  erscheinen. 

Frankfurt  im  Jahr  1741. 

Mein  Herr, 

Die  schöne  Zeit  ist  wieder  kommen,  und  ich  habe  Gelegenheit 
gehabt,  diesen  Ort  näher  kennen  zu  lernen.  Ich  will  Jhnen  deswegen 
eine  kurze  Beschreibung  davon  machen. 

Die  Stadt  Franckfurt  ist  eine  der  schönsten  Städte  im  deutschen 
Reich,  sie  ist  zwar  nur  mittelmässig  gross,  aber  sehr  angebauet  und 
volckreich:  die  Lage  derselben  ist  unvergleichlich  und  die  Gegend 
daherum  ist  eine  der  angenehmsten  in  der  Welt  Der  Mayn  formiret 
gegen  den  Aufgang  von  Seiten  der  Brücke  ein  rechtes  Schaugelüste, 
wo  sich  die  Stadt  auf  beyden  Seiten  in  einem  prächtigen  Ansehen 
aeiget  Sowohl  in  der  Stadt,  als  ausserhalb  derselben  sind  die 
schönsten  Spaziergänge.  Man  siebet  allenthalben  Höfe  und  Lust- 
gärten, deren  einige  sehr  wohl  angelegt  sind,  und  kostbar  unterhalten 
werden. 

Es  ist  nur  Schade,  dass  das  inwendige  der  Stadt  gröstentheils 
sehr  Übel  gebauet  ist  Die  meisten  Häusser  sind  von  Holz  und 
Lahnen  aufgefuhret,  und  haben  weder  Einrichtung  noch  Bequemhch- 


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keit.  Dieses  ist  ein  allgemeiner  Fehler  in  allen  alten  Städten,  die  in 
der  Gegend  des  Rheinstroms  liegen.  Eine  so  schlechte  Bauart  ist 
Ursache,  dass  an  diesem  Ort  die  Feuersbrünste  so  leicht  Uberhand 
nehmen  und  öfters  ganze  Strassen  in  die  Asche  legen.  Wo  einmal 
ein  Brand  ausbricht,  da  stehen  gleich  etliche  Häuser  in  Flammen, 
ehe  man  die  Anstalten  zur  Gegenwehr  machen  kann,  so  sehr  hängen 
die  Gebäude  in  einander.  Man  hat  zwar  diesem  Uebel  bisher  da- 
durch vorzubauen  gesucht,  indem  man  die  Häuser  durch  Mauren  von 
einander  absondert  und  gleichsam  wie  mit  einem  steinernen  Mantel 
umgiebt;  allein  diese  Erfindung  macht  die  Wohnungen  sehr  feucht, 
dunckel  und  ungesund,  ohne  gleichwohl  die  Gefahr  des  Feuers  davon 
abzuwenden,  dann  die  mehreste  Strassen  sind  enge  und  die  Häusser 
häugen  von  fornen  etliche  Schuhe  Uber,  dergestalt,  dass  sie  fast  in 
den  kleinen  Gassen  oben  zusammen  stossen.  Was  hat  demnach  eine 
solche  Stadt  bey  dermaligen  Umständen  nicht  zu  furchten,  da  sie  mit 
so  vielen  Fremden  angefüllet  ist,  welche  nicht  alle  die  nöthige  Be- 
hutsamkeit haben  mit  dem  Feuer,  wie  sie  sollen,  umzugehen.  Wenn 
man  die  grossen  Küchen  von  Brettern  eichet,  welche  einige  Herren 
und  Abgesanden  zu  ihrem  Gebrauch  haben  auffuhren  lassen,  so  solte 
man  sagen,  sie  seyen  deswegen  gebauet,  um  die  Stadt  in  Brand  zu 
stecken.  Die  Einwohner  hätten  deswegen  Ursache  zu  wünschen, 
dass  sie  eben  so  geschwind  und  so  glücklich  möchten  von  der  Flamme 
verzehrt  werden,  als  neulich  die  französische  Küche.  Man  würde  da- 
durch auf  den  natürlichen  Einfall  kommen,  solche  von  Steinen  und 
Backsteinen  aufzuführen,  wie  solches  würklich  in  den  Quartieren  des 
französischen  und  spanischen  Gesanden  geschiehet. 

Im  übrigen  so  gefällt  es  mir  überaus  wohl  in  dieser  Stadt.  Ein 
Fremder  bringt  hier  seine  Zeit  nicht  übel  zu;  er  darf  nur  einmal 
den  Eintritt  in  ein  gutes  Hauss  gewinnen,  so  stehen  ihm  die  meisten 
andre  offen.  Der  Umgang  ist  fast  durchgehend*  leicht  und  ange 
nehm.  Man  siebet  sich  einander  in  den  Cafleehäussern,  in  den  Schau- 
spielen, auf  den  Spaziergängen  und  in  den  Gesellschaften.  In  den 
Häussern  des  Adels  ist  man  wohl ,  bey  den  Kaufleuten  aber  noch 
besser;  ich  werde  wenigstens  allezeit  bei  diesen  ein  Quadrille  mit 
zwey  oder  drey  artigen  Kindern,  der  traurigen  Ehre  vorziehen,  mit 
etlichen  alten  Damen  zu  spielen,  bei  denen  sich  sogar  die  Ahnen 
auch  auf  der  Stirne  blicken  lassen. 

Es  finden  sich  hier  unter  den  Kaufleuten  sehr  gute  Familien. 
Man  beobachtet  in  ihren  Häussern  eine  ungemeine  Reinlichkeit, 
welche  sie ,  nebst  ihrer  ganzen  Aufführung  sehr  deutlich  von  ge- 
meinen Bürgersleuten  unterscheidet.  Es  ist  wahr,  dass  der  Eifer  für 


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die  Reinlichkeit  bey  .einigen  zusehr  übertrieben  wird.  Man  kann 
auch  in  guten  Sachen  ausschweißen  und  lächerlich  werden.  Da« 
franckfurter  Frauenzimmer  gleichet  hierinnen  viel  dem  holländischen. 
Es  macht  sein  gröetes  Geschäme  aus  dieser  Kleinigkeit,  und  ich 
wolte  demselben  lieber  eine  grobe  Unhöftichkeit  erweisen,  als  einen 
Kleck  von  ungefehr  auf  den  Boden  machen. 

Ich  bekam  hier  einen  wüsten  Handel  wegen  meines  Dieners. 
Dieser  hatte  einst,  als  er  nach  Hause  kam,  die  Schuhe  nicht  recht 
abgeputzt  Beydes,  Frau  und  Magd  überfielen  ihn  darüber  mit  der- 
ben  Scheltworten.  Ich  wolte  Friede  machen,  allein  ich  konnte  lange 
nicht  zum  Worte  kommen  Endlich  kriegte  mich  das  Mädgen,  wel- 
ches die  Zunge  geläufiger  hatte  als  ihre  Frau ,  bey  dem  Arm  zu 
fassen,  und  bat  mich  den  Koth  zu  betrachten,  den  ihr  mein  Laquay 
von  der  Gassen  ins  Haus  getragen  hätte.  Sehen  sie  doch,  mein 
Herr,  sprach  sie,  mit  einem  gerechten  Zorn,  sehen  sie  doch,  man 
kann  alle  seine  Tritte  erkennen.  Es  ist  heut  Samstag;  das  Haus  ist 
von  oben  bis  unten  gerieben  worden.  Wir  leben  hier  nicht  wie  die 
Schweine.  Wir  sind  Gott  lob!  zu  Franckfurt  Die  Arbeit  ist  mir 
sauer  worden.  Ich  habe  meine  Arme  nicht  gestohlen.  Sie  sagte  mir 
noch  viele  andere  dergleichen  Dinge  mit  solcher  Geschwindigkeit, 
dass  ich  sie  kaum  hören  konnto.  und  wünschte  dabey  mit  dem  besten 
Hertzen  von  der  Welt,  die  Fremden  mit  samt  der  Kayserwahl  auf 
den  Blocksberg.  Alles  Recht,  so  ich  ihr  konnte  wiederfahren  lassen, 
bestünde  darinnen,  dass  ich  meinem  Bedienten  die  Abscheulichkeit 
seiner  That  verwies,  und  ihn  zu  gleich  bedrohete,  ihn  als  einen 
Menschen,  der  gar  nicht  zu  leben  wüste,  fortzujagen,  wenn  er  noch 
einmal  vergessen  würde  seine  Schuhe  abzuputzen. 

Sonst  kann  hier  ein  jeder  leben,  wie  er  will:  Er  kann  Kutsche 
und  Pferde  und  Libereydiener  halten.  Er  kann  sich  prächtig  kleiden 
und  aller  frey herrlichen  Vorzüge  gemessen,  wann  er  nur  Geld  hat. 
Verschiedene,  wie  man  mir  sagt,  sollen,  ohne  Mitteln  zu  haben,  eine 
solche  Figur  machen,  und  sich  mit  einer  grosmüthigen  Seele,  in  das 
Verderben,  welches  sie  vor  sich  sehen,  hinein  stürtzen. 

Man  liebet  hier  nicht  allein  einen  grossen  Aufwand,  sondern 
auch  eine  gute  Tafel.  Leute ,  die  ein  wenig  Vermögen  haben ,  ver- 
abscheuen insgemein  die  Arbeit.  Ja,  einige  sind  gar  so  gemächlich, 
dass  sie  auch  das  Spazierengehen  für  eine  Beschwerlichkeit  halten :  in- 
dem man  dabey  die  Füsse  zu  viel  beweget  Andere  scheuen  die 
Luft,  weil  sie  das  Fell  verderben  soll,  oder  weil  sie  sich  solche  der- 
massen  entwöhnet  haben,  das»  sie  gleich  davon  Husten  und  Schnupfen 
bekommen.   Man  siebet  nicht  leicht  eine  Gegend,  die  so  reizend  ist 


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die  Menschen  ins  Grttne  su  locken  und  die  gleichwohl  so  wenig  ge- 
nossen wird.  Die  Franzosen  bedienen  sich  dieses  Vortheils  schon 
besser.  Man  siehet  sie  in  der  Menge  auf  den  Spaziergängen,  mittler- 
weile dass  die  mehreste  vornehme  Einwohner  dieser  Stadt  hinter 
ihren  Fenstern  sitzen  und  ihre  Zeit  mit  einem  langweiligen  Spiel 
vertreiben. 

Man  sagt,  dass  es  hier  gewisse  reiche  Leute  gäbe,  die  gleichsam 
von  Gesundheit  bersten  und  dem  ungeachtet  sich  doch  immer  be- 
klagten, dass  sie  kranck  wären.  Kinder  des  Glücks,  die  im  Müssig- 
gang  und  in  Uebcrfluss  erzogen  sind;  die  nur  leben,  um  zu  leiden, 
weil  es  ihnen  zu  wohl  ist.  Die  Zeit  wird  ihnen  zur  Last,  sie  peiniget 
sie  mit  einer  grausamen  langen  Weile.  Was  das  wundersamste  ist, 
bo  kann  mau  nicht  wohl  mit  diesen  Leuten  umgehen,  ohne  eben 
dieses  Uebel  zu  empfinden.  Einer  von  meinen  Freunden  drohet  mir, 
mich  in  ihre  Bekanntschaft  zu  bringen,  um  mich ,  wie  er  sagt ,  zur 
Gedult  zu  gewöhnen.  Er  ist  im  Stand  sein  Wort  zu  halten.  Ich 
fürchte  mich  schon  davor. 

Das  Blut  ist  hier  nicht  hesslich :  es  gibt  schöne  Weibsbilder  in 
dieser  Stadt;  allein  die  grosse  GemUthsneigungen  stören  nicht  viel 
ihre  Ruhe.  Wann  sie  nur  gefallen,  so  ist  ihnen  dieses  schon  genug. 
Wie  viel  Ehre  ist  also  denen  jungen  Marquisen  nicht  vorbehalten, 
welche  mit  dem  Marschall  von  Belleisle  ankommen  sollen,  wann  sie 
diese  träge  und  kaltsinnige  Schönen  werden  empfindlich  machen 
können  ? 

Man  siehet  hier  allerhand  Menschen  und  Völker  unter  einander, 
besonders  in  Messzeiten.  Es  wird  hier  viel  Französisch  gesprochen, 
weil  noch  viele  Familien  aus  Franckreich  sich  hier  niedergelassen 
haben.  Sonst  giebt  es  hier  auch  Italiener,  Savoyarden,  Tyroler,  in- 
sonderheit viele  reiche  niederländische  und  schweitzerische  Familien. 
Diese  beyde  letztere  sind  meistenteils  refonnirter  Religion  und  haben 
ihren  Gottesdienst  ausserhalb  der  Stadt  im  hanauischen  Gebiete :  sie 
suchen  schon  lang  eine  Kirche  in  der  Stadt  Kingmauren,  welches 
ihnen  über  der  Magistrat,  nicht  aus  Religions  soudein  aus  Stautsur- 
saehen  verweigert.  Dieser  Process,  wo  mir  recht  ist,  dauert  schon 
lang  über  hundert  Jahre  uud  dürfte  sobald  auch  nicht  zu  Ende 
gehen,  dann  er  gehört  unter  die  nützliehe  und  einträgliche  Rechts- 
streite, die  mit  einem  grossniüthigen  Eigensinn  aus  dem  gemeinen 
Seckel  gefuhret  werden.  Die  Akten  füllen  schon  zwey  starcke 
Foliante :  man  hat  mir  davon  eine  Verehrung  gemacht,  welche  ich 
aber  nur  mit  diesem  Beding  angenommen,  dass  ich  sie  nicht  lesen 
dörftc.  Eine  Streitigkeit  welche  verursacht,  dass  man  aus  christlichem 


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Eiter  in  der  Liebe  des  Nächstens  öfters  manche  kleine  Ausnahmen 
macht  Doch  ist  die  Geistlichkeit  nicht  schuld  daran,  dann  sie  ist 
hier  durchgehends  sehr  friedliebend  und  bringt  selten  grobe  Contro- 
versen  auf  die  Canzel. 

Die  Juden  haben  in  dieser  Stadt  ihre  eigene  Synagoge.  Das 
Quartier,  welches  man  ihnen  eingeraumet  hat,  ist  ein  hessliches  Aus- 
lüger  voller  Unreinigkeit.  Sie  leben  in  diesen  sumpfigten  Winkeln 
wie  das  Ungeziefer  im  Unflat.  Das  Feuer  hat  diesen  kothigten 
Aufenthalt  schon  zweymahl  zu  reinigen  gesucht,  und  durch  seine 
Flammen  in  Schott  und  Asche  verkehret.  Allein  dieses  hat  nur 
darzn  gedienet,  ihre  I  I  ausser  desto  schneller  wieder  aufzubauen  und 
den  Raum  in  der  Luft  zu  suchen,  den  man  ihnen  auf  der  Erde  nicht 
vergönnet;  dann  sie  dörifen  sich  nicht  ausserhalb  ihren  Ringmauren 
ausbreiten.  Je  mehr  sie  sich  also  eingespärrt  sehen  und  einander 
über  den  Köpfen  sitzen,  je  besser  geht  auch  hey  ihnen  die  Ver- 
mehrung von  statten;  es  wimmelt  und  grabelt  darinnen  alles  mit 
hebräischen  Figuren.  Fragt  man,  wovon  sich  dieses  alte  Ueber- 
bleibsel  der  zwölf  israelitischen  Stämme  nähret,  so  heisst  es,  vom 
Betrug. 

Eb  ist  hier  die  rechte  hohe  Schule  von  dieser  Wissenschaft,  und 
wann  anders  Witz  und  Trug  und  List  unter  die  Verdienste  des  Ver- 
standes gerechnet  werden,  so  kann  man  solche  diesem  verschmitzten 
Volk  nicht  streitig  machen,  dann  es  treibet  solche  bis  zur  Vortreff- 
lichkeit. Doch  gibt  es  auch  noch  ehrliche  Juden,  welche  an  die 
zehen  Gebote  glauben.  Man  hat  mir  davon  einige  Exempeln 
crzehlt,  welche  die  Christen  beschämt  machen;  dann  es 
gibt  viele  unter  diesen  letzten,  welche  ohne  dasZeichen 
der  Beschneidung  zu  haben,  ihren  Nächsten  im  Handel 
und  Wandel  mit  gleicher  Fertigkeit  zu  beschneiden 
wissen,  wo  sie  nicht  gar  darinnen  noch  die  Juden  über- 
treffen. 

Die  Handlung  ist  die  Seele  dieser  reichen  Stadt:  sie  allein  hält 
sie  empor  und  giebt  ihr  einen  Rang  unter  den  vornehmsten  Städten 
der  Welt.  Unter  den  Kaufleuten  selbst  sind  grosse  und  ehrwürdige 
Männer,  die  als  wahre  Patrioten  ihre  erworbene  Reichthümer  zur 
Aufnahme  der  Stadt  und  zum  besten  ihrer  Mitbürger,  insonderheit 
der  Armen,  mit  vielem  Ruhm  zu  gebrauchen  wissen.  Diese  Leute 
haben  meistens  in  ihrer  Jugend  schöne  Reisen  gethan,  verstehen  die 
vornehmsten  europäischen  Sprachen,  lesen  gute  Bücher  und  zeigen 
in  ihrem  ganzen  Umgang  eine  edle  Lebensart.  Sie  müssen  sich  nicht 
wundern,  wann  sie  hier  in  ein  vornehmes  Handelshaus  kommen,  dass 


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sie  von  Libereydienern  bedienet  werden,  und  darinnen  einen  Zircke! 
von  geputzten  Damen  antreffen,  der  allen  Glanz  und  alle  Vorzüge 
der  Höfe  zeiget  Was  ist  billiger,  ab  dasa  Leute,  die  ein  grosses 
Vermögen  besitzen,  solches  auch  gemessen  und  sich  damit  eine  Ehre 
machen ;  doch  soll  auch  hier  das  Sprichwort  gelten :  Alles  ist  nicht 
Gold  was  glänzet  Es  giebt  auch  falsche  Diamanten  und  beschnittene 
Ducaten  unter  diesen  guten  Geprilgen.  Allein  wo  ist  ein  Stand,  wo 
ist  eine  Art  von  Gewerbe  darunter  man  nicht  eine  gleiche  Vermisch- 
ung der  guten  und  bösen  beobachtet 

Die  Stadt  ist  ziemlich  wohl  befestiget :  sie  unterhält  ihre  eigne 
Besatzung,  die  sich  auf  tausend  Mann  und  mehr  belauftet  Ihre  Sol- 
daten sind  in  Wehr  und  Waffen  so  gut  geübt,  als  andre  und  stehen 
noch  besser  im  Sold.  Diejenigen  so  ein  Handwerk  verstehen,  können 
demselben  dabey  gerul) ig  abwarten,  und  die  andern  verdienen  sich, 
wann  sie  keine  Wacht  haben,  als  Taglöhner,  ihren  Trunk,  welcher 
die  einzige  Erquickung  ihrer  sonst  wenig  mühsamen  Kriegsdienste  zu 
seyn  scheinet  Unter  ihren  Befehlshabern  giebt  es  artige  und  ver- 
suchte Leute:  Die  strenge  Kriegszucht  aber  muss  man  an  einem 
Orte  nicht  erwarten,  wo  man  keine  Eroberungen  zu  machen  sucht 

Man  findet  hier  auch  viele  gelehrte  Leute,  deren  einige  sich 
durch  ihre  Wissenschafften  berühmt  gemacht  haben:  sie  haben  nicht 
alle  das  Unglück  so  arm  zu  seyn,  als  es  insgemein  Leute  von  diesem 
Handwerck  zu  seyn  pflegen.  Sie  kennen  die  Welt,  sie  wissen  zu 
leben  und  sind  gleichwohl  gelehrt. 

Was  mir  am  seltsamsten  vorkommt,  ist,  dass  man  hier  unter  dem 
Pöbel  alles  Herren  und  Jungfern  heisset  Als  ich  hier  ankam,  ver- 
langte ich  einen  Lohnlackeyen.  Die  Magd  im  Hause  kam  kurz  dar- 
auf in  mein  Zimmer  und  sagte  mir,  der  Herr  Heinrich  wäre  da  und 
begehrte  mich  zu  sprechen.  Ich  lies  meinen  Diener  hinausgehen, 
um  den  Herrn  Heinrich  herein  zu  führen.  Dieser  erschien  mit  einem 
grossen  Degen  an  der  Seite  und  in  einer  ziemlich  schmutzigen 
Kleidung.  Was  ist  zu  ihren  Diensten ,  mein  Herr  Heinrich ,  redete 
ich  ihn  an;  Er  antwortete  mir  mit  einer  gewissen  Art,  die  seine 
kleine  Meisterschaft  zu  erkennen  gab:  ich  bin  der  Lohnlackey,  den 
die  Jungfer  Luise  hat  raffen  lassen.  Ich  konnte  mich  hierbey  des 
Lachens  nicht  enthalten;  Die  Jungfer  Luise  war  ein  kleiner  Küchen- 
pudel, den  man  ohne  sich  schmutzig  zu  machen  nicht  hätte  anrühren 
können.  Ich  sagte  darauf  dem  Herrn  Heinrich,  er  solte  meinem 
Diener  nur  die  vornehmsten  Strassen  in  der  Stadt  und  die  Posthäusser 
zeigen.  Den  andern  Tag  darauf  lies  sich  der  Herr  Grünpech  bey 
mir  melden.    Ich  fragte  wer  ist  der  Herr  Grttnpech  V  es  ist ,  sagte 


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man  mir,  der  Sohn  des  Herrn  Grünpechs,  den  ich  hätte  bestellen 
lassen,  um  mir  ein  Paar  Schuhe  anzumessen.  Ich  konnte  die  Höf- 
lichkeit dieses  kleinen  Volks  nicht  genug  bewundern:  ich  betrachtete 
solche  als  eine  Würkung  derjenigen  glückseligen  Freyheit,  die  hier 
einem  jeden  erlaubet,  aus  sich  zu  machen,  was  er  will. 

Es  ist  hier  ganz  etwas  gemeines,  dass  man  einem  Schneider, 
einem  Schreiner,  einem  Schuhmacher  und  dergleichen  den  Titel,  dem 
Wohledlen  giebt.  Ja  der  geringste  Tagdieb  weis  sich  gross  damit 
ein  freyer  Reichsbürger  zu  seyn. 

Es  sind  viele  Dinge  die  eine  Stadt  gross  und  mächtig  machen; 
darunter  rechnet  man  auch  den  starken  Zugang  von  Fremden  und 
Reisenden,  welche  sich  darinnen  eine  Zeitlang  aufzuhalten  pflegen 
und  durch  ihren  Aufwand  ansehnliche  Geldsummen  hinterlassen.  Kein 
Ort  ist  darzu  besser  gelegen,  als  Franckturt.  Anderwärts  sucht  man 
die  Fremden  herbey  zu  locken,  und  ihnen  allerhand  Veränderungen, 
Lustbarkeiten  und  Schauspiele  zu  geben.  Hier  aber  ist  man  nicht 
so  eigennützig.  Es  dürflen  sich  hier  keine  Fremde,  als  in  denGast- 
häussern  aufhalten,  und  es  ist  noch  nicht  gar  lang,  dass  man  eine 
Verordnung  gemacht  hat,  vermöge  deren  allen  Fremden  der  Schutz 
aufgekündiget  würde,  wo  sie  sich  anders  nicht  würden  gefallen 
lassen,  sich,  wie  man  es  hier  nennet,  schreiben  zu  lassen,  und  einige 
Lasten  mit  zu  tragen  :  weil  sich  darunter  verschiedene  vornehme 
Leute  befanden,  denen  dergleichen  Zumuthen  nicht  gefiel,  so  wurden 
auch  verschiedene  grosse  Häusser  leer ;  dem  ungeachtet  ist  die  Stadt 
volkreich  genug,  und  es  halten  sich  auch  beständig  Fürsten,  Grafen, 
Gesanden,  Ruthe,  Residenten  und  dergleichen  Personen  vom  Rang 
hier  auf;  wie  dann  unter  andern  der  Fürst  von  Taxis  hier  seine 
Wohnung  hat  und  prächtig  Hof  hält. 

Das  I^ooa  hat  die  ehmalige  Bemühungen  in  Rath  zu  kommen 
glücklich  unterbrochen.  Dieses  IvOob,  das  durch  Kugeln  gezogen 
wird,  entscheidet  die  Wahl  unter  dreyeu  Candidaten.  Man  muss  be- 
kennen, dass  es  bisher  noch  ziemlich  glücklich  ausgefallen  ist;  dann 
es  finden  sich  in  der  Tliat  unter  dieser  ansehnlichen  Versammlung 
solche  Glieder,  die  ihr  viel  Ehre  machen.  Im  übrigen  aber  so  giebt 
e»  wenige  Riirger  hier,  die  nicht  eine  Würde  oder  ein  Aemtgen  be- 
sitzen, darauf  sie  sich  nicht  etwas  zu  gut  thun  und  einbilden  gölten. 
Man  findet  hier  noch  treffliche  alte  Familien  unter  dem  sogenannten 
Patriciat.  Sie  treiben  nicht  allein  keine  bürgerliche  Handthierung, 
sondern  heyrathen  sich  auch  nicht  ausser  dem  Adelstand.  Desshalben 
sie  dann  sowohl  Stifft-  und  Thurniermäsig  sind,  als  die  freye  Reich- 
Ritterschaft:  sie  haben  auch  meistens  ihre  Ritter-  und  Landgüter. 


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Der  alte  Adel  zeiget  in  verschiedenen  Stücken  die  Schwachheiten 
der  eigensinnigen  Greisen,  die  sich  nicht  mehr  nach  der  Mode  richten 
wollen.  Der  neue  Adel  im  Gegentheil  gleichet  einer  wilden  und 
unbesonnenen  Jugend,  welche  alle  ihre  Ausschweiffungen  für  lauter 
Artigkeiten  will  gelten  machen. 

Man  muss  hier  die  Scharfsinnigkeit  der  Menschen  bewundern 
um  die  Fehler  des  Nächsten  zu  entdecken,  wann  es  etwann  um  einen 
Rang  oder  Voraug  gilt.  Hier  findet  man  eine  tiefe  Erkenntnis  des 
menschlichen  Herzens,  liier  siehet  man  eine  lebhafte  Abschilderung 
von  seinen  Vorgebungen.  Ich  habe  bey  dieser  Gelegenheit  öfters  die 
Verschlagenheit  unsrer  Eigenliebe  bewundern  müssen,  da  sie  mit 
einer  so  scharffeu  Einsicht  die  Fehler  des  Nächsten  entechleyert; 
mittlerweile  sie  unsre  eigne  so  künstlich  zu  verbergen  weiss.  Mich 
dünckt,  der  liebe  Neid  habe  hier  einen  starken  Anhang.  Ein  Nach- 
bar siehet  des  Andern  Aufkommen  mit  schälen  Augen  an:  man  iat 
sinnreich  die  Absichten,  die  Geschaffte  und  die  Auffuhrung  anderer 
Leute  verdächtig  zu  machen. 

Ein  neuer  Aufsatz  von  Haaren  erwecket  nicht  selten  eine  Eifer- 
sucht unter  den  Frauen,  welche  deswegen  vor  dem  Richterstuhl  ihrer 
Männer  um  Rache  schreyen.  Die  feinere  Spitzen,  die  reichere  Stoffe, 
die  verbrähmte  Kleider,  haben  sich  hier  durchaus  keiner  Gnade  zu 
getrösten.  Man  höret  alsobald  von  der  Buhlerey  der  einen  und  dem 
Stammbaum  der  anderen  sprechen  Alle  groBse  Familien  machen 
hier  Banden  unter  sich :  wer  unter  ihnen  ist,  oder  das  Glück  hat, 
sich  unter  sie  zu  verheyrathen ,  der  ist  von  gutem  Herkommen,  der 
hat  Verstand,  der  hat  Ehre;  ja  man  sagt,  dass  einige  wären,  unter 
welchen  es  nie  keine  Thoren  gäbe. 

O  ihr  Einwohner  dieser  Stadt !  denk  ich  manchmal  bey  mir  selber, 
wie  glücklich  wäret  ihr,  wann  ihr  euer  Glück  erkennen  woltet!  Der 
Himmel  hat  euch  alles  gegeben,  um  eure  Tage  in  Friede  und  in 
Ruhe  zuzubringen;  und  ihr  verhindert  euch  selbst  einander  den  Ge- 
nuss  dieser  Glückseligkeit  durch  eure  Eifersucht  und  durch  den 
Mangel  einer  gewissen  natürlichen  Einträchtigkeit,  welches  das  süsseste 
Band  des  geselligen  Lebens  ist. 

Sie  müssen  im  übrigen  nicht  denken,  mein  Herr,  dass  die  Sitten 
der  Franckfurter  vor  audern  Menschen  etwas  besonders  haben.  Nein, 
mau  findet  hier  alle  Arten  von  Geschöpfen,  ihre  Fehler  und  ihre  Ge- 
brechen sind  der  ganzen  Welt  ihre. 

Dasjenige,  was  hier  besser  seyn  könnte,  ist  die  Policey,  zum 
wenigsten  klagen  die  Fremden  darüber :  sie  klagen  über  die  Wirthe, 
welche  ihre  Weine  verkauften,  nicht  nach  dem  was  sie  werth  sind, 


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sondern  nachdem  sie  für  gut  finden,  sie  zu  tauffen,  und  ihnen  einen 
Namen  zu  geben :  sie  klagen  über  die  schlechte  Herbergen  und 
Bettungen,  für  die  man  sich  doch  nicht  entblödet,  ihnen  grosse 
Summen  abzufordern :  sie  klagen ,  wenn  sie  des  Nachts  über  die 
Strassen  giengen,  dass  sie  entweder  einem  vollen  Kerl,  oder  sonst 
anderm  Lumpengesinde  ausweichen  müßten,  welches  dasjenige  öffent- 
lich treibet,  was  auch  heimlich  zu  thun  verbotten  wäre :  sie  klagen, 
d  iss  sie  des  Nachts  für  dem  Lermen  in  den  Bierhäussern  und  dem 
Schreyen  auf  den  Strassen  kaum  schlaffen  könnten  u.  s.  w. 

Auf  alle  diese  Klagen  pflegen  die  Einwohner  zu  antworten,  dass 
es  immer  einen  Wiederspruch  und  eine  Art  der  Empörung  in  einer 
Republick  setzen  würde,  wo  man  allzu  streng  auf  Policey  und  gute 
Sitten  halten  wolte.  Ein  bürgerlicher  Magistrat  hätte  damit  genug 
zu  thun,  nur  die  gröbsten  Ausschweiffungen  im  Zaum  zu  halten :  zu 
dem,  machten  jetzt  die  Fremden  in  ihrer  Stadt  das  meiste  Geräusch 
und  verursachten  die  grössten  Unordnungen.  Diesem  Uebcl  sei  also 
eben  so  wenig  hier  als  in  London,  Paris,  Wien  und  andern  volk- 
reichen Städten  zu  steuern. 

Ich  will  mich  in  dieser  Sache  nicht  zum  Schiedsrichter  auf- 
werffen.  Mich  dünket  überhaupt,  dass  dasjenige,  was  andre  Staaten 
ruiniren  würde,  ebendasjenige  sey,  was  manche  Republicken  erhält. 
Jene  erfordern  Zwang  und  Gewalt,  alles  nach  gewissen  Absichten 
-  einzurichten;  diese  aber  haben  gar  keine  Absichten:  ihre  Sachen 
treiben  sich  selber  wie  die  Wirbeln  in  den  Fluten.  Die  Freyheit 
allein  giebt  ihnen  ihre  Bewegung,  und  wo  diese  aufhöret,  da  sind  sie 
nicht  mehr.     Ich  bin, 

Mein  Herr, 

Franckfurt,  den  4  Junii  Dero  V^onrnrntm  und 

ergebenster  Diener. 


Im  Jahr  1746  ward  v.  Loen  zum  Präsidenten  des  Oberconsisto- 
riuras  zu  Berlin  in  Vorschlag  gebracht  und  kurz  darauf  ihm  ein  für 
jene  Zeit  höchst  ansehnlicher  Gehalt  von  2000  Thalern  angeboten, 
wenn  er  sich  in  Berlin  niederlassen  wollte.  Er  konnte  sich  aber 
dazu  nicht  entschliessen,  und  wohl  Niemand  hätte  damals  vermuthet, 
dass  der  nun  an  Jahren  bereits  ziemlich  vorgerückte  Mann  aus  seiner 
unabhängigen  Stellung  jemals  scheiden  würde.  Und  doch  war  dies 
endlich  der  Fall.  Im  Jahr  1752  erging  nämlich  von  Seiten  des 
Königs  von  Preussen,  Friedrich  d.  G.,  der  Ruf  an  ihn,  als  Geheimer 


-    560  - 

Rath  und  Regierungspräsident  der  Grafschaften  langen  und  Tecklen- 
burg in  seine  Dienste  zu  treten,  welchem  v.  Loen  wirklich  Folge 
leistete.    „Dieser  Entschlussa,  sagt  Stosch  „hat  viele  nicht  ohne  Ur- 
sache in  grosse  Verwunderung  gesetzet.    Der  Herr  v.  Loen  hatte 
in  seinen  Schriften  vielfältig  seine  Meynung  dahin  geäussert,  dass  es 
eine  Art  Thorheit  sey,  wenn  man  für  sich  selbst  leben,  und  sein 
eigener  Herr  sein  könne,  sich  bei  Fürsten  in  Dienste  zu  begeben, 
und  Ehrenstellen  unter  denselben  zu  suchen.   Nun  lebte  er  zu  Frank- 
furt in  einer  recht  stolzen  Ruhe,  und  in  einem  solchen  Ansehen  und 
allgemeiner  Achtung,  dergleichen  die  alleransehnlichsten  und  höchsten 
Ehrenämter  nicht  leicht  Jemanden  zuwege  bringen  können.    Er  ge- 
noss  die  Einkünfte  und  die  Ergützlichkeiten  eines  der  angenehmsten 
Landgüter,  so  er  ohnfern  der  Stadt  besass;  es  war  nicht  lange,  dass 
er  eines  der  prächtigsten  Häuser  in  der  Stadt  angekaufet  und  nach 
seinem  Geschmack  ausgebauet  und  eingerichtet  hatte.    Er  fand  das 
grosseste  Vergnügen  in  seiner  zahlreichen  Bibliothek  und  schönen 
Sammlungen  von  Schildereyen,  Kupferstichen,  Zeichnungen  und  an- 
deren zur  anmuthigen  Gelehrsamkeit  gehörigen  Sachen.  Seine  Land 
leute  ehreten  und  schätzten  ihn  hoch,  als  eine  der  grossesten  Zierden 
ihrer  Stadt;  die  Fremden  rechneten  es  für  eine  Ehre,  ihren  Besuch 
bey  ihm  abzulegen ;  alles,  was  Witz,  Belebtheit  und  Liebe  zu  den 
Wissenschaften  besass,  versammelte  sich  wöchentlich  bei  ihm  ;  Fürsten, 
Grafen  und  hohe  Standespersonen  drängeten  sich,  ihm  ihre  Hoch- 
achtung zu  bezeugen;  in  allen  Ständen  hatte  er  eine  grosse  Anzahl 
Freunde  und  Verehrer.    Und  dieses  alles  verliess  er  in  seinem  acht 
und  fünfzigsten  Jahre,  um  es  mit  einem  kloinen  und  unbelebten  Orte 
zu  verwechseln,  und  einen  Dienst  anzunehmen,  dessen  er  gänzlich 
entbehren  konnte.    Noch  mehr:  Er  war  bereits  vor  sechs  Jahren  zum 
Präsidenten  des  Oberconsistorii  zu  Berlin  in  Vorschlag  gebracht,  und 
ihm  kurz  darauf  im  Namen  des  Königes  ein  Gehalt  von  zwey  tausend 
Thalern  angeboten  worden,  wenn  er  sich  entschliessen  wollte,  sich  in 
Berlin  niederzulassen.    Er  hatte  sich  aber  dazu  nicht  völlig  ent- 
schliessen können  etc.    Und  nun  fand  er  für  gut,  in  dem  äussersten 
Westphalen  mit  einem  geringeren  Gehalte  zufrieden  zu  seyn.  Was 
linden  sich  nicht  auch  selbst  in  den  grossesten  Geistern  für  Wider- 
sprüche?" 

Loen's  Wegzug  aus  seiner  Vaterstadt  erklärt  sich  zum  grösseren 
Theil  aus  der  schon  angedeuteten  Stelle  in  Goethes  Selbstbiographie. 
Es  heisst  dort  nämlich  von  ihm,  nachdem  sein  didaktischer  Roman 
„der  Graf  von  Riverra,  oder  der  ehrliche  Mann  am  Hofeu  eine  sehr 
beifällige  Aufnahme  gefunden  gehabt  habe ,  sei  eine  zweite  seiner 


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—    561  — 

Schriften  „die  einzige  wahre  Religion",  welche  die  Absicht  hatte, 
Toleranz,  besonders  zwischen  Lutheranern  und  Cal  vi  nisten  zu  beför- 
dern, desto  gefahrlicher  für  ihn  geworden,  indem  er  dadurch  mit  den 
Theologen  in  Streit  gerathen  sei.  Man  vergleiche  dazu  die  bei  33) 
seiner  Schriften  gemachten  Bemerkungen. 

Dazu  kam,  dass  ihm  die  Stelle  zu  langen  von  einem  seiner 
Berliner  Freunde,  dem  Grosscanzier  Freiherrn  von  Cocceji,  angetragen 
worden  war.  Auch  von  Lingen  aus  ward  ihm  stark  zugesetzt  Man 
malte  ihm  die  dortigen  Zustände  und  Verhältnisse  sehr  reizend  aus 
und  appollirte  sogar  an  sein  Herz  und  sein  Gewissen*  „Zugleich", 
sagt  Stosch,  „musste  es  sich  zutragen,  dass  ihm  zu  Frankfurt  einige 
Verdriesslichkeiten  in  den  Weg  gelegt  wurden.  Die  Betrachtung, 
dass  es  ihm  bereits  so  nahe  gelegt  worden,  sich  in  die  Dienste  eines 
in  der  ganzen  Welt  höchst  gepriesenen  Königs  zu  begeben,  ward 
dabey  aufs  neue  belebet.  Kurz,  Herr  von  Loen  meynetehier  einem 
höheren  Berufe  zu  folgen,  den  er  ohne  Vorwurf  seines  Gewissens 
nicht  ausschlagen  könne." 

In  der  That  war  sein  Empfang  in  Lingen  sehr  zufrieden- 
stellend und  zu  den  schönsten  Hoffnungen  berechtigend.  Man 
beeiferte  sich,  ihn  aufs  Freundlichste  willkommen  zu  heissen.  Aber 
bald  sollte,  wie  Goethe  berichtet,  die  Behauptung  seiner  ehemaligen 
Landsleute  in  Erfüllung  gehen,  dass  er  dort  nicht  zufrieden  sein 
könne,  weil  sich  ein  Ort  wie  Lingen  mit  Frankfurt  keineswegs 
messen  dürfe.  Und  Stosch  meldet:  „Man  wird  vermuthlich  begierig 
seyn,  zu  wissen,  wie  der  Herr  von  Loen  zu  Lingen  lebe,  und  was 
er  daselbst  ausrichte.  Ich  kann  dieser  Neubegierde  einiger  Massen 
ein  Genüge  thun.  Er  hat  es  nicht  so  gefunden,  wie  er  es  gedacht 
und  gehoffet  hatte,  und  die  Erfahrung  überzeuget  ihn  anbey  täglich, 
dass  es  weit  leichter  sey,  der  Welt  und  der  Kirche  in 
seinem  Cabinet  Verbesserungsregeln  vorzuschreiben, 
als  solche  zur  Ausübung  derselben  zu  bewegen  und  zu 
bringen.  Man  muss  indessen  beynahe  erstaunen  über  die  Ver- 
leugnung, mit  welcher  er  sich  von  allem,  so  ihn  zuvor  vergnügte,  ent- 
fernt, in  Ort  und  Umstände  zu  schicken  und  zu  finden  weiss.  Das 
ist  ein  Vorrecht  des  Weisen." 

Während  des  siebenjährigen  Krieges  wurde  von  Loen  von  den 
französischen  Truppen  als  Geissei  nach  Wesel  gebracht,  wo  er  „in 
dem  allerelendesten  und  unanständigsten  Zimmer"  vier  Jahre  lang 
(von  1757—1761)  wohnen  musste.  Zwar  gab  man  ihn  endlich  frei, 
doch  musste  er  eben  seiner  Söhne  an  seine  Stelle  treten  lassen. 

Nach  seiner  Losgebung  verbrachte  er  nur  noch  vier  Jahre  in  seinem 

36 


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-    562  - 


Amt  und  trat  dann  in  den  wohlverdienten  Ruhestand.  Er  starb  im 
hohen  AJter  von  beinahe  82  Jahren,  zuletzt  fast  gänzlich  erblindet  3, 
am  24.  Juli  1776. 

Einer  Beiner  Söhne  —  Johann  Jost—,  geb.  1737  in  dem  Hause 
auf  der  Windmühle,  vermählte  sich  1779  mit  der  Prinzessin  Agnes 
von  Anhalt-Dessau,  einer  Tochter  des  regierenden  Fürsten  Leopold 
Maximilian  von  Anhalt-Dessau.  In  Bezug  auf  einen  Besuch,  den 
Goethe  zu  Ende  des  Jahres  1796  bei  diesen  Verwandten  abstattete, 
äussert  sich  derselbe  in  den  Annalen*:  „In  Dessau  ergötzte  uns  die 
Erinnerung  früherer  Zeiten:  die  Familie  von  Loen  zeigte  sich  als 
eine  angenehme,  zutrauliche  Verwandtschaft ,  und  man  konnte  sich 
der  frühesten  Frankfurter  Tage  und  Stunden  zusammen  erinnern.* 
Ein  Sprössling  der  zuletzt  erwähnten  Ehe,  Friedrich  v.  Loen ,  be- 
kleidete das  Amt  eines  Oberhofmarschalls  am  Dessauer  Hofe.  Sein 
Sohn  Hugo  v.  Loen,  der  Urenkel  Johann  Michaels,  k.  preussischer 
Major  a.  D.,  lebt  auf  Schloss  Krangan  bei  Pollnow  in  Pommern 
und  ist  Mitglied  der  hiesigen  adeligen  uralten  Gesellschaft  des  Hauses 

Ein  Enkel  v.  Loen's,  gleich  dem  Grossvater  Johann  Michael 
genannt,  und  an  dessen  Geburtstage,  dem  21.  December,  im  Jahr 
1760  geboren,  ward  1785  als  Frauensteiner  in  den  hiesigen  Rath 
erwählt,  starb  aber  bereits  im  sieben  und  dreissigsten  Jahre  seines 
Alters ,  am  26.  September  1797.  Ueberhaupt  ist  in  Frankfurt  der 
Mannsstamm  des  v.  Loen'scben  Geschlechtes  erloschen. 


»  Ein  wohlrenommirter  junger  Arzt  wagte  eine  Operation,  die  aber  un- 
glücklich ausfiel;  es  war  die  letzte  Operation  des  jungen  Mannes,  der  sich  seit 
dem  mit  schriftstellerischen  Arbeiten  beschäftigte  und  seinem  Kamen  —  Jung 
8tilling  —  eine  ehrende  Stelle  in  der  Literaturgeschichte  erwarb. 

♦  Goethe*«  Werke  XXVII.  61. 


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Umgegend  der  Kraiiienfurt 
mit  Andeutung  der  Lage  einiger  im 
Laufe  der  Zeit  errichteten  Gebäude  und 
Tterke 


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 1  • 


AKCfflV 

für 

FRANKFURTS  GESCHICHTE 

und 

KUNST. 


Neue  Folge. 


II  erausgegeben 
von  dein 

Vereine  für  Geschichte  uud  Alterlhuniskuiide 

zu  Prankfurt  am  Main. 

Vierter  Band. 


Mit  Abbildungen 


FRANKFURT  a.  % 

Im    Selbst-Verlage    des  Verein». 
In  Comuiiseion  bei  Heinrich  Keller. 

18f>0. 


Uruckerel  ,„„  Ai.gu.t  O.terrUlb  iu  Kr»,.kf„rt  M.iu. 

,/ 2 

ZOPI     '-  .-iok  I 


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Inhalt. 


Seite 


Die  religiöse  Bedeutung  des  Brückenbaues  im  Mittelalter  mit  besonderer 

Beziehung  auf  die  Frankfurter  Mainbracke.  Von  Professor  Dr.  J.  Becker  1 

Beiträge  zur  Geschichte  der  Befestigung  Frankfurts  im  Mittelalter.  Von  dem 

königl.  Oberst  A.  von  Cohausen  21 


(Der  Eschenheimer  Thurm.  8.  21.  —  Das  Fahrthor.  8.  20.  —  Mittelalterliche 
8chutx-  und  Trutzbauten  im  Innern  von  Frankfurt  8.  87.  —  Die  Warten.  8. 49 ) 

Reformatorische  Persönlichkeiten,  Einflüsse  und  Vorgänge  in  der  Reichsstadt 

Frankfurt  a.  M.  von  1519  bis  1522.  Von  G.  E.  Steitz,  Doctor  der  Theologie  57 
(Hatten  und  Arnold  Glauburger.  8. 59.  —  Uutten  und  Philipp  Furstenberger. 
8.  88.  —  Johannes  Cochlaeu».  8. 90.  -  Die  Kitterschaft  und  die  Geistlichkeit. 
8.  112.  —  Johannes  ab  Indagino.  8.  138.  -  Der  vorläufige  Ausgang  dieser 
Geschichten.  8.  149.  —  Glauburg'scho  Geschlechtstafel.  8.  174.) 

Eine  neuerdings  entdeckte,  bisher  unbekannte  Auflage  des  grossen  Merian'- 

schen  Stadtplans  von  1628.  Mitgetheilt  von  Senator  Dr.  Gwinner    .  .  175 

Berichtigung  und  Fortsetzung  der  beiden  Abhandlungen:  Schaumünzen  zum 
Angedenken  von  Bewohnern  Frankfurts  und  Münzen  und  Medaillen  auf 
geschichtliche  Begebenheiten  Frankfurts.  Von  Dr.  Eduard  Rüppell. 
(Mit  zwei  Tafeln.)  177 

Der  Kampf  gegen  die  Bücher  der  Juden  am  Anfange  des  16,  Jahrhunderts 

in  seiner  Beziehung  auf  Frankfurt  Von  Dr.  Ludwig  Geiger    .  ...  208 

Verzcichniss  der  Frankfurter  Hauptleute,  Stadt  Advocaten  und  Oberstrichter 
bis  zum  Jahre  1500.  Nach  don  Aufzeichnungen  des  Herrn  Archivars 
Dr.  G.  L.  Kriegk  mitgetheilt  von  Dr.  L.  H.  Euler  218 

Ludwig  von  Hörnigk.  Ein  Charakterbild  aus  der  Geschichte  der  Medicin. 

Von  Dr.  Wilhelm  Stricker  237 

Mittheilungen  über  eheliches  Güterrecht  mit  besonderer  Hinsicht  auf  fränki- 
sches und  Frankfurter  Recht,  von  Dr  L.  H.  Euler  247 

Urkunden  zur  Geschichte  der  Familie  Frosch  und  ihrer  Besitzungen,  mitge- 
theilt von  Dr.  L.  H.  Euler  298 


Der  Verein  fiir  Geschichte  und  Aiterthumskunde  hat  bis  jetzt  folgende 

Schriften  veröffentlicht : 

1)  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst.  Nene  Folge.  Band  I.  II.  III. 
Mit  Abbildungen.  Frankfurt  18G0.  1862.  1865.  (Schliesst  sich  an  das  gleich- 
namige von  der  Gesellschaft  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst  in  8  Heften 
1839-1858  herausgegebene  Archiv  an.) 

2)  Mittheilungen  an  die  Mitglieder  des  Vereins.  Band  I.  II.  III.  Frankfurt 
18(30-1868.  (Diese  schliessen  sich  an  die  periodischen  Blätter  an,  welche  von 
1853  - 1857  der  Frankfurter  Verein  in  Verbindung  mit  andern  Vereinen  heraus- 
gegeben hat,  nemlich  periodische  Blätter  der  Geschichte-  und  Alterthums- 
Vereine  zu  Cassel,  Dannstadt,  Frankfurt,  Mainz  und  Wiesbaden,  Jahrg.  1853, 
Nr.  1—4;  Jahrg.  1854,  1855,  1856  Nr.  1-12,  sodann  der  Vereine  zu  Cassel, 
Dannstadt,  Frankfurt  und  Wiesbaden,  Jahrgang  1857  Nr.  1 — 4.) 

$)  Des  Canonicus  Baldemar  von  Peterweil  Beschreibung  der  kaiserl.  Stadt 
Frankfurt  am  Main  aus  dem  14.  Jahrhundert.  Urschrift  mit  Uebers.  und  Erl. 
Herausgegeben  von  Dr.  L.  H.  Euler.  Frankfurt  1858.  (Ist  besonderer  Abdruck 
aus  Nr.  1  der  Mittheilungen.) 

4)  Das  steinerne  Haus  und  die  Familie  von  Meiern  in  Frankfurt.  Frankfurt  1859. 
(Besonderer  Abdruck  aus  Bd.  I.  Nr.  3  der  Mittheilungen.) 

5.  Neujahrsblatt  für  1859.  —  Dorf  und  Schloss  Rödelheim.  Beitrage  zu  der 
Geschichte  derselben  von  Dr.  L.  H.  Euler.   Frankfurt  1859.  4". 

6)  Desgl.  für  1860.  —  Der  Frankfurter  Chronist  A.  A.  von  Lersner,  von  Dr. 
E.  Heyden.   Frankfurt  1860.  4». 

7)  Desgl.  für  1861.  —  Die  Melancbthons-  und  Lutherherbergen  zu  Frankfurt 
am  Main:  Claus  Brommeu  Haus,  Lisa's  von  Rückingen  Haus,  Wolf  Parente's 
Haus.  Eine  Untersuchung  zur  topograph.  Geschichte  der  alten  Reichstadt 
von  G.  E.  Stcitz,  Dr.  der  Theologie.  Frankfurt  1861.  4°. 

8)  Desgl.  für  1862.  —  Samuel  Thomas  von  Soemmering,  der  Heilkunde  Doctor, 
k.  baier.  Geheimerath,  nach  seinem  Leben  und  Wirken  geschildert  von  Dr.  med  . 
W.  Stricker.  Frankfurt  1862.  4". 

9)  Desgl.  für  1863.  —  Drei  römische  Votivh&ode  aus  den  Rheiulanden,  von  Dr. 
J.  Becker.   Frankfurt  1863.  4°. 

10)  Desgl.  für  1864  und  für  1865.  Johann  David  Passavant  Ein  Lebensbild  von 
Dr.  A.  Cornill.  Abth.  I.  II.  Frankfurt  1864.  1865.  4». 

11)  Desgl.  für  1866.  —  Die  deutsche  Schrift  im  Mittelalter,  ihre  Entwickelung 
ihr  Verfall,  mit  besonderer  Rücksicht  auf  Frankfurt  und  seine  Umgehend  von 
Dr.  Friedrich  Scharff.   Mit  acht  Tafeln.  Frankf.  1866.  4°, 


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12)  Desgl.  fltr  1867.  -  Geschichte  der  Dr.  Senckenberg'scben  Stiftshäuscr  von 
Sebastian  Alex.  Scheide!.   Mit  5  Tafeln.   Frankfurt  1867.  4". 

13)  Desgl.  für  1868.  —  Grabschrift  eines  römischen  Panzerreiter-Ofßciers  ans 
Rödelheim  bei  Frankfurt  a.  M.  erläutert  von  Dr  phil.  Jacob  Becker.  Mit  2  Ta- 
feln. Frankfurt  1868.  4°. 

14)  Desgl.  für  186t).  -  Der  Staatsrath  Georg  Steitz  und  der  Fürst  Primas  Karl 
von  Dalberg.  Ein  Blatt  aus  Frankfurts  Geschichte  im  Anfange  des  XIX. 
Jahrh.  Mit  urkundlichen  Beilagen,  von  G.  E  Steitz,  Doctor  der  Theologie. 
Frankfurt  1869.  4". 

l.r>)  Die  Ueddernheimer  Votivhand,  eine  römische  Bronze  aus  der  Dr.  Römer - 
Biichner'schcn  Sammlung  der  XX.  Versammlung  deutscher  Philologen,  Schul- 
männer und  Orientalisten  zu  ehrerb.  Begrüssung  vorgelegt  von  dem  Verein 
für  Geschichte  und  Alterthumskunde.  Frankfurt  1861.  4°.  (Mit  dem  innern 
Titel:  Die  Heddernheimer  Bronzehand.  Ein  Votivdenkmal  des  Juppiter  Doli 
chentts  mit  den  übrigen  Dolichenus-Dcnkmälern  aus  Heddernheim  zusammen- 
gestellt von  Prof.  Dr.  J.  Becker.) 

16)  Acrzto,  Heilanstalten,  Geisteskranke  im  mittelalterlichen  Frankfurt  a.  M.  Zwei 
Abhandlungen  von  Dr.  G.  L.  Kriegk.  Der  Dr.  Senckenberg.  Stiftung  zur  Feier 
ihres  100jährigen  Bestehens  dargebracht  von  dem  Verein  für  Geschichte  und 
Alterthumskunde.   Frankfurt  1863.  4°. 

17)  Oertlichc  Beschreibung  der  Stadt  Frankfurt  am  Main  von  Johann  Georg 
Battonn,  gew.  geistl.  Rath,  Custos  und]  Canonicus  des  St.  Bartholomäusstifts. 
Aus  dessen  Nachlaas  herausgegeben  von  dem  Vereine  für  Geschichte  und 
Alterthumskunde  durch  den  zeitigen  Director  desselben  Dr.  jur.  L.  ü.  Euler. 
Helt  I.  II.  III.  IV.  Frankfurt  1861-1866. 


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Die  religiöse  Bedeutung  des  Brückenbaues  im  Hittelalter, 
mit  besonderer  Beziehung  auf  die  Frankfurter  Mainbröcke. 

Von  Professor  Dr.  J.  Becker. 


Die  spärlichen  Nachrichten,  welche  uns  über  die  Schicksale  der 
alten  Mainbrücke  zwischen  Frankfurt  und  Sachsenhausen  wahrend 
des  Mittelalters  überkommen  sind,  beschränken  sich  bekanntermassen 
auf  gelegentliche  Erwähnungen  derselben  aus  verschiedenen  Anlässen. 
Zumeist  sind  es  die  Aufzeichnungen  in  den  Frankfurter  Stadtrech- 
nungsbüchern theüs  über  mannigfache  Ausgaben  für  Baumaterial  und 
Arbeitslöhne  bei  kleineren  oder  grösseren  Neubauten  oder  Wieder- 
herstellungen an  der  Brücke,  vornehmlich  infolge  von  Hochwassern 
und  Eisgängen,  theils  über  Aufwendungen1,  Einkünfte,  wie  auch 


1  Die  von  Fichard  zu  Battonn's  Oertlicher  Topographie  der  Stadt  Frankfurt 
a.  M.  S.  212-214  für  die  Zeit  von  1867  -1685  zusammengestellten  bezüg- 
lichen Angaben  lassen  sich  noch  durch  folgende  ergänzen.  Schon  im  Stadt- 
rechnungsbuche von  1357  fol.  34  ist  die  Rede  von  23  ff  vm  steyne  quadracien, 
41  ß  vm  bord  zu  den  bogestellin  zu  der  brücken  und  von  6  ß  Ausgabe  zu  der 
swebogen  waz  gcfallin.  In  dem  Stdt.-Rchbch.  v.  1398  findet  sich  ausser  der  von 
Fichard  S.  213  ausgezogenen  Notiz  von  Holzfuhren  aus  dem  Walde  zu  Bogen- 
stellen  an  der  Brücke  auch  noch  foL  35  b. :  18  fl.  han  wir  gegeben  vmb  ein 
schiff  voll  Mildenberger  quaderatein  zu  den  swiebogen  zu  der  brücken.  In  gleicher 
Weise  erhält  Fichard's  Auszug  aus  dem  Stdt-Rchbch.  von  1399  bezüglich  des 
Lohnes  für  einen  Knecht,  welcher  in  einem  Nachen  auf  dem  Maine  Wache  halten 
und  die  Leute  warnen  sollte  „daz  Bie  in  den  siebenten  pieler  nicht  füren-  beson- 
dere Bedeutung  durch  zwei  weitere  Notizen  aus  demselben  Rechnungsbuch,  deren 
eine  fol.  54  vormerkt:  8%  fl.  vmb  ein  ald  schiff,  als  nnder  dem  sybinden  piler 
der  brücken  zubrach,  während  die  andere  toi.  40  notiert:  */a  fl.  den  murern  zu 
slosswin,  als  sie  daz  gewelbe  vff  der  brücken  zugeslossen  han.  Auf  den  Aufbau 
dieses  siebenten  Pfeilers  bezieht  sich  ohne  Zweifel  die  zum  Jahre  1398  erwähnte 
Errichtung  eines  Schwibbogens  aus  Miltenberger  Quadersteinen,  welcher  hinwieder 
identisch  ist  mit  dem  von  Meister  Madern  Gerthener,  dem  Steinmetzen,  erbauten 
Schwibbogen  und  alsbald  wieder  rissig  gewordenen  vorgedachten  Gewölbe,  welche 
IV.  1 


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Schicksale  bezüglich  der  Gebäulichkeiten  auf  und  an  derselben,  aus 
welchen  Mittheilungen  eine  Geschichte  der  Brücke  selbst  nur  lücken- 
haft ermittelt  und  oft  blos  vermuthungsweise  entnommen,  insbeson- 
dere die  Zeit  der  ersten  Anlage  eines  Fussüberganges,  seine  anfäng- 
liche Construction  aus  Holz,  später  sodann  sicherlich  aus  Stein  und 
Holz,  bis  zur  endlichen  Erbauung  der  jetzigen  steinernen  Mainbrücke 
mit  Sicherheit  allseitig  nicht  festgestellt  werden  kann*:  Unter  diesen 
Aufzeichnungen  der  Stadtrechnungsbücher  nehmen  nun  aber  vor 
allen  diejenigen  ein  ganz  besonderes  Interesse  in  Anspruch,  welche 
Einkünfte  zur  Brücke  betreffen,  die  sich  als  fromme 
Spenden  verschiedener  Art  zum  Baue,  wie  zur  Unterhaltung  und 
eventuellen  Reparatur  der  Beschädigungen  derselben  beurkunden  und 
um  so  unzweideutiger  als  ein  frommes,  gottgefälliges,  in  der  ganzen 
religiösen  Anschauung  des  Zeitalters  wurzelndes  Werk  kennzeich- 
nen, als  überdiess  auch  anderweitige  Urkunden  jene  kirchlich-religiöse 
Bedeutung  besagter  Spenden  und  Stiftungen  zur  Brücke  nicht  allein 
bestätigen,  sondern  weiter  noch  bezeugen.  Es  erstrecken  sich  nämlich 
sowohl  jene  Aufzeichnungen,  als  auch  die  übrigen  hierhergehörigen 
urkundlichen  Zeugnisse  einestheils  auf  Schenkungen,  Zuwen- 
dungen und  Opfer  gaben  bei  Lebzeiten  der  Donatoren,  wie  auch 
auf  testamentarische  Verfügungen,  anderntheils  auf  abgeschlos- 
sene Verträge,  erthcilte  Privilegien  und  Ablässe,  wie  sich  aus 
nachfolgender,  inchronologischer  Folge  geordneten  Zusammenstel- 


le unter  dem  30.  November  1399  ausgestellte  Urkunde  bei  Böhmer  Cod.  diplom. 
p.  780  f.  erwähnt  Auch  die  beiden  Fichard'schen  Auszüge  zu  den  Jahren  1407 
und  1408  ergänzen  sich  durch  die  fol.  30  des  Stdt-Rchbch.  von  letzterem  Jahre 
verzeichnete  Ausgabe  für  Steine:  die  piler  an  der  brücken  wider  zu  machen,  ata 
sie  von  dem  ise  ser  beschedigt  waren.  Endlich  heisat  es  in  dem  Stdt-Rchbch. 
von  1419  fol.  44  b. :  250  ß  16  ß  ban  wir  gebin  zum  buwe,  uff  die  brücken  cczliche 
phyler  vff  zu  füren  vnd  zu  muren,  daz  man  vurter  des  köstlichen  buwes  mit 
holzwercke  nit  bedarff,  sondern  balken  darüber  leget  vnd  daruff  brackendele- 
Hr.  Stadtarchivar  Prof.  Dr.  Kriegk,  dessen  preiswürdiger  Güte  die  vorstehenden 
und  die  weiterhin  von  uns  verwerteten  Auszüge  aus  den  Stadtrechnungsbüchern 
verdankt  werden,  bemerkt  hinzu:  „Nach  dieser  Stelle  scheint  es,  als  wenn  bis 
1419  einige  Pfeiler  von  Hole  gewesen  wären,  um  im  Kriege  über  ihnen  die  Brücke 
leicht  abbrechen  und  so  ungangbar  machen  zu  können,  und  als  wenn  man  erat 
damals  dieso  Holzpfeiler  durch  Steinpfeiler  ersetzt  hätte,  welche  indessen  oben 
offen  gelassen  und  dort  mit  Balken  gedeckt  wurden.  Bis  dahin  konnte  man  also 
auch  von  einer  hölzernen  Hain-Brücke  reden ,  indem  man  darunter  den  hölzernen 
Tbell  derselben  verstand." 

2  Dass  demnach  auch  die  von  Lersner  Chronik  I.  S.  19  f.  vgl.  531  ff.  und 
Battonn  a.  a.  0.  S.  205—212  gegebene  „Geschichte  der  Mainbrücke"  in  keiner 
Weiso  gonügen  kann ,  bedarf  keiner  näheren  Begründung. 


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-    3  - 

hing  ergibt,  deren  Mannigfaltigkeit  beredtes  Zeugnis»  ablegt,  dass  die 
auf  ein  gleiches  praktisches  Ziel  gerichteten  Ausstrahlungen  einer  und 
derselben  christlichen  Glaubensanschauung  sich  mehr  oder  weniger 
gleichzeitig  und  unter  verschiedenen  äusseren  Formen  kund  gaben 
und  wohlthätig  erwiesen. 

Höchst  bedeutsam  eröffnet  die  Reihe  derselben  das  'unter  dem 
6.  Mai  1235  ergangene  Privilegium  Heinrichs  VII,  durch  welches  er 
den  Bürgern  zu  Frankfurt  die  halbe  Nutzung  der  Münze  und  das 
nöthige  Holz  aus  dem  Reichswalde  zur  Reparatur  ihrer  Brücke  ver- 
günstigte, als  vornehmlich  in  dem  Winter  desselben  Jahres  die  letz- 
tere durch  Ueberschwemmung  theilweise  so  beschädigt  worden  war, 
dass  infolge  der  Zerstörung  einiger  Pfeiler  in  der  Mitte  der  völlige 
Ginsturz  der  ganzen  Brücke  drohte.  Wie  aus  dem  unten  theilweise 
mitgetheihen  Wortlaute  des  Privilegs  erhellt,  ist  diese  königliche 
Gnade  ausdrücklich  „intuitu  pietatis  et  vestre  devocionis  respectu" 
motiviert,  d.  h.  doch  wohl  ebenso  sehr  mit  Rücksicht  auf  die  Natur 
des  gottgefälligen  Werkes,  als  auf  die  Ergebenheit  der  Bürger 
gegen  Kaiser  und  Reich  3. 

An  das  Kaiserprivileg  reiht  sich  der  Zeit  nach  zunächst  das  be- 
scheidene Legat  eines  Frankfurter  Bürgers  zu  Gunsten  der  Brücke, 
rar  welche  er  schon  darum  ein  besonderes  Interesse  haben  mochte, 
weil  sich  seine  Wohnstätte  in  deren  Nähe  befand.  Es  war  Wicker 
an  der  Brücke  (Wickerus  super  pontem),  der  Sohn  des  Harpernus 
von  Offenbach,  welcher  im  Mai  des  Jahres  1270  gemeinschaftlich 
mit  seiner  Ehefrau  Gisele  verschiedene  letztwilHge  Verfügungen 
traf.  Mitten  unter  einer  Reihe  von  Vermächtnissen  an  Kirchen,  Ka- 
pellen, Klöster  und  Hospitäler  findet  sich  auch  und  zwar  schon  an 
vierter  Stelle  eine  jährliche  Spende  von  einem  Solidus  an  die 
Brücke  *. 

Eine  ähnliche  jährliche  Abgabe  an  die  Brücke  beurkundet 
auch  der  Vertrag  *,  durch  welchen  Schultheiss,  Schöffen,  Rathmannen 
und  Bürger  zu  Frankfurt  unter  dem  2.  August  1291  mit  ihren  Mit- 
bürgern, den  Deutschordensbrüdern,  dahin  übereinkamen,  dass  die 


3  Vgl.  Privilegienbuch  p.  8 :  cum  igitur  ex  repentina  inundatione  aquarum 
pons  vester  aliquocieos  destruatur  in  parte  et  taodem  forte  coimeret  sicut  iam 
perpenditur  manifeste  ex  eo,  quod  quedam  pile  medie  sint  destruete :  haue  vobis 
gratiain  intuitu  pietatis  ac  vestre  devocionis  respectu  duximus  faciendam :  über 
die  Bestätigungen  dieses  Privilegs  durch  spätere  Kaiser  Vgl.  Lersner  Chron.  I.  S.  19  f. 

♦  Urkunde  bei  Böhmer  Cod.  diplom.  p.  165  f.:  ad  pontem  ibidem  1  sol. 
levis  monete  singulis  annis. 

1* 


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Güter,  welche  dieselben  dermalen  besitzen,  gegen  eine  jährliche  Ab- 
gabe von  2  Mark  zur  Mainbrücke  steuerfrei,  dagegen  künftig  von 
denselben  zu  erwerbende  Güter  steuerpflichtig  sein  sollten:  auch 
hier  wird  diese  Abgabe  „pio  devocionis  affectu"  motiviert* 

Wiederum  testamentarische  Spenden  zur  Brücke  aus  frommer 
Intention  erweisen  zwei  letztwillige  Anordnungen  von  Frankfurter 
Bürgern  aus  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts.  Zuvörderst 
beurkundet  der  Probsteiofficial  dahier  unter  dem  8.  Juni  1327,  dass 
die  Trcuenhänder  der  Frankfurter  Bürgerin  Hedewig  Kachilhertin 
nach  deren  Willen  dem  Dominicaner  -  Kloster  vier  Mark  jährlicher 
Zinsen  von  näher  bezeichneten  Häusern  übergeben  haben,  mit  dem 
Bedinge,  das  Jahrgedächtniss  der  Hedwig  feierlich  zu  begehen.  Bei 
diesem  Vermächtnisse  wurde  ausdrücklich  vorbehalten,  dass,  sofern  e 
ein  Verkauf  oder  irgend  eine  andere  Entfremdung  dieser  vier  Mark 
jährlicher  Zinsen  eintreten  sollte,  von  da  ab  die  eine  Hälfte  der 
Brücke,  die  andere  der  Domfabrik  zukommen  sollte«  Wird  hier  die 
Brücke  erst  in  zweiter  Linie  bedacht,  so  erscheint  sie  dagegen  als 
Miterbin  in  dem  feria  octava  S.  Martini  d.  J.  1348  ausgestellten 
Testamente  des  Henkele  zu  den  Kannen  und  der  Kuntzele,  seiner 
„elichen  Fruwe",  Bürger  zu  Frankfurt,  in  welchem  sie  „zu  der 
brücken  die  über  den  Moyn  get"  zu  Frankfurt  eine  Mark  Gold 
„ewiger  Guide"  setzen,  die  gelegen  ist  auf  dem  Hufs  genannt  zu  den 
Gyseleren  bei  den  „minre  Brudirn"  (Minoriten);  ausser  diesem  from- 
men Vermächtnisse  zur  Brücke  werden  noch  eine  Reihe  anderer 
daneben  aufgeführt7. 

Es  würde  zu  weit  führen  alle  diese  frommen  Schenkungen 
und  Vermächtnisse  zur  Brücke  einzeln  aufzuzahlen,  welche 
sich  in  den  Stadtrechnungsbüchem  insbesondere  vor  und  nach  dem 
Jahre  1367  verzeichnet  finden;  wir  heben  daher  ftir  jetzt  nur  noch 
einzelne  besonders  bemerk enswerthe  Aufzeichnungen   heraus.  Das 


*  Urkunde  bei  Böhmer  Cod.  diplom.  p.  261  f. :  qua  exemprione  a  nobis  facta 
et  recognita,  iidem  commeodator  et  fratres  motu  proprio  libenditer,  pio  devo- 
ci onis  affeetn,  redditus  duarum  marcarnm  denariorura  coloo.  perpetoo 
solvendarum,  pro  edifieaeione,  reparatione,  conservatione  pootis  trans  Mogum 
oppidi  aostri  tradiderant  et  assignaverunt  etc. 

«  Urkunde  bei  Böhmer  Cod.  diplom.  p.  488  f. :  Ita  sane,  si  prior,  qai 

pro  tempore  foret,  die  tos  redditua  venderet  vel  auenaret  quo  quam  modo,  quod 
ex  tunc  media  pars  prefatorum  reddituum  cedere  debet  fabrice  pontis,  reli- 
qna  vero  pars  cedere  debet  fabrice  chori  eeclesie  saneti  Bartholomei  frankin 
fordensw. 

»  Stadtarchiv  Mglb.  E.  17. 


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Stadtrechnungsbuch  von  1357  selbst  enthält  eine  aus  lauter  bezüg- 
lichen Schenkungen  bestehende  Einnahme-Rubrik  mit  der  Ueber- 
schrift:  „Nota  die  bruckin  ubir  den  Moyn"  im  Gesammtbetrage  von 
697V«  *  Heller,  darunter  allein  36  Ä  als  s.  g.  „Seelengeräte",  d.  h. 
mit  dem  Zusätze:  „für  sine  (irc)  scle";  demnach  ganz  in  derselben 
Weise,  wie  man  auch  sonst  Spenden  und  Vermächtnisse  an  Kirchen, 
Kapellen  und  zu  sonstigen  frommen  Zwecken  pro  remedio  animae 
zu  machen  pflegte.  Auch  das  Rechnungsbuch  von  1300  hat  vornen 
eine  besondere  Rubrik  mit  der  Ueberschrift:  „Nota  daz  man  an  die 
brücken  bescheidt  über  den  Moyn",  welche  zwei  Posten  enthält: 
„Her  Hartmud  Radeheymer  eyn  Prediger  hat  an  die  brücken  geant- 
wortet von  eynes  mentzen  (Menschen)  wegin  2*/t  f£  minus  2  ß;  item 
6  ä  heller  an  die  brücken,  die  Conczichins  frawe  an  Ezschirsheymer 
porten  daran  beschyt."  Während  der  zweite  Posten  die  fromme 
Gabe  einer  Frau  an  Ezschirsheimer  Thor  verzeichnet,  berichtet  die 
erste  Notiz,  dass  der  Prediger  Hartmud  Radeheimer  eine  ihm  ohne 
Zweifel  als  gestohlenes  Gut  von  einem  Menschen  restituirte  Summe 
dem  Brückenfond  überantwortet  hat 

Recht  bezeichnend  flir  diesen  frommen  Gebraueh  sind  endlich 
noch  einige  Angaben  aus  den  Rechnungsbüchern  der  Jahre  1373  und 
1374.  In  ersterein  findet  sich  fol.  66  b.  folgender  Eintrag:  40  heller 
vmb  vierczig  messen  (wurden  ausgegeben)  die  (die)  gotlichen  8  Beckinen 
gelobet  hatten,  daz  die  brücke  in  dem  grossen  wasser  it  (nicht)  file". 
Während  vorher  öfters  einer  grossen  Ueberschwemmung  in  der  Mitte 
Januars  gedaeht  wird,  sind  jene  40  Heller  unter  dem  10  März  als 
Ausgabe  eingetragen*.  Noch  interessanter  ist  ein  Eintrag  in  dem 
Rechnungsbuch  von  1374  fol.  16:  „9  fC  minus  2  ß  hell,  hand  uns 
gfeantwort  Hertwin  Wiesse  vnde  Gipel  von  Holczhuss,  daz  sie  zu 
zweyn  malen  vz  dem  stocke  vff  der  brücken  gnommen  han  vnde  yn 
auch  ist  worden  vmb  aide  cleyder,  die  zu  der  brücken 
gesast  sin  worden".  Eincstheils  wird  hier  die  Existenz  eines 
Opferstockes  beurkundet,  welcher  zur  Aufnahme  milder  Gaben 
der  Vorübergehenden  zum  Besten  der  Brücke  unter  dem  einen 
Brückenthurme  angebracht  war,  anderentheils  zugleich  der  rührenden 


*  Ootlich  ist  nach  Scherz  Glossar:  quod  cultui  divino  in  gen.  inservit  vel 
convenit,  in  specie  quod  ad  eletnosynas  et  ad  pias  caussaa  pertinet,  hier  also 
soviel  als  fromm  und  aus  Frömmigkeit  mildthätig. 

'  Dieser  Eintrag  findet  sich  anch  mitgetheilt  in  den  „Extracten  ans  den  Raths  - 
protocollen  1428—1687  und  aus  früheren  Jahrhunderten"  Tom.  IX. 


Gabe  einer  ohne  Zweifel  armen  Person  gedacht,  welche  ihre  alten 
Kleidungsstücke  testamentarisch  zur  Brücke  vermacht  hatte. 

Obwohl  in  allen  diesen  Urkunden  und  Spenden  —  von  dem 
Privilegium  des  Kaisers  bis  zu  dem  Testamente  des  Armen,  von  der 
vertragsmässigen  Abgabe  der  hohen  Ordenscommende  bis  zu  dem 
Opferstockschärflein  des  vorüberziehenden  Wanderers  —  nur  die 
Bethätigung  eines  und  desselben  frommen  Sinnes  sich  unzweideutig 
kundgibt,  die  gottgefällige  Beisteuer  nämlich  zu  Bau  oder  Erneue- 
rung und  Wiederherstellung  des  Allen  insgesammt  diensamen  Brücken- 
werkes: so  erhält  dieser  fromme  Sinn,  diese  Ueberzeugnng  von  der 
Mitfbrderung  eines  gottgefälligen  Werkes  überdiess  noch  eine  kaum 
noch  nothwendige,  immerhin  aber  doch  erwünschte  Bestätigung  durch 
einen  vollwichtigen  Act  der  kirchlichen  Organe  selbst  Es  besteht 
aber  dieser  Act  in  einem  i.  J.  1300  von  einigen  italienischen  Bischöfen 
allen  denjenigen  ertheilten  Ablasse,  welche  etwas  zur  Unterhaltung 
der  Frankfurter  Mainbrücke  beisteuern.  Wiewohl  die  über  diesen 
Act  sprechende  Urkunde  bei  Böhmer  cod.  diplom.  p.  337  10  leider 
nur  in  lückenhaftem  und  mehrfach  gekürztem  Texte  vorliegt,  so  bietet 
sie  doch  selbst  in  dieser  beklagenswerthen  Form  der  Ueberlieferung 
immer  noch  genug  wichtige  und  interessante  Momente  zu  näherer 
Betrachtung  dar.  Zuvörderst  erscheint  es  bemerkenswert}!,  dass  Ita- 
lienische Bischöfe,  von  denen  leider  nur  Nicolaus  capretanus  und 
Landulphus  brixinenais  genannt  sind,  die  kirchliche  Wohlthat  des  Ab- 
lasses zu  Gunsten  einer  deutschen  Flussbrücke  verwerthen,  wiewohl, 
wie  sich  unten  zeigen  wird,  dieser  Fall  nicht  vereinzelt  steht  Weiter 
gibt  die  Urkunde  sodann  durch  die  Erwähnung  der  Menge  von  Men- 
schen, Thieren,  grössern  und  kleineren  Wagen  und  Fuhrwerken, 
welche  die  Brücke  benutzen,  ein  anschauliches  Bild  des  lebhaftesten 
Verkehres,  der  schon  damals,  im  Beginne  des  14.  Jahrhunderts,  die- 
selbe ebenso  belebte,  wie  noch  jetzt,  zugleich  aber  auch  das  Bedürf- 
nias  eines  ungehemmten  Ueberganges  schon  für  jene  Zeiten  klar 
herausstellt   Nicht  undeutlich,  wie  uns  scheint,  werden  dabei  die 


10  Die  fllr  unseren  Zweck  erforderlichen  Hauptstellen  dieser  leider  lückenhaften 
Urkunde  lauten :  Cupientea  igitur  ut  pons  de  Prankenvort,  ubi  nmltitudo  Dominum, 

anitnalium,  cumium,  vebieulorum          frequentea  facit,  congniis  elemosinis  a 

Christi  fidelibus  cAritative  auatentetur,  omnibus  vere  peoitentibos  et  confessis,  qui 

predicti  pontis  repamtionibus,  emendacionibus  seu  aliia  ejuadem  pontis  multa 

pericnlosa  Corsas  suos  fadant,  ita  quod,  nisi  recenter  et  continue  idem  pons  refi- 
datur,  dapmna  multimoda,  tedia  et  impedimenta ....  toti  populo  frequenter 
deo  collatia  manus  porrexerint  adiatrices  etc. 


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-    7  - 

Gefahren,  Schäden,  Aergerlichkeiten  und  Heirtmnisse  des  regen  Ver- 
kehres in  der  bischöflichen  Urkunde  angedeutet,  welche  eine  Störung 
und  Unterbrechung  der  Communication  zwischen  beiden  Flussufern 
durch  Beschädigungen  oder  Unbrauchbarkeit  der  Brücke  im  Gefolge 
habe  und  ganz  besonders  befürchten  lasse,  soferne  nicht  sofort  und 
ohne  Zögern  die  Brückenbahn  wieder  hergestellt  werde.  Da  die  uns 
bekannten  dem  Jahre  1300  zunächst  vorausgehenden  Beschädigungen 
der  Mainbrücke  durch  Eisgänge  und  Hochwasser  in  die  Jahre  1236, 
1276  und  1288,  sowie  weiterhin  ins  Jahr  1306  fallen,  auch  der  beson- 
dere Fall  einer  bezüglichen  Zerstörung  in  der  Urkunde  nicht  ange- 
deutet wird,  so  bezog  sich  die  in  Rede  stehende  Ablassertheilung 
ohne  Zweifel  auf  Wiederherstellungen  und  Ausbesserungen  der  Brücke 
im  Allgemeinen,  welche  durch  den  steten  Gebrauch  und  die  Abnutzung 
im  Ganzen  und  in  einzelnen  Theilen  von  Zeit  zu  Zeit  unabweisbar 
erforderlich  wurden.  Uebersieht  man  nun  aber  ,  die  ganze  Reihe  der, 
von  1232—1300  für  Frankfurt  erlassenen  Ablassbullen,  so  ergibt  sich^ 
dass  unter  der  Zahl  von  34  zu  Gunsten  von  Kirchen,  Kapellen,  Klö- 
stern und  Hospitälern  daselbst  vorliegenden  bezüglichen  Urkunden11 
nur  allein  die  mehrerwähnte  von  1300  zum  Besten  der  Mainbrücke 
ausgestellt  ist,  sonach  also  die  Unterhaltung  derselben  mittels  Bei- 
steuern aus  der  Ablassortheilung  in  die  Reihe  der  übrigen  gottgefäl- 
ligen Werke  ebenso  einordnet,  wie  die  übrigen  den  Bau  oder  die 
Wiederherstellung  und  Erhaltung  gottesdienstlicher  Gebäude  und 
Krankenhäuser;  insbesondere  dürfte  gerade  auch  die  Einreihung  der 
letztern  noch  mehr  als  bei  den  kirchlichen  Gebäulichkeiten  darauf 
hinweisen,  dass  die  Ermöglichung  und  Unterstützung  der  Kranken- 
pflege nicht  minder  als  ein  Pflichtgebot  und  eine  Bethätigung  der 
christlichen  Liebe  erschien,  als  die  Ermöglichung  und  Unterstützung 
des  ungestörten  Flussüberganges  mittels  Bau  und  Erhaltung  der 
Brücken.  Erscheint  uns  dieser  Parallelismus  beim  ersten  Anblicke 
auch  befremdlich  und  unzutreffend,  so  muss  doch  alsbald  jeder  Zweifel 
an  Beiner  Wahrheit  schwinden,  wenn  der  tiefere  in  der  christlichen 
Anschauung  ebenso  sehr  wie  in  der  kulturlichen"  Stellung  der  Kirche 
wurzelnde  Grund  desselben  in  seinem  ganzen  Umfange  erkannt 
wird  12. 


11  Vgl.  die  Zusammenstellung  von  Dr.  Römer-Büchner  im  Archiv  für  Frank- 
furts Geschichte  und  Kunst  VI.  S.  156  ff. 

i*  Auch  die  Ertheilung  des  Brücken-Ablasses  von  1300  durch  Italienische 
Bischöfe  fällt  nicht  auf,  wenn  man  aus  der  Anm.  11  erwähnten  ZusammenstelluDg 
ersieht,  dass  auch  die  übrigen  Frankfurter  Ablasscrtheilungen  des  13.  Jahrhun- 


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Schon  im  hohen  (heidnischen)  Alterthume,  bei  den  Griechen,  wie 
bei  den  Römern  sind  die  kulturlichen  und  die  religiösen  Momente 
menschlicher  Entwicklung  ebenso  enge  mit  einander  verbunden,  wie 
im  christlichen  Mittelalter.  Nicht  blos  die  Bildung  von  kleineren  und 
grösseren  Gemeinwesen,  die  öffentlichen  Ordnungen  und  Gesetze 
stehen  in  engstem  Bezüge  zur  Religion,  auch  alle  sonstige  Lebens- 
thätigkeit,  Feldbau  wie  Handel  und  Verkehr,  gedeihen  in  einer  Weise 
unter  dem  Schutze  der  Religion,  dass  jede  Förderung  derselben  von 
letzterer  selbst  gewissennassen  in  die  Hand  genommen  und  somit 
selbst  ein  religiöses  Werk  wird.  So  hat  denn  vorab  bei  den  Hellenen 
der  Götterdienst  auch  auf  diesem  Gebiete  äusserer  Werkthätigkeit 
die  Kräfte  der  Menschen  auf  das  Mannigfaltigste  angespannt:  der 
Tempel  ist  die  Seele  der  Felder  geworden,  der  Anfang  des  Anbaue«; 
die  Tempel  sind  die  Mittelpunkte  des  Verkehrs.  Ihretwegen  werden 
die  Sümpfe  gedämmt,  Bergjoche  überwunden,  Gewässer  überbrückt. 
Dem  Apollo  zu  Ehren  Hess  Nikias  eine  Meeresbrücke  bauen  über 
den  4  Stadien  breiten  Sund  zwischen  Delos  und  Rhenaia  11 ,  ein 
nolvyofupov  Z9i$p*  nach  dem  Ausdrucke  des  Aischylos.  Ebenso  gehö- 
ren hierher  die  doppelten  Kephissosbrücken  des  heiligen  Weges  zwi- 
schen Athen  und  Eleusis  **.  Dem  Gotte  und  seinen  frommen  Ver- 
ehrern sollten  überall  die  Wege  gebahnt  und  geebnet  werden:  es  zu 
thun  oder  zu  fordern  war  ein  frommes  hoch  verdienstliches  Werk, 
zu  welchem  der  Gott  selbst  oft  der  Leerende  nach  die  Anweist i  uir 
gegeben  zu  haben  schien.  Wenn ,  um  ein  Beispiel  anzuführen ,  die 
pythische  Theorie  (Gesandtschaft)  von  Athen  auf  dem  von  Theseus 
gebahnten  Wege  auszog,  wandelten  nach  alten  Satzungen  vor  dem 
Zuge  Männer  mit  Aexten  und  Beilen  zur  lebendigen  Erinnerung  an 
die  alten  Werkmeister,  welche  einst  zuerst  dem  Gotte  Apollo  die 
Stege  bereitet  hatten,  die  Hephaistossöhnc ;  sie  wurden  odonoioi,  Wege- 
macher, genannt  und  gehörten  zu  den  .,  heiligen  Werkmeistern "  **. 
Gerade  aber  zur  Wegebereitung  und  Bahnmachung  gehören  nun 
auch  die  Ueberbrückungen  von  Gewässern  aller  Art,  deren  Ueber- 


»lerts  theils  von  deutschen  Kirchenfürsten,  theils  aber  auch  von  Pibsten,  ausser 
deutschen,  insbesondere  auch  italienichen,  wie  griechischen  und  selbst  orientaü- 
&cht*D  tlrzbiscii1  *tcn  utui  Iii schoft^n  HUJ^^vjjTtti^c.D  sind. 

»  Vgl  PluL  Nik  3. 

'»  Curtitis  über  den  Wegebau  bei  den  Griechen  8.  18  u.  23. 

15  Daher  auch  Joh.  L,  23:  rv£vw*r  Tij»  odör  xvqiov,  den  Weg  des  Herrn  be- 
reiten 


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-  9 


Windung  oft  erst  an  die  heilige  Stätte  und  zur  Verehrung  des  Gottes 
gelangen  Hess.  Ihre  Anlage  und  Erbauung  musste  demnach  ganz 
besonders  verdienstlich  und  für  alle  Gottesverehrer  um  so  wohltä- 
tiger sein,  je  grösser  die  Schwierigkeiten  waren,  welche  gerade  diese 
Gewässer  der  Erreichung  frommer  Ziele  und  Zwecke  entgegenstellten. 
Noch  weit  bedeutsamer  als  bei  den  Hellenen  tritt  dieses  Moment  bei 
den  Römern  hervor.  Cultuszwecke  nämlich  waren  es,  um  derentwillen 
die  Tiberufer  durch  eine  Brücke  verbunden  wurden,  welche  bekannt- 
lich die  Tiberinsel  zum  Stutzpunkte  hatte.  Diese  heilige  Brücke  war 
die  uralte  Balkenbrücke,  pons  sublicius,  um  638  v.  Chr.  von  Ancus 
Marcius  erbaut  und  später  erneuert,  welche  bis  in  die  Zeit  Konstan- 
tins des  Grossen  bestand:  im  5.  Jahrhunderte  aber  war  die  Fürsorge 
für  ihre  Unterhaltung  verschwunden,  sie  war  verfallen  und  zerstört 
Auf  ihr  wurden  Opfer  vollzogen,  der  Weg  zu  den  heiligen  Orten 
jenseits  des  Tiber  ging  darüber;  sie  abzubrechen  war  ein  prodigium, 
ein  Unglückbedeuteudes  Zeichen.  Die  heiligen  Gebräuche,  welche 
sich  an  ihre  Erhaltung  und  Reparatur  knüpften,  machten  schon  in 
uralter  Zeit  die  Einsetzung  eines  eigenen  Collegiums  lebenslänglicher 
Brückenmeister,  pontifices,  erforderlich.  Wiewohl  ihr  Namen  und 
seine  Ableitung  verschiedenen  Deutungen  unterstellt  wurde,  so  ist 
doch  wohl  von  dem  Worte  pons  dabei  nicht  abzusehen.  Die  ponti- 
fices hatten  bekanntlich  in  der  ältesten  Zeit  eine  untergeordnete  Stel- 
lung gegen  später,  wo  sie  das  angesehenste  Priester- Collegium  bilde- 
ten und  der  Mittelpunkt  des  römischen  Staatscultus  waren;  den  Titel 
ihres  Oberhauptes,  des  pontifex  maximus,  nahmen  in  allen  Zeiten 
Roms  die  grössten  Männer  des  Staates,  in  der  Folge  selbst  die  Kaiser 
an  und  fühlten  sich  durch  denselben  geehrt;  infolge  dieser  Tradi- 
tionen ist  er  auch  auf  das  Haupt  der  katholischen  Kirche  übergegan- 
gen. Noch  in  den  späteren  Zeiten  wurde  man  an  die  ursprüngliche 
Bedeutung  und  Aufgabe  ihres  Amtes  durch  den  charakteristischen 
Umstand  erinnert,  dass  sie  eine  Axt  als  symbolisches  Zeichen  ihrer 
einstigen  Brückenmeisterschaft  führten,  wie  die  oben  erwähnten  helle- 
nischen Wegemacher.  *6.  Es  kann  nach  allem  dem  nicht  auffallen, 
dass  auch  später  noch,  als  die  Römer  in  der  Anlage  grossartiger 
Strassennetze  eine»  der  Hauptmittel  ihrer  civilisatorischen  Praxis 
erkannt  und  angewendet  hatten,  die  Brücken  stets  als  der  vorzüg- 
lichere Theil  der  Strassen  (potissima  pars  viae)  bezeichnet  und  oft  mit 


i«  Vergl.  über  den  pons  snblicius  und  die  anderen  Tiberbrücken  Th.  Momra 
aen  in  den  Berichten  der  K.  Sächsischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  1850 
S.  320  ff. 


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-    10  - 


letzteren  zusammen  als  gewissei-massen  gleichbedeutsam  aufgeführt 
werden  1T. 

Wie  bei  den  Griechen  und  Römern,  so  galt  auch  bei  den  nordi- 
schen Völkern  und  den  Germanen  die  Bruckenbaukunst  ab  eine  ab- 
sonderlich heilige  und  geistliche,  zumal  nachdem  insbesondere  die 
christliche  Kirche  die  antike  Cultur,  wie  ein  berühmter  Staatsmann 
und  Redner  gesagt  hat,  als  ein  unter  den  Streichen  der  Barbaren 
blutig  zerfetztes  Kind  vom  Boden  aufgenommen  und  an  ihrem  mütter- 
lichen Busen  zu  neuem  Leben  und  neuen  Blüthen  erweckt  hatte.  Auf 
nordischen  Runensteinen  wird  mehrfach  Uberliefert,  dass  der  Verstor- 
bene bei  seinen  Lebzeiten  für  das  Heil  seiner  Seele  eine  Brücke 
bauen  liess.  —  Die  früheste  Art  über  die  reissenden  Ströme  zu  setzen, 
war  in  dem  alten  Gallien  mit  Flössen,  selbst  mit  Schläuchen,  wie 
Inschriften  und  aufgefundene  Ueberreste  erweisen.  Um  den  Reisen- 
den zu  helfen  und  den  Waarenbetrieb  zu  fördern ,  bildeten  sich  an 
der  Seine,  Sambre,  Loire,  Rhone,  Saar  und  Durance  eigene  Gilden 
von  lenuncularii,  lintrarii  und  utriclarii,  d.  h.  Schiffergilden,  welche 
mittelst  Kähnen  und  Schläuchen  die  Reisenden  Ubersetzten.  Die  Ent- 
artung der  Zeiten  ergriff  Öfter  aber  auch  ihre  Mitglieder  in  dem 
Grade,  dass  sie  die  überzusetzenden  Wanderer  und  Kaufleute  aus- 
plünderten und  Manchen,  wie  sich  ein  Schriftsteller  ausdrückt,  statt 
an  das  andere  Ufer,  gleich  in  die  andere  Welt  beförderten.  Unter 
dem  wohlthätigen  Einflüsse  der  christlichen  Lehre  fassten  daher 
fromme  Seelen  schon  bald  den  Entschluss,  an  sehr  besuchten  Stellen 
der  Flussufer  besondere  Herbergen  zu  errichten  und  Flösse  zu  halten, 
endlich  Brücken  zu  bauen.  Das  gleiche  Bedürfniss  machte  sich  in 
jenen  Zeiten  in  Italien,  Spanien,  Schweden,  Dänemark  und  Deutsch- 
land geltend ;  überall  erhoben  sich  Brücken ,  welchen  religiöse  Mei- 
nung und  frommer  Sinn  den  Ursprung  gab.  Die  Herstellung  einer 
Brücke  galt  nächst  dem  Kirchenbaue  als  ein  höchst  verdienstliches 
Werk,  Ablässe  (wie  noch  bei  der  Frankfurter  Mainbrücke),  päpst- 
liche und  bischöfliche,  wurden  dazu  bewilligt  und  nicht  selten  ge- 


"  Tacit  Annal.  I.,  20  nennt  itioera  et  pontes  neben  einander ;  ebenso  finden 
sich  oft  viae  et  pontes  auf  Steinschriften  verbunden ;  vgl.  Örut  p.  149  ff.  Hurat. 
T.  I.  s.  t  opera  et  loca  public«;  in  einer  spätem  kaiserlichen  Constitution  (Cod. 
Thood.  L.  XV.  tit.  1)  hebst  es:  itincra  celebrantur  per  vi&s  et  pontes;  auch  die 
zum  Andenken  gebauter  Strassen  geschlagenen  Münzen  zeigen  diese  Strassen,  aber 
auch  zugleich  Brücken  auf ;  vgl.  Spanhoiui  de  usu  et  praestantia  nuraism.  p.  195. 
J.  H.  Wyttenbach  Ueber  das  Alter  der  Moeelbrücke  2a  Trier  (Gymaaaialprogramm 
1826),  S.4Ä.6. 


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-  11  — 

lobte  ein  reuiger  Sünder  für  schwere  Schuld  einen  solchen  Bau,  oder 
aber  die  Kirche  selbst  verwandelte  auferlegte  canonische  Bussen  in 
solche  Anordnungen,  bei  welchen  der  Vortheil  für  die  Armen  mehr 
ins  Auge  gefasst  war,  als  der  Gewinn  für  die  Reichen.  Dahin  ge- 
hörten auch  Wallfahrten  nach  Born,  nach  Jerusalem  und  St  Jakob 
von  Compostella  in  Spanien :  den  Theilnehmern  derselben  die  Reise 
zu  erleichtern  und  zu  sichern,  war  selbst  schon  eine  fromme  und 
religiöse  Handlung.  Besondere  geistliche  Verbrüderungen  und  Ge- 
nossenschaften, von  denen  unten  die  Rede  sein  wird,  bildeten  sich  zu 
diesen  Zwecken  und  Ubernahmen  die  bezüglichen  Leistungen i6.  Nach 
allem  diesem  erklärt  sich  zur  Genüge  einerseits  die  tiefreligiöse  Be- 
deutung des  Brückenbaus  im  Mittelalter  und  alle  demselben  geweihte 
Hingabe  und  Fürsorge,  wie  andererseits  die  Heilighaltung  und  Be- 
deutsamkeit der  Brücken  im  politischen  wie  im  Privatleben;  feierliche 
Friedensschlüsse  wurden  von  Völkern  und  Königen  auf  Brücken  ge- 
festet, Gefangene  ausgewechselt  und  Bündnisse  geschlössen,  und  die 
heute  noch  umgehenden  Sagen  von  Schatzträumen,  die  immer  auf 
einer  Brücke  ihre  Aufklärung  und  Lösung  gefunden,  zeigen  deutlich, 
wie  tief  die  Erinnerung,  selbst  wenn  sie  bis  zum  Mährchen  geworden 
ist,  noch  im  Herzen  deB  Volkes  wohnt tt.  Da  das  Amt  eines  Brücken- 
bauers demnach  ein  so  wichtiges  und  bedeutendes  war,  so  blieb  es 
lange  ein  geistliches  Vorrecht,  und  Päbste,  Bischöfe,  Priester  und 
Mönche  sind  daher  seit  den  ältesten  Zeiten  der  christlichen  Kirche 
entweder  vorzugsweise  die  ersten  Gründer  und  Bauherren  von  Brücken 
oder  aber  selbst  sachverständige  Künstler  und  leitende  Architekten 
bei  dem  Entwürfe  der  Pläne  und  bei  der  Ausfuhrung  des  Baues 
derselben  gewesen. 

Aus  den  ältesten  Zeiten  der  christlichen  Kirche  ist  in  dieser  Hin- 
sicht zuvörderst  Theodoret,  Bischof  von  Kyrrhos  in  Vorder- 
asien um  das  Jahr  450  hervorzuheben,  welcher,  wie  er  jj  selbst 
sagt  *°,  nichts  besitzen  wollte,  als  die  ärmliche  Kleidung,  womit  er 
seine  Blosse  deckte,  dagegen  aber  die  kirchlichen  Einkünfte  zur  Ur- 
barmachung des  Landes,  Austrocknung  von  Sumpfen,  zur  Anlage 
von  Landstrassen,  insbesondere  aber  von  öffentlichen  Säulengängen 


">  Vgl  Leger  io  Ersen  u.  Graber's  Encyclopädie  XIII.  S.  128—169.  Histo- 
risch politische  Blätter  für  das  katholische  Deutschland,  Bd.  52  (1863)  S.  448  ff. 

'»  Hist-polit  Bl.  a>  a.  0.  S.  449. 

»  Theodoret.  Epist.  81:  praeter  panniculos,  quibus  amictus  «mm,  nihil  volui 
possidere. 


und  Bädern,  einer  Wasserleitung  und  endlich  zweier  grossen 
Brücken  verwendete81. 

Wenden  wir  uns  von  diesen  altchristlichen  Zeiten  dem  germani- 
schen Mittelalter  zu,  so  erscheint  es  nur  in  dem  Geiste  derselben 
christlichen  Glaubensanschauung,  wenn  auch  Carl  der  Grosse,  der 
Wiederbegrilnder  der  Europäischen  Cultur  nach  den  Stürmen  der 
Völkerwanderung,  dem  Strassen-  und  Brückenbau  seine  Sorge  wid- 
met: es  bedient  sich  dabei  der  nach  allen  Seiten  bewundernswürdig 
thätige  Regent  desselben  altrömischen  Ausdruckes,  ad  institutionem 
viarum  et  pontium,  welcher  oben  n  besonders  hervorgehoben  worden 
ist  Wenn  er  bei  Ausführung  dieser  hoch  verdienstlichen  Werke  zu- 
gleich auch  von  der  Geistlichkeit  Beisteuern  fordert,  welche  doch 
sonst  von  allen  Lasten  befreit  war,  so  gibt  sich  auch  darin  ein  recht 
charakteristisches  Zeichen  der  tiefreligiösen  Bedeutung  kund,  die  mau 
dem  Strassen-  und  Brückenbau  gab.  Wie  Carl  bekanntlich  die  Bi- 
schöfe uud  den  Clerus  seines  weiten  Reiches  allüberall  zum  Bau  neuer 
und  der  Wiederherstellung  verfallener  Kirchen  aufforderte  und  antrieb, 
so  wird  er  es  auch  in  letzterer  Hinsicht  zu  thun  sicherlich  nicht  unter- 
lassen haben.  Schon  für  den  Ausgang  des  10.  Jahrhunderts  wenig- 
stens liegen  Beispiele  vor,  welche  auf  die  Fortdauer  dieser  Anregung 


"  Ueber  Theodoret  s.  Herzog  Theolog.  Encyclop.  XV.  p.  726.  Die  Haupt 
stellen  über  seine  öffentlichen  Werke  finden  sich  in  Epist.  138  an  den  Patricias 
Anatolius :  Novit  enim  magnitndo  vestra  civitatulae  solitudinem ,  cuius  nos  defor- 
mitatem  quoquo  modo  diversorutn  aedificiorum  tnagnis  snmtibus  obtexituus,  Epist. 
79  an  ebendenselben:  Quod  vero  eoclesiasticorum  quoque  reditnum  partem  non 
exiguam  in  pobiieis  aedifieiis  consumserimus ,  porticus  excitantes  et  lavacra  et 
pontes  extruentes  et  publioi  usus  alia  procurantes  nmgnificentia  tua  non  lg- 
noret;  endlich  Epist.  81  an  den  Consul  Nomus :  publicas  porticus  ex  reditibua  ec- 
clesiastici8  erexi,  pontes  duos  maxi  mos  exstruxi,  balncoruin  publicorum  curam 
gessi,  cum  ex  alluente  flumine aquas uon  hanrientem  eivitatem  nactus easem  aquae- 
duetum  condidi  et  carentem  aquis  eivitatem  aquis  replevi.  Wasserleitungen 
und  Wasserbauten  Uberhaupt  werden  auch  von  andern  Bischofen  und  späte- 
ren geistlichen  Architekten  erwähnt,  so  von  dem  berühmten  Sidonius,  Bischof  zu 
Mainz,  bei  Venant.  Fortun.  IX,  11.  —  Benno,  Bischof  von  Osnabrück  (1054— 1079)? 
war  berühmt  als  Architekt  und  Festungsbauer,  schützte  auch  den  Dom  zu  Speier 
durch  ungeheuere  Grundlagen  gegen  die  Fluthen  des  Rheins,  vgl  Pertz  SS.  XII 
p.  65.  Seb.  Brunner  die  Kunstgenossen  der  Klosterzelle  (Wien  1863),  S.  569. 
Petor,  ein  Abt  des  Klosters  „Nostre  dame  des  Dunes",  baute  (um  1200)  mächtige 
Wasserleitungen  für  das  Bedürfniss  des  Klosters,  nnd  Fray  Juan  von  Escobcdo, 
Laienbruder  bei  den  Hicronymitanern  zu  Parral  in  Spanion  und  Architekt  des  Kö- 
nigs, eine  grosse  Wasserleitung,  die  auf  Bogen  das  Wasser  in  die  Stadt  Segovia 
führte  im  15.  Jahrhunderte;  vgl. Brunner  a.  a.  0.  I.  S.  307  u.  328. 

"  Vgl.  Anmerkung  17  und  J.  H.  Wyttenbach  a.  a.  0.  S.  4  A.  6. 


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und  zugleich  die  Erfüllung  dieser  christlichen  Liebespflicht  hinweisen. 
Ausser  andern  Bauten,  welche  um  diese  Zeit  nämlich  der  berühmte 
Staatsmann  und  Erzbischof  Willigis  von  Mainz  ausführen  Hess, 
gedenken  die  chronistischen  Berichte  über  sein  Leben  und  seine 
Wirksamkeit  insbesondere  auch  zweier  Brücken,  die  er  bei 
Aschaffenburg  über  den  Main  und  bei  Bingen  über  die  Nahe  bauen 
Hess  23.  An  die  Zeit  des  Willigis  reichen  zunächst  die  Mittheilungen, 
welche  über  geistliche  Brückenbauten  in  Franken  tiberliefert  sind: 
Bischof  Gundekar  von  Eichstätt  (1057—1075)  erbaute  „als ein  gutes 
Werk  der  Nächstenliebe"  eine  Brücke  über  die  Altmühl;  in  Würz- 
burg wurde  ein  gewisser  Enzelin  vom  Bischöfe  Embricho,  einem 
Grafen  von  Leiningen,  mit  Brückenbauten  betraut  **.  In  gleicher  Weise 
verewigte  sich  Benno,  Bischof  von  Meissen,  aus  dem  Geschlechte  der 
Grafen  von  Weltenberg,  ein  mit  der  Gabe  des  Wunderwirkens  aus- 
gerüsteter Mann,  dessen  Andenken  die  Meissner  Kirche  in  den  alten 
Versen  bewahrt,  welche  auch  die  von  ihm  errichteten  Bauwerke  mit 
aufzählen: 

An,  Mausoleum,  Tunis,  Templum,  Indica  vasa, 
Pons,  Schola,  Fons,  Fornix,  Vinea,  rara  tacens». 

Den  deutschen  Bischöfen  reihet  sich  würdig  ein  französischer, 
Humbert,  Erzbischof  von  Lyon,  an,  welcher  eiuo  steinerne  Brücke 


w  Beider  Brücken  gedenkt  die  von  Ed.  Sander  im  J.  1850  herausgegebene 
Binger  Chronik  (Annalea  Bingensea)  des  Johannes  Scholl  aus  dem  Jahre  1613 
S.  49  mit  den  Worten  „Anno  989  hatt  er  (Willigis)  zu  Bingen  die  steinerne  Brück 
über  die  Nahe  bauwen  lassen,  wie  auch  die  brück  zu  Aschaffenburg  Aber  den 
Fluss  des  Mcynss u   Das  vor  dem  letzten  Brande  unten  am  Stephansthurm  zu 
Mainz  angeschriebene  fast  alle  Bauten  des  Willigis  aufzählende  Epitaphium  desselben 
erwähnte  die  beiden  Brücken  in  den  drei  letzt  n  Versen  also: 
Pontem  construxit  apud  Aschaffburg,  bene  duxit 
Ac  pontem  per  Nahe:  miles  transit  quoque  vema, 
Et  bene  necesse  prope  Bing  Mäussen  dedit  esse, 
so  gibt  sie  C.  Euler  in  seiner  Schrift :  Erzbischof  Willigis  von  Mainz  in  den  ersten 
Jahren  seines  Wirkens  (Naumburg  1860)  S  42  an.  Sander  aber  a.  a.  0.  S.  45  f. 
weiset  darauf  hin,  dasa  Rodmann  Rheingauische  Alterthümer  S.  148  aus  einer 
Pergamenthandschrift  des  XIII.  Jahrhunderts,  die  sich  im  Archive  des  St.  Ste- 
phansstiftes befand,  den  letzten  Vers  dahin  berichtigt  habe,  dass  er  laute :  Et  bene 
necesse  prope  Binguensem  dabis  esse.  —  Andere  Bischöfe  des  Namens  Willigis 
und  gleichfalls  Erbauer  von  Kirchengebauden  nennt  Brunner  a.  a.  0.  IL  S.  591. 

*♦  Vgl.  Hist.  polit  Bl.  a.  a.  0.  S.  449  und  Sighart  Geschichte  der  Kunst  in 
Bayern  I,  77.  153. 

25  Vgl.  Kessel's  Anzeige  von  Dr.  Theodor  Stabella  Lebensbildern  der  Heiligen 
im  Bonner  Theologischen  Literaturblatt,  I.  Jahrg.  (1866),  No.  26  S.  847.  —  Fons 
imd  fornix  im  zweiten  Verse  scheinen  sich  auf  Anlage  von  Brunnen  und  Wasser- 
leitung zu  beziehen. 


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in  Mitte  der  Stadt  über  die  Saone  baute;  er  war  dabei  selber  Architekt 
und  gab  auch  die  bedeutenden  Summen  zu  diesem  Baue  aus  seinem 
Einkommen  her*6.  Als  Bauherren  berühmter  Brücken  werke  sind  endlich 
auch  die  pontifices  maximi  der  Christenheit,  die  Römischen  Päbste, 
besonders  in  der  spätem  Zeit  nicht  hinter  den  vorgenannten  Kirchen- 
fürsten zurückgeblieben.  Noch  etwas  mehr  als  50  Jahre  vor  der  Zeit, 
in  welcher  der  zu  Gunsten  der  Frankfurter  Mainbrücke  sprechende  Ab- 
las» verliehen  wurde,  im  Jahre  1245  liess  Innocenz  IV.  aus  den  Er- 
trägnissen der  Ablässe  die  Brücke  de  la  Guillotiere  über  die  Rhone 
bei  Lyon  durch  die  Genossenschaft  der  Brückenbrüder  erbauen,  von 
welcher  unten  zu  sprechen  ist  Unter  ihren  Inschriften  spielte  eine  mit 
dem  Worte  pontifex;  sie  lautete:  Pontifex  animarum  fecit  pontem  aqua- 
rum.  Im  Jahre  1450  liess  Nicolaus  V.  einerseits  die  noch  übrigen  Brü- 
ckenpfeiler des  pons  Milvius  oder  Aemilius  über  den  Tiber  bei  Rom 
erneuern  und  mit  gothischen  Spitzbogen  wölben  (ponte  molle),  anderer- 
seits den  pons  Aelius  (Engelsbrücke)  über  den  Tiber  wieder  aufrichten, 
die  marmornen  Fussgestelle  wieder  herstellen,  zwischen  denselben  ein 
durchbrochenes  Geländer  anlegen,  worauf  Clemens  IX.  i.  J.  1668  auf 
den  zehn  Fussgestellen  von  weissem  Marmor  ebensoviele  colossale  Bild- 
säulen von  demselben  Gesteine  nach  den  Zeichnungen  des  Ritters  Ber- 
nini aufstellte.  Gleicher  Weise  liess  Sixtus  IV.  in  den  Jahren  1473  bis 
1478  den  ehemaligen  pons  ianiculensis  Uber  den  Tiber  ganz  neu  und 
im  Römischem  Style  aufbauen  und  nach  sich  benennen.  Auch  das 
Ende  dos  16.  Jahrhunderts  sah  zwei  Tiberbrücken  neu  erstehen,  indem 
Sixtus  V.  im  J.  1589  den  ponte  felice  neu  erbaute  und  Gregor  XT1I. 
im  J.  1598  die  alte  Tiberbrücke,  den  pons  senatorius  oder  palatinus 
wieder  aufführen  liess.  Etwa  hundert  Jahre  später  endlich  im  J.  1680 
ordnete  Innocenz  XI.  die  Erneuerung  des  alten  pons  Fabricius  oder 
TarpeiuB  an,  welcher  die  Tiberinsel  mit  dem  linken  Flussufer  ver- 
bindet, und  liess  sie  mit  steinernen  Brustlchnen  versehen. 

Diesen  kirchenfurstlichen  Brücken-Bauherren  niedern  und  höchsten 
Ranges  lassen  sich  nun  aber  auch,  wie  schon  oben  angedeutet,  eine 
Reihe  geistlicher  Architekten  und  insbesondere  Brückenerbauer  zur 
Seite  stellen,  welche  theils  der  Pyrenäischen  Halbinsel  und  Italien, 
theils  auch  England,  Schweden,  den  Niederlanden  und  Frankreich  an- 
gehören und  auch  ihrerseits  durch  die  besondere  Bcthätigung  ihrer 
Kunst  im  Brückenbaue  die  hohe  Verdienstlichkeit  des  letztern  als  fromm- 
christliches Liebeswerk  beurkunden.  An  die  Spitze  dieser  geistlichen 


*  Vgl.  Paradin  Geschichte  von  Lyon  II,  32  bei  Brunner  a.  a.  0.  I.  8.  306. 


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Architekten  ist  Johann  von  Ortega  zu  stellen,  der  Sohn  eines  spa- 
nischen Edelmannes  Vela  Velasquez,  im  12.  Jahrhunderte  zu  Fontami 
d'Ortunno  bei  Burgos  geboren,  pilgerte  nach  Jerusalem,  um  den  ein- 
heimischen Wirren  zu  entfliehen,  zog  sich  nach  seiner  Rückkehr  als 
Einsiedler  in  die  Wildniss  von  Montesdosa  zurück  und  baute  dort 
eine  Kirche,  ein  Kloster  und  ein  Hospital,  welche  am  Ende  des 
18.  Jahrhunderts  noch  in  dem  Besitze  der  Hieronymiten  waren.  Ausser- 
dem aber  baute  er  eine  Brücke  Über  den  Ebro  bei  Logronno,  eine 
bei  Nagera  und  eine  dritte  bei  San  Domingo  von  500  Schritten  Länge; 
wegen  der  vielen  Brücken,  die  er  mit  grossem  Geschick  erbaute, 
wurde  er  Pontifex  (Brückenmacher)  genannt n.  Ihn  ahmte  sein  Zeit- 
genosse der  h.  Dominikus  von  Calzada  nach,  der  gleichfalls  als 
Einsiedler  lebte,  dabei  Brücken  baute,  Wälder  ausrottete  und  das 
Verdienst  hat  unter  der  Regierung  von  Alphons  VIH.  die  gothische 
Baukunst  nach  Spanien  zu  verpflanzen  M.  Der  Zeit  nach  steht  ihnen 
zunächst  der  im  Jahre  1259  verstorbene  selige  Dominikaner  Gundi- 
salvus  aus  Portugal,  welchem  die  Steinbrücke  über  die  Timaga  zu- 
geschrieben wird,  die  sechs  Jahrhunderte  dem  reissenden  Strome  Wi- 
derstand geleistet  hat Der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  gehörte 
Juan  de  Pozo  an,  Canonikus  an  der  Kathedrale  zu  Cuenca  in  Spa- 
nien und  Stifter  des  Dominikanerklosters  San  Pablo  in  der  Nähe  die- 
ser Stadt.  Er  galt  als  einer  der  grössten  Baumeister  seiner  Zeit: 
ausser  dem  von  ihm  gestifteten  Kloster  und  dessen  gothischer  Kirche 
ist  sein  Werk  auch  die  berühmte  Brücke,  welche  über  den  Flusa 
Huecar  zum  Kloster  führt.  Sie  schwebt  auf  5  Bogen,  deren  mittlerer 
150  Fuss  Höhe  hat,  ist  350  Fuss  lang  und  soll  63,000  Dukaten  ge- 
kosten haben» 

Unter  den  geistlichen  Architekten  Italiens  sind  vor  allem  die 
beiden  Dominikaner  Fra  Sisto  und  Fra  Ristoro,  geboren  um  1220 
bis  1225,  voranzustellen.  Einstimmig  schreiben  ihnen  alle  Florentiner 
Historiker  den  Bau  der  Brücke  „alla  Carraja"  zu.  Als  nämlich  Flo- 
renz im  Oktober  des  Jahres  1269  durch  eine  furchtbare  Ueberschwera- 
mung  heimgesucht  wurde,  bei  welcher  die  Brücken  von  den  Fluthen 
des  Arno  bis  auf  den  Grund  der  Pfeiler  zerstört,  Häuser  und  Paläste 


"  Vgl.  Franc.  Milizia  Meuiorie  degli  Architetti  antichi  e  moderni  1786  L  p.94 
bei  Brauner  a.  a.  O.  I.  S.  318  f. 

28  Vgl.  BninneT  a.  a.  0.  I.  S.  319. 

*'  Vgl.  Brev.  ord.  Praed.  10.  Januar  bei  Branner  a.  a.  0.  1.  S.  62. 

30  Vgl.  Antonio  Pons  Viaggio  de  Spagna  u.  Fr.  Milizia  a.  a.  O.  I.  p.  136 
bei  Brunner  a.  a.  0.  L  S.  327  f. 


-    16  - 


umgestürzt  wurden,  so  erbauten  jene  beiden  Domin  ikanerbrttder  die 
hölzerne  Brücke  obenerwähnten  Namens.  Als  auch  diese  Holzbrücke 
in  der  Folge  von  der  grössten  Wasserfluth,  welche  je  Florenz  ver- 
,  heert  hatte,  zerstört  worden  war,  so  erbaute  wiederum  ein  Dominika- 
ner Fra  Giovanni  da  Campi  im  Jahre  1337  auf  5  majestätischen 
Bogen  über  den  Fluthen  des  Arno  jenen  kühnen  Quaderbau,  welcher 
noch  heutigen  Tages  die  Brücke  „alla  Carraja"  als  die  schönste  und 
solideste  über  den  Arno  in  Florenz  auszeichnet«. 

Wie  die  Pyrenäische  und  Apenninische  Halbinsel  so  haben  auch 
England,  der  hohe  Norden  und  die  Niederlande  ihre  geistlichen 
Architekten  und  Brückenbauer  aufzuweisen,  deren  Werke  jetzt  noch 
ihre  Meister  loben  und  deren  Namen  der  späten  Nachwelt  überliefern. 
In  England  ist  insbesondere  die  London-  oder  alte  Brücke  über  die 
Themse  zu  London  selbst  hervorzuheben:  sie  ist  ein  grosses  schwer- 
fälliges Gebäude,  im  Jahre  1176  unter  Leitung  Peters,  Predigers 
von  St  Maria  Colecharch,  eines  der  berühmtesten  Baumeister  seiner 
Zeit,  begonnen,  bei  seinem  im  J.  1205  erfolgten  Tode  von  drei  Lon- 
doner Kaufleuten  fortgesetzt  und  1209  vollendet  Ganz  gleichzeitig 
mit  Peter  von  St  Maria  Colecharch  tritt  zwischen  1178—1191  auch 
im  hohen  Norden  ein  Benedikt,  Bischof  zu  Skara  in  Schweden,  als 
Brückenbauer  auf,  dessen  Andenken  die  schwedischen  Chroniken 
ehren*1.  Den  Niederlanden  entstammte  der  1646  zu  Gent  in  Belgien 
geborne  Dominikaner  P.  Francois  Romain,  dessen  Hauptstudium 
Arithmetik  und  Architektur  war.  Zuerst  beriefen  ihn  die  General- 
staaten von  Holland  zu  der  sehr  schwierigen  Construktion  eines  Bo- 
gens bei  der  Brücke  zu  Mastricht,  sodann,  nachdem  er  daselbst  noch 
verschiedene  andere  Bauten  glücklich  ausgeführt,  Ludwig  XIV.  nach 
Frankreich,  er  erhielt  den  Titel  Inspektor  der  Brücken,  Strassen  und 
Bauten  auf  den  königlichen  Domänen  und  in  der  Stadt  Paris  und 
erwarb  sich  besonders  in  Wasserbauten  einen  grossen  Ruf.  Als  der 
Architekt  Gabriel  sich  bei  dem  neu  auszuführenden  Pont  rouge 
wegen  immer  aufsteigender  Quellen  beim  Baue  eines  Pfeilers  gegen 
St  Gennain  zu  nicht  mehr  zu  helfen  wusstc,  wurde  Romain  1685 
mit  der  weiteren  Ausführung  beauftragt  Er  construirte  nun  zwei 
Pfeiler  gegen  St  Gerinaiii  und  spannte  darüber  einen  Bogen:  so 
wurde  dieses  Werk  durch  ihn  zu  Ende  gefuhrt  Er  starb  89  Jahre 
alt    im  Dominikanerkloster  Faubourg   St  Germain    zu  Paris  am 


"  Vgl.  Branoer  a.  s.  0.  I.  S.  48  f.  u.  S.  66  f. 

"  Vgl  Olai  Celsii  acta  literaria  Sueciae  II.  p.  272  sq. 


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7.  Januar  1635:  man  rühmte  sein  exemplarisches  Leben,  sein  der 
Religion,  Kunst  und  Wissenschaft  geweihtes  Herz  33. 

Mit  P.  Francois  Romain  ist  unsere  Zusammenstellung  endlich  zu 
demjenigen  Lande  gelangt,  dessen  Brücken,  gleich  denen  der  Römer 
im  Alterthume,  sich  durch  ihre  Grösse,  ihre  Kühnheit,  musterhafte 
Einrichtung  und  Schönheit  vor  den  Brücken  aller  übrigen  Völker  im 
Mittelalter  und  theilweise  noch  in  der  neuern  Zeit  auszeichnen.  Keine 
Nation  hat  es  in  der  zweckmässigen  Anlage  und  in  der  richtigen  Aus- 
führung dieser  Gebäude  so  weit,  keine  hat  eine  so  grosse  Menge 
steinerner  Brücken  zu  Stande  gebracht,  wie  die  französische.  Alle- 
zeit hat  Frankreichs  Regierung  das  lebhafteste  Interesse  flu*  den 
Brücken-  und  Canalbau  als  Mittel  zur  Förderung  gemeinsamer  Thä- 
tigkeit  genommen  und  verwerthet M.  Dass  diese  Thätigkeit  anfanglich 
und  noch  lange  hin  gerade  in  Gallien  als  eine  Sache  der  Religion 
und  eine  Bethätigung  der  christlichen  Nächstenliebe  angesehen  wurde» 
ist  schon  oben  angedeutet  worden.  Es  kann  demnach  nicht  auffallen, 
dass  sich  gerade  in  Frankreich  zur  Förderung  des  Brückenbaues  eine 
eigene  geistliche  Genossenschaft,  der  Orden  der  Brückenbrüder, 
bildete welche  recht  eigentlich  nur  als  eine  rein  christliche  Insti- 
tution anzusehen  ist,  da  weder  die  Verordnungen  der  späteren  Rö- 
mischen Kaiser  noch  die  Inschriften  aus  der  Römerzeit  eine  Brücken- 
bauzunft erwähnen.  Welchen  Verhältnissen  in  Gallien  diese  Genossen- 
schaft frommer  Seelen  ihren  Ursprung  verdankte,  ist  ebenfalls  bereits 
oben  angeftlhrt  worden.  Von  wem  diese  Brückenbrüder,  freres  pon- 
tifes,  freres  du  pont,  fratres  pontis,  pontificales,  factores  pontium,  ge- 
stiftet worden  sind,  ist  nicht  ausgemacht.  Die  gewöhnliche,  aber  un- 


33  Vgl.  Branner  a.  a.  0.  II.  S.  418  f.  Dass  die  Franzosen  auch  za  anderen 
Zeiten  berühmte  Baumeister,  insbesondere  Brückenerbauer,  aus  der  Fremde  be- 
riefen, dafür  zeugt  Leben  und  Wirken  des  unten  zu  erwähnenden  Dominikaners 
Fra  6.  Giocondo,  des  Erbauers  der  Seinebrücke  zu  Paris ;  dass  weiter  aber  auch 
die  Nachfolger  Ludwigs  XiV.  die  Fürsorge  für  Strassen  und  Brücken  ganz  im 
Sinne  der  alten  römischen  Imperatoren  und  Carls  des  Grossen  nicht  verabsäumten, 
bezeugt  die  im  Jahre  1720  von  Ludwig  XV.  errichtete  besondere  Abtbeiiung  von 
Baumeistern  zur  Leitung  des  Strassen-  und  Brückenbaues  unter  dem  Namen  eines 
„corps  d'ingenieurs  des  ponts  et  chausseea". 

»♦  Vgl.  Leger  a.  a.  0.  XIII.  S.  149. 

35  Vgl.  Hase  in  Efsch  u.  Grubers  Encyclopädie  s.  v.  Brückenbrüder  XIII. 
8.  169  f.  Die  vollständigste  Literatur  über  die  Brückenbrüder  findet  sich  bei  B. 
GregoireRecberche8  historiques  sur  los  congregntions  hospitalierea  des  freres  pon- 
tifes,  Paris  1818.  8. 

IV.  a 


-    18  - 

sichere  Annahme  ist,  dass  Benezet  (der  kleine  Benedikt),  ein  Hirte 
aus  Hautvilar  im  Vivarais  um  das  Jahr  1177  ihr  Stifter  gewesen  sei, 
der  wahrscheinlich  um  1184  starb  und  zuerst  in  Avignon  auftrat. 
Eine  Urkunde  aus  dem  Jahre  1187  besagt,  dass  Johannes  Benedictas  3*. 
Brückenprior,  für  sich  und  seine  Brüder  eine  Kirche,  einen  Friedhof 
und  Caplan  erhielt.  Zu  jener  Zeit  bildeten  sich  fromme  Verbindungen 
zur  Unterstützung  der  Pilger  (Romieux,  Romfahrer)  und  der  Reisen- 
den überhaupt:  da  mag  wohl  Benezet  der  Gesellschaft,  welcher  ersieh 
anschloss,  den  Zweck  des  Brückenbaues  als  Ziel  ihrer  bezüglichen  Be- 
tätigung gegeben  haben.  Die  innere  Organisation  der  Brückenbrüder 
bestätigte  sodann  Pabst  Clemens  III.  im  Jahre  1189:  als  Symbol  tru- 
gen sie  einen  Spitzhammer  auf  der  Brust",  welcher  an  die  oben- 
erwähnten sinnbildlichen  Abzeichen  von  Aexteu  und  Beilen  bei  den 
altgriechischen  Wegemachern  und  römischen  Pontifices  erinnert  Von 
diesen  Brükenbrüdern  sind  folgende  Brücken  erbaut  worden.  Fürs 
erste  die  Brücke  über  die  Durance  unterhalb  der  ehemaligen  Kart- 
hause von  Bonpas,  sodann  die  Brücke  über  die  Rhone  bei  Avignon, 
die  beiden  ersten  grossen  Brücken  in  Frankreich  nach  dem  Unter- 
gange  des  weströmischen  Reiches,  und  letztere  einst  die  grösste  Brücke 
in  Europa,  erbaut  unter  der  Leitung  des  h.  Benezet  von  Avila  von 
1177—1188,  endlich  die  heilige  Geistbrücke  über  die  Rhone  bei  Lyon, 
die  grösste  Brücke  in  Europa,  begonnen  1285,  vollendet  1906 M.  Ausser 
diesen  Brückenbauten  bezeugen  die  rühmliche  Thätigkeit  der  Brücken- 
brüder  noch  einzelne  Uebcrlieferungen  von  ihrer  bezüglichen  Für- 
sorge zu  Bonpas  um  1270,  zur  Lourmain  zwischen  Aix  und  Apt,  zu 
Malemort  an  der  Durance,  an  einer  Stelle,  die  wegen  der  häufigen 
Raubanfälle  auf  Reisende  podium  sanguinolentum  genannt  wurde: 
auch  zu  Mirabeau  an  demselben  Flusse  hatten  sie  einen  Wachtposten 
zum  Schutze  und  zur  Ueberfahrt  der  Wanderer  Uber  das  Wasser 
errichtet.  Die  letzte  Erwähnung  der  Brückenbrüder  findet  Gregoire 
(vgl.  Anm.  35)  in  einem  Edikte  Ludwigs  XIV.  vom  Jahre  1672,  durch 
welches  ihre  Güter  dem  LazaniBorden  zugetheilt  worden.  Ueberhaupt 
lösstc  sich  an  vielen  Orden  die  Brückenbrüderschaft  in  solche  Orden, 
wie  die  Johanniter,  auf,  deren  Tendenz  verwandte  und  gleichfalls 


"  Der  Name  Benedictas  (der  Gesegnete)  scheint  bei  den  Brückcnbrfidern 
typisch  und  stehend  gewesen  zu  sein,  wie  die  vorliegenden  Beispiele  bezeugen. 

"  Vgl.  Dubreil  antiquites  de  Paris,  Paris  173!),  4,  p.  435  sq.  bei  Base 
a.  a.  0. 

»  Vgl.  Leger  a.  a.  0.  S.  149. 


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auf  den  Schutz,  die  Pflege  und  Unterstützung  der  Pilger  gerichtet 
war,  und  ihre  Guter  fielen  alsdann  solchen  Orden  zu. 

Die  von  den  frommen  Brückenbrüdern  durch  Jahrhunderte  ge- 
gebene Anregung  hat  auch  nach  ihrer  Zeit  noch  mächtig  fortgewirkt, 
und  Frankreich  hat,  wie  oben  bemerkt,  auch  in  späterer  Zeit  noch 
den  Ruf  ausgezeichneter  Brückenbauten  bewahrt.  Zur  Ausführung 
derselben  berief  man  in  Ermangelung  einheimischer  Künstler  auch 
auswärtige  Baumeister:  dem  schon  erwähnten  Belgier  P.  Francois 
Romain  kann  in  diesem  Bezüge  der  hochberühmte  Italiener  Fra  Gio- 
vanni Giocondo  würdig  angereiht  werden.  Er  war  um  1435  zu 
Verona  geboren,  trat  in  den  Dominikanerorden  und  erwarb  sich  als 
Ingenieur  und  Alterthumsforscher  einen  europäischen  Ruf.  Als  im 
Jahre  1499  die  alte  Brücke  von  Notre  Dame  durch  die  Seine  weg- 
gerissen wurde,  kamen  Architekten  aus  Blois,  Auvergne  und  ander- 
wärts. Nach  Einsicht  der  verschiedenen  Pläne  und  Zeichnungen  wurde 
dem  Fra  Giocondo  der  Bau  im  Juli  1504  übertragen,  1507  begonnen 
und  1512  mit  einem  Kostenaufwand  von  1,600,124  Livres  vollendet 
Nach  Temanza  hatte  die  Brücke  5  Bogen,  jeder  54  Fuss  innerer 
Lichte,  jeder  Pfeiler  15*/t  Fuss  Durchmesser,  während  die  Höhe  von 
dem  gewöhnlichen  Wasserspiegel  zu  den  Bogenspitzen  40  Fuss  be- 
trug; an  den  beiden  Breitseiten  der  Brücke  standen  Häuser  zu  4 
Stock  Höhe.  Als  der  Architekt  Scamozzi  im  Jahre  1600  zu  Paris 
war,  erklärte  er  diese  Brücke  für  das  schönste  Bauwerk  der  ganzen 
Stadt.  Noch  während  der  Ausführung  dieses  grossartigen  Brücken- 
baues wurde  Fra  Giocondo  im  Jahre  1506  nach  Veuedig  zur  Führung 
der  sehr  schwierigen  Brenta-Uferbauten  berufen,  und  seine  Pläne  da- 
zu als  die  besten  genehmigt:  ingleicherweise  übernahm  er  im  Jahre 
1507  den  ganzen  Festungsbau  von  Treviso,  welcher  Kaiser  Carls  V. 
staunende  Bewunderung  erregte,  und  legte  dabei  die  sinnreichen  Wasser- 
werke an,  durch  "welche  die  Umgegend,  um  den  Feind  unschädlich 
zu  machen,  unter  Wasser  gesetzt  werden  konnte.  In  seinem  72.  Le- 
bensjahre 1512  baute  er  die  Pfeiler  der  neuen  Etschbrücke  und  ent- 
warf im  folgenden  Jahre,  von  den  Venetianern  von  Neuem  berufen,  einen 
prächtigen  Plan  zur  Herstellung  nicht  nur  der  Brücke,  sondern  der 
ganzen  Gegend  um  das  berühmte  Emporium  des  Rialto,  welches 
durch  Feuer  verwüstet  worden  war39.  Er  starb  1529  oder  1530  wahr- 
scheinlich in  Frankreich  als  einer  der  letzten  geistlichen  Architekten 
und  Baumeister,  welchen  sicherlich  der  Brückenbau  nicht  blos  in  dem 


«  Vgl.  Brunner  a  a.  O.  II.  S.  339  f,  341  f ,  345. 


2* 


—    20  — 


Geiste  moderner  Zeiten  ab  ein  Theil  ihrer  Berufe-  und  künstlerischen 
Thätigkeit  an  »ich,  sondern  auch  im  Geiste  ihrer  mittelalterlichen  Vor- 
gänger als  ein  hochverdienstliches  Werk  derselben  Nächstenliebe  er- 
schien, welche  sich  gleicherweise  auch  in  dem  Schärflein  des  Armen, 
den  Spenden  und  Vermächtnissen  des  Reicheren,  den  Opfergaben  der 
Wanderer,  wie  endlich  in  der  kirchlichen  Ablassrerleihung  vom  Jahre 
1300  zu  Gunsten  der  alten  Frankfurter  Mainbrücke  aus  der  Tiefe 
christlichen  Glaubens  ebenso  einmüthig  wie  unzweideutig  beurkun- 
det hat 


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Beiträge  zur  Geschichte  der  Befestigung  Frankfurts 

im  Mittelalter. 

Von  dem  königlichen  Oberst  A.  voo  Cohaiseii 


I. 

Der  Eschenheimer  Thurm.  1 

Unter  den  mittelalterlichen  Thorthürmen  Deutschlands  ist  wohl 
keiner,  dessen  Name  bekannter,  als  der  des  Eschenheimer  Thurmes 
in  Frankfurt,  und  wenn  auch  die  Gasse  und  das  Palais,  dio  den 
Namen  mit  ihm  theilten,  seit  dem  Jahr  1866  ihre  Bedeutung  cinge- 
bUsst  haben,  so  ist  er  doch  selbst  Mannes  genug,  sich  und  seinen 
Ruf  aufrecht  zu  erhalten,  indem  er  in  seiner  Gesammtform  wie  in 
seinen  Einzelheiten  den  Zweck  trefflich  ausspricht,  den  er  einst 
wacker  erftlllt  hat  und  dessen  Erinnerung  noch  Jahrhundertc  zu  be- 
wahren seine  solide  Construktion  ihn  befähigt. 

Der  Grund  und  Boden,  auf  dem  Frankfurt  sich  erbaut  hat,  be- 
steht aus  Kiesbänken,  die  zwischen  Flussarmen,  »Sümpfen  und  Sccen 
sich  nur  wenig  über  das  Hochwasser  erhoben  und  so  ein  Gelände 
bildeten,  das  die  Römer  mit  ihren  Strassen  und  Absiedlungen  ver- 
mieden und  wie  die  Ueberreste  zeigen,  in  halbstündigem  Abstand 
umgingen,  um  erst  weiter  Mainaufwärts  die  Verbindung  ihrer  Tau- 
nensischen  Stationen  mit  denen  des  Odenwaldcs  zu  vollziehen. 

Erst  die  Kriege  zwischen  den  Franken  und  Alcmaimen  Hessen 
die  Mainfurth  hier  aufsuchen,  von  den  Pranken  benutzen,  benennen 
und  festhalten.  Es  war  ein  ihrer  niederrheinischen  Heimath  ähnliches 
Gelände. 

Im  Jahr  793  erscheint  Franconovurd  als  villa  regia,  in  welcher 
Karl  der  Grosse  den  Winter  verbrachte ,  zum  ersten  mal  in  den  uns 

'  Deoaclben  behandelt  ein  mit  Zeichnungen  ausgestatteter  Aufsatz  desselben 
Verfassers  in  Erbkam's  Zeitschrift  fiir  Bauwesen.  Jahrgang  1868  p.  71.  Berlin. 
Verlag  von  Ernst  &  Korn.  Ein  am  15.  Juni  1866  in  dem  hiesigen  Vereine  verlesener 
kürzerer  Vortrag  Uber  diesen  Thurm  ist  in  der  Didaskslia  1866  Nr.  187  abgednickt. 
VgL  Mittheilungen  an  die  Mitglieder  des  Vereins  für  Geschichte  in  Fr.  III.  208. 


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22  - 


erhaltenen  Schriftquellen,  und  war  schon  bedeutend  genug,  das»  im 
darauf  folgenden  Jahre  eine  Versammlung  der  fränkischen  Bischöfe 
dahin  berufen  werden  konnte. 

Während  die  kaiserliche  Pfalz,  der  Saalhof  mit  den  Nebenge- 
bäuden nur  den  untern  Theil  einer  Insel  zwischen  dem  Main  und 
seinem  Seitenarm,  der  Antau,  einnahm,  zog  sich  der  Weg  durch  die 
Furth  über  deren  obern  Theil  und  die  werdende  Stadt  bildete  im 
9ten  Jahrhundert  zwischen  beiden,  ohne  die  Insel  zu  überschreiten 
und  daher  ringsum  von  Wasser  beschützt,  ein  schmales  Rechteck 
von  1000  Schritt  Länge  und  250  Schritt  Breite. 

Im  Jahr  868  verdoppelte  Ludwig  der  Deutsche  ihre  Breite,  indem 
er  sie  auf  das  rechte  Ufer  ausdehnte  und  dessen  Höhenrücken,  den 
Liebfrauenberg  mit  Mauern  und  trockenen  Gräben  umzog. 

Die  Häuser  und  Höfe,  die  sich  im  Laufe  der  Zeit  vor  dieser 
Umschliessung  ausgebreitet  hatten,  umfing  Kaiser  Ludwig  der  Bayer 
durch  eine  neue  Mauer,  mit  welcher  wieder  bis  zu  einer  wasserrei- 
chen Niederung  vorgegangen  und  hierdurch  der  Stadt  aufs  Neue  der 
Schutz  von  Wassergräben  verschafft  wurde. 

Man  begann  die  neue  Umschliessung  im  Jahr  1343  thcils  mit 
Mauern,  thcils  nur  nothdürftig  mit  Planken  und  mit  hölzernen  Erkern 
statt  der  Thürrae,  jedoch  verstärkt  durch  nasse  Gräben  und  „ge- 
btickte" Hecken.  Allmälig  und  wie  die  Mittel  reichlicher  oder  die  Noth 
drängender  wurde,  ersetzte  man  die  schlechtem  und  einstürzenden 
Befestigungswerke  durch  bessere  in  solider  und  stattlicher  Weise. 
So  entstanden  die  Thor-  und  andere  Thürmc,  von  denen  heute 
leider  nur  mehr  der  Eschenheimer  Thurm  besteht:  seine  Baugeschichte 
ist  es,  die  wir  hier,  in  dankbarer  Erinnerung  an  die  freundliche 
Förderung  durch  den  städtischen  Archivar  Herrn  Professor  Kriegk, 
aus  den  städtischen  Baurechnungen  (den  Baumeisterbüchern)  zusam- 
menstellen. 

Der  Thurm  besteht  aus  einem  quadratischen  Unterbau  von  33 
Fuss  Seitenlänge  und  27  Fuss  Höhe,  auf  welchem  sich  ein  runder 
Thurm  75  Fuss  hoch  erhebt  und  oben  mit  einem  kegelförmigen 
Mauerhelm,  umgeben  von  einer  Zinnenkrone  mit  vier  Erkern,  bedeckt 
ist  Durch  den  Unterbau  führt  der  Weg  durch  spitzbogige  nach 
der  Feld-  wie  nach  der  Stadtseite  verschliessbare  Thorwölbungen. 
Der  Raum  zwischen  beiden  ist  der  Bewegung  der  Thorflügel  ent- 
sprechend durch  zwei  flache  Tonnengewölbe  und  ein  Kreuzgewölbe 
überspannt. 

In  letzterem  befindet  sich  eine  viereckige  Oeflnung,  die,  wenn 
der  Angreifer  so  weit  eingedrungen  wäre,  als  Gussloch  dienen  konnte, 


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-     3  - 


durch  welche  aber  auch,  wenn  beide  Thore  geschlossen  wurden, 
der  Schliesser  sich  zurückzieht,  und  die  Erde  herabgeschüttet  wird, 
um  das  Thor  zu  „darrassen". 

Die  Thorgewänder  sind  von  porösem  Basalt,  der  sich  frisch 
ziemlich  gut  bearbeitet;  nur  der  Bogen  nach  der  Stadtseite  ist  von 
Sandstein,  einfach  mit  Rundstab  und  Hohlkehle  profilirt,  und  zeigt 
in  letzterer  im  Schluss  einen  kleinen  männlichen  Kopf. 

Vor  dem  äussern  Bogen  sind,  wie  der  Augenschein  zeigt,  nach- 
träglich Sandsteine  eingesetzt  worden,  um  Falze  für  ein  Fallgatter 
zu  bilden,  welches  von  der  Kammer  im  zweiten  Stock  aus  bewegt 
wurde. 

Hier  lief  das  Seil,  an  dem  die  Schosspforte  hing,  über  einen 
Holzblock,  neben  dem  ein  Beil  bereit  lag  —  selbst  angekettet  war  — 
um  das  Seil  im  Augenblick  der  Gefahr  durchzuhauen  und  so  plötzlich 
das  Thor  zu  sperren. 

Wie  der  viereckige  Unterbau  zur  Durchführung  des  Thorwegs, 
so  war  die  Rundung  des  obern  Theils  die  zweckmässigste  Form,  um 
den  Geschossen  der  Artillerie  jener  Zeit  zu  widerstehen  oder  sie  ab- 
gleiten zu  machen.  — 

Von  den  vier  Ecken,  welche  der  runde  Thurm  auf  dem  quadra- 
tischen Unterbau  frei  lässt,  fallen  zwei  vor  und  zwei  hinter  die  an 
die  Mitte  des  Thurmes  anschliessende  Stadtmauer.  Sie  bieten  sich 
von  selbst  dar  und  sind  vortrefflich  benutzt:  aussen  um  zwei  Erker 
zur  niedrigen  Beobachtung  und  Vertheidigung  des  Thoreinganges, 
innen  um  die  Fortsetzung  des  Mauereinganges  hinter  dem  Thurm 
zu  tragen.  Erstere  aus  dem  Achteck  construirt ,  entwickeln  sich  or- 
ganisch aus  dem  rechtwinklichen  Thurmunterbau,  während  der  Mauer- 
gang die  Thurmrundung  über  dem  iiinern  Thor  auf  einer  balkon- 
artigen Auskragung  umgeht,  von  welcher  aus  man  durch  eine  Pforte 
ins  Innere  des  Thurmes  gelangt.  —  Dieser  Umgang  ist,  wie  einst 
der  ganze  Wehrgang  auf  der  Stadtmauer  mit  einem  Dache  versehen. 
Da  zu  Anfang  unseres  Jahrhunderts  mit  der  Stadtmauer  auch  der 
Zugang  zu  den  obern  Stockwerken  des  Thurmes  verschwunden  war, 
so  wurde  damals  ein  elendes  Treppenhaus  angebaut,  und  als  dies 
endlich  zur  Verbreiterung  der  Passagen  beseitigt  werden  musste, 
wurde  1863  durch  den  Stadtbaumeister  Henrich  eine  neue  Wendel- 
treppe—seine Amtsvorfahren  würden  „ein  Schneck"  gesagt  haben— 
angebaut,  welche  in  Form  und  Ausführung  sich  dem  alten  Thurm 
ebenbürtig  anschliesst. 

Entsprechend  dem  quadratischen  Unterbau  beträgt  der  äussere 
Durchmesser  des  runden  Thurmes  33  Fuss,  sein  innerer  misst  21  Fuss, 


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-    24  - 

und  es  würde  seine  Mauerstärke  6  Fuss  betragen,  wenn  der  innere 
und  der  äussere  Kreis  concentrisch  wären ;  dies  ist  jedoch  nicht  der 
Fall,  sondern  der  innere  ist  so  weit  zurückgerückt,  dass  die  Mauer 
der  Feldseite  zugewendet  7  Fuss,  nach  der  Stadtseite  aber  nur  6  Fuss 
Stärke  hat. 

Die  sechs  Stockwerke  des  Thurmes  sind  durch  Balkenlager  ge- 
schieden, durch  hölzerne  Blocktreppcn  verbunden,  durch  schmuck- 
lose viereckige  Fensteröffnungen  mit  Fallladen,  die  am  Sturz  eingc- 
hangon  sind,  mässig  erhellt,  und  einige  durch  Kamine  geheizt 

Die  Zimmer  sind  durch  Kragsteine  und  Friessbogen  um  ihre 
halbe  Mauerstärke,  einen  Fuss  vorgebaut;  vor  sie  treten  auf  tiefer  an- 
gesetzten Kragsteinen  vier  Erker  mit  einem  Viertelkreissegment  noch 
einen  Fuss  weiter  vor.  Indem  sie  hinter  dem  kegelförmigen  Thurm- 
helm angebaut  sind,  lassen  sie  den  Wehrgang  durch  sich  hindurch 
gehen.  Die  beiden  auf  den  äusseren  Ecken  des  viereckigen  Unter- 
baues aufgesetzten  Erker  sind  achteckig  und  ursprünglich  auf  ein  eben 
so  viereckiges  Dach  aus  Zimmerwerk  mit  Schicferbekleidung  ange- 
legt. Die  vier  aus  der  Zinnenkrone  vortretenden  Erker  aber  haben 
die  runde  Form ,  welche  sich  zu  einem  kegelförmigen  aus  Bruchstein 
gemauerten  und  verputzten  Dach  besser  eignet.  Jetzt  haben  auch 
jene  gemauerte  Spitzdächer  und  alle  steinerne  Knäufe ;  der  des  Haupt- 
helms liegt  155  Fuss  über  dem  Thorweg. 

Der  ganze  Bau  ist  mit  sehr  geringem  Aufwand  von  Steinmetz - 
arbeit  aufgeführt  und  mit  Ausnahme  dieser  wenigen  durchaus,  selbst 
sein  Gedäch  und  seine  Zinnenabwässerung,  nur  mit  Kalkmörtel  ver- 
putzt; und  dennoch  wie  monumental  ist  sein  Schein  und  sein  Sein. 
Wie  treffend  ist  durch  die  einfachen  Mittel,  mit  denen  hier  so  Würdi- 
ges erreicht  ist,  die  Behauptung,  Bauten  im  mittelalterlichen  Style 
seien  zu  kostspielig,  widerlegt  und  so  manche  pretensiöse  moderne 
Restaurations-Velleität  beschämt.  Es  mag  als  bautechnische  Eigen- 
tümlichkeit hervorgehoben  werden,  dass  bei  Vollendung  des  Baues 
die  runden  durch  die  ganze  Mauer  durchgehenden  Rüstlöcher  nicht 
vermauert,  sondern,{um  sie  bei  künftigen  Arbeiten  leicht  wieder  finden 
und  öffnen  zu  können,  mit  eigens  geformten  Thonkrügen  zugesetzt, 
und  bis  auf  deren  (auch  für  Spatzen  zu  enge)  Mündung ,  deren  viele 
besonders  auf  der  Wetterseite  sichtbar,  mit  Mörtel  überputzt  worden  sind. 

Am  11.  October  1349  wurde  in  der  Gegend,  wo  heute  das 
Eschenheimer  Thor  steht,  ein  runder  Thurm  begonnen  und  ausge- 
führt. Er  wird  sich  nur  wenig  von  den  andern  runden  Mauerthür- 
men  —  die  auch  als  „Rohre"  bezeichnet  werden  —  unterschieden 
haben. 


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Da  er  rund  war  und  eine  Thorwölbung  in  einem  Rundbau  sich 
nicht  wohl  und  solide  herstellen  lässt,  so  ist  zu  vermuthen,  dass  der 
Thorweg,  wie  wir  dies  im  13.  und  14  Jahrhundert  häufig  finden, 
neben  und  zwar  aus  Vertheidigungsrticksichten  rechts  neben  dem 
Thurm  hinausgeführt  hat.  Der  Weg  lief  dann  weiter  gerade  aus  in 
den  Oeder  Weg ;  die  Eschersheimer  Landstrasse  ist,  wie  es  schon  aus 
ihrer  Richtung  schräg  durch  die  durchlaufenden  Grundstücksgränzen 
ersichtlich,  neuern  Ursprungs. 

Wir  wissen  aus  einer  Nachweisung,  die  sich  über  die  Artillerie- 
Ausrüstung  sämmtlicher  städtischer  Befestigungswerke  verbreitet,  dass 
jener  Thorthurm  im  Jahr  1391  mit  vier  Feuerbüchsen,  dazu  44  Blei- 
klötzen (Kugeln)  und  einem  Sack  Pulver,  mit  vier  Stegreif- Armbrüsten 
und  drei  Laden  voll  Pfeile  armirt  war. 

Die  Gegend  lag  tief  und  der  Graben  stand  voll  Wasser  und 
war  zwischen  Weiden  und  Schilf  reich  mit  Fischen  besetzt;  doch 
bestand  sein  Untergrund  aus  einem  kalkig  schiefrigen  Gestein,  da* 
zu  verschiedenen  Zeiten  tiefer  ausgebrochen  wurde. 

Im  Jahr  1400  begann  Meister  Mengoz,  zweifelsohne  derselbe 
Clea  Mengoss,  den  wir  aus  „Gwinner's  Kunst  und  Künstler  in  Frank- 
furt" kennen,  der  1413  in  der  St  Bartolomäus- Kirche  einen  Taber- 
nakelbau ausführte,  den  Abbruch  jenes  runden  Thurmes,  und  in 
der  letzten  Woche  des  Monats  Juni  wurde  der  erste  Stein  für  den 
viereckigen  Unterbau  des  heute  noch  stehenden  Thorthurms  gelegt.  — 
Die  Steinmetzen  erhielten  dafür  einen  Gulden  Trinkgeld.  Der  Grä- 
ber Eberhard  hatte  mit  seinen  Leuten  und  den  Opperknechten  das 
Fundament  (das  Fulmond)  gegraben  und  durch  den  Zimmermeister 
Folraar  waren  die  Grundbäume  gerichtet  worden  —  denn  ohne  diese 
verankernden  Schwellroste  wurde  auch  bei  gutem  Baugrund  nicht 
wohl  ein  Bau  gegründet.  Nennen  wir  hier  gleich  noch  Meister 
Wyker,  den  Steindecker,  und  Meister  Thomas,  den  Schmied,  so 
haben  wir  die  Haupthandwerksmeister  aufgeführt,  an  deren  Spitze 
freilich  Cles  Mengoz  der  Steinmetz  steht.  Das  Wohlwollen,  das  man 
für  ihn  und  seine  Familie  hegte,  bethätigte  der  Rath  durch  „14  Heller 
für  Wein  als  Jeck  Mengoz  Dochtcr  ein  Man  nara"  und  dadurch, 
dass  er  das  Zinshaus,  das  Mengoz  an  der  Bornheimer  Pforte  inne 
hatte,  1409  neu  aufbauen  Hess. 

Während  die  Hausteine,  theils  Sandstein  von  Miltenberg  am  Main, 
theils  poröser  Basalt  von  Bockenheim,  und  die  gewöhnlichen  Mauer- 
steine aus  denselben  Basaltbrüchen  und  aus  den  Gruben  von  Cerithien- 
kalk  bei  Sachsenhausen  kamen,  schaffte  man  Backsteine  und  Tannen- 
holz von  Mainz  herauf,  und  benutzte  zu  den  Baugerüsten  viele  Schock 


Stockfischstränge,  hindeutend  auf  den  grossen  Bedarf  der  damit  ver- 
packten Fastenspeise. 

Im  November  desselben  Jahres  wurde  die  hölzerne  Brücke  Uber 
den  Graben,  und  die  Thordurchfahrt  fertig  und  durch  die  beiden 
untern  Erker  vertheidigt.  Diese  sowie  der  ganze  viereckige  Unter- 
bau, der  nicht  höher  war  als  die  Stadtmauer,  wurde  nun  in  Zimmer- 
werk Uberdacht  und  mit  Schiefer  eingedeckt  und  blieb  so  25  Jahre 
stehen.  — 

Ehe  man  zum  Weiterbau  schritt,  fand  man  an  dem  Bestehenden 
schon  eine  Verbesserung  nöthig.  Es  wurde  nämlich  schon  1409  zur 
grössern  Sicherheit  vor  dem  äussern  Thor  eine  Schosspforte  —  ein 
Fallgatter  eingehängt  und  dazu  nachträglich  die  schon  oben  bezeich- 
neten Falzen  aus  Sandstein  ausgeführt,  und  oben  durch  einen  Stich- 
bogen aus  gleichem  Material  überspannt  Zugleich  wurde  jenseits 
des  Grabens  ein  „Vorbord"  errichtet,  d.  h.  ein  Vorthor  mit  zwei 
Treppenthürmchen,  um  zum  Wehrgang  und  der  Pechnase  über  dem 
Thor  zu  gelangen.  Statt  des  treffenden  deutschen  Namens  Vor- 
bord bedienen  wir  uns  heute  für  dergleichen  Anlagen  der  Bezeich- 
nung Tambour  —  die  so  unpassend  als  möglich  ist,  da  sie  von  der 
runden  oder  halbrunden  Form  einer  Palisadirung  herrührt,  wie  sie 
im  vorigen  Jahrhundert  manchmal  angewendet  wurde. 

Im  Jahr  1412  und  13  führte  man  hier  und  am  Friedberger  Thor 
eine  Wasserleiturg  in  steinernen  Kändeln  ein. 

Zum  Aufbau  des  runden,  auf  dem  viereckigen  Untersatz  stehen- 
den Thurmes  fand  man  erst  1426  Zeit  und  Mittel. 

Meister  Madern  ,  den  wir  als  Werkmeister  des  Pfarrthurms  kennen, 
war  auch  der  Meister,  der  den  Eschenheimer  Thurm  vom  Untersatz  bis 
zum  Knauf  mit  seiner  schönen  Zinnen-  uud  Helmkrone  ausgeführt,  und 
wohl  auch  entworfen  hat,  denn  es  scheint  nicht  wahrscheinlich,  dasa 
dieser  Meister  einen  alten,  wenn  überhaupt  vorhandenen ,  Plan  nur  aus- 
geführt habe.  Meister  Madern  Gertener  war  schon  1399  am  Bau  der 
Mainbrücke  beschäftigt  gewesen  und  hatte  sich  damals  verpflichtet 
den  Schaden  zu  tragen,  der  aus  den  Rissen  an  den  von  ihm  gebau- 
ten Schwibbogen]  entstehen  möchte.  Als  Werkmeister  des  Pfarr- 
thurms, dessen  Bau  er  seit  der  Grundsteinlegung  am  6.  Juni  1414 
bis  zu  seinem  Tode  1432  führte,  erhielt  er  10  Gulden  Jahresgehalt 
und  2  Gulden  Trinkgeld.  Von  seiner  Iland  sind  die  beiden  Wappen- 
adler, die  wir  an  der  innern  und  an  der  äussern  Seite  des  Thurmes 
sehen;  er  erhielt  dafür  1426  am  Tag  vor  Palmsonntag  8  Pfund 
Heller  und  8  Schillinge,  während  „Meister  Endres  Polier"  für  minder 
kunstvolle  Arbeit  im  Tagelohn  5  Schillinge  empfing.    Die  Adler 


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-    27  - 

wurden  gemalt  und  dafür  7  Pfund  16  Schillinge,  für  Gold  dazu  noch 
besonders  6  Pfand  12  Schillinge  ausgegeben.  Man  beschäftigte  täg- 
lich 5  bis  10  Steinmetzen  und  Maurer  und  zwei  Pferde  mit  einem 
Knecht  zum  Aufziehen  der  Baumaterialien  mittels  Seil  und  Rolle. 
Einem  armen  Gesellen  Freyermund,  der  vom  Gerüste  gefallen  war, 
gab  der  Rath  „so  lang  ihm  gelüste"  wöchentlich  4  Schilling. 

Mit  Ende  des  Jahres  1427  war  der  Bau  so  weit  fertig,  dass  er 
beworfen  werden  konnte,  seine  Helme  schon  Steinknäufe  und  Fähnchen 
hatten,  und  dass  der  Maler  um  Pauli  Bekehrung  (25.  Januar)  1428 
4  Pfund  16  Schillinge  erhielt,  um  diese  Fahnen  und  die  Kragen  der 
Knäufe  auf  den  vier  obern  Erkern  roth  zu  malen,  den  des  Haupt- 
helms aber  zu  vergolden,  und  zwar  wurde  dazu  für  10  Pfund 
16  Schilling  Gold  verbraucht  und  dem  Malerknecht  auch  12  Heller 
geschenkt. 

Auch  die  beiden  untern  Erker  erhielten  statt  der  Schieferdächer 
nunmehr,  wie  die  obem,  gemauerte  Helme  und  Steinknäufe,  welche 
letztere  ebenfalls  roth  gemalt  wurden. 

So  schaute  der  Thurm  trotzig  und  fröhlich  ins  Land  als  man 
Samstag  Abend  vor  Pfingsten  1428  den  Maurern  ihr  Bade-  und 
Schlüsselgeld  gab. 

Der  Epheu,  der  jetzt  dem  alten  Thurm  zu  immer  frischer  Zierde 
gereicht,  ist  von  Jugend  auf  sein  treuer  Gefährte,  und  Hess  sich 
nicht  beirren,  als  schon  wenige  Jahre  nach  dem  Bau  1436  Leute 
angestellt  wurden,  „den  Ebich  an  der  Mauer  bey  Eschersheimer 
Porte  abezubrechen". 

Der  Thurm  hatte  Thor  und  Brücke  unter  sich  zu  vertheidigen, 
die  den  Raubanfällen  der  Überhöhischen  Ritterschaft  besonders  aus- 
gesetzte nördliche  Umgebung  der  Stadt  zu  überwachen;  die 
Thurmknechte  hatten,  wie  bei  den  andern  Thorthürmen,  durch  Auf- 
ziehen eines  Korbes  die  Fcldarbeiter  und  Hirten  zu  warnen,  dass 
sie  sich  innerhalb  der  Landwehren  und  in  die  Höfe  der  Warten 
flüchten  konnten,  sie  hatten  Zeichen  zu  geben,  damit  „die  unterm 
Storm"  auf  dem  Pfarrthurm  die  Bürgerschaft  durch  das  Horn  auf 
die  Alarmplätze,  zur  Besetzung  der  Mauern  und  zu  Ausfällen  bereit, 
zusammenrufen  konnten. 

Von  dem  Thurm  aus  liefen  die  gedeckten  Wehrgänge  auf  der 
Stadtmauer  nach  dem  Rödelheimer  und  Friedberger  Thor  hin,  und 
gewährten  den  Einblick  in  Höfe  und  Gärten,  welche  Goethe  so  rei- 
zend beschreibt  und  aus  denen  das  Knabenmärchen  entstand,  das 
hinter  der  nahen  schlimmen  Mauer  spielt 

Bis  zum  Jahr  1444  war  der  eigentliche  Zwinger,  der  vor  der 


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-    28  - 


Mauer,  nur  durch  eine  gebückte  Hecke  vom  Graben  getrennt;  um 
diese  Zeit  aber  wurde  die  Hecke  beseitigt  und  vom  Grabengrund 
aus  eine  Zwingermauer  mit  Scharten  und  wenigen  Ecktiiürmchen  ftir 
die  Wächter  erbaut 

Wir  Übergehen  eine  Erneuerung  der  Knäufe  in  Material  und 
Malerei  im  Jahr  1464  und  die  Aufstellung  einer  Schlaguhr,  die  der 
Blitz  1584  herabwarf  und  deren  Funktion  seitdem  gleichfalls  nicht 
infallibel  durch  einen  Wächter  vorsehen  wird. 

Ohne  namhaften  Schaden  ging  der  Eschenheimer  Thurm  1552 
aus  der  Belagerung  durch  den  Schmalkaldischen  Bund  hervor.  Die 
Befestigungskunst  des  17.  Jahrhunderts  schob  ihn  ins  zweite  Treffen, 
Vertrauen  und  Pietät  aber  erhielt  ihn,  wie  sie  einst  den  Bering  Lud- 
wig des  Deutschen  vorsichtig  und  treu  beibehalten  hatte.  Nachdem 
mehrere  Ingenieure  befragt  worden  waren ,  berief  die  Stadt  den 
Architekten  W^ilhelm  Dillich  aus  Kassel  und  seinen  Sohn  Johann 
Wilhelm,  und  beauftragte  den  letztern  mit  der  Ausführung  einer 
bastionirten  Wallbefestigung  vor  der  mittelalterlichen  Mauer.  Die 
genannten  legten  dazu  zahlreiche  nach  mannigfaltigen  Erwägungen 
modifizirte  und  endlich  festgestellte  Pläne  vor  —  welche  sie  nach 
ihrem  eigenen  nicht  nach  dem  Vauban'schen  System ,  wie  wohl 
behauptet  worden,  entworfen  hatten  —  schon  deshalb,  weil  Vauban 
erst  1633  geboren  wurde.  —  Während  jedes  Handbuch  der  Befesti- 
gungskunst die  Systeme  der  Italiäner,  Franzosen  und  Niederländer 
enthält,  sind  die  nicht  minder  sinnreichen  und  durchdachten  der  deut- 
schen Ingenicure  des  16.,  17.  und  18.  Jahrhunderts  noch  aus  den 
wonigen  erhaltenen  Ueberresten  und  aus  den  städtischen  Archiven 
hervorzusuchen  und  zu  beschreiben.  Möge  Kenntniss  und  Muse  eine 
glückliche  Hand  dahin  fuhren! 

Im  Jahr  1628  wurde  vor  dem  Eschenheimer  Thor  die  Wallcurtine 
mit  einem  niedern  Thor  angelegt  und  durch  eine  hölzerne  Brücke 
und  Zugbrücke  über  den  Graben,  mit  einem  grossen  Waffenplatz  — 
keinem  Ravelin,  wie  Vauban  gethan  haben  würde,  —  im  gedeckten 
Weg  verbunden. 

Dies  Thor,  in  dem  nicht  reizlosen  Schnörkelstyl  des  17.  Jahr- 
hunderts erbaut,  hat  seine  Schuldigkeit  gethan  zwei  Jahrhundertc 
lang,  und  mehr  als  das,  da  es  sich  nach  geringem  Umbau  1807  die 
zweifelhafte  Ehre  gefallen  Hess  nach  dem  Fürsten  Primas  Karls 
Thor  genannt  zu  werden. 

Damals  waren  die  Wälle  geschleift ,  und,  wie  man  sich  ausdrückte, 
um  dem  Licht  und  der  Luft  den  Zutritt  in  die  Stadt  zu  schaffen, 
die  alten  Thorthtinne  und  Mauern  niedergerissen  worden,  und  das 


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I 


-    29  - 

Verderben  stand  nahe  auch  unserm  Thurm;  nur  der  kräftigen  Ein- 
spräche des  französischen  Gesandten  Grafen  Hedouville  gelang  es, 
ihn  zu  erhalten  —  desselben  der  sich  auch  später  bis  1813  als  Civil- 
gouverneur  von  Rom  und  als  Curator  der  Vatikanischen  Bibliothek 
als  ein  wackerer  deutsche  Gelehrte  und  Künstler  fördernder  Mann 
bewiesen  hat  —  Aehnlich  hat  in  den  vierziger  Jahren  ein  anderer 
trefflicher  Mann,  der  preussische  Bevollmächtigte  General  v.  Radowitz 
erneuerte  Angriffe  abgewendet. 

Heute  aber ,  wo  wir  den  Eschenheimer  Thurm  frei  umgehen  kön- 
nen, wenn  wir  in  die  lachende  Landschaft  hinauswandern,  wo  wir 
auf  unsern  Wanderungen  ihn  neben  dem  Pfarrthurm  als  treues  Wahr- 
zeichen immer  zuerst  aufsuchen,  wo  wir  zurückkehrend  bei  seinem 
Anblick  —  auch  wenn  wir  nicht  in  seinem  Schatten  geboren  —  vom 
Gefühl  der  Heimath  erfüllt  werden  —  steht  er  —  des  walte  Gott— 
geliebt  und  gesichert  fest  für  alle  Zeiten. 


H. 

Das  Fahrthor.  < 

Da  dieser  Tage  nun  auch  die  letzte  Spur  des  Fahrthors,  als  sol- 
ches, verschwunden  ist,  wird  es  sich  ziemen,  ihm  seinen  Nekrolog 
nachzusenden. 

Die  kaiserliche  Pfalz,  der  Saalhof,  lag  am  untern  Ende  einer 
Insel,  welche  sich  von  der  Einmündung  des  längst  verschwundenen 
Elkenbaches  an  der  schönen  Aussicht  bis  ans  Fahrthor  erstreckte, 
und  deren  Breite  vom  Main  und  der  grossen  Antau  (durch  die  Do- 
minikaner-, Krug-,  Born-,  Neu-  und  Wedelgasse)  bestimmt  wird. 

Die  Heerstrasse  erreichte  an  der  oberen  Inselspitze  durch  die 
Fahrgasse  die  Mainfurth,  in  welcher  sie  sich  schräg  nach  der  Para- 
diesgasse hinzog. 

Schon  früh  verlandete  der  Arm,  der  diese  Insel  von  der  weiter 
abwärt»  bis  zum  Zollhof  reichenden  trennte,  und  heute  noch  den  Sams- 
tags- und  Römerberg  scheidet,  er  blieb  nur  als  Bucht  unter  dem 


1  Vortrag  gehalten  in  der  Sitzung  des  Vereins  für  Geschichte  and  Alterthumfl- 
kunde  zu  Frankfurt  am  4.  Mai  1866.   Vgl.  Mitteilungen  ID.  203. 


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—   30  — 


Saalhof  znm  Anlanden  der  Schiffe,  die  noch  lange  den  Hauptverkehr 
vermittelten. . 

Als  die  Stadt  anwuchs  und  im  9.  Jahrhundert  jene  beiden  Inseln 
bedeckend  zum  erstenmal  umschlossen  wurde,  blieb  hier  das  Fahrthor 
offen. 

Baldemar  v.  Peterweil  (starb  1382)  nennt  die  Pforte  zum  ersten- 
mal, wir  finden  sie  dann  1388,  aber  wohl  nicht  zum  erstenmal  im 
Bau  begriffen. 

Hessemer,  der  unter  vielen  andern  auch  das  Verdienst  hat,  das 
Fahrthor  vor  seinem  Abbruch  im  Jahr  1842  durch  eine  Zeichnung 
von  Ballenberger  in  dem  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst 
erhalten  zu  haben,  vermuthet  in  dem  beigegebenen  Text,  dass  dies 
eben  der  Bau  wäre,  der  1388  errichtet  worden  sei. 

Da  mir  die  Gelegenheit  freundlich  geboten  war,  die  städtischen 
Baumeisterbücher  jener  und  späterer  Zeit  durchzusehen,  so  will  ich 
hier  aufzeichnen,  was  sich  aus  denselben  ergibt,  und  gleich  dabei 
den  mit  dem  Fahrthor  verbundenen  Rententhurm  mitnehmen,  um  so 
lieber,  da,  wie  Battonn  sagt,  auch  über  seine  Bauzeit  schon  Wider- 
sprüche in  der  Frankfurter  Chronik  bestehen. 

Lersner  sagt  nämlich:  „1403  ist  der  Rententhurm  gebaut  worden, 
und  weil  auf  diesem  Thurm  alles  verzollt  wird,  was  in  die  Stadt 
kommt  und  daraus  geht,  also  ist  zum  Behuf  1489  die  Stuben  darauf 
unter  Direktion  Johann  Heysse  Visirers  auf  den  Tag  St.  Viti  ange- 
fangen, und  vollendet  uff  den  Tag  St.  Michaelis  gebaut  und  akkomo- 
dirt  worden."  An  einer  andern  Stelle  sagt  Lersner:  „1455  wird  der 
Rententhurm  angefangen  aus  dem  Grund  zu  mauern,  kostet  der  Ad- 
ler uff  die  30  Ä  zu  hauen,  zu  malen  und  zu  vergolden." 

Nun  findet  sich  aber  in  Wirklichkeit  die  Bauthätigkeit  der  Jahre 
1403  und  4  nach  einer  ganz  andern  Seite  hin  gerichtet. 

Der  Unfug  der  Wetterauischen  Raubritter,  der  damals  den  höch- 
sten Grad  erreicht  hatte,  drängte  vor  allem  zur  Vollendung  der  Fried- 
berger- Thor-Befestigung;  wir  finden  dort  im  Jahr  1403  den  Meister 
Eberhard  (ob  derselbe  viel  belobte, Meister,  den  wir  50  Jahre  später 
in  Thätigkeit  sehen,  weiss  ich  noch  nicht)  an  dem  Damm  und  der  Brücke, 
am  Zwinger,  am  Mantel  und  am  Schneck  vor  Friedberger  Pforte  beschäf- 
tigt; es  werden  zwischen  dem  Friedberger-  und  Allerheiligen-Thor 
die  drei  niedre  Mauerthürme  ausgebaut,  die  man  damals  die  drei 
Rore  nannte,  und  welche  ein  Jude  zahlen  inusste,  da  man  ihn  in  un- 
erlaubtem Umgang  betroffen,  und  es  wird  in  Eile  an  den  Funda- 
menten der  Mainbrücke  gearbeitet,  die  wieder  einmal  eingestürzt 
war  oder  einzustürzen  drohte.  1404  wurden  Befestigungen  auf  Knobela- 


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hof  (Kuhornhof),  welcher  der  Stadt  vor  Erbauung  der  Friedberger 
als  Warte  diente,  ausgeführt,  und  unter  Kaiser  Ruprecht»  Führung 
ein  Zug  gegen  die  Wetterauischen  Raubschlösser  unternommen.  Aber 
am  Fahrthor  und  am  Rententhurm  —  und  nehmen  wir  gleich  das 
nahe  Holzpförtchen  mit  —  auch  an  diesem  geschah  jetzt  und  in  den 
nächst  vorher  und  nachfolgenden  Jahren  nichts. 

Erst  im  Jahre  1456  (Baumeisterbuch  von  1454  sabbato  ante  invo- 
cavit)  ging  man  mit  Ernst  an  die  fortifikatorische  Verstärkung  der 
Mainfront.  (Doch  hatte  man  schon  1449  die  Zinnen  am  Saalhof  ver- 
mauert und  SchieBslöcher  eingesetzt,  eine  gleiche  Arbeit  aus  demselben 
Jahr  ist  an  der  Nordseite  des  Weissfrauenklosters  noch  zu  sehen.) 
Am  genannten  Tag  erhält  Meister  Eberhard  (Friedeberg,  der  städtische 
Werkmeister  und  Parlier)  1  t(  ß  für  6  Taglöhne  „als  er  dem  Rad 
den  Aberiss  an  der  Farporten  gemacht  hat  und  zu  Riedern  und  zu 
Bonemes."  —  Wenn  man  annimmt,  dass  er  dazu  je  einen  Tag  an  den 
letztgenannten  Plätzen  war,  so  erhielt  er  also  16  Schillinge  Honorar 
für  seinen  Plan. 

Die  Steinhauer  behauen  Windelsteine,  Fenster  und  Ortsteine  in 
der  Steinmetzhütte  am  Main,  die  man  Meister  Eberhard  schon  1449, 
als  er  am  Thurm  und  der  Simsbekrönung  der  Nicolaikirche  arbeitete, 
eingeräumt  hatte.  Meister  Carpchen,  der  Steindecker,  reisst  das  Dach 
ab  auf  dem  Ort,  d.  h.  auf  der  Ecke,  wo  der  Rententhurm  erbaut 
werden  sollte,  die  Opperknechte  reissen  die  Mauern  ab,  und  graben 
den  Grund.  Da  man  hier  dem  Saalhof  sehr  nah  kam,  so  musste  ihm 
eine  „Want  gestotzelt"  und  ein  Stück  Dach  abgebrochen  werden ;  die 
Opperknechte  stiessen  mit  den  Heyen  Pfahle  in  den  Grund,  und  am 
Vorabend  vor  Pfingsten  konnten  schon  4  ß  4  h.  berechnet  werden 
„vur  ein  virtel  Wins  geschenkt  den  Murern  als  sie  den  Grund  anhüben 
zu  muren  by  der  Fahrporten  an  dem  Rentstobechen". 

Die  Fahrpforte  selbst  blieb  noch  unberührt  bis  der  Thurm,  der 
sie  zu  vertheidigen  bestimmt  war  und  der  sichere  Gang  zu  ihm  höher 
aufgeführt  war.  Es  sind  täglich  10,  14,  20  bis  30  Maurer  und  Stein- 
hauer daran  in  Thätigkeit 

Der  Gang  wird  bald  fertig,  so  dass  die  „Blumen  uff  die  fenster 
die  in  dem  Dach  uff  dem  Gang  steu  vor  der  Fahrport"  aufgesetzt  und 
roth  und  weiss  gemalt  werden  konnten.  Am  Thurm  war  länger  zu 
thun.  —  Mit  17  Taglöhnen,  das  machte  4  %  15  ß,  wird  der  Adler  be- 
zahlt, der  ihn  schmückt;  freilich  wäre  zu  wünschen  gewesen,  dass  der 
alte  Geselle,  der  ihn  gemeiselt,  in  der  Inschrift  dasMCCCCLV  deut- 
licher gemacht  hätte,  damit,  was  wohl  Anlass  zu  dem  oben  erwähnten 
Irrthum  geben  konnte,  man  nicht  MCCGC1V  lesen  und  die  Funda- 


-    32  - 


mentirung  ein  Jahr  früher  vermuthen  mogte.  Auch  konnten  vor  den 
Fensterladen  die  Geremse  (die  uff  die  nuwe  Rentetobe  kommen  sin) 
schon  angebracht  und  gemalt  werden. 

Ueber  die  Fensterladen,  Schalden,  der  Bauten  jener  Zeit  mögen 
hier  ein  Paar  Worte  Platz  finden.  Wie  wir  von  der  Art,  die  Laden 
in  Angeln  neben  die  Fenster  zu  hängen  und  Sturm  und  Wetter  aus- 
zusetzen, allmälig  abkommeu,  und  sie  —  wenn  auch  nicht  zur  größ- 
ten Solidität  des  Baues  —  zur  Seite  in  Mauerfalzen  schieben,  so  brach- 
ten die  Alten  vorspringende  Steinfalzen  unter  den  Fenstern  an,  und 
Hessen  die  Schalden  an  einem  Seil  in  sie  hinab  oder  zogen  sie  auf.  — 
„7  ß  7  h.  vur  5  £  Seiles  zu  den  Schalden  uff  dem  nuwen  thorn  by 
der  Farporten."  Diese  Einrichtung  ist  am  Rententhurm  auf  der  Süd- 
seite noch  zu  errathen,  auf  der  Ostseite  noch  wohl  erhalten  und  in 
einer  für  Schiesscharten  nöthigcn  Abänderung  im  Holzmagazin  zu 
Sachsenhausen  zu  sehen  an  dem  Bollwerk,  welches  derselbe  Meister 
Eberhard  in  den  Jahren  1450  und  1462  erbaut  hat  Zur  Bewegung 
der  Schaldor  muss  das  Geremse  etwas  vorstehen  —  es  wird  daher 
auch  wohl  Korb  genannt  —  und  nicht  an  der  Fensterbank,  sondern 
nur  oben  und  an  den  Seiten  in  den  Stein  befestigt  sein. 

Im  Jahre  1456  wurden  dem  Maler  nochmals  1  fC  gegeben  die 
Geremtze  roth  zu  malen  und  zu  streichen  in  dem  nüwen  Thore  bey 
der  Fahrporten,  und  18  von  dem  Adler  zu  malen  an  dem  thorn 
by  der  Fahrporten,  4  M  h.  aber  des  Malers  Knecht  zu  Trinkgeld 
geschenkt  und  noch  für  8  Ä  2  ß  l1/*  buch  geslanes  fynes  goldes  da- 
zu geliefert 

Um  Maria  Himmelfahrt  wird  der  Thurmhelm  errichtet,  wobei 
Opperknechte  mit  dem  Haspel  den  Zimmerleuten  helfen,  um  Bartho- 
lomae  wird  er  mit  Schiefer  gedeckt,  auf  dem  Haupthelm  ein  Knauf 
von  146  %  und  auf  die  vier  Erkern  vier  kleinere  von  zusammen 
137  gesetzt  und  das  Banner  aufgesteckt  Die  vier  Erker  wurden 
jedoch  nicht,  wie  wir  sie  jetzt  sehen,  mit  Schiefer  bekleidet,  sondern 
geweisst  mit  blau,  schwarz  und  grün  bemalt 

Das  Fahrthor  selbst  wird  auch  noch  in  diesem  Jahre  soweit  ge- 
baut, dass  der  Thorweg  gepflastert  und  dem  Maler  1  gegeben 
wurde,  dass  er  die  Fahrporten  gemalt  und  das  Gewölbe  bestrichen 
hat.  Die  Durchfahrt  war  also  frei. 

Während  der  Jahre  1457  und  58  war  das  Fahrthor  in  seinem 
Oberbau  unvollendet  stehen  geblieben;  erst  im  Jahr  1459  und  1460 
wird  es  ganz  ausgebaut,  gedeckt,  und  die  Räume  über  ihm  wohnlich 
eingerichtet  Ein  Ofen  mit  vier  Zinnen  wird  gesetzt  uud  der  Glaser 
Meister  Thomann  erhält  4  K  vur  vier  gewappnete  Finster  —  sin  koin- 


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-    33  - 

men  uff  den  Saal  uff  die  farport,  5  Gulden  ftlr  6  doppelte  und  7  flache 
Glasrahmen  mit  20  Windeison  und  Riegeln  dazu,  —  und  um  Gregori 
1460  ftlr  600  Schyben  Glas  zu  versetzen  zu  finstern  in  dem  Saal  uff 
der  Fahrport  von  jedem  100  Stück  12  ß,  von  3  Wappenfenster  (wohl 
im  Erker),  je  10  f*.  —  Der  Maler  erhält  16  Pfund  Farbe,  Bleiweiss, 
schwarz  und  roth,  im  Sommer  des  Jahres  1460,  21  12  ß  „von  dem 
Addeler  zu  malen  und  vur  Golt  an  die  farport".  So  war  dasselbe  auch 
von  Aussen  würdig  geschmückt  zum  Erwarten  und  Empfangen  von 
Fürsten  und  Gesandten,  die  noch  immer  den  Main  bequemer  als  die 
Landstrasse  fanden  und  lockend  genug  zu  des  Rathes  Trinkstube,  auf 
die  er  ohne  Angabe  des  Weinmaasses  „zu  einem  Mandel  Kees  und 
rostigem  Häring"  männiglich  laden  mogte. 

Gleichzeitig  mit  dem  Fahrthor  und  dem  Rententhurm  wurden 
auch  die  andern  Wasserthore  gründlich  umgebaut  und  vollendet. 

Die  Fischerpforte,  welche  schon  ums  Jahr  1350  vorkommt, 
und  ohne  Zweifel  eine  der  ältesten  Wasserpforten  war,  hatte  um  1428 
noch  einen  Thurm.  Dieser  war  entweder  baufällig  geworden  oder  er- 
schien bei  der  Nähe  des  Brückenthurms  nicht  mehr  nöthig,  jedenfalls 
wurde  er  bei  dem  Umbau  der  Pforte,  welcher  1449  stattfand,  nicht 
mehr  aufgebaut,  sondern  es  wurde  durch  andre  Befestigungsbauten  für 
deren  Sicherheit  gesorgt.  Dies  geschah  mit  Benutzung  des  Thurmunter- 
baues  durch  eine  auf  Friessbogen  ruhende  Zinnenbekrönung  dicht 
über  dem  Thor,  und  durch  ein  Bollwerk  neben  demselben.  Es  ist 
dies  der  dreieckige  Vorsprung,  den  wir  auf  den  Plänen  von  1552  und 
von  Merian  neben  der  Brücke  sehen,  und  welcher  noch  bis  in  unser 
Jahrhundert  dem  Eckhaus  (Fahrgasse  No.  1)  als  Wirthschaftsgartcn 
diente.  Dies  Bollwerk  wurde  nicht,  wie  der  Name  etwa  vermutheii 
lässt,  aus  Holz,  sondern,  wie  andre  gleichbenannte,  aus  Steinen  er- 
baut, und  diese  zum  Theil  im  Main  am  Thiergarten  gebrochen,  oder 
durch  Backsteine  ersetzt,  die  man  gleichfalls  bei  Sachsenhausen  ge- 
brannt hatte.  Sowohl  die  Zinnen  am  Bollwerk,  als  auch  die  Fries- 
bogen und  Zinnen  am  Thor  lassen  vermuthen,  dass  die  Nachrichten 
im  Baunicistcrbuch  von  1449  über  den  Bau  an  der  neuen  Fischer- 
pforte, an  der  Ringmauer  bei  der  Fischerpforte,  und  am  Bollwerk 
vor  der  Fischerpforte,  von  den  Schiesslöchern,  die  daselbst  gesetzt, 
oder  von  den  Fischern  in  dem  Bollwerk  bei  ihnen  geöffnet  wurden, 
sich  auf  die,  in  jenen  Plänen  noch  dargestellte  Anlage  beziehen. 

Die  Juden-  oder  Löwerpforte  war  um  jene  Zeit  schon  ver- 
mauert, sonst  würde  sicher  auch  für  sie  etwas  geschehen  sein;  sie 
blieb  geschlossen,  und  durch  ein  Haus  verbaut,  bis  zu  Anfang  unse- 
res Jahrhunderts. 

IV.  3 


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-34 


Die  Metzelpforte  wurde  im  Jahr  1456  von  Grand  ans,  und 
nachdem  zur  Bewältigung  des  Wasser»  Tag  und  Nacht  geäst  (ge- 
schöpft )  worden  war.  als  stattlicher  viereckiger  Thurm  aufgeführt, 
mit  Backsteinen  von  Sachscnhausen  eingewölbt,  und  mit  Geremsen 
vor  den  Fenstern  bewahrt.  Im  Jahr  1457  schlugen  die  Zimmerleute 
den  Dachstuhl  und  Erker  auf.  der  Schieferdecker  deckte  ihn  und 
brachte  den  1291/*  tf  schweren  Knauf  und  2  Banner  an  Ort  und 
Stelle,  und  der  Maler  malte  diese  und  das  Geremse,  sowie  einen  Ad- 
ler —  wohl  über  dem  Thor  auf  die  Mauer. 

Das  alte  Heilig-Geistpförtchen  wurde  14Ö4  vom  Dach  bis 
zum  Grund  abgebrochen,  und  ein  neuer  viereckiger  Tborthunu  — - 
nicht  so  hoch  als  der  Metzgerthorthurm  —  aber  gleichfalls  mit  einem 
Erker  über  dem  Thor  erbaut. 

Diese  Erker  sind  allen  unsern  Wasselthoren  eigen,  sie  dienten 
nicht  nur  zur  L  mschau  nach  den  Sehen,  sondern  da  sie  im  Fuss- 
boden eine  Oeflnung  hatten,  auch  als  Peehnase,  um  unter  sich  dicht 
vor  das  Thor  zu  sehen,  zu  leuchten,  zu  werfen  oder  was  man  sonst 
gut  hieh  zu  thun. 

Im  selben  1454er  Jahr  wurde  der  Thurm  gedeckt  und  zum 
Zeichen  der  Vollendung  die  Knäufe  auf  die  beiden  Firstenden  und  den 
Erker  gesetzt  und  letzterer  mit  Bleiweiss  und  Leinöl ,  mit  Minige  und 
Kynschwarz  gemah. 

Das  Holzpf örtchen,  damals  Wyssenpörtchen  genannt,  wurde 
1456  an  Stelle  eines  ähern,  schon  von  Baidemar  von  Peterweü  er- 
wähnten, von  Grund  aus.  nicht  ohne  dass  auch  hier  wegen  der 
nöthigen  Fundamenttiefe  geost  werden  rausste,  erbaut  Wie  die 
Maurer  und  Steinhauer  sind  auch  die  Zimmerleute  schon  im  selben 
Jahre  dort  beschäftigt,  das  Dach  wird  gedeckt,  die  Dachgaupen  mit 
Blech  Ü5  Tafeln)  überzogen,  die  Knäufe  109  Pfund  schwer  aufgesetzt, 
Leisten  und  Stabwerk  mit  Bleiweiss,  blau  und  roth  —  und  da  dies 
vielleicht  nicht  effektvoll  genug  schien,  nochmals  roth.  weiss  und 


Im  Februar  des  Jahres  wurde  der  Durchgang  gepflastert,  dem 
Schmied  (Meister  Merz  hiess  er)  -  13  Gulden  „die  Wyssen 
zu  beslan"  gegeben,  und  dieselbe  so  dem  Verkehr  wieder 

Ich  weiss  sehr  wohl,  dass  sowohl  Battonn  als  Ht 
ja  dass  Babenberg  es  selbst  zeichnet,  dass  das  Holzpförtchen  1404 
erbaut  »ei.    So  ungern  ich  diesen  Dreien  widerspreche, 
doch  nur  an  das  Bauraeisterbuch  bähen,  und  die 
chen ,  dass  auch  hier  der  Steinmetz  uns  einen  Stre 
er  jene  verfuhrt,  sein  LIM  für  IUI  zu  lesen.    Aber  auch  wenn  wir 


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den  Baustyl  des  Fahrthores  und  des  Holzpförtchens  in  den  Zeichnun- 
gen im  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst  betrachten  und 
vergleichen,  werden  wir  auf  dieselbe  Zeit,  und  nicht  in  den  Anfang, 
sondern  in  die  zweite  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  geführt;  schon  die 
wieder  rundbogig  gewordene  Gothik,  sowie  die  Durchkreuzung  der 
Leisten  und  Kehlen  an  den  Erkerfenstern  des  einen,  und  am  Erker- 
träger des  andern  Baues  leiten  uns  dahin. 

Die  Leonhardspforte  war  schon  1388  durch  einen  hohen 
runden  Thurm  befestigt  worden,  doch  erschien  es  auch  in  der  Zeit, 
von  der  wir  sprechen  —  1466  —  nöthig,  das  Thor  selbst  zu  verstärken, 
es  wurde  nun  eingewölbt,  neue  Thorflügel  gemacht,  das  alte  Thor- 
schloss  gebessert  und  wieder  an  das  neue  angeschlagen. 

Das  danach  folgende  Pfbrtchen  am  Weinmarkt  muss  zu  dieser 
Zeit  schon  vermauert  gewesen  sein,  1374  wurde  für  das  Beschließen 
desselben  —  des  Dumpelpörtchens  — noch  Zahlung  geleistet;  nur 
der  Erker  über  demselben  war  beibehalten  worden,  wir  finden  ihn 
unter  dem  Namen  einer  „Ausladung  by  dem  Dtimpelborn"  im  Jahr 
1400  und  als  „Sneck  by  dem  Dümpelborn"  1408  aufgeführt.  Unter 
Sneck  wurde  ohne  Zweifel  ursprünglich  eine  Wendeltreppe,  dann  auch 
das  Thurmchen,  das  sie  barg,  verstanden;  da  besonders  die  Vor- 
thore,  Thorzwinger  jenseits  des  Grabens  solche  Thürmchcn  hatten, 
mittels  denen  man  zum  Aufzug  der  Fallgatter  und  zur  Pfbrtnerwoh- 
mrag  gelangte,  —  so  wurde  oft  das  ganze  Vorthor  so  genannt,  und 
die  Pförtner  als  sitzend  auf  dem  Sneck  verzeichnet. 

Noch  1461  hatte  Meister  Eberhard  ein  neues  Frauenhaus  —  der 
gemeynen  Dochter  hus  by  dem  Dympelborn  —  erbaut. 

Auch  ein  grosses  Thor  auf  dem  Weinmarkt  (dessen  ausser 
Battonn  auch  Feyerlein  gedenkt)  war  damals  schon  vermauert.  Es 
mag  dies  in  der  Zeit  von  1401  bis  1405  geschehen  sein,  wo  man 
die  Mainufer  mittels  eingerammter  Pfähle  und  dahinter  gelegter 
Bohlen,  sowie  durch  den  Schutt  erhöhte,  den  man  vom  Römer  und 
Schwan  und  sonst  aus  der  Stadt  beifuhr  oder  aus  dem  Main  dahinter 
warf.  (1404  Erde  aus  dem  Main  bei  dem  Knäbleinsborn  hinter  die 
Pfähle  zu  werfen.) 

Unfern  dem  Knäbleinsborn  bestand  die  F  r  a  u e  n p  f  o r  t  e.  Die  Mauer 
war  1396  hier  durchbrochen  und  auch  sonst  waren  Mauerarbeiten  hier 
ausgeführt  worden,  um,  wenn  wir  nicht  irren,  die  bald  darauf  soge- 
nannte Frauen -Pforte  dort  anzulegen.  1409  durften  die  Bäcker, 
welche  in  der  Umgegend  des  Kornmarkts  wohnten ,  ihre  Schweine 
nur  zum  Leonhardsthor  hinaus  an  den  Main  „gen  Knebleinsborn"  trei- 
ben, während  die  aus  der  Mainzergasse  sie  nur  vor  die  Frauenpforte 

3* 


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schicken  durften:  und  zwar  sollten  sie  sie  schnell  treiben,  „das*  sie 
vor  der  Leute  Häuser  nit  blieben  stehn";  —  1416  wurde  die  Erde 
au»  dem  Graben,  der  durch  die  Stadt  geht  (aus  der  grossen  Antau) 
bei  Knäbleinsborn  an  den  Main  geführt:  als  man  1417  die  Schleif- 
muhle dort  begann,  wurde  eine  steinerne  Pforte  eingesetzt;  1418  an 
die  „Molen  uff  dem  Mein  zusehen  dem  Knablinsborn  und  dem  Meinzer 
Thorn"  —  sowie  an  das  Frauenhaus  daselbst  zu  dem  Mühlenbau 
Steine  gefahren.  Die  Pforte  erhielt  von  jenem  öffentlichen  Hause 
den  Namen  Frauenpforte  —  und  noch  später  Mühlenpforte.  Aach 
ihr  Umbau  gehört  in  das  Jahr  1456;  dass  dies  von  Grund  aus  ge- 
schah, geht  aus  dem  Wasaerschöpfen  (Osen)  bei  Tag  und  Nacht  im 
Fundament  hervor. 

Der  Unterbau  wird  aus  Stein,  der  Oberbau  aus  Fachwerk  (wel- 
ches im  Bruckhof  zugerichtet  worden  war)  ausgeführt,  auch  hier 
fehlt  der  Schmuck  nicht ,  wenn  man  auch  keine  grossen  Kosten  darauf 
verwendete,  denn  man  gab  dem  Maler  nur  10  Heller  „für  ein  Mas 
Wyna,  von  den  Wappen  uff  der  frawenporten  zu  malen".  Man 
überzog  gewisse  Dachtheile  mit  Blech  und  setzte  4  Knäufe  darauf, 
welche  zusammen  158  0  wogen. 

Wir]<aben  hier  eine  ganze  Reihe  bedeutender  Werke  des  Meisters 
Eberhard  Friedeberg  aufgefülirt,  und  wollen  sie  nochmals  mit  deneu, 
die  Sen.  Dr.  Gwinner  in  Kunst  und  Künstler  in  Frankfurt  erwähnt, 
und  denen,  welche  wir  der  gütigen  Mittheilung  des  Herrn  Archivar 
Dr.  Kricgk  verdanken ,  zusammenfassen. 

Ob  die  Bauten  am  Friedberger  Thor  im  .Jahr  1403  von  unserm 
Meister  oder  von  »einem  Vater  gebaut  wurden,  bleibt  noch  dahin- 
gestellt ;  1435  baute  er  den  Thurm  Frauenrode  am  Römer ;  von 
1441  —1451  den  Thurm  der  Liebfrauenkapelle  zu  Würzburg  und 
noch  andere  Bauten  am  Rhein ;  1445  liehen  ihn  die  Bürger  von  Fried- 
berg von  Frankfurt  zum  Bau  ihrer  Pfarrkirche:  1449  baute  er  an 
dem  Thorzwinger  vor  Kschersheimer  Pforte,  am  Thurme  und  der 
Simskrönung  der  Nikolauskirche  in  Frankfurt  und  gab  sein  Gutachten 
über  die  Burg  Goldstein;  1450-1452  erbaute  er  das  Rondel  im  Holz  - 
magazin  zu  Sachsenhausen;  und  von  1454  bis  58  die  Thore  und 
Thürme  am  Main,  uämlich  die  Metzger-,  Heiliggeist-,  Fahr-,  Holz- 
und  Frauenpforte  mit  ihren  Erkern  und  Thürmen  und  den  Renten- 
thurm. 

Wir  haben  in  Eberhard  Friedeberg  einen  Meister  von  grosser 
künstlerischer  Begabung,  grosser  Erfahrung  und  grossem  Rufe  nicht 
uur  im  Kirchen-,  solidem  auch  im  Kriegs-  und  bürgerlichen  Baufach. 

So  hatte  durch  ihn  innerhalb  weniger  Jahre  (von  1454,  1457  bis 


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1460)  die  Wasserseite  der  Stadt  »ich  verjüngt,  und  bot  sich  im 
Schmuck  der  Formen,  de»  Goldes  und  der  Farben  wehrhaft  und  fröhlich 
den  Blicken  dar,  der  Mainzer  Thurm  beginnt  wie  der  Baven  von 
Cöln  den  Beigen,  dem  die  Pforten  und  Thürme,  die  wir  genannt, 
sich  einfügen,  und  St.  Leonhard,  der  Saalhof  und  das  Heilige  Geist- 
Hospital  eine  höhere  Weihe,  der  alte  Brackenthurm  mit  seinem  Knap- 
pen dem  Fischerfeldthurm  aber  den  passenden  Abschluss  geben. 

Wenn  ich  vergangner  Tage 
Reich  an  Kunst  zu  denken  wage, 
Muss  ich  ihre  Werke  missen 
Da  man  kurz  sie  abgerissen. 


in. 

Mittelalterliche  Schutz-  und  Trutzbauten  im  Innern 

von  Frankfurt. 

Der  städtische  Archivar  Professor  Dr.  Kriegk  hat  uns  von  den 
Frankfurter  Bürgerzwisten  und  Zuständen  im  Mittelalter  ein  so  wahr- 
uud  meisterhaftes  Gemälde  aufgestellt,  und  mir  neben  der  Liberalität 
der  städtischen  Archiv- Deputation  durch  seine  fördersamstc  Gefällig- 
keit die  Lust  belebt  und  die  Quellen  eröffnet,  dass  ich  es  unternehme, 
einige  Veduten  aus  dem  Stadt-Innern  jener  Zeit  zu  skizziren  und  sie 
der  Zeitschrift  eines  Vereins  Ubergebe,  in  dessen  Mitte  ich  viele 
der  genussreichsten  Stunden  zugebracht  habe. 

Man  würde  irren,  wenn  mau  glauben  wollte,  mit  der  Umschliessung 
der  mittelalterlichen  Stadt  mit  Mauern,  Thürmeu  und  Thoren  seien 
ihre  Befestigungsbauten  abgemacht  gewesen. 

So  sehr  es  im  Interesse  der  Bürgerfreiheit  lag,  keine  „festen 
Häuser"  und  Thürme  in  ihrem  Innern  oder  in  ihrem  Umfang  zu 
dulden,  so  war  die  Macht  des  Einzelnen  oder  der  Einfluß«  der  Ver- 
hältnisse doch  sehr  oft  grösser  als  der  Widerstand  dagegen  und 
stärker  als  alle  kaiserlichen  Befehle.  —  Das  Versprechen,  das  Kö- 
nig Richard  1257  gegeben,  innerhalb  Frankfurt  keine  burglichen 
Bauten  anzulegen,  das  1322  von  Kaiser  Ludwig  ertheilte  Privilegium, 
dass  künftig  Niemand  in  einem  Bering  von  5  Meilen  um  die  Stadt 
einen  burglichen  Bau,  eine  Burg  oder  Stadt  anlegen  sollte,  und  die 
Bestätigung  dieses  Privilegs  durch  Karl  IV.  im  Jahr  1366  hatten  kein 


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I 


—   38  - 

anderes  Resultat,  als  uns  zu  zeigen,  daas  die  Bürger  Grund  hatten 
die  entgegenstehende  Absicht  zu  befürchten. 

Von  den  Ketten,  welche  der  Rath  selbst  zur  Hemmung  von 
Volksaufläufen  oder  zur  Abgrenzung  von  Truppendurchgängen  in 
gewissen  Strassen  befestigen  und  schlieasen  liess  —  bis  zu  den  festen 
von  hohen  Mauern  und  sichern  Thoren  umfangenen  Höfen  und  zu 
den  VertheidigungsthUrmen,  welche  die  Strassen  flankirten  und  die 
niedern  Nachbarhäuser  beherrschten  —  und  welche  der  Rath  oder 
mächtige  Einheimische  wie  Auswärtige  in  der  Stadt  ausführten,  lie- 
gen eine  Menge  Uebergänge  von  kleinem  zu  grössern  Befestigungs- 
anlagen, die  Bich  selbst  von  Burgen  zu  Gegenburgen ,  von  Schutz  - 
zu  Trutzfesten  neben  einander  steigerten. 

Der  FrohDhonaorn. 

Wenn  man  den  Belagerungsplan  von  1562  betrachtet,  so  fällt 
am  Ende  der  heutigen  Predigerstrasse  ein  stattlicher  Thurm  auf,  von 
dem  heute  keine  Spur  mehr  vorhanden.  Auf  den  Merian'schen  Plä- 
nen von  1628  und  den  folgenden  Jahren  erkennt  man  neben  jenem 
Thurm  einen  von  Mauern  und  einem  Thor  beschlossenen  Hof  mit 
einem  Ziehbrunnen.  —  Es  ist  der  dem  Probst  des  St  Bartholomäus- 
Stifts  zuständige  Frohnhof. 

Der  Thurm  tritt  an  der  Aussenseite  der  Stadtmauern  nur  wenig, 
desto  mehr  aber  an  der  Innscite,  und  namentlich  in  dem  Frohnhof 
vor ,  er  hat  vier  Stockwerke ,  über  welche  der  Zinnensöller  auf  einem 
Bogonfriess  etwas  Ubertritt  und  von  einem  spitzen  Helm  mit  drei 
Erkern  bedeckt  wird.  Die  Erker  sind  auf  dem  altern  Plane  vier- 
eckig und  mit  einer  in  der  Ebene  des  Thurmes  aufsteigenden  Mauer- 
front —  auf  dem  Merianischen  aber  als  anscheinend  gezimmerte 
sechs-  oder  achteckige  Thtirmchen  dargestellt  Wir  sehen,  dass  der 
Thurm  auch  unten  auf  der  Höhe  der  Stadtmauer  von  einem  Bogen- 
friess  umgeben  ist,  welcher  auf  späteren  Plänen  verschwindet  oder 
durch  eine  sockelartige  Verstärkung  verdeckt  wird,  indem  sie  viel- 
leicht selbst  oder  in  ihrem  Unterbau  schadhaft  geworden,  allem  An- 
schein nach  unterfahren  worden  ist  Ein  Bogenfriess  in  den  untern 
Lagen  eines  Thurmes  konnte  entweder  einen  Umgang  tragen,  wel- 
cher den  Wehrgang  der  Stadtmauer,  ohne  das  Innere  des  Thurmes 
zu  betreten,  fortsetzte,  oder  er  musste  mit  Zinnen  gekrönt  den 
Thurm  hier  schon  abschliessen.  —  Jedenfalls  zeigt  er,  daas  der 
Thurm  von  hier  an  einen  wesentlichen  Umbau  erfahren  hat  Ur- 
kundliche Nachrichten  bestätigen  dies.    Nachdem  das  Stadtrechen- 


"V. 

ä 


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-    39  — 


buch  von  1364—55  9  &  Heller  nachweist  „umb  einen  Erker  der  vir- 
kauft  ward/'  und  uns  aus  dem  nachfolgenden  die  Vermuthung  frei- 
stellt, es  handle  sich  hier  um  einen  natürlich  hölzernen  Erker,  der, 
wie  andere  Stellen  der  Stadtniauor,  beim  ersten  Bau  auch  hier  provi- 
sorisch da  angebracht  worden  war,  wo  später  ein  steinerner  Thurm 
erbaut  werden  sollte  — sagt  uns  Lersner  I.  20:  in  diesem  Jahre  1356 
ist  der  runde  Thurm  in  der  Stadtmauer  bei  dem  Frohnhofe  erbaut 
worden.  —  Wir  nehmen  an,  dass  dies  nur  bis  zu  der  Höhe  geschah, 
mit  welcher  die  Zinnenfirste  über  dem  untern  Bogenfriess  ab- 
schloss  und  dadurch  immer  noch  höher  war  als  die  1381  bewerkstel- 
ligte Erhöhung  der  Mauer  am  Frohuhof.  Im  Jahre  1406  und  7 
finden  wir  aber  im  Baumeisterbuch  einen  nochmaligen  Bau  am  Frohn- 
hofthunu,  und  zwar  unter  Umständen  verzeichnet,  die  uns  lehren, 
dass  es  sich  um  einen  hohen  Bau  handelt;  deun  es  werden 
Pferde  angewandt,  um  die  Baumaterialien  über  zwei  Rollen  hinauf- 
zuziehen. Es  werden  Zahlungen  an  Handlanger  und  Holzschneider 
für  den  Thurmhelm  geleistet,  und  in  der  Woche  vor  Ostern  1408 
30  Gulden  berechnet,  dem  Zimmermann  „an  dem  Helm  uff  denThorn 
im  Frohnhof  zu  machen  mit  vier  Erker,  Symsen,  Dore,  Finster  und 
Lene  zu  machen  als  im  daz  verdingt  was;  item  den  murern  ö*/a  dag 
uff  den  Erkern  uff  den  Thorn  im  Frohnhof  zu  arbeiten "  und  endlich 
fünf  Knäuff  für  denselben  in  Rechnung  gestellt  Es  ist  daher  keine 
Frage,  dass  der  Thurm  um  diese  Zeit  so  viel  höher  gemacht  wor- 
den ist  und  vier  Erker  bekam,  welche  wie  der  Haupthelm  mit  Knäuffen 
und  Fähnlein  verziert  wurden. 

Aber  es  lassen  sich  auch  die  Gründe  angeben,  weshalb  dieser 
Bau  eben  jetzt  vorgenommen  wurde.  Die  feindselige  Stimmung, 
welche  zwischen  der  Stadt  und  den  drei  geistlichen  Stiften  bestand,  hatte 
sich  bei  der  Geistlichkeit  des  St  Bartholomäusstiftes  so  weit  gestei- 
gert, dass  im  Sommer  1406  dessen  Dechant  Johann  Musshund  und 
sein  Offizial  die  Bürgermeister  —  ob  alle  drei,  Gerbrecht  von  Glau- 
burg, Conrad  Wyss  und  Diele  Monthabur,  oder  nur  zwei,  wird  nicht 
gemeldet,  —  als  sie  ohne  Zweifel  wegen  der  dort  beabsichtigten 
städtischen  Befestigungsbauten  in  den  Hof  kamen,  fest  halten  liess, 
und  sie  nur  durch  Uebersteigung  der  Mauer  ihre  Freiheit  retteten. 

Die  Erhöhung  des  Thurmes  war  keineswegs  durch  ein-  fortifika- 
torisches  Bedürfniss  nach  Aussen  hervorgerufen,  denn  jener  Stadt- 
theil  war  durch  seine  zurückgezogene  Lage  hinter  dem  wenig  zu- 
gänglichen wasserreichen  Fischerfeld,  sowie  durch  den  Elkenbach, 
der  hier  durch  den  Stadtgraben  dem  Main  zufloss,  mehr  als  jeder 
andere  gesichert 


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-    40  - 

Auch  hat  man  den  Thurm  nicht,  wie  es  zur  Vertheidigung  gegen 
eben  äussern  Feind  zweckmässig  gewesen  wäre,  aussen  vor  die  Mauer, 
sondern  in  den  Frohnhof  eintretend  gesetzt.  Die  festen  Höfe  in  der 
Stadt,  zumal  solche,  welche  durch  ihren  unmittelbaren  Anschlug  an 
die  Umfassungsmauer  eine  Communikation  nach  Aussen  und  mit  den 
Feinden  der  Stadt  möglich  machten,  waren  Uebelstände,  die  man 
bei  der  Feindseligkeit  der  Hofbesitzer  und  nach  solcher  Gewahthat 
doppelt  empfand,  und  durch  die  eben  gemeldete  Erhöhung  des 
Thunncs,  der  nun  den  Frohnhof  wehrlos  unter  sich  hatte,  beant- 
wortete. 

Um  dieselbe  Zeit  ereignete  sich  am  andern  Ende  Deutschlands 
fast  dieselbe  Sache.  Auch  in  Danzig  bestand  um's  Jahr  1410  grosse 
Feindseligkeit  zwischen  dein  deutschen  Orden  und  der  Stadt,  und 
auch  hier  setzte  diese  der  Ordensburg,  welche  sich  der  Stadtmauer 
anlehnte,  einen  hohen  Thurm  entgegen,  so  nahe,  dass  man  Alles, 
was  dort  vorging,  übersehen  konnte.  Man  nannte  ihn  „Kick  in  de 
Köck",  weil  selbst  die  Küchengeheimnisse  ihm  nicht  entzogen  waren. 
Auch  er  steht  nur  mit  einer  Achteckseite  vor  der  Stadtmauer  vor, 
ist  100  Fuss  hoch  und  bis  auf  70  Fuss  Höhe  mit  Ausnahme  der  vom 
Wehrgang  zugänglichen  Pforte  ohne  Oeffiiung,  ganz  oben  aber  mit 
breiten  Maschikulis  und  mit  Zinnen  gekrönt  Er  steht  noch  wohler- 
halten, zugleich  ein  Denkmal  dem  tapfern  Bürgermeister  Letzan,  da. 

Man  schlug  und  vertrug  sich  und  übte  die  Kräfte. 

Schon  1409  war  wieder  Friede  zwischen  der  Stadt  und  dem 
St.  Bartholomäusstift ;  1456  gab  selbst  der  Stiftsprobst  250  IC  Heller 
freiwillige  Beisteuer,  um  den  Thurm  am  Frohnhof  von  Neuem  zu 
bewerfen.  —  Wir  finden  ihn  als  Ochsenthurm  im  Schöffenprotokoü 
von  1444,  dann  als  Wollgrabenthurm  und  als  Pulverthurm  hinter  dem 
Frohnhof  bezeichnet,  hier  mit  dem  Zusatz,  dass  wegen  Feuersgefahr 
von  der  Judengassc  kein  Pulver  mehr  in  ihn  gebracht  werden  solle. 
Im  Jahr  1793  wurde  er  abgerissen.  4 

Auf  eben  so  feindlichem  Fuss  wie  mit  dem  Bartholomäusstift 
stand  die  Stadt  auch  mit  dem  Leonhardsstift  und  baute  um  1388  ihm 
entgegen;  und  zwar  trotz  alles  Protestes  auf  stiftlichem  Grund  und 
Boden  einen  hohen  Vertheidigungsthurm.  Weder  seine  Lage  am 
Ufer ,  wo  keine  Belagerungsthürme  gegen  ihn  errichtet  werden  konn- 


«  Vgl.  Battonn  ortl.  Beschreibung  von  Frankfurt  I.  69. 
»  Vgl.  Battonn  1.  c.  I.  64. 


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—    41  — 


ten,  noch  der  Zweck  einer  fernem  Umschau,  die  später  vom  Main- 
zerthurm an  der  Südwestecke  der  Stadt  weit  vollkommener  erfüllt 
wurde,  reichen  aus,  den  Bau  des  Leonhardsthurmcs  zu  rechtfertigen, 
sondern  wir  müssen  auch  hier  den  Grund  für  seine  Lage,  Höhe  und 
Stärke  in  der  Absicht  erkennen,  dem  Leonhardsstift  einen  Zaum  an- 
zulegen und  dessen  Verkehr  nach  Aussen  zu  überwachen.  Er  war 
1391  mit  3  Büchsen  armirt,  und  später  als  städtisches  Archiv  benutzt, 
blieb  er  immer  unter  strengem  Verschluss  des  Raths.  Im  Jahr  1409 
kam  es  zu  einer  für  die  Stadt  günstigen  Ausgleichung  mit  den 
Stiften  und  wir  hören  später  nichts  mehr  von  ernsten  Streitigkeiten. 
Im  Jahr  1808  wurde  der  Leonhardsthurm  abgerissen. 

1  Der  Möncbsthorm.  *       *  , 

Gleichfalls  nicht  ohne  Absicht  gegen  die  Dominikaner  ist  der 
Mönchsthurm  erbaut,  welcher  von  deren  Vulgärnamen  und  Kleidung 
auch  Prediger-  und  Weisse-Thurm  benannt  worden  ist.  Das  Kloster 
war  schon  1238  hier  an  einer  sumpfigen,  vom  Elkenbach  benetzten 
Stelle  an  dem  alten  Stadtgraben  nicht  fern  der  Stadtmauer  auf  einem 
Platz  bei  dem  Lachen  gelegen ,  zu  bauen  begonnen ,  und  nach  Mass- 
gabe der  beschränkten  Mittel  vollendet  worden.  Seine  Geistlichen 
hatten  das  Interdikt,  welches  wegen  der  Parteinahme  der  Stadt  für 
den  Kaiser  Ludwig  über  Frankfurt  verhängt  worden  war,  zur  Aus- 
führung gebracht,  und  waren  deshalb  1335  vertrieben  worden;  sie 
kehrten  zwar  wahrscheinlich  nach  dem  Tode  des  Kaisers  1347  wieder 
zurück;  aber  das  Misstrauen  scheint  fortbestanden  zu  haben.  Wahr- 
scheinlich um  diese  Zeit  wurde  der  Mönchsthurm  erbaut;  dies  geschah 
zu  einer  Zeit,  wo  er  eigentlich  keinen  Vertheidigungszweck  nach 
Aussen  mehr  zu  erfüllen  hatte,  denn  die  von  Kaiser  Ludwig  im  Jahr 
1333  gestattete  neue  Mauerumschliessung  war  damals  schon  viel  wei- 
ter vorgerückt  und  ausgeführt,  denn  es  heisst  z.  B.  in  dem  Stadt- 
rechenbuch von  1349  „item  Gerharte  Zimmermanne  von  den  eylfEr- 
kerchin  umb  die  Stadt  und  umb  den  Judenkirchhob  zu  machen  67s  fr." 

Diese  bestanden  dort  allerdings  schon,  ehe  die  Mauer  selbst  aus- 
geführt war,  und  dienten  zur  bessern  Verteidigung  des  zuerst  nur 
palisadirten  Grabens;  wurden  dann,  als  man  mit  dem  Bau  der  Mauer 
allmälig  an  sie  kam,  wieder  abgebrochen,  verkauft  und  durch  stei- 
nerne ersetzt;  1354  werden  9  fß  um  „einen  Erker  der  verkaufft  ward;" 
1358  wieder  9  %  „umb  eyuen  erkyr  Gerharte  Salinsteyn  by  sime 

3  Vgl.  Battonn  1.  c.  I.  37.  Anch  am  Liehfrauenberg  erbaute  die  Stadt  einen 
Thurm  der  noch  steht  und  seit         als  Glockenthurm  der  Kirche  dient. 


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-    42  - 

I 

garten ,  und  den  (Krker  nämlich)  Bai  man  ime  gebin  wann  die  mure 
darkommt",  und  um  Wettmachten  desselben  Jahres  wieder  11  £ 
„umb  eynen  erker  den  neyston  (nächsten)  den  man  abbricht",  verein- 
nahmt. Der  auch  später  öfters  erwähnte  Halmensteiiis  Erker,  oder  „Erker 
hinder  Salraensteyner  Hof",  lag  wie  dieser  zwischen  dem  Judeneck 
und  den  Judenbacköfen.  An  seiner  Stelle  sehen  wir  auf  dem  Plan 
von  1652  und  dem  Alerianischen  ein  sehr  stattliches  mit  Erkern  und 
Thürmchen  versehenes  btlrgerlices  Haus,  das  Salmenateinische,  auf 
der  Stadtmauer  aufsitzen. 

Eine  Veranlassung,  hinter  diesen  Mauern  und  Erkern  an  der 
zurückliegenden  altern  Stadtmauer  noch  einen  Thurm  wie  den  Mönchs- 
thurm zu  bauen,  muss  also  nicht  in  einem  äussern,  sondern  in 
einem  innern  Feinde  gesucht  werden.  Im  Jahr  1384  kamen 
Schlosser- Reparaturen ,  1396  desgleichen  an  dem  Stockhaus  im 
Mönchsthurm,  1413  werdeu  die  Bönen  (Bühnen  =  das  Gebälk), 
mittels  11  Zimmermanns -Tagewerken  „uff  dem  Gefengnis  uff 
Prediger  Thorin  wieder  gemacht",  auch  Mauer  und  Estricharbei- 
ten hergestellt.  Auf  dem  ältesten  Stadtplan  und  nach  den  noch  vor- 
handenen Ueberresten  stellt  er  sich  als  ein  runder  Thunn  von  30 
Fuss  Durchmesser  dar,  welcher  die  innere  Stadtmauerflucht  tangirend 
fast  ganz  nach  Aussen  vorspringt.  Er  hatte  4  Stockwerke  und  einen 
auf  Friessbogen  ausgekragten  Zinnensöller,  welcher  von  einem  kegel- 
förmigen Schieferdach  mit  zwei  Dacherkern  bedeckt  war.  Diese 
gute  ursprünglich  allen  Frankfurter  Befestigungsthürmen  —  auch  dem 
Eschenheimer  —  eigene  Dachconstruction  wurde  später  (zwischen 
1562  und  1628)  dahin  abgeändert,  dass  das  Schieferdach  beseitigt 
und  hinter  dem  Zinnengang,  welcher  nun  unbedeckt  blieb,  ein  stei- 
nerner spitzkegelförmiger  Helm  aufgemauert  wurde;  es  wurde  da- 
durch zwar  die  kleine  jährliche  Unterhaltung  des  Schieferdaches  er- 
spart, aber  bei  Vernachlässigung  eine  langsam  fortwirkende  Zerstö- 
rung des  ganzen  Mauerwerks  vorbereitet.  Da  der  Thurm  später  als 
Pulverthurm  benutzt  wurde,  so  rechtfertigt  dies  jedoch  die  neue 
feuersicherere  Construction.  1786  sollte  er  abgebrochen  werden,  aber 
seine  V/t  Fuss  dicke  Mauer  und  ihre  ungemeine  Festigkeit  erschwer- 
ten die  Arbeit  so,  dass  man  für  gut  fand  den  untern  Theil  davon 
stehen  zu  lassen;  wie  er  auch  noch  zwischen  dem  Dominikaner- 
Kasernenhof  und  der  Judengasse  sichtbar  ist. 

Der  Ulriehsteti. 

In  den  Streitigkeiten,  welche  während  der  zweiten  Hälfte  de» 
14.  Jahrhunderts  in  Frankfurt  bestanden,  treten  vor  allem  Ulrich  HL, 


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—    43  — 

Herr  von  Hanau,  Sifried  zum  Paradis  und  Jacob  Knobloch  hervor; 
wir  sehen  alle  drei  im  Besitz  oder  im  Bau  befestigter  Sitze  begriffen, 
die  in  der  Stadt  oder  ihrem  nächsten  Weichbild  lagen. 

Ulrich  von  Hanau  vertrat  als  Landvogt  der  Wetterau  den  Kaiser 
in  Frankfurt;  als  Pfandinhaber  des  Schultheissenamtes  kam  ihm  die 
Rechtspflege  in  der  Stadt  und  deren  Einkünfte  zu,  er  ernannte  den 
Schulthciss;  ebenso  besasa  er  die  19  Dörfer,  welche  das  Gericht  des 
Bornheimer  Berges  bildeten.  Ihm  war  der  Reichswald  mit  dem  Forst- 
amt verpfändet  und  aus  gleichem  Rechte  zog  er  die  Hälfte  des  Um- 
geldes  in  Frankfurt,  sowie  die  Judensteuern  zahlreicher  Ortschaften 
in  der  Umgebuug  der  Stadt  Da  sich  viele  seiner  Unterthanen  in 
Frankfurt  niedergelassen  hatten,  so  war  er  der  städtischen  Freiheit 
gegenüber  im  Besitz  von  grossen  Mitteln  des  Einflusses  und  der 
Gewalt,  denen  für  alle  Fälle  eine  feste  Burg  —  unmittelbar  an  der 
Stadt  gelegen— wir  meinen  den  Ulrichstein  —  als  Stützpunkt  diente. 
Dass  dem  so  gewesen,  dass  der  Ulrichstein  wirklich  dem  Herrn 
von  Hanau  gehörte,  können  wir  allerdings  zur  Zeit  noch  nicht  ur- 
kundlich nachweisen,  doch  wie  es  uns  scheint,  sehr  wahrscheinlich 
machen.  Wir  finden  den  Ulrichstoin  (an  der  Stelle  des  heutigen 
Schaumainthors)  zum  erstenmal  1391  und  zwar  im  Besitz  der  Stadt 
erwähnt  bei  Gelegenheit,  dass  die  Rathsfreunde  Hertwin  Guldenschaff 
und  Arnold  zu  Lichtenstein  die  Geschütze  der  Stadt  und  ihre  Ver- 
theilung  auf  den  Befestigungswerken  beschreiben.  Damals  war  der 
Ulrichstein  mit  „3  Bussen,  1  Ladeysen,  2  Pengysen,  1  Sack  Pulver, 
2  Stegreifarmbrusten,  2  Gürtel,  3  Laden  mit  Pylen,  21  Blykoczer" 
(Bleikugeln)  ausgerüstet  Einige  Jahre  früher  thut  Baldemar  von 
Peterweil  (f  1382)  in  seiner  Beschreibung  von  Frankfurt,  wo  er  den 
westlichen  Theil  von  Sachsenhausen  aufführt,  noch  keine  Erwähnung 
vom  Ulrichstein.  Man  kommt  daher  auf  die  Vermuthung,  dass  der- 
selbe erst  zwischen  der  Abfassung  seiner  Topographie  und  dem  Jahr 
1391,  und  zwar  von  Niemand  anderm  als  von  dem,  dessen  Namen 
er  trägt,  erbaut  worden  sei  Die  Limburger  Chronik  erzählt,  dass 
etwa  um  dieselbe  Zeit  (1360)  ein  Graf  von  Isenburg,  eine  Burg  er- 
baut und  Gretenstein  genannt  habe,  „denn  sein  Libge  hies  Gretha"; 
aber  Herr  Ulrich  mochte  sich  nicht  gleicher  Galanterie  von  Frank- 
furt zu  versehen  gehabt,  und  daher  besser  gethan  haben,  selbst  seinen 
Namen  im  Ulrichstein  zu  verewigen.  Wollte  man  den  Namen  und 
Bau  der  Burg  nicht  von  diesem  Ulrich  HI.  von  Hanau,  sondern 
schon  von  jenem  Ulrich  H.  von  Minzenberg  ableiten,  der  1221  einen 
grossen  Theil  seines  Besitzes  in  Sachsenhausen  an  den  deutschen 
Orden  abliess,  so  leitet  auch  dies  uns  wieder  auf  den  Landvogt 


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Ulrich  als  den  Besitzer  von  Ulrichstein,  weil  er  von  mütterlicher 
»Seite  von  den  Minzenbergern  abstammte  und  deren  grosser  Besitz 
1255  an  die  sechs  Erbtöchter  kam,  deren  eine  Ulrichs  von  Hanau 
Grossmutter  (t  1292)  war. 

Die  Benennung  Stein  ist  eine  im  14.  Jahrhundert  für  Burgen 
gebräuchliche,  ohne  dass  deshalb  so  wenig  wie  beim  italienischen 
Kocca  oder  dem  französischen  la  röche  an  einen  Felsen  gedacht 
werden  muss.  Am  Ausfluss  der  Weschnitz  in  den  Rhein  lag  z.  B. 
die  Burg  Stein,  die  aus  der  Darstellung  von  Merian  zu  schliessen, 
dem  14.  Jahrhundert  angehörte,  fern  jedem  Felsen  oder  Stein. 

Wie  die  Stadt  in  den  Besitz  des  Ulrichsteins  kam,  ist  nicht  be- 
kannt; wir  vermuthen  aber,  dass  es  in  ähnlicher  Weise  geschah,  wie 
es  Sifried  zum  Paradies  gelang,  auch  das  Schultheissenamt,  den 
Reichswald  raft  dem  Forstamt,  vielleicht  auch  das  Ilmgeld,  dem  Herrn 
von  Hanau  zu  entziehen  und  für  alle  Zeit  der  Stadt  zu  verschaffen. 

Der  Ulrichstein  bestand  in  einem  runden,  in  Bekrönung  und 
Gedäch  dem  Bergfried  von  Steinheim  bei  Hanau  und  dem  Eschen- 
heimer ähnlichen  Thurm  mit  Nebengebäuden,  durch  welche  der 
Thorweg  führte.  Er  wurde  wahrscheinlich  gleich  damals,  als  man 
in  seinen  Besitz  kam  und  als  die  weiter  zurückliegende  Fischerpforte 
einging,  mit  in  die  Befestigung  von  Sachsenhausen  gezogen,  und 
diente  zur  Vertheidigung  des  neuen  Thores.  Wir  finden  im  Bau- 
meisterbuch erwähnt,  dass  1396  ein  Thor  am  Ulrichstein  eingehängt, 
und  dasB  Stcindecker,  Cleiber,  Ofensetzer  und  Fenstermacher  daselbst 
beschäftigt  waren.  1401  wurden  22  Hölzer  gebraucht,  ein  Hub 
(Fallgatter)  der  Pforte  au  Ulrichstein  zu  machen;  1402  wurde  eine 
Wächterhütte  daselbst,  und  1407  hier  und  an  der  benachbarten  Oppen- 
heimer Pforte  verschiedene  Wintereinrichtungen  für  die  Wächter  ge- 
macht. Im  Jahr  1409  wurden  die  Ketten,  mit  denen  bei  Tag  die 
ThorötTnung  verhängt  wurde,  damit  das  Vieh  sich  nicht  in's  Feld 
verliefe,  nieder  gehangen  „von  der  Kedden  die  an  Ulrichstein  ge- 
macht ist  uz  zu  hauen  und  wieder  anzugiessen  an  beiden  Enden  als 
die  zu  hoch  war  und  die  Kuwe  darunter  us  hin  gingen".  Es  bestand 
daselbst  ein  Graben,  über  den  eine  Brücke  führte,  und  an  dessen 
Rand  mau  1418  die  Zwingerniauer  erbaute.  1416  zerschlug  das 
Wetter  das  Dach.  Als  im  Jahr  1439  Eberhard  von  Erbach  mit  vie- 
len seiner  Mitrittcr  und  Zuleger  die  Kühe  vor  Sachsenhauscu  weg- 
genommen hatte,  sah  man  sich  veranlasst,  dort  und  namentlich  am 
Ulrichstein  grosse  Bauten,  theilweise  im  Wasser  vorzunehmen.  Erst 
im  Jahr  1470  wird  die  Pforte  am  Ulrichstein  so  gross  gemacht,  das» 
zwei  Pferde  mit  einem  Wagen  dadurch  gehen  konnten.    Aber  ihre 


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grössere  Frequenz  erhielt  sie  erat  1633,  ab  die  Oppenheimer  Pforte 
wegen  der  Belagerung  durch  den  Schmalkaldischen  Bund  durch  den 
neu  angelegten  Wall  zugeschanzt  und  die  betreffende  Strasse  durch 
jene  geleitet  worden  war.  Sie  wurde  deshalb  auch  durch  ein  Vor- 
thor (Barbakan)  verstärkt  und  diesem  der  Name  Schaumainthor  ge- 
geben. 

Der  Sulhof. 

Wie  durch  Sifried  zum  Paradies  die  wichtigsten  Regalien,  der 
Reichsforst  und  das  Schöffengericht  —  und  wir  dürfen  wold  den 
Besitz  des  Ulrichsteins  dazu  nennen  —  aus  den  Händen  eines  mäch- 
tigen Dynasten  in  die  der  Stadt  kamen,  so  hatte  schon  vorher  ein 
anderer  ausgezeichneter  adlicher  Bürger  Jacob  Knobloch  die  kaiser- 
liche Pfalz  auswärtigen  Lehnsinhabern,  dem  Herrn  von  Breuberg, 
dem  Grafen  von  Wertheim,  dem  Herrn  von  Eppstein  und  dem  von 
Heusenstamm  entzogen  und  1338  an  sich  gebracht.  Er  hatte  sie 
dadurch  um  so  ungefährlicher  gemacht  und  um  so  sicherer  seiner 
Vaterstadt  verbunden,  als  er  ihren  Besitz  mit  andern  Bürgern  theilte 
und  ganerbschaftlich  machte. 

Er  hatte  schon  ehe  der  Saalhof  in  seinen  Besitz  gekommen  war, 
denselben  pfandweis  besessen  und  viel  iu  demselben  gebaut.  Als 
man  im  Jalir  1842,  um  zu  neuen  Bauten  Platz  zu  gewinnen,  die 
alten  und  namentlich  einen  viereckigen  Thurm  abbrach,  welcher  der 
Westseite  der  nach  Osten  vorspringenden  Kapelle  vorgebaut  war, 
fand  der  Oberst  Krieg  von  Hochfelden  (Archiv  für  Frankfurts  Ge- 
schichte und  Kunst,  3.  Heft  1844)  in  dessen  Unterbau  die  Baumerk- 
male  der  Carolingischen,  in  den  mittlem  Stockwerken  die  der  fränki- 
schen oder  der  sächsischen  Kaiserzeit;  während  der  4.  Stock,  wie 
berichtet  wird,  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  angehört  zu 
haben  schien.  Woraus  dies  geschlossen,  wird  nicht  gesagt,  und  da 
hier  wie  überhaupt  bei  Befestigungsbauton,  die  im  Gegensatz  mit 
kirchlichen,  arm  an  Steinmetzarbeiten,  an  Ornamenten  und  Profili- 
rungen, die  Kriterien  der  Bauzeit  daher  auch  minder  scharf  sind, 
so  halte  ich  es,  ohne  meinem  hingeschiedenen  Freunde  zu  nahe  zu 
treten,  für  wahrscheinlicher,  dass  jenes  obere  Stockwerk  überhaupt  im 
14.  Jahrhundert,  und  zwar  damals  gebaut  wurde,  als  Knobloch  noch 
besser  bei  Kasse  und  namentlich  der  Saalhof  noch  kaiserlich,  also, 
was  die  Befestigungen  anlangte,  nicht  unter  bürgerlichen  Verordnun- 
gen stand.  Knobloch  benutzte  diese  Baufreiheit ,  um  sich  einen  durch 
den  hohen  Thurm  festen  Burgsitz  zu  schaffen. 

Wenn   die   Inschrift   am  Rententhurm    1404   (IU)  und  nicht 


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1455  (Cü)  lautete;  und  wenn  die  Lersner'sche  Chronik  Recht  hätte, 
tlasa  er  1403  erbaut  worden,  so  hätten  wir  in  ihm  einen  städtischen 
Trutzthurm  gegen  den  Baalhof  und  den  vierstöckigen  Thurm  in  dem- 
selben; dem  ist  aber  nicht  so,  der  Rententhurm  ist  52  Jahre  später 
erbaut  1449  sind  es  die  städtischen  Baumeister,  die  Zinnen  am 
Saalhof  zumauern  und  Schiesslöcher  einsetzen  lassen,  was  damals 
eine  allgemeine  Staatsregel  filr  alle  städtischen  Befestigungen  war. 
Erst  1456  beginnt  der  Bau  der  Fahrthorpforte  und  des  Rententhurmes. 

H«.  Ii  nnhlAAhehnf 
WCl   ILBvlllvl  II  „>  U  U I  < 

Wie  Jacob  Knoblauch  als  wehrhafte  Burg  in  der  Stadt  den 
Saalhof  an  sich  zu  bringen  gewusst,  so  besass  seine  Familie  auch 
im  Knoblauchshof  —  heute  Kühhornshof  4  —  einen  festen  Burgsitz 
an  einem  für  Frankfurt  sehr  wichtigen  Zugang,  nämlich  da  gelegen, 
wo  die  älteste  Abzweigung  von  der  Römerstrasse  nach  Frankfurt 
hinabführt.  Aber  auch  ihn  finden  wir  zu  Ende  des  14.  Jahrhunderts 
unter  dem  Oeffiiungsrecht  der  Stadt,  sie  verfügt  und  zahlt  die  dortigen 
zur  Befestigung  nöthigen  Bauten,  verdingt  1404  dem  Ziinmermeister 
Mengoz  den  Helm  auf  den  Thurm  für  24 Gulden,  legt  eine  steinerne 
Treppe  an  und  lässt  —  woraus  die  Grösse  des  Baues  erhellt  —  28 
neue  Fenster  daselbst  einhängen;  sie  lässt  sowohl  die  „uff  ziehend 
brücken  am  Clobclshof"  selbst,  als  auch  den  Schlag  und  Steg  bei  dem- 
selben in  Stand  erhalten.  Kurz  der  Knoblauchshof  dient  der  Stadt 
vollkommen  als  Warte,  welche  die  Eschenheimer  und  die  Ekcnheimer 
Strasse,  zwischen  welchen,  selbst  einen  Thcil  der  Landwehr  bildend, 
sie  liegt,  überwacht. 

Der  GrfMvogel. 

Finden  wir  so  Jacob  Knoblauch  den  ältern  als  Freund  des  Kai- 
sers Ludwig  im  Besitz  fester  Burghäuser  in  und  vor  der  Stadt,  so 
sehen  wir  Sifried  vom  Paradies  in  den  bürgerlichen  Unruhen,  die  er 
so  siegreich  bekämpfte,  bestrebt ,  ja  genöthigt  sich  gleichfalls  in  einem 
festen  Burghaus  eine  Basis,  eine  Bürgschaft  für  seine  persönliche 
Sicherheit  zu  schaffen. 

„Im  Jahre  1364",  sagt  Kriegk  in  seinem  oben  angeführten  Werke, 
„drang  eine  bewaffnete  Schaar  bei  Nacht  und  Nebel  in  Sifrieds  Haus 
ein.  Sie  ward  von  dem  Rathsherrn  und  Metzger  Henne  Wirbel  an- 
geführt, welcher  1360  schon  einmal  wegen  einer  revolutionären  Hand- 
lung durch  den  Kaiser  bestraft  worden  war,  und  noch  wenige  Wochen 

♦  Auch  Bertramshof  genannt  Vgl.  Battonn  1.  c  I.  246. 


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vorher  das  Bürgermeisteramt  bekleidet  hatte.  Er  und  seine  Genossen 
überfuhren,  wie  der  urkundliche  Ausdruck  lautet,  den  Schöffen  Sifried 
mit  hässlichen  und  frevelichen  Worten,  welche  dem  Kaiser,  dem 
Reiche  und  dem  genannten  Schöffen  schmählich  und  unehrlich  laute- 
ten. Die  Angreifer  wollten  offenbar  Sifried  weder  gefangen  nehmen 
noch  tödten,  sondern  blos  durch  angedrohte  Lebensgefahr  einschüch- 
tern und  entweder  zur  Abdankung  oder  zur  Uebernahme  gewisser 
Verpflichtungen  nöthigen.  Ihre  Absicht  scheiterte  jedoch  an  dem 
unerschütterlichen  Muthe  Sifrieds.  Dieser  begab  sich  hierauf  sogleich 
klagend  nach  Prag,  und  erwirkte  vom  Kaiser  sowohl  den  Befehl, 
dass  Schultheiss,  Schöffen  und  Rath  den  Henne  Wirbel  und  seine 
Mithelfer  gebührend  bestrafen  sollten,  als  auch  die  Erklärung,  dass 
der  Kaiser  den  Schöff  Sifried  im  fortwährenden  Besitze  seines  Schöffen- 
arates  erhalten  haben  wollte,  und  dass  jeder,  welcher  denselben  mit 
Worten  oder  Werken  in  diesem  Amte  hindero  oder  dränge,  in  des 
Reichs  Ungnade  und  in  die  gesetzliche  Busse,  sowie  noch  insbeson- 
dere in  eine  Strafe  von  10  Pfund  Gold  verfallen  sein  solle." 

Doch  der  Kaiser  war  fern  und  sein  Wort  nie  gar  mächtig.  Die 
Revolution  der  Zünfte  gegen  das  Patriziat  kam  nach  jenen  Vorgän- 
gen nur  noch  mehr  in  Fluss,  und  so  war  nichts  natürlicher,  als  dass 
Sifried  sich  nach  einem  Ort  umsah,  in  dem  er  gegen  nächtliche 
Ueberfalle,  und  wenns  kam  auch  gegen  den  Sturm  eines  aufgeregten 
Pöbels  sicher  war. 

Er  erwarb  im  Herbst  1366  neben  seinem  gegenüber  der  Lieb- 
frauenkirche  gelegeneu  Haus  zum  Paradies  von  Irmentrud  des  Jacob 
Roden  Wittwe,  Jeckel  ihrem  Sohn  und  Lucard  dessen  Hausfrau 
alle  ihr  Recht  an  dem  Haus  Grimvogcl  (die  Ecke  des  Liebfrauen- 
berg  und  der  neuen  Kräm)  und  im  darauf  folgenden  Jahre  auch 
noch  das  südlich  daneben  liegende  Eckhaus  (des  Salmansgässchens) 
und  erbaute  an  deren  Stelle  1367  ein  festes  Wohnhaus  mit  einem 
mächtigen  Bergfried  auf  der  ebengenannten  Ecke.  Derselbe  hatte 
4  Stockwerke,  wie  er  sich  in  Reifenstein's  trefflicher  Zeichnung  dar- 
stellt, von  denen  das  obere  auf  Friessbogen  etwas  übergebaut  war, 
und  den  Söller  mit  Zinnenbekrönung  trug.  Es  macht  also  keine  Hehl 
aus  seiner  wehrhaften  Absicht.  Während  auf  drei  Ecken  Erkerthürm- 
chen,  Wighuslin,  vortraten,  und  sowohl  längs  der  neuen  Kräm,  als 
in  das  Salmansgässchen  hinab  sahen,  führte  auf  der  vierten  Ecke 
ein  gleichfalls  ausgekragtes  Treppen-Thürmchen  zwischen  dem  Berg- 
fried und  dem  Wohnhaus  bis  zu  dessen  ersten  Stock  hinab.  Ebener 
Erde  war  das  Haus  in  vier  grossen  Arkaden  geöffnet,  und  gestattete  so 
Waarenlager  und  bürgerlichen  Verkehr  •,  sie  waren  aber  deshalb  nicht 


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minder  fest,  denn  die  Vertheidigung  ging  überall  vom  ersten  Stock 
aus,  und  wehe  dem  Angreifer,  der  in  den  Bogenhallen  des  Erdge- 
schosses sich  Sieger  geglaubt  hätte,  er  würde  durch  Gusslöcher  im 
Gewölbe  und  durch  aufgehobene  Fussbodendiele  von  Oben  mit  Ver- 
derben überschüttet  worden  sein,  und  gefunden  haben,  dass  eine 
Treppe  im  Innern  des  Hauses  viel  leichter  als  eine  Hausthür  zu  ver- 
rammeln und  zu  vertheidigen  und  also  schwerer  zu  überwinden  sei. 
Wir  finden  oder  konnten  einst  dieselbe  Anordnung  offener  Arkaden 
finden  in  dem  gegenüberliegenden  grossen  Braunfels,  ferner  im  Haue 
Stolburg,  wo  jetzt  die  deutsch-refonnirtc  Kirche  am  grossen  Korn- 
markt steht,  im  Leinwandhaus,  im  Fürsteneck  und  in  den  im  Römer 
verbundenen  Häusern  sowie  in  andern  im  Stadtplan  von  1566  darge- 
stellten Gebäuden.  Das  Haus  Stalburg  und  Braunfels  hatten  ausser 
der  Zinnenkrönung  und  den  Eckthüraichen  noch  das  gemein ,  dass  in 
der  Mitte  ihrer  Front  ein  kleines  Kapellen-Chor  erkerartig  ausge- 
kragt war.  Auch  der  Grimm vogel  hatte  seine  Kapelle,  von  der  aber, 
da  sie  nach  Osten  gerichtet  sein  niusste,  auf  der  Strassenseite  Nichts 
zu  sehen  war.  Als  letzte  fremd  herabschauende  Erinnerungen  au 
das  wehrhafte  Haus  hat  man  oben  an  dem  zum  Salmansgässchcn 
gewandten  Schnörkelgiebel  Wappen  und  Helm  der  Marburg  ange- 
bracht. » 

Friacnrode. 

Wir  gedenken  hier  nur  noch  eines  Hauses  oder  vielmehr  der  * 
mit  dem  Römer  verbundenen  Häusergruppe ,  welche  die  Stadt  sich 

wie  sie 

die  Bedeutsamkeit  der  Stadt  oft  nöthig  machte,  erbaute.  Auch  hier 
durfte  eiu  fester  Thurm  nicht  fehlen;  und  wenn  derselbe  jetzt  auch 
von  den  anstossendeu  Gebäuden  und  Dächern  grössteutheils  verdeckt 
ist,  so  ist  er  doch  noch  ziemlich  wohl  erhalten  vorhanden,  und  hat 
unter  der  Schlafhaube  des  vorigen  .Jahrhunderts  doch  noch  seine 
Zinnenkrone  zu  bewahren  gewusst  Er  wird  gewöhnlich  als  Ober- 
und  Untergewölb  des  Archivs  bezeichnet  und  vom  Paulsplatz  aus 
leicht  erkannt 

Im  Jahr  1435  wurde  der  Thurm  zu  bauen  begonnen.  Damals 
hat  Meister  Eberhard  (der  Steinmetz)  und  Hcrthenne  für  2  Schillinge 
„Wina  virdrunken  als  sie  den  bawe  hinter  dem  Römer  besahen". 
Wir  finden  den  Bau  als  Gewölb  im  Frauenrode  bezeichnet  Materia- 
lien werden  beigeschan%  Maurer-  und  Steinmetz- Arbeiten  bezahlt;  im 


s  Vgl.  Battonn  IV.  2üT>. 


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darauffolgenden  Jahr  wurde  den  Maurern  4  ß  1  h.  (als  Trinkgeld) 
geschenkt:  „zum  bade  als  das  Geweih  bereitet  was";  und  der  Maler 
erhielt  „4  Ä  14  ß  von  den  4  Thüren  und  den  zwei  Geremsen  zu 
malen  und  zu  firnissen,  4  %  von  den  vier  Adlern  und  4  ß  von  der 
Rosen  zu  malen." 

Dass  er  von  der  Zehe  bis  zum  Scheitel  im  Jahr  1436  vollendet 
war,  erkennen  wir  daraus,  dass  er  auch  seine  Thurmknöpfe  bekam; 
und  zwar  zwei,  weil  sein  Grundriss  nicht  quadratisch,  sondern  ein  läng- 
liches Rechteck  bildete.  6  «  9  ß  für  zwei  „Kneuff  uff  das  Gewölbe 
die  han  gewichte  5  «  für  jedes  22  Heller." 

Die  Zinnen  und  Erker  des  Fürstenecks,  der  gezinnte  Bergfried 
in  dem  daneben  liegenden  Hof  der  drei  Sauköpfe,  das  Haus  zur  Viole 
und  so  viele  andere  bethurmte  uud  zinnenbekrönte  Häuser,  die 
uns  aus  den  alten  Planen  charakteristisch  entgegentreten,  und  deren 
kräftige  Züge  wir  jetzt  in  dem  Einerlei  schmerzlich  vermissen,  er- 
zählen uns  besser,  als  die  leider  so  lückenhafte  Geschichte  von  den 
Aufläufen  und  Kämpfen  im  Innern  unserer  Stadt,  von  Kämpfen,  die 
ihr  so  wenig  als  andern  deutschen  und  italienischen  Städten  erspart 
waren,  und  sich  auch  dort  in  Cöln,  Coblenz,  Regensburg,  Florenz, 
Bologna,  Genua  ihre  steinernen  Monumente  gesetzt  haben.  Bei  dem 
Mangel  von  erzählenden  Darstellungen  der  Begebenheiten  des  14 
und  Anfangs  des  15.  Jahrhunderts  muss  die  innere  Gescliichte  von 
Frankfurt,  wie  dies  Kriegk  in  dem  eingangs  gedachten  Werke  ge- 
than,  mühsam  aus  zerstreuten  Kaiser-Erlassen,  Fehdebriefen,  Kauf- 
acten  und  Rechnungen  zusammengetragen  und  erschlossen  werden; 
auch  die  steinernen  Denkmäler  sind  geeignet,  ihren  Theil  dazu  bei- 
zutragen, wenn  gleich  die  Umschau  auch  hier  zeigt,  wie  reich  wir 
sind  an  Wundmalen,  die  wir  uns  selbst  geschlagen. 


IV. 

Die  Warten.  i 

Frankfurt  hatte  vier  eigentliche  Warten,  die  glücklicher  Weise 
noch  stehen,  die  Bockenheimer,  Galgen,  Friedbergcr  und 


*  Umarbeitung  eines  kürzeren  Vortrags  über  die  Bockenheimer  Warte,  der 
in  der  »Sitzung  des  Vereins  vom  15.  Deoember  "1866  gehalten,  und  in  den  Didas- 
kalien  Nr.  101  vom  12.  April  1866  abgedruckt  wurde.  Vgl.  Mittheilungen  III.  80. 
IV.  4 


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Sachsenhäuser  Warte.  —  Battonn  (Gerd.  Beschreibung 1. 149)  nennt 
auch  noch  eine  Bornhe inier  Warte,  welche  am  Bornheimer  Weg 
am  Ende  der  Weingärten  gestanden  habe,  und  deren  noch  1504  ge- 
dacht werde.  Fichard  fuhrt  dieselbe  au»  dem  Stadt-Rechenbuch  von 
1350  „als  den  Stock  gein  Bornheim"  an,  und  macht  bei  einer  andern 
Gelegenheit,  wo  das  Stadt- Rechenbuch  de  1484  von  der  Warten  zu 
Bornheim  (alibi  gein)  spricht,  die  Bemerkung  „also  die  Friedberger 
Warte". 

Dem,  was  Battonn  von  der  Friedberger  oder  Vilbeler  Warte  sagt, 
haben  wir  vorläufig  nichts  hinzuzufügen.  Ihre  Funktionen  werden,  so 
lang  die  Friedberger  Landstrasse  noch  nicht  angelegt  war,  und  der 
Verkehr  von  Frankfurt  zur  Römerslrassc  noch  ausschliesslich  der 
Rckenhcimer  Landstrasse  folgte,  durch  die  Bornburg  (Günthersburg) 
zur  Rechten,  und  durch  den  Cnoblochshof  (Kuhhornshof)  zur  Linken 
erfüllt  worden  sein.  Erbaut  wurde  die  Friedberger  Warte  nach 
Battonn  1476. 

Vor  Sachsenhausen  :  haben  wir  drei  Warten  zu  unterscheiden. 
1.  eine  hölzerne,  deren  Stand  wahrscheinlich  auf  dem  Mühlberg 
war;  2.  eine  Steinwarte,  sie  stand  ober  dem  Mühlberg  auf  dem 
Neuenberg,  und  ist  auf  dem  Belagerun gsplan  von  1552  als  ein  runder 
Thurm  ohne  Bekrönung  und  Dach  an  ihrem  Platz  zu  erkennen; 
3.  die  noch  heute  erhaltene  Sachsenhäuser  Warte.  Die  erste  höl- 
zerne Warte  begegnen  wir  1396,  wo  ein  Knecht  auf  ihr  wacht, 
und  1411,  wo  daselbst  BüchsenschUtzen  wachten,  als  man  gewarnt 
war;  bei  einer  andern  Gelegenheit,  1415,  sorgen  für  die  Sicherheit 
der  Stadt  ein  Paar  Weiber,  die  Morgens,  ehe  man  das  Vieh  austrieb, 
im  Wald  vor  Sachsenhausen  patrouillirten.  Diese  Holzwarte  wurde 
1425  abgebrochen  und  ihr  Holzwerk  in  die  Stadt  gebracht. 

Die  Stein  warte  am  Neuenberg  wurde  1413  erbaut,  wenigstens 
wird  da  ihr  Helm,  die  Deckung,  Thüren  und  Estrich  in  Rechnung 
gestellt,  eine  Büchse  dahin  gebracht,  das  Warnungszeichen  (der  Korb) 
dort  aufgestellt  Einige  Zeit  lang  bestanden  beide  Warten,  die  Holz- 
und  die  Steinwarte,  denn  1415  wurden  für  erstere  2  Paar  Thürbe- 
schläge, für  die  andere  ein  Schlüssel  bezahlt.  Die  jetzt  bestehende 
Sachsenhäuser  Warte  endlich  wurde  nach  Fichard  1471  erbaut 
und  betrugen  die  Gcsammtkosten  1056  t£  15  ß  1  h. 

Die  Galgen  warte  wurde  ziemlich  gleichzeitig  mit  der  ältern 
Sachsenhäuser  Warte,  nämlich  1414,  erbaut,  nachdem  schon  früher  an 
deren  Stelle  oder  doch  in  ihrer  Nähe  eine  Holzwarte  bestand  und 
1390  ist  von  einer  solchen  im  Niederwalde  die  Rede,  und  auf  diese 
möchte  es  «ich  beziehen,  wenn  Battonn  (I.  148)  behauptet,  dass  die 


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Galgen  warte  1396  zugleich  mit  der  Landwehr  erbaut  worden  sei;  für 
einen  Schlagw  ächter,  wo  diese  durch  den  Höchster  Weg  durchschnitten 
wurde,  war  jedenfalls  ein  festes  Haus  nöthig.  —  Der  um  Vitus,  15.  Juni, 
1414  begonnene  Bau  wurde  rasch  vollendet,  da  die  Zimmerleutc  schon 
um  Jacobi  mit  dem  Aufschlagen  des  Helmes  fertig  waren.  Der  Man- 
tel —  die  Hofumfassungsmauer  —  wird  Mitte  August  den  Arbeit- 
leuteu  um  80     nämlich  32  ß  fUr  die  Ruthe  verdingt,  und  sie  erhal- 
ten dabei  2  ß  6  h.  Winkauf;  der  Thurm  wird  beworfen,  mit  Leven 
gedeckt  und  mit  Knäufen  versehen.  Ende  September  schon  wird  das 
Rüstholz  in  den  Bauhof  zurückgebracht  und  die  Rüstlöcher  vermauert, 
der  Schlagbaum  angebracht,  16  FenBter  „Uber  sich",  und  8  „neben 
sich"  am  Thurm  eingehängt,  und  5  Thüren  angeschlagen.  Die  Warte 
wird  mit  einer  Fahne  zu  1     4  ß  geschmückt,  für  das  Aufziehen  des 
Warnungskorbes  13  tt  gesponnen  Seil  und  um  den  Schlüssel  herab- 
zureichen für  15  Heller  Schnur  angeschafft.  Im  darauf  folgenden  Jahre 
werden  die  Mauern  im  Graben  gebaut,  auf  welchen  die  Brückenstege 
lagen,  und  ein  Brunnen  im  Hof  ausgeführt,  welcher  1419  vertieft  und 
mit  einem  Schwengel  versehen  wird.    Die  Landwehr  vom  Gutleuthof 
bis  zur  Galgenwarte,  welche  bis  dahin  nur  aus  einem  einfachen  Gra- 
ben und  einer  mit  Hecken  besetzten  Erdanschüttung  dahinter  bestan- 
den hatte,  wurde  im  Jahre  1414  zweifcldig  gemacht,  und  erhielt  so- 
mit auch  auf  der  andern  Seite  der  Heckenpflanzung  einen  zweiten 
Graben.    Es  war  dies  die  Normalanlage  der  Landwehr,  welche  sich 
zwischen  der  Sachsenhäuser  Warte  und  dem  Schtitzenplatz  von  Ober- 
rad noch  ziemlich  gut  erhalten  hat,  und  wie  wir  wünschen,  trotz  et- 
waiger forstwirtschaftlicher  Bedenken,  auch  erhalten  wird.  Wir  sehen 
dort  einen  mein*  oder  minder,  50  bis  100  Fuss,  breiten  Waldstreifen 
zwischen  15  bis  30  Fuss  breiten  und  8  bis  12  Fuss  tiefen  steilen  Gra- 
ben längst  Forst  und  Flur  hinlaufen.    Er  und  seine  Grabenränder 
sind  mit  Hecken  und  Baumstümpfen  besetzt,  welche  dadurch,  dass 
ihre  Kronen  gekappt,  ihre  Seiten-Aeste  und  Ausschüsse  eingekerbt 
„gebückt"  und  mit  einander  verschränkt  wurden,  ihr  verkrüppeltes 
Ansehen  erhielten,  durch  dies  Verfahren  aber  auch  so  dicht  mit  ein- 
ander verwuchsen,  dass  sie  sowohl  für  die  raublustige  Ritterschaft  der 
Umgegend  als  selbst  auch  für  einzelne  Leute  undurchdringlich  wur- 
den und  auch  die  wilden  Pferde,  welche  den  Dreieichenforst  bevöl- 
kerten, von  den  Ackerfeldern  abhielten.  Die  Graben  dienten  nicht  min- 
der zum  Schutz  dieses  Gebückes  gegen  das  weidende  Vieh,  als  zur 
Verstärkung  der  ganzen  fortifikatorischen  Anlage. 

Die  Galgenwarte  beschloss  den  ganzen  Terrainabschnitt  westlich 
der  Stadt,  von  dem  Main  bis  zur  Nidda,  indem  die  Landwehr  mit 

4* 


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einer  Palisadirung  oder  Planke,  vom  Gutleuthof,  wo  sie  den  Fluss 
berührte,  bis  zur  Galgemvarte  fortlief  und  sich  neben  derselben  am 
Heller-  (Virnburger)  Hof  an  die  Gewässer  des  Wolfeees  und  des  See- 
grabens, die  mit  der  Nidda  iu  Verbindung  standen,  anschioss.  Dort 
wurden  sie  nur  mittelst  der  leicht  abzuwerfenden  Biegbrückc  von  der 
Römcrstrasse  überschritten. 

Welchen  Gründen  die  Bockenheimer  Warte  ihre  Entstehung 
verdankt,  zeigt  wiederum  ihre  Lage. 

Um  die  Verbindung  von  Frankfurt  mit  der  von  Nidda  über 
Bockenheim  nach  Bergen  ziehenden  Römerstrasse  abzukürzen,  schlug 
man  statt  der  zu  allererst  hierzu  dienenden  Eckenheiraer  Strasse  einen 
Weg  ein,  der  in  seiner  grössten  Strecke  der  Kettenhofweg  ist.  Be- 
ginnend von  der  Rbdelheimer  (Katharinen )-Pforte  über  den  Steinweg, 
die  Bockenheimer  Gasse,  durch  das  Bockenheimer  (Neue  Rödel- 
heimer) Thor,  längs  des  Rustcrsccs,  setzte  man  seinen  Weg  bis  zur 
Biegbrücke  bei  Rödelheim  fort,  um  dort  die  Römerstrassc  zu  erreichen. 

Man  hatte  dabei  zwei  Wasserläufe  oder  sumpfige  Mulden  zu  tiber- 
schreiten, die  der  Grund  waren  ,  weshalb  man  diesen  Weg  nicht  schon 
früher  gewählt  hatte.  Das  erste  Wasser  war  der  Leerbach,  der  alle 
Gewässer  zwischen  der  Eckenheimer  Strasse  (Kirchhofsweg)  und  dem 
Ginnheimcr  Weg  aufnahm  —  also  die  Gewässer  der  Holzhauser  und 
Stallburger  Oede,  der  Bornwiesc,  des  Sauborns,  der  Buttersuppe,  der 
Lindau  mit  dem  Dautcnbrünnchen  und  den  Gerinnen  des  Kirschgar- 
tens und  des  Affensteins  vereinigte  und  unter  dem  Namen  Leerbach 
in  die  Nähe  des  Bockenheimer  Thores  brachte,  und  sie  dort  am  Be- 
ginn der  Bockenheimer  Chausse  durch  eine  Wede  und  eine  Brücke 

dem  Gebiet  des  Rustersees  zuführte.  [1410  uzgeben  zu  dem 

Graben  der  von  Nydenau  her  und  vor  Rcdelnheimer  porten  uff  hin 
gemacht  ist,  darüber  das  brückclchen  vor  Redeinheim  geet  als  man 
den  duffte  und  besserte.] 

Das  andere  zu  überschreitende  Wasser  war  der  Ablauf  des 
Leonhardbrunnens,  welches  durch  den  Rücken,  auf  dem  der  Ghm- 
heimer  Weg  läuft,  von  dorn  des  Leerbachs  geschieden  wird,  dann 
westlich  der  Bockenheimer  Warte  vorUber,  der  Landwehr  entlang, 
zum  Rustersec  und  mit  dessen  Ablauf  durch  die  Biegbrticke  zur 
Nidda  floss. 

Zwischen  diesen  Wassergebieten  lag,  durch  den  Ginnheimer  Weg 
mit  dem  höheren  Land  zusammenhängend,  eine  lange  und  schmale, 
aus  Kies  und  Sand  gebildete  Halbinsel  —  der  Rücken,  der  heute  die 
Bockenheimer  Chaussee  trägt  und  auch  damals  die  Wegeftlhrung  ver- 
anlasste. 


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Der  Abflugs  des  Leonhardbrunnens  bildete  die  Gränze  des  städti- 
schen Gebietes  und  floss  durch  den  Graben  der  dortigen  Landwehr. 
Dieselbe  hatte  hier  zwei  durch  Schläge  gesperrte  Eingänge.  Der  eine 
lag,  wo  jetzt  die  Warte  steht;  der  andere  500  Schritte  südlich,  wo 
der  Kettenhofweg  jenen  Ablauf  des  Leonhardsbrunnens  überschritt;  sie 
hiessen  der  kleine  und  grosse  Schlag.  Der  kleine  Schlag  von  Niden- 
au  hiess  auch  Redelnheimer  Schlag  [Schlag  uff  der  Landwehrlache 
vor  RedelnheimJ,  denn  das  alte  Bockenheim  lag  weit  rechts  ab  bei 
der  Kirche  und  längs  der  Römerstrasse;  der  Büdliche  Schlag  führte 
den  Trivial-Namen  Kuwedregksschlag.  Es  stand  bei  demselben  eine 
Hütte,  in  der  die  Kuwedregksfrau  hauste  und  den  Schlag  öffnete  und 
schloss.  [1411  ....  ein  Slossel  Kuwedregksfrau  zu  einem  Slage  by 
Nydenauwe.    1414.    Derselben  wieder  zwei  Schlüssel.] 

Dort  war  der  (erst  vor  wenigen  Jahren  ausgehauene)  Kuhwald, 
auch  Bockenheimer  Busch  genannt  In  jenem  Wäldchen  ruhte  das 
Vieh  zur  Mittagszeit  und  die  genannte  Frau  sammelte  den  Dünger, 
der,  wie  dem  dortigen  Steeg  auch  ihr  Namen  und  Erwerb  ver- 
schaffte. 

Weniger  umständlich  betrieben  die  Ritter  aus  dem  Taunus  — 
die  Ueberhöhischen  —  ihren  Erwerb,  indem  sie  nach  dem  Vieh  selbst 
griffen,  das  dort  weidete.  Jährlich  sehen  wir  sie  grössere  oder  kleinere, 
mehr  oder  minder  gelungene  Viehabtriebe  ausfuhren  —  trotz  der 
Landwehren,  die  grossentheils  diesen  Razzias  ihre  Entstehung  ver- 
danken. 

Zur  grösseren  Sicherheit  der  auf  dem  Felde  beschäftigten  Stadt- 
angehörigen, zur  Sicherung  des  Viehes  am  Pflug  und  auf  den  Wei- 
den sollten  auch  die  Warten  mit  ihren  ummauerten  Höfen  beitragen, 
indem  sie  jene  warnten  und  ihnen  eine  nahe  Zuflucht  eröffneten 
(Fliehöfe  werden  sie  im  Deutsch-Ordens-Land  genannt).  Zu  diesem 
Zweck  gaben  die  Wächter  auf  den  Warten  ein  Signal,  das  die  auf 
den  Stadtthoren  aufnahmen  und  die  „unter  dem  Storni"  auf  dem  Pfarr- 
thurm durch  ihr  Horn  den  Bürgern  zu  Gehör  brachten.  Das  Signal 
auf  den  Warten  und  Thorthürmen  bestand  zu  der  Zeit,  von  der  wir 
reden,  aus  einem  Korbe,  der  in  die  Höhe  gezogen  wurde  —  ähnlich 
wie  noch  am  Rhein  die  Schiffer  zu  Berg  und  zu  Thal  mittels  eines 
aufgezogenen  Korbes  gewahrschaut  werden.  —  Das  Baumeister-Buch 
vom  Jahr  1413  sagt:  ipso  die  nativitatis  Johannis.  16  Heller  umb  ein 
Seil  und  ein  Korph  uff  die  Warte  für  Sassenhuseu  die  lüde  zu  war- 
nen. —  1389.  Hennen  von  Cleberg  17  ß  1  h.  von  11  Tagen  des  Kor- 
bes uff  Redelnheimer  porten  zu  warten.  Desgleichen  uff  Friedberger 
porten  u.  s.  w. 


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* 

Die  Warte  von  Heilbronn  hatte  noch  1793  eine  ähnliche  Einrich- 
tung. Goethe  sagt  in  seiner  „Italienischen  Reise",  Taschen-Ausgabe 
43  p.  79:  Oben  auf  dem  Thurm  der  Warte  von  Heilbronn  stand  ein 
hohler,  mit  Kupferblech  beschlagener  grosser  Knopf,  der  12  bis  16 
Personen  zur  Noth  fassen  konnte.  Diesen  konnte  man  ehemals  manns- 
hoch in  die  Höhe  winden  und  ebenso  unmittelbar  wieder  auf  das  Dach 
herablassen.  So  lang  der  Knopf  in  der  Höhe  stand,  mussten  die  Ar- 
beiter ihr  Tagewerk  verrichten,  so  bald  er  niedergelassen  ward,  war 
Mittagsruhe  oder  Feierabend. 

Im  Jahr  1410  hatten  die  Ueberhöhischen  den  Schlag  an  der 
Nidenau  gebrochen  und  die  Hütte  verbrannt.  (Die  Siege  by  Niden- 
au  und  Virnburghof  (jetzt  Hellerhof)  wieder  zu  machen,  als  sie  die 
Ueberhöhische  hatten  gebrochen.) 

Im  Jahre  1415  wurde  Schlag,  Hütte  und  Steeg  wieder  ganz  er- 
neuert. Es  werden  berechnet:  5  Taglöhne  an  der  Brücke  by  Kuwe- 
dregkssclilag  zu  arbeiten,  die  Dielen  zu  fuhren,  den  Steg  helfen  aus- 
graben und  eingraben,  als  man  den  besserte.  Es  wurde  der  Schlag 
aus  dem  Brückhof  dahin  gefahren,  Weidenstämme  dort  eingestossen 

U.  8.  W. 

Im  Jahre  1434  endlich  erbaute  man  die  Bockenheimer  Warte 
selbst;  zuerst  wurde  zum  Bau  des  Steeges  daselbst  der  Hey  (auch 
das  schiessend  Werk  genannt  —  die  Ramme)  aus  dem  Brückhof  in 
den  Bockenheimer  Busch  gefahren  und  Pfähle  „eingestossen",  wäh- 
rend die  Warte  und  ihr  Mantel  auf  Grundbäumen  —  liegenden  Schwell- 
rosten —  fundamentirt  wurden.  Steine  wurden  vom  nahen  AfFenstein 
dahingeftihrt,  Kalk  „beslagen".  Die  Steinmetzen  dingten  den  Born 
(die  Brunneneinfassung),  die  Pforte  zum  Hof,  33  Schiessfenster  ä  7  ß, 
46  Kragsteine  ä  12  Heller,  einen  Schornstein  u.  s.  w.  Krumholz  zu 
Mauerlatten  wurde  gesägt,  das  Gehölz  zum  Helm  dahin  gebracht,  und 
so  wie  Schiefcrsteine  durch  Pferde  aufgezogen.  Es  wurden  6  Knäufe, 
zusammen  100  Pfund  wiegend  ä  22  Heller,  auf  die  Thurm-  und  Dach- 
fenster Spitzen  gesetzt,  und  dem  Maler  1  1f  gegeben  „von  der  Fahne 
zu  malen  uff  die  Nuwe  Warte  (2  Ellen  Schechter  und  ein  Schaft 
zum  Banir)".  So  wurde  die  Warte  im  Rohbau  noch  unter  denselben 
Baumeistern  (dem  Bauamt)  Sifrid  Welder,  Clas  Oppenheimer  und 
Gilbrecht  Krug  —  vor  Ablauf  ihres  Amtsjahres,  also  vor  Walpurgi» 
(1.  Mai)  1435  fertig,  und  man  konnte  die  Kilsthölzer  wieder  nach  dem 
Bruckhof  fahren.  —  Die  Baumeister  Sifried  Welder,  Joh.  Stralnberg 
und  Conrad  Günther  des  nächsten  Baujahres,  vom  1.  Mai  1435  bis 
1.  Mai  1436,  zeichnen  nur  noch  auf:  als  der  polir  und  sine  gesellen 
den  Hoff  umb  die  Nuwe  Warte  und  die  zwei  muren  durch  die  Schlege 


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gedingt  hatte  zu  muren,  dess  hatten  wir  mit  ihm  abgerechnet  imd 
abgemessen  und  ist  desselben  geding,  Läng,  Höhe  und  das  Gcwclbc 
durch  die  Wege  muren  in  ein  gerechnet  77  rüden,  und  hau  wir  im 
für  die  rude  geben  1  %  8  ß  das  brengt  summa  an  Geld  107  %  16  ß. 

Es  seheint  auch,  dass  im  16.  Jahrhundert  eine  Windmühle  auf 
der  Bockenheimer  Warte  bestand,  denn  nach  einer  Notiz  der  Stadt- 
rechenbücher  gab  man  damals  dem  „Georgen  Müller  uff  der  Bocken- 
heimer Warte  zu  Ufrichtung  seiner  Windt  Mulen  daselbst  zu  Steuer 
8  H." 

Die  Hinrichtung  dieser  Warten  ist  eine  besonders  sinnreiche  und 
praktisch  durchgebildete.  Ein  viereckiger  Hof  bering  von  etwa  70  &  100 
Fuss  Länge  und  Breite  liegt  dicht  an  der  Landwehr,  da  wo  sie  von 
einer  der  Uauptstrassen  durchschnitten  wird.  Meist  im  Winkel  zwi- 
schen beiden  erhebt  sich  der  runde  Thurm  oder  vielmehr  dessen  Man- 
tel, der  ihn  in  einem  Abstand  von  nur  3  Fuss  bis  zu  einer  Hohe  von 
24  Fuss  umgibt  Es  ist  dadurch  ein  enger  Zwinger  gebildet,  dessen 
Zugang  vom  Hof  aus  auf  einer  8 — 10  Fuss  hohen  Leiter  erstiegen 
werden  rauss,  ehe  man  ,  in  ihm  rings  um  den  Thurm  allmählig  auf- 
wärts gehend,  an  den  eigentlichen  Eingang  gelangt.  Nachdem  er  ge- 
öffnet, steigt  man  im  Innern  des  Thurmes  auf  Leitern  zur  ersten 
Wächterkammer,  welche,  weil  die  Mauern  durch  einen  Bogenfriess 
Ubersetzt  sind,  sich  etwas  erweitert;  darüber  befindet  sich  die  obere 
Wächterkammer,  welche  im  Achteck  aus  Fach  werk  erbaut  und  mit 
Leven  bekleidet,  einige  Fuss  vor  die  Mauerflucht  des  Thurmes  vor- 
tritt, und  von  welcher  man  durch  einige  Spalten  im  Fussboden  Den- 
jenigen sehen  und  beschäftigen  kann,  welcher  in  den  Zwinger  vor- 
dringen wollte.  Diese  Kammer  hatte  nach  allen  Seiten  Fenster  mit 
Läden,  welche  sich  nicht  nach  der  Seite,  sondern  nach  Oben  auf- 
sclüugen.  Da  sie  nun  etwas  länger  ab  die  Fensterhöhe  waren,  so 
konnte  man  sie  etwas  vorstossen,  ohne  von  einem  gegenüber  stehen- 
den Feinde  beschossen  zu  werden,  ja  man  konnte  unter  ihrem  Schutz 
sich  selbst  so  weit  vorlegen,  dass  man  fast  den  äusseren  Mauer-Fuss 
des  Zwingers  zu  übersehen  vermochte.  Der  Wächter  konnte  daher 
mit  genügender  Sicherheit  ausspähen  und  seine  Zeichen  nach  der 
Stadtseite  geben. 

Wenn  auch  in  minderem  Masse,  war  auch  der  ganze  Hofbering 
vertheidigungsfahig. 

Die  2  Fuss  dicken  Hofmauern  waren  15—20  Fuss  hoch;  an  sie 
lehnte  sich  ein  Schuppen  und  eine  Stallung,  wohl  auch  ein  Wohn- 
haus. Das  Hofthor,  aus  dicken  Eichenplanken  und  mit  Schienen  be- 
schlagen, war  durch  den  vortretenden  Wartthurm  von  Aussen  be- 


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strichen,  so  dass  Die,  welche  mit  ihrem  Vieh  in  den  Hof  geflüchtet 
waren,  sich  wohl  halten  konnten,  bis  von  der  Stadt  ihnen  Ent- 
satz wurde. 

Noch  im  Jahre  1644  beabsichtigte  man  am  Eisernen  Schlag  eine 
Warte  ganz  in  der  Art  der  übrigen  zu  erbauen,  sie  wurde  mit  Thurm 
und  Hof,  mit  Maurer-,  Zimmer-  und  sonstigen  Ausbauarbeiten  zu 
1196  fl.  40  kr.  veranschlagt,  aber  nicht  ausgeführt. 

Schliesslich  wollen  wir  noch  daran  erinnern,  dass,  als  man  im 
Jahr  1808  die  Stadtbefestigungen  nicht  ohne  den  Widerspruch  der 
Bürgerschaft  schleifte  und  auch  die  Warten  zerstören  wollte,  der 
Schöff  v.  Olenschlager  sie  durch  Schrift  und  Rede  auf  das  Kräftigste 
vertheidigte  und  rettete.  * 

Mögen  diese  Warten,  die  eben  so  innig  mit  der  Geschichte  der 
Stadt  und  ihrer  fehdclustigen  Nachbarn  verbunden  sind,  als  sie  wesent- 
lich zum  landschaftlichen  Bild  derselben  gehören,  immer  so  wirksame 
Fürsprache  finden!  Namentlich  die  Bockenheimer  Warte  bedarf  der- 
selben, da  sie,  seitdem  ihr  Zwingerhof  im  Sommer  1866  der  Erde 
gleich  gemacht  wurde,  nun  zwischen  zwei  Wegen  ängstlich  dastehet 
und  furchten  muss,  neuen  Nützlichkeits-Gründen  zu  erliegen. 


»  Die  Fürsprache  Klüber's  für  die  Warten.  1826,  S.  in  den  Mittheilungen  111.265. 


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Reformatorische  Persönlichkeiten,  Einflüsse  und  Vorgänge 

in  der  Reichsstadt  Frankfurt  a.  M. 

von  1519  bis  1522.  * 
Von  Georg  Edaard  Steltx,  Doctor  der  Theologie. 

Die  Anfänge  unserer  Frankfurter  Reformationsgeschichte  sind 
wie  meistj  die  geschichtlichen  Anfänge  grosser  Entwiekelungen  der 
älteren  Zeit  in  Dunkel  gehüllt.  Wir  sehen  plötzlich  die,  reformatori- 
schen  Bewegungen  gleich  einer  bewältigenden  Fluth  in  die  Kreise 
unseres  Bürgerlebens  und  unserer  angesehenen  Familien  hereinbrechen 
und  mit  Ungestüm  Alles  mit  sich  fortreissen;  was  sie  aber  im  Stillen 
vorbereitete  und  die  Gemüther  für  eine  neue  Anschauung  und  Ordnung 
der  Dinge  aufschloss  und  empfänglich  machte,  liegt  für  uns  noch  viel- 
fach im  Verborgenen.  Selbst  die  Chronik  Job  Rohrbach's,  die  uns  mit 
ihren  Schilderungen  lebhaft  in  die  Lebenskreise  eines  Haman  Holz- 
hausen und  seiner  Tante  Katharina,  geb.  Fröschin,  versetzt,  —  'Per- 
sönlichkeiten, die  bei  dem  ersten  Auftreten  Luther's,  für  ihn  und  seine 
Sache,  die  volle  Theilnahme  bethätigten  —  zeigt  uns  noch  das  unbe- 
fangene Festhalten  an  dem  alten  Kirchenglauben  und  seinen  frommen 
UebungcD,  aber  keine  Spur  deutet  auf  eine  vorhandene  Ahnung  des 
grossen  Umschwungs,  der  schon  nach  zwei  Jahrzehnten  mit  gewalti- 
ger Erregung  und  Erschütterung  eintreten  sollte.  Der  fühlbare  Mangel 
an  gleichzeitigen  Nachrichten  hat  denn  auch  den  bisherigen  Frank- 
furter Geschichtschreibern  eine  leicht  erkennbare  Verlegenheit  bereitet. 
Ein  altes  Steinbild  in  der  ehemaligen  Barfüsserkirche,  aus  dem  nur 
missverständlich  auf  eine  bestehende  Unzufriedenheit  mit  den  damali- 
gen kirchlichen  Zuständen  geschlossen  werden  konnte;  der  Widerstand, 
den  man  um  das  Jahr  1445  der  Zumuthung  der  öffentlichen  Buss- 
übung von  Seite  des  Pfarrers  Hermann  Stümmel  zu  St.  Bartholomaei 


1  Die  folgende  Darstellung  enthält  eine  Reihe  von  Vorträgen,  die  der  Ver- 
fasser in  den  Jahren  1864-1866  in  dem  Verein  für  Geschichte  und  Alterthuum- 
kunde  in  Frankfurt  gehalten  hat  Er  giebt  sie  so,  wie  sie  vorgetragen  wurden, 
und  bittet  deshalb  manche  Wiederholung,  die  durch  den  ursprünglichen  Zweck 
gefordert  war,  entschuldigen  zu  wollen. 


-  58 


entgegengesetzt ;  der  Kampf  zwischen  Diether  von  Isenburg  und  Adolf  von 
Nassau  um  den  erzbischöflichen  Stuhl  zu  Mainz,  während  der  Jahre 
1459—1462,  der  auch  das  zur  Erzdiöcese  gehörige  Frankfurt  mitbe- 
rührte; der  Streit  um  die  unbefleckte  Empfängnis»  der  Maria,  der 
1500  zu  Frankfurt  durch  den  Dominikaner  Wigand  Wirth  und  seinen 
Gegner  den  Franziskaner  Hans  Sprenger  eröffnet  wurde,  und  im 
Jahre  1600  mit  der  Verbrennung  von  vier  Dominikanern  zu  Bern 
endigte ;  die  einunddreissigjährige  Wirksamkeit  des  Stadtpfarrers  Con- 
rad Hensel  am  Bartholomäusstifte ,  die  nichts  weniger  als  einen  refor- 
matorischen Charakter  trug;  die  Predigten  des  bekannten  Barfüssers 
Thomas  Murner  zu  Frankfurt,  der  zwar  die  Thorheiten  und  ver- 
derbten Sitten  der  Zeit  geisseltc  und  selbst  noch  in  den  Briefen  der 
Dunkelmänner  als  Feind  der  Pfaffheit,  namentlich  der  Domini- 
kaner, erscheint,  aber  später  als  entschiedener  Gegner  aller  reforma- 
torischen Gc'danken  auftrat;  die  Stellung  endlich,  die  der  freisinnige 
Johannes  ab  Indagine  neben  seiner  Pfarrei  zu  Steinheim  als  Decan 
des  hiesigen  Leonhardstiftes  seit  1522  einnahm,  das  sind  im  Ganzen 
die  Thatsachen  und  Ereignisse,  aus  deren  vorgängiger  Einwirkung 
Joh.  Balth.  Kitter  in  seinem  evangelischen  Denkmal  von  dem  äusser- 
lichen  Standpunkte  seiner  Zeit  aus  sich  die  Vorbereitung  der  Ge- 
müther  ftir  die  Reformation  erklärt.  Kirchner  hat  diese  und  ähnliche 
Erscheinungen  ohno  Zusammenhang  mit  der  Reformation  dargestellt 
(I.  Band,  8.  Buch  2.  u.  5.  Cap.  S.  509  u.  566  ff.);  die  grossen  Kirchen- 
veränderungen selbst  lässt  er  unmittelbar  aus  einem  neuen  Zeitgeiste, 
„dem  frommen,  aber  streitsüchtigen  Geiste  des  16.  Jahrhunderts"  her- 
vorgehen. Dass  Xescn  und  Micyllus  seit  1520  durch  ihre  humanisti- 
schen Bestrebungen  wesentlich  dazu  beigetragen,  den  Boden  in  Frank- 
furt für  die  neue  Geistessaat  zu  bestellen  und  die  reformatorischen 
Einflüsse  in  den  massgebenden  Kreisen  kräftig  zu  unterstützen,  haben 
alle  Darsteller  Frankfurter  Geschichten  längst  anerkannt,  aber  eiueu 
eingehenden  Blick  in  die  Art  ihrer  humanistisch- reformatorischen 
Wirksamkeit,  die  nicht  blos  dem  jungen,  aufwachsenden  Geschlcehte, 
sondern  auch  dem  altern  bereits  in  Amt  und  Würde  stehenden  galt, 
verdanken  wir  doch  erst  unserm  unvergesslichcn  Classen ,  der  in 
seinem  Jacob  Micyllus  und  in  den  Nachträgen  dazu  zuerst  darüber 
erschöpfendes  Licht  verbreitet  hat.  Bei  dieser  Sachlage  und  bei  dem 
beklagenswerten  Mangel  gleichzeitiger  Aufzeichnungen  wird  man 
jeder  Notiz  über  die  vor  der  Reformation  in  hiesigen  Kreisen  herr- 
schende Stimmung,  die  dazu  beitragen  kann,  die  überraschenden 
Fortschritte  der  grossen  Bewegung  zu  erklären,  mit  Sorgfalt  nach- 
gehen und  verfolgen  müssen.    Aus  diesem  Gesichtspunkte  mochte 


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ich  in  den  folgenden  Blättern,  die  Beziehungen  Ulrich 's  von  Hutten, 
dos  Johannes  Cochläus,  des  Johannes  ab  Indagine  und  anderer  Man- 
ner zu  unserer  Vaterstadt  behandeln.  Sic  sind  ganz  gemacht  über 
die  Anfänge  und  den  Charakter  der  ersten  reformatorischen  Tenden- 
zen in  Frankfurt  uns  zu  verständigen. 

L   Hutten  und  Arnold  Glauburger. 

Von  Ulrich  von  Hutten  sind  noch  fünf  Briefe  an  den  hiesigen 
Rechtsgelehrten  Dr.  Arnold  Glauburger  vorhanden,  von  denen  neuer- 
dings vier  von  Böcking  in  seiner  trefflichen  Ausgabe  der  Hutten 'sehen 
Werke  abgedruckt  sind,  der  fünfte  aber  sich  im  Originale  in  der 
Radowitzischen  Autographcnsammlung  mit  zwei  der  bereits  gedruck- 
ten befindet  und  nur  nach  seinem  allgemeinen  Inhalte  aus  dem  Cata- 
loge  derselben  bekannt  ist.  Radowitz  hat  sie  ohne  Zweifel  mit  vielen 
andern  Urkunden  aus  einem  hiesigen  Archive  empfangen,  dessen 
Schätze  unbedenklich  verschleudert  werden,  während  sie  jeder  wissen- 
schaftlichen Forschung  misstrauisch  verschlossen  Bind.  Obgleich  einer 
dieser  Briefe  schon  in  der  Sieckeiberger  Sammlung  steht,  zwei  aber 
im  vorigen  Jahrhundert  zum  Abdruck  gekommen  sind,  so  geschah 
dies  letztere  doch  erst  nach  Ritter's  Zeit  und  er  konnte  sie  nicht  mehr 
benützen,  aber  auch  Kirchner  hat  von  ihnen  keine  Notiz  genommen. 
Zuerst  erscheinen  sie  nach  ihrer  Bedeutung  in  Hutten'«  Leben  von 
Strauss  gewürdigt  und  erläutert,  dem  sie  Bleking  abschriftlich  mit- 
getheilt  hat  Allein  noch  grösseres  Interesse  müssen  sie  für  uns 
Frankfurter  haben,  da  sie  an  einen  unserer  längst  dahingegangenen 
Mitbürger  gerichtet  sind  und  über  dessen  Charakter  und  Bestreben 
ein  helleres  Streiflicht  fallen  lassen.  Ich  habe  daher  diese  lateinischen 
Briefe  übersetzt  und  begleite  sie  mit  Erklärungen,  die  zum  Theil 
schon  von  Strauss  gegeben  sind,  hoffe  aber,  dass  es  mir  gelungen 
sei,  den  dunkelsten  Pimkt,  an  dessen  Aufhellung  Strauss  als  Nichtfrank- 
furter  noth wendig  verzweifeln  musste,  gleichfalls  aufklären  zu  können. 

Ueber  das  Leben  des  Mannes ,  an  welchen  diese  Briefe  gerichtet 
sind,  giebt  uns  die  Lersner'sche  Chronik  und  Fichard's  Geschlechter- 
geschlchte  nur  dürftige  Nachrichten.  Arnold  Glauburger,  der  jüngere 
Sohn  des  Arnold  Glauburger,  der  von  seinem  Hause  K.  48,  Neue 
Kräme  25,  zu  Schwanau  genannt  war,  und  seiner  Ehefrau  Ottilia 
aus  dem  Stamme  der  Brun,  ist  geboren  am  31.  Januar  1486  zu 
Frankfurt  am  Main.  Sein  Bruder  Johann  war  um  sechs  Jahre  älter 
als  er.  Dieser  Johann  heirathete  später  im  Jahre  1510  Katharina 
Geuch,  von  deren  Familie  Fichard  sagt,  das»  sie  mehr  durch  Reich- 


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thum  als  Ahnen  geglänzt  habe,  eine  Phrase,  die  wahrscheinlich  ver- 
hüllen soll,  dass  die  Geuche  zwar  reiche  Leute,  aber,  obgleich  Lim- 
burger, doch  nicht  von  Adel  gewesen  seien.  Katharina  Geucli  war 
eine  Erbtochter,  mit  der  ihr  Geschlecht  erlosch  und  die  durch  ihr 
eingebrachtes  Vermögen  den  dauernden  Wohlstand  des  von  ihr 
stammenden  Zweigs  des  Glauburgischen  Hauses  begründet  hat  Durch 
sie  gingen  die  vereinigten  Häuser  Laneck  und  junger  Frosch,  der 
heutige  Gläsernhof,  früher  Eigenthum  der  Rohrbache,  in  den  Besitz 
der  Glauburger  über  und  ihr  Ehewirth  hiess  seitdem  auch  Johann  von 
Laneck.  Er  kam  1515  in  den  Rath,  wurde  im  folgenden  Jahr  Schöffe 
und  bekleidete  1522  das  ältere  Bürgermeisteramt.  1525  ist  er  4b 
Jahre  alt  gestorben.  Sein  einziger  nachgelassener  Sohn  ist  der  Schöffe 
Doctor  Adolf  Glauburg  gewesen,  der  Erbe  des  Hauses  Laneck,  der 
Begünstiger  der  eingewanderten  Reformirten  und  darum  angefeindet 
von  Hartmahn  Beyer  und  Matthias  Ritter;  er  ist  im  September  1555 
einer  hitzigen  Krankheit  erlegen.  Johann's  jüngerer  Bruder  Arnold, 
der  Freund  Hutten's,  der  schon  im  9.  Jahre  seinen  Vater  verlor, 
wandte  sich  dem  Rechtsstudium  zu.  Er  scheint  in  Italien  studirt  zu 
haben ,  wenigstens  hat  er  in  Pavia  am  15.  Mai  1515  den  Grad  eines 
Doctors  beider  Rechte  erworben.  Eine  Spur,  der  wir  später  begeg- 
nen werden,  wird  uns  auf  die  gegründete  Vermuthung  leiten,  dass 
er  auch  Rom  besucht  hat  Ob  er  vielleicht  hier  oder  in  Pavia  die 
Bekanntschaft  Hutten's  gemacht  hatte,  dessen  erste  Reise  nach 
Italien  in  das  Jahr  1512  fiel,  und  sich  bis  zum  Jahre  1514,  wenn 
nicht  bis  1515,  ausgedehnt  hat,  oder  demselben  erst  in  Deutsclxland 
begegnet  ist,  lässt  sich  nicht  mehr  ausmachen;  doch  ist  das  erstere 
wahrscheinlich,  da  sieh  Hutten  1520  auf  die  vieljährige  Freundschaft 
mit  ihm  beruft.  In  die  Heimath  zurückgekehrt,  heirathete  Dr.  Arnold 
Glauburger  am  9.  Juli  1515  Katharina,  die  zweite  Tochter  Haman's 
von  Holzhausen,  und  gründete  seinen  Hausstand  in  dem  Trier'schen 
Hof,  wo  auch  sein  Schwiegervater  wolinte.  Er  heisst  nun  Arnold 
zum  Trierischen  Hofe.  In  demselben  Jahre  wurde  er  Procurator  des 
Reichskammergerichts,  scheint  aber  von  den  ihm  mit  dieser  Ernen- 
nung verliehenen  Rechten  keinen  Gebrauch  gemacht  zu  haben,  da 
er  sich  fortwährend  in  Frankfurt  aufhielt  und  von  1516 — 1521  die 
Stelle  eines  Syndicus  oder  Rathsadvocaten  begleitet  hat 

Von  diesem  Zweige  der  Glauburger  haben  wir  einen  andern  zu 
unterscheiden,  der  für  die  Geschichte  Frankfurts  von  grosser  Bedeu- 
tung geworden  ist  Der  beiden  Brüder  Johann  und  Arnold  älterer 
Vetter,  der  Sohn  von  ihres  Vaters  Bruder,  war  der  ältere  Johann 
Glauburger  zum  Lichtenberg,  der  erste  dieses  Geschlechtes,  der  sich 


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überhaupt  den  Wissenschaften  und  dem  Rechtsstudium  zugewendet 
hat.  Bereits  1478  hat  er  in  Pavia  den  Doctorgrad  erworben.  Be- 
kannt ist  das  Unglück  seiner  ersten  Ehe  mit  Katharina  Weiss  von 
Limburg,  die  ihn  in  einen  langwierigen  skandalösen  Process  ver- 
wickelte. Er  musste  sich  nicht  blos  von  ilirem  Tisch  und  Bette 
scheiden,  sondern  überdies  in  Folge  der  boshaften  Anklage,  die  sie 
gegen  die  Sittlichkeit  seines  Charakters  erhob,  seinem  Rathssitze 
entsagen.  Eine  Zeit  lang  hatte  er  sogar  das  Bürgerrecht  gekündigt 
und  lebte  in  Mainz,  in  so  freundschaftlicher  Beziehung  zu  Kurfürst 
Berthold,  der  sich  seiner  kräftig  annahm,  dass  sich  die  Sage  gebil- 
det hat,  er  sei  bis  zu  seinem  Tode  25  Jahre  kurmainzischer  Kanzler 
gewesen.  Später  trat  er  wieder  in  die  Bürgerschaft  ein  und  heira- 
thete  nach  dem  Tode  seiner  ersten  Frau  Katharina  von  Breidenbach. 
Am  8.  November  1497  fand  die  Trauung  und  das  Beilager  statt, 
aber  schon  am  folgenden  Tage  erkrankte  seine  junge  Frau  und  am 
25.  November  war  sie  eine  Leiche.  Tags  zuvor  war  ihr  Vater  Fried- 
rich von  Breidenbach  seinem  Kummer  erlegen«  Trotz  dem  schritt 
Dr.  Johann  von  Glauburg  am  29.  Öctober  1498  zur  dritten  Ehe  mit 
Margaretha  Horngiu  von  Ernstkirchen;  er  wollte  nach  den  trüben 
Erfahrungen  seines  ehelichen  Lebens  seine  Hochzeit  ganz  im  Stillen 
feiern;  aber  der  Stadthauptmann  Friedrich  von  der  Filsch,  Olass 
von  Rückingen,  Ludwig  Holzhausen  und  der  Canonicus  Job  Rohr- 
bach erschienen  ohne  sein  Wissen  mit  einem  Pfeifer  bei  den  Neu- 
verehelichten und  eröffneten  in  seinem  Hause  den  Tanz.  Die  älteste 
Tochter  dieser  Ehe  ist  Kongundis ,  geb.  1501 ,  die  für  unsere  Dar- 
stellung noch  von  Interesse  werden  wird;  der  ältere  Sohn 
Johann,  der  junge,  zum  Lichtenstein,  ist  derselbe,  an  den  Marga- 
retha Horngiu  im  Jahre  1526  den  durch  Fichard  veröffentlichten  müt- 
terlichen Brief  mit  Heirathsplänen  gerichtet  hat,  als  er  in  Wittenberg 
studirte,  später  als  Schöffe  mit  seinem  Vetter  Adolf  —  beide  waren 
Nachgeschwisterkinder  —  der  Patron  der  fremden  Reformirtcn,  der 
Freund  Calvin's  und  Melanchthon's ;  der  jüngere  Sohn  Hieronymus, 
gleichfalls  Jurist  und  gräflich  Königstein'scher  Rath,  wurde  der  warme 
Freund  Hartmann  Bcyer's  und  entschiedener  Lutheraner.  Die  beiden 
andern  Töchter  Margaretha  und  Anna  hatten,  diese  schon  vor  der 
Reformation  durch  der  Eltern  Verfügung,  jene  1526  durch  eignen 
Entschluss,  den  Schleier  im  Kloster  Marienthal  bei  Mainz  genom- 
men. So  schwer  fielen  die  Gegensätze  der  Zeit  mit  ihrer  trennen- 
den Macht  in  das  Leben  einer  Familie. 

Wir  kehren  zu  Arnold  zurück.  Die  ersten  Briefe  Hutten's  an 
ihn  sind  im   März  und  April    1519   geschrieben,    als   er  durch 


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»eine  Theilnahme  an  dem  Feldzuge  gegen  Ulrich  vo  n  Württemb  e  r g 
seinen  Haas  gegen  diesen  Mörder  seines  Vetters  Hans  zu  stillen 
suchte;  die  beiden  letzten  beziehen  sich  auf  die  Heirathspläne  de» 
liitters.    Wir  wenden  uns  dem  ersten  zu. 

Ulrich  von  Hutten  an  Arnold  Glauburger,  Rechtsgelehrten, 
(beiBöckinjj  in  Ulrich  von  Hatten'»  Werken  I.,  255,  Nr.  115). 

Aus  Sachsen  hat  mir  Stromer  geschrieben,  dass  meine  Sachen, 
Bücher  und  Kleider,  die  nächste  Messe  nach  Frankfurt  kommen  wür- 
den; dessen,  ersuche  ich  dich,  wollest  du  dich  annehmen,  und  täglich 
bei  den  Zöllnern  anfragen,  ob  sie  angekommen  sind.  Ks  ist  aber  ein 
Pack  Bücher,  nach  italienischer  Weise  verpackt  und  geschnürt,  und 
noch  eine  Lade,  welche  Bücher  und  Kleider  enthält.  Wenn  du  er- 
fahren hast,  dass  sie  dorteu  eingetroffen  sind,  so  sende  so  schnell  als 
möglich  einen  Boten  an  mich.  Ich  schicke  dir  das  Gespräch  „Phala- 
rismus".  Eben  wird  „das  Guaiac"  gedruckt,  das  du,  sobald  es  fertig 
sein  wird,  gleichfalls  haben  sollst.  Das  Gespräch  „Fieber"  ist  in  das 
Deutsche  übersetzt,  ich  werde  es  den  Deinigen,  deinem  Bruder,  dei- 
nem Schwiegervater  und  übrigen  Verwandten  zum  Geschenk  schicken. 
So  weit  bin  ich  davon  entfernt,  dass  ich  jenen  fürchtete,  der  von  der 
Seite  [Cardinal  Cajetan]  hierher  kommt.  Eine  grosse  Noth  macht 
mir  der  Kauf  der  Pferde:  veranlasse  deinen  Schwiegervater,  dass  er 
sich  dort  erkundige,  ob  einige  verkäuflich  sind,  und  schreibe  mir  dies 
mit  Nächstem,  deim  es  ist  kein  Verzug  ^  so  schnell  wird  dieser  unser 
Feldzug  gerüstet,  bei  dem  ich,  wenn  du  es  noch  nicht  wissen  solltest, 
selbst  mitziehen  werde.  Lebe  wohl  mit  deinem  Schwiegervater,  deiner 
Hausfrau,  deinem  Bruder  und  den  Kindern.    Mainz,  in  Eile. 

Lieber  Herr  Doctor,  ich  versehe  mich,  in  des  Wagemeisters 
Haus  werdet  ihr  mein  dinglich  (?)  finden.  Des  Pferdes  halber,  müsstc 
etwa  ein  Pferd  sein  von  XX  oder  XXII  Gulden,  einem  Knecht  zu 
reiten. 

Der  Brief  ist  im  Frühjahre  1519  geschrieben.  Hutten  stand  da- 
mala  seit  etwa  2  Jahren  in  dem  Dienste  des  Kurfürsten  Albrecht 
von  Mainz.  Im  Anfange  des  Jahres  1518  hatte  er  seinen  Herrn  in 
dessen  Bächsischc  Diöcescn  begleitet,  wo  derselbe  bis  zum  Beginne 
des  Augsburger  Reichstags  im  Juli  verweilte.  Noch  vor  der  Rück- 
kehr des  Kurfürsten  war  er  Ende  März  oder  Anfang  April  in  desseu 
Aufträgen  wieder  nach  Mainz  zurückgekehrt,  hatte  aber,  wie  es  scheint, 
einen  Thoil  seiner  Bücher  und  Kleidung  zurückgelassen,  von  wo  sie 
erst  zur  Ostermesse  des  folgenden  Jahres  nach  Frankfurt  befördert 


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werden  konnten.  Wie  nahe  und  vertraut  ihm  Arnold  Glau  burger 
stand,  ersieht  man  nicht  Mos  daraus,  dass  er  ihn  überhaupt  mit  der 
Sorge  um  diese  Angelegenheit  belastet,  sondern  ihm  auch  zumuthen 
darf,  täglich  auf  dem  Zolle  nach  der  Ankunft  seines  Gepäcks  zu  fra- 
gen, um  ihn  sogleich  von  derselben  zu  benachrichtigen.  Wie  schwer 
und  unbehüMich  muss  es  doch  damals  um  das  Transport-  und  Ver- 
kehrswesen bestellt  gewesen  sein!  Die  Frankfurter  Messen  boten  fast 
allein  Gelegenheit  zur  Versendung  grösserer  Stücke  aus  dem  nörd- 
lichen nach  dem  südlichen  Deutschland.  Ein  volles  Jahr  fast  ruhen 
Hutten's  zurückgebliebene  Habseligkeiten  in  Sachsen;  einem  dort  eben 
verweilenden  Freunde,  dem  churfUrstlich  mainzischen  Leibarzte  Heinrich 
Stromer,  muss  er  es  überlassen,  ihre  Beförderung  nach  Frankfurt  zu 
besorgen  und  hier  musB  sie  wieder  bei  dem  gänzlichen  Mangel  an  Spe- 
ditionsvermittlung  ein  Freund  in  Empfang  nehmen,  um  sie  nach  Mainz 
schaffen  zu  lassen. 

Der  Brief  eröffnet  uns  überdies  einen  Blick  in  den  Freundeskreis, 
den  der  geniale  Humanist  sich  in  Frankfurt  eröffnet  hatte;  es  ist  die 
nächste  Familie  von  Arnold  Glauburger:  dessen  Hausfrau,  sein  älterer 
Bruder  Johann  und  sein  Schwiegervater  Haman  Holzhausen  unver- 
geßlichen Andenkens.  Zu  ihnen  dürfen  wir  noch  Philipp  Fürstenberger, 
den  Freund  der  Wissenschaften  und  der  Humanisten,  mit  Haman  den 
warmen  und  thiitigcn  Beförderer  der  Reformation,  rechnen,  mit  wel- 
chem Ulrich,  wie  wir  sehen  werden,  gleichfalls  Briefe  wechselte. 

Was  übrigens  den  Brief  für  den  Freund  der  vaterländischen  Ge- 
schichte besonders  wichtig  macht,  ist  die  Erwähnung  seiner  Schriften. 
Eben  ist  seine  Schrift  über  das  Guaiac  unter  der  Presse.  Sie  heisst 
vollständig  de  Guaiaci  medicina  et  morbo  Gallico  und  theilt  Hutten's 
eigne  Erfahrung  von  dieser  Krankheit  mit,  an  der  er  bekanntlich 
von  1508 — 18,  also  10  Jahre  gelitten.  Da  er  selbst  versichert,  das» 
die  Lustseuche  vom  Jahre  1500  an  ihren  anfänglich  epidemischen 
Charakter  verloren  und  sich  nur  noch  durch  unmittelbare,  namentlich 
geschlechtliche  Berührung  weiter  verbreitet  habe,  so  können  wir  sie 
bei  ihm  nur  als  eine  selbstverschuldete  beurtheilen.  Im  Herbste  des 
Jahres  1518  hatte  er  zu  Augsburg  während  des  Reichstags  eine  lange 
Cur  durchgemacht;  Hunger  und  Anwendung  des  Guaiacholzes  hatte 
ihm  den  lange  entbehrten  Genuas  und  das  frische  Gefühl  der  Ge- 
sundheit wieder  gegeben.  Er  empfiehlt  daher  in  Uebereinsthnmung  mit 
ärztlichen  Autoritäten  das  Guaiac  als  Specificum  gegen  diese  Krankheit; 
er  widmet  seine  Schrift  dem  Erzbbchof  von  Mainz,  er  schliesst  sie  mit 
dem  einen  Wunsahe,  dass  seine  hochwürdige  Gnade  nicht,  wovor  sie 
Christus  bewahren  wolle,  in  die  Lage  kommen  möge,  die  von  ihm 


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gemachten  Erfahrungen  selbst  verwerthen  zu  müssen,  sondern  das* 
sie  nur  seinem  Hofe  zu  Gute  kommen  möchten.  Die  Offenheit,  womit 
Hutten  über  seine  selbstverschuldete  Leiden  nicht  blos  in  dieser 
Schrift,  sondern  auch  in  vertrauten  Briefen  an  Freunde  sich  ausläset 
und  seine  Krankheit« zustände  umständlich  beschreibt,  zeigen  übrigens 
iucht  blos,  dass,  wie  Strausa  I,  335  bemerkt,  das  ganze  Mittelalter 
in  solchen  Dingen  weit  weniger  streng  dachte,  als  man  von  seiner  religiö- 
sen Richtung  erwarten  sollte,  sondern  auch  wie  haltlos  und  schwankend 
der  sittlich-religiöse  Charakter  selbst  des  deutschen  Humanismus  vor 
der  Reformation  noch  grossentheils  gewesen  ist;  denn  in  Witten- 
berger Kreisen  wenigstens  würde  man  einer  ähnlichen  Naivetät  und 
sittlichen  Gleichgültigkeit  in  der  Beurtheilung  solcher  Zustände  schwer- 
lich begegnen.  Die  zweite  Schrift,  deren  Hutten  erwähnt,  ist  sein 
Gespräch  Uber  das  Fieber,  das  er  damals  bereits  in  das  Deutsche 
Übersetzt  hatte.  Es  ist  eine  Satvre,  die  mit  scharfen  Streichen  das 
üppige  Leben  der  höheren  Stände  geisselt;  die  Gedanken  zu  dieser 
Schrift  waren  ihm  in  Augsburg  gekommen,  wohin  der  Cardinal  von 
St.  Sixt  Thomas  de  Vio,  genannt  Cajetan,  von  Leo  X.  geschickt 
worden  war.  Derselbe  hatte  Luther  dort  bekanntlich  verhört.  Noch 
nahm  Hutten  an  dem  reforraatorischen  Auftreten  des  Letzteren  keinen 
näheren  Antheil,  ja  er  wnsste  dasselbe  nicht  einmal  zn  würdigen;  er 
sah  in  dem  Ablassstreite  nur  einen  Mönchsstreit,  ein  bellum  omnium 
contra  omnes;  noch  am  25.  Öctobcr,  als  Luther  bereits  Augsburg  ver- 
lassen hatte,  schreibt  er  an  Willibald  Pirckheimer:  „Eck  streitet  mit 
Luther,  Luther  mit  Vielen;  siehe,  wie  sich  die  Theologen  mit  ver- 
bissener Wuth  unter  einander  zerfleischen/'  Dagegen  bezeugt  er  um 
so  unverhohlener  seine  Freude  Uber  Melanchthon's  Erwerbung  für 
Wittenberg:  „Melanchthon,  so  äussert  er  sich  am  25.  August  1518  an 
Julius  Pflug,  den  nachmaligen  Bischof  von  Naumburg,  ist  mit  einem 
nicht  unansehlichen  Gehalte  nach  Wittenberg  berufen,  um  daselbst 
die  griechische  Litteratur  zu  lehren:  ein  Jüngling,  über  sein  Alter 
gelehrt."  Noch  war  darum  die  nationale  Unabhängigkeit  des  deut- 
schen Reichs  und  der  deutschen  Kirche  von  Rom  der  einzige  Ge- 
sichtspunkt und  das  ausschliessliche  Ziel  von  Hutten'»  Kampf.  Damit 
steht  keineswegs  in  Widerspruch,  dass  der  Kurfürst  Albrecht  von 
Mainz  ihn  trotz  seines  glühenden  Hasses  gegen  das  römische  Wesen, 
Curtisanenleben  und  lntriguenspiel  in  seine  Dienste  zieht  „Die  Au« 
beutung  Deutschlands  durch  die  römische  Curie,  sagt  Strauss  I,  286, 
war  längst  so  drückend  geworden,  dass  das  Interesse  eines  deutschen 
KirchenfÜrsten  mit  dem  des  pabstlichen  Stuhls  nicht  mehr  in  allen 
Stücken  Hand  in  Hand  ging."   Gegen  diese  Ausbeutung,  die  beson- 


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dem  die  Mainzer  Diöcese  drückend  traf,  bot  aber  die  Abiaaspredigt 
1517,  an  deren  Ertrag  Kurfürst  Albrecht  betheiligt  war,  einigen  Er- 
satz; insofern  begreift  sich  leicht,  wie  Albrecht  eben  so  entschieden 
gegen  Luther's  Angriff  auf  den  Ablass  Partei  nehmen  musste,  als  er 
Hutten  wenigstens  im  Stillen  begünstigen  konnte.  Nicht  anders  dachte 
man  Uberhaupt  an  dem  Mainzischen  Hofe ;  hier  war  in  massgebenden 
Kreisen  das  humanistische  Interesse  und  die  Abneigung  gegen  die 
päpstliche  Politik  vorherrschend  vertreten.  Erst  als  Hutten  mit  Luther 
in  engere  Verbindung  trat,  konnte  er  auch  die  religiöse  Seite  der 
Reformation  unbefangen  würdigen,  doch  blieb  auch  jetzt  der  politisch 
nationale  Gesichtspunkt  bei  ihm  vorwaltend,  und  er  konnte  Luther  im 
Grunde  nur  als  willkommenen  Bundesgenossen  gegen  die  gemeinsamen 
Gegner  betrachten. 

Auch  in  dem  Frankfurter  Freundeskreise  dürfen  wir  wohl  die 
gleiche  Richtung  voraussetzen;  auch  hier  waren  es  zunächst  nicht  re- 
ligiöse Gedanken  und  Interessen,  welche  gegen  Rom  verstimmten, 
sondern  die  nationale  Antipathie  und  die  Erfahrung  der  vielfachen 
Eingriffe  der  römischen  Politik  in  die  Rechte  und  Selbständigkeit  des 
deutschen  Reichs-  Dass  aber  eine  solche  Gesinnung  die  Glauburger, 
die  Holzhausen  und  Philipp  Fürstenberger  bewegte,  zeigt  das  Prädi- 
cat  osor  cleri,  das  in  dem  Schurgischen  Manuscripte  schon  dem  am 
22.  Mai  1499  verstorbenen  Schöffen  Henne  von  Glauburg  zum  Nürn- 
berger Hofe  und  wiederum  dem  am  7.  Juni  1514  verschiedenen  Gil- 
brecht Holzhausen  zum  Goldstein,  Hamans  jüngerem  Bruder,  gegeben 
wird.  Den  Frankfurter  Freunden  verspricht,  wie  wir  sahen,  Hutten 
seinen  Dialog,  das  Fieber,  dessen  deutsche  Uebersetzung  er  eben  vol- 
lendet hatte.  Als  den  Repräsentanten  des  üppigen  Clerus  schildert 
er  darin  jden  Cardinal  Cajetan,  dessen  Erscheinen  schon  als  päpst- 
lichen Legaten  in  Deutschland  zu  Augsburg  seinen  Unmuth  erregen, 
dessen  hochmüthige  Verachtung  aber  gegen  die  deutsche  Barbarei, 
die  besonders  sein  verwöhnter  und  feingebildeter  Gaumen  drückend 
empfand,  den  bitteren  Hohn  des  deutschen  Ritters  herausfordern 
musste.  Im  Anfange  des  Dialogs  weist  Hutten  dem  Fieber  als  lästi- 
gem Gast  die  Thürc  seines  Hauses.  Das  Fieber  fordert,  dass  er  ihm 
zu  einem  reichen,  üppigen  Herrn  verhelfe,  der  Pferde,  viel  Diener, 
Gefolge,  gross  Gesinde,  hübsche  Gewänder,  lustige  Gärten  und  Bä- 
der habe.  Darauf  Hutten:  Zu  dem  ich  dich  führe,  ist  selbs  hie  ein 
Gast,  aber  ihm  mangelt  solcher  Ding  nit,  gebraucht  sich  auch  der. 
Und  sieh  dort  jenes  Haus,  darin  hält  sich  der  Cardinal  Sant  Sixten 
mit  einem  grossen  hofgesind,  ist  von  Rom  heraus  kommen,  dass  er 
Geld  von  uns  Deutschen  aufbringe,  damit  die  Römer  ein  Weil  zu 
IV.  6 


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zehren  haben,  ich  glaub,  wider  den  Türken,  gegen  den  sie  abermals 
mit  grossem  Gepränge  ein  Heerzug  ftlmehmen,  denn  es  sind  gar  er- 
fahren geübt  Kriegsleut  und  über  das  ein  Volk,  das  dir  gemeinlich 
unterwürfig  ist.  Hör  mich  und  nimm  dir  diesen  vor,  du  wirst  ihn 
dort  geborgen  ruhen  finden,  in  einem  scharlachen  Talar,  hinter  viel 
Umhängen.  Er  isst  nur  aus  Silber,  trinket  aus  Gold,  aber  so  schleck- 
huftig,  dass  er  nit  will,  dass  in  deutschen  Landen  Leut  sein,  die  des 
Geschmacks  Verstand  haben.  Er  veracht  auch  die  hiesigen  Feld- 
hülmer  und  Krammetsvögel,  spricht,  sie  seien  den  walischen  im  Ge- 
schmack und  sunst  ganz  ungleich.  So  widersteht  ihm  unser  Wild- 
pret;  sagt,  das  Brod  sei  unschmackhaft,  und  wenn  er  dieses 
Weins  trinkt,  so  gehen  ihm  die  Augen  über  und  schreiet  alsdann: 
O  Italia,  o  Italia,  den  guten  wälschen  Corsen  anrufend.  Und  zuvör- 
derst um  der  Ursach  willen  nennt  er  uns  grob,  viehisch  und  trunken 
Leute;  sagt  auch,  er  hab'  in  vier  Monaten  sein  Gelüst  nit  können 
büssen,  dieweil  er  gute  Schlecklein  und  recht  saftige  Bisslein  hie  nit 
bekummen  möge.  Das  Fieber:  Solchs  Liedlein  singest  du  einer 
Tauben.  Ilutten:  Wie,  gefallt  er  dir  denn  nit  zu  einem  Wirth?  Nu, 
wie  möchtest  du  doch  einen  grösseren  Fürsten  lue  finden,  gegen  den 
man  mehr  Gepräng,  Verneigens  und  Bückens  braucht?  Oder  meinst 
du,  dass  er  des  Fiebers  nit  würdig  seiV  Fieber:  Ja,  auch  deaPoda- 
grams.  Hutten:  Nu,  warum  gefallt  er  dir  dann  nit?  Fieber:  Da 
ist  er  mager,  dürr,  schwach  als  ein  Binse,  hat  keinen  Saft  hinter 
ihm,  er  hängt  den  Kopf,  ist  etwa  ein  Mönch  und  Käsejäger  gewesen, 
jetzo  ein  neuer  Cardinal,  sonst  in  allen  Dingen  alt,  er  darf  wohl  drei 
Heller  zu  einem  Mahle  verzehren,  seinen  Koch  seh  ich  oft  ein  halb 
Unz  Fleisch  vom  Markt  heim  Bich  tragen.  Hutten:  Ei  du  verkerest 
alle  Ding.  Ich  sag  dir,  es  ist  der  grösst  Geacht,  der  aller  Ehrwür- 
digst, der  von  der  Seiten,  den  man  nennet  a  latere,  zu  welchem  man 
spricht:  Euer  Herrlichkeit  und  Gnad,  euer  Väterlichkeit,  euer  fürst- 
lich Müdigkeit,  von  dem  nit  zu  glauben,  dass  er  nit  köstlich  oder 
wohl  leben  sollt,  dieweil  er  doch  die  Deutschen  nit  reichlich  oder  zier- 
lich genug  achtet.  Fieber:  Wie  er  für  sich  selbst  lebe,  streit  ich 
nit  Aber  wie  wollt  er  mich  wohl  halten,  der  all  die  Seinen  übel 
speiset  und  kleidet?  Dann  als  ich  jüngst  vor  seiner  Thür  klopfet  und 
ein  Tag  oder  etliche  Herberg  begehrte,  graint  mich  der  Thorwart 
an  sagend:  hörst  du  nicht  das  Gepolter?  Ja  ich  hör  es  wohl,  sprach 
ich,  denn  ich  hörte  ein  Geklopf,  gleich  als  ob  man  etwas  haben 
wollte.  Da  sprach  der  Pfortner:  Es  hat  diese  Gestalt,  unser  Gesind, 
das  jetzu  gegessen  hat,  fordert  Brod.  Sprach  ich:  Wie?  Brod?  Giebt 
man  denn  so  kärglich  hie  ihnen  Speiss,  dass  auch  des  Brods  nit  ge- 


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nug  dargelegt  würde?  Ja,  «jagt  er,  eben  so  kärglich.  So  sein  anch 
kein  Kiaschen,  noch  Pflumfcdern,  oder  einige  weiche  wat  hie  in,  aus- 
genommen die,  da  sich  der  Cardinal  selbs  ausstrecket,  darinnen  er 
seinen  Lust  hat.  Aber  er  ist  wahrlich  wider  dich  gewappent  mit 
Vermaledeiung,  wird  dich  in  Bann  thun,  alsbald  du  einen  Fuss  herein 
setzest.  Er  ist  ein  Legat  Papst  Leonis,  und  steht  in  seiner  Gewalt 
Einen ,  danach  er  Uebels  oder  Guts  verdient  hätte  oder  wie  es  ihm 
gefällt,  zu  behalten  oder  zu  verdammen.  Das  liess  ich  mir  genug 
gesagt  sein.  Und  im  Hingehen  hab  ich  dich  wohl  ein  bessern 
Wirth  fanden  (IV,  30—32).  Solche  Schilderungen  raussten  wohl  auch 
im  Frankfurter  Freundeskreise  Beifall  finden  und  der  herrschenden 
Stimmung  entsprechen,  sonst  würde  Hutten  schwerlich  sie  den  Freun- 
den geschickt  haben.  Zwar  durfte  or  des  Cardinais  Zorn  voraussehen, 
aber  er  schreibt  an  Arnold  mit  absichtlicher  Zweideutigkeit :  er  fürchte 
den  nicht,  der  von  der  Seite  komme. 

Die  dritte  Schrift,  die  Hutten  nicht  blos  ankündigt,  sondern  dem 
Arnold  Glauburger  übersendet,  ist  sein  Dialog  Phalarismus,  der  mit 
dem  Wahlspruche:  Jacta  est  alea,  schon  März  1517  erschienen  war, 
eine  beissende  Satyre  gegen  Ulrich  von  Wtirtemberg.  Dieser  hatte 
Meinen  Stallmeister  Hans  von  Hutten,  Ulrichs  Vetter,  am  8.  Mai  1515 
im  Walde  zu  Böblingen  angegriffen  und  ermordet,  weil  Hans  es  ge- 
wagt hatte,  ihm  nicht  nur  seine  ehebrecherische  Neigung  zu  seiner 
Hausfrau  Ursula  Thumbin  unter  vier  Augen  vorzurücken ,  sondern 
auch  von  der  Sache  mit  Verwandten  und  Freunden  zu  sprechen.  Der 
Herzog  hatte  den  Gemordeten,  um  ihn  als  ehrlosen  Buben  zu  be- 
zeichnen, nachträglich  noch  aufgeknüpft.  Erst  hundertfünfzig  Jahre 
später  hat  man  von  würtembergischer  Seite  die  That  mit  dem  Vorgeben 
beschönigt,  der  Herzog  habe  seinen  Trauring  an  Hansen's  Hand  ge- 
funden und  ihn  als  Freischöffe  des  westphälischen  Gerichtes  rechtlich 
gerichtet.  Die  ganze  fränkische  Ritterschaft  fasste  mit  den  Hutten'- 
schen  gegen  den  Tyrannen  einen  unversöhnlichen  Hass,  dem  Ulrich 
auch  den  schriftstellerischen  Ausdruck  gab;  namentlich  in  seinen  fünf 
Reden  gegen  Herzog  Ulrich,  deren  letzte  im  Jalurc  1519  geschrieben 
ist,  und  in  seinem  Phalarismus.  In  dem  zweiten  Briefe  an  Glauburg 
bittet  er  diesen,  die  früheren  Reden  abschreiben  zu  lassen,  um  sie  zu 
revidiren  und  mit  der  fünften  zum  Drucke  zu  befördern.  Arnold  muss 
also  im  Besitze  des  Manuscripts  gewesen  sein.  Als  aber  die  Herzogin 
Sabina,  eine  bayrische  Prinzessin,  aus  Würtemberg  geflohen  war, 
fanden  die  Hutten'schen  in  den  Herzogen  von  Baiern  Bundesgenossen 
und  betraten  gegen  den  Mörder  ihres  Stammesgenossen  den  Rechts- 
weg, bei  der  Unentschiedenheit  des  Kaisers,  trotz  eines  zu  Stande 

B* 


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gekommenen  Vergleichs,  ohne  Erfolg.  Erst  als  Maximilian  am  12.  Januar 
1519  gestorben  war  und  Ulrich  die  Reichsstadt  Reutlingen,  ein  Glied 
des  schwäbischen  Rundes,  Uberfallen  und  eingenommen  hatte,  erhob 
sich  der  Bund,  die  Herzoge  von  Baiem  und  die  Hutten'achen  vor 
Allen:  auch  Ulrich  von  Hutten  und  Franz  von  Sickingen  schlössen 
»ich  an.  Am  27.  März  brach  das  Heer  von  Ulm  auf  und  rückte  in 
Würtemberg  ein ;  der  Brief  Ulrichs  muss  also  wohl  vor  diesem  Tage 
1619  geschrieben  sein,  da  er  Arnold  bittet,  durch  seinen  Schwieger- 
vater Haman  Pferde  für  ihn  kaufen  zu  lassen.  Es  ist  bekannt,  dass 
die  Schweizer  Tagsatzung  auf  eine  Abmahnung  des  Bundes  ihre  in 
Ulrichs  Sold  stehenden  Landsleute  zurückrief;  die  Besorgnis»,  dass  sich 
Franz  I.  von  Frankreich  des  Verlassenen  annehmen  werde,  hat  sich 
nicht  gerechtfertigt;  am  7.  April  übergab  der  Herzog  seine  feste 
Burg  zu  Tübingen  und  seine  Kinder  unter  Thränen  seiner  Ritter- 
schaft und  ritt  mit  20  Pferden  nach  dem  Schwarzwald  zu.  So  rückte 
das  Bundesheer  ohne  Widerstand  in  das  offne  Land;  Stuttgard  ergab 
sich  ohne  Schwertstreich.  Hutten  nahm  seine  Wohnung  in  Reuchlin's 
Hause,  dessen  er  sich  in  seinem  Kampfe  mit  den  Dunkelmännern  so 
wacker  angenommen  hatte;  von  hier  aus  schrieb  er  den  zweiten  Brief 
an  seinen  Freund  Arnold  Glauburger.    Er  lautet: 

Ulrich  von  Hutten  an  Arnold  von  Glauburg, 
(bei  Böckuig  a.  a.  0.  S.  256  flg.  Nr.  116.) 

Weil  ich  zu  Felde  liege  und  dem  kriegerischen  Stande  eine  ge- 
wisse Kürze  ziemt,  so  vernimm  über  den  Krieg  folgendes  in  Kürze. 
Noch  habe  ich  den  Feind  nicht  gesehen;  Städte  und  Dörfer  haben 
sich  meist  ergeben,  nur  von  Tübingen,  in  das  sich  der  Adel  geworfeu, 
glaubt  man,  es  werde  Widerstand  leisten,  denn  wegen  des  Asperg 
haben  unsere  Krieger  nicht  gleiche  Sorge.  Man  enthält  sich  der 
Plünderung,  soweit  sie  nicht  der  Unterhalt  erfordert  Der  Tyrann, 
der  sich  das  Ansehen  gab,  als  wolle  er  in  emstlicher  Schlacht  uns 
nicht  blos  erwarten,  sondern  auch  niederwerfen,  ist,  wie  die  Meisten 
glauben,  mit  wenigen  Reisigen  nach  Frankreich  geflohen,  wie  Einige 
meinen,  zu  den  Schweizern,  die  ihn  wunderbar  betrogen,  nachdem 
sie  von  ihm  viel  Geld  empfangen  und  ihm  die  Treue  gebrochen 
hatten.  Denn  obgleich  die  Tübinger  die  Belagerung  beharrlich  zu 
bestehen  gesonnen  sind,  so  werden  sie  einem  so  grossen  [Heere]  nicht 
widerstehen  können.  Unsere  Truppen  haben  eine  ausserordentliche 
Tapferkeit,  der  Reisigen  sind  4000  oder  darunter,  des  Fussvolks 
30,000;  der  Stücke  Ansehen,  hochentzückend  für  die  Freunde,  ist  dem 
Feinde  grauenhaft  und  schrecklich.  Ich  habe  dir  gesagt,  man  fürchte 


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nicht  die  Schweizer;  daran  habe  ich  nicht  gelogen,  denn  unsere 
Krieger  wünschen  gegen  das  treulose  Volk  zu  streiten  und  in  allen 
Reihen  heisst  es  hin  und  wieder:  „Möchte  es  mit  ihnen  zum  Kampfe 
kommen!"  Ueber  den  Franzosen  weiss  man  nicht,  was  er  vorhat, 
auch  wir  sind  vor  ihm  nicht  in  Furcht,  sondern  in  Hoffnung,  denn 
da  wir  Ueberfluss  an  Truppen  haben,  so  verlangen  wir  nach  einem 
mächtigen  und  reichen  Feinde  in  der  Aussicht  auf  Beute  und  Ruhm 
zugleich.  Von  der  Beute  habe  ich  noch  nichts  empfangen,  sobald  ich 
empfangen  haben  werde,  werde  ich  etwas  deiner  Hausfrau,  dir  und 
deinem  alten  Schwiegervater  schicken.  In  meinen  Angelegenheiten  kann 
ich  für  jetzt  keinen  bestimmten  Auftrag  ertheilen,  erwarte  einen  weite- 
ren Brief  von  mir;  unterdessen  trage  Sorge,  dass  die  Reden  gegen 
den  Tyrannen  abgeschrieben  werden.  Was  mir  beinahe  entfallen 
wäre,  wenige  Tage  vor  der  Flucht,  als  der  Tyrann  zu  Tübingen  ver- 
weilte, war  dort  zugleich  mit  ihm  die  Hausfrau  meines  gemordeten 
Vetters.  Ich  wünsche  deshalb,  dass  dies  zu  deiner  Kenntnis»  komme, 
damit  du  Niemand  darüber  in  Zweifel  lassest,  die  Ursache  des  Mor- 
des sei  das  unfläthige  Weib,  die  schandbare  Metze,  unser  Verderben 
und  die  Helena  dieses  Krieges;  o  wäre  sie  durch  der  Götter  Gunst 
doch  in  unsere  Hände  gefallen,  sie  hätte  ihre  Strafe  verbüsst  Dies 
in  der  Kürze  bei  solcher  Fülle  des  Stoffes.  Lebe  wohl  mit  deiner 
Hausfrau  und  deinem  Schwiegervater.  Nochmals  lebe  wohl.  Am 
14  April.    Stuttgard  bei  Capnio. 

Nachschrift:  Heute  fiel  die  Stadt  Reutlingen  zusammt  der  Burg 
in  unsere  Hände. 

An  diesen  Brief,  der  gleichfalls  für  das  herzliche  Verhältnis» 
Zeugnis»  ablegt,  in  welchem  Hutten  zu  Arnold,  zu  Haman  Holzhau- 
sen und  dessen  Tochter  Katharina  stand,  reihen  wir  sogleich  den 
folgenden,  der  sich  über  den  Fortgang  des  Feldzuges  ausführlich  ver- 
breitet. 

Ulrich  von  Hutten  an  Arnold  von  Glauburg, 
Rechtsgelehrten  zu  Frankfurt 

(bei  Böcking  a.  a.  0.  1,  261.  Nr.  118). 

Vor  drei  Tagen  hat  sich  uns  Tübingen  ergeben,  ein  Schloss  auf 
jede  Weise  und  gegen  jeden  Angriff  fest  verwahrt.  Aber  mit  uns 
kämpft  der,  welcher  der  Menschen  Gewissen  rülirt  und  ihre  Gedan- 
ken treibt.  Er  selbst  siegt ,  er  selbst  überwindet.  Hierher  mit  denen, 
wenn  je  ihrer  Einige  sind,  die  es  leugnen,  dass  Gott  irgendwie  der 
Sterblichen  sich  annehme!   So  gegenwärtig,  mein  Arnold,  haben  wir 


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den  göttlichen  Beistand  gefühlt,  so  offenbarlich  geschaut,  so  unver- 
hohlen erfahren.  Aufs  beste  und  ehrenvollste  werde  ich  von  Franz, 
meinem  Anführer  behandelt;  grössere  Humanität  habe  ich  in  diesem 
Stück  in  Deustchland  nicht  gefunden :  bestandig  hat  er  mich  um  sich 
und  an  seiner  Seite,  er  schläft  mit  mir  zusammen,  ergeht  sich  in 
Erzählungen,  verkehrt  mit  mir  in  bewunderungswürdig  amnuthigen 
Gesprächen.  Die  Wissenschaften  bewundert  er  wie  Niemand :  ein 
Mann  gross  in  Allem  und  werth ,  dass  Alle  ihn  aufs  höchste  schätzen ; 
sein  Sinn  ist  gegen  Glück  und  Unglück  gewaffnet,  hoch,  unbesiegbar ; 
seine  Rede,  ernst  in  dem  Höchsten,  athmet  Gedanken,  die  nichts 
Niederem,  sondern  nur  allem  Erhabenen  und  Glänzenden  gelten; 
sein  Umgang  ist  angenehm,  anmuthig  seine  Formen;  nichts  spricht 
und  thut  er  stolz,  sondern  alles  edel;  er  selbst  ist  offen,  er  hasst 
den  Trug,  er  verabscheut  das  Gepränge.  Und  bei  den  Kriegern 
welche  Gunst,  welche  Liebe:  fast  Bchmerzt  es  sie,  dass  der  Ober- 
befehl einem  Andern  anvertraut  ist.  Theuer,  wünsche  ich,  soll  deiner 
Bürgerschaft  der  Held  sein,  den  jeder  Art  Tugenden  adeln  -und 
schmücken.  Von  hier  schreiten  wir  zur  Belagerung  des  Asperg, 
der,  wie  ich  glaube,  mit  Gewalt  genommen  werden  muss,  denn  ver- 
zweifelte Menschen  halten  ihn  besetzt;  ist  er  mit  Christi  Hülfe  ein- 
genommen, so  bleibt  nur  noch  Neuffen ,  das  nach  aller  Meinung  leicht 
zu  erobern  ist.  Welcher  Sieg  und  wie  fast  ohne  Mühe  zu  gewin- 
nen! Wo  der  Tyrann  selbst  sich  aufhält,  wissen  wir  nicht;  er  ist 
geflohen,  nur  von  Wenigen  begleitet  und  hat  fast  Alles  hinter  sich 
gelassen,  sogar  das  Geld  und  seine  Kinder.  Den  Hans  Hutten  haben 
wir  aufgegraben ,  er  lag  in  einem  Dorfe  unweit  des  Waldes ,  wo  er 
gemordet  worden  ist,  eingescharrt.  Dabei  war  ein  Wunder  zu  sehen, 
das  kaum  ein  Mensch  glauben  und  fassen  kann ,  schon  vier  Jahre 
beerdigt,  war  sein  Körper  nicht  verwest,  nicht  in  Fäulniss  tiberge- 
gangen, sein  Angesicht  noch  in  allen  Zügen  zu  erkennen,  ja  das 
Blut  flosB  bei  jeder  Berührung,  wahrlich  ein  Zeugniss  seiner  Un- 
schuld. Wir  haben  Um  in  Esslingen  beigesetzt,  um  ihn  von  da  zur 
heimischen  Bestattung  fortzuführen.  Was  ich  dir  von  Heirath  ge- 
schrieben, nimm,  wie  es  geschrieben  steht:  ich  verstelle  mich  nicht, 
es  ist  mein  Vorsatz,  wenn  jene  es  verstatten.  Grüssc  mir  deine 
Hausfrau,  deine  Kinder  und  vor  Allen  jenen  verehrungs würdigen 
Greis,  deinen  Schwiegervater  Hammon.  Grüßse  ausserdem  von 
mir  deinen  Bruder  und  alle  die  Unsrigen  dort.  Lebet  wohl.  Bei 
Stuttgart,  den  30.  April  1519. 

Wir  haben  kein  Interesse,  den  weiteren  Gang  des  württember- 
gischen Handels  zu  verfolgen,  da  die  Mittheilungen  darüber  uns  hier 


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nur  soweit  in  Betracht  kommen ,  als  sie  für  die  innige  Beziehung 
Hutten'»  zu  seinen  Frankfurter  Freunden  und  zu  Arnold  Glau- 
burger sprechen.  Gewiss  war  es  auch  nicht  eine  blosse  Form,  wenn 
er  in  den  Aufschriften  diesen  bald  den  hochgelalirten  Doctor,  seinen 
aufrichtigen  und  verehrten  Freund,  bald  seinen  um  seiner  Treue 
und  Rechtlichkeit  willen  unter  Wenigen  verehrten  Freund  nennt, 
bald  neben  Seiner  Redlichkeit  seine  elegante  Gelehrsamkeit  hervor- 
hebt. Der  Schluss  des  letzten  Briefes  lenkt  unsere  Aufmerksamkeit 
auf  einen  andern  Gegenstand.  Hutten  war  das  abentheuernde  Leben 
des  fahrenden  Kitters  und  Poeten  und  das  unstäte  Umherschweifen 
müde  geworden;  er  sehnte  sich  nach  Ruhe  und  erkannte,  dass  er 
diese  nur  am  häuslichen  Herde,  an  der  Seite  einer  gehebten  und 
hebenden  Gattin  zu  finden  vermöge.  Bereits  hatte  er  seine  Wahl 
getroffen  und  in  einem  leider  noch  nicht  aufgefundenen  oder  viel- 
leicht auch  absichtlich  zurückgehaltenen  Briefe  den  Gegenstand  seiner 
Neigung  seinem  Arnold  mitgetheilt.  Wahrscheinlich  hatte  dieser 
darüber  gescherzt  und  das  Ganze  als  eine  Kurzweile  betrachtet.  Hutten 
versichert  ihn  seines  vollen  Ernstes,  wenn  ihm  die  Verwandten  die 
Erreichung  seiner  Absicht  nicht  unmöglich  machen.  In  der  That, 
wie  ernst  es  ihm  damit  war  und  wie  die  Bilder  des  häuslichen 
Glückes  um  diese  Zeit  seine  Seele  umschwebten,  ersehen  wir  aus 
einer  Aeusserung  an  den  ihm  befreundeten  Würzburger  Domherrn 
Friedrich  Fischer  in  einem  Briefe  vom  21.  Mai  1519  (I,  273): 
„Mich  beherrscht  ein  Verlangen  nach  Ruhe,  in  die  ich  mich  künftig 
begeben  möchte.  Dazu  bedarf  ich  einer  Gattin,  die  mich  pflege. 
Du  kennst  meinen  Charakter:  ich  kann  nicht  leicht  allein  sein,  nicht 
einmal  bei  Nacht.  Möge  man  endlich  aufhören,  mir  die  Vortheile 
der  Ehelosigkeit  und  die  Vorzüge  der  Einsamkeit  anzupreisen ;  ich 
halte  mich  dessen  nicht  fähig.  Ich  muss  ein  Wesen  haben,  bei  dem 
ich  meine  Sorgen  und  auch  meine  ernsteren  Studien  auf  Augenblicke 
vergesse,  mit  dem  ich  spiele,  Scherze  austausche,  in  anmuihigen  und 
leichten  Erzählungen'  mich  ergehe ,  in  dessen  Nähe  ich  den  Kümmer- 
nissen ihre  Schärfe  benehme  und  den  Drang  der  Sorgen  mildere. 
Gieb  mir  ein  Weib,  Friedrich,  und  wenn  du  wissen  willst,  was  für 
eins,  ein  schönes,  junges,  rechtschaffen  erzogenes,  heiteres,  scham- 
haftes, geduldiges;  sie  habe  ausreichenden,  nicht  grossen  Besitz, 
denn  Reichthümer  suche  ich  nicht,  und  was  ihr  Geschlecht  betrifft, 
so  glaube  ich  hinlänglich  wird  die  geadelt  sein,  welche  dem  Hutten 
ihre  Hand  reichen  wird.  Diess  schreibe  ich  bei  Esslingen,  wo  nach 
Beendigung  der  kriegerischen  Operation  jetzt  eine  Bundesversamm- 
lung gehalten  wird.    Von  da  kehre  ich  nach  Mainz  zurück  zu  meinen 


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Büchern,  zu  meinen  Htudien,  obgleich  für  jetzt,  auch  zum  Hole. 
O  Höfe,  o  Fleischtöpfe!    Am  21.  Mai  1519." 

In  dem  folgenden  Briefe  bittet  Hutten  nun  Arnold  Glauburger 
um  seine,  seines  Bruders  Johann  und  Haman's  von  Holzhausen  Ver- 
mittlung bei  der  Mutter  der  Braut.  Auch  seinem  Freunde  Philipp, 
ohne  Zweifel  Fürstenberger ,  hat  er  in  dieser  Angelegenheit  geschrie- 
ben und  von  ihm  Winke  erhalten.  Auch  dieser  Brief  ist  nicht  mehr 
vorhanden.    Er  schreibt  am  26.  Juli  1519  an  Arnold: 

Hutten  seinem  Arnold, 
(a.  a.  0.  I.,  286  flg.) 

Was  ich  nicht  einmal  erwartet  habe,  dass  ihr,  du  selbst,  dein 
Bruder  und  dein  Schwiegervater  beisammen  wäret,  das  ist,  wie 
ich  nun  erfahren  habe,  wirklich  der  Fall  und  ich  freue  mich 
dess  von  Herzen.  Darum,  mein  treuester  Arnold,  wenn  jemals  sonst, 
gedenke  nun  des  Hutten;  jetzt  vermagst  du  die  Herzen  der  Einzel- 
nen zu  erforschen ,  jetzt  wirst  du  wie  von  einer  Warte  aus  alle  Pläne 
durchschauen.  Vielleicht  wird  es  leichter  sein  zu  erkennen,  wohin 
die  Mutter  neigt,  denn  fast  offen  liegen  die  Entwürfe  der  Frauen. 
Damm  stelle  den  Alten  an,  dass  er  dies  Amt  übernehme;  er  selbst 
wird  die  Umstände ,  die  Charaktere,  die  Art  und  Weise  kennen ; 
was  uns  jüngeren  Männern  schwer  fällt,  uns  zu  verbergen  und  zu 
verstellen,  wird  er  mit  seinem  geübten  Tacte  anfassen;  von  Weitem 
und  wie  aus  dem  Hinterhalte  wird  er  gegen  die  Schweigsamkeit  eines 
Jeden  den  Angriff  eröffnen.  Du  glaubst  nicht,  wie  viel  mir  daran 
liegt,  dass  das  geschehe.  Jetzt  wünsche  ich  nichts  mehr  zu  wissen, 
als  wie  ihre  Mutter  gesinnt  sei,  was  sie  vorhabe,  durch  welche  Ver- 
bindung sie  ihr  Haus  zu  ehren  gedenkt,  welche  Bilder  sie  sich  ver- 
langend entwirft.  Man  sagt,  ihr  Zorn  könne  leicht  gereizt  werden— 
wenn  sie  meinen  Charakter  kennen  und  sehen  wird,  dass  ich  das 
Mädchen  innig  liebe,  dass  ich  sie  selbst  ehrerbietig  achte,  dass  ihr  alle 
im  engsten  Bunde  mit  mir  handelt,  dass  in  mir  nichts  Unruhiges 
und  Aufrührerisches,  sondern  dass  meine  ganze  Art  angenehm, 
scherzhaft  und  anmuthig  ist,  so  hoffe  ich  zuversichtlich,  sie  werde 
mich  ihr  gefallen  lassen  und  sich  mir  gefällig  erzeigen.  Ich  bitte, 
präge  deinem  Schwiegervater  nicht  blos  den  Sinn,  sondern  auch  alle 
Worte  dieses  Briefes  ein,  damit  er  berathe,  erforsche,  ergründe.  Ich 
zweifle  nicht,  er  wird  mir  auch  um  deinetwillen,  weil  er  sieht,  dass 
wir  uns  wechselweise  lieben,  wohl  wollen  und  seinen  Rath  nicht  ent- 
ziehen.   Ermittle  bei  deinem  Bruder  (ex  fratre),  was  an  des  Mäd- 


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chens  Vermögen  ist,  was  ftkr's  erste  die  Mutter  gleich  mitgiebt,  was 
sie  hinterlassen  wird.  Wenn  es  deinem  Schwiegervater  (socero)  gut 
dünket,  so  pflege  auch  mit  deinem  Bruder  (cum  fratre)  Rath.  Tilge 
vor  Allem  jene  Meinung,  bei  Allen  jene  Furcht,  in  der  sie,  wie 
Philipp  meint,  befangen  sind,  als  wolle  ich  das  Mädchen  in  irgend 
eine  Felsenhöhle,  einen  Wald  mitnehmen;  auch  ich  würde  ja  einen 
solchen  Aufenthalt  nicht  ertragen,  und  was  ich  euch  oft  gesagt,  auch 
jüngst  geschrieben  habe,  ich  suche  nur  darum  in  den  Städten  eine 
Ehe,  damit  es  mir  in  Städten  zu  wohnen  vergönnt  sei:  Pallas  hat 
die  Städte  gegründet;  der  Pallas  Studien  sind  die  meinen,  mögen 
den  Centauren  vor  Allem  die  Wälder  behagen. 

Denn  nicht  Allen  behagt  das  Gehölz  und  niedre  Gestrüppe  (Verg.  fiel.  IV,  3). 

Doch  ich  glaube,  du  wirst  zur  Genüge  verstanden  haben,  was 
ich  will.  Nur  versuche  es  mit  Eifer  und  sorge  mir  dafür,  dass 
nichts  in  die  Oeffentlichkeit  komme  und  nicht  Einer,  der  keinen 
Verschluss  hat,  sondern  überströmt,  Jemandem  dies  anvertraue.  O 
möchte  Hutten  euch  würdig  und  geeignet  erscheinen,  dass  ihr  ihm  das 
Bürgerrecht  schenket  und  ihn  in  eure  Schwägerschaft  (affinitas)  auf- 
nehmet: nicht  viele  Städte  hat  er  erobert,  wie  einer  von  jenen 
Thrasonen  (Eisenfressern),  aber  viele  Reiche  durchwandert  seines 
Namens  Ruf,  und  hat  er  auch  nicht  Viele  erlegt,  so  liebt  er  doch 
sehr  Viele  und  wird  von  Vielen  innig  geliebt;  er  hat  nicht  Schien- 
beine von  anderthalb  Ellen  Länge  aufzuweisen  und  schreckt  nicht 
mit  gigantischem  Körperbau  die  ihm  Begegnenden,  aber  an  Seelen- 
stärke steht  er  nicht  leicht  hinter  Einem  zurück;  er  rühmt  sich  nicht 
seiner  Schönheit,  noch  thut  er  sich  auf  Wohlgestalt  etwas  zu  gut, 
aber  dass  er  durch  Geistesbildung  liebenswürdig  und  begehrungswerth 
sei ,  dessen  ist  er  sich  nicht  unklar  bewusst ;  er  weiss  nicht  gross- 
sprecherisch  zu  reden,  noch  pflegt  er  sich  ruhmrednerisch  anzuprei- 
sen, aber  weil  er  einfach,  offen  und  aufrichtig  handelt  und  spricht, 
hofft  er  sich  gewürdigt  und  nicht  verworfen  zu  sehen.  Doch  die»» 
ist  ja  selbst  geradezu  prahlerisch.  Ich  wünsche  dir,  deinem  Bruder, 
deinem  Schwiegervater,  deiner  Hausfrau  und  ganzen  Familie  langes 
Wohlergehen  und  sehe  einem  erfreulichen  Briefe  entgegen,  oder 
was  er  auch  bringe,  wenn  er  nur  Wort  für  Wort  den  meinigen  be- 
antwortet Nochmals  lebe  wohl  und  schreibe  mir  bald  und  ausführ- 
lich.  Mainz,  den  26.  Juli  (1519). 

Meine  Büchlein  sind  im  Druck,  mit  denen  ich  euch  bald  zu  er- 
freuen gedenke.  Nun  schicke  ich  deinem  Bruder  „das  Fieber".  Meine 


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Stildien  fesseln  mich  jnit  wunderbarem  Reiz.  O!  wären  wir  zusam- 
men, damit  du  sähest,  an  welchen  Scherzen  ich  mich  ergötze.  Ich 
werde  wieder  an  den  Hof  gefordert,  aber  nicht  leicht  mich  dazu  ver- 
stehen. Zerreisse  meinen  Brief,  wenn  mein  Ruf  dir  am  Herzen  liegt, 
ich  beschwöre  dich  bei  deiner  Treue. 

Wir  wenden  uns  nun  zu  der  Frage,  wer  war  Hutten's  Erwählte  V 
„Sehen  wir",  sagt  Strauss  I,  369  flg.,  „die  drei  Briefe  an  Glauburger 
vor  und  während  des  Feldzugs  näher  an,  so  fallt  die  Pünktlichkeit 
auf,  mit  welcher  er  jedesmal  selbst  in  dem  eiligst  geschriebenen  Zettel 
dessen  Frau  und  Schwiegervater,  den  verehrungswürdigen  Greis  Ham- 
inon,  d.  h.  Haman  von  Holzhausen"  [es  ist  damit  der  römische  Be- 
griff der  senoctus  gemeint,  denn  Haman  war  damals  gerade  50  Jahre 
alt]  „zweimal  auch  die  Brüder"  [vielmehr  den  Bruder]  „grüssen  lässt, 
überdies  von  der  Beute,  sobald  er  seinen  Theil  erhalten  haben  werde, 
jedem  ein  Stuck  zu  verehren  verspricht" ....  „Es  muss  eine  Frank- 
furteriii gewesen  sein,  auf  die  er  es  abgesehen  hatte  und  zwar  muss 
sie  der  Glauburgerischen  Familie  durch  Verwandtschaft 
oder  Verschwägerung  nahe  gestanden  haben."  Ist  diese 
Schlussfolgerung  richtig,  wie  gewiss  jeder  anerkennen  muss  —  denn 
Hutten  bittet  ja  die  Glauburger  ihn  als  angeheiratheten  Verwandten 
(affiiiitas)  in  ihre  Sippschaft  aufzunehmen  —  dann  ist  uns  für  die 
Untersuchung  ein  sicherer  Anhaltspunkt  gegeben.  Die  Glauburgische 
Familie  war  nämlich  damals  bis  auf  wenige  Glieder  zusammen  ge- 
schmolzen; es  waren  die  beiden  Brüder  der  Schöffe  Johann,  der  Ge- 
mahl von  Katharina  Geuch,  und  Dr.  Arnold,  der  Schwiegersohn  von 
Haman  Holzhausen;  ausser  diesen  beiden  nur  noch  die  fünf  Kinder 
ihres  Vetters  Dr.  Johann  und  seiner  dritten  Ehefrau  Margaretha 
Honig.  Die  letztere  konnte  darum  im  Jahre  1525  oder  1526  mit 
Recht  an  ihren  in  Wittenberg  studirenden  Sohn  Johann  schreiben : 
„So  hastu  und  dyn  geschwister  nit  vil  frund",  d.  h.  Verwandte 
(Fich.  Archiv  H.  128).  Johann  Glauburger,  Arnolds  Bruder,  hatte  sich 
erst  1510  verheirathet,  an  eine  Schwester  seiner  reichen  Frau  Katha- 
rina Geuch  kann  aber  nicht  gedacht  werden,  weil  sie  eine  Erbtochter, 
die  letzte  ihres  Stammes,  war.  An  eine  Schwester  von  Arnold's  Frau, 
der  Tochter  Haman  Holzhausen'»,  ist  eben  so  wenig  zu  denken,  die- 
ser hatte  keine  heirathsfahige  Töchter  mehr  und  Ulrich  würde  sich 
in  diesem  Falle  ihn  nicht  zum  Vermittler  bei  der  Mutter  erbeten  ha- 
ben. Es  blieben  also  nur  die  Kinder  des  1510  verstorbenen  Dr.  Jo- 
hann Glauburg  und  der  Margaretha  Horng  von  Ernstkirchen  übrig. 
Von  diesen  Kindern  war  das  älteste,  Kongundis,  am  2.  August  1501 
getauft  worden,  stand  also  damals,  als  Ulrich  schrieb,  im  18.  Jahre, 


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während  ihre  folgende  Schwester  Margarethe  erst  14  Jahre  alt  war. 
Wird  nicht  also  diese  Kongundis  der  Gegenstand  seiner  Neigung  und 
seiner  Wahl  gewesen  sein  müssen?  In  der  That  trifft  Alles  zu,  um 
dieser  Annahme  die  grösste  Wahrscheinlichkeit  zu  sichern.  Zunächst 
das  nahe  Verwandtschafts-  und  Freundschafts verhältniss  der  Männer, 
an  die  sich  Hutten  wendet,  mit  der  Mutter.  Dr.  Johann's  Mutter  war 
eine  Holzhausen  gewesen.  Nach  seinem  Tode  waren  im  Jahre  1511 
auf  seiner  Wittwe  Margaretha  Bitten  Haman  von  Holzhausen  Schöff 
und  Johann  Glauburg,  also  Arnold's  Schwiegervater  und  Bruder,  vom 
Schöffenrath  zu  Vormündern  seiner  Rinder  bestellt  worden.  Als  1517 
die  Wittwe  Margaretha  Horngin  in  die  zweite  Ehe  mit  dem  Schöffen 
Wicker  Frosch  trat,  einem  Sohne  von  Georg  Frosch  und  Anna  Holz- 
hausen, Haman's  Tante,  waren  die  Zeugen  der  Braut:  „Arnold  Glau- 
burger Doctor  juris,  Haman  von  Holzhausen,  Johann  Glauburg,  Schöffen 
und  RathBmänncr  zu  Frankfurt,  ihre  günstigen  Herren  und  Schwäger" 
fd.  h.  Verwandte],  also  wiederum  die  drei  Männer  unseres  Briefes. 
Wie  geeignet  mussten  sie  also  erscheinen,  um  Hutten 's  Bewerbung 
bei  der  Mutter  von  Kongundis  zu  vertreten.  Man  beachte  nun  den 
ganzen  Operationsplan :  Arnold  soll  die  leitende  und  bewegende  Trieb- 
feder sein,  er  soll  seinen  Schwiegervater  anstiften,  mit  feinem  diplo- 
matischem Tacte  die  Mutter  zu  bearbeiten  und  den  Wünschen  des 
Ritters  geneigt  zu  machen ;  er  soll  von  seinem  Bruder  ermitteln  (disce 
ex  fratre,  nicht  wie  Strauss  meint :  der  Bruder  soll  sich  auf  Kundschaft 
legen),  was  au  der  Jungfrau  Vermögen  sei,  wieviel  ihr  die  Mutter 
gleich  mitgeben  und  was  nachlassen  werde.  Auch  das  erklärt  Bich  auf 
das  augenscheinlichste,  da  Johann  Glauburg  als  Vormünder  genau 
seines  Mündels  väterliches  Vermögen  kennen  musste.  Allerdings  hätte 
sich  Arnold  mit  dieser  Frage  auch  an  seinen  Schwiegervater,  den  Mit- 
vormund, wenden  können,  aber  wahrcheinlich  stand  Johann  der  Wittwe 
noch  näher  als  Haman,  war  auch  mit  ihren  eigenen  Verraögensver- 
hältnissen  und  Intentionen  bekannter  und  überhaupt  der  Mann  ihres 
rückhaltlosen  Vertrauens,  der  am  kräftigsten  und  unmittelbarsten 
ihre  Interessen  vertrat.  Sie  selbst  spricht  (a.  a.  O.)  dies  1526  in  den 
Worten  aus,  „dass  ihr  der  Tod  ihres  Vetters  Johann  wohl  so  wehe 
gethan  habe,  als  ihrer  beiden  Hauswirthe  selgen  Absterben,  da  ihr 
doch  gar  leid  an  geschehen  sei".  Eine  Andeutung,  dass  Hutten  des 
Beistandes  von  Haman  wie  auch  von  Arnold  sich  unbedingt  ver- 
sichert hielt,  dagegen  den  Johann  Glauburg  mehr  auf  der  Seite  der 
Mutter  stehend  dachte,  gibt  der  Brief  selbst  in  den  Worten:  „Wenn 
es  deinem  Schwiegervater  gut  scheint,  so  pflege  auch  mit  deinem 
Bruder  einigen  Rath  (si  vidobitur  socero,  etiam  cum  fratre  a liquid 


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consiliorum  eommunica) :  also  nicht  unbedingt,  sondern  nur  mit  Ha- 
tnan's  Zustimmung  und  jedenfalls  mit  zurückhaltender  Vorsicht  soll 
.Johann  in  dicBerathung  gezogen  werden.  Wenn  es  dann  unmittel- 
bar'darauf  heisst:  „benimm  ihnen  Allen  vornehmlich  jene  Meinung 
und  Furcht,  die,  wie  Philipp  (Fürstenberger)  meint,  sie  befaugen  hält, 
als  ob  ich  das  Mädchen  von  ihnen  fortführen  werde",  so  schobt,  wie 
der  Zusammenhang  liegt,  unter  den  omnes  ausser  der  Mutter  und 
ihrem  zweiten  Ehemann  Wicker  Frosch  auch  Johann  mit  zu  denken. 
Ist  unsere  Ansicht  begründet,  dass  Hutten  es  auf  Kongimdis  Glau 
burgerin  abgesehen  hatte,  so  kann  es  freilich  auffallen,  warum  der 
Stiefvater  Wicker  Frosch  nicht  ausdrücklich  erwähnt  wird;  wir  wissen 
indessen  zu  wenig  von  ihm,  als  dass  dieser  Umstand  schwer  in  die 
Wagschale  fallen  könnte;  bei  der  Entschiedenheit,  womit  wir  Marga- 
retha Horngin  die  Heirathspläne  für  ihre  Kinder  entwerfen  und  durch- 
fuhren sehen  werden,  ist  es  überhaupt  fraglich,  ob  er  bei  solchen 
Angelegenheiten  eine  so  gewichtige  Stimme  im  Rathe  hatte;  viel- 
leicht war  er  schon  damals  siech  und  krank,  denn  er  ist  in  demsel- 
ben Jahre  am  10.  December  gestorben.   Seine  Krankheit  und  sein 
Tod  könnte  sogar  einer  der  Gründe  gewesen  sein,  warum  die  Ent- 
scheidung der  zögernden  Familie  sich  bis  in  den  Februar  des  folgen- 
den Jahres  hinauszog.    Ein  andrer  Umstand,  der  nicht  zuzutreffen 
scheint,  ist  die  Erinnerung,  die  Margaretha  Horngin  sechs  Jahre  spä- 
ter ihrem  Sohno  Johann  gibt,  dass  seine  Nahrung  nicht  gross  sei, 
während  es  Hutten  um  eine  reiche  Braut  zu  tliun  war  und  Cochlaeus 
sie  als  opulenta  et  nobilis  bezeichnet,  aber  es  ist  ungewiss,  welcher 
Maatistab  Margarethen  in  ihrem  mütterlichen  Briefe  bei  dem  Begriffe 
eines  grossen  Vermögens  vorschwebte.  Hutten  selbst  wusste  über  das 
Erbgut  des  Mädchens  nichts,  sondern  wollte  dessen  Grösse  erst  durch 
seinen  Freimd  Arnold  von  dessen  Bruder  Johann  erfahren,  Cochlaeus 
aber  stützte  sein  Urtheil  nur  auf  die  Amiahme  der  öffentlichen  Mei- 
nung, in  der  die  Glauburger  nicht  nur  als  angesehene,  sondern  auch 
als  wohlhabende  und  begüterte  Leute  des  damaligen  Frankfurt  galten. 
In  der  That  waren  die  Vermögensverhältnisse  Dr.  Johann  Glaubur- 
ger's  keine  mittelmässigen ;  Fichard  selbst  nennt  sie  bedeutend  flir  jene 
Zeit;  er  hinterliess  seinen  Kindern  540  fl.  jährlicher  Gülden,  die  zu 
5®/o  berechnet  einen  Capitalwerth  von  10,800  fl.  repräsentiren,  keinen- 
falls  aber  ist  dabei  sein  Grundbesitz,  das  Haus  zum  Lichtenstein  auf 
dem  Kömerberg  und  die  Feldgtiter,  mit  veranschlagt.    Auch  Philipp 
Fürstenberg  scheint  zu  der  Familie  Glauburg  in  der  nahen  Beziehung 
gestanden  zu  haben,  welche  unser  Brief  andeutet;  denn  als  Marga- 
retha Horngin  ihren  Sohn  Johann  später  zur  Bewerbung  um  die 


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Hand  Anna  Knoblauch 's  bestimmen  wollte,  schreibt  sie  diesem,  dass 
zwar  Fürstenberger  der  Werber  für  Johann  Wolf  Rohrbach  und  seine 
Mutter  sei,  aber  sich  unverhohlen  geäussert  habe,  er  wolle  lieber,  dass 
sie  Johann  Glauburger  zu  Theil  werde,  als  Johann  Wolf  Rohrbach, 
denn  er  gönne  jenem  Gutes.  Es  stimmt  daher  wiederum  ganz  zu 
Kunigunden,  dass  in  unserem  Briefe  Fürstenberger  so  genau  und  ein- 
gehend Uber  die  in  der  Famile  von  Hutten's  Geliebten  herrschenden 
Bedenken  und  Scrupel  unterrichtet  ist 

Vielleicht  hängt  auch  mit  diesen  Entwürfen  Huttens  zusammen, 
dass  er  den  Mainzer  Hofdienst  zu  Ende  des  Jahres  1519  verliess, 
gegen  den  er  bei  seiner  entschiedenen  Liebe  zur  Freiheit  imd  Unab- 
hängigkeit doch  einen  Widerwillen  empfand,  wie  er  ihn  in  dem  einen 
Worte  so  drastisch  ausgesprochen:  o  aulas,  o  ollas!  Der  Kurfürst  gab 
ihm  im  November  die  erbetene  Entlassung  und  bewilligte  ihm  einen 
jährlichen  Ehrengehalt.  In  seinem  Geiste  aber  wirkten  die  Bilder 
eines  ruhigen  Lebensgenusses  an  der  Hand  einer  gebildeten  Gattin 
und  in  glücklicher  sorgenfreier  Lage  mit  allen  ihren  frischen  Reizen 
fort  und  tauchen  auch  in  seinen  damaligen  Schriften  vielfach  auf,  wenn 
auch  wohl  in  einer  poetischen  Uebertreibung  ausgemalt,  mit  der  es 
ihm  unmöglich  Ernst  sein  konnte.  Zu  Neujahr  1520  widmet  er  dem 
Bischof  von  Würzburg  Conrad  von  Thüngen  seinen  Dialog  Fortuna, 
den  er  somit  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  1519  geschrieben  ha- 
ben muss,  eben  damals  als  diese  Pläne  ihn  bewegten.  Die  Hoffnungen 
und  die  Befürchtungen ,  in  denen  sein  Herz  auf  und  nieder  wogte, 
sprechen  sich  darin  deutlich  aus.  Er  fordert  von  Fortuna,  die  ihm 
mit  dem  Rad  und  dem  Füllhorn  entgegentritt,  soviel  als  zur  Unter- 
haltung seines  wissenchaftlichen  Musseiebens  und  zur  Aufrechthaltung 
seiner  Würde  nothwendig  sei.  Er  sagt:  Vorerst  wenn  mir  eine  Frau 
zu  Theil  wird,  möchte  ich  mir  dort  in  der  Stadt  ein  Haus  kaufen, 
dabei  Gärten,  auswärts  Landgüter  mit  Fischteichen  darin,  ferner 
müSBte  ich  Hunde  haben  zur  Jagd,  Pferde  nur  wenige,  um  bisweilen 
ausreiten  zu  können,  dann  was  zum  Betrieb  der  Güter  erforderlich 
ist,  Knechte,  Hüter,  Vieh;  zu  Hause  aber  einen  Prunktisch,  Betten, 
Polster,  Sänften,  Galerien,  eine  Bibliothek,  Speisesäle,  kalte  und  warme 
Bäder;  für  die  Frau  Kleidung  und  Schmuck  und  das  Alles  zum  Ge- 
brauch mit  Geschmack,  nicht  üppig  und  im  Ueberfluss,  ausserdem 
müsste  noch  etwas  übrig  sein,  um  die  Kinder  zu  versorgen.  Auf  die 
Frage  der  Fortuna,  wie  viel  er  jährlich  wolle,  um  davon  jene  Dinge 
anschaffen  und  erhalten  zu  können,  fordert  er  1000  Goldgulden  (Strauss 
Gespräche  von  Ulrich  v.  Hutten  p.  15  flg.).  Auf  die  weitere  Frage, 
welche  im  Verlaufe  des  Gespräches  Fortuna  an  ihn  richtet,  was  ihm 


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Jupiter  solle  glücken  lassen,  antwortet  er  faßt  in  denselben  Worten, 
welche  er  an  den  Domherrn  Friedrich  Fischer  geschrieben:  dass  ich 
eine  Frau  bekomme  schön,  reich,  jung,  wohl  unterrichtet  und  erzogen 
(21).  Als  ihn  später  Fortuna  fragt:  Wenn  du  sie  nun  hast,  willst  du 
denn  in  der  Art  müssig  sein ,  dass  du  überall  nichts  thust,  entgegnet 
er:  Ich  setze  mir  eine  Art  unmüssiger  Müsse  vor;  ich  werde  sinnen, 
studireu,  lesen,  ausarbeiten.  O  wünschenswerthes  Gut,  ersehnter  Hafen, 
glückselige  Ruhe!  Komm,  führe  mich  zu  diesem  Leben,  das  Müsse 
mit  Würde  verbinden,  Thätigkeit  ohne  Gefahren  haben  wird!  Das 
sei  die  Summe  meiner  Wünsche  (p.  41)!  Zuletzt  blickt  er  zudring- 
lich und  keck  in  Fortunas  Horn  und  ruft  entzückt:  sie  ist  gefun- 
den, da  schaut  ein  Mädchen  hervor,  die  ist's,  die  hab'  ich  ge- 
wollt, liebliches  Gesicht,  reizende  Gestalt,  für  ihre  Sitten  zeugt 
die  Farbe  der  Stirn,  ihr  ganzes  Wesen  voll  Anmuth,  o  ein  be- 
gehrungswürdiges  Geschöpf  (p.  42)!  Jetzt  greift  Fortuna  über  dem 
sich  drehenden  Rade  in  ihr  Füllhorn  —  und  das  Mädchen  ist  einem 
Andern  zugefallen:  „einem  von  den  Hofleuten,  der  von  Dünkel  strotzt, 
vor  Eitelkeit  sich  bläht,  vor  Ruhmredigkeit  rast,  sich  selbst  gross 
macht,  Andere  verachtet,  mit  Ketten  um  den  Hals  und  Edelsteinen 
an  den  Fingern,  in  bunten  Kleidern"  (p.  43).  Auch  dor  letzte  Zug 
stimmt  zu  dem  Briefe  Hutten's  an  Arnold,  der  deutlich  die  Be- 
sorgniss  verräth,  dass  vielleicht  die  Mutter  mit  der  Tochter  hoch  hin- 
aus wolle.  Alles  darauf  berechnet,  den  Freunden  und  der  Familie 
die  Augen  zu  öffnen,  wie  sie  sich  selbst  betrüge,  wenn  sie  aus  ehr- 
geiziger Berechnung  über  die  Hand  der  Jungfrau  verfuge.  Auch  in 
dem  Gespräche:  Die  römische  Dreifaltigkeit,  das  Hutten  gegen  Ende 
1519  geschrieben  und  am  13.  Februar  1520  dem  ihm  verschwägerten 
Mainzischen  Domherrn  Sebastian  von  Rotenhan  gewidmet  hat  —  wir 
müssen  später  ausführlicher  darauf  zurückkommen  —  begegnet  uns 
eine  ähnliche  Anspielung.  Ernhold  fragt  darin  Hutten,  wie  der  von 
Rom  zurückgekelirte  Vadiscus  das  römische  Unwesen  bekämpft  habe. 
Hutten  darauf:  „WTillt  du  denn  auch  in  meiner  Sach,  als  du  wohl 
weiset,  Fleiss  haben?  Ernhold:  Ja,  wahrlich,  ernstlichen  Fleiss. 
Hutten:  Und  meinst  du  mir  jenes  zu  Wegen  zu  bringen?  Ern- 
hold: Wo  es  möglich  ist  (si  Ulis  persuasero).  Hutten:  Du  willt  cb 
aber  unterstehen?  Ernhold:  Mit  allem  Fleiss  und  Arbeit"  (Opp.IV, 
167).  Wenn  wir  erwägen,  dass  das  Gespräch  in  Frankfurt  geführt 
wird,  und  Ernhold  nur  ein  verdeckter  Name  für  Arnold  ist,  so  kann 
es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  hier  in  scherzhafter  Weise  die 
Heiratlisangelegenheiten  Hutten's  und  das  Versprechen  Arnold  Glau- 
burger's  sie  zu  fördern  eingeflochten  ist,  offenbar  eine  Mahnung  an  den 


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Freund,  darin  nicht  nachzulassen,  zumal  damals  Uber  den  Erfolg  von 
Hutten'»  Bewerbung  noch  nichts  entschieden  war. 

Noch  am  8.  Februar  1520  standen  Ulrich's  Hoffnungen  in  voller 
Bltithe.  An  diesem  Tage  nämlich  schrieb  Joh.  Cochlaeus,  damals 
Decan  am  Liebfrauenstift,  an  Willibald  Pirkheimer:  „In  diesen  Ta- 
gen war  jener  edle  Hutten  hier  und  zwar  zweimahl.  Nun  begibt  er 
sich  auf  seine  väterliche  Burg  Steckelberg  und  ist  gestern  abgereist. 
In  Kurzem  wird  er,  wenn  seine  Hoffnung  ihn  nicht  trügt,  eine  edle 
und  reiche  Hausfrau  heimfuhren"  (Heumann  documenta  litteraria  p.  43). 
Diese  Hoffnung  hat  ihn  allerdings  betrogen.  Trotz  aller  Unterhand- 
lungen und  Verwendungen,  an  denen  es  die  Glauburger  und  Haman 
nicht  fehlen  Hessen  und  die  auch  Anfangs  nicht  ohne  Erfolg  geblie- 
ben zu  sein  scheinen,  hat  er  dennoch  eine  ungünstige  Antwort  erhal- 
ten. Der  Catalog  der  von  Radowitz  hintcrlassenen  Autographensamm- 
lung führt  unter  Nro.  74  einen  lateinischen  Brief  Ulrich's  von  Hutten 
an  Arnold  von  Glauburg,  offenbar  in  derselben  Angelegenheit  ge- 
schrieben, au.  Als  Inhalt  wird  angegeben:  „Die  Sache  habe  für  ihn 
eine  ungünstige  Wendung  genommen ,  wahrscheinlich  weil  man  die 
üblen  Sitten  seines  Standes  auch  bei  ihm  vermuthe."  Dies  wird  mit 
Ulrich's  eignen  Worten  erläutert :  „Nämlich  jene  gemeinen  Sitten,  die 
ich  niemals  angenommen,  da  ich  ganz  anders  erzogen  bin,  jene  rauhe 
Art  unserer  Standesgenossen,  von  der,  wenn  meine  Natur  sie  sich  hätte 
aneignen  können,  die  Studien  mich  gereinigt  haben  müssten".  Er  be- 
ruft sich  dafür  auf  seine  vieljährige  Bekanntschaft  mit  Arnold.  Der 
Brief  ist  geschrieben  zu  Steinheim,  nämlich  Steinheim  an  der  Strasse 
bei  Steckelberg,  und  ohne  Datum.  Da  Hutten  sich  mehrere  Wochen 
in  Steckelberg  aufhielt,  denn  am  29.  Februar  1520  schreibt  er  von 
dort  an  Melanchthon,  dass  er  in  wenigen  Tagen  fortreisen  werde ,  so 
ist  es  mir  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  der  erwähnte  Brief  an  Ar- 
nold in  diesen  Wochen  geschrieben,  und  dass  ihm  somit  die  Ableh- 
nung seiner  Bewerbung  im  Laufe  des  Februar  unmittelbar  auf  dem 
Fusse  nachgefolgt  ist.  Mit  meiner  Ueberzeugung  aber,  dass  diese  Er- 
wählte Niemand  anders  als  Kunigunde  Glauburgerin  gewesen  ist, 
stimmt  weiter  der  Umstand,  dass  diese  sich  am  Dienstag  nach  Kreuzes- 
erhöhung,  am  18.  September  1520,  also  sieben  Monate  später,  mit  Dr. 
Adolf  Knoblauch,  der  in  demselben  Jahre  der  Stadt  Advocat  gewor- 
den war,  verlobt  hat.  Jedes  der  Glauburgischen  Kinder  hatte  von 
dem  Vater  her  90  fl.  jährlicher  Gülte,  die  einen  Capitalwerth  von 
1800  fl.  repräsentiren  und  in  deren  Besitz  es  sofort  nach  des  Vaters 
Tode  eingetreten  war.  Dieselbe  Summe  war  der  Mutter  als  Nutz- 
messerin  zugesichert.    Dr.  Adolf  und  Kunigunde  verschreiben  einan- 


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der  in  der  Eheberedung  jedes  tausend  Gulden.  Margaretha  Horngin 
ist  uns  übrigens  als  eine  Frau  bekannt,  die  bemüht  war,  die  eheliche 
Wahl  ihrer  Kinder  nach  eignen  Meinungen  und  Plänen  zu  leiten. 
Ihrem  Sohne  Johann  ersah  sie  eine  Cousine  ihres  Schwiegersöhne* 
Adolf  Anna  Knoblauch  zur  Braut  und  wusste  ihn  in  dem  bekannten 
Briefe  (Fich.  Archiv  II,  125)  zu  diesem  Entscldusae  zu  bestimmen. 
Den  Junggesellenstand  beurtheilte  sie  nicht  günstig,  und  bezeichnete 
ihn  mit  dem  Ausdruck  „Buberei".  Es  ist  ihr  in  einer  Schwieger- 
tochter um  „ein  fyn  Haushälderinn"  zu  thun,  damit  „wem  sy  zu  deill 
werd,  irenthalben  nyt  verderbe".  So  mochte  sie  auch  Bedenken  tra- 
gen, einem  fahrenden  Ritter  und  Litteraten  ihre  Tochter  anzuver- 
trauen, zumahl  die  Seitenblicke  auf  ihr  Vermögen  und  auf  reichen 
Lebensgenuss,  die  sogar  aus  Hutten's  Druckschriften  nur  allzudeutlich 
hervorschielten,  sie  nicht  allzusehr  erbauen  konnten.  Sieht  sie  doch  so- 
gar mit  Besorgniss  auf  das  viele  Geld,  das  ihr  Johann  auf  der  Aca- 
demie  verbraucht;  befurchtet  sie  doch,  dass  den,  welcher  allzuviel 
studiert,  der  Teufel  durch  Hochmuth  verführe,  und  schreibt  mütter- 
lich warnend:  „du  wähnst,  du  seist  gar  wohl  in  Wittenberg?  Gott 
geh,  dass  es  wahr  sei.  Du  wirst's  wohl  befinden."  Wie  hätte  sie  von 
diesem  Standpunkte  aus  die  freie  ungebundene  Genialität  Hutten's  zu 
würdigen  gewusst!  Sein  unruhiges  Treiben,  seine  politischen  Ent- 
würfe mussten  ihr  unheimlich,  ja  aufrührerisch,  die  Offenheit,  womit 
er  sich  über  seine  Krankheit  ausspricht,  geradezu  frivol  und  verwerf- 
lich erscheinen.  Auch  bei  der  Verheirathung  ilirer  ältesten  Tochter 
Kunigunde  scheinen  dieselben  Ansichten  für  sie  massgebend  gewesen 
zu  sein;  Dr.  Adolf  Knoblauch  war  ein  im  Civilrechte  sehr  gelehrter 
und  braver  Mann,  jedoch  mürrisch  und  zur  Geringschätzung  Andrer 
geneigt.  „Hätte,  sagt  sein  Zeitgenosse  Joh.  Fichard  (Annalen,  Ar- 
chiv I,  68  flg.),  die  Natur  ihm  diesen  Fehler  nicht  mitgegeben  oder 
er  selbst  ihn  durch  die  Pflege  der  Humanitätstudien,  die  er 
unter  der  Mittelmäsigkeit  betrieben  hat,  verbessern  oder  doch 
wenigstens  bedecken  können,  so  wäre  er  uns  das  Bild  eines  abso- 
lut guten  und  vollkommenen  Bürgers  geworden."  Kuni- 
gunde, seine  Hausfrau,  starb  schon  am  30.  Januar  1533  nach  13jähri- 
ger  Ehe  im  32.  Jahre  ihres  Lebens.  In  demselben  Jahre  erheirathete 
er  mit  Margaretha  Weiss  von  Limburg  die  beiden  Häuser  zum  Affen 
und  zum  alten  Frosch.  Noch  sind  in  einem  Zimmer  des  letzteren 
Beider  Wappen  in  Farben  mit  der  Jahreszahl  1534  erhalten.  Er  starb 
am  11.  März  1543  im  fünfzigsten  Jahre  (Lersner  1,  277.  U,  A.  207  ). 
Die  Freundschaft  Hutten's  und  Arnold's  hatte  übrigens  durch  das 
Fehlschlagen  dieses  Planes  nichts  gelitten.    Nach  einem  Briefe  des 


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Cochlaeus  vom  12.  Juni  1520  bewilligte  eben  damals  Cardinal  Al- 
brecht von  Mainz  dem  Ritter  100  Gulden  zur  Reise  nach  Holland  zu 
König  Ferdinand  und  zwar  war  es  Arnold  gewesen,  der  durch  seinen 
Einfluss  am  Mainzer  Hof  ihm  diese  Unterstützung  verschafft  hatte, 
vielleicht  um  so  bereitwilliger,  weil  er  ihn  in  seinen  Heirathsange- 
legenheiten  nicht  mit  Erfolg  hatte  fördern  können. 

Es  drängt  sich  uns  am  Schlüsse  noch  die  Frage  auf:  wie  weit 
hat  Arnold  Glauburger  die  antirömische  Gesinnung  und  Anschauung 
Hutten's  getheilt  —  denn  dass  wir  überhaupt  die  unter  den  Huma- 
nisten allgemein  verbreitete  Ueberzeugung  von  der  Verderblichkeit  der 
römischen  Einwirkungen  auf  die  deutschen  Verhältnisse  auch  bei  ihm 
voraussetzen  dürfen,  haben  wir  bereits  oben  gesehen.  Eine  Antwort 
auf  diese  Frage  giebt  uns  Hutten's  zu  Ende  des  Jahres  1519  ge- 
schriebener Dialog :  Trias  Romana  oder  die  römische  Dreifaltigkeit. 
Dieses  Gespräch  ist  nach  Frankfurt  verlegt  und  wird  zwischen  Hutten 
und  seinein  Freunde  Ernhold  geführt.  Dass,  wie  zuerst  Böcking 
gesehen  hat,  unter  dem  letzteren  Namen  sich  Arnold  Glauburger  nur 
leise  und  sehr  kenntlich  verbirgt,  kann  kaum  bezweifelt  werden, 
wenn  man  nur  die  eine  oben  mitgetheilte  Stelle  beachtet,  in  welcher 
Hutten  ihn  erinnert,  sich  auch  in  seiner  Angelegenheit,  nämlich  in 
seiner  Bewerbung  um  die  Erwählte,  thätig  und  sorgsam  zu  erweisen. 
Auch  Ernhold  ist  wie  Arnold  Doctor  beider  Rechte ,  und  wahrschein- 
lich ist  auch  dieser,  wie  von  Ernhold  mehrmals  gesagt  wird,  früher 
in  Rom  gewesen,  zumal  wir  von  ihm  wissen,  dass  er  1515  in  Pavia 
promovirt  hat.  Ist  auch  der  Dialog  selbst  fingirt,  so  dürfen  wir 
doch  imbedenklich  annehmen,  dass  die  Aeusserungen,  die  Ernhold  in 
den  Mund  gelegt  werden,  dem  Standpunkte,  den  Arnold  Glauburger 
in  Wirklichkeit  vertrat,  durchaus  entsprechen  und  seine  Richtung  be- 
zeichnen. Hutten  erzählt  in  Fraukfiirt  seinem  Freunde,  dass  vor 
Kurzem  Vadiscus  aus  Rom  zurückgekehrt  sei  und  seine  dort  gesam- 
melten Erfahrungen  in  Frankfurt  ausgesprochen  habe.  Ernhold  hat 
ihn  zwar  nicht  selbst  gesehen,  aber  von  seinen  freien  Urtheilen  durch 
den  Bürgermeister  Philipp ,  d.  i.  Fürsteuberger,  gehört ,  und  bittet 
Hutten  ihm  darüber  umständlicher  zu  berichten.  Vadiscus  ist,  wie 
Böcking  gezeigt  hat,  niemand  anders  als  Hutten's  Freund,  der  Er- 
furter Dichter  und  Humanist  Crotus  Rubianus,  der  erste  Urheber 
und  hauptsächliche  Verfasser  der  Briefe  der  Dunkelmänner,  der  um 
diese  Zeit  noch  in  Italien  weilte.  Gehört  es  darum  auch  wohl  nur  zur 
dichterischen  Einkleidung ,  dass  er  damals  in  Frankfurt  gewesen  sein 
soll,  so  ist  doch  dagegen  ziemlich  gewiss,  dass  er  seine  Beobachtun- 
gen über  das  römische  Wesen  in  Triaden  niedergelegt  und  seineu 
IV.  6 


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Freunden  in  Deutschland  zugeschickt  hat.    Als  Beispiele  theilen  wir 
folgende  nach  einem  von  Böcking  herausgegebenen  Aufsatz  mit,  der 
wahrscheinlich  von  Grotus  selbst  herrührt  (IV,  266):   „Drei  Ding 
halten  Rom  in  Würden:  Hcilthuin,  Papst  und  Ablass.   Drei  Ding 
sein  köstlich  gehalten  zu  Rom:  Frauen,  Ross  und  Briefe.    Drei  Ding 
seind  wohlfeil  zu  Rom:  Fieber,  Pestilenz  und  arme  Leut  Drei  Ding 
bringt  man  gewöhnlich  von  Rom:  böse  Gewissen,    bösen  Magen, 
leeren  Säckel  ....    Drei   Ding  sein  im  Bann  zu  Rom:  Fasten, 
Feiern,  Wahrheit  sagen  ....    Drei  sein  Burger  zu  Rom:  Simon, 
Judas,  populus  Gomorrhae  ....  Dre^Ding  sein  theuer  zu  Rom : 
Aempter,  Recht  und  Liebe.    Drei  Ding  küsset  mau  zu  Rom:  Hände, 
Backen  und  Altana  ....    Drei  Ding  glaubet  Rom  nit  fest:  Der 
Seelen  Unsterblichkeit,  der  Todten  Auferstehung  und  die  Hölle  mit 
den  Teufeln  ....    Drei  Ding  seind  Rom  schrecklich  zu  hören: 
Generalconcil,  Reformatio  und  dass  die  Deutschen  sehen  werden  .... 
Drei  Räuber  Uber  alle  Räuber  sein  zu  Rom:  Pergament,  Wachs  und 
Blei  ....    Drei  Ding  sein  zu  Rom  gross  Sünde:  Armuth,  Forcht 
Gottes,  Frömmigkeit  ....    Drei  Ding  hält  mau  vor  Wahrheit  zu 
Rom:  Der  Römer  Heiligkeit,  der  Walen  Weisheit  und.  der  Deut- 
schen Unwitz.     Drei  Waaren  seind,  damit  man  handelt  zu  Rom: 
Christus,  geistliche  Lehen  und  Weiber.    Drei  Ding  wären  Rom  am 
besten:  der  Gesetze  Minderung,  Aemter  Abgang  und  ganze  Umkeh- 
rung.   Drei  haben  dies  geschrieben:  Krnst,  Noth  und  Wahrheit.  Drei 
Nutz  giebt  dies  Stücklein:  Erfahrung,   Lehre  und  Warnung  etc." 
Diese  Behandlung  entsprach  so  sehr  dem  Geschmacke  jener  Zeit, 
dass  sie  mehrfache  Nachahmung  fand.    Huttens  Dialog  ist  nur  eine 
Commentirung  dieser  und  ähnlicher  Sprüche ;  es  ist  das  Entschieden- 
ste, was  er  bis  dahin  geschrieben:  sein  Fehdebrief  gegen  die  ganze 
Clerisei  bis  zur  Spitze,  in  der  sie  gipfelt.    Eine  feine  Parallele  zieht 
Strauss,  wenn  er  (Ifl,  95)  daran  erinnert,  dass  auch  Luther  in  seiner 
im  folgenden  Jahre  erschienenen  Schrift:  An  den  christlichen  Adel 
deutscher  Nation  ,  von  des  christlichen  Standes  Besserung,  von  drei 
Mauern  redet ,  welche  die  Romanisten  um  sieh  gezogen ,  von  drei 
Ruthen,  die  sie,  um  ungestraft  zu  bleiben,  gestolüen  haben.  Wich- 
tig sind  für  uns  hier  nur  die  Aeusscrungen,  die  Emhold  beigelegt 
werden  und  von  denen  wir  bei  dein  Umfange  des  Dialogs  nur  einige 
der  charakteristischsten  heraushoben  wollen.  Sie  zeigen,  dass  er  den 
Haas  gegen  Rom  und  das  römische  Wesen  ganz  und  gar  mit  seinem 
ritterlichen  Freunde  theilt   und   dass  die  Unabhängigkeit  Deutsch- 
land^ von  Italien  seine  Lieblingsvorstellung  ist.    Die  Notwendigkeit 
der  Reformation  sehwebt  auch  ihm  vor,  aber  im  Vordergrund  steht 


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ihm  dabei  nicht  der  religiöse,  sondern  der  politisch-nationale  Ge- 
sichtspunkt. So  citirt  er  dem  Hutten  das  Gesetz  Kaiser  Leo's  I. 
über  die  Freiheit  der  Bischofswahlen  vom  Jahr  469  (§.  26  bei  Böcking 
Hutteni  Opp.  IV.,  162).  Schwer  empfindet  er  die  Habsucht  der 
Curie:  „Ist  wohl  ein  jämmerlich  Sach  das  und  dergleichen  vil,  so 
wir  Deutschen  leiden  und  tragen;  wann  will  es  doch  ein  End  neh- 
men mit  den  Bischofsmänteln,  mit  den  Annaten,  Pensionen  und 
der  Unzahl  dergleichen  Räubereien?  Wann  wollen  doch  die  Römer 
einmahl  iliren  Dingen  Maas  geben.  Ich  furcht,  wir  Deutschen  wer- 
dend nit  länger  leiden  mögen,  denn  es  ist  ein  unbillig  Vornehmen, 
damit  sie  uns  vergewaltigen,  nimmt  täglich  zu  und  hat  ihre  Geld- 
forderung kein  Aufhören,  Weis  noch  Maass  ....  Wollte  Gott,  es 
geschah,  dass  wir  unsere  Dienstbarkeit  abwerfen,  auf  dass  wir  nit 
länger  von  Ausländern  und  unsern  Nachbarn  verachtet  würden." 
(§.  12  u.  14).  Mit  Abscheu  beschreibt  er  den  kriegerischen  Papst 
Julius  II:  „0  Gott,  was  ein  Mensch,  was  ein  Wunder!  seine  Augen 
greulich,  sein  Angesicht  erschrecklich,  er  mit  all  seiner  Weis  und 
Geberden  grausam,  mürrisch  und  unmenschlich"  (§.  47).  „O  Frauen", 
ruft  er  (§.  66  flg.)  „o  Pferde,  und  o  Papst!  Soll  man  uf  solche  Ding 
grösser  Fleiss  haben,  denn  uf  den  christlichen  Frieden,  unsern  Glau- 
ben, die  evangelische  Wahrheit,  und  —  die  Summa,  davon  zu  re- 
den —  uf  die  christlichen  Liebe?  Wann  ist  aber  das  Christi  unsers 
Herrn  Meinung  oder  Gedanke  je  gewesen ,  einen  nach  ihm  zu  lassen, 
tder  sein  göttlich  Gesetz  und  Ordnung  zurückschlug,  ein  neues  un- 
christliches Leben  führte,  die  ganze  Welt  mit  Ablass  und  Bullen 
vexiret  und  belästiget?  So  auch  ein  Papst  oder  Bischof  ist  zu  einem 
Hirten  der  Seelen  gesetzt,  was  darf  er  denn  einem,  dem  er  da« 
ewig  Leben  oder  Himmel  giebt,  ein  Bullen  darauf  schreiben  oder 
versiegeln,  so  doch  im  Geschäft  der  Seelen  weder  Brief,  noch  äusser- 
lich  Gezeugniss  von  Nöthen  ist,  sondern  eines  guten  Gewissens,  wel- 
ches Got  der  Maasen  kennt,  dass  er,  als  menschlicher  Gedanken  er- 
fahren, niemand's  Anzeigung,  noch  Beweisung  darüber  bedarf?  Was 
thut  denn  mit  hübschen  Pferden  ein  Vicarius  des  Christus,  der  nit  mer 
dann  zu  einem  mal"  (und  zwar)  „auf  einem  ungestalten  Esel  gesessen 
ist?  Will  er  Krieg  führen?  Fürwahr  Christus  hat  die  Krieg  ge- 
scholten und  ruhesam  Leben  gelobt,  zu  dem  Frieden  gerathen,  den 
er  auch  seinen  Nachkommenden  als  Erbtheil  gelassen."  Mit  Ent- 
rüstung beklagt  er  (§.  53):  „Der  Papst  last  keinen  Kaiser  sein,  er 
fall  ihm  dann  vorher  zu  Füssen  und  empfahe  die  kaiserliche  Krone 
von  seinen  Füssen  ab,  verschwöre  ihm  auch  das  italienische  Reich 
und  die  Stadt  Rom."    In  Rom,  meint  er,  (§.  43  und  55)  ertödte  man 

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mit  drei  Dingen,  nämlich  dem  guten  Gewissen,  der  Andacht  zu 
Gott  und  dem  Eid,  auch  das  jüngste  Gericht.  Als  Hutten  (§.  60  flg.) 
berichtet,  Vadiscus  meine,  drei  Ding  seien  den  Römern  schrecklich 
zu  hören:  von  einem  gemein  Concilio  reden,  einer  Reformation  des 
geistlichen  Standes  gedenken,  und  dass  die  Deutschen  jetzt  Augen  ge- 
winnen ;  danebeu  besorgten  und  fürchteten  sie  auch  drei  Ding :  der  christ- 
lichen Fürsten  Einigkeit,  Verstand  und  Merkung  des  Volkes,  nämlich 
dass  ihre  List  und  TrUgerei  au  den  Tag  käme,  erwidert  Ernhold :  „Vor- 
wahr, der  kennet  Rom  wohl,  denn  möcht  es  zu  einem  freien  Conci- 
lio kommen,  so  möchte  es  dahin  kommen,  dass  man  nit  mehr  sehen 
würde  Christum,  das  ewige  Leben  und  der  Seelen. Seligkeit  zu  Kauf 
stehen  .  .  .  Dem  Concilio  sein  sie  so  gar  wider,  dass  ich  höre,  der 
Papst  zwinge  alle  deutschen  Bischöfe  in  der  Confirmation ,  ihm  zu 
Gott  und  zu  den  Heiligen  zu  verschworen,  dass  sie  nimmer  daran 
sein  wollen  oder  das  fordern ,  dass  je  ein  Concilium  werde  ...  Ist 
es  denn  also,  so  möcht  doch  grösser  Sünd  und  Schand  nit  geschehen". 
„Mehr",  sagt  er  (§.  71  flg.),  „find'  ich  auch  in  keinen  Schriften  und 
Historien,  dass  in  etlichen  hundert  Jahren  ein  redlicher  oder  taug- 
licher Papst  gelebt  hab.  Wohl  sein  ihr  viel  grosse  Krieger  gewesen, 
haben  Städt'  und  Schloss  zerstört,  nach  Geld  und  Gut  getracht,  dem 
verdammten  Geiz  dienstlich  gelebt.  Der  aber  hitzig  in  göttlicher 
Lieb,  in  den  evangelischen  Schriften  scheinbarlich  gelehrt  oder  mit 
Inbrunst  seines  Herzens  zu  wahrer  Geistlichkeit  gerieht  oder  gesinnt 
gewesen  sei,  muss  man  weit  hinter  eich  rechnen,  bis  einer  runden 
werde  .  .  .  Sag'  mir  aber  eins!  Wie  reimt  es  sich,  dass  die  Kirche 
für  einen,  der  sich  lässt  allcrseligst  nennen,  bitte,  dass  er  selig 
werde?  Denn  also  singen  wir  in  der  Kirchen :  „Wir  bitten  vor  imsern 
Papst  Leo,  Gott  woll'  ihn  fristen,  erquicken  und  selig  machen  uf 
der  Erden".  Ueber  die  Concordate  bemerkt  (§.  89)  Ernhold:  „Vor- 
wahr sags  ich,  sie  sein  nit  deutschen  Namens,  ich  geschweig  fürst- 
licher Ehren,  werth  gewesen,  die  anfänglich  dieselbigen  zwieträchti- 
gen Eintracht"  (discordem  concordiam  im  lateinischen  Text,  der 
Ausdruck,  womit  man  nach  dein  Vorgang  Hospinians  später  von  re- 
formirter  Seite  die  lutherische  Concordienformel  bezeichnete)  „mit  den 
römischen  Bischoffen  gemacht  haben.  Aber  wir  sein  dreifältige  Nar- 
ren, die,  ob  unsere  Vorfahren  etwas  geirret  haben,  das  wir  keren 
[d.  h.  ändern]  mögen,  uns  dahin  schwätzen  lassen,  dass  wir  bei  le- 
bendigen Leibern,  mit  gesunden  Augen  und  freiem  Willen  zu  unaerm 
grössten  Schaden  desselbigen  Entgeltung  tragen.  Und  das  nit  allein, 
sondem  auch  lassen  wir  uns  noch  täglich  mehr  und  weiter  mit  Be- 
schwerungen überladen."    Von  den   Schenkungen   zu  kirchlichen 


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Zwecken  und  dem  Kaufe  der  Ablaßbriefe  sagt  Ernhold  (§.  178  flg.) : 
„Meinen  die  thörichten  Menschen  Gottes  Huld  und  Gnad  damit  zu 
erwerben ,  das»  sie  ihr  Geld  zu  gütigem  geistlichem  Gebrauch  geben, 
denn  sie  glauben  gänzlich,  es  sey  wohl  angelegt,  und  voran  die  gu- 
ten Fräulin,  die  dann  erbärmlich  also  betrogen  werden  und  mit  wun- 
derlichen Zusagungen  durch  die  Beichtiger  Uberschmeichlet.  Diesel- 
bigen  melken  von  ihnen ,  so  viel  sie  wollen.  Und  meinen  die  guten, 
frommen  Weiblin,  sie  mögen  daran  nit  sündigen,  ob  sie  schon  von 
ihren  Mannen  pflücken,  ihren  Rindern  abnehmen,  das  Haus  leeren, 
damit  sie  den  Göckelkrämern  [d.  i.  den  Gaukelkrämern]  etwas  zu  ge- 
ben haben.  Ja  mehr,  nennet  man  solichs  einen  Gottesdienst  und  Werk 
der  Barmherzigkeit  und  wissen  die  Ablasspredigcr  das  in  den  Him- 
mel zu  heben  vor  allen  Tugenden.  Denn  frauliche  Zucht  unversehrt 
behalten,  ist  nit  so  viel.  Die  Kinder  frömmlich  und  zu  heiligem  Le- 
ben erziehen,  ist  nit  so  viel.  So  viel  ist  auch  nit  die  Ehe  treulich 
halten  und  einträchtiglich  darin  bis  uf  den  letzen  Athem  leben.  In 
der  Summ,  nichts  ist  so  viel.  Stehlen,  damit  man  Ablas»  löse,  Uber- 
windet alle  Tugend  und  Wohlthat.  Hat  das  Christus  gewollt?  Oder 
mag  etwas  richtiger  wider  seine  Lehre  gefunden  werden?"  Hutten 
selbst  scheint  über  diese  Auslassungen  seines  Freundes  betroffen: 
„Jen  mein ,  sagt  er,  du  habest  Vadiscum  gehört."  „Ihn  hab'  ich  nit 
gehört,  erwiedert  Ernhold,  diese  Ding  aber  hab'  ich  selb  gesehen 
und  erkannt" 

Diese  Stellen,  die  noch  keineswegs  die  stärksten  des  Dialogs  sind, 
mögen  genügen,  um  zu  zeigen,  welche  Anschauungen  und  Gesinnun- 
gen Hutten  seinem  Freunde  Arnold  Glauburger  in  Ernhold  in  die 
Seele  und  auf  die  Lippen  legt.  Nur  zwei  Aeusserungen  fügen  wir 
noch  bei,  weil  sie  für  uns  Frankfurter  ein  besondres  Interesse  haben. 
Die  eine  im  Anfange  des  Gespräches  ist  eine  Parallele  zwischen 
Mainz  und  Frankfurt,  die  sich  nicht  zu  Gunsten  der  alten  Reichsstadt 
wendet.  „Ernhold:  Als  ich  sehe,  Hutten,  bist  du  doch  zuletzt  wieder 
einmal  zu  uns  gein  Frankfurt  kumen  von  Mainz ,  das  du  pflegst  gül- 
den zu  nennen.  Hutten:  Und  nit  unbillig  gülden.  Denn  auch  noch 
mein  Bedünken  ist,  dass  unter  allen  Städten  deutscher  Nation,  die 
man  einweder  Lusts  halben  ihrer  Gelegenheit  oder  aber  um  Gesund- 
heit willen  des  Lufts  lobt,  möge  Mainz  den  Fürgang  und  Preiss  be- 
halten. Denn  bessere  Luft  hab  ich  in  keiner  Stadt  nit  fanden,  so  ist 
es  onmassen  lustig  gelegen,  bei  der  Vermischung  zweier  grossen 
schiffreichen  Wasser,  darum  man  leichtlich  und  ohne  grossen  Kosten 
hin  und  wieder  spazieren  und  allweg  bald,  was  an  allen  Oertern  neuer 
Mähr  sein,  Wissens  bekommen  mag.   So  bin  ich  ganz  der  Meinung, 


dass  vor  einen  Jeden,  der  studieren  und  sein  Sinn  brauchen  wölle, 
Mainz  ein  gewünscht  Wohnung  sei,  und  mag  dir  vorwahr  sagen,  dass 
so  oft  ich  ausgewesen  und  wieder  uf  Mainz  reise,  wenn  ich  noch  die 
Stadt  nit  in  Gesicht  hab,  geht  mir  ein  Erfrischung  meines  Gemüths 
und  der  Sinne  entgegen,  kann  auch  zu  Mainz  nimmer  genug  lesen 
oder  schreiben.    Uebcr  das  bedünkt  mich,  ich  hab  an  keinem  Ort 
besser  Infall  in  meinem  Dichten.  Ernhold:    Ich  bin  nit  ohne  Wis- 
sen, dass  Etlichs  also  sei,  wie  du  gesagt,  hätte  aber  doch  gemeint, 
du  habest  Mainz  aus  einer  andern  Ursach  gülden  genannt.  Hutten: 
Aus  was  Ursach?    Ernhold:  Dass  die  Pfaffen  daselbst  viel  Gulden 
haben  und  die  zu  sammeln  mehr  Fleiss  denn  auf  ihre  geistlichen 
Aemter  anlegen.  Hutten:  Aus  sollicher  Ursach  sollt  ich  noch  billiger 
euer  Frankfurt  gülden  nennen,  denn  bei  eucli  ist  das  Geld  in  Ueber- 
flüssigkeit  und  allhie  treibt  man  Gcldhändcl  mehr,  denn  an  keinem 
Ort.  Hiehcr  kommen  aus  allen  Landen,  die  da  kaufen  und  verkaufen. 
Hie  bringen  die  Kaufleut  ihr  Geld  zusammen,  hie  haben  die  Fugger 
ganze  Berg  von  Gold  liegen.    Aber  Mainz  hab  ich  gülden  genannt, 
als  man  pflegt  ein  Ding,  das  vor  andern  schön  und  lustig  ist,  oder  dor- 
zu  wir  ein  sondere  Lieb  und  Begier  haben  und  das  uns  zu  vorderst 
wohl  gefällt."    Die  zweite  Stelle  betrifft  einen  Vorfall  zu  Frankfurt, 
der  für  die  dem  Clerus  und  insbesondere  der  Curie  ungünstige  Stim- 
mung der  Bevölkerung  kurz  vor  der  Reformation  zeugt  und  dessen 
Thatsächlichkeit  ich  nicht  bezweifle.  Hutten  erzählt,  als  er  nach  Rom 
gekommen,  habe  er  die  ganze  Fastenzeit  nie  keine  Fleischbank  zu- 
schlicssen  gesehen,  ja  etliche  Cardinäle  hätten  dieselbige  Zeit  an  ihren 
Höfen  ohne  Unterschied  Fleisch  gespeist.  Darauf  (§  78.  79)  E  rnhold: 
„Sollichs  haben  wir  zu  Rom  gesehen,  was  ist  aber  nächsthie  zu  Frank 
furt  geschehen?  Mit  was  grosser  Beweglichkeit  (quibus  convieiis)  hat 
das  Volk  des  Papstes  Legaten  Küche  verflucht?  Denn  sie  hielten  «ich 
nit  nach  christlicher  Ordnung,  sondern  assen  die  Fasten  über  allerlei 
Speise,  unangeschen,  was  geboten  oder  verboten  ist.  Hutten:  Als  sie 
dassclbig  thaten,  Hessen  sie  auch  desto  weniger  Butterbrief  von  ihnen 
kaufen?  Ernhold:  Nichts  desto  weniger,  denn  in  dem  behielten  sie 
ihre  Weis  und  Gewohnheit,  nicht  des  denkend,  ob  sich  das  Volk  ob 
ihren  bösen  Sitten  ärgern  möchte;  denn  hätten  sie  sollichs  ansehen 
wöllen,  sie  wären  also  scheinbarlich  nit  über  die  Gesetz  getreten. 
Hutten:  Haben  sie  auch  um  solichs  red  gehört?  Ernhold:  Ja  von 
etlichen  und  es  ist  ihnen  mit  Rufen  [laut]  gesagt  worden.  Hutten: 
Was  antworten  aber  sie?    Ernhold:  Die  deutschen  Fisch  wollten 
ihren  Mägen  nit  bekommen.    Hutten:  Was'  sagt  das  Volk  dar- 
zu?    Ernhold:   Es  glaubt  viel  mehr,  dass  sie  Kargheit  halber 


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Fleisch  essen,  denn  die  Fisch  waren  thcuer."  Ist,  wie  ich  nicht  be 
zweifle,  in  dieser  Stelle  ein  wirklicher  Vorgang  erzählt,  so  eröfftiet 
sich  damit  ein  Blick,  der  die  plötzliche  Bewegung,  welche  die  Refor- 
mation im  Jahre  1522  in  Frankfurt  hervorrief,  aus  der  bereits  in  der 
Bürgerschaft  bestehenden  Stimmung  begreiflich  macht.  Das  Gespräch 
schücsst  mit  den  Worten:  „Ernhold:  Aber  hör,  was  willst  du,  dass 
ich  den  Curtisanen  diese  Nacht  wünsche?  Hutten:  Was  anders,  denn 
dass  sie  die  Pfründen  immerhin  begehren  und  nit  erlangen,  bitten 
und  doch  nit  erwerben,  suchen  und  doch  nit  finden,  und  dass  sie  in 
solcher  Begier,  Sorg'  und  Fleiss  sich  selbs  armseliglichen  fressen  und 
verzehren.  Ernhold:  Und  soll  ich  meiner  Hausfrau  sollichs  vor- 
sagen, dass  sie  es  auch  mit  mir  wünsche?  Hutten:  Wie  dir  geliebt." 

Am  6.  September  1521  wurde  Dr.  Arnold  Glauburger  vonChur- 
trier  als  Cammergerichtsassessor  präsentirt  und  siedelte  mit  seiner 
Familie  von  Frankfurt  nach  Speier  über.  Wenn  Fichard  in  dieser 
Präsentation  den  Beweis  sieht,  „dass  Arnold,  obgleich  ein  Schwieger- 
sohn des  für  Luther  ganz  eingenommenen  Hamann  von  Holzhausen, 
doch  der  römischen  Kirche  treu  geblieben  Bei",  so  hat  er  mit  diesem 
Urtheile  nur  gezeigt,  wie  wenig  man  in  seiner  Zeit  die  Stellungen 
der  Partheien  und  die  ganze  Situation  im  Anfange  der  Reformation 
zu  begreifen  gewusst  hat.  Im  Jahre  1521  kann  von  einem  Lutheri- 
schen Kirchenwesen  und  folglich  auch  von  einem  Beharren  bei  oder 
einem  Abfalle  von  der  römischen  Kirche  überall  noch  nicht  die  Rede 
sein,  sondern  nur  vom  Verfechten  der  römischen  Tendenzen  und  einer 
liberalen  Opposition  gegen  dieselbe.  Diese  letztere  hatte  nicht  blos 
eine  religiös-sittliche,  sondern  zugleich  eine  national-politische  Seite 
und  fand  ihre  stärkste  Stütze  in  den  Interessen  der  Bildung,  beson- 
ders der  humanistischen.  In  den  Reihen  der  Opposition  finden  wir 
daher  nicht  allein  hochstehende  Geistliche,  namentlich  Domherren  der 
bischöflichen  Capitel,  sondern  sie  blühte  überdies  kräftig  an  den  Hö- 
fen der  geistlichen  Fürsten,  die  sich  in  jener  Zeit  noch  gerne  als 
Mäcene  der  W'issenschaften  und  Künste  preisen  Uesen,  wie  wir  dies 
namentlich  von  dem  Mainzer  (Jhurhofe  wissen,  an  welchem  Männer 
wie  Frowin  Hutten,  Stromer,  Capito,  Hedio  u.  A.  Einfluss  übten  und 
selbst  ein  Ulrich  von  Hutten  gerne  gesehen  und  fürstlich  belohnt 
wurde.  Dass  daher  Dr.  Arnold  Glauburger  von  einem  geistlichen 
Fürsten  zum  Kammergericht  präsentirt  wurde,  hat  nichts  Auflallendes 
und  beweist  eher  alles  Andere  als  seine  fortwährende  Treue  gegen 
die  römische  Kirche,  auch  wenn  man  in  Trier,  wie  dies  wirklich  der 
Fall  war,  den  reformatorischen  Tendenzen  weit  energischer  entgegen- 
trat, als  in  Mainz.  Ohnehin  dachten  damals  selbst  diejenigen,  welche 


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die  Reformation  mit  grossen  Hoflhungen  begrüssten,  an  nichts  weni- 
ger, als  eine  völlige  Umgestaltung  des  kirchlichen  Cultus,  die  selbst 
in  Sachsen  erst  nach  dem  im  Jahre  1525  erfolgten  Tode  Friedrich'« 
des  Weisen  unter  der  Regierung  seines  Bruders  Johann  erfolgte. 
Ohne  Zweifel  besuchte  man  noch  in  Frankfurt  und  an  den  meisten 
Orten  mit  Andacht  die  Messen  und  selbst  reformatorisch  gesinnte 
Frauen  stifteten  Jahresgeziten  und  Seelenmessen,  wie  1523  in  ihrem 
Testamente  Katharina  llolzhausen,  geb.  Fröschin,  zu  St  Bartholomaei 
und  zu  St.  Catharinen.  Nur  eine  völlige  Verkennimg  des  Charakters 
jener  Zeit  kann  daraus  mit  Fichard  die  Folgerung  ziehen,  ein  solcher 
Eifer  flu*  die  Religionsgebräuche ,  in  welchen  sie  erzogen  worden  sei, 
stimme  nicht  ganz  mit  der  doch  so  wohl  begründeten  Ueberlieferung, 
nach  welcher  sie  Luther  bei  seiner  Durchreise  nach  Worms  begrüsst, 
ihm  die  Hände  geküsst,  ihn  mit  Malvasier  gelabt  und  die  Hoffnung  aus- 
gesprochen, er  sei  der  von  ihren  Ahnen  geweissagte  Mann,  der  den 
Immunitäten  des  Papstes  widersprechen  werde.  Hat  doch  am 
22.  Juli  1525  am  Maria-Magdalenentag  noch  Haman  Holzhausen 
nach  Wolfgang  Königstein 's  Bericht  den  das  Sacrament  tragenden 
Priester  in  feierlicher  Processiou  geleitet. 

Wir  besitzen  übrigens  noch  urkundliche  Zeugnisse,  auf  dem  Stadt- 
archive, aus  welchen  hervorgeht,  dass  Arnold  Glauburger  seiner  Ab- 
neigung gegen  die  römische  Priesterschaft  auch  in  seiner  neuen  Stel- 
lung nicht  untreu  geworden  ist  1627  wurde  er  von  dem  Liebfrauen- 
stifte zu  Frankfurt  beim  Schöffengericht  verklagt,  weil  er  elf  Gulden  • 
sechs  Schillinge  Zinsen  jährlicher  Gülte,  die  er  und  sein  Vater  demsel- 
ben früher  entrichtet,  fortzuzahlen  sich  geweigert  habe.  Vom  Schöffen- 
gerichte zur  Zahlung  vcrurtheilt,  wandte  er  sich  appellirend  an  das 
Kammergericht  und  erwirkte  von  diesem  eine  Citation  des  Stiftes,  die 
am  18.  September  dem  Decan  und  Capitel  durch  einen  geschwornen 
Boten  insinuirt  wurde.  Man  vcrgl.  das  Schreiben  des  Capitels  an  den 
Kurfürsten  von  Mainz  von  Samstag  nach  Dionysii  1527  und  die  Auf- 
zeichnung Königstein 's  zum  18.  September  dieses  Jahres. 

Arnold  Glauburger  errichtete  sein  Testament  im  Jahre  1534  zu 
Spcicr,  in  welchem  Jahre  er  auch  ohne  Erben  verschieden  ist,  da  seine 
Frau  und  drei  Kinder  vor  ihm  gestorben  waren. 

IL   Hutten  und  Philipp  Fürstenberger. 

Unter  den  Männern,  mit  welchen  Hutten  ausserdem  in  Frank- 
furt in  freundschaftlicher  Beziehung  stand,  haben  wir  bereits  Philipp 
Fürstenberger  genannt  Er  ist  geboren  1479,  heirathete  1503  Katha- 


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rine  Bromm,  kam  1506  in  den  Rath  und  wurde  1610  Schöffe.  In  die- 
ser Stellung  scheint  er  sich  zu  Anfang  nicht  befriedigt  gefühlt  zu 
haben ;  am  1.  Mai  1513  bat  er  nach  Lersner  LI,  149,  in  offnem  Rath 
um  günstigen  Urlaub  vom  Schöffen-  und  Rathsamt;  der  Rath,  der  den 
ausgezeichneten  Mann  ungern  entbehren  mochte,  ersuchte  ihn,  so  ihm 
Noth  wäre,  auf  ein  Vierteljahr  Urlaub  zu  nehmen.  Dadurch  scheint 
seine  Verstimmung  nicht  beschwichtigt  worden  zu  sein;  denn  am 
31.  Mai  bittet  er  abermals  ihn  seines  Schöffen-  und  Rathsitzes  gnädig- 
lieh  und  günstiglichen  zu  entlassen  und  von  seinem  Eide  ledig  zu 
sagen;  der  Rath  beauftragte  darauf  Johann  Frosch  mit  ihm  zu  han- 
deln, dass  er  hier  bleiben  wolle.  Wahrscheinlich  waren  seinem  hoch- 
strebenden Geiste  die  städtischen  Verhältnisse  zu  enge.  Von  nun  an 
finden  wir  ihn  häufig  mit  grösseren  staatsmännischen  Missionen  be- 
traut: 1518  als  Abgeordneten  der  Stadt  auf  dem  Reichstag  in  Augs- 
burg, 1521  zu  Worms,  1527  zu  Regensburg  und  Speier,  1530  zu  Augs- 
burg, 1532  zu  Regensburg.  1521  wurde  er  mit  Stephan  Grünberger 
zu  dem  in  Mainz  weilenden  Kaiser  Carl  V.  abgeordnet.  1519,  1525 
und  1531  hat  er  das  ältere  Bürgermeisteramt  bekleidet  und  sich  na- 
mentlich im  schweren  Jahro  1525  um  die  Beilegung  der  Bttrgerun- 
ruhen  grosse  Verdienste  erworben.  Die  Reformation  hat  er  mit  Ha- 
inau Holzhausen  am  kräftigsten  und  mit  grosser  Besonnenheit  beför- 
dert   Er  starb  am  18.  September  1540. 

Noch  besitzen  wir  zwei  Briefe  von  Hutten  an  Fürstenberger.  Nur 
den  ersten  können  wir  hier  mittheilen,  da  der  zweite  sich  auf  Er- 
eignisse bezieht,  die  wir  später  im  grösseren  Zusammenhange  zu  be- 
trachten haben.   Jener  lautet  in  deutscher  Uebersetzung: 

Hutten  seinem  Philipp  Ftirstenberg. 
Ep.  170.   Fol.  354  flg. 

Weil  ich  dir  meinerseits  versprochen  habe,  dass  ich,  wenn  du 
meines  Dienstes  dich  je  bedienen  willst,  dir  gewärtig,  bereit  und  wil- 
lig sein  wurde,  darum  scheue  ich  mich  nicht,  deinen  Dienst  anzuspre- 
chen. Und  für  jetzt  muss  ich  dich  mit  folgender  Besorgung  belasten: 
ich  bedarf  dringend  zu  dem,  was  mich  nun  beschäftigt,  des  Aeneas 
Sylvius,  des  nachmaligen  Papstes,  Europa  und  Asien;  die  Bücher  sind 
in  Frankreich  unter  anderm  Titel  gedruckt  und  haben,  wenn  ich  mich 
recht  erinnere,  die  Aufschrift:  des  Aeneas  Sylvius  Cosmographia ; 
ausserdem  bedarf  ich  das  Büchlein  des  Michael  Ricci  über  die  spani- 
schen, sicilianischen ,  hunnischen  und  andre  Könige.  Ich  bitte  dich, 
gehe  bald  zum  Buchhändler,  kaufe,  was  auch  und  wieviel  sie  kosten 


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mögen,  und  schicke  sie  mir  in  das  Hau»  des  Johannes  von  Hatzstein- 
Du  hast  meinen  Brief  gegen  die  Aftertheologen.  Ich  habe  den  gan- 
zen Kerker  meiner  Geduld  gebrochen  und  schreite  heraus  in  meinem 
ureignen  Wesen.  Gegeben  zu  Mainz  [wahrscheinlich  Anfang  Juni 
1520]. 

Dieser  Brief  bezeugt  zunächst  den  engen  literarischen  Verkehr,  in 
welchem  Hutten  mit  Fürstenbcrger  steht,  zugleich  aber  spricht  er  auch 
ftir  des  letzteren  Bildung,  für  den  Umfang  seiner  wissenschaftlichen  Inter- 
essen und  für  den  Reichthum  der  Hülfsmittel  und  Bezugsquellen,  die  da- 
mals Frankfurt  vor  Mainz  voraus  hatte.  Endlich,  und  dies  ist  das 
Wichtigste,  finden  wir  darin  den  Wendepunkt  in  Hutten*  Entwick- 
lung angedeutet;  den  Hofdienst  hat  er  quittirt;  die  Zeit  der  Rück- 
sichtsnah me  liegt  als  durchschrittenes  Stadium  hinter  ihm,  selbst  die 
blosse  litterarische  Opposition  genügt  ihm  nicht  mehr;  mit  stürmischer 
Ungeduld  drängt  es  ihn  hin  zur  entschiedenen  rcforraatorischen  That, 
reisst  es  ihn  fort  zum  eingreifenden,  wirksamen  Handeln  —  er  bedarf 
der  Freunde,  die  ihn  dariu  verstehen,  weil  sie  seine  Gesinnungen 
theilon,  und  er  ist  gewiss,  sie  in  Frankfurt,  in  Männern,  wie  Arnold 
Glauburger,  wie  Hanian  Holzhausen,  wie  Philipp  Ftirstenberger  zu 
finden. 

III.  Johannes  Coohlaeus. 

-  Ehe  wir  den  angesponnenen  Faden  der  Erzählung  fortfuhren,  gehen 
wir  zu  einem  Manne  über,  den  wir  gewohnt  sind,  nur  in  den  Reihen 
der  Gegner  derer  uns  zu  denken,  mit  denen  wir  uns  bis  dahin  be- 
schäftigt haben,  und  den  wir  nichts  desto  weniger  bis  zum  Juni  1520, 
-also  bis  zu  dem  Zeitpunkte,  zu  welchem  wir  die  Beziehungen  Ulrich  's 
zu  dem  Frankfurter  Freundeskreis  verfolgt  haben,  selbst  als  Glied 
desselben  und  wie  mit  Hutten,  so  auch  mit  Fürstenberger  durch  die 
manigfachsten  Verhältnisse  verknüpft  sehen  werden  —  es  ist  Johannes 
Cochlaeus  von  Januar  1520  bis  27.  November  1530  Decan  am  Licb- 
frauenstifl  dahier.  Im  Jahre  1758  gab  derAltorfer  Professor  Johannes 
Heumann  unter  dem  Titel  documenta  litteraria  varii  argumenti  einen 
Band  Briefe  verschiedener  Gelehrten  an  den  Nürnberger  Patricier 
Willibald  Pirckheimer  mit  einer  litterarischeu  Einleitung  heraus.  Die- 
selben werden  durch  eine  lange  Reihe  von  Briefen  des  Joh.  Coch- 
laeus eröffnet,  15  derselben  sind  aus  Italien,  4  aus  Frankfurt  geschrie- 
ben, die  späteren  von  andern  Orten.  Kein  Darsteller  Frankfurter 
Geschichte  hat  diese  Briefe  benützt  oder  auch  nur  durch  eine  flüch- 
tige Erwähnung  derselben  seine  Bekanntschaft  mit  ihnen  verrathen 


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—  und  doch  bilden  gerade  die  vier  Frankfurter  Briefe  in  einer  Zeit, 
aus  der  man  so  wenige  und  meist  nur  fragmentarische  Aufzeichnungen 
hat,  ein  interessantes  historisches  Denkmal.  Ich  glaube  mich  nicht 
erst  entschuldigen  zu  müssen,  wenn  ich  aus  diesen  Briefen,  so  wie 
aus  den  von  Italien  geschriebenen,  das  für  uns  Interessante  hier  mit- 
theile, namentlich  sofern  es  uns  ein  Urtheil  über  die  Persönlichkeit 
des  Mannes  gestattet,  der  mindestens  drei  Jahre  hier  in  bedeutender 
Stellung  gewirkt  und  die  folgenden  sieben  Jahre  wenigstens  nominell 
noch  diese  Stellung  in  unsem  Mauern  bekleidet  hat. 

Johannes  Dobeneck  war  um  das  Jahr  1479  geboren  in  dem 
fränkischen  Marktflecken  Wendelstein  an  der  Schwarzach  in  der 
Burggrafschaft  Nürnberg  unterhalb  des  Gebirges  (dem  späteren  Für- 
stenthum Onolzbach  oder  Anspach).  In  seinem  gewöhnlichen  Namen 
Cochlaeus  erscheint  der  seines  Geburtsortes  latinisirt.  Wendelstein 
bezeichnet  nämlich  im  Mittelhochdeutschen  eine  Muschel  oder  Schnecke, 
lateinisch  „Cochlea".  Da  Nürnberg  die  Mitherrschaft  über  den  Flecken 
hatte,  mag  er  mit  der  Reichsstadt  frühzeitig  in  Beziehung  gekommen 
sein  und  in  ihr  vielfache  persönliche  Verbindungen  angeknüpft  haben. 
Er  wird  daher  später  auch  häufig  Cochlaeus  aus  Nürnberg  genannt. 
Im  Jahre  1510  finden  wir  ihn  als  Magister  der  freien  Künste  und 
Humanisten  in  Cöln.  Von  dort  berief  ihn  am  5.  März  des  genannten 
Jahres  der  Nürnberger  Rath  als  „Rector  und  Schulmeister  bey  Sanct 
Lorenzen  Pfarrkirchen".  Während  ein  gleichzeitiger  Brief  des  Bür- 
germeisters Tetzcl  ihm  die  Annahme  dieses  Rufes  widerrieth,  weil  seine 
eigne  Mutter  und  sein  in  Schwabach  lebender  Bruder  nicht  damit  einver- 
standen seien,  dass  er  seine  beste  Zeit  mit  der  „Scolasteroi"  verderbe, 
die  ihm  nur  geringe  Aussichten  eröffne,  für  die  sich  ihm  bald  die  Ge- 
legenheit eröfliien  würde,  mit  etlichen  jungen  Leuten  als  „Ueberseher 
und  ZuchtmeiBtcr"  nach  welschen  Landen  zu  gehen,  um  da  zu  grossen 
Künsten  zu  gelangen,  rieth  ihm  der  Propst  zu  St.  Lorenzen  Dr.  Anton 
Kress  in  ausfuhrlichem  Schreiben  vom  7.  März  dem  Rufe  ungesäumt 
zu  folgen.  Er  bietet  ihm,  bis  sein  Vorgänger  an  der  Schule  die 
Wohnung  geräumt  haben  werde,  gastliche  Aufnahme  in  seinem  Hause, 
wo  es  ihm  an  den  Gaben  der  Ceres  und  des  Bachus  nicht  fehlen 
werde.  Wenn  er  die  Gehälter  seiner  Collaboratoren  beatritten  habe, 
dürfe  er  sich  auf  100  fl.  des  Jahres  stehen,  obgleich  diese  Einnahme 
bei  den  wechselnden  Verhältnissen  und  der  launenhaften  Gunst  der 
Eltern  seiner  Schüler  nicht  als  eine  ganz  sichere  zu  betrachten  sei. 
Wenn  man  ihm  von  einer  Seite  her  bessere  Aussichten  eröffne,  so  sei 
dies  eine  Intrigue,  da  er  einen  begünstigten  Nebenbuhler  habe,  in 
dessen  Interesse  man  ihn  vielleicht  abzumahnen  versuche.  Dieser  Rath 


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schlug  durch,  Cochlaeus  kam  und  leitete  in  der  Schule  die  Humani- 
tätsstudien; als  Erstlingsfrucht  seiner  dortigen  Wirksamkeit  erschien 
bereits  im  Jahre  1511  seine  Geographie  des  Pomponius  Mela,  dem 
Nürnberger  Patricier  und  Rathsgliede  Willibald  Pirckheimer  zuge- 
eignet. 

Es  ist  ein  glänzendes  Bild,  das  Strauss  in  markigen  Zügen  von 
dem  letzteren  entwirft.  „In  keinem  Andern  ist  das  Patriciat  der  deut- 
schen Reichsstädte  dem  römischen  näher  getreten.  Nichts  war  klein 
und  eng  angelegt  in  dem  Mann  und  seinen  Verhältnissen.  Ein  grosser 
gewaltiger  Körper,  von  früh  auf  ritterlich  geübt;  Geburt  aus  einem 
edeln  Geschlechte  der  damals  ersten  deutschen  Stadt;  ererbter  Reich- 
thum; gelehrte  Ausbildung  in  Italien,  höfische  und  kriegerische  im 
Dienste  des  Bischofs  von  Eichstädt;  wo  zu  einem  solchen  Geiste  von 
starker  und  umfassender  Anlage  solche  Mitgaben  hinzu  kamen,  da 
konnte  sich  etwas  Bedeutendes  entwickeln.  Kaum  hatte  er  seine  Bil- 
dung vollendet,  so  nahm  er  im  Rathe  seiner  Vaterstadt  Platz;  seine 
imponirende  Gestalt,  seine  Wohlredenheit ,  seine  diplomatische  Hal- 
tung machten  ihn  besonders  zu  Gesandtschaften  geschickt;  bald  lernte 
Kaiser  Max  ihn  schätzen  und  ernannte  ihn  zu  seinem  Rathe;  manche 
Gunst,  die  er  der  Stadt  Nürnberg  bewies,  hatte  sie  der  Geltung  zu 
verdanken,  in  welche  sich  ihr  Sprecher  bei  dem  Kaiser  zu  setzen 
wusste.  Auch  seine  kriegerischen  Gaben  anzuwenden,  fand  Willibald 
Gelegenheit.  Als  der  Schweizerkrieg  des  Jahres  1499  ausbrach,  führte 
er  [29  Jahre  alt]  dem  Kaiser  die  Nürnbergischen  Truppen  als  ihr 
Oberster  zu;  der  Krieg  war  unglücklich,  da  es  an  der  obern  Leitung 
fehlte:  Pirckheimer  an  seiner  Stelle  erprobte  seine  Tüchtigkeit  und 
beschrieb  nachher  selbst  seinen  Feldzug,  wie  Xenophon  und  Caesar. 
Heimischer  Neid  und  Anfeindung  fehlten  dem  hervorragenden  Manne 
nicht:  einmal  trat  er  grollend  aus  dem  Rathe  und  Hess  sich  ein  andermal 
nur  durch  die  ehrenvollste  Genugthuung  darin  zurückhalten.  Alle  Zeit, 
die  ihm  von  öffentlichen  Geschäften  übrig  blieb,  gehörte  der  Wissen- 
schaft und  Kunst,  dem  persönlichen  oder  brieflichen  Verkehre  mit 
ihren  Vertretern,  von  denen  die  Meisten  seine  Bekannten,  die  Besten 
seine  Freunde  waren.  Aber  auch  die  Bedeutendsten  unter  denselben 
näherten  sich  ihm  nur  mit  Verehrung,  legten  auf  sein  Urtheil  und 
seinen  Rath  das  grösste  Gewicht  und  nahmen  seine  Zurechtweisung 
willig  hin.  Sein  Haus,  dessen  Gemächer  die  Besuchenden  königlich 
nannten,  seine  mit  Büchern  und  Handschriften  reich  versehene  Bi- 
bliothek, standen  jedem  Gelehrten  offen.  Seine  glänzenden  Gastmahle, 
bei  denen  er  vorzugsweise  Leute  von  Geist  um  sich  zu  versammeln 
liebte,  waren  berühmt   Durch  ihn  vornehmlich  wurde  Nürnberg  ein 


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litterarischer  Mittelpunkt.  Seine  Geistesrichtung  war  die  humanistische, 
in  dem  Heere  der  Keuch  Ii  nisten  nahm  er  eine  der  vordersten  Stellen 
ein.  Sein  lateinischer  Stil  ist  nicht  tadellos,  hat  aber,  besonders  in 
seinen  gehaltvollen  Vorreden  und  Zueignungen,  einen  klassischen 
Strich  und  römische  Würde.  Eine  seltene  Stärke  besass  er  im  Grie- 
chischen. Schriften  von  Plato  und  Xenophon,  von  Plutarch  und  Lucian, 

hat  er  in's  Lateinische  ,  manche  auch  in 's  Deutsche  übertragen  

Wie  verkörpert  ist  in  Firckheimer  der  allseitige  Wissens-  und  Bil- 
dungsdrang der  Zeit.  Hermann,  Graf  von  Nuenar,  wechselt  Briefe 
mit  ihm  über  ältere  deutsche  Geschichte,  Erasmus,  Cochlaeus  über 
Theologie;  Gabriel  Hummelberger  erbittet  sich  ein  botanisches  Buch 
aus  seiner  Bibliothek  und  fordert  ihn  auf,  auch  einige  der  griechischen 
Aerzte,  wie  bereits  den  Kirchenvater  Gregor,  lateinisch  reden  zu 
machen;  dazwischen  legen  ihm  Andere  verwickelte  Rechtsfalle  zur 
Begutachtung  vor;  Hubert  Thomas  von  Lüttich  bittet  ihn  um  Er- 
klärung etlicher  Verse  aus  Hesiod,  Glareanus  freut  sich  Vor- 
habens, die  Geographie  des  Ptolomaeus  herauszugeben.  Auch  die 
Kunst  war  Pirckheimer  nicht  fremd.  Die  Musik  übte  er  selbst  als 
Liebhaber  aus;  den  Landsmann  Albrccht  Dürer  bewunderte  er  als 
Maler  und  liebte  ihn  als  Menschen  und  es  war  ein  tiefer  Kummer 
für  ihn,  dass  er  den  trefflichen  Freund  als  das  Opfer  der  Quälereien 
eines  bösen  Weibes  vor  der  Zeit  hinwelken  sah.  Wie  antik  spricht 
das  Bild  uns  an,  das  Willibald  selbst  von  seinem  Landleben  auf  dem 
Gute  seines  Schwagers,  als  zu  Nürnberg  die  Pest  hauste,  uns  ent- 
wirft. Hier,  entfernt  von  städtischen  und  Staatsgeschäften,  lebt  er 
ganz  dem  Studium  und  der  Natur,  liest  Vormittags  im  Plato,  sieht 
nach  Tisch  von  hoher  Burg  herunter,  da  ihn  das  Podagra  am  Gehen 
hindert,  dem  Treiben  der  Landleute  auf  den  Feldern,  der  Fischer 
und  Jäger  im  Thal  und  auf  den  umliegenden  Hügeln  zu;  empfangt 
und  bewirthet  Besuche  aus  der  Nachbarschaft  oder  auch  die  eigenen 
Maier  und  Bauern  mit  Weib  und  Kind;  der  Abend  gehört  wieder 
dem  Studium,  besonders  geschichtlicher  Werke  und  solcher,  welche 
von  den  Sitten  der  Menschen  oder  der  Herrlichkeit  der  Natur  han- 
deln; dabei  wacht  er  tief  in  die  Nacht,  und  ist  der  Himmel  hell,  so 
beobachtet  er  noch  mit  Instrumenten  den  Lauf  und  die  Stellung  der 
Waudelsterne;  in  denen  er  die  Ereignisse  der  Zukunft,  die  Sclücksale 
der  Fürsten  und  Nationen  zu  lesen  glaubt."*) 

Mit  diesem  Manne  trat  der  junge  Magister  der  freien  Künste  in 
Nürnberg  in  enge  Beziehung;  er  rühmt  und  benutzt  seine  Bibliothek, 


*)  8trau88,  Ulrich  v.  Hotten  I,  319  flg. 


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er  orientirt  Bich  an  seinem  Rath  und  »einem  vielseitigen  Wissen,  er 
wählt  ihn  zum  Protector  seiner  Studien  und  seiner  ersten  litterarischen 
Arbeiten.  Diesem  nahen  Verhältnisse  hatte  er  es  zu  danken,  da«« 
bald  die  Aussicht  sich  ihm  verwirklichte,  die  ihm  bei  seiner  Berufung 
uach  Nürnberg  der  Bürgermeister  Tetzel  eröffnet  hatte.  Eine  der 
Schwestern  Willibald  Pirckheimer's  war  an  Martin  Geuder,  einen 
Rathsinann  zu  Nürnberg,  verheirathet  Vier  Söhne,  Johannes,  Georg, 
Sebald  und  Martin  waren  dieser  Ehe  entsprossen.  Pirckheimer  hatte 
sich  nicht  zu  hoch  geachtet,  die  reichen  Schätze  seines  Wissens  ihnen 
zu  eröffnen  und  sie  selbst  im  Griechischen  zu  unterrichten;  sie  er- 
kannten später  noch  auf  der  Hochschule  dankbar,  ihr  bester  Lehrer 
in  dieser  Sprache  sei  ihr  Oheim  gewesen.  Wie  ihr  Wissen,  so  suchte 
er  auch  ihren  Character  durch  eindringliche  Vorstellungen  und  Vor- 
schriften zu  bilden.  In  einem  Briefe  vom  30.  September  1515  schreibt 
er  ihnen:  „Nicht  allein  die  Christen,  die  Bekenner  der  wahren  Reli- 
gion, sondern  auch  die  Weisen  unter  den  Heiden  pflegen  ihre  Söhne 
zu  lehren,  Gott  vor  Allem  zu  fürchten  und  dann  auch  die  Eltern  zu 
ehren,  in  der  eben  so  wahren  als  frommen  Ueberzeugung,  dass  alle 
menschliche  Weisheit  und  Glückseligkeit  ohne  die  Furcht  des  Herrn 
eitel  und  nichtig  sei,  weshalb  der  Psalmist  die  Gottesfurcht  aller 
Weisheit  Anfang  nennt.  Wie  sehr  aber  die  Ehrfurcht  vor  den  Eltern 
durch  jede  Religion  empfohlen  sei,  halte  ich  für  überflüssig  im  Ein- 
zelnen nachzuweisen,  da  alle  wie  mit  einem  Munde  die  kindliche  Pie- 
tät fordern,  und  wie  sie  den  Verehrern  Gottes  und  denen,  welche  die 
Eltern  verehren,  in  der  gegenwärtigen  und  zukünftigen  Welt  alle 
Güter,  Ehren,  Glückseligkeit  und  langes  Leben  verheisseu,  so  weis- 
nagen  sie  denen,  welche  die  göttliche  Religion  verachten  und  die  Pflich- 
ten gegen  die  Eltern  verletzen,  das  Gegentheil.  Obgleich  uns  nicht 
ganz  klar  ist,  welche  Strafen  in  der  andern  Welt  solche  Uebertreter 
zu  verbüssen  haben,  so  sehen  wir  doch  deutlich,  dass  die  Verächter  Gottes 
und  der  Eltern  nicht  nur  dieses  Leben  elend  dahinbringen,  sondern 
auch  unheilvoll  untergehen.  Ich  schreibe  euch  dies  desshalb,  damit 
ihr,  obgleich  es  euch  ziemt,  in  Allem  tugendhaft  zu  leben,  doch  vor- 
zugsweise dieser  beiden  Gebote  eingedenk  seid,  die  so  enge  zusam- 
menhängen, dass  das  eine  ohne  das  andere  nicht  erfüllt  werden  kanu. 
Darum  furchtet  und  ehret  Gott  vor  Allem  und  dann  auch  die  Eltern ; 
dies  werdet  ihr  thun,  wenn  ihr  eingedenk  seid,  welche  Wohlthaten 
euch  die  göttliche  Güte  beschert  hat  und  wie  wohlwollend  eure  Eltern 
sie  euch  zuwenden,  und  ihnen  dafür  den  Dank  abstattet,  der  in  eurer 
Macht  liegt,  indem  ihr  tugendhaft  lebet,  Zeit  und  Geld  zusammen- 
haltet, und  vorzüglich  eurem  Lehrer  in  allem  gehorchet;  denn  da  er 


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ein  eben  so  guter  als  gelehrter  Mann  ist,  wird  er  euch  nichts  befeh- 
len, was  ihr  bereuen  könnt.  Haltet  euch  daher,  wie  es  guten  Jüng- 
lingen ziemt,  ehret  Gott,  eure  Eltern  und  euren  Lehrer,  der  an  euch 
Elternstelle  vertritt,  so,  das«  ihr  nicht  minder  der  menschlichen  als 
der  himmlischen  Glückseligkeit  eingedenk  seid.  Wenn  ihr  das  thut, 
so  werden  in  euch  Männer  heranwachsen,  wie  wir  sie  hoffen;  wo 
nicht,  so  dürft  ihr  allem  Missgeschick  entgegensehen.  Lebet  wohl 
und  seid  nochmals  eingedenk,  zu  welchem  Zwecke  euch  eure  Eltern 
mit  so  grossen  Kosten  in  Italien  erhalten." 

Der  Lehrer,  dessen  hier  Willibald  gedenkt,  ist  Niemand  anders 
als  Johannes  Dobeneck  oder  Cochlaeu».  Er  war  mit  den  drei  älteren 
Söhnen  Martin  Geuder's  im  Jahre  1515  nach  Bologna  gegangen,  mn 
dort  ihre  Studien  zu  überwachen  und  zu  leiten.  Wir  besitzen  von 
ihm  noch  die  Briefe,  die  er  vom  9.  September  1516  bis  zum  3.  Octo- 
ber  1517  aus  Italien  an  seinen  väterlichen  Freund  gerichtet  und  die 
Uber  seine  Beschäftigung,  seine  Studien,  seine  Umgangsverhältnisse, 
seine  Beobachtungen  des  Landes  imd  der  Leute  und  seine  Richtung 
Aufechluss  geben. 

Seine  wichtigste  Sorge  galt  den  ihm  anvertrauten  Zöglingen.  In 
Bologna  hatte  er  für  sich  und  sie  eine  geräumige  und  anständige 
Wohnung  von  6  Zimmerr.  gemiethet  Da  sie  für  den  geraeinsamen 
Bedarf  zu  gross  war,  so  wollte  er  das  sechste  an  Fremde  abgeben. 
Er  bittet  daher  Pirckheimer  noch  einen  Neffen,  seinen  Bruderssohn, 
nachzusenden.  Auch  eiu  junger  Holzschuher  gehörte  zu  der  kleinen 
deutschen  Colonie,  deren  Zahl  einmal  bis  auf  acht  anwuchs.  Ueber  die 
Beschäftigung  seiner  Zöglinge  erstattet  er  Pirckheimer  folgenden  Be- 
richt: „Deinen  Neffen  werden  in  öffentlichen  Vorlesungen  morgens 
die  Briefe  Cicero's  an  Atticus  und  die  Georgica  Virgils,  nachmittags 
griechisch  Thucydides  und  Aristophanes,  lateinisch  Cicero's  Redner 
und  Properz  erklärt.  Während  der  griechischen  Vorlesung  hört  Sebal- 
dus  Institutionen.  Zu  Hause  hören  sie  morgens  bei  mir  den  Text  der 
Pandecten,  wir  sind  bis  zur  Petitio  hereditatis  gelangt;  ich  werde 
aber  zu  nützlicheren  Büchern  und  Titeln  eilen,  deren  uns  noch  viele 
bevorstehen.  Den  Livius  exponiren  sie  selbst  bei  mir ;  ich  den  Ovid 
und  Solin us,  doch  stehen  wir  mit  beiden  am  Ende."  Ein  andermal 
schreibt  er,  er  habe  dem  Johannes  einen  Dialog  des  Lucian  vorge- 
lebt, .ihn  in  das  Lateinische  zu  übersetzen,  Georg  habe  lateinische 
Verse  gemacht  und  werde  deren  noch  mehr  zu  Stande  bringen,  wenn 
er  nicht  zu  nachlässig  sei ;  dem  Sebald  habe  er  eine  zu  Constantinopel 
gedruckte  hebräische  Bibel  gekauft,  sie  sei  theuer,  aber  schön;  täglich 
unterrichte  ihn  ein  Jude  in  dieser  Sprache. 


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Der  Aufenthalt  in  Italien  war  damals  nicht  ohne  Gefahr.  Zur 
Zeit  des  Carnevals  1516  war  ein  Deutscher  ermordet  worden,  der 
Mörder  aber  unbekannt  geblieben.  Kin  Studentonzwist  endigte  mit 
wüstem  Tumult  „Neulich,  schreibt  er  im  März  1517,  war  unsere 
ganze  Nation  in  den  Waffen  gegen  die  ganze  Nation  der  Lombar- 
den;  auch  ich  sah  mich  genöthigt,  meine  beiden  älteren  Zöglinge  zu 
den  Waffen  und  folglich  in  die  Gefahr  zu  entsenden.  Man  lief  wild 
und  wüthend  durch  die  Strassen,  gewiss,  die  Feinde  dem  Tode  zu 
Überliefern.  Sie  stürmten  in  die  Häuser,  der  Kampf  wurde  mit  jeder 
Art  von  Waffen  geführt,  auch  mit  Schusswaffen;  die  Lombarden 
Hessen  sich  draussen  nicht  blicken,  sondern  hielten  sich  in  den  Woh- 
nungen versammelt.  Hätte  sich  nicht  der  Gouverneur  dareingelegt, 
so  wäre  es  in  der  That  zum  Handgemenge  und  zum  Morde  gekom- 
men; nach  zweitägigem  Wüthen  gebot  er  Frieden.  Getödtet  wurde 
Niemand,  verwundet  nur  Wenige,  die  zufällig  hineingerathen  waren: 
zu  unserem  Beistande  erboten  sich  die  Toscaner,  die  Piccner,  Spanier. 
Ungarn,  Polen,  so  dass  Schüler  gegen  Schüler  inmitten  der  Stadt 
sich  bekämpften,  aber  zur  rechten  Zeit  wurde  die  Sache  geschlichtet 
Jetzt  ist  unter  den  Schülern  Friede,  draussen  aber  Krieg  und  Tu- 
mult" Auch  Hutten,  der  damals  in  Bologna  studierte,  scheint  bei 
diesen  Händeln  nicht  gefeiert  zu  haben.  Als  Sprecher  vertrat  er  vor 
dem  Gouverneur,  einem  Genuesen,  das  Recht  seiner  Nation  mit  einem 
Feuereifer,  der  den  Ingrimm  des  Italieners  erregte.  Er  reiste  bald 
darauf,  um  sich  Nachstellungen  zu  entziehen,  nach  Ferrara  und  Ve- 
nedig. Nach  seiner  Rückkehr  weilte  er  nur  wenige  Tage  in  Bologna 
und  kehrte  in  der  Stille  nach  Deutschland  zurück  (Strauss  I,  183). 

Neben  der  Beaufsichtigung  seiner  Zöglinge  beabsichtigte  Coch- 
laeus  für  sich  die  Betreibung  juristischer,  insbesondere  canonistischer, 
und  theologischer  Studien.  Doch  war  er  zu  unruhig,  als  dass  er  in 
geordneter  Stufenfolge  die  Vorlesungen  hätte  hören  können.  Auf  die 
Autodidaxie  sind  Naturen  wie  die  seinige  vorzugsweise  angelegt 
Auch  sagten  ihm  die  Lehrer  nicht  zu.  „Ich  höre  gar  nichts,  schreibt 
er,  doch  bin  ich  nicht  müssig;  ungern  lasse  ich  einen  Augenblick 
der  Zeit  unbenutzt  dahingehen.  Die  Thorheiten  der  Theologen  und 
Juristen  halte  ich  für  mich  nicht  nützlich;  darum  lebe  ich  zu  Hause 
meinen  Büchern."  Er  will  sich  vornehmlich  auf  die  Rhetorik  legen 
und  hofft  sich  auf  dem  Wege  der  Privatlecture  dnreh  Nachahmung 
de*  Cicero,  Chrysostomus,  Origenes  und  Augustin  zum  Redner  zu  bil- 
den. Jesaias  und  Paulus  hat  er  sich  zu  Vorbildern  gewählt  Mit 
grosser  Liebe  durchläuft  er,  wie  er  sagt,  den  Text  der  Evangelien 
—  aber  seine  Liebe  ist  nicht  wie  bei  tieferen  Naturen  aus  einem 


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Heilsbedürfhisse  entsprungen,  er  liest  sie  nur  um  zu  wissen,rwo  eine 
von  Augustin  oder  Origenes  citirte  Schriftstelle  sich  findet  Kaum  hat 
er,  wie  er  selbst  erzählt,  in  die  Anfange  des  Rechtsstudiums  hinein- 
geblickt, so  schreibt  er  bereits  sieben  Querelen  gegen  Justinian,  in 
welchem  er  einen  unerträglichen  Despoten  wie  Nero  erblickt.  Die 
Verrinischen  Reden  des  Cicero  dienten  ihm  dabei  als  Muster.  Er  be- 
absichtigt nichts  geringeres  als  eine  völlige  Reformation  des  Justinia- 
neischen  Rechtes  in  Deutschland.  Mit  scharfem  Eifer  geisselt  er  die 
Glossatoren  und  leert  gegen  Accursius  den  ganzen  Köcher  seiner 
Zornespfeile  aus.  Drei  Monate  hat  er  mit  diesem  Werke  verbracht, 
24  Bogen  voll  geschrieben ;  er  wagt  den  Wunsch  an  seinen  Protector, 
dass  dieser  seine  Ausarbeitung  dem  Kaiser  vorlege  und  verspricht 
sich  davon  eine  Verbesserung  des  ganzen  Rechtszustandes  im  deut- 
schen Reiche.  Er  wird  aber  von  diesem  scharf  getadelt,  dass  er,  statt 
erst  Jurisprudenz  zu  studiren,  schon  jetzt  eine  verfrühte  und  unreife 
Kritik  übe.  So  besinnt  er  sich  allmählig  wieder  auf  die  Zwecke  sei- 
nes italienischen  Aufenthaltes.  Aus  Deutschland  hat  er  nur  die  niederen 
Grade  des  Priesterthums  mit  nach  Italien  gebracht.  Auf  den  Wunsch 
des  Propstes  Kress,  dass  er  nicht  ohne  den  theologischen  Doctorgrad 
wieder  zurückkehre,  begibt  er  sich  am  26.  März  1517  nachFerrara, 
um  dort  zu  promoviren.  Obgleich  den  theologischen  Studien  längst 
entfremdet,  erreicht  er,  die  Hin-  und  Rückreise  mitgerechnet,  in  vier 
Tagen  dies  Ziel  seiner  Wünsche  mit  einem  Aufwand  von  13  Ducaten. 
Jetzt  wendet  er  sich  um  so  eifriger  dem  canonischen  Rechtsstudium  zu. 

Unter  den  Bekanntschaften,  die  er  in  Bologna  macht,  und  den 
Freunden,  mit  denen  er  dort  verkehrt,  tritt  in  seinem  Briefe  vor  Allem 
Ulrich  Hutten  hervor.  Dessen  satyrisches  Gedicht  Marcus,  ein  Gemisch 
von  griechischen  und  lateinischen  Hexametern  —  die  ersteren  hat  er 
der  Batrachomyomachie  entlehnt  —  zur  Schmach  des  Froschsumpfes  Ve- 
nedig, tibersendet  Cochlaeus  an  Pirckheimer.  Beim  Abendessen  liest 
ihm  Hutten  einige  neue  Briefe  unter  lautem  Gelächter  vor:  es 
sind  die  Briefe  der  Dunkelmänner,  durch  welche  die  deutschen  Hu- 
manisten sich  ihres  Freundes  Reuchlin  angenommen  und  die  kölni- 
schen Theologen  sammt  dem  Ketzermeister  Hoogstraten  dem  Öffent- 
lichen Hohne  preisgegeben  haben.  Doch  leugnet  Hutten  beim  Vor- 
lesen, dass  er  der  Verfasser  des  Buches  sei,  mit  den  Worten:  „durch- 
aus nicht,  Gott  selbst  hat  es  verfasst"  Wenn  Cochlaeus  bemerkt,  dass 
einer  dieser  Briefe  ganz  Deutschland  durchschweife  und  auch  Pirck- 
heimers  gedenke,  der  gegen  den  Wucher  geschrieben,  so  kann  da- 
mit nur,  wie  auch  Strauss  meint  (I,  232),  das  neunte  Stück  des  2. 
Theila,  das  Carmen  rythmicale  des  Magister  Schlauraff,  gemeint  sein, 
IV.  7 


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in  welchem  es  v.  39  flg.  heisst:  „Ich  kam  nach  Nürnberg;  dort  ist  ein 
gewisser  Pirckheimer,  der  nicht  einmal  Magister  ist,  mir  entgegenge- 
treten; aber  ich  hörte  im  Stillen,  dass  er  mit  vielen  Genossen  sich 
für  Capnio  verschwören  und  gegen  uns  Theologen  viele  Bücher  schrei- 
ben wolle;  auch  wurde  mir  gesagt,  er  habe  neulich  ein  Buch  über 
den  Wucher  geschrieben,  den  die  Theologie  erlaubt,  wie  in  Bologna 
disputirt  und  durch  unsere  Magister  [d.  h.  die  Doctoren  der  Theo- 
logiel  erwiesen  worden  ist"  Es  unterliegt  kaum  einem  Zweifel,  dass 
dieser  Brief,  wie  andere  des  zweiten  Theils,  aus  Hutten's  muth williger 
Feder  geflossen  ist;  schon  die  Fülle  des  Witzes,  die  diesen  Brief  so 
lebendig  durchströmt  und  der  acht  Hutten'sche  Ausdruck:  salutem  sea- 
quipedalem  im  Anfange  desselben  deuten  darauf  hin.  Am  zweiten 
Theile  dieser  Briefe  haben  überhaupt  mehrere  Verfasser  gearbeitet, 
dagegen  scheint  es  ausgemacht,  dass  der  erste  Theil  ausschliesslich 
dem  Erfurter  Humanisten  Crotus  Rubianus  angehört.  Cochlaeus  ist 
unerschöpflich  in  Hutten's  Preise:  „In  der  That  ein  wunderbares  Ta- 
lcut, schreibt  er,  besonders  in  der  Verspottung  fremder  Thorheit  Er 
strömt  über  von  Scherz  und  beissendem  Witz;  sobald  ich  den  Mann 
hörte,  sagte  ich,  er  sei  der  zweite  Lucian."  Und  gerade  an  Lucian 
und  Aristophanes,  welche  er  imd  vier  andere  Genossen  sich  von  einem 
Griechen  in  Bologna  interpretiren  liessen,  bildete  damals  Hutten  sei- 
nen congenialen  Geist ;  an  ihnen  studirte  er  die  dramatische  Gesprächs- 
form, deren  er  sich  später  mit  so  grossem  Geschicke,  vornehmlich 
in  der  römischen  Dreifaltigkeit  und  anderen  Dialogen,  gegen  die  Hier- 
archie bediente.  Der  Streit  zwischen  Reuchlin  und  den  Kölnern  be- 
schäftigte vielfach  Hutten  und  Cochlaeus :  wie  jener,  so  stand  auch 
dieser  noch  unbedingt  auf  Seiten  der  Humanisten.  Ein  andermal  ruft 
er  aus:  „Ich  habe  einmal  die  Deutschen  wegen  des  Erasmus  angeklagt, 
dieser  ausgezeichneten  Zierde  Deutschlands,  die  zu  Basel  in  so  be- 
schränkten Verhältnissen  sich  behilft.  Ich  könnte  sie  auch  wegen 
Hutten's  anklagen,  den  die  Deutschen  vernachlässigt,  die  Italiener 
ausgeplündert,  die  Franzosen  verwundet  haben.  Wenn  ein  solches 
Genie  dort  vernachlässigt  wird,  was  dürfen  Andere  für  sich  hoffen." 
Er  zittert  für  die  Gefahren,  denen  er  sich  durch  seine  Freimüthigkeit 
aussetzt :  „Ich  lobe  und  ehre  einen  so  grossen  Mann  um  seines  Geistes, 
seines  Studiums,  seiner  Gelehrsamkeit  willen,  weil  er  sein  Volk  und 
sein  Vaterland  liebt  und  verherrlicht,  doch  fürchte  ich,  dass  sein  deut- 
scher Freimuth,  wenn  er  ihn  nicht  massigen  lernt,  ihm  verderblich 
werde;  Erasmus  wird  ihn  zügeln,  zügle  auch  du  ihn,  wenn  du  es 
vermagst,  damit  nicht  durch  der  Barbaren  Nachstellung  unser  ge- 
meinsames deutsches  Vaterland  vor  der  Zeit  einen  solchen  Geist  ver- 


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■ 


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liere;  ich  darf  nicht  offen  schreiben,  du  jedoch  wirst  von  ihm  Alles 
offen  erfahren."  Hutten  hielt  seine  Rückreise  nach  Deutschland  ge- 
heim, weil  er  Nachstellungen  von  den  Italienern  befürchtete;  nicht 
einmal  des  Cochlaeus  Zöglinge  durften  etwas  davon  erfahren.  Doch 
taucht  beim  Scheiden  wohl  in  beiden  Männern  die  Ahnung,  vielleicht 
schon  die  Gewissheit,  auf,  dass  ihre  Naturen  nicht  zu  einer  dauern- 
den Freundschaft  zusammenklingen.  „Vor  acht  Tagen",  schreibt  am 
5.  Juli  1517  Cochlaeus,  „ist  Hutten  zu  euch  abgereist,  ein  Mann, 
mehr  von  scharfem  und  schneidendem  Geiste,  als  von  sanftem  und 
ruhigem  Gemüthe.  Ich  habe  ihm  Briefe  mitgegeben,  obgleich  es- 
scheint,  er  sei  uns  etwas  fremder  geworden.  Ich  liebe  seinen  Geist, 
aber  nicht  seinen  Ungestüm,  leichter  werde  ich  mir  in  der  Ferne  als 
in  der  Nähe  seine  Freundschaft  bewahren."  Cochlaeus  empfiehlt  den 
jungen  Ritter,  der  damals  27  Jahre  alt  war,  auf  das  Wärmste  zu 
ehren-  und  liebevoller  Aufnahme,  doch,  fügt  er  hinzu,  hat  mich  die- 
ser —  wie  soll  ich  sagen :  Diener  oder  Schirmherr  der  Wissenschaft  oder 
beides?  —  gebeten,  dir  vertraulich  zu  schreiben,  dass  du  ihn  nicht 
mit  Nürnberger  Gepränge,  wie  man  zu  sagen  pflegt,  empfangest. 
Denn  er  sucht  nicht  deine  prächtigen  und  glänzenden  Gastmähler, 
sondern  deine  gelehrten  Gespräche,  trotzdem  dass  er  auf  seiner  Reise 
beeilt  ist"  Auch  Huttens  Freund,  den  Würzburger  Canonicus,  nach- 
maligen Domherrn,  Friederich  Fischer  lernt  Cochlaeus  in  Bologna 
kennen ;  er  erwähnt  häufig  seines  Umgangs  und  eröffnet  ihm  den 
brieflichen  Verkehr  mit  Pirckheimer.  Ebenso  empfangt  er  Briefe 
und  Schriften  von  Reuchlin  und  leitet  den  Briefwechsel  und  den 
Schriftenaustausch  zwischen  dem  Grafen  Picus  von  Mirandola  und 
Pirckheimer  ein. 

Schon  diese  Umgangskreise  lassen  erwarten,  dass  Cochlaeus  da- 
mals mit  den  Humanisten  verkehrend  und  ihre  Interessen  theilend, 
von  der  römischen  Gesinnung,  die  er  später  vertrat,  noch  weit  ent- 
fernt war.  So  verhält  es  sich  auch  in  der  That.  Mit  Spott  und  Ent- 
rüstung berichtet  er  die  monströse  Thatsache,  dass  durch  eine  Er- 
nennung oder  vielmehr  durch  ein  Messgeschäft  31  Cardinäle  ge- 
schaffen worden  seien.  „Nicht  genug",  fügt  er  hinzu,  „dass  man  den 
Abgesetzten  ihre  Güter  eingezogen,  man  behauptet  auch,  dass  durch 
die  an  ihre  Stelle  Getretenen  dem  Papst  über  400,000  Ducaten  zuge- 
flossen seien,  die  als  fette  Beute  dem  vertriebenen  Herzoge  vonUrbino 
zufallen  werden,  aber  ich  sage  dies  nicht,  dass  ich  nicht  gebannet 
werde.  Man  behauptet,  der  Cardinalat  stehe  zum  Verkaufe  feil,  wie 
auch  die  übrigen  Officien."  Mit  sichtlicher  Freude  erzählt  er,  dass 
Hutten  am  Tage  vor  seiner  Abreise  bei  ihm  des  Laurentius  Valla 

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Schrift  über  die  erdichtete  Schenkung  Constantin's  des  Grossen  gefun- 
den, die  er  von  einem  Bekannten  auf  kurze  Zeit  zur  Ansicht  ge- 
liehen, dass  sie  ihm  Hutten  abgebeten,  um  eine  Abschrift  davon  zu 
nehmen  und  sie  in  Deutschland  aufs  neue  zum  Abdruck  zu  befördern 
und  zu  verbreiten;  dass  Friedrich  Fischer,  der  Würzburger  Canoni- 
cus,  sie  rasch  abgeschrieben  und  dass  in  wenigen  Tagen  auch  Deutsch 
land  Exemplare  davon  haben  werde.    „Ich  halte",  bemerkt  er  dazu, 
„für  sehr  wahr,  was  Laurentius  geschrieben  hat;  furchte  jedoch,  dass 
es  nicht  ohne  Gefahr  herausgegeben  werden  könne.   Aber  Hutten 
fürchtet  das  Anathema  nicht  und  mir  scheint  es  unwürdig,  dass  die 
Wahrheit  durch  das  Schwert,  das  nur  die  Wahrheit  führen  dürfte, 
gehemmt  werden  soll.  Leicht  wird  durch  Hutten's  Wagniss  des  Lau- 
rentius Freimuth  wieder  an  das  Licht  treten."   Ueber  den  Zustand 
der  Wissenschaft  und  des  kirchlichen  Lebens  in  Italien  ergeht  er  sich 
in  lauten  Klagen:  „Es  ist  ein  Elend,"  schreibt  er,  „hier  sich  mit  der 
heiligen  Wissenschaft  zu  beschäftigen,  ohne  Lehrer,  ohne  Bücher, 
ohne  Zuflucht    Es  lesen  Mönche  ....  mit  ihnen  will  ich  meine  Zeit 
nicht  verderben,  denn  sie  jagen  nur  sophistischen  Traumbildern  nach. 
Ich  höre  hier  nichts,  immer  halte  ich  mich  eingeschlossen  zu  Hause, 
ausser  wenn  ich  die  Kirchen  besuche.    Selbst  die  Fastenpredigten 
höre  ich  jetzt  nicht,  da  ich  die  Worte  nicht  genugsam  verstehe  und 
keinen  Gewinn  sehe.    Die  Meisten  sind  auf  der  Kanzel,  wenn  ich  es 
sagen  darf,  mehr  Possenreisser  oder  declamirende  Schauspieler  als 
Prediger,  als  Apostel,  als  Augustine.    Während  Viele,  wenn  sie  in 
Gesticulationen  und  in  der  Stimme  sich  auf  thörichte  Weise  überbieten, 
den  Paulus  oder  Cicero  nachzuahmen  meinen,  reden  und  agiren  sie 
doch  nur  heuchlerisch  zum  Volke.  Kann  es  befremden,  wenn  sie  nichts 
ausrichten?  In  ihrer  Heftigkeit  halten  sie  keine  Commata  ein;  bewe- 
gen die  Köpfe  wie  Krähen,  springen  auf,  treten  hinüber  und  herüber, 
schreien,  fechten  mit  den  Armen,  wenden  der  Gemeinde  den  Rücken, 
besonders  wenn  sie  zu  dem  kleinen  hinter  ihnen  stehenden  Crucifbcc 
fiir  die  Gemeinde  beten,  weinen  äusserlich,  lachen  innerlich  und  ge- 
fallen sich  selber  unendlich.    In  Deutschland  wäre,  wie  ich  glaube, 
Alles  meinem  Studium  entsprechender."  Aehnliche  Schilderungen  ent- 
wirft er  von  den  canonischon  Rechtslehrern:  der  eine,  der  Gelehrteste, 
hat  keine  Lehrgabe,  der  andere  spricht  so  leise,  dass  er  nicht  ver- 
standen wird,  der  dritte  ist  so  gelehrt,  dass  er  in  seinen  Digressionen 
auf  ganz  heterogene  Dinge  kommt,  ein  vierter  ist  ein  Schwätzer,  ein 
fünfter  ein  junger  Mann  ohne  Wissen.   Um  so  grösseres  Interesse 
scheint  ihm  das  Volksleben  eingeflösst  zu  haben;  er  sendet  Pirek 
heimer's  Tochter  eine  ausführliche  Beschreibung  von  acht  welschen 


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Tänzen,  die  er  den  Spanier,  den  Rostibin,  die  Angelosa,  die  Amo- 
rosa,  den  Leoncell,  Belreguerd,  Mercasan  und  vite  de  Colei  nennt 
und  die  sämmtlich  in  graziösen  Bewegungen,  Schritten  und  Figuren 
ausgeführt  werden.  Im  September  1517  finden  wir  ihn  mit  seinen 
Zöglingen  in  Florenz.  Unter  den  Büchern,  die  er  dort  an  dem  Stapel- 
platz des  humanistischen  Verkehres  für  Pirckheimer  kauft,  nennt  er 
namentlich  die  Schriften  des  Areopagiten  Dionysius,  an  deren  Aecht- 
heit  er  nicht  zweifelt  und  deren  Sublimität  ihm  Uber  die  menschliche 
Fassungskraft  weit  hinauszugehen  scheint.  Am  20.  September  er- 
reichen sie  Rom.  Während  am  4.  October  seine  Zöglinge?  Johannes 
und  Sebaldus  G-euder  nach  Neapel  reisen,  rüstet  er  sich  zum  ernsten 
Studium  in  der  geistlichen  Hauptstadt  der  Christenheit;  aber  in  den 
Hörsälen  ist  der  Lärm  so  gross,  dass  er  nichts  versteht.  Audi  sonst 
fühlt  er  sich  nicht  behaglich.  „Allzugross  ist  hier  die  Zügellosigkeit 
des  Lebens,  aber  jeder  hat  für  sich  selbst  einzustehen,  ich  werde  für 
mich  und  meine  Angelegenheiten  besorgt  sein,  damit  ich  nicht  die 
Zeit  und  die  grossen  Kosten  unnütz  verschwende."  Auch  den  Papst 
hat  er  unterwegs  gesehen:  jagend  bei  Viterbo  kam  er  an  den  Reisen- 
den vorüber. 

Mit  diesen  Nachrichten  aus  Rom  schliessen  die  italienischen  Briefe 
am  3.  Oktober  1517,  kurz  vor  dem  Ausbruche  des  Ablassstreites, 
dessen  Folgen  auch  dem  Leben  des  Cochlaeus  eine  neue  Wendung 
geben  und  seine  kirchliche  Stellung  wesentlich  umgestalten  sollten. 
Die  nächsten  Briefe,  die  wir  von  ihm  noch  haben,  sind  von  Frankfurt 
aus  an  Willibald  Pirckheimer  geschrieben  und  gehören  sämmtlich  dem 
«Jahre  1520  an,  welches,  wie  es  scheint,  den  entscheidenden  Wende- 
punkt für  Cochlaeus  bildete.    Es  sind  ihrer  nur  vier. 

Im  Jahre  1519  war  Joh.  Cochlaeus  zum  Dcchanten  des  Lieb- 
frauenstiftes gewählt  worden  und  im  Januar  1520  traf  er  in  der  Reichs- 
stadt ein,  um  sein  neues  Amt  anzutreten.  Er  selbst  schildert  am 
26.  Januar  Pirckheimer  den  Empfang,  den  ihm  die  Canoniker  seines 
Capitels  bereitet  haben  und  der  von  dem  Vertrauen  zeugt,  womit 
man  hier  seiner  Wirksamkeit  entgegensah.  „Unter  guten  Vorbedeu- 
tungen bin  ich  hier  eingetroffen  und  nichts  Widerwärtiges  ist  mir 
unterwegs  begegnet,  ausser  dass  meine  Bücher  mir  von  Räubern 
nicht  genommen,  sondern  beschädigt  worden  sind,  nur  wenige  habe 
ich  verloren  —  ein  leichter  Verlust,  da  mir  die  übrigen  geblieben 
sind.  Meine  Canoniker  haben  mich  ausserordentlich  gefallig  aufge- 
nommen; morgens  kamen  sie  mir  auf  der  Brücke  entgegen  und  führ- 
ten mich  sofort  ein,  um  an  den  Präsenzen  Antheil  zu  nehmen,  welche 
sie  jedoch  nicht  täglich  in  Brod  und  Wein,  wie  an  den  meisten  Orten 


1 

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üblich,  verabfolgen,  sondern  wöchentlich  in  Geld  auszahlen.  In  unsern 
Einkünften  beziehen  wir  an  Wein  gar  nichts,  sondern  nur  Geld  und 
Getreide.  Auf  einige  muss  ich  18  Monate  lang  verzichten;  in  den 
ersten  6  Monaten  darf  ich  überdies  nicht  ausserhalb  der  Stadt  über- 
nachten Dem  Herrn  Jacob  Heller  habe  ich  deinen  Brief  per- 
sönlich übergeben,  aber  etwas  später  wegen  meiner  Geschäfte.  Der 
Mann  erbietet  sich  mir  auf  deinen  Brief  zu  jeder  Gefälligkeit  Er 
lobt  unsern  Scholaster  [Fischer],  den  zweiten  Prälaten  nach  mir,  was 
ich  sehr  gerne  gehört  habe ;  denn  derselbe  erweist  sich  mir  sehr  wohl- 
wollend, er  ist  ein  Mann  von  60  Jahren,  nicht  eigentlich  gelelirt,  aber 
erfahren,  doch  hat  er  Nebenbuhler  und  Gegner.  Denn  der  Decan 
zu  St.  Bartholomaei  (Friedrich  von  Martorff)  will  ihm  nicht  allzuwohl 
und  fast  alle  Vicare  unserer  Kirche  sind  wider  ihn;  sie  prozessiren 
unter  einander  in  Mainz,  die  Vicare  machen  Opposition  gegen  das 
ganze  Capitel.  Vor  sechs  Monaten  werde  ich  in  das  Capitel  nicht 
aufgenommen  werden.  Unterdessen  suche  ich  die  Eintracht  herzu- 
stellen, ich  möchte  Niemanden  beleidigen.  Mein  Haus  ist  geräumiger, 
als  dass  ich  es  mit  meinem  Hausrathe  füllen  könnte;  der  eine  Theil 
desselben  ist  zu  schadhaft,  als  dass  ich  ihn  jetzt  schon  herstellen 
köimte,  und  meine  Einkünfte  geringer,  als  das  Gerücht  sie  angab. 
Doch  danke  ich  zufrieden  Gott;  es  wird  mir  mehr  Ehre  erwiesen, 
als  ich  begehre;  mit  Wenigem  auszukommen  wird  mich  das  canonische 
Leben  lehren  und  meine  Muttor  ist  zu  zähe,  als  dass  sie  mir  unnütze 
Ausgaben  gestattete." 

Ich  habe  diesen  Brief  seinem  wichtigsten  Inhalte  nach  mitge- 
theilt,  weil  er  uns  einen  klaren  Blick  in  die  Verhältnisse  eröffnet,  in 
die  Cochlaeus  zu  Frankfurt  eintrat;  er  gibt  uns  Veranlassung  zu  eini- 
gen erläuternden  Bemerkungen,  an  welche  wir  zugleich  das  Wichtigste 
der  drei  folgenden  Briefe  anknüpfen  werden.  Wir  ersehen  zunächst 
aus  dem  bereits  Mitgetheilten ,  dass  ein  eintretender  Canonicum  und 
Prälat  eine  halbjährige  Residenzzeit  abzuhalten  hatte,  während  der 
er  noch  nicht  alle  regelmässigen  Einkünfte  bezog,  sondern  nur  an  den 
Präsenzen  Antheil  hatte  und  sich  nicht  über  eine  Nacht  von  dem 
Residenzorte  entfernen  durfte.  An  dem  Tage,  an  welchem  die  soge- 
nannte Residenzpflicht  ablief,  zeigte  er  ihre  Erfüllung  dem  Capitel 
an  und  wurde  sofort  zugelassen.  Nach  dem  Manuscripte  des  (  II  Olli- 
cus  Königstein  am  Liebfrauenstift  fand  die  Reception  des  Cochlaeus 
am  1.  Juli  1520  statt,  der  Tag  seiner  Ankunft  in  Frankfurt  und  sei- 
ner Einführung  rauss  also  wohl  der  Neujahrstag  gewesen  sein.  Nach 
herkömmlichem  Brauche  rousste  er  flu*  die  Reception  den  Gliedern  des 
Capitels  einen  Weinsatz  geben,  der  aber  nicht  mehr  in  Natur,  son- 


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dern  in  Geld  entrichtet  wurde.  Er  gab  jedem  Prälaten  12,  jedem 
Canoniker  6  alte  Turnosen.*)  In  Bologna  hatte  er  einst  mit  sehr 
bescheidenen  Wünschen  und  Hoffnungen  in  die  Zukunft  geblickt: 
„Ich  werde",  hatte  er  an  Pirckheimer  geschrieben,  „alle  meine  Be- 
mühungen dahin  richten,  dass  ich  einst  meinem  Vaterlando  und  mei- 
nen Freunden  mit  Nutzen  dienen  möge.  Ich  trachte  nicht  nach  lleich- 
thum  und  Glanz  der  Ehre,  es  wird  mir  übergenug  sein,  wenn  ich 
eine  kleine  Wohnung  habe,  in  der  ich  mit  mir  nicht  grosse  Kühe 
oder  Pferde,  sondern  eine  einzige  Katze,  ein  Hündchen,  das  mich 
bewacht,  und  eine  alte  Mutter  ernäliren  kann.  Das  Uebrige  stelle  ich 
der  Fürsorge  der  Götter  anheim,  wenn  ich  nur  Vielen  dienen  kann. 
Du  möchtest  mich  hoclistrebend  sehen,  auch  icli  theile  diesen  Wunsch 
und  es  fehlt  mir  nicht  der  Drang  emporzukommen,  aber  es  hindert 
mich  Vieles,  die  Eitelkeit  der  Welt,  die  Kürze  des  Lebens,  die  Ge- 
ringfügigkeit meines  Vermögens  und  inannichfache  körperliche  Ge- 
brechen. Mit  Freuden  werde  ich  daher  in  untergeordneten  Verhält- 
nissen mich  bewegen,  wenn  ich  nur  Einiges  leiste."  Wie  hatte  sich 
doch  über  seine  Erwartungen  sein  Loos  gestaltet.  Im  kräftigsten 
Mannesalter  stand  er  als  Prälat  einem  Stifte  vor;  er  war  im  Besitze 
einer  über  Beinen  Bedarf  geräumigen  Wohnung,  seine  Mutter  führte, 
ihm  seinen  Haushalt  und  war  die  Gesellschafterin  des  Sohnes.  „Dass 
ich  meine  Mutter  mit  mir  hergebracht  habe,"  schreibt  er  am  8.  Fe- 
bruar, ,,darob  preissen  mich  die  Priester  glücklich,  so  mürrisch  und 
ohne  Treue  sind  ihre  Mägde."  „Wenn  du  etwa  nach  meinen  Verhält- 
nissen fragst,"  heisst  es  in  demselben  Briefe,  „so  bin  ich  hier,  Gott 
sei  Dank!  nicht  ungern.  Ich  habe  grössere  Ehre,  als  ich  wünsche' 
kleinere  Einkünfte,  als  ich  hoffte,  doch  bin  ich  mit  meinem  Loose 
wold  zufrieden.  Die  erste  Einrichtung  meines  Hauses  fallt  mir  schwer. 
Schon  sieben  Wochen  habe  ich  mit  nicht  geringen  Kosten  einen  eig- 
nen Schreiner  im  Hause.  Auch  die  priesterlichen  Kleider,  die  ich  hier 
bedarf,  muss  ich  mir  für  schweres  Geld  anschaffen.  Ich  habe  mir 
einen  Wagen  voll  Weines  gekauft,  womit  soll  ich  die  übrigen  Aus- 
gaben des  Hausstandes,  womit  den  Hausrath  bestreiten?  Doch  werde 
ich,  wenn  mir  das  Geschick  günstig  bleibt,  in  wenigen  Jahren,  wenn 
ich  es  erlebe,  zu  ruhiger  Gemüthlichkcit  kommen". 

Seine  Canoniker  scheinen  ihm  mit  Achtung  und  Liebe  entgegen- 
gekommen zu  sein;  besonders  rühmt  er  den  Scholaster,  der  wie  wir 
aus  Königstein's  Aufzeichnungen  wissen,  Stephan  Fischer  hiess,  als 


*)  Vergl.  Steita  Luthers-  und  Melanchthoiiaberbergen  8.  40  Anm.  44. 


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einen  zwar  nicht  gelehrten,  aber  gcsehäftserfahrenen  Mann;  doch 
wirft  ihm  Königstein  Unverträglichkeit  und  herbes  Wesen  vor.  Sonst 
bietet  der  Zustand  des  Stiftes  wenig  Erfreuliches:  Neid  und  Missgnnst 
herrschen,  wie  unter  dem  Clerus  überhaupt,  so  auch  unter  seinen 
Gliedern  und  die  Vicare  treiben  ihre  Opposition  bis  zur  Anklage  bei 
dem  bischöflichen  Gerichte.  Es  ist  dieselbe  innere  Auflösung  und  Zer- 
setzung, die  wir  in  der  Reformationszeit  unter  der  Priesterschaft  aller 
Orte  finden,  eine  Gemeinschaft,  die  nur  noch  äusserlich  durch  die 
Bande  des  kirchlichen  Organismus  mühsam  zusammengehalten  wird. 

Des  Cochlacus  Gelehrsamkeit,  wenn  auch  unzusammenhängend 
und  ungründlich,  wie  es  bei  dem  ungeordneten  Gang  seiner  Studien 
und  seinem  unruhigen,  eiteln  Sinne  nicht  anders  sein  konnte,  war 
dennoch  durch  die  Vielseitigkeit  seines  Wissens  ein  seltenes  Phäno- 
men unter  der  damaligen  Geistlichkeit  und  musstc  seinen  Umgang 
an  einem  Orte  wie  Frankfurt,  das  sich  an  wissenschaftlicher  Bildung 
nicht  mit  Nürnberg  messen  konnte,  Vielen,  die  dafür  wenigstens  Em- 
pfänglichkeit und  Verständniss  hatten,  wünschenswerth  machen.  Er 
selbst  war  bemüht,  sich  einen  Kreis  angesehener  Bekannten  zu  bilden, 
und  überall  war  er  gerne  aufgenommen  und  gesehen.    „Ich  speise 
nirgends  lieber  als  zu  Hause,"  schreibt  er  am  8.  Februar,  „doch  lehne 
ich  Einladungen  nicht  ab,  um  mir  Freunde  zu  erwerben,  die  ich  mir, 
wenn  es  schicklicher  Weise  geschehen  kam),  wünsche."  Mit  besondrer 
Gefälligkeit  erbietet  sich  ihm  sein  Nachbar  Johannes  von  Ostheim, 
genannt  Scheffer  Henn,  an  den  er  durch  Pirckheiraer's  Schwieger- 
sohn Straub  empfohlen  war;  er  war  wohl  der  Sohn  des  von  Job 
Rohrbach  (§.  315)  erwähnten,  im  Jalire  1494  als  Wollenwebcr  in  den 
Rath  gewählten  und  1515  gestorbenen  (Lcrsuer  II,  I,  147)  gleich- 
namigen Vaters  und  wohnte  wie  dieser  in  dem  Uause  zur  Weinrobe 
am  Ecke  der  Döngesgasse  und  des  Liebfrauenberges  (G.  53);  drei 
Tage  lang  hatte  er  den  Cochlacus  nach  seiner  Ankunft  in  Frankfurt 
bei  sich  köstlich  und  unontgeldlich  bewirthet    Am  6.  Februar  speist 
er  bei  dem  Stadtpfarrer,  Dr.  Peter  Meyer,  der  bereits  in  dem  Rcuch- 
linischen  Streite  seine  Rolle  als  Schildträger  der  Cölner  Theologen 
gespielt,  deshalb  von  Hutten  gcgeisselt  worden  war  und  seine  Stelle 
in  den  Briefen  der  Dunkelmänner  gefunden  hatte.*)  Am  9.  Februar 
wird  er  mit  seinem  Scholaster  von  Jacob  Heller  zur  Tafel  geladen; 


*)  Er  hattte  sich  auf  der  Frankfurter  Herbstmesse  1511  als  Mainzer  Comuiissär 
gerirt  und  den  Verkauf  von  Reucblio's  Augenspiegel  verboten.  Strauss,  Hutten  I, 
200.  In  den  Briefen  paradirt  er  Vol.  I,  ep.  5. 


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dem  kunstsinnigen  Schöffen,  der  durch  seine  Oorrespondenz  und  sein 
Zerwurfoiss  mit  Albrecht  Dürer  auch  in  weiteren  Kreisen  bekannt 
geworden  ist,  dessen  Stiftung  das  schöne  Dürer'sche  Bild  in  der  Do- 
minikanerkirche und  der  noch  heute  stehende  Calvarienberg  auf  dem 
Kirchhofe  zu  St  Bartholomäi  *)  war.  Heller  hatte  nach  Lersner 
II,  I,  146  im  Jahre  1517  seinen  Kuthssitz  aufgekündigt  und  lebte  in 
sinniger  Ruhe  dem  Genüsse  der  Wissenschaft  und  der  Kunst;  im 
Jahre  1522  erlosch  in  ihm  sein  Geschlecht.  Auch  Cochlaeus  scheint 
für  die  Kunst  nicht  ohne  Sinn  gewesen  zu  sein  und  besasB  selbst 
Dürer'sche  Holzschnitte.  Am  5.  April  bittet  er  von  Frankfurt  aus 
Willibald,  ihn  dem  Meister  Albrecht  zu  empfehlen.  „Gestern/'  fügt 
er  zu,  „war  der  Bürgermeister  bei  mir  und  sah  den  Hieronymus  und 
die  Melancholie.  Viel  war  von  ihm  (Dürer)  unter  uns  die  Rede,  nur 
nimmt  es  mich  Wunder,  warum  seine  Denkmäler  hier  so  selten  sind 
und  so  häufig  die  Gemälde  des  Holländers  Lucas  (von  Leyden)  auf 
den  Messen."**)  Hieronymus  und  die  Melancholie  gehören  zu  den 
besten  und  bekanntesten  Holzschnitten  des  Meisters. 

Der  Bürgermeister,  dessen  er  in  diesem  Briefe  gedenkt,  ist  Nie- 
mand anders  als  der  bereits  erwähnte  Philipp  Ftirstenberger,  im  Klei- 
nen für  Frankftirt,  was  Willibald  Pirckheitner  für  Nürnberg  war,  der 
thätige  Beförderer  der  Wissenschaft,  der  Bildung  und  der  Kunst,  mit 
Pirckheimer  selbst,  wie  mit  Hutten,  in  freundschaftlichem  literarischen 
Verkehre,  eben  damals  vom  Mai  1519  bis  1520  älterer  Burgermeister, 
35  Jahre  hindurch  bis  zu  seinem  Tode  1540  wie  Haman  Holzhausen 
eine  Zierde  seiner  Vaterstadt,  eine  staatsmännische  Grösse  im  Rathe, 
die  starke  Stütze  der  humanistischen  und  reformatorischen  Interessen. 
Gleich  nach  seiner  Ankunft  in  Frankfurt  muss  Cochlaeus  mit  ihm  in 
engere  Beziehungen  getreten  sein.  Er  hatte  damals  die  Schriften  des 
Maxentius  herausgegeben  und  schreibt  am  8.  Februar:  „Ich  habe 
einen  Brief  an  Philipp  Ftirstenberger  zugefügt,  der  hier  der  ältere 
Bürgermeister  ist,  ein  Mann,  der  dich  innig  liebt,  in  den  griechischen 
und  lateinischen  Wissenschaften  massig  (medioeriter)  zu  Hause,  neu- 
lich war  er  mit  Hutten  und  mir  zu  Tische  bei  dem  Decan  zu  St.  Bar- 
tholomäi, bei  welchem  Anlass  deiner  ehrenvoll  gedacht  wurde;  auch 
in  dem  Briefe  habe  ich  deiner  Erwähnung  gethan,  vielleicht  mehr, 
als  du  glaubst,  aber  weit  geringer,  als  du  verdienst." 


•)  Reliquien  Albrecht  Dürers  8.  34  flg.  Gwinner,  Kunst  und  Künstler  in 
Frankfurt  a.  M.  8.  35  u.  480. 
**)  Ileumann  1.  c.  P.  47. 


—    106  — 


Es  kann  allerdings  befremden,  dass  Cochlaeus  in  diesem  Urtheil 
einen  Manu,  den  wir  noch  heute  mit  Stolz  den  unserigen  nennen, 
von  dem  wir  wissen,  dass  er  nicht  nur  Homer's  Gesänge  in  der  Ur- 
sprache gelesen,  sondern  das  Griechische  mit  Leichtigkeit  gesprochen 
und  in  der  lateinischen  Sprache  mit  jedem  Gelehrten  zu  disputiren 
verstand,  an  den  sich  ein  Hutten  wandte,  um  fiir  seine  gelehrten  Ar- 
beiten seltenere  Bücher  auf  dem  Frankfurter  Buchhändlermarkte  zu 
erhalten,  nur  littcris  et  graecis  et  latinis  medioeriter  eruditus  nennt,  und 
man  fühlt  sieh  fast  versucht,  vor  medioeriter  das  Wort  haud  ausge- 
fallen zu  denken.  Allein  näher  betrachtet,  bedarf  es  vielleicht  einer  so 
gewaltsamen  Aenderung  nicht.  Fürteuberger  war  damals,  so  weit 
wir  den  Kreis  von  hervorragenden  Persönlichkeiten  in  der  Reichsstadt 
übersehen  können,  fast  der  einzige  Vertreter  humanistischer  Bildung, 
und  bei  der  Beschränktheit  der  Hülfsmittel  und  bei  dem  gänzlichen 
Mangel  an  entsprechender  persönlicher  Anregung  ist  es  fraglich,  ob 
ihn  sein  Privatstudium  bereits  darin  zum  wirklichen  Gelehrten  ge- 
fördert haben  dürfte.  Gerade  im  April  1520  kam  Wilhelm  NeBen 
nach  Frankfurt,  und  es  ist  aus  seiner  von  Herrn  Director  Classeu 
herausgegebenen,  am  Tage  der  Kreuzeserhöhung  (14.  September) 
ausgestellten  Verschreibung  bekannt,  dass  er  nicht  blos  zum  Unter- 
richte der  Jugend  in  den  Huraanioribus  angestellt  wurde,  sondern  sich 
auch  verpflichtete,  „wo  er  ehrbare  Hörer  finden  möge,  in  seinem 
Hause  oder  in  einem  Kloster  jeden  Tag  eine  Stunde  öffentlich  zu 
lesen".  Eben  so  setzt  es  eine  Notiz  des  jüngeren  Ritter  in  den  Con- 
ventsacten,  die  ich  seiner  Zeit  interpretirt  habe,  ausser  Zweifel,  dass 
es  gerade  Philipp  Fürstcnberger ,  Jacob  Neuhaus  und  Haman  Holz- 
hausen  waren,  die  von  dieser  Gelegenheit  Gebrauch  machten  und 
sich  nicht  schämten,  die  Zuhörer  und  Schüler  des  jungen  Poeten  zu 
werden.  Von  diesem  Zeitpunkte  an  datirt  erst  das  Aufblühen  der 
Alterthumswisscnschaft  und  der  philologischen  Bildung  in  unserer 
Vaterstadt  und  wahrscheinlich  verdankt  auch  Fürstcnberger  erst  diesen 
Anregungen,  die  später  von  Mieyllus  fortgesetzt  wurden,  die  fort- 
geschrittene Kenntniss  der  alten  Sprachen  und  den  Ruf  ausgebreiteter 
Gelehrsamkeit  auf  diesem  Gebiete,  der  sich  mit  seinem  Namen  für 
die  Nachwelt  verwob  und  verknüpfte. 

Am  5.  April  berichtet  Cochlaeus:  „Gestern  war  unser  Bürger- 
meister Fürstcnberger  bei  mir,  der  gute  und  milde  Mann.  Er  ver- 
sprach mir  von  freien  Stücken  seine  Mitwirkung  zu  meinen  Zwecken 
und  bat  mich,  diesen  Sommer,  wo  ich  die  Stadt  verlassen  darf,  zu 
ihm  auf  das  Land  in  den  Rheingau  zu  kommen,  denn  da  er  dort 
viele  Besitzungen  hat,  will  er  nach  Ablauf  seines  Bürgermeisteramtes 


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-    107  - 

auf  ihnen  im  Sommer  einen  ländlichen  Aufenthalt  machen."  Unter 
den  Zwecken,  zu  deren  Förderung  ihm  Fürstenberger  seine  Beihülfe 
zusagt,  ist  auch  die  Herausgabe  des  Cassiodorus  einbegriffen,  von 
dessen  Werken  sich  eine  Handschrift  in  der  Klosterbibliothek  zu 
Fuld  befand,  deren  Inhalt  Cochlaeus  kennen  möchte.  Fürstenberger 
hatte  selbst  vor  Kurzem  ein  Exemplar  dieser  Werke  gehabt,  das  er 
in  Kurzem  wiederzuerhalten  versichert.  Zugleich  verspricht  er  ihm, 
er  wolle  ihm  die  Möglichkeit  verschaffen,  die  Bibliotheken  von  Spon- 
heim und  andern  Klöstern  jener  Gegenden  einzusehen,  da  er  deren 
Aebte  sehr  gut  kenne  und  glaube,  dass  sich  dort  alte  Handschriften 
befänden.  In  einem  derselben  habe  er  den  noch  nicht  edirten  Tco- 
gus Pompejus  gesehen.  Am  Schlüsse  des  Briefes  sagt  Cochlaeus: 
„Als  die  Bibliotheken  (Bücherläden)  schon  gescldossen  und  die  Messe 
beendigt  war,  sandte  mir  unser  Philipp  Fürstenberger  mehrere  neue 
Tractate.  Er  hebt  darunter  namentlich  drei  Bücher  des  Bischofs 
Claudianus  Mamercus  von  Vienne  über  den  Zustand  der  Seele  her- 
vor, dio  in  einem  alten  Kloster  zu  Meisen  gefunden  und  zu  Basel 
gedruckt  worden  waren.  Da  er  sich  lebhaft  dafür  interessirtc  und  sie 
doch  nicht  kaufen  konnte,  machte  ihm  Fürstenberger  damit  ein  Ge- 
schenk. Am  12.  Juni  schreibt  er  in  dem  letzten  Frankfurter  Briefe: 
„Mein  Philipp  Fürstenberger  ist  von  hier  mit  Frau  und  Töchtern 
nach  dem  Rheingau  gegangen;  nach  Vollendung  meiner  Residenz- 
pflicht  werde  ich,  wenn  ich  lebe,  ohne  Zweifel  zu  ihm  gehen,  um 
auch  in  Mainz  mir  Freunde  zu  machen." 

Diese  nahen  Beziehungen,  in  welchen  Cochlaeus  zu  Fürstenberger 
steht,  berechtigen  uns  bereits  zu  der  Annahme,  dass  er  damals  dem 
kirchlichen  Liberalismus  noch  nicht  abgesagt  haben,  wenigstens  noch 
kein  principieller  Gegner  der  Reformation  geworden  sein  kann.  Diese 
Annahme  wird  durch  verschiedene  Thatsachen  und  Urtheile  in  seinen 
Briefen  zur  unumstösslichen  Gewissheit  erhoben.  Noch  steht  er  mit 
Hutten  in  freundschaftlicher  Verbindung,  er  sieht  ihn,  als  derselbe  im 
Anfange  des  Februars  in  Frankfurt  weilt  und  seinen  Heirathsplan  be- 
treibt, er  verkündigt,  dass  er  nächste  Messe  mehrere  Dialoge,  unter 
andern  die  römische  Dreifaltigkeit  und  die  Anschauenden,  die  be- 
kanntlich polemisch  gegen  Rom  und  die  Hierarchie  gerichtet  sind,  in 
die  Welt  senden  werde;  er  erzählt,  dass  Hutten  in  der  Fulder  Kloster- 
bibliothek eine  Geschichte  Heinrichs  des  Vierten  (es  heisst  im  Briefe 
irrthümlich  des  Dritten)  gefunden,  der  selbst  Caesar  an  Schlachten- 
zahl übertroffen  habe  und  sie  mit  einer  Apologie  gegen  den  römi- 
schen Bischof  herausgeben  werde.  „Der  Mann,"  ruft  er  aus,  „vertritt 
mit  bewunderungswürdigem  Freimuthe  Deutschlands  Ruhm  und  ent- 


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brennt  in  heftigem  Hasse  gegen  den  römischen  Bischof."  Trotzdem 
speiet  er  mit  ihm  und  Fürstenberger  bei  dem  Dcchanten  des  Bartho- 
lomäusstiftes und  bittet  ihn,  für  ihn  in  Fuld  die  Handschrift  des  Cas- 
siodor  einzusehen.  Er  erzählt,  er  werde  nächstens,  wenn  ihm  seine 
Hoffnung  nicht  fehlschlage,  ein  reiches  und  edles  Mädchen  heimfuhren ; 
der  Cardinal  habe  ihn  gnädig  vom  Hofe  entlassen  und  ihm  einen 
Jahresgehalt  ausgesetzt;  am  12.  Juni  meldet  er,  er  habe  vom  Doctor 
Glauburger,  mit  dem  er  also  auch  in  Verbindung  stehen  musste,  ver- 
nommen, Hutten  sei  vor  acht  Tagen  nach  Holland  zu  König  Ferdi- 
nand gereist;  durch  Glauburgers  Vermittlung  seien  ihm  100  Gulden 
auf  Befehl  des  hochwürdigen  Herrn  von  Mainz  ausgezahlt  worden. 

Im  Mai  des  Jahres  1520  hatte  eine  Verhandlung  zwischen  drei 
von  Franz  von  Sickingen  gesandten  Rechtsgelehrten  aus  Mainz  und 
Worms  und  den  Cölner  Dominicanern  im  Reuchlin'schen  Processe 
statt,  in  deren  Folge  die  Dominicaner  die  ihnen  seiner  Zeit  durch 
das  Urtheil  des  Bischofs  von  Speier  auferlegten  Processkosten  im  Be- 
trage von  111  Gulden  bezahlten  und  ihre  Appellation  in  Rom  ab- 
riefen. Cochlaeus  erzäldt,  dass  er  der  Schlussverhandlung  als  Zeuge 
beigewohnt  habe.  Nach  seinem  Berichte  scheint  es,  als  ob  dieselbe 
in  Frankfurt  stattgefunden  habe  (erant  a  Franc  Sickingen  tres  doc- 
tores....  huc  misai  ex  Spira  et  Vormatia);  auch  würde  man  nicht 
begreifen,  wie  er  um  diese  Zeit  vor  Vollendung  seiner  Residenz  habe 
in  Cöln  sein  können.  Die  Art,  wie  er  sich  über  das  Resultat  aus- 
spricht, legt  trotz  der  Objectivität  seiner  Darstellung  die  Vermuthung 
nahe,  dass  Cochlaeus  mit  seiner  Ueberzeugung  noch  auf  Seite  Reuch- 
lin's  gestanden  habe.  Unzweideutig  sind  folgende  Aeusscrungen  in 
demselben  Briefe  vom  12.  Juni :  „Von  Luther  höre  ich  hier  nur  äus- 
serst selten  etwas.  Drei  Tage  habe  ich  mit  den  Predigern  (den  Do- 
minicanern) disputirt,  nach  ihrer  Weise  und  auf  ihre  Bitten;  aber 
Lutherisches  wurde  nichts  aufgestellt  Ich  würde  es  sicher  nicht 
versäumt  haben,  für  ihn  einzutreten,  wenn  mir  ein  Anlass 
dazu  geboten  worden  wäre.  Ich  habe  seine  und  eines  Andern 
Antworten  gegen  die  Cölner  und  Bolognoser  gelesen:  sie  sind  sehr 
stark  und  ächt  deutsch."  Noch  standen  in  wissenschaftlicher  und 
kirchlicher  Hinsicht  die  freisinnigen  Tendenzen  an  dem  Mainzer 
Churhofe  in  voller  Blüthe.  1520  hatte  sogar  der  Cardinal  Albrecht 
den  nachmaligen  Strassburger  Reformator  Wolfgang  Fabricius  Capito 
als  Hofprediger  nach  Mainz  berufen;  am  20.  April  traf  er  dort  ein 
imd  predigte  im  Dome  das  Evangelium.  Vergebens  eröffneten  gegen 
ihn  sofort  die  Mönche  einen  Kampf;  sie  mussten  dem  von  angesehe- 
nen Männern  Beschützten  das  Feld  räumen.    Auch  Cochlaeus  hatte 


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seine  Freundschaft  erworben.  „Vor  wenigen  Tagen,"  meldet  er,  „hat 
mir  von  Mainz  Fabricius  Capito  zweimahl  geschrieben,  dessen  Pre- 
digten auch  hier  ausserordentlich  gelobt  werden;  im  zweiten  Briefe 
bat  er  mich,  dass  ich  ihm  Cicero's  sämmtliche  Werke  in  der  Aldini- 
schen Taschenausgabe  senden  möge."  Da  er  sie  in  Frankfurt  ver- 
gebens gesucht,  bittet  er  Pirckheimer,  er  möge  sie  durch  venetia- 
nische  Kaufleute  dem  Manne,  den  ja  auch  er  liebe,  verschaffen,  und 
verbürgt  sich  für  die  richtige  Zahlung  des  ausgelegten  Preises. 

Alle  diese  Beziehungen  und  Aeusserungen  können  uns  über  des 
Cochlaeus  kirchliche  Stellung  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1520 
keinen  Zweifel  gestatten:  er  stand  noch  in  den  Reihen  der  frei- 
müthigen  Theologen  und  Humanisten.  Aber  schon  keimen  Zweifel 
an  seiner  Aufrichtigkeit  unter  seinen  Freunden.  Am  17.  Februar 
1520  schreibt  der  freisinnige  Augsburger  Canonicus  Bernhard  Adel- 
mann von  Adelmannsfelden  an  Pirckheimer:  „Was  du  mir  von  un- 
serm  Cochlaeus  schreibst,  wundert  mich  und  erweckt  mir  einen  bösen 
Verdacht ;  ich  fürchte,  er  möge  anderswie  als  durch  die  Thüre  in  den 
Schafstall  gedrungen  sein,  denn  ich  erkenne  die  an  ihren  Früchten, 
mit  denen  er  in  Rom  verkehrt  hat."  Ebenso  am  11.  Juni:  „Ich  habe 
neulich  den  Prolog  unseres  Cochlaeus  zum  Maximin  (er  wollte  sagen 
Maxentius)  gelesen,  er  scheint  mir  darin  beiläufig  verrathen  zu  ha- 
ben, was  Rom  in  ihm  gewirkt  habe;  ich  fürchte,  dass  er  sich  bei 
gelehrten  und  guten  Männern  verdächtig  mache."*)  Bald  drängten  ihn 
die  Ereignisse  zu  einer  Entscheidung.  Hutten  kam  enttäuscht  von 
Ferdinand  zurück.  In  einem  Breve  vom  12.  Juli  beschwert  sich  der 
Papst  bei  Cardinal  Albrccht,  dass  Hutten  gegen  Rom  Schmähschriften 
geschrieben;  derChurfÜrst  muss  ihm  seinen^Schutz  entziehen,  Hutten 
findet  eine  Zuflucht  bei  Franz  von  Sickingen,  er  schliesst  sich  fester 
an  Luther  an;  der  Kampf  nimmt  eine  drohendere  Wendung.  Da 
scheint  auch  Cochlaeus  in  der  Wahl  seiner  Stellung  rasch  entschieden 
gewesen  zu  Bein.  Am  0-  October  1520  erschien  Luther's  Schrift  über 
die  Babylonische  Gefangenschaft  der  Kirche;  am  10.  December  er- 
wiederte  er  den  römischen  Bannstrahl  durch  das  Manifest  seiner 
That,  durch  die  Verbrennung  der  päpstlichen  Bulle.  Von  jetzt  an 
sehen  wir  auch  Cochlaeus  entschlossen,  seine  neue  Stellung  offen  zu 
bekennen.  Er  schreibt  sechs  Jahre  später:  schon  vor  dem  Wormser 
Reichstage  habe  er  drei  noch  nicht  herausgegebene  Bücher  Über  die 
Eucharistie  gegen  die  Babylonische  Gefangenschaft  geschrieben,  in 


*)  Bei  Henmann  p.  186  und  200. 


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-    110  - 

I 

deren  zweitem  er  den  Beweis  erbracht  zu  haben  glaube,  daas  die 
Transsubstantiation  leugnen  nichts  anderes  heisse,  als  die  Realität  de« 
Sacramentes  leugnen.  Wir  dürfen  nach  dem  Allen  mit  Gewissheit 
annehmen,  dass  der  Umschwung  in  des  Cochlaeus  Denkungsweiae 
und  Richtung  sich  erst  in  Frankfurt  vollzogen  hat  und  in  die  zweite 
Hälfte  des  Jahres  1520  fallt  Ohne  Zweifel  war  damit  auch  seine 
Verbindung  mit. allen  bisherigen  Freunden  in  und  ausserhalb  Frank- 
furts gelöst.  Selbst  in  seinem  Briefwechsel  mit  Pirckheimer  erscheint 
eine  Lücke  von  fünf  Jahren:  erst,  nachdem  dieser  selbst  von  der 
Sache  der  Reformation,  für  die  er  anfangs  mit  Entschiedenheit  sich 
erklärt  hatte,  wieder  zurücktrat,  weil  das  rücksichtslose  Zerstören  ihm 
als  Inipietät  erschien  und  weil  der  rohe  Klostersturm  ihn  an  der  zar- 
testen Seite  seines  Herzens  angriff :  drei  seiner  Schwestern  und  seiner 
Töchter  trugen  den  Schleier,  knüpfte  sich  auch  die  alte  Verbin- 
dung mit  Cochlaeus  wieder  an  und  ist  bis  zu  Pirckheimer's  Tode  im 
Jahre  1530  durch  eine  Reihe  von  Briefen  bezeugt 

Am  14.  April  1521  kam  Luther  auf  der  Reise  nach  Worms  durch 
Frankfurt  und  wurde  von  dem  kleinen  humanistischen  Kreise,  der 
sich  um  Wilhelm  Nesen  gesammelt  hatte,  gefeiert  Am  16.  April 
reiste  ihm  Cochlaeus  nach,  um  ihn  dort  zu  bekämpfen.  Da  ihn  Nie- 
mand gerufen,  sondern  nur  die  eigene  Streitlust  ihn  dorthin  getrieben 
hatte,  so  wurde  begreiflicher  Weise  seine  Reise  von  der  Frankfurter 
Bürgerschaft  in  eben  dem  Maasse  misstrauisch  und  missgünstig  an- 
gesehen, als  Luther's  Erscheinen  Enthusiasmus  und  Begeisterung  er- 
weckt hatte.  Vergebens  versuchte  Cochlaeus  sich  in  Worms  hervor- 
zudrängen und  eine  hervorragende  Rolle  zu  spielen.  Er  Hess  sich 
von  Capito,  der  schwerlich  dort  schon  von  seiner  Sinnesänderung 
wusste,  dem  päpstlichen  Legaten  vorstellen  und  von  diesem  beauf- 
tragen, ihm  von  der  Conferenz  mit  Luther  unter  dem  Vorsitze 
des  Churfursten  von  Trier,  zu  der  er  als  Theologe  zugezogen 
wurde  und  der  Aleander  nicht  selbst  beiwohnen  wollte,  geheimen 
Bericht  zu  erstatten.  Allein  er  kam  hier  nur  dazu,  einige  Worte 
dazwischen  zu  werfen.  Sein  brennender  Eifer,  sich  Lorbeeren  zu 
erwerben,  verleitete  ihn  hierauf,  sich,  nachdem  er  einen  Bericht  an 
Aleander  erstattet  hatte,  sofort  selbst  in  Luthers  Herberge  zu  be- 
geben, ihn  zu  besuchen  und  ihm  in  Gegenwart  von  Amsdorf  und 
Jonas  und  sechs  Adeligen  einen  Vorschlag  zu  machen,  der  ganz  ge- 
eignet war,  das  gegen  ihn  bestehende  Misstrauen  ins  Ungeheure  zu 
verstärken  und  ihn  zum  Gegenstande  der  gründlichsten  Verachtung 
zu  machen.  Er  forderte  von  ihm  nichts  Geringeres,  als  dass  er  auf 
das  vom  Kaiser  ihm  gewährte  freie  Geleit  verzichte  und  sich  mit  ihm 


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in  einen  gelehrten  Zweikampf  unter  der  Bedingung  einlasse,  dass  der 
ron  beiden,  der  nach  dem  Urtheile  unparteiischer  Richter  erliege,  sich 
freiwillig  dem  Tode  mit  dem  Schwerte  oder  mit  dem  Feuer  über- 
liefere. So  gibt  Cochlaeus  in  der  unten  näher  zu  besprechenden 
Schrift  gegen  Luther  und  gegen  Nesen  selbst  an.  Da  er  unmittelbar 
von  Aleander  sich  zu  Luther  begeben  hatte,  so  lag  der  Verdacht 
nur  allzunahe,  dass  der  vorgeschlagene  Vertrag  eine  Schlinge  des 
schlauen  Italieners  sei,  um  Luther  zu  fangen.  Sclilug  dieser  nämlich 
die  Herausforderung  aus,  so  konnte  man  ihn  nicht  ohne  Schein  der 
Furcht  und  Feigheit  zeihen.  Nahm  er  sie  an,  so  verzichtete  er  auf 
des  Reiches  Schutz,  und  es  war  ohne  Mühe  erreicht,  was  der  Legat 
vergebens  als  freies  Zugeständniss  mit  allen  Künsten  der  Ueber- 
redung  dem  Kaiser  abzudringen  versucht  hatte.  Luther  lehnte  ent- 
schieden ab  und  die  Entrüstung  über  Cochlaeus  war  unter  den  Zeu- 
gen so  gross,  dass  nach  einem  Berichte  einer  derselben,  der  Edel- 
mann Vollrath  von  Watzdorf,  den  Cochlaeus  erfasste,  ihn  zur  Thüre 
hinaus  stiess  und  von  weiteren  Misshandlungen  nur  durch  das  Da- 
zwischentreten der  Uebrigen  abgehalten  werden  konnte.  Jetzt  er- 
goss  sich  der  Öffentliche  Spott  gegen  den  Frankfurter  Decan  in 
den  bekannten  Liedern  über  die  „unsinnige  Schnecke",  die  in  latei- 
nischen und  deutschen  Versen  ihn  auf  allen  Schritten  verfolgten  und 
sich  mit  so  unglaublicher  Schnelligkeit  verbreiteten,  dass  sie  schon 
früher  in  Nürnberg  bekannt  wurden,  als  Cochlaeus  in  Frankfurt  ein- 
traf. Das  letztere  geschah  am  Abend  desselben  28.  April,  an  wel- 
chem Luther  Morgens  um  10  Uhr  unsere  Stadt  verlassen  hatte.  Noch 
einmal  besuchte  Nesen  drei  Tage  später  den  Cochlaeus,  wie  dieser  in 
^,der  erwähnten  Schrift  zwei  Jahre  später  erzählt,  mit  erheuchelter 
Freundschaft  in  seiner  Dechanei  und  thcilte  ihm  in  muthwilliger, 
triumphirender  Laune  die  Berichte  mit,  die  er  von  Worms  über  seine 
Begegnung  mit  Luther  empfangen  hatte  und  die  begreiflicher  Weise 
nicht  zu  des  Convertiten  Gunsten  ausgefallen  waren.  Cochlaeus  er- 
klärte sie  später  aus  leicht  verständlichen  Gründen  für  erdichtet,  hat 
aber  doch  selbst  in  seiner  Darstellung  im  Wesentlichen  die  Thatsache 
bestätigen  müssen,  die  ihm  Luther  zum  Vorwurfe  machte,  und  nur 
die  arglistigen  Hintergedanken,  die  man  ihm  dabei  Schuld  gab, 
zurückgewiesen.  Nesen's  Besuch  und  der  Ausdruck  simulata  amicitia, 
dessen  sich  Cochlaeus  bedient,  lässt  darauf  schliessen,  dass  dieser 
auch  dem  jungen  Poeten  im  Sommer  1520  nahe  gestanden  hatte. 
Wenn  er  indessen  diesem  imd  seinen  Gönnern  schon  seit  Monaten 
fremd  geworden  sein  musste,  so  kam  es  nach  dem  Wormser  Reichs- 
tage sicherlich  zum  offenen  Bruche  und  seine  Stellung  fing  an  un- 


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haltbar  zu  werden.  Er  hat  das  Seinige  redlich  gethan,  sie  in  den 
folgenden  Jahren  noch  völlig  zu  erschüttern.  Der  Gang  der  Ereig- 
nisse gestattet  uns  indessen  erst  später  darauf  zurückzukommen. 


IV.  Die  Ritterschaft  und  die  Geistlichkeit*) 

Im  Jahre  1522  sollte  Hutten  noch  einmal  mit  Frankfurt  in  Be- 
ziehung treten,  nicht  wie  in  den  Jahren  1519  und  1520  mit  einzelnen 
Freunden  blos,  sondern  mit  dem  ganzen  Rath  und  der  Bürgerschaft. 
Der  frische  Anhauch  der  reformatorischen  Bewegung,  der  so  viele  in 
der  Zeit  schlummernde  Keime  und  Kräfte  geweckt,  war  zum  Sturme 
geworden,  der  fessellos  alle  Verhältnisse  erschütterte  und  zerstörend 
an  dem  festen  Baue  mehr  als  tausendjähriger  Traditionen  rüttelte. 
Viele,  welche  mit  unverholener  Freude  und  Hoffnung  den  Anbruch 
eines  neuen  Weltalters  in  dem  Auftreten  Luthers  begrüsst  hatten, 
zogen  sich  ängstlich  zurück,  als  sie  die  Verwüstungen  sahen,  welche 
stets  solche  Uebergänge  zu  bezeichnen  pflegen;  nur  die  Muthigen 
schritten  kühn  und  wagend  auf  der  gefahrdrohenden  Bahn  vorwärts; 
Hutten,  von  dem  Papste  bedroht  und  von  dem  ChurfÜrsten  zu  Mainz 
verlassen,  hatte  sich  im  September  1520  auf  die  Ebernburg  zurück- 
gezogen, dio  Herberge  der  Gerechtigkeit,  wie  er  sie  nannte,  wo  er 
an  den  langen  Winterabenden  Franz  von  Sickingen  Luther's  Schrif- 
ten vorlas  und  diesem  den  Ausruf  entlockte:  „Ist  denn  wirklich  .Je- 
mand so  kühn  alles  Bestehende  einzureissen?  und  wenn  er  den  Muth 
dazu  hat,  hat  er  auch  die  ausreichende  Kraft?"  Von  hier  aus  erliess 
er  Schreiben  an  die  Fürsten,  die  er  für  wohlgesinnt  hielt,  an  Fried- 
rich den  Weisen  und  an  den  Cardinal  ChurfÜrsten  von  Mainz  und 
schürte  durch  neue  Schriften  das  Feuer,  dessen  Flammen  bereits  lo- 
dernd aufstiegen. 

Auch  in  Frankfurt  waren  die  reformatorischen  Sympathien  all- 
mälig  erstarkt.  Viel  mag  Nesen  dazu  beigetragen  haben,  der  seit 
April  1520  nicht  blos  die  Söhne  der  Bürger  in  den  alten  Sprachen 
unterrichtete,  sondern  auch  durch  seine  humanistischen  Vorträge,  au 


*)  Ueber  die  hier  geschilderten  Ereignisse  vergleiche  man  von  neuern  Schrif- 
ten ausser  Herrn  Kirchenratb  Keller  e  Geschichte  Kassaus  seit  der  Reformation, 
1.  Band,  auch  die  gründlichen  Arbeiten  von  Herrn  Professor  Kebe  in  den  Denk- 
schriften des  Herborner  theol.  Seminars:  zur  Geschichte  der  evangel.  Kirche  iu 
Nassau,  insbes.  1.  Abtheilung,  1863.  Erstes  Kapitel :  der  Ritter  Hartmuth  von  Kronen- 
berg,  S.  4-24.   In  Beziehung  auf  die  Frankfurter  Vorginge  war  er  für  seine 


-    113  - 


denen  Ftirstenberger,  Haman  Holzhausen  und  Jacob  Neuhausen  theil- 
nahmen,  den  Sinn  für  allgemeinere  und  freiere  Bildung  weckte.  Der 
Humanismus  wird  auch  hier  der  Reformation  vorgearbeitet  und  die 
Gemtither  für  sie  aufgeschlossen  haben.  „Eine  neue  Welt  ging  da," 
wie  Richard  Rothe  sagt,*)  „vor  den  staunenden  Blicken  auf:  eine 
Fülle  von  gediegenen  sittlichen  Idealen,  denen  gegenüber  die  Welt 
der  Heiligengestalten,  wie  die  Kirche  sie  in  ihrer  Legende  ausgeboren 
hatte,  in  ihr  Nichts  zurücksank;  eine  Fülle  von  reellen  praktischen 
Aufgaben,  denen  gegenüber  die  künstliche  Ausbildung  des  kirchlichen 
Dograa'8  sich  wie  müssige  Grübelei  ausnahm;  neue  reiche  Hinaus- 
blicke in  eine  bis  dahin  fast  verschlossene  Welt  —  auf  die  Natur  und 
die  Geschichte  —  eröffneten  sich  in  diesen  Schriften  der  Griechen 
und  Römer."  Es  war  eine  ungemein  günstige  nnd  fördernde  Fügung, 
dass  der  Humanist  und  Dichter,  der  in  Frankfurt  diese  bildenden 
Einflüsse  vermittelte,  nicht  in  dem  ausschliesslichen  Umgange  mit 
den  Alten  zu  einem  heidnischen  Weltweisen  geworden,  sondern  im 
Geiste  des  Erasmus,  Luther,  Melanchthon  und  Zwingli,  deren  Ach- 
tung und  Liebe  er  genoss,  die  Vermittlung  zwischen  der  antiken 
Bildung  und  den  christlich  religiösen  Gedanken,  wie  sie  das  XVI. 
Jahrhundert  in  schöpferischer  Kraft  beherrschten,  ernstlich  anstrebte. 
Der  Bund  des  Humanismus  mit  der  Kirche,  wie  er  in  Melanchthon's 
Geistesrichtung  seinen  classischen  Typus,  seinen  persönlichen  Aus- 
druck hatte,  wurde  durch  Nesen  in  Frankfurt  begründet  und  erhielt 
gleichsam  seine  bekräftigende  Weihe  durch  Luther,  als  dieser  auf 
der  Reise  nach  und  von  Worms  zweimal  am  14.  und  27.  April  hier 
übernachtete,  Nesens  Schule  besuchte  und  unvergessliche,  in  ihren 
Wirkungen  nachhaltige  Stunden  mit  den  Männern  der  neuen  Rich- 
tung, mit  Haman  Holzhausen,  Jacob  Neuhausen  und  den  beiden  Glau- 
burgern in  Frankfurt,  wohl  auch  mit  Fürstenberger  und  Blasius  Holz- 
hausen in  Worms  verlebte.  Die  Theilnahmo  der  Bürgerschaft  an 
diesem  Ereignisse  können  wir  nur  voraussetzen,  aber  wir  sind  zu 
dieser  Voraussetzung  durch  den  Fortgang  der  Bewegung  vollkommen 
berechtigt. 

Vielleicht  hängt  es  gleichfalls  mit  der  kirchlichen  Bewegung  zu- 
sammen, dass  am  22.  Februar  1622  der  Rath  —  wie  Köuigstein  ver- 
muthet,  auf  Anordnung  des  Vicarius  in  spiritualibus  zu  Mainz  —  einen 
Vicar  zu  St.  Leonhard,  Heinrich  Silonis,  wegen  eines  Excesses  gegen 


*)  Rede  zur  dreihundertjährigen  Todesfeier  Philipp  Melanchthon's.  Hoidelb. 
1860.   8.  4. 

IV.  8 


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-    114  - 


den  Schöffen  Jacob  Neuhaus,  der  ausdrücklich  unter  Nesen's  Zuhörern 
genannt  wird,  gefangen  nehmen  und  in  das  Leinwandhaus  verbringen 
Hess.    Wichtiger  war  es,  dass  am  Sonntag  Invocavit,  den  9.  März, 
Nachmittags  ein  Schiller  Luther's,  wie  ihn  Königstein  nennt,  Hart- 
mann Ibach,  zu  St.  Catharinen  predigte,  die  Verdienstlichkeit  des 
Cölibates  bestritt  und  die  Nützlichkeit  der  Ehe  sowohl  für  Laien  als 
fiir  Geistliche  bewies.    Der  Rath  will  nichts  davon  gewusst  haben, 
nurHaman  Holzhausen,  Johann  Frosch  und  die  beiden  Bürgermeister 
Clas  Stallburger  und  Blasius  Holzhausen  werden  als  die  Veranlasser 
und  Begünstiger  dieser  Gastpredigt  genannt    Sonntag  Oculi,  den 
23.  März,  betrat  Hartmann  Ibach  abermals  die  Catharinenkanzel  und 
forderte  die  Gemeinde  auf,  keine  Zinsen  mehr  zu  entrichten,  Bondern 
dieselben  den  Armen  zu  geben,  womit  er  wohl  nur  die  Erbzinsen 
gemeint  haben  kann,  welche  der  Clerus  von  den  meisten  Häusern 
Frankfurts  empfing.  Zum  dritten  Male  predigte  Hartmann  Ibach  am 
Sonntag  Judica,  den  6.  April,  über  die  Anrufung  der  Heiligen  und 
wies  nach,  dass  die  Jungfrau  Maria  nicht  allzuhoch  gelobt  werden 
dürfe  und  dass  dies  auch  nicht  ihr  Wille  sei.  Auch  über  die  Brüder- 
schaften Hess  er  sich  vernehmen.    Mit  Recht  hat  Herr  Kirchenrath 
Keller  in  dem  1.  Bande  seiner  Geschichte  Nassau's  seit  der  Refor- 
mation S.  15  hervorgehoben,  dass  Ibach  in  seinen  Predigten  nur  bei 
einigen  Aeusserlichkeiten,  die  das  Volk  vorzugsweise  besprach,  ver- 
weilte, ohne  auf  die  evangelischen  Principien  zurückzugehen,  nach 
welchen  diese  Aeusserlichkeiten  zu  beurtheilen  seien  —  er  trat  eben 
als  stürmischer  Eiferer  gegen  Bräuche  auf,  die  auf  der  Oberfläche 
lagen  und  den  Massen  den  grössten  Anstoss  gaben  —  um  so  stärker 
wirkten  seine  Predigten  auf  diese  und  riefen  eine  ungemeine  Auf- 
regung in  der  Bürgerschaft  hervor,  welche  freilich  durch  die  ün- 
klughcit  des  Clerus  noch  gesteigert  wurde.    Schon  nach  der  ersten 
Predigt  Ibach's  wandte  sich  der  Dechant  zu  St.  Bartholomäi,  Ludwig 
Martorff,  beschwerend  an  den  Rath.    Man  sieht  es  den  Beschlüssen, 
die  dieser  fasste,  an,  dass  er  noch  keine  bestimmte  Stellung  zu  den 
Ereignissen  gefunden  hatte;  er  fürchtete,  die  Predigt  Ibach's  möchte 
unter  dem  geineinen  Volk  viel  Gerede  verursachen  und  am  Eude 
gemeinsame  Schritte  des  Kaisers  und  Papstes  zum  Nachtheil  der 
Stadt  veranlassen;  man  möge  daher  mit  Ibach  reden,  dass  er  von  fer- 
neren Predigten  abstehe,  und  den  Vorfall  bei  dem  Dechanten  zu  St. 
Bartholomäi  und  der  Meisterin  zu  St.  Catharinen,  Elisabeth  Siboltin, 
entschuldigen;  umgekehrt  entschuldigte  sich  letztere  mit  ihrem  ganze» 
Couvent,  man  habe  ihnen  gesagt,  die  Predigt  geschehe  von  Befehl 
eines  Ratlica  (Bürgermeisterprotocoll  vom  Dienstag  und  Dunnerstag 


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-    115  - 


nach  Invocavit  p.  128).  Allein  an  demselben  Tage,  an  welchem  der 
Rath  diesen  Beschluss  fasste,  am  11.  März,  erliessen  schon  der  Statt- 
halter und  Domdechant  Lorenz  Truelisess  von  Pominersfelden  mid 
der  Vicarius  spiritualis  Dietrich  Zobel  in  Mainz,  ein  Schreiben  an 
denselben  mit  der  Forderung,  den  kühnen  Prediger  als  eine  geist- 
liche Person,  die  Aufrulir  und  Empörung  anzurichten  versuche,  fest- 
zunehmen und  zur  Verantwortung  verwahrlich  nach  Mainz  zu  senden. 

Dieses  Schreiben  veranlasste  den  Rath  zu  versöhnlichen  Schritten; 
er  beschloss  am  14  März  drei  Männer  aus  seiner  Mitte,  Philipp  Fürsten- 
berger,  Stephan  Grünberger  und  Heilinann  Steinheimer,  an  den  Dom- 
dechanten  und  den  Vicarius  in  spiritualibus  nach  Mainz  abzuordnen, 
um  die  Unschuld  des  Rathes  in  dieser  Angelegenheit  darzuthun.  Die 
Abgeordneten  mussten  harte  Vorwürfe  hören,  unter  anderen:  „dass  ein 
erbar  Rath  ein  Schulmeister  haben  soll,  der  Luthern  anhange  und 
Luther's  Bücher  in  teutsch  transferire",  wobei  man  Nesen  im  Auge 
hatte,  sodann  dass  der  Amtmann  in  Bonames  die  geistlichen  Prozesse 
nicht  mehr  vollstrecke,  endlich  erinnerte  man  sie  daran,  dass  kaiser- 
liche Majestät  ein  Mandat  gegen  den  Verkauf  der  Lutherischen  Schrif- 
ten habe  ausgehen  lassen  (vergl.  Protoc.  vom  Freitag  nach  Invocavit 
und  Dienstag  nach  Reminiscere  fol  128  u.  129). 

Die  Predigt,  die  Ibach  schon  auf  den  Sonntag  Reminiscere  den 
16.  März  angekündigt  hatte,  musste  nun  unterbleiben,  allein  begreif- 
licher Weise  wurde  dadurch  nicht  nur  das  Verlangen  des  Volkes  nach 
solcher  Speise  höher  gespannt,  sondern  auch  sein  Hass  gegen  die 
verrautheten  Urheber  dieser  Masregeln,  den  Clerus,  leidenschaftlicher 
gesteigert  Diese  Stimmung  wurde  durch  ein  Schreiben  genährt,  wel- 
ches die  Edeln  Marx  Lösch  von  Mölnheim,  Georg,  von  Stockheim 
und  Emmerich  von  Reifenstein  am  13.  Marz  an  den  Rath  gerichtet 
hatten  und  das  in  derselben  Sitzung  am  18.  März  verlesen  wurde,  an 
welchem  die  nach  Mainz  verordneten  Freunde  über  den  Erfolg  ihrer 
Mission  Bericht  erstatteten.  Die  Junker  klagen  darin  die  Feinde 
Christi,  die  vermeintlichen  Geistlichen  Frankfurts  an,  dass  sie  sich 
unterstehen,  dass  lautere  Wort  Gottes,  das  heilige  Evangelium,  nieder- 
zudrücken, und  den  werthen  ersten  evangelischen  Prediger,  Herrn 
Hartmann  Ibach  verhindern  zu  predigen,  auch  etliche  Gebotabriefe 
durch  oder  von  Geistlichen  zu  Mainz  ausbracht.  Sie  bitten  den  Rath 
er  wolle  als  Obrigkeit  die  vermeintlichen  Geistlichen  miterrichten  und 
vermögen,  dass  sie  von  ihrem  unchristlichen  Fürnchnien  abstehen  und 
dem  christlich  evangelischen  Prediger  Herrn  Hartmann  Ibachen  Raum 
lassen,  dem  frommen  Volklin  zu  Frankfurt  die  Lutherisch  evangelische 
Lehre  zu  predigen  und  zu  sagen.    Sollten  aber  jene  verstockt  auf 

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—    116  - 


ihrem  Fürnehmen  beharren,  so  erkennen  die  Ritter  sich  schuldig,  ge- 
gen sie  als  allerärgste  Feinde  des  lebendigen  lauteren  Gotteswortes 
zu  handeln.    Das  Schreiben  war  unter   des  ehrenfesten  Hartmann 
[Hartmuth]  von  Cronberg  Insiegel  Donnerstag  nach  Invocavit  er- 
lassen.   Der  Rath  anwortete  ihnen:  „Unsern  freundlichen  Grus«  zu- 
vor, besunder  gute  Frunde.  Wir  haben  euer  Schrift,  von  jüngst  zu- 
geschickt, darin  ihr  unter  Anderm  begehrt,  dass  wir  aus  Oberkeit 
unsere  Geistlichen  vermögen,  Herrn  Hartmann  Ibach  Platz  zum  Pre- 
digen zu  geben,  ferner»  Inhalts  verstanden  und  geben  euch  guter 
Meinung  zu  erkennen,  dass  solches  in  unserm  Thun  nicht  stehet,  als 
ihr  selbst  zu  ermessen  habt,  denn  die  Priesterschaft  haben  geistlich 
Oberkeit,  der  in  der  und  dergleichen  Sachen  Insehens  zu  haben  ge- 
büret:  die  mögt  ihr  desshalb  ansuchen.    Das  haben  wir  euch  im 
besten  nit  verhalten  wollen,  denn  euch  sonst  ftlglichen  Willen  zu  be- 
weisen, sind  wir  geneigt.    Datum  Freitags  nach  Reminiscere  1522." 
Aber  schon  hatte  der  unaufhaltsame  Gang  der  Ereignisse  weiter  ge- 
fuhrt. (Acta,  das  Religion-  und  Kirchenwesen  betr.,  auf  dem  Stadt- 
archiv I,  20.) 

Am  Sonntag  Reminißcere,  16.  März,  hatte  Hartmuth  von  Cron- 
berg selbst  einen  Brief  an  die  Bürgerschaft  gerichtet,  worin  er  vor 
den  reissenden  Wölfen,  vor  den  falschen  Hirten  warnt,  die  nicht  durch 
die  Thür  eingehen,  sondern  als  Diebe  und  Mörder  einsteigen.  „Sie 
schätzen,  sagt  er  darin,  das  arme  Volklin  wider  Gott  und  sein  heili- 
ges Evangelium,  sie  verkaufen  die  heiligen  Sacramente  auf  das  aller- 
thüerst;  ich  hab  gehört,  wie  euer  Pfarrer  von  wegen  seines  über- 
schwenglichen Geizes  euch  eure  Todten  nit  anders  gestatten  will  zu 
begraben,  denn  in  seinem  Nutzen;  desgleichen  viele  Gaukeleien  mit 
dem  Butterkaufen;  auch  so  ein  Kinderbctterin  mit  Tod  abgeht,  so 
muss  man  den  todten  Leichnam  eingesegnen.  So  sie  uns  lehren,  dass 
die  Armen  den  reichen  Pfaffen  und  Mönchen  Almosen  sollen  geben, 
so  sie  uns  lehren  Kirchen  bauen,  kostliche  Bild,  grosse  Glocken,  köst- 
lich Tabernakel  machen,  in  ihren  Klostern  Messe,  Vigilien,  Bruder- 
schaften stiften  und  alle  dergleichen  unzählich  Werk,  die  doch  dem 
Nächsten  kein  Nutz  bringen  und  denen  Gott  feind  ist,  ihr  wollt  das 
wissen,  welcher  Pfarrer  oder  Prediger  uf  solcher  Meinung  und  Lehre 
beharrt,  der  ist  wahrhaftig  ein  reissender  Wolf,  Dieb  und  Mörder." 
Ibach's  Name  ist  nicht  genannt,  aber  alles  Gesagte  geht  darauf  aus, 
in  dem  Gegensätze  des  falschen  und  rechten  Predigers  die  beiden 
Antipoden  Dr.  Peter  Meyer  und  Hartmann  Ibach  erkennen  zu  lassen. 

Diesen  Brief  hatte  Hartmuth  mit  einem  Begleitschreiben  au  den 
Rath  gesandt  und  gefordert,  dass  er  an  dem  Römer  angesclüagen 


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werde.  Der  Rath  Hess  Cronbcrger  entbieten:  so  er  etwas  mit  der 
Geistlichkeit  habe,  solle  er  es  ihnen  selbst  verkündigen.  Darauf  schlug 
ein  Diener  des  Cronbergers  den  Brief  am  Montag  nach  Reminis- 
cerc,  den  17.  März  an  dio  Fahrpforte  an.  Durch  alle  diese  Vorgänge 
wurde  die  Aufregung  unter  den  Bürgern  gesteigert  und  ihrem  Drängen 
ist  es  wohl  zuzuschreiben,  dass  am  Sonntag  Oculi,  den  23.  März, 
Ibach  seine  zweite  Predigt  halten  durfte.  Die  herrschende  Aufregung 
gab  sich  in  Aufläufen  kund,  die  am  Abend  von  Reminiscere  und 
Oculi  vor  dem  Pfarrhofe  stattfanden  und  zur  Verübung  vielfachen 
Muthwillens  führten,  so  dass  der  Rath  sich  veranlasst  sah,  den  Ur- 
heber des  Excesses,  wie  Königstein  sagt,  einen  „Lecker",  d.  h.  einen 
Taugenichts,  gefangen  nehmen  zu  lassen.  Ich  vermuthe,  dass  der  Verhaf- 
tete derselbe  ist,  von  dem  die  Bürgermeisterprotocolle  Fol.  131  und  133 
erzählen,  dass  er  einen  Caplan  Peter  Meyer's  auf  dem  Pfarrhof  an- 
hielt und  zum  allgemeinen  Gespötte  fragte:  ob  er  auch  gut  Lutherisch 
sei.  Es  war  der  Bildhauer  Hans  Stüde.  Der  Rath  Hess  ihn  schon 
Donnerstag  nach  Reminiscere  verhaften,  aber  acht  Tage  später  auf 
Urtreue  ledig.  Unterwegs  sollte  ihm  bedeutet  werden,  dass  er  sich 
künftig  dieser  und  ähnlicher  Händel  enthalte.  Auf  solche  Neckereien 
mag  sich  wohl  auch  „die  gross  Verfolgung  hin  und  her  der  Geist- 
lichen" beschränkt  haben,  von  der  Königstein  berichtet.  Sie  setzte  die 
Priesterschaft  in  solche  Angst,  dass  sie  am  Abend  des  Sonntag  Oculi 
Sturm  zu  läuten  versuchte.  Der  Rath  Hess  sie  durch  die  Baumeister 
bitten,  solches  in  Zukunft  zu  lassen,  denn  es  könne  ihnen  zu  grossem 
Nachtheil  gereichen  (B.  Prot.  132).  Der  zweiten  Predigt  Ibach 's  hatte 
nnter  Andern  der  Pfarrherr  Peter  Meyer  selbst  beigewohnt  und  fuhr 
gleich  den  folgenden  Tag  mit  dem  Decan  seiner  Kirche  Friedrich 
Martorff  nach  Mainz,  um  ein  neues  Einschreiten  deB  erzbischöflichen 
Ordinariats  zu  erwirken.  Don  wachsamen  Augen  der  Bürgerschaft 
entging  ihre  Abreise  nicht  und  es  entstand,  wie  Königstein  sagt,  ein 
Murmurn  unter  dem  Volke.  Die  dritte  Predigt  hielt  Ibach  am  Sonn- 
tag Judica,  den  6.  April.  Wie  gross  die  Bewegung  in  der  Bürger- 
schaft gewesen  sein  muss,  bezeugen  mehrere  Vorgänge:  Hamman 
Holzhausen  musste  sich  vorher  den  Jungfrauen  von  St.  Catharinen 
verbürgen,  für  jeden  Schaden  einzutreten,  der  dem  Kloster  daraus 
erwachsen  könne;  nach  der  Predigt  entstand  wieder  ein  Auflauf 
und  die  Spannung  der  Gemüther  machte  sich  in  tumultuarischen 
Worten  Luft.  Unter  diesen  Umständen  hielt  es  der  Rath  für  das 
Klügste,  den  Hartmann  Ibach  zur  freiwilligen  Abreise  zu  bestimmen. 
Dieser  ergriff,  wohl  auch  auf  seine  eigene  Sicherheit  bedacht,  den 
Wanderstab  und  zog  seiner  Wege.  Er  wurde  bald  darauf  auf  Nico- 


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Inns  Amsdorf«  Empfehlung  Prediger  in  dem  von  Minkwitz'schen 
Städtchen  Sonnenwalde  in  der  Niedcrlausitz  und  später  (1529)  zu  Mar- 
burg. In  dem  Sacra mentstreite  wandte  er  »ich  dem  Zwingli'schen 
Standpunkte  zu. 

Aber  der  Sturm,  den  er  in  Frankfurt  heraufbeschworen  hatte, 
legte  sich  nicht  so  bald,  sondern  hielt  bis  in  den  Hochsommer  die 
Stadt  in  fortdauernder  Erregung.  Im  August  des  abgelaufenen  Jah- 
res 1521  hatte  Hutten  nämlich  die  Ebernburg  verlassen,  weil  sein 
ritterlicher  Freund  und  Schützer  dem  Waffenrufe  des  Kaisers  mit 
2000  Heitern  und  15(XK)  Lanzknechten  nach  Frankreich  gefolgt  war. 
Er  hielt  sich' an  einem  verborgnen  Orte,  wahrscheinlich  auf  der  Burg 
Dirmstein  bei  Kaiserslautem*),  auf.  Hier  war  zu  ihm  ein  aus  dem 
Carthäuscrkloster  zu  Mainz  entsprungener  Mönch,  Otto  Bnmfels,  ge- 
flüchtet, den  er  an  seiner  stillen  Einsamkeit  Theil  nehmen  Hess.**) 
Dieser,  der  Sohn  eines  in  Mainz  ansässig  gewordenen  Benders  aus 
dem  Städtchen  Braunfels,  hatte  gegen  den  Willen  seines  Vaters  den 
Klosterstand  erwählt,  aber  nach  mehreren  Jahren,  die  er  im  Orden 
verbracht,  hatte  er  sich  seines  Standes  entäussert  und  war  glücklich 
den  Nachstellungen  seiner  Feinde  entgangen.  Da  zu  Anfang  des 
.Jahres  1522  Huttens  Vater  starb  und  der  Sohn  hoffen  durfte,  nebst 
seinen  Brüdern  die  Belehnung  über  seine  väterliche  Burg  als  Gan 
erbe  zu  empfangen,  so  übertrug  er  die  Pfarrei  Steinheim  (oder 
Steinau)  an  der  Strassen,  in  der  Nähe  von  Steckelberg,  seinem  Schütz- 
ling, der  hier  die  neue  Lehre  predigen  sollte.  Wahrscheinlich  hatte 
dieser  auf  der  Reise  dorthin  mehrere  Tage  in  Frankfurt  geweilt  und 
war  hier  nicht  Mos  mit  Ibach,  sondern  auch  initNesen  und  dem  gan- 
zen reformatorischen  Kreise  bekannt  geworden.  Durch  freie  Aeusse- 
rungen  im  Ilutten'schen  Geiste  mag  er  den  besonderen  Zorn  des 
Stadtpfarrers  Meyer  auf  sich  gelenkt,  mit  Ibach  von  diesem  oder 
einem  seiner  Parteigenossen  in  Mainz  denuncirt  und  von  dort  aus  be- 
droht worden  sein. 

Beides  veranlasste  Hutten  zum  kräftigen  Einsehreiten.  Von  Schloss 
Wartenberg,  welches  keineswegs,  wie  Fichard  (Archiv  n,  124)  meinte, 
eine  pseudonyme  Bezeichnung  von  Steckelberg  ist,  sondern  eine 
Sicking'sche  Burg  in  der  rheinischen  Pfalz  war,  drei  Stunden  von 
Kaiserslautern  und  Dirmstein  entfernt  (Böcking  a.  a.  O.  II,  88  Anm.), 
crliesa  er  am  31.  März  und  am  1.  April  1522,  also  wenige  Tage  vor 


*)  Böcking's  Anmerkung  II,  p.  81. 

**)  Hatten'«  Brief  ao  Bacer  vom  4.  September  bei  Böcking  II,  82. 


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der  letzten  Predigt  Hartmann  Ibach's,  drei  Schreiben,  das  erste  an 
seinen  Freund  Philipp  Fürstenberger,  das  zweite  an  Peter  Meyer,  das 
dritte  an  den  Rath  zu  Frankfurt. 

Das  erste  (Böcking  II,  114)  lautet  in  deutscher  Uebersetzung 
folgendermaassen : 

Ritter  Ulrich  von  Hutten  grüsst  den  Rathsfreund  Philipp  Fürsten- 
berger. Ich  habe  einen  Brief  an  den  Rath  gesandt  und  es  wird  nun 
an  dir  liegen,  die  Einzelnen  zu  bearbeiten  und  dahin  zu  wirken,  dass 
keiner  mein  »Schreiben  ungünstig  aufnehme.  Dann  mahne  sie  die 
Freiheit  zu  ergreifen,  zu  der  ihnen,  wie  du  siehest,  das  Fenster  weit 
geöffnet  ist,  da  viele  Edele  uns  gleich  gesinnet  sind,  insbesondere  je- 
ner Hartmann  [von  Cronberg],  der  allein  gleich  einem  grossen  Heere 
sein  wird.  Richtet  ihr  nur  eure  Herzen  auf  und  lasset  sie  nicht  durch 
einen  oder  den  andern  Gebotsbrief  gleich  einschüchtern.  Die  ehe- 
mals viel  vormochten  (die  Fürsten],  sind  jetzt  olmmächtig,  weil  der 
Adel  allmählig  von  ihnen  abtritt  Ich  kann  euch  von  nicht  geringem 
Nutzen,  namentlich  in  dieser  Sache,  werden,  indem  ich  euch  unter 
den  Adeligen  Freunde  verschaffe,  wenn,  was  nahe  bevorsteht,  ge- 
schehen wird,  dass  ich  mit  meinen  jüngeren  Brüdern  in  den  Besitz 
der  Burg  Steckelberg  gelangen  werde;  denn  mein  Vater  Hutten  ist 
jüngst  verschieden.  Es  scheint  aber  Einigen  der  Ort  nicht  ungeeig- 
net, um  von  ihm  aus  die  Feinde  des  Kreuzes  Christi  zu  bekämpfen, 
denn  er  liegt  in  dichten  Waldungen  und  Bergen,  die  einem  Heere 
nicht  leicht  zugänglich  sind.  Du  wirst  daher  der  Stadt  in  allen  Stücken 
meinen  Beistand  versprechen.  Wenn  ich  dort  wohne,  so  werdet  ihr 
einen  nützlichen  Nachbar  haben  und  ich  hoffe  mich  wiederum  der 
Euren  zu  bedienen.  Unterdessen  lasse  nichts  unversucht,  was  die 
Austreibung  Peter  Meyer's  fördern  kann.  Was  duldet  ihr  länger 
einen  durchaus  aufrührerischen  Menschen,  geboren  um  Tumulte  und 
Unruhen  zu  erregen?  Ursachen  habt  ihr  genug:  schreibt  dem  Mainzer 
und  seinen  Domherrn,  ihr  müsstet  verhüten,  dass  euer  Gemeinwesen 
keinen  Schaden  leide,  da  jener  vor  Alien  nicht  ruhe,  sondern  uner- 
müdlich neue  Unbilden  auf  die  alten  häufe  und  es  dahin  gebracht 
habe,  dass  schon  einige  Edele  euch  mit  Fehde  drohen,  wenn  ihr 
länger  diese  Pest  in  euern  Mauern  heget ;  bittet  sie,  dass  sie  auf  euch 
Rücksicht  nehmen  und  nicht  durch  eines  Menschen  Treiben  euere 
ganze  Stadt  der  Gefahr  aussetzen.  Durch  solches  Schreiben  werdet 
ihr  euch  auch  bei  dem  Kaiser  entschuldigen  und  später  selbst  Ruhe 
haben,  wenn  wir  wissen,  wohin  jener  Vogel,  aus  diesem  Neste  ver- 
trieben, flüchten  wird.  Gieb  dir  nur  Mühe!  Die  verbrecherischen 
Curtisanen  wollen  mit  Geld  meinen  Tod  erkaufen:  einer  unter  ihnen 


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verspricht  von  seinem  Vermögen  1000  Goldgulden  zu  geben,  wenn 
mich  Jemand  auf  welche  Weise  auch  immer  mordet,  doch  werden 
sie  nicht  zu  Wege  bringen,  dass  ich  auch  nur  um  ein  Haarbreit  von 
meiner  vorgezeichneten  Hahn  weiche.  Der  Mainzer  Kirche  habe  ich 
einen  vorwurfsvollen,  aber  doch  freundschaftlichen  Brief  geschrieben, 
aber  anders  schreibe  ich  den  Carthausen!,  die,  denke  ich,  mir  büssen 
sollen,  wenn  sie  nicht  etwa  die  Thatsache  leugnen  können.  Abschrif- 
ten der  Briefe  habe  ich  an  Otto  [Brunfels]  gesandt.  Lobe  wohl  und 
mehre  unsern  Anhang.    Von  Wartenburg  am  31.  März  1522. 

Der  Brief  Hutteu's  an  die  Mainzer  Kirche  ist  verloren,  dagegen 
sind  noch  einige  an  die  Garthauser  zu  Strassburg  erhalten.  Diese 
hatten  ihn  beschuldigt,  er  habe  mit  zwölf  Reisigen  zwei  ihrer  Mönche 
aus  dem  Kloster  entfuhrt.  Obgleich  er  die  Thatsache  in  Abredo  ge- 
stellt, hatten  sie  sich  eine  Anzahl  seiner  gestochenen  Bilder  verschafft 
und  sie  zum  unsaubersten  Gebrauch  im  Kloster,  der  sich  nicht  näher 
bezeichnen  lässt,  verwandt.  Auch  Bchrieen  sie  ihn  in  diffamirenden 
Reden  als  einen  Ketzer  aus.  Hutten  verlangte  von  ihnen  Genug- 
tuung, und  durch  die  Vermittlung  des  Strassburger  Rathes  wurde 
eine  gütliche  Verhandlung  eingeleitet,  in  Folge  deren  der  Prior  und 
der  Convent  der  Garthauser  zu  Strassburg  ihm  eine  Ehrenerklärung 
ausstellten  und  ihn  demUthig  um  Verzeihung  baten  (Böcking  II,  83  ff.) 
Für  die  angethane  Schmach  inusstcn  sie  überdies  eine  Entschädigung 
von  2000  rheinischen  Gulden  an  den  Beleidigten  zahlen  —  auch  nach 
unserem  Geldwerthe  ein  theuerer  Spass.  Da  indessen  dieser  Handel 
bereits  in  die  Monate  October  und  November  des  Jahres  1621  fallt,  so 
bezweifle  ich,  dass  man  mit  Böcking  (n,  115,  Anm.)  die  Worte  sei- 
nes Briefes  vom  31.  März  1522:  aliter  carthusianis  scribo,  auf  diese 
schon  vor  vier  Monaten  zum  Austrag  gekommene  Sache  und  nicht 
vielmehr  auf  eine  verloren  gegangene  oder  auch  vielleicht  nur  beab- 
sichtigte Gorrespondenz  mit  den  Mainzer  Garthäusern  zu  beziehen 
hat,  die  er  oline  Zweifel  als  die  moralischen  Miturheber  des  gegen 
Otto  Brunfels  von  Seiten  des  Mainzer  Glems  versuchten  Attentates 
betrachtete,  und  gewiss  nicht  ohne  Grund,  da  derselbe  aus  ihrem 
Kloster  geflohen  war.  Jedenfalls  lassen  die  Worte:  Exempla  epiato- 
larum  ad  Othoncm  dedi,  darauf  schliessen,  dass  Brunfels  nach  diesem 
Attentate,  von  welchem  wir  später  Näheres  hören  werden,  seine  Pfar- 
rei Steinheim  verlassen  und  in  den  Mauern  der  Reichsstadt  bei  Neten 
Aufnahme  und  Schutz  gesucht  habe.  Diese  vorläufige  Vennuthung 
wird  sich  uns  im  Folgenden  bestätigen. 

Der  Strassburger  Vorgang  war  nur  ein  Vorspiel  zu  dem  Frank- 
furter.   Der  Brief  Hutteu's  an  Filrstenberger  ist  ein  merkwürdiges 


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Docuraent  uud  zeigt,  welche  abentheuerliche,  hochfliegende  Entwürfe 
das  unruhige  Leben  des  fränkischen  Ritters  ausgeboren  hatte.  Vor 
kaum  30  Jahren  waren  die  Uutten'schen  noch  eine  Plage  der  Stadt 
Frankfurt  gewesen  und  oft  hatte  der  Klang  des  „Gcmperliu's"  in 
schreckenvoller  Weise  den  friedlichen  Bürgern  ihren  räuberischen 
Anzug  und  Einfall  verkündet.  Die  neue  Wendung,  welche  die  Re- 
formation in  die  deutschen  Verhältnisse  brachte,  hatte  die  Stellung  dieser 
Ritter  zu  Frankfurt  gründlich  verändert  Zur  Durchfuhrung  und 
Wahrung  der  höchsten  Interessen  bietet  der  flüchtige  Ulrich  aus  sei- 
nem Verstecke  seinem  Freunde  Fürstenberger  nicht  bloss  seine  Bundes- 
genossenschaft und  seine  alte  Burg  Steckelberg,  deren  Besitz  noch 
überdies  für  ihn  in  der  Zukunft  lag,  als  Vorwerk  der  bürgerlichen 
Freiheit  der  Reichsstadt  an,  er  verspricht  auch  eine  Einigung  zwi- 
schen den  Reichsbürgern  und  dem  benachbarten  Adel,  ihren  alten 
Feinden,  zu  Stande  zu  bringen.  Es  ist  nicht  zu  bezweifeln,  dass  er 
mit  diesen  Verabredungen  getroffen  und  dass  die  Einmischung  des 
edeln  Marx  Lösch  von  Mölnheim,  Georgs  von  Stockheim,  Emmerichs 
von  Reiffenstein*),  sowie  HartmuthB  von  Cronberg  in  die  Ibach'sche 
Angelegenheit  eine  Frucht  dieser  Verabredungen  gewesen  ist.  Jetzt 
folgte  die  Einmischung  Hutten's  auf  dem  Fusse  nach,  die  freilich, 
wenn  man  sie  mit  kühlerem  Blute  ab  der  leidenschaftliche  Ritter  be- 
trachtet, den  auf  seine  Selbständigkeit  eifersüchtigen  Rath  viel  mehr 
zur  Vorsicht  und  Zurückhaltung  stimmen  musste,  als  zur  Einigung 
mit  dem  unruhigen  Adel  einladen  konnte.  Von  Fürstenberger  erwartet 
und  fordert  Hutten,  dass  er  die  Väter  der  Stadt  für  seine  Entwürfe 
bearbeiten  und  gewinnen  werde. 

Gleichzeitig  ging  ein  Schreiben  vom  1.  April  an  Bürgermeister 
und  Rath  selbst  ab  (Böcking  II,  117):  „Mein  freundlichen  Gruss  und, 
was  ich  liebs  und  guts  vermag,  zuvor,  Ehrbaren,  Fürsichtigen  und 
Weisen,  günstigen,  lieben  Freunde.  Von  meinen  kindlichen  Tagen  auf 
und  besonders,  seit  ich  durch  Uebung  Glücks  und  Unglücks  etzlicher 
Massen  zur  Erfahrung  weltlicher  Sachen  kommen,  bin  ich,  wie  meu- 
niglich  wissen,  auch  aus  meinen  Büchern  und  Geschritten,  die  öffent- 
lich gelesen  werden,  erscheinet,  allwegcn  der  Meinung  gewest,  und 
soviel  mir  möglich  ist,  hab  ich  angehalten,  dass  Irrung[en],  so  etwa 
viel  Jahr  her  zwischen  etzlichen  des  heiligen  Reichs  Städten  und  etz- 
lichen vom  gemeinen  Adel  geübt  [worden],  ufgehoben  und  die  zween 
Orden,  an  denen  die  mehrere  Macht  deutscher  Nation  gelegen,  unter 


*)  Die  Acten  and  Protooolle  haben  constant  die  Form  Riffensteyn. 


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einander  zur  Vereinigung  und  Freundschaft  kämen,  derfaalben  achte 
ich  mit  dieser  Zeit,  da  ich  aus  nothhaftigen  Ursachen  bezwnn^eo 
werde,  euch,  aLs  ohnedies  meinen  besondere  guten  Freunden  und  zu 
deuen  ich  mich  alles  Guten  versehe,  mein  Anliegen  zu  klagen,  nit 
vonnöthen  sonderlicher  Ömred  und  Praefation  zu  brauchen,  darinnen 
ich  mich  euch  entschuldige,  dass  solches  guter  Meinung  von  mir  be- 
sehene.   Ich  hoffe,  ihr  wisset  mein  Gemtith  und  Hera  gegen  euch." 

„Und  ist  dies  die  Sache:  Doctor  Peter  Meyer,  zu  St.  Bartholo 
mes,  bei  euch  Pfarrherr  und  Prediger,  hat  ein  lange  Zeit,  ungefähr- 
lich zehn  Jahr  her  (ich  geschweige,  was  er  indem  wider  meine  gute 
Gönner  und  Frunde,  zuvor  an  dem  frommen  und  hochgelahrten  Doc- 
tor Johannsen  Reuchlin  ohn  alle  Ursach  und  Verschuldung,  aus  nn- 
christlichem  Hass  tyrannischer  Weise  geredet  und  gehandelt;,  auch 
gegen  meine  Person,  der  er  doch  wohl  müssig  gegangen  wäre,  ein 
giftig  natterisch  und  überaus  grimmigst  Gemttth  und  Meinung  ge- 
tragen*, als  denn  oft  in  seinen  hinter  mir  gehabten  Reden  bei  red- 
lichen Leuten  vieler  Stände  klärlichen  von  ihm  gehört,  auch  etwan 
durch  ihn  selbst  mit  nnsern  Augen  entdeckt  ist  Wiewohl  nun  eim 
jeden  Menschen,  ja  auch  unvernünftigen  Gethier,  wie  wir  denn  an 
den  mindesten  [kleinsten]  sehen,  sein  Injurien  weh  thut,  und  in  uteini 
Vermögen  wohl  gewest  war,  mich  billiger  Weis  an  ihm  zu  rächen,  so 
hab  ich  doch,  aber  nit  ohn  Schmerzen,  dasselbig  also  bei  mir  ver- 
drückt und  mich  weiterer  Förderung,  die  ich  in  allen  Rechten  an 
ihn,  Doctor  Petern,  gehabt,  als  ich  ihm  auch  [durch]  seinen  an  mich  Ge- 
sandten zu  Frankfurt  auf  dem  Churtag  zuentboteu  habe,  bis  auf  die- 
sen Tag  enthalten,  und  wäre  vielleicht,  was  er  also  gegen  mich  ge- 
übt, durch  mich  in  ewige  Nachlassung  meiner  Person  halben  gestellt 
worden,  wo  er  nit  itzo  vor  wenig  Tagen  die  Wunden,  so  sich  in  mei- 
nem Herzen  zur  Heilung  gestellt  und  schon  mit  einem  Rumf  über- 
zogen warfen],  wiederum  ufgerissen  und  erneuert  hätte,  indem  er  den 
frommen  christlichen  und  wohlgelartcn  Priester,  Herrn  Othen  Brun 
fels,  meinen  Diener,  als  dcrselbig  zu  Steinheim  aus  Pflichten  und  von 
Amts  wegen  das  heilig  Evangelium  und  unwiderruflich  Wort  Gottes 
gepredigt,  durch  erdichte,  falsche,  lügenhafte  Angebung  bei  dem 
Fürsten  der  Priester  und  Schriftweisen  zu  Mainz  in  Hass  und  Gram- 
schaft [gejbracht,  dermassen,  dass  dem  frommen,  unschuldigen  Men- 
schen durch  solche  Besagungen  nach  seinem  Leib  und  Leben  ge- 
trachtet und  gestellt  worden  ist,  wie  ihr  denn  selbst  besser,  denn  ich 
euch  schreiben  mag,  wisset,  dass,  wo  er  nit  von  guten  F runden  ge- 
warnt worden,  [er]  gebunden  und  eingeschmiedet  in  grausam  Ge- 
fängnis« oder  vielleicht  den  Tod  geführt  [worden]  war.    Wann  ich 


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nun  sehe,  dass  bei  ihm,  Doctor  Petern,  keine  seiner  bösen  Stuck  und 
Fürnehmens  gegen  mich  und  die  Meinen  Nachlassung  ist,  er  auch 
sein  empfangene  Gift,  so  ihm  ohne  Zweifel  der  Feind  menschlichen 
Gesclilechts  gegen  uns  eingegossen  hat,  von  Tag  zu  Tag  schärfe 
und  all  seine  neue  Handlung  die  älteren  in  Bosheit  übertrifft,  aber 
ich  mir  allwegcn  gewandelt  zu  haben  bewusst  bin,  daas  ich  billig  von 
ihm  unverhasst  und  [un]beneidet  sollte  geblieben  sein,  so  werde  ich  nach 
langwieriger  und,  ich  schätze,  überflüssiger  Geduld  mich  in  Gegen- 
wehr wieder  ihn  zu  setzen  genothdrängt,  und  ist  derhalben  an  euch, 
als  meine  insonder  gute  Frund  und  Gönner,  mein  ernstlich,  gütlich 
und  fleheliche  Bitt,  ihr  wollet  euch  genanntes  Docter  Peters,  um  seine 
gegen  mich  und  Andere  ohne  Ursach  begangene  Misshandlung,  auch 
angeschen,  dass  er  etwa  in  euere  Stadt  durch  sein  ufrührige,  un- 
christliche, giftige  Predigt  viel  Gezänk  und  Zwietracht  erweckt,  die 
dann,  wo  uit  durch  weise  Leut  vorkommen  [worden  wäre],  zu  grosser 
Ufruhr  und  vielleicht  Verderbniss  der  Stadt  gereicht  hätten,  auch 
dass  er  nie  an  keinem  Ende,  von  Ort  zu  Ort,  da  er  gewandelt,  zu 
rechnen,  gewest,  an  dem  er  friedlich  und  sonder  Erweckung  bürger- 
licher und  innerer  Tumult  und  Ufruhr  blieben,  [ihr  wollt  euch  seiner] 
gänzlich  entschlagen,  ihn  als  einen  eingelassenen  Wolf  unter  die 
Schafe,  als  einheimisch  Gift  und  verletzliche  Pestilenz  aus  eurer  Stadt, 
die  länger  in  seinem  Beiwesen  ohne  Schaden  nit  sein  mag,  thun  und 
absondern,  denn  ihr  könnt  denken,  dass  mir  Leid  geschehen  würde 
von  einem  Jeden,  der  furder  mehr  mit  diesem  des  Teufels  Apostel 
Theil  oder  geraein  hätte.    Wiewohl  ich  dann  euch  zu  aller  Lieb  und 
Frundschaft  geneigt  etwas  hierin  zu  gut  halten  möchte,  so  ist  doch 
euer  selbst  halben  zu  betrachten,  dass  ob  ich  ruhig  stund,  vielleicht 
Jemand  anders  von  meinetwegen  Doctor  Petern,  wo  er  also  bei  euch 
bliebe,  mit  euemi  Schaden  oder  Nachtheil,  (das  doch  Gott  verhüte) 
zusetzen  möchte.    Das  hab  ich  euch  freundlicher  guter  Meinung  nit 
verhalten  wollen.    Euch  Lieb,  Freundschaft  und  Dienst  zu  beweisen, 
bin  ich  von  Herzen  willig.    Datum,  Wartenburg,  Dienstag  nach  Lä- 
tare  im  Jahr  nach  Christi  Geburt  XXII.    Ulrich  von  Hutten  zum 
Steckelberg." 

Ein  dritter  kürzerer  Brief  vom  1.  April  1522  war  an  Peter  Meyer 
selbst  gerichtet  (Böcking  ü,  116): 

„Doctor  Peter,  wisse,  dass  nachdem  kein  Aufhörens  an  dir  ist, 
mir  und  meinen  guten  Freunden  und  Gönnern  Widerwärtigkeit  zu 
erzeigen,  sondern  du  deinen  unchristlichen  Hass  und  das  teuflische 
Gift,  so  du  wider  uns  in  deinem  Gemüth  empfangen,  täglich  je  mehr 
schärfst  und  anders  nit,  denn  wie  ein  leidiger  Scorpion  stets  und  ohn 


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Unterlass  «um  Stich  bereit  ist,  wie  du  denn  jctzo  an  dem  frommen 
christlichen  und  wohlgelehrton  Herrn  Othen  Brunfelß  und  Herr  Hart- 
mann  Ibach,  zweien  evangelischen  Predigern,  indem  du  sie  verräther- 
lich  in  Fahr  und  Noth  bracht,  scheinbarlich  zu  erkennen  host  ge- 
geben, so  soltu  wissen,  das»  ich  hin  für  mit  allem  meinem  Vermögen, 
durch  mich  selbs  und  alle,  die  ich  zu  meiner  Hülf  bringen  mag,  in 
alle  Weg  und  Gestalt  mir  muglich  sein  wird,  nach  deinem  Leib  und 
Gut  trachten  will,  und  soll  dies  meine  endlich  Verwarnung  gegen 
dich  sein,  da  hast  du  dich  nach  zu  richten.  Gegeben  zu  Wartenberg 
unter  meinem  Tnsiegel,  Dienstag  nach  Lätare  anno  XXU." 

Unter  diesem  Briefe  steht  noch  die  Bemerkung:  „Diese  Ding 
hot  ein  geistlicher  Mann  hie  in  dieser  Stadt  angericht,  soll  ihn  uff 
sein  Zeit  gereuen,  darum  ehrsamen,  weisen  Herrn,  ich  [erjbiete  mich 
zu  Recht  und  kann  Recht  erleiden  bei  allen  Leuten,  denn  mir  ge- 
schieht Gewalt  und  Unrecht"  Sie  ist,  wie  Böcking  (a.  a.  O.)  richtig 
gesehen  hat,  nicht  von  Hutten,  sondern  von  Peter  Meyer  selbst  zu- 
gefugt, der  ohne  Zweifel  den  an  ihn  gerichteten  Brief  mit  dieser  Be- 
theurung  seiner  Unschuld  dem  Ratlie  communicirt  hat  „Der  geist- 
liche Mann"  [d.  h.  der  Mönch]  „der  diese  Dinge  hie  in  dieser  Stadt 
angericht,"  kann  nur  Otto  Brunfels  sein,  in  Mcyer's  Augen  der  Ur- 
heber alles  über  ihn  hereinbrechenden  Unheilos. 

Der  Rath  stellte  am  Donnerstag  nach  Judica  den  empfangenen 
Brief  Hutten's  Peter  Meyer  zu  und  forderte  seine  Verantwortung. 
Diese  erfolgte  am  10.  April  in  folgender  Fassung  (Böcking  11, 
119):  „Meyn  williger  Dienst  sei  E.  ftlrsichtigen  Weisheit  allezeit 
zuvor  bereit,  ehrsamen  und  weisen  Herrn.  Nachdem  euch  schreibt 
Herr  Ulrich  von  Hutten,  hab  ich  überlesen  und  antwort  also:  ich 
weiss  nicht  mit  Herrn  Ulrich  von  Hutten  zu  schicken  oder  zu  schaf- 
fen; bin  ihm  auch  weder  mit  Worten  noch  Werken  nie  wider  ge- 
wesen, auch  allen  seinen  Frundcn  und  Dienern,  und  wo  ich  wüsste, 
ihm  beizustehen,  witr  ich  gewillt,  Dienst  und  Willen  zu  beweisen ; 
dass  er  aber  anzeigt,  Herrn  Othen  von  Brunfels,  seinen  Diener,  soll 
ich  in  Fährlichkeit  bracht  haben,  ist  mir  nit  bewusst;  ich  kenn  auch 
Herrn  Othen  nit,  ich  weiss  auch  nit,  wer  er  ist;  ich  kann  weder  bö- 
ses noch  gutes  von  ihm  sagen;  Herr  Ulrich  von  Hutten  zeige  den, 
der  solches  von  mir  sagt,  will  mich  also  entschuldigen,  dass  Herr  Ul- 
rich von  Hutten  soll  erkennen,  das  man  mir  Unrecht  thut;  es  mocht 
einer  noch  mehr  sagen,  man  glaubt  ihm  da  doch,  was  man  will;  do- 
mit  mein  willigen  Dienst  Dat.  auf  Donnerstag  nach  Judica,  anno 
XXU.    E.  W.  williger  Petrus  Meyer,  Pfarherr. 

Den  folgenden  Montag,  am  14  April,  Ubersandte  der  Rath  an 


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Ulrich  von  Hutten  eine  Copie  des  Verantwortungsschreibens  Meyer's 
mit  folgender  Eröffnung  (Böcking  II,  120): 

„Unser  freundlichen  Gruss  zuvor,  besunder  gut  Freund;  wir  ha- 
ben euer  Schrift,  uns  jüngst,  den  Herrn  Petern  Meyer  Doctor  etc. 
untern  Pferner  bcrürend,  zugeschickt,  wie  [ihres]  Inhalts  verstanden, 
demselben  Doctor  Petern  die  fürhalten  und  mit  ihm  davon  reden 
lassen,  der  ist  uns  laut  eingeschlossener  Copien  mit  Antwort  begeg- 
net. Dieweil  nun  es  nit  in  unserm  Vermögen  ist  den  Pferner  zu 
setzen  oder  zu  entsetzen,  so  bitten  wir  euch  freundliches  Fleysses, 
ihr  wollet  gegen  uns  und  die  Unsern  nichts  unguts  fUrnehmen  lassen. 
Denn  wo  ihr  etwas  zu  ihm  zu  sprechen  hättet,  möget  ihr  sin  Obir- 
keit  ansuchen:  die  werden  euch  ungezwiffelt  mit  gebührlicher  Ant- 
wort begegnen,  das  haben  wir  euch  nit  verhalten,  denn  euch  mit 
Fugen  sonst  Willen  zu  beweisen,  sind  wir  geneigt.  Dat  Montags 
nach  dem  heiligen  Palmtag  anno  XXII. 

Allein  schon  am  folgenden  Tage,  Dienstag  nach  Palmarum,  den 
15.  April,*)  noch  ehe  des  Käthes  Antwort  in  des  Ritters  Hände  ge- 
langt sein  konnte,  erfolgte  in  Frankfurt  für  den  Clerus  ein  neuer 
Schreckschuss :  Ulrich  von  Hutten  Hess  nämlich  zwei  Briefe  an  das 
Thor  der  Liebfrauenkirche  anschlagen:  in  einem  sagte  er  den  Pre- 
digermönchen, in  dem  andern  den  Curtisanen,  d.  h.  den  nach  Pfrün- 
den gierigen  Anhängern  der  römischen  Curie,  ab  und  rief  alle  Kriegs- 
leute auf,  ihm  beizustehen:  wo  sich  die  Genannten  der  Ansprach 
halben  nit  mit  ihm  vertragen  wollten,  sollten  sie  dieselben  angreifen 
an  Leib  und  Gut  sammt  ihren  Verwandten,  in  deutschen  und  wel- 
schen Landen.  Ob  unter  den  Curtisanen  ausser  an  Meyer  vielleicht 
auch  an  Cochlaeus  gedacht  war,  der  Hutten  als  Apostat  erscheinen 
musste,  steht  dahin,  doch  macht  es  der  Umstand  nicht  unwahrschein- 
lich, dass  die  Fehdebriefe  gerade  an  das  Thor  seiner  Kirche  —  wie 
Köiiigstein  sagt  —  geleimt  wurden.  Jedenfalls  waren  Ulrich 's  Fehde- 
briefe schon  in  den  Händen  seiner  Frankfurter  Freunde  gewesen, 
und  dass  sie  am  Tage  nach  dem  Rathsschlusse,  noch  ehe  dieser  in 
seine  Hände  gekommen  sein  konnte,  angeschlagen  wurden,  deutet 
auf  einen  wohlüberlegten  Plan  und  auf  eiuen  bestimmten  Zusammen- 
hang mit  dem  Meyer'schen  Streite. 


*)  So  gibt  Königstein  in  seinem  eigenbändigen  Manuscripte  das  Datum  an ; 
bei  der  unbedingten  Glaubwürdigkeit,  die  ibin  als  Zeitgenossen,  der  täglich  die 
Begebenheiten  aufzeichnete,  gebührt,  muss  Ritter's  Angabe,  die  wohl  aus  den  Uffen- 
bachisebon  Handschriften  geflossen  ist  und  der  auch  Strauss  und  Böcking  gefolgt 
sind,  —  sie  lautet  auf  den  11.  April  —  corrigirt  werden. 


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Nach  diesen  offenen  Absagebriefen  Btellte  Hutten  seine  Corre- 
spondenz  über  Meyer  nicht  ein.  Arn  9.  Mai  erliess  er  von  Warten- 
burg sein  Antwortschreiben  an  Bürgermeister  und  Rath  und  forderte 
wiederum,  dass  dieselben  seinem  Gegner  den  Schutz  der  Stadt  auf- 
sagten und  ihn  seiner  und  seiner  Helfer  Rache  preissgäben. 

Er  schrieb  (Böcküig  H,  120):  „Mein  freundlichen  Dienst  zuvor. 
Ersamen,  Fürsichtigen  uud  Weisen,  besondern  guten  Freunde!  Euer 
Schrift,  mir  antwortsweise  auf  mein  Zuschreiben,  Doctor  Petern, 
euern  Pfarrherrn  betreffend,  gethan,  hab  ich  verlesen  und  nimm  euer 
Eutschuldiguug,  dass  ihr  den  Pfarrherr  weder  zu  setzen,  noch  zu  ent- 
setzen habt,  an,  doch  also,  dass  ihr  ihn  auch  wider  mich  und  die 
Meinen  und  meine  Helfer  nit  schützet  oder  schirmet;  und  wo  er  ei- 
nige Vertröstung  uf  euern  Schutz  und  Schirm  hätte,  ihm  denselbigen 
aufsaget  und  ihn  sein  Abentheuer  gegen  uns  bestehen  lasset,  denn 
ihr  ermessen  könnt,  wo  er  sich  eures  Schirmes  getrösten  wurde,  dass 
ich  verursacht  [wäre]  auch  mein  Bestes  zu  bedenken.  Versehe  mich, 
ihr  habt  nit  Ursach  mich  oder  Jemand  genannte  Pfarrherrs  halben, 
besonders  so  er  unter  andere  Oberkeit  gehört  und  sich  in  eurer  Stadt 
aufrührig  hält,  zu  begeben"  [d.  h.  zu  verlassen,  zu  benachtheiligen]. 
„Will  mich  hierin  kein»  Abschlagens  zu  euch  verschen,  doch  begehre 
ich  des  bei  diesem  meinem  Boten  ein  beschriebene  Autwort.  Euch 
Lieb  und  Freundschaft  zu  erzeigen  bin  ich  von  Herzen  geneigt.  Da- 
tum Wartenberg,  Freitag  nach  Misericordias  Domini  anno  XXH. 
Ulrich  Hutten  zum  Stcckelberg." 

Auch  diesen  Brief  sandte  der  Rath  dem  Bedrohten  zur  Verant- 
wortung zu.  Aber  noch  ehe  dieselbe  einlief,  entspann  sich  ein  neuer 
Kampf.  Am  Montag,  12.  Mai,  Hessen  die  umwohnenden  Ritter  einen 
offnen  Brief  an  die  Fahrpforte  anschlagen  und  eine  Abschrift  den 
Herrn  zu  St  Bartholomaei  überantworten.  Derselbe  betraf  sämnit- 
liche  Pfaffen  und  Mönche  und  erregte  keine  geringe  Bewegung  in 
den  Stiftern  und  Klöstern.  Um  indessen  den  Zusammenhang  der  Er- 
zählung nicht  zu  unterbrechen,  behalten  wir  uns  vor,  auf  diese  neue 
Fehde  unten  zurückzukommen. 

Meyer  antwortete  dem  Rathe  (Böckiug  H,  121):  „Ersamen,  Wei- 
sen, günstigen,  lieben  Herrn.  Ich  hätte  verhofft,  Herr  Ulrich  vou 
Hutten,  angeschen,  dass  mir  ungutlich  geschieht,  sollt  mit  meiner 
Antwort,  erst  gethan,  gesättigt  sein  gewesen,  so  es  aber  nit  seiu  will, 
so  rauss  ich  die  Sach  thun,  als  sich  gebttrt,  und  gieb  euern  fursieh- 
tigen  Weisheiten  nach  Antwort,  wie  vor,  dass  man  mich  nit  mit 
Wahrheit  Herrn  Ulrich  von  Hutten  augeben  hat,  sollt  auch  billig 
mir  mein  Leib  und  Gut  uuerkamiter  Sach  nicht  abschreiben,  das  be- 


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fehl  ich  Gott  und  dem  Rechte;  Ulrich  von  Hutten  und  den  Seinen 
guten  Willen  zu  beweisen,  bin  ich  allzeit  geneigt.  Es  ist  auch  Herr 
Otto  von  Braunfels  in  vergangen  Tagen  zu  mir  kommen,  mich  ge- 
beten, ich  soll  reden  mit  dem  Vicario  zu  Mainz,  dass  er  wiederum 
uff  seinPfarr  mag  ziehen  gen  Steinern;  so  wolle  er  mit  seinem  Herren 
reden,  dass  er  mich  zu  Frieden  lass,  hab  uff  solche  Worte  meinem 
Herrn  dem  Vicario  geschrieben  und  mit  seinen  Gnaden  lassen  reden; 
giebt  sein  Gnad  Antwort,  seiner  Person  halber  hab  [es]  kein  Noth,' 
doch  zu  mehr  Sicherheit,  soll  ich  die  Sache  an  [den]  Domdechant 
lassen  [ge]langcu;  [er]  ist  zu  dieser  Zeit  nit  vorhanden,  sondern  ich 
will  uff['s]  schierste  mit  sein  Gnaden  handeln  und  das  will  ich  thun 
aus  gutem  Willen,  angesehen,  dass  er  [Otto]  gelehrt  ist.  Dann  ich 
hab  Herrn  Otten  nit  angeben  bei  [dem]  Domdechant;  soll  mir  sein 
Gnad  Gezeugniss  geben,  und  der  mich  Herr[n]  Ulrich  von  Hutten 
hat  angeben,  der  weiss,  dass  Andere  sein,  die  über  Herrn  Otten  ge- 
klaget haben,  darum  so  gesclüeht  mir  Unrecht  und  will  mich  zu  mei- 
nen Herrn  versehen,  so  viel  an  ihnen  sein  werde,  mich  vor  Gewalt 
vertheidigen.  Recht  kann  ich  leiden  vor  mein  ordentlichem  Richter 
oder  seiner  Gnaden  Statthalter,  wo  aber  Herr  Ulrich  von  Hutten  das 
Recht  nit  geliebt,  so  erbiet'  ich  mich  zu  einer  gütlichen  Verhörung 
vor  ein  ehrbar  Rath  zu  Frankfurt,  meinem  Herrn,  dem  Comcnthur  im 
Deutschen  Haus,  [dem]  Schultheissen  oder  Hauptmann  zu  Frankfurt, 
sämmtlichen  oder  einem  itzlichen  besonderlich,  verhoffe  auch  nicht, 
das  ich  bei  euch  lebe  uffrührlich,  sondern  ich  wollt  gern  Einigkeit 
machen,  wo  ich  könnte ;  hoff  hierumb  nit,  dass  ich  also  bei  euch  ge- 
lebt hab,  dass  mich  Jemand  vertreiben  solle,  so  ich  Recht,  GutigkeH 
und  Billigkeit  vor  Gott  und  aller  Welt  leiden  kann.  Damit  willigen 
Dienst  meinen  günstigen  Heren  zu  beweisen,  bin  ich  allezeit  geueiget. 
Datum  uff  Donnerstag  nach  Jubilaten  im  XXII.  Jahr.  Petrus  Mayer, 
der  heiligen  Schrift  Doctor  und  Pfarrer." 

Der  Rath  bcschloss  am  22.  Mai  auf  diese  Verantwortung  Peter 
Meyers,  „Ulrich  von  Hutten  von  des  Pferners  wegen  Antwort  zu 
geben  zum  andern  mal."  Sie  erging  in  folgender  Fassung  [Böcking 
II,  122]:  „Unscrn  freundliclien  Gruss  zuvor,  besunder  gutFrunt  Wir 
haben  euer  Widerschrift,  uns  uff  unser  gethan  Antwort  unsere  Pfer- 
ners  halber  zugeschickt,  alles  Inhalts  verstanden,  demselben  die  für- 
halten  und  mit  irue  davon  reden  lassen,  der  ist  uns  laut  eingeschlosse- 
ner Copieu  mit  Antwort  begegnet  und  zweifeln  wir  nit,  ihr  habt  un- 
ser Autwort  guter  Maass  vermerkt;  dass  wir  aber  einigen  Gewalt 
gegen  Jemauds  in  unser  Stadt  oder  Gebieten  gestatten  sollen,  köimt 
ihr  bei  euch  selbst  ermessen,   dass   uns  solches  nit  gebuereu  will. 


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Bitten  darum  wir  euch  freundtichs  Fleisses,  ihr  wollet  in  dieser  unser 
Antwort  nit  Missfallens  haben,  das  verdienen  wir  gern.  Datum  auf 
Donnerstag  nach  Cantate  anno  XXII." 

Damit  endigen  die  Acten  des  Streites  zwischen  Ulrich  v.  Hutten 
und  Doctor  Peter  Meyer.  Aber  die  Fehde  selbst  war  noch  nicht  zu 
Ende,  ein  Verbündeter  Hutten's  trat  ein  und  warf  von  Neuem  dem 
bedrängten  Stadtpfarrer  den  Handschuh  hin.  Unter  den  benachbarten 
"Rittern  ragte  durch  seine  herzliche  und  aufrichtige  Frömmigkeit  vor 
den  andern  der  uns  schon  bekannte  Hartmuth  von  Cronberg  hervor, 
der  Freund  Franzen  von  Sickingen,  ein  Mann,  von  dem  Ranke 
(deutsche  Gesch.  im  Zeitalter  der  Ref.  U,  106)  urtheilt,  „man  könne 
ihn  ab  den  ersten  im  Style  einer  spätem  Zeit  frommen,  vollkommen 
überzeugten  Lutheraner  betrachten".  Eine  Reihe  seiner  religiösen  Zu- 
schriften gehört  dem  Jahre  1522  an;  sie  athmen  sämmtlich  den  fri- 
schen, ursprünglichen,  durch  theologische  Streitigkeiten  noch  nicht 
verbitterten  Geist  der  ersten  Reformation,  die  kindlich  reine  Freude 
an  dem  aus  trüben  Nebeln  siegend  emporgestiegenen  Licht  des  laute- 
ren, einfältigen  Gottesworts.  „Lieben  Brüder,  schreibt  er  an  die  vier 
Bettelorden,  die  Lehre,  so  Doctor  Luther  geprediget,  ist  nicht  seine 
Lehre,  sondern  ist  geflossen  aus  dem  Bronnen  Christi  Jesu.  Welcher 
Mensch  dieser  himmlischen  Lehre  folget,  der  folget  nicht  Dr.  Luther'n, 
sondern  Christo.  Wir  glauben  Dr.  Luther  nicht  weiter,  denn  soviel 
wir  im  heiligen  Evangelio  gegründet  finden  (Walch,  Luther  s  Werke 
XV,  1956).  In  demselben  Sinne  schreibt  er  an  den  Kaiser  Karl  und 
an  Papst  Leo  X.,  insbesondere  aber  an  seine  Bürger  und  Unterthanen 
zu  Cronberg,  donen  er  die  Annahme  des  Evangeliums,  wie  ein  Vater 
seinen  Kindern,  empfiehlt  (Ebend.  1959  und  1967). 

In  einem  Brief  an  ihn  schildert  Luther  im  März  1622  den  Ein- 
druck, den  er  aus  seinen  Schriften  empfangen :  „Ich  hab  euer  Schrif- 
ten zwo,  eine  an  kaiserliche  Majestät,  die  ander  an  die  Bettelorden 
gethan,  mit  grosser  Freude  gelesen.  .  . .  Dann  man  spüret  wohl,  dasa 
euer  Wort  aus  Herzens  Grund  und  Brunst  quellen  und  beweisen,  dasa 
nicht,  wie  in  vielen,  das  Wort  Christi  allein  uff  der  Zungen  und  den 
Ohren  schwebe,  sondern  ernstlich  und  gründlich  im  Herzen  wohne." 
„Sehet,"  so  ruft  er  am  Schlüsse,  „wie  bin  ich  auslaufen  und  über- 
flössen mit  Worten.  Das  macht  der  Glaub  Christi,  der  sich  also  er- 
schwenkt hat  in  Freuden  über  euerm  Glauben  und  freudigem  Be- 
kenntniss.  Johannes  muss  also  springen  im  Mutterleib,  wenn  Christus 
zu  ihm  kommt  Wie  ihr  denn  sehet,  dass  er  durch  euer  Schrift  zu 
mir  kommen  ist.  Wollt  Gott,  er  kam  auch  also  zu  euch  durch  diese 
meine  Schrift,  und  machte,  dass  nicht  allein  euer  Johannes,  sondern 


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auch  Elisabeth  und  das  ganz  Haus  fröhlich  und  voll  Geistes  wurde, 
und  blieb  nicht  allein  drei  Monat,  sondern  ewiglich.  Das  geh  Gott 
der  Vater  aller  Barmherzigkeit"  (De  Wette  Luther's  Briefe  IT,  162. 
169)!  Wiederum  Hartmuth  Montag  nach  Palmsonntag  1522  an  Luther: 
„Demnach  so  halte  und  achte  ich  euch  für  einen  meiner  allerliebsten 
Bruder;  denn  ihr  habt  die  wahrhaftige  brüderliche  Liebe,  darinnen 
aller  Gebote  Erfüllung  steht,  mit  den  Werken  gegen  Alle  und  son- 
derlich gegen  deutsche  Nation  höchlich  bewiesen  und  habt  damit 
sonder  Zweifel  vollbracht  den  Willen  des  himmlischen  Vaters,  dessel- 
bigen  ihr  euch  billig  erfreuet.  Darum  sollt  ihr  wissen,  dass  ich  mich 
aus  der  Gnade  Gottes  euer  und  euers  gleichen  Brüderschaft  höher 
erfreue,  denn  aller  leiblichen  Brüderschaft  oder  alles  zeitlichen  Gutes." 
(Walch,  a.  a.  O.  1992). 

Dieser  Mann,  der  sich  schon  am  16.  März  1522  gedrungen  ge- 
fühlt hatte,  ein  Warnungsschreiben  an  den  Rath  und  die  Bürger- 
schaft zu  richten,  fand  auch  jetzt  Veranlassung  gegen  Peter  Meyer 
aufzutreten.  Am  Pfingstmontag  den  9.  Juni  schrieb  er  an  ihn:  „Euch, 
dem  Pfarrherr  zu  Bartholomaeus  zu  Frankfurt,  entbeut  ich,  Hartmuth 
von  Cronberg,  meinen  Gruss  und  füg  euch  zu  vernehmen,  wie  ich 
glaublich  bericht  bin  und  erkundet  hab,  welcher  mass  ihr  die  wahr- 
haftig christlich  Lehr  Dr.  Martin  Luther's,  sonder  aller  Gründ  der 
heiligen  Schrift,  unterstehet  unterzudrücken,  dargegen  der  Päpstlichen 
Gewalt  und  Regiment  so  hoch  zu  erheben,  dass  ihr  alle  die  für 
Ketzer  achtet,  die  dem  christlichen  Doctor  Martino  oder  seiner  evan- 
gelischen Lehre  folgen, .  .  .  dessen  euere  Worte  und  öffentliche  Pre- 
digt unwidersprecldich  Zeugniss  geben.  .  .  .  Auch  wollet  ihr  keinen 
rechten  evangelischon  Prediger  zulassen,  mit  eurer  Genehmigung  zu 
predigen,  und  sonderlich  uf  den  Pfingsttag  einem  christlichen  Prediger, 
den  ich  gen  Frankfurt  geschickt,  nit  vergönnen  wollen  zu  predigen. 
Die  weil  aber  euch  als  einem  Pfarrherrn  der  Stadt  Frankfurt  Ursach 
und  Grund  eurer  Meinung  und  öffentlichen  Predigt  gebüret  zu  sagen, 
wie  Sant  Peter  gebeut,  so  erforder  und  begehr  ich  von  euch  aus 
christlicher  Schuld  und  Pflicht,  dass  ihr  mir  mit  evangelischem  Grund 
und  heiliger  göttlicher  Schrift  anzeigen  wollet,  aus  welchen  Ursachen 
wir  dem  päpstlichen  Regiment  glauben  oder  folgen  sollen.  . .  .  Wo  ihr 
aber  dasselbige  nit  zu  thun  wisset,  so  vermahne  ich  euch  brüderlicher 
Weise,  dass  ihr  euch  von  eurer  Irrung  mit  uns  zu  Gott  kehret  und 
bekennet,  wie  eure  hohe  Nothdurft  erfordert,  dieweil  ihr  nit  wissen 
raöget,  wie  lang  ihr  Zeit  habet,  denn  wahrlich  ich  warn'  euch:  wer- 
det ihr  euch  versäumen,  so  werdet  ihr  beständiglich  nit  bestehen  mit 
allen  denen,  die  ilur  verführet"  (Walch  a.  a.  0.  2004  flg.) 
IV.  9 


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Auf  dieses  Schreiben,  dessen  Inhalt  wir  nur  in  seinen  Hauptge- 
danken mitgetheilt  haben,  erwiderte  am  11.  Juni  Meyer  (eben<L 

2006  flg.):  Meinen  willigen  Dienst  zuvor,  ehrbar  fester  lieber  Junker! 
Euer  Schreiben,  an  mich  gethan  am  dritten  Pfingsttag,  hab  ich  ver- 
lesen und  wohl  verstanden,  antwort:  uf  den  Artikel,  dass  ich  den 
Pfingsttag  einem  evangelischen  Prediger,  von  euch  gesandt,  verboten 
hab,  dass  er  nit  zu  predigen  zugelassen  sei,  sprich  ich,  dass  man  mir 
Unrecht  thut,  es  ist  keiner  bei  mir  gewesen,  auch  hat  mich  Niemand 
darum  ersucht,  hab  auch  auf  diesen  Tag  erfordert  ein  ganz  Capitel, 
ihnen  filrgelegt,  ob  an  ihr  einen  etwas  ersucht  sei,  haben  sie  geant- 
wortet bei  ihren  Treuen  und  Eid:  Nein,  es  sei  an  ihr  keinen  nie  ge- 
langt. Bitt  darum,  ihr  wollt  mir  anzeigen  den,  der  mir  solche  Sache 
ufleget,  so  will  ich  also  mit  ihm  reden,  dass  ihr  erlernen  sollt,  dass 
man  mir  Unrecht  thut,  und  bin  nie  der  gewesen,  der  Gottes  Wort 
gehindert,  sondern  allezeit  gefördert  mit  Worten  und  Exempeln.  Dass 
ihr  mir  aber  schreibt  von  meinen  Predigten,  sprich  ich,  ich  hab  öffent- 
lich vor  der  ganzen  Welt  geprediget  und  jetzund  in  das  dreizehnt 
Jahr  zu  Frankfurt,  und  verhoff,  die  Wahrheit  und  das  heilige  Evan- 
gelium. Das  haben  drei  oder  vier  Tausend  Menschen  von  mir  ge- 
höret und  gestehe  meine  Predigt  frei  vor  aller  Welt.  War  aber 
Jemands,  der  sich  Hess  dünken,  ich  hätt  zu  viel  oder  zu  wenig  ge- 
than, so  hab  ich  einen  ordentlichen  Richter,  do  mag  man  mich  an- 
sprechen, do  will  ich  Antwort  geben.  Damit  guten  Willen  euch  zu 
beweisen  bin  ich  geneiget.  Datum  uf  Mittwochen  nach  Pfingsten 
Anno  XXII.  Williger  Petrus  Meyer,  der  heiligen  Schrift  D.  und 
Pfarrherr  zu  Frankfurt. 

Auf  die  Mainzer  Appellation  konnte  Hartmuth*  keinen  Zug  fühlen 
sich  einzulassen;  es  hätte  dies  nichts  anders  geheissen,  als  den  Pontius 
beim  Pilatus  verklagen.  Um  so  schärfer  setzte  er  Meyer'n  in  seinem 
zweiten,  am  14.  Juni  erlassenen  Sendschreiben  zu  (Walch  a.  a.  O. 

2007  flg.),  aus  dem  wir  das  Wichtigste  im  Auszüge  mittheilen :  „Erst- 
lich so  hab  ich  des  Predigers,  den  ich  gen  Frankfurt  [geschickt],  ein 
Genüge,  denn  es  stehe  damit,  wie  es  woll,  so  ist  nichts  daran  gele- 
gen. Aber,  dass  ihr  weiter  übergangen  habt  mir  zu  antworten,  aus 
was  Grunds  ihr  das  päpstlich  Regiment  und  die  Menschengebot  und 
Lehre  also  hoch  erhebet  und  damit  die  unwidersprechliche  Wahrheit 
Gottes  also  offenbarlich  unterstehet  unterzudrücken  und  zu  schmähen, 
—  welches  uff  euch  öffentlich  erzeugt  mag  werden  durch  vielBieder- 
lcut  zu  Frankfurt  und  anderswo,  die  euer  Predigt  gehöret  —  des- 
halb hab  ich  kein  Genügen.  Auch  dass  ihr  schreibet,  wie  ihr  das 
heilig  Evangelium  dreizehn  Jahr  zu  Frankfurt  gepredigt  habt,  darurT 


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sag  ich,  dass  ihr  das  heilig  Evangelium  nit  gepredigt  habet,  inmassen 
wie  Christus  geboten,  sondern  mehr  in  euerm  Geiz  und  Eigennutz, 
denn  zu  des  Volklins  Seligkeit  und  heilsamer  Weide  solches  gezogen. 
Darum  euer  Berühmen  und  dass  ihr  euch  nennet  ein  Doctor  der  hei- 
ligen Geschriften,  das  reichet  dem  heiligen  Evangelio  und  der  wahr- 
haftigen heiligen  Schrift  zu  unleidlicher  Schmachheit.  .  .  .  Ihr  habt 
nit  allein  euerm  Geiz  nach  die  Schaf  wider  Gottes  Gebot  geschoren 
und  böslich  aufgesogen,  sondern  auch,  das  viel  grösser  und  schwerer 
ist,  die  heilsame  Weid  Christi  mit  Füssen  getreten.  O  was  grossen 
Seelenmord  habt  ihr  in  den  dreizehn  Jahren  gethan!  Bedenkt,  wie 
streng  die  Gerechtigkeit  urtheilt  einen  leiblichen  Mörder,  darum  be- 
trachtet, wie  viel  greulicher  euer  und  euere  Gleichen  Morden  sei, 
welche  nit  durch  die  recht  Thür  einsteigen,  allein  dass  ihr  metzlet 
und  tödtet."  Am  Schlüsse  eröffnet  er  ihm  die  Aussicht,  wenn  er 
nicht  seine  Irrung  erkenne  und  Gottes  Barmherzigkeit  annehme,  würde 
seine  Handlung  dermassen  an  den  Tag  gebracht  werden,  dass  ihn 
alle  Menschen  zu  Frankfurt  für  einen  Verfuhrer  halten  und  dass  aller- 
meniglich  mit  gutem  Gewissen  gegen  ihn  mit  der  That  zu  handeln 
erlaubt  sein  werde,  so  viel  sich  gegen  einen  reissenden  Wolf,  geist- 
lichen Dieb  und  Mörder  mit  Worten  und  Werken  zu  handeln  gebühre. 
Die  solches  dann  thäten,  würden  keine  Scheu  tragen  weder  vor  sei- 
nem ordentlichen  Richter,  noch  vor  dem  Rathe  zu  Frankfurt,  dess- 
lialb  Rod  und  Antwort  zu  geben,  denn  ihr  Grund  werde  sein  auf 
dem  unzerstörlichen  Gotteswort.  Das  Schreiben  schliesst:  Datum  unter 
meinem  Insiegel  uf  Samstag  nach  Pfingsten.  Anno  Domini  im  zwei 
und  zwanzigsten. 

Obgleich  sich  Hartmuth  directe  Antwort  erbeten  hatte,  unterblieb 
diese;  statt  dessen  wandte  sich  Meyer,  für  seine  Sicherheit  besorgt,  am 
17.  Juni  mit  einem  Schreiben  an  den  Rath  (Walch  a.  a.  ü.  2010  flg.),  das 
mit  folgenden  Worten  schliesBt: 

„Darum  bitt  ich  E.  Weisheit  als  mein  gunstigen  Herrn,  sie  wol- 
len mich  als  ihren  Pfarrheim  und  Geistlichen  .  .  .  vor  Gewalt  bei 
Recht  uud  des  Reichs  Landfrieden  und  Ordnung  günstigen,  hand- 
haben, schützen  und  schirmen  und  dem  unziemlichen  gewaltigen 
Dreuen  und  Fürnehmen,  so  Junker  Hartmann  von  Cronberg  letzsts 
seins  Schreibens  anhenket,  kein  Statt  geben,  so  ich  Recht  und  Billig- 
keit vor  Gott  und  aller  Welt  leiden  mag ;  das  gebürt  mir  alles  meins 
armen  Vermögens  um  E.  Weisheit  ewiglich  und  gutwillig  zu  ver- 
dienen. Bitt  des  unverzögliche  tröstliche  Antwort.  Datum  uf  Diens- 
tag nach  Trinitatis  anno  XXU.    Williger  Petrus  Meyer  Pfarrherr." 

Als  dieser  Brief  am  selben  Tage  in  der  Rathssitzuug  verlesen 

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wurde,  erging  der  lakonische  Bcscbluss,  es  dabei  zu  lassen  und  dem 
Pfarrer  zu  sagen:  „er  werde  sich  angesehen  seines  Richters  wohl  zu 
halten  wwen  (B.  P.  1522  fol.  17)." 

Die  Verwickelungen,  in  welche  der  Clerus  durch  die  Ritterschaft 
gerieth,  wurden  von  Tag  zu  Tag  grösser  und  mit  ihnen  inehrten  sich 
die  Verlegenheiten.  Schon  am  Samstag  nach  Ostern,  26.  April,  hatte 
Wilhelm  von  Bommersheim  der  Alte  in  einem  Brief  an  die  Herren 
zu  St  Lenhard,  Predigermönche,  Frauenbrüder  und  Jungfrauen  zu 
St  Katharinen  sich  beschwert,  dass  „ihm  seine  Behausung,  so  er  vor 
Zeiten  gehabt,  genannt  zum  Stein  zu  Frankfurt,  ohn  alle  Vorbot  und 
Recht  entfrumrat  (entfremdet)  war  worden,  dazu  etlich  Holz,  Bett, 
Bettladen,  Pfann,  Schüsseln  und  dazu  etlich  Gülden  uff  einen  Köln- 
schen  Mann"  und  die  Wiederherstellung  seiner  Behausung  nebst  al- 
lem Angezeigten  und  den  Ersatz  flir  weitere  Kosten  und  Schäden 
verlangt  Die  Betreffenden  kamen  am  28.  April  in  dem  Capitelhaus 
des  Liebfrauenstiftes  zusammen  und  beschlossen  den  Kläger  an  den 
Rath  zu  verweisen,  mit  dessen  Genehmigung  die,  wie  es  scheint, 
früher  bestandene  Verpflichtung  dieser  Stifter  und  Klöster  dem  Jun- 
ker eine  Behausung  in  der  Stadt  aufzuhalten,  seiner  Zeit  aufgehoben 
worden  war;  schliesslich  erklärten  sie  sich  zu  jeder  Leistung,  drin- 
nen rechtlich  obliege,  bereit  Dieser  Handel  hielt  die  Priesterschaft, 
wie  sich  aus  den  Aufzeichnungen  Königstein's  und  aus  den  Bürger- 
meisterprotokollen ergiebt,  den  ganzen  Sommer  hindurch  in  Span- 
nung, ohne  seine  Lösung  zu  finden. 

Neue  Verwickelung  und  Aufregung  brachte  der  schon  erwähnte 
Fehdebrief,  den  Marx  Lösch,  Georg  von  Stockheim  und  Emmerich 
von  Reifenberg  am  12.  Mai  an  die  Fahrpforte  hatten  anschlagen  lassen 
und  den  wir  zum  ersten  Male  nach  Tom.  I,  fol.  14  der  Acta,  daa 
Religions-  und  Kirchenwesen  betreffend,  in  dem  Stadtarchive  hier  mit- 
theilen: 

„Allen  vnnd  iglichen  pfaffen  vnnd  Munichen  in  der  statt  franck- 
furt  thund  wir  hie  vnnden  beschryben  kunt  vnd  zu  wissen:  nachdem 
etlich  auß  euch,  sonnderlich  die  fumempsteu  in  den  prelaturen  dem 
wort  gottes  zuwider  strebent  vnnd,  so  vil  an  euch  were,  solchs  gern 
vnndertrucken  wolt,  sunderlich  in  dem,  das  durch  ewer  vngestime 
anhalltcn  eyn  ewaugelischcr  Prediger,  der  dem  andechtigen  folek  in 
Frangkfurt  das  wort  gottes  zu  predigen  furgenomen,  daselbs  vertry- 
ben  vnnd  also  dem  folgk  die  recht  heylsam  gottes  lere  enntzogen  ist, 
vnd  nit  alleyn  enntzogenj  besunder  schier  gar  nydergclegt  Dann  Ir 
rieht  durch  supptile  practica  zu,  das  derselbig  noch  anudere  by  oder 
neben  euch  die  öffentlich  luter  ewangelisch  warheyt  nit  predigen  dürf- 


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-    133  - 


fen,  zu  dem  das  ir  selbst  nit  thut  oder  vielleicht  thuu  kundt,  wellichs 
dann  von  euch,  als  die  sich  geistliche  stanndts  berumen  vnd  davon 
sonnderlich  fryheyt  vnnd  ere  haben  wollen,  höher  dann  von  anndern 
vnverstenndigen  vnnd  mere  zubeclagen,  dann  zu  erbarmen.  Nun  ist 
bisher  by  euch  der  gebrauch  gewest,  welcher  weltlichs  stannd's  euer 
Person  oder  gutter  mit  der  that  berawbt  oder  angriffen,  den  habt  ir 
durch  euch  oder  euer  conservitores  onerfordert,  on  alles  erbarmen 
offenntlich  in  bann  verkundt  vnd  darzw  das  weltlich  swert  vnd  straf 
vber  inen  erfordert,  vnnd  hapt  euch  das  vnverschembt  als  für  recht 
vnd  wolgethan  berumbt;  vil  höher  vnnd  mere  will  sich  gepuren,  mit 
höchstem  ernnst  (ob  glych  tyrannische  Verfolgung  leybs  vnd  guts  da- 
ruff  stünde)  eyn  strenglichs  eynsehens  zuthun,  das  das  heiig  ewange- 
lium  vnd  die  warheyt  gottes  vor  euch  vnnd  annderer  desselbigen 
vheynden,  tättlichen  anfechtern  vnd  wydersachern  vnverdruckt  pleybe, 
vnnd  anfennglick  durch  cristliche  ermanung  vnd,  wo  das  nit  frucht 
trüge,  annder  gestalt  euch  davon  in  bessemng  zu  pringen.  Darvmb 
ermanen  wir  euch  in  gemeyn  vnd  sonnder  vor  weytern  furneraen  hie- 
mit  gar  gutlich,  das  ir  euch  von  ewerm  verkerten  willen  vnd  ver- 
truckung  der  evangelischen  warheyt  vmbkert  vnnd  bessert  vnd  hin- 
für  das  heiig  Ewangelium  in  ewern  Kirchen  öffentlich  selbs  predigen 
oder  anndern  vnuerhyndert  zuthun  gestattet,  auch  andere  gleyssnerey, 
sonnderlich  die  im  scheyne  eynns  Guten  zu  ewerm  geytz  vnnd  nutzen 
gericht  seynnt,  gegen  dem  gemeynnen  unuerBtenndigen  folek  abstellet, 
sie  weyter  darauff  nit  leytet  oder  vberredt,  damit  die  schaff  Christi 
nach  desselbigen  lere  recht  geweydet  vnnd  wie  bisher  nit  geschunden 
werdent.  Wo  ir  aber  diß  verachtent,  so  werdet  ihr  vnns  damit  nit 
veracht  haben,  besonnder  den,  der  euer  vnnd  vnnser  aller  herr,  rich- 
ter,  schapffer  vnd  erlöser  ist.  Alsdann  mocht  ir  vns  vnnd,  die  wir  in 
unnser  hilff  bringen  kunten,  vervrsachen  zuhanndeln,  des  wir  ge- 
trauwen  gegen  Gott  vnd  der  weit  fug  zu  hoben,  vnnd  lieber  ver- 
tragen sein  wollten,  dann  ewer  Verachtung  vnd  nydertruckung  des 
wort  gottes  ist  vnns  billich  leydt.  Nach  dieser  vnnser  fruntlichcr  er- 
manung vnd  Verwarnung  wisst  euch  zu  richten,  wellicher  aber  vnnder 
euch  sich  in  disem  thuu  von  den  anndern  absonndern  vnd  sich  vns 
anzeygen  wurdet,  den  wollen  wir  dermassen  zu  alter  fruntschaft  an- 
nemen;  bitten  hicrvff  ewer  aller  beschrybene  anntwurt,  die  inwendig 
acht  tagen  nechst  volgennd  gecn  Reyffcnbcrg  in  Friederichs  von 
Reyffenbergs  oder  in  meyn  Marx  Leschen  von  Mulluheyms  huß  zu 
Felschberg  zw  vberschicken.;  Geben  vnnder  meyn,  Jorgen  vonStock- 
heyms  vnd  Emmerich  Reyffensteyns  Inngesigeln,  der  ich  mich  Marx 
leBch  von  Mulnheym  obgenannt  mit  geprauet  (mitgebrauchet).  Auff 


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Montag  nach  dem  Sonntag  Jubilate  Anno  dni  etc.  im  zwey  vnd 
zwentzigisteu. 

Marx  Losch  von  Molnheym. 
Georg  von  Stockheim. 
vnnd  Emerich  Riffensteyn. 

Die  drei  Stifter  traten  sofort  zu  einer  Besprechung  mit  den 
Mönchsklöstern  —  nur  die  Barfüsser  schlössen  sich  aus  —  zusammen 
und  verabredeten  eine  gemeinsame  Antwort.  Schon  bei  dieser  Be- 
redung scheint  es  nicht  an  Widerspruch  und  Uneinigkeit  gefehlt  und 
überhaupt  die  Rathlosigkeit,  welche  unter  den  Versammelten  herrschte, 
sich  unverhohlen  kundgegeben  zu  haben.  Man  schickte  die  beschlos- 
sene Antwort  zunächst  an  Dicterich  Zobel,  den  geistlichen  General- 
viear  des  Erzbischofs,  nach  Mainz,  um  sich  bei  ihm  Raths  zu  er- 
holen. Dieser  Hess  den  Absendern  durch  den  Ueberbringer,  den  Ca- 
nonieuB  zu  St.  Bartholomaci,  Johann  Wagomncister  entbieten:  „Die 
Pfaden  zu  Frankfurt  seien  der  Sache  selbst  nit  eins;  wie  man  ihnen 
rathen  solle?  Die  Antwort  gefalle  ihm  wohl,  wo  sie  einträchtiglicli 
geschickt  werde,  wo  nit,  sei  kein  Antwort  auch  ein  Antwort"  (Re- 
uigstem). Gleichzeitig  wandte  man  sich  an  den  Rath,  um  dessen 
Meinung  zu  erfahren.  Dieser  äusserte  sich  am  14  Mai  noch  diplo- 
matischer als  Zobel;  er  Hess  antworten:  „Dergleichen  sei  auch  an 
den  Rath  geschrieben,  wie  ihnen,  und  wisse  ein  ehrbar  Rath  sonder- 
lich ihnen  nit  zu  rathen ;  sie  hätten  aber  Oberherren,  die  möchten  sie 
ansuchen,  die  würden  ihnen  wohl  Rath  können  geben.  So  wisse  der 
Rath  nit  anzuzeigen,  wer  die  wären,  so  wider  das  Evangelium  ge- 
predigt haben"  (B.  P.  fol.  5). 

So  fein  gab  der  Rath  der  Priesterschaft  die  stete  Berufung  auf 
ihre  eigenen  Obern,  ihre  selbständige  Jurisdiction  und  den  evange- 
lischen Charakter  ihrer  Predigt  weise  zurück!  Das  Bartholomäuscapitel 
hütete  sich  wohl,  die  beschämende  Erwiederung  des  Generalvicar» 
den  Andern  mitzutheilcn,  es  Hess  sie  nur  kurzer  Hand  fragen,  ob  sie 
in  dieser  Sache  mit  ihnen  noch  ferner  zusammen  gehen  wollten.  Das 
Licbfraueucapitel  beschloss  sich  zwar  die  gemeinsame  Antwort  anzu- 
eignen, sie  aber  für  sich  unter  dem  Stiftssiegel  nach  Reifenberg  zu 
senden.  Der  Bote  ging  am  Sonntag  Cautate,  den  18.  Mai,  dortbin 
ab,  und  fand  die  Edelleute  endlich  in  Cronberg,  wo  ihm  Friedrich 
von  Reifenberg  erklärte,  es  gefalle  ihm  wohl,  dass  das  Liebfrauen- 
stift ihn  schriftlich  ersuche,  allein  er  verlange  eine  andere  Schrift. 

Durch  denselben  Boten  erfujir  das  Stift,  dass  die  Junker,  denen 
sich  auch  Wilhelm  von  Bommersheim  der  Junge  anschloss,  die  Bauern 


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-    135  - 

* 

zu  Ursel  überredet  hatten,  die  Zahlung  der  fälligen  Grundzinsen  und 
Zehnden  an  den  Stiftskämmerer  einzustellen.  Da  durch  diese  neue 
Agitation  auch  die  andern  Stifter  mit  berührt  wurden,  beschloss  die 
Geistlichkeit,  sich  vorerst  mit  dem  einen  Gegner  zu  verständigen  und 
zu  diesem  Behuf  den  Grafen  von  Königstein  um  seine  Vermittlung 
mit  Wilhelm  von  Bommersheim  dem  Alten  anzugehen.  Eine  Ver- 
handlung, welche  in  dem  Predigerkloater  am  22.  Mai  in  Gegenwart 
des  Grafen  stattfand,  endigte  mit  dessen  Erklärung,  man  sollo  ihm 
die  Sache  schriftlich  anzeigen,  dann  wolle  er  thun,  was  billig  und 
recht  sei,  er  müsse  vorerst  auch  den  andern  Theil  hören.  Als  am 
28.  Juni  ein  Schreiben  des  Grafen  von  Königstein  einlief,  dem  ein 
Brief  des  Bommersheimer's  beilag,  fand  wieder  eine  Versammlung 
des  Clerus  im  Capitelhaus  des  Liebfrauenstiftes  statt,  in  welcher  offen- 
bar wurde,  dass  nicht  einmal  der  Druck  der  Zeit,  den  allo  schwer 
empfanden,  die  bestehenden  Zerwürfnisse  der  Stifter  in  den  Hinter- 
grund drängen  und  wenigstens  vorübergehend  eine  Einigung  bewir- 
ken konnte.  Königstein  erzäldt:  „Unter  andenu  hat  unser  Scholaster 
(Stephan  Fischer)  angefangen  zu  holhippen*)  und  den  Scholaster  zu 
St.  Leonhard  in  Abwesenheit  hochlich  gescholten,  darnach  kommen 
an  den  Decan  saneti  Leonhardi  Lutherisch  halben  mit  vielen 
unnützen  Worten,  wie  denn  allwog  sein  Gewohnheit  gewest  ist." 

So  zankten,  höhnten  und  eiferten  sie  unter  einander,  während 
der  gemeinsame  Feind  nicht  ruhte,  sondern  rührig  seine  Neckereien 
gegen  sie  weiter  verfolgte.  Zwei  Tage  später,  am  Montag  nach  Pe- 
ter und  Paul,  den  30.  Juni,  crliesson  die  drei  Junker  an  die  Gemeinde 
von  Bornheim  folgendes  Schreiben,  das  wir  aus  den  erwähnten  Acten 
des  Stadtarchivs  1.  c.  f.  29  hier  einrücken: 

„Schultheis,  Burgermeister  vnd  gantz  geraoynde  des  dorffs  Born- 
heim! 

Ist  vnser  hie  vnden  benenten  bitt  an  euch ,  das  ir  der  tyran- 
nischen vermeyntenn  geistlichenn  der  stat  Franckenfurt,  die  das  wort 
Gottes  vnnd  die  heiligen  Euangelia  nit  lydenn  wollen,  noch  selbst 
thun  predigen,  darvmb  wollet  die  selbigenn  tyrann  iren  zehenden 
selbst  samein  lassen,  so  ir  vinb  vnd  by  euch  habt,  nit  entnemen,  bc- 
hußen,  wartten,  noch  infuren.  Damit  euch  chein  schade  enstee,  wol- 
len wir  euch  als  armen  luden  gutter  Meynungc  im  besten  nit  ver- 
halten, Datum  vff  montag  nach  petri  vnd  pauli  Anno  m.  Vc  vnd 
im  XXUV 


*)  Hohlhippeln  oder  hohlhippen  =  sticheln,  spötteln,  vgl.  Jon.  Leonh.  Frisch, 
deutach-lat.  Wörterbuch  I,  462  und  456. 


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■ 


-    136  - 

Schon  in  der  Triuitatiswochc  waren  von  Seiten  des  Decans  und 
Capitels  zu  St.  Bartliolomaei  Klagen  beim  Rathe  eingelaufen,  daas 
die  Gemeinde  Bornheim  der  Erhebung  des  Zehnden  Schwierigkeiten 
entgegensetze  (B.  P.  fol.  17).  Die  Junker  bestärkten  sie  in  diesem 
Widerstande.  Gleichzeitig  erlies»  der  Vicarius  in  spiritualibus  zu 
Mainz,  Dr.  Zobel,  ein  Mandat  gegen  die  Renitenten  unter  Androhung 
geistlicher  Censuren.  Da  der  Rath  darin  eine  Beeinträchtigung  sei- 
ner Jurisdiction  sah,  beschloss  er  am  4.  Juli,  Haman  Holzhausen, 
Arnold  Rciss  und  Heilmann  Steinheimer  nach  Mainz  zu  senden.  In 
der  Sitzung  am  6.  Juli,  in  welcher  diese  über  ihre  Sendung  berich- 
teten, wurde  in  dem  Rathe  auch  ein  kaiserliches  Mandat  verlesen, 
welches  das  Bartholomäusstift  von  dem  Reichsregimente  in  Nürnberg 
erwirkt  hatte  und  das  wir  hier  zum  ersten  Male  aus  den  erwähnten 
Acten  fol.  31  voröffentlichen: 

„Carl  von  Gottes  Gnaden,  erweiter  Römischer  Kaiser,  zu 
allen  Zeiten  Merer  des  Reichs. 

Ersamen,  lieben,  getreuwen.  Vnnserm  kaiserlichen  Regiment  im 
heiligen  Reicli  ist  glaublich  angezeigt,  wie  vusere  vnd  des  Reichs 
lieb,  getreuw,  Marx  Lesch,  Georg  von  Stockham  vnd  Emerich  von 
Riffensteyn,  der  gemeinen  geistlicheit  vnd  sunderlich  Probst,  Dechant 
vnd  Capitel  sanet  Bartholomeen  Stiffts  bey  euch  in  Franckfurt  eines 
Predigers  vnd  ires  Ambts  vnd  Staudts  halb  durch  einen  offen  breue 
bedroet.  Desshalb  sy  in  sorgen  steen  müssen.  Darumb  haben  wir 
den  obgenanuten  Dreien  gepothen,  so  fern  dem  also,  wie  gemeltem 
vnnserm  kaiserlichen  Regiment  angebracht  sey,  das  sy  dann  ir  fur- 
nemen  abstellen  vnd  sich  an  geburlichen  Rechten  benugen  lassen. 
Beuelhen  euch  darauf,  das  ir  genannte  geistlicheit  getreulich  schützet 
vnd  schirmet  vnd  sy  durch  die  vorgenannten  drey,  noch  andere  wi- 
dere Recht,  souil  an  euch  ist,  nit  vergewaltigen  lasset.  Daran  thut 
ir  vnnserc  ernstlich  mainung.  Geben  in  vunser  vnd  des  Reichs  stat 
Nurmberg  am  vierdten  tag  Juuij  Anno  Domini  im  zwaivndzwan- 
zigsten,  vnnseres  Reichs  des  Römischen  im  dritten  jaren." 

Schien  die  bisherige  Haltung  des  Rathes  wenig  guten  Willen 
zum  Schutze  des  Clerus  zu  verrathen  —  noch  am  Donnerstag  nach 
Cantatc  hatte  er  auf  ihre  Bitte,  sie  zu  versehen,  so  sie  mit  Kerzen 
gingen,  ihnen  erwiedern  lassen:  er  müsse  dem  Unrath  seiner  Feinde 
selbst  zuvorkommen;  es  sei  besser,  dass  sie  hie  innen  blieben,  doch 
stelle  er  es  ihrem  Gefallen  anheim  —  so  sehen  wir  nun  mit  einem 
Male  die  Stimmung  des  Rathes  verändert  Er  dringt  darauf,  daas 
das  Bartholomaeu8capitel  sich  für  die  Zurücknahme  des  Mainzer  Man  - 


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dates  verwende,  und  verspricht  ihm  den  Schutz  der  Stadt;  er  ver- 
ordnet, dass  die  Früchte  der  Zehenden  ungehindert  in  die  Stadt  ein- 
geführt werden,  er  nimmt  die  Beschwerden  des  Churfürsten  von 
Mainz  wegen  Ibach'»  und  wegen  der  Junker  am  Taunus  entgegen 
und  erwirkt,  dass  das  Mainzer  Mandat  nebst  angehängter  Poen  am 
22.  Juli  suspendirt  wird.  Er  verspricht  dem  Bartholomaeuscapitcl 
rechtlichen  Beistand  auf  einer  Tagfahrt  in  Aschaffenburg,  dio  der 
ChurfÜrst  von  Mainz  zur  Beilegung  einer  Irrung  zwischen  diesem 
Capitel  und  Junker  Quirin  von  Cronberg  angeordnet  hatte;  er  ge- 
stattet Wilhelm  von  Bommersheim  freies  Geleit  in  die  Stadt  und  ist 
geneigt,  selbst  die  Vermittlung  zwischen  ihm  und  seinen  Gegnern  in 
die  Hand  zu  nehmen.  Wie  wenig  übrigens  trotz  dieses  guten  Wil- 
lens der  Rath  geneigt  war,  die  Unabhängigkeit  seiner  Stellung  und 
Berathung  gegenüber  der  Priesterschaft  aufzugeben,  beweist  sein  am 
8.  Juli  gefasster  Beschluss :  „Wo  hinfUro  im  rate  Sachen,  die  pfaffheit 
belangend,  gehandelt  werden,  sollen  die  fründe  des  Rates,  der  Pfaff- 
heit in  Sippschaft  oder  sunst  verwandt,  abtreten/'*)  In  diese  Zeit 
des  Monat  Juli,  wo  sich  alles  zum  Frieden  anliess,  gehört  auch  die 
Antwort,  die  sich  foL  28  in  den  Religionsacten  auf  ein  verloren  ge- 
gangenes Schreiben  befindet,  das  noch  einmal  die  drei  Junker  an 
den  Rath  gerichtet: 

„Marx   Lesch  von  Molheim,  Jorg  von  Stockheim  vnd 
Emerich  von  Riffensteyn. 

„Vnsern  fruntlichen  grüß  zuuor,  besonder  guten  frunde.  Wir 
haben  euwer  schrifft  von  jungst  etlicher  handlung  halber,  so  Hern 
Hartman  Ibach  von  vnscr  priesterschaffit  in  vnser  stafc  hegegent  solt 
sin,  mit  begere,  wo  die  vff  irem  furnemen  beharren  wollten,  wurdet 
ir  geursacht  thetlich  handelung  gegen  dieselben  furtzunemen,  vnd  euch 
zu  uerstendigen,  weß  ir  euch  deßhalb  gegen  vns  vnd  den  vnsern  ver- 
sehen soltet  etc.  ferners  inhalts  verstanden,  vnd  ist  vns  vnd  den  vn- 
sern nit  von  noten  frembde  priestere,  die  bei  vnß  nit  gefrunt  sin,  zu 
schicken,  dan  wir  vnd  vnsere  gemeinschaft  deßmals  nach  notturft  mit 
predigern  versehen  sin.  So  hat  auch  die  römisch  Keys.  Mt.  vnser 
allergnedigster  herr  etliche  penalia  mandata  vßgeen  lassen,  auch  vns 
eyn  sendbrieff  zugeschickt,  dar  inn  vns  trewelich  gewarnet,  auch  ge- 
beten etliche  mißbruch  by  vnuß  nit  zugestaten,  dem  wir  vß  schul- 
diger pflicht  als  des  heiligen  Reichs  vnderthan  gehorsam  sin  müssen. 


*)  VgL  B.  P.  foL  5—10,  14,  17,  20,  22,  24,  25,  26,  27,  30. 


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Darvmb  bitten  wir  euch  freuntlichen,  ir  wollet  deshalb  gegen  vns 
vnd  den  vnsern  vnd  vnsern  verwanten  nichts  vngutes  furnemen,  des 
wollen  wir  in  glichom  vnd  mererm  mit  willen  gern  verdienen. 
Datum." 

V.  Johannes  ab  Indagine. 

Es  ist  bereits  erwähnt  worden,  dass  in  einer  Sitzung  am  28.  Juni, 
in  Sachen  Wilhelm's  von  Bommersheim  gehalten,  der  Scholaster  de» 
Liebfrauenstiftes,  Stephan  Fischer,  seiner  Gewohnheit  gemäss  den 
Decan  von  St  Leonhard  mit  vielen  unnützen  Worten  seiner  luthe- 
rischen Denkart  halber  gehöhnt  und  gescholten  hat  Dieser  Decan, 
dessen  Namen  Königstoin  verschweigt,  ist  Niemand  anders  als  Jo- 
hannes ab  Indagine,  oder  wie  er  gewöhnlich  genannt  wird  und  sich 
selbBt  nennt,  Johannes  Indagine  (eigentlich  Johann  von  Hagen),  Pfar- 
rer von  Steinheim  am  Main  und  seit  1622  Decan  zu  St.  Leonhard. 
Die  grosse  Unordnung,  welche  um  diese  Zeit  des  Verfalles  in  dem 
Leonhardsstifto  eingerissen  war  und  auch  in  dem  Archive  desselben 
bemerkbar  ist,  erschwert  es  sehr,  die  Geschichte  desselben  in  ununter- 
brochener Continuität  zu  verfolgen.  Als  im  Jahre  1515  der  Decan 
Engel  starb,  wurde  auf  Empfehlung  des  päpstlichen  Legaten  Cam- 
peggi  Johann  von  der  Burg,  oder  wie  er  sich  gewöhnlich  nennt,  Jo- 
hann de  Castro,  beider  Rechte  Doctor,  erwählt  (Urkunde  Nr.  364 
des  Leonhardsarchivs).  Noch  am  25.  October  1521  schenkte  er  dem 
Capitel  400  Gulden  rheinisch  gegen  eine  lebenslängliche  Rente  von 
20  Gulden  und  gegen  die  Verpflichtung,  ihm  nach  seinem  Tode  eine 
Anzahl  Messen  jährlich  zu  lesen  (Urk.  381).  Schon  im  Mai  1522 
linden  wir  im  Besitze  des  Decanates  unsern  Job.  Indagine.  Da  Lers- 
ner  in  seinem  Verzeichnisse  der  Canoniker  des  Leonhardsstiftes  zu 
demselben  Jahre  1522  eine  Praebenda  anführt,  quam  ultirous  possedit 
Doctor  Joh.  Dridorf  Decanus,  so  muss  entweder  angenommen  wer- 
den, dass  das  Decanat  dieses  Dredorf  oder  Dridorf  zwischen  das  des 
Joh.  de  Castro  und  des  Joh.  Indagine  gefallen  sei  und  nur  kürzt" 
Zeit  gedauert  habe,  oder,  was  mir  das  Wahrscheiiüicherc  ist,  dass 
Dridorf  und  Joh.  de  Castro  oino  und  dieselbe  Person  ist,  die  bald  mit 
ihrem  Familiennamen  bald  mit  dem  Namen  ihres  Geburtsortes  (Drei- 
dorf, Amt  und  Flecken  in  Hessen)  bezeichnet  wird.  Diese  Angabe 
wird  noch  dadurch  gestützt,  dass  Lersner  in  allen  den  Abschnitten, 
in  welchen  er  den  Dr.  Joh.  de  Castro  erwähnt  (1509,  1515—1518, 
1521),  den  Dr.  Joh.  Dridorf  nicht  berührt,  und  umgekehrt,  wo  er, 
wie  in  den  Jahren  1499,  1500,  1501,  1510,  1511,  1512,  1513,  den 


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Dr.  Joh.  Dridorf  anführt,  keinen  Joh.  de  Castro  hat.  Wir  haben 
darum  wohl  den  Joh.  Indagine  als  unmittelbaren  Nachfolger  des  Joh. 
de  Castro  anzusehen  und  anzunehmen,  dass  er  zu  Ende  1521  oder 
zu  Anfang  1622  gewählt  worden  sei.  Vor  diesem  Jahre  wird  er  von 
Lersner  (II,  II,  186)  nur  einmal  unter  der  Bezeichnung :  Camerarius, 
Hübanus  et  Calarius  (Cellarius?)  in  Steinheim  aufgeführt. 

Joh.  Indagine  ist  bekannt  geworden  durch  ein  Werk,  das  den 
Titel  fuhrt:  Introductiones  apotelesmaticae  elegantes  in  Chiromantiam, 
Physiognomicam,  Astrologiam  naturalem,  complexiones  hominum,  na- 
tura« planetarum  u.  s.  w.  Autore  Joanne  Indagine,  und  in  den  Jahren 
1522  und  1539  in  Folio,  und  (wahrscheinlich  später)  in  16°.  erschienen 
ist  Auf  dem  Titel  ist  er  selbst  in  geblümtem  Gewände  abgebildet. 
Dieses  Werk  zeigt,  dass  er  ein  Freund  der  Naturwissenschaften  war, 
dieselben  aber  in  der  phantastischen  und  abentheuerlichen  Richtung 
seiner  Zeit  betrieb.  Aus  den  Gestirnen  wollte  er  die  menschlichen  Ge- 
schicke und  den  Lauf  der  Zeiten;  aus  den  Linien  der  Hand,  aus  der 
Bildung  der  Stirne,  der  Brauen,  der  Augen,  der  Nase,  des  Mundes, 
der  Zunge  und  Zähne,  des  Kinnes,  der  Haare,  aus  des  Gesichts  Farbe 
und  Form,  aus  der  Gestalt  der  Ohren,  aus  dem  Bau  der  Brust,  des 
Rückens,  der  Füsse  und  der  Statur  wollte  er  den  Character  und  die 
Sinnesart  der  Menschen  erkennen. 

Von  Wichtigkeit  sind  uns  hier  zwei  Briefe,  die  er  1522  als  De- 
can  geschrieben  hat  und  die  in  seinem  Buche  aufbewahrt  sind.  Der 
erste  ist  die  Zuschrift,  womit  er  seine  Physiognomik  dem  Vicarius  in 
spiritualibus  Dieterich  Zobel  gewidmet  hat:  „Dem  hochgebornen  und 
gelehrten  Manne,  Doctor  Dieterich  Zobel,  des  hochwürdigen  Vaters  in 
Christo,  Herrn  Albrecht  Erzbischofs  zu  Mainz,  geistlichem  Vicare, 
der  Mainzer  Kirche  Scholastcr  und  würdigem  Canonicus,  entbietet 
Johannes  Indagine,  Decan  zu  Frankfurt,  seinen  Gruss.  Vielleicht 
nahe  ich  als  später  Warner  und  bringe  Rath  nach  der  That,  hochge- 
borner  Mann,  wenn  ich  dir  das  in  das  Gcdächtniss  zurückrufe,  was 
wir  in  diesen  Zeitläuften  allenthalben  sich  zutragen  sehen ,  wie 
Alles,  wenn  du  mit  gesammeltem  Geisto  beobachtest,  in  Verwirrung 
liegt  und  auf  dem  Spiele  steht  Du  weisst,  dasB  ich  es  dir  vorherge- 
sagt,  ehe  diese  Partheiungen  entstanden  sind ;  aber  damals  lächeltest 
du  leichthin,  als  ob  ich  dir  Possen  berichtete,  und  darum  erscheine 
ich  [heute]  als  später  und  ungelegener  Erzähler.  Denn  so  ist  es  ein- 
getroffen. Mögen  wir  wollen  oder  nicht,  den  Geschicken  müssen  wir 
gehorchen,  sie  ziehen  die  Widerstrebenden  und  Niemand  kann  ihnen 
entrinnen;  möchten  wir  doch  wenn  auch  spät  zur  Einsicht  gelangen! 
Denn  obgleich  die  verspätete  Einsicht  nur  mit  Schaden  erworben  wird, 


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« 

ist  sie  doch  besser  als  die  Thorheit.  „Spät  kommt  den  Phrygcra  die 
Einsieht"  und  wiederum:  „nur  durch  Schläge  wird  der  Phryger  ge- 
bessert." Alles,  was  ich  damals  gesagt  habe,  wiederhole  ich  dir.  Ich 
weissagte  aus  den  Gestirnen  einen  neuen  Zustand  der  Kirche,  ferner 
Kriege,  Aufstände,  die  Bewegung  vieler  Völker,  eines  Reiches  gegen 
das  andere,  Seuchen  und  grosses  Sterben.  Zum  Theil  sehen  wir  die» 
nun  erfüllt,  zum  Theil  steht  es  noch  bevor.  Schon  siehest  du  Alles 
so  angelegt,  das»  wir  die  vier  folgenden  Jahre  nicht  ohne  schwere 
Gefahr,  nicht  ohno  viele  Unglücksfälle  verleben  können.  Du  fragst 
vielleicht,  was  ich  dir  wiederum  vorbelfere?  Um  dir  Glauben  an  die 
Gestirne  einzuflosBen,  leite  ich  dies  aus  den  Gestirnen  ab;  obgleich 
um  des  Wortes  Christi  willen  das  Alles  geschieht,  weil  es  auf  diese 
Weise  sich  entwickeln,  durch  diese  Tragödien  gepflanzt,  durch  diese 
Mittel  in  das  Werk  gesetzt  werden  muss.  Weil  jedoch  die  Sterne 
die  Ausleger  des  göttlichen  Willens  sind,  so  verdanken  wir  es  zum 
grossen  Theile  den  Sternen,  nicht  als  ob  diese  es  erzwängen,  sondern 
weil  es  so  vorbestimmt  ist,  das«  sie  uns  drohen  und  anzeigen,  was  er 
[Christus]  über  uns  beschlossen  hat.  Aber  was  hat  er  denn  be- 
schlossen? In  der  That,  die  Gestirne  weissagen  nur  Kriege  und 
Neuerung;  sie  werden  Alles  unter  einander  wirren  und  umkehren. 
Gewiss,  schon  sehen  wir  dies  Alles  und  noch  ist  das  Ende  nicht  da. 
Wie  sehr  auch  die  Grossen  sich  dawider  stemmen,  es  wird  kommen, 
dass  jenes  Gepränge  der  Priester  und  Mönche  sich  mindere.  Einmal 
muss  die  Krone  des  Stolzes  abgelegt  werden;  obgleich  wir  dies  nicht 
ursprünglich  don  Gestirnen  zuschreiben  dürfen,  sondern  Christo,  dem 
Lenker  der  Gestirne,  und  seinem  Zorne  gegen  uns;  weil  wir  den 
ohne  Ende  geroizt  haben,  können  wir  ihm  nicht  entrinnen;  noch  viel 
weniger  können  wir  den  Gestirnen  widerstreben,  welche  das  von 
Gott  vorgezeichnete  Geschick  nicht  unerfüllt  lassen,  das  Alte  ver- 
nichten, Alles  neu  gestalten  werden.  Das  schreibe  ich  dir,  damit,  wenn 
die  Verkleinerer  dich  etwa  zweifelhaft  gemacht  haben  und  dich  nun 
durch  diese  Gründe  überzeugt  sehen,  sie  durch  dein  Ansehen  in  die 
Schranken  gewiesen  werden,  denn  nicht  leicht  kann  verworfen  wer- 
den, wozu  du  deine  Stimme  gegeben  hast  Einen  grossen  Theil  der 
Studirenden  glaube  ich  überzeugt  zu  haben,  wenn  ich  dich  zu  dem 
Glauben  gebracht  habe,  dass  die  Gestirne  nicht  ohnmächtig  sind.  Denn 
so  hast  du  dich  den  Wissenschaften  gewidmet,  dass  du  den  Studien 
nicht  blos  wohlwillst,  sondern  sie  auch  schirmst;  dadurch  hast  du  eine 
solche  Auctorität  erlangt,  dass  deine  Ansicht  von  Allen  als  Orakcl- 
spruch  aufgenommen  wird.  Mögen  auch  Mehrere  darüber  lachen,  hier 
muss  man  sich  an  das  Sprüchwort  halten:  es  verlohnt  die  Verachtung 


■ 


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zu  verachten.  Auch  wird  dadurch  deine  Auctorität  nicht  gemindert, 
noch  wir  selbst  verringert,  wenn  unsere  Ansichten  von  Schlechten  und 
Unerfahrenen  verworfen  werden.  Immer  hat  das  Beste  den  Schlechtesten 
missfallen;  die  Augen  der  Nachteulen  scheuen  das  Licht  und  am  Ais 
ergötzen  sich  die  Geier.  Es  ist  ebenso  klug,  den  unerfahren  reden- 
den Thoren  zu  widerlegen  als  den  frivolen  Spötter  zu  verachten,  da- 
mit er  sich  nicht  für  einsichtsvoll  halte.  Bei  den  Meisten  mehrt  die 
Vertheidigung  der  Wahrheit  die  Unverschämtheit  und  solchen  darf 
man  die  Geheimnisse  nicht  preisgeben,  damit  nicht  jene  Schweine 
und  Hunde  die  Perlen  zertreten.  Da  du  aber  der  beste  Mann  bist 
und  dein  Urtheil  anerkannt,  weil  du  die  Sache  selbst  erwägst,  nicht 
nach  dem  Scheine,  sondern  nach  dem  inneren  Wesen,  habe  ich  gern 
das  Büchlein  dir  gewidmet,  damit  es  nicht  nur  von  dir  Ansehen  ge- 
winne, sondern  du  selbst  auch  Gewinn  daraus  ziehest  Da  du  näm- 
lich auf  solcher  Höhe  stehest,  dass  alle  geistlichen  Fragen  deinem 
obersten  Richterspruche  unterstellt  werden,  so  wird  man  —  was  eine 
wahrhaft  göttliche  Beschäftigung  ist  —  daraus  auch  die  Geister  unter- 
scheiden können.  Dass  so  um  deines  Namens  willen  mehr  Andere 
lesen  werden,  hebt  deine  Auctorität  und  Würde.  Das  kleine  Ge- 
schenk selbst  verschmähe  nicht,  auch  die  kleinsten  Freundesgaben 
verdienen  keine  Verachtung,  mir  aber  wird  es  das  Angenehmste  sein, 
wenn  dir  meine  Ansichten  nicht  missfallen,  wie  auch  Andere  darüber 
urtheilen  mögen.  Lebe  wohl,  du  unsere  Zierde  und  Freude.  Aus 
unserem  Hause  zu  Steinheim  am  15.  Mai  im  Jahre  nach  Christi  Ge- 
burt 1522." 

Der  ganze  Brief  ist  ein  Lob  der  Astrologie,  und  wenn  selbst  ein 
Melanchthon,  der  doch  in  dem  vollen  Aufgange  der  neuen  Zeit  stand, 
von  dieser  Schwäche  nicht  frei  war,  so  dürfen  wir  uns  noch  weniger 
verwundern,  wenn  wir  einen  Johannes  Indagine  in  diesem  Wahn- 
glauben befangen  sehen.  In  den  Gestirnen  will  er  gelesen  und  es 
längst  voraus  verkündet  haben,  dass  eine  gewaltige  Erschütterung 
Uber  die  Völker  und  die  Reiche  kommen  werde;  er  sieht  in  ihr  eine 
Strafe  des  erzürnten  Christus,  den  man  verachtet,  er  erwartet  von 
ihr  eine  durchgreifende  Veränderung  der  kirchlichen  Zustände,  eine 
Rückkehr  von  der  Hoffarth  zur  Demuth,  von  dem  eiteln  Schau- 
gepränge  der  Priester  und  Mönche  zur  apostolischen  Einfachheit 
Diese  Gedanken  entwickelt  er  dem  Dietrich  Zobel,  der  früher  den 
Ruf  eines  freisinnigen  Theologen  hatte  und  mit  Hutten  befreundet 
gewesen  war,  dessen  Stellung  zu  den  Zeitereignissen  aber  durch  den 
Drang  und  Sturm,  in  dem  die  Reformation  Luther's  vorschritt,  in 
dem  letzten  Jahre  doch  eine  andere  geworden  war.  Man  könnte  aus 


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dem  Briefe  vielleicht  schliessen,  das»  Johannes  gleichfalls  eine  jener 
stillen  Naturen  gewesen  sei,  welche  zwar  die  Uebelstiinde  der  Kirche 
erkannte,  aber  doch  vor  jeder  gewaltsamen  and  radicalen  Cnr  zurück- 
bebte.   Wir  würden  ihm  darin  Unrecht  thun.    Das  zeigt  sein  Send- 
schreiben vom  1.  Juli  1522  an  Otto  Brunfels,  der  auf  seine  Pfarrei 
Steinheim  an  der  Strassen  nicht  zurückgekehrt  war,  sondern  noch  in 
Frankfurt  bei  Nesen  verweilte.    Schon  das  Datum  dieses  Briefes  ist 
geeignet  unser  Interesse  in  Anspruch  zu  nehmen:  er  ist  drei  Tage 
nach  jenen  Schmähungen  geschrieben,  mit  denen  um  Luther's  willen 
Stephan  Fischer  den  abwesenden  Dccan  Indagine  übergössen  und  die 
diesem  ohne  Zweifel  sein  Scholaster  Nicolaus  Kuhn,  der  sie  anhören 
musste,  nach  seiner  Pfarrei  Steinheim  bei  Hanau  berichtet  hatte.  Der 
Brief  bezieht  sich  auf  diese  Vorgänge: 

„Dem  wahrhaft  christlichen  Priester  Otto  Brunfels  entbeut  Jo- 
hannes Indagine,  Pfarrer  in  Steinheim,  seinen  Gruss.  Wenn  ich  nicht 
anderwärts  deine  Redlichkeit  erkannt  hätte,  würde  ich  glauben,  du 
wollest  mir  schmeicheln,  so  sehr  stimmst  du  mir  bei  und  beglück- 
wünschest du  mich.    Denn  ich  bin  nicht,  wofür  du  mich  hältst,  noch 
vermag  ich  zu  leisten,  was  du  dir  von  mir  versprichst.   Stünde  noch 
die  Astrologie  in  Bltithe  und  die  Mathematik  in  Ehren,  so  könnte  ich 
mich  ein  wenig  rühmen,  aber  jene  ist  schon  ganz  untergegangen. 
Du  lobst  dennoch  meine  kleinen  Abhandlungen  so  sehr;  ich  weiss 
nicht,  ob  du  es  thätest,  wenn  du  wüstest,  in  welcher  Angst  ich  sie 
herausgegeben  habe.   Ich  stelle  nicht  ganz  und  gar  in  Abrede,  dass 
ich  die  Absicht  hatte,  eine  schon  in  Vergessenheit  gerathene  Wissen- 
schaft zu  erneuern,  aber  grosser  war  die  Beängstigung,  die  von  an- 
derer Seite  her  auf  mir  lastete.    Mein  Gemüth  musste  also  irgendwie 
erleichtert  werden.    Ich  kannte  dazu  kein  rascher  wirkendes  Trost- 
mittel, als  das,  woran  ich  fast  seit  meiner  Kindheit  mich  erquickt 
habe,  nämlich  die  Astrologie  und  die  Kunde  der  Gestirne.    Die  Er- 
quickung meines  Geraüthes  und  das  hereinbrechende  Missgeschick 
spornte  mich  zum  Schreiben.  Ich  glaube,  dass  dir  die  Sache  bekannt 
ist,  bekannter,  als  dass  ich  dich  mit  Vielem  ermüden  dürfte,  da  du 
bei  den  meisten  Tragödien  selbst  zugegen  warst.  Dennoch 
will  ich  das  Andenken  daran  mit  einigen  Andeutungen  auffrischen. 
Zuerst  weisst  du,  wie  hoch  mich  die  Fürsten  immer  geschätzt,  wie 
vieles  Geld  ich  an  ihren  Höfen  fast  achtzehn  Jahre  verzehrt  habe;  ausser- 
dem stand  ich  nicht  weniger  als  vier  und  dreissig  Jahre  im  Amte 
der  Kirche  vor;  nach  so  vielen  Mühseligkeiten,  so  vielen  Lasten,  die 
ich  für  den  Hof,  nach  so  vielem  Schweisse  und  ängstlichen  Beküm- 
mernissen, die  ich  für  die  Heerde  Christi  getragen,  glaubte  ich  An- 


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sprach  auf  einigen  Lohn  und  endliche  Ruhe  zu  haben.   Nun  aber 
habe  ich,  wie  ich  wohl  sehe,  durch  alle  meine  Arbeit  nichts  erreicht, 
als  dass  ich  mich  nicht  nur  in  dem  Dienste  der  Fürsten  getäuscht, 
sondern  auch  ftlr  alle  meine  grossen  und  schweren  Sorgen  nicht  viele 
Gunst  davongetragen  habe.  Doch  darf  ich  es  nicht  allzusehr  bereuen: 
haben  mich  die  Höfe  auch  nicht  bereichert,  so  haben  sie  mir  doch 
einen  Gewinn  gebracht,  den  ich  für  vielen  Reichthum  nicht  missen 
möchte.    Hat  mich  die  Mathematik  nicht  zu  einem  begüterten  Manne 
gemacht,  so  hat  sie  mir  doch  auch  nicht  geschadet.   Wenn  ich  mit 
der  Wissenschaft  Mangel  leide,  so  habe  ich  dieses  Loos  mit  Vielen 
gemein.    Es  ist  zu  dieser  Zeit  das  eigentümliche  Geschick  der  Ge- 
lehrsamkeit, dass  sie  Niemand  reich  macht.   Mehr  Scham  und  Ver- 
druss  erweckt  mir  die  Frechheit  der  Priester.   Der  Mangel,  wenn  er 
einmal  einkehrt,  lässt  sich  bannen  und  aufbessern:  dem  verdorbenen 
Character  der  Menschen  und  ihren  verkehrten  Sitten  ist  ohne  Christi 
Willen  nicht  in  gleicher  Weise  aufzuhelfen.    Treffend  wird  auf  mich 
jenes  Sprüchwort  angewandt:  aus  dem  Regen  unter  die  Traufe  (e  cal- 
caria  in  carbonariam).  Ich  Thor,  der  ich  in  der  Prälatur  Ruhe  dachte ! 
Besser  hätte  ich  das  frühere  Elend  getragen,  als  das  alte  Uebel  durch 
neues  vermehrt.   Jetzt  bin  ich  durch  Schaden  klug  geworden!  Aber 
wer  hätte  das  von  Priestern  erwartet!   Nicht  ganz  ohne  Grund  wü- 
thct  gegen  uns  das  Volk.    Unsere  Schuld  ist  es,  wenn  wir  so  leben, 
dass  unsere  Schandthaten  die  der  Schlemmer  und  Wüstlinge  (ganeo- 
rura  et  lurconum)  hinter  sich  lassen.  Wer  hasst  uns  nicht  mit  Recht? 
Wie  hätte  ich  aber  wissen  sollen,  dass  dieses  Uebel  unter  denen 
herrsche,  welche  sich  den  Ehrennamen  Canoniker  anmaassen,  d.  h. 
von  Leuten,  die  nach  der  Regel  leben.   Wer  hätte  glauben  sollen, 
dass  mit  einem  so  hohen  Namen  eine  so  plumpe  und  faule  Nach- 
lässigkeit, eine  so  raffinirte  Leidenschaft,  ein  in  jeder  Beziehung  so 
verbrecherischer  Wandel  verknüpft  sei,  Dinge  die  nicht  Priestern, 
sondern  Taugenichtsen  ziemen.  Du  weiset,  ich  sollte  Decan  sein,  aber 
ich  werde  geringer  geachtet,  als  ein  ägyptischer  Esel.    Das  bringen 
diese  Zeiten  mit  sich.   Alle  wollen  herrschen,  Niemand  will  unter- 
geben sein.  Ich  sei  Lutheraner,  werfen  sie  mir  vor  und  vertheidigen 
damit  ihre  Hartnäckigkeit.    Denn  ihnen  heisst  Lutheraner,  wer  ihre 
Laster  angreift,  wer  Christi  Amt  verwaltet,  und  wie  zu  grosser 
Schmach  wird  ihm  dieser  Name  gerechnet!    Was  den  Namen  selbst 
betrifft,  obgleich  ich  mit  Paulus  ihn  nicht  anerkenne,  so  schäme  ich 
mich  doch  seiner  nicht  allzu  sehr,  wenn  Lutheraner  sein  heisst  der 
Wahrheit  und  der  Gerechtigkeit  nachstreben.  Was  jedoch  die  Lehre 
betrifft,  wie  kann  man  mich  um  ihretwillen  anklagen,  da  ich  mich  zu 


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ihr  nicht  bekenne,  und  wenn  ich  mich  zu  ihr  bekenne,  so  bekenne 
ich  mich  zu  üir  nur  als  zu  Christi  Lehre,  denn  wenn  sie  mit  dieser 
nicht  stimmt,  so  erkenne  ich  sie  unter  Allen  am  wenigsten  an.  Aber 
ob  sie  mit  dieser  stimmt  oder  nicht,  danach  habe  ich,  mein'  ich,  nichts 
zu  fragen.    Auch  ist  sie,  wenn  ich  sie  verdamme,  darum  mcht  ver- 
worfen; wenn  ich  sie  gut  heisse,  darum  noch  nicht  angenommen. 
Mich  nimmt  es  Wunder,  dass  sie  mir  nicht  einen  anderen,  gehässi- 
geren Namen  gegeben  haben.    Denn  diesen  sehen  wir  hochgeachtet 
vom  Volke,  von  allen  Gelehrten,  von  allen  Fürsten,  kein  anderer  hat 
bessern  Klang  und  wird  ehrenvoller  erwähnt;  je  übler  bei  jenen  Lu- 
ther berüchtigt  ist,  - desto  mehr  wird  er  fast  von  allen  Christen  ge- 
rühmt.   Auch  ich  habe  für  meinen  Theil  Luther  gelesen.    Er  lehrt 
nicht  schlecht  leben,  noch  lehrt  er  Ubelthun.    Aber  geben  wir  auch 
zu,  dass  er  bei  diesen  ein  Ketzer  ist,  was  geht  das  mich  an,  der  ich 
hier  [in  Steinheim]  mein  Amt  hatte,  ehe  Luther  je  schrieb?  Mein 
grösster  Trost  dafür  ist,  dass  ich  mit  dir  dieses  Loos  theile.  Was  dir 
deine  Musen  zuziehen  und  der  unermüdliche  Eifer  gegen  die  Be- 
kämpfer  der  Wahrheit,  das  verursacht  mir  das  Amt  des  Gebieten», 
Wer  möchte  daher  heutzutage  nicht  lieber  Schweinehirte  als  Decan 
sein?    Aber  mich  zurückzuziehen,  steht  mir  nicht  mehr  frei.  Wenn 
ich  mich  auf  meine  Tfarrei  begebe,  —  ich  berichte  es  mit  tiefer 
Trauer  —  so  finde  ich  Manche  von  schlechtem  Rufe:    Geizige,  Nei- 
dische, Unwissende,  Ehebrecher,  Trunkenbolde.   Ich  kehre  zu  mei- 
nem Stifte  zurück:  hier  finde  ich  nicht  solche,  die  diesen  gleichen, 
sondern  sie  an  Bosheit  übertreffen.  Doch  warum  soll  ich  dir  eine  Satyre 
schreiben,  da  du  die  ganze  Sachlage  genauer  kennst?  Gleichwohl 
fühlte  ich  mich  um  deines  Briefes  willen  verpflichtet,  mich  zu  ent- 
schuldigen.   Du  beglückwünschest  mich,  während  du  lieber  mit  mir 
hättest  trauern  sollen.  Ich  sah  keine  sicherere  Zuflucht  als  zu  Christus 
und  zu  der  Wissenschaft,  das  war  die  Ursache,  warum  ich  geschrie- 
ben habe.    Wenn  du  daher  die  Absicht  billigst,  so  weisst  was 
mich  bestimmt  hat.    Wenn  du  mir  schmeichelst,  so  genügt  mir,  daas 
kein  böses  Gewissen  mich  ängstet.    Auch  was  du  so  sehr  forderst, 
werde  ich  leisten,  wenn  es  mir  des  Lebens  Dauer  verstattet,  da  ich 
sehe,  dass  mir  nirgends  grössere  Ruhe  bereitet  ist,  als  in  der  Wissen- 
schaft   Noch  hast  du  nicht  Alles  gesehen.*)    Du  aber,  der  du  deu- 


*)  Die  Forderung  des  Brunfels  musssicb  auf  die  Fortsetzung  der  Iitterarisohen 
Thätigkeit  dos  Indaginc  bezichen.  Der  letzte  Satz  besagt,  das«  dieser  noch 
Vieles  geschrieben  hat,  was  nicht  edirt  ist.  Im  Folgenden  muntert  er  auch  den 
Brunftls  zur  litterarischen  Bethätigung  anf. 


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selben  Geist,  dieselbe  Gelehrsamkeit  besitzest,  bewähre  auch  du  dich 
als  Manu;  wisse,  dass  ich  darum  dich  dringend  gebeten;  ich  be- 
schwöre dich,  dass  du  es  thuest  und  nicht  nachlassest  Ich  hoffe,  dass 
wir  uns  einst  wechselsweise  an  der  Wissenschaft  erquicken,  wenn  die 
heisse  Galle  Emiger  sich  gekühlt  hat  Man  muss  den  Zeiten  Rech- 
nung tragen.  Unterdessen  tröste  dich  in  deinen  Verfolgungen  um 
Christi  willen  an  der  Schrift,  die  du  kennst  Lebe  wohl.  Aus  unse- 
rer Pfarrei  Steinheim.    Am  1.  Juli  Anno  1522." 

Beide  Briefe  stellen  fest,  dass  Indagine  schon  im  Jahre  1522 
Decan  zu  St  Leonhard  war,  während  Lersner  in  seinem  Verzeich- 
nisse ftir  die  Jahre  1522—1527  keinen  Decan  auffuhrt.  Der  zweite 
Brief  eröffnet  uns  überdies  einen  Blick  in  sein  Leben.  18  Jahre 
hatte  er  an  Höfen  verbracht  und  wahrscheinlich  als  Astrolog  willige 
Ohren  gefunden.  Dann  hatte  er  34  Jahre  als  Pfarrer,  ohne  Zweifel 
an  derselben  Stelle,  zu  Steinheim  gegenüber  Hanau,  gestanden.  Die 
Behauptung  Ritters  im  evangelischen  Denkmal,  dass  er  49  Jahre 
diese  Stelle  bekleidet  habe,  ist  aus  einer  Angabe  in  Boissard's  Ico- 
nes  n,  201  flg.  geflossen,  die  um  so  weniger  in's  Gewicht  fällt,  da  die 
Quelle,  aus  der  Boissard  seine  Biographie  des  Indagine  geschöpft  hat, 
wie  er  selbst  sagt,  nur  die  beiden  Briefe  sind.  Indagine  muss  also 
im  Jahre  1488  die  Verwaltung  der  Pfarrei  angetreten  haben.  Eine 
verdeckte  Spur  deutet  darauf  hin,  dass  er  schon  vor  Ablauf  des 
15.  Jahrhunderts  mit  Frankfurter  vornehmen  Familien  in  Verbindung 
gestanden  habe.  Job  Kohrbach  erzählt,  dass  er  mit  seiner  Mutter 
und  der  reformatorisch  gestimmten  Katharina  Holzhausen  geb.  Frö- 
schin von  Hanau  aus  den  Plebanus  zu  Steinheim  auf  seine  Einladung 
am  18.  Juni  1496  besucht  und  bei  ihm  den  ganzen  Tag  zugebracht 
habe.  Schon  im  Jahre  1515  finden  wir  ihn  als  Canonicus  und  Käm- 
merer des  Leonhardstiftes  zu  Frankfurt;  1521  oder  1622  wurde  er 
dessen  Decan.  Doch  lässt  sein  zweiter  Brief  vermuthen,  dass  er 
meist  auf  seiner  Pfarrei  lebte  und  sich  nur  zeitweise  in  Frankfurt 
aufhielt  Wahrscheinlich  erschien  er  in  Frankfurt  nur  zu  den  wich- 
tigsten Capitelsitzungen.  Daraus  erklärt  sich  auch,  warum  König- 
stein nur  selten  den  Decan  zu  St.  Leonhard,  sondern  meist  nur  den 
Scholaster  erwähnt;  eben  so  wenig  kommt  auch  sein  Name  in  gleich- 
zeitigen Urkunden  dieses  Stiftes  vor.  Dasselbe  Bild  der  inneren  Auf- 
lösung, das  im  Liebfrauenstifte  die  Briefe  des  Cochlaeus  entwerfen, 
zeichnet  dieser  Brief  für  das  Leonhardstift.  Alle  wollen  herrschen, 
Niemand  gehorchen.  Schlemmerei  und  Prasserei  sind  an  der  Tages- 
ordnung; die  Unsittlichkeit  und  Rohheit  der  Canoniker  übertrifft 
weit  die  sittlichen  Mängel  der  Steinheimer.  Von  der  Nothwendig- 
IV.  10 


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keit  der  Reformation  ist  Indagine  tief  durchdrungen:  Luther  is: 
ihm  ein  von  Allen  mit  Hecht  verehrter  Mann.    Er  lehrt  nicht» 
Schlechte«.    Indagine  wird  von  den  Andern  —  und  nicht  Mos  von 
dem  Scholaster  Fischer,  sondern  auch  von  seinen  eigenen  Cano- 
nikern  —  ein  Lutheraner  gescholten;  er  trennt  sich  aber  trotx  sei 
ner  Anerkennung  Luther  s  nicht  vou  seiner  Kirche,  ohne  Zweifel, 
weil  das,    was  ihm  das  Wirken  und  die  Person  des  Reformator* 
ehren werth  machte,  mehr  die  sittliche  als  die  theologische  Seite  der 
Reformation  war,   für  die  er  kein  Interesse  und  Verständnis«  zeigt 
Er  will  auch  keine  Spaltung,  sondern  Wahrheit  und  Gerechtigkeit 
Aus  diesem  Gesichtspunkte  begreift  sich  die  auffallende  Thatsacht. 
dass  seine  beiden  Briefe  an  zwei  Männer  gerichtet  sind,  die  gam 
entgegengesetzten  Heerlagern  angehören  und  darüber  mit  einander 
in  harten  Conflict  gerathen  sind:  an  den  Mainzer  Generalvicar  Diete- 
rich  Zobel,  der  bis  dahin  selbst  die  freisinnigen  Tendenzen  in  d«r 
Kirche  vielfach  gefördert  hatte,  und  an  Otto  Brunfels,  der  mit  B**- 
geisterung  die  Fahne  der  Reformation  erhoben  und  sich  eben  nach 
Frankfurt  geflüchtet  hat  vor  den  Requisitionen  der  Mainzer  Geist- 
lichkeit, die  ihn  mit  Kerker  oder  Tod  bedrohen  und  die   nur  von 
demselben  Generalvicar  ausgegangen  sein  können.  Solche  persönliche 
Stellungen  grenzen  für  unsere  ganz  anders  geartete  Zeit  an  das  Ud- 
begreifliche;  ihre  Constatirung  mag  dein  Historiker  als  Warnung  die- 
nen, die  Zustände  früherer  Jahrhunderte  nich  nach  unsern  Verhält- 
nissen und  Vorstellungen  zurechtzulegen.    Dass  Indagine  auch  mit 
den  Hauptbeförderern  der  Reformation  in  Frankfurt  mit  Ha  man  Hor- 
hausen und  Fürstenberger,  näher  bekannt  gewesen  sei,  ist  mehr  ab 
wahrscheinlich,  aber  nicht  urkundlich  constatirt.  Seine  Beziehung  m 
Otto  Brunfels  könnte  auf  eine  Verbindung  mit  dessen  Schützer  Wilhelm 
Nesen  hindeuten:  allein  näher  erwogen,  legt  der  Eingang  seiner 
Briefe  die  Annahme  nahe,  dass  Brnufels  durch  die  Schriften  des  In- 
dagine, deren  Gegenstände  auch  seiner  Neigung  entsprachen,  sich 
angezogen  fühlte,  ihm  brieflich  den  Ausdruck  seiner  Bewunderung 
entgegengebracht  habe,  und  das»  so  die  Bekanntschaft  beider  Männer 
vermittelt  worden  sei.  I>iese  Auffassung  hat  eine  Stütze  in  der  That- 
*ache,  dass  in  der  1522  gedruckten  Folioausgabe  der  Werke  des  In- 
dagine der  Brief  an  Brunfels  sich  noch  nicht  findet.  Wahrscheinlich 
war  übrigens  derselbe  die  Ursache,    warum  Paul  Caraffa  (Papst 
Paul  IV.),  der  Urheber  der  neueren  Inquisition  und  seit  1567  de* 
Index  Hbrorum  prohibitoruin ,  auch  seine  Schriften,  obgleich  diesel- 
ben sonst  nichts  Verfängliches  enthalten,  verdammt  und  ihre  Leetüre 
verpönt  hat.    Auch  wenn  Indagine  schreibt,  sein  junger  Freund  sei 


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selbst  bei  den  meisten  Tragödien  gegenwärtig  gewesen,  so  meint  er  da- 
mit wohl  nur  die  Verunglimpfungen,  die  beide  von  der  clericalen  Partei 
gemeinsam  erfahren  haben.  Wir  bedauern,  dass  dies  die  einzigen 
Notizen  sind,  in  deren  Besitz  uns  die  Frankfurter  Quellen  bis  jetzt 
über  das  Wirken  des  Mannes  gesetzt  haben.  Sie  reichen  indess  voll- 
kommen aus,  das  nebelhafte  Bild,  das  sich  frühere  Zeiten  von  ihm 
als  Vorläufer  der  Reformation  entworfen  haben,  auf  das  bescheidene 
Maass  der  geschichtlichen  Wirklichkeit  zurückzufahren. 

Auch  später  scheinen  sich  »eine  Verhältnisse  zu  dem  Stift  nicht 
gebessert  zu  haben.  Im  Jahre  1527  nennt  Lersner  II,  II,  186  als 
Decan  den  Petrus  Rode  und  den  Joh.  Indagine  als  Decanus  Eccle- 
siae;  im  Jahre  1528  (187)  bezeichnet  er  den  letzteren  als  Plebanus 
in  Steinheim,  quondam  Decanus.  Diese  Angaben  erhalten  ihr  Licht 
durch  zwei  Urkunden  des  Leonhardsarchives.  Nach  der  ersten  (in 
den  Büchern  des  Leonhardstiftes  Nro.  9)  brachte  Dr.  Joh.  Eier, 
Scholaster  der  Collegiatkirchc  St  Johann  zu  Mainz,  am  15.  October 
1527  einen  Vertrag  zwischen  Petrus  Rode,  Altarist  des  Altars  des 
heib'gen  Kreuzes  zu  St.  Gangolph  in  Mainz,  und  Johannes  Indagine, 
Decan  der  Kirche  der  heiligen  Maria  und  St.  Georg's,  sonst  auch 
St  Leonhards,  zu  Frankfurt  wegen  Permutation  zu  Stande.  In  der 
zweiten,  ausgestellt  zu  Aschaffenburg  am  Sonntag  Oculi  (15.  März) 
1528,  zeigt  Cardinal  Albrecht  von  Mainz  dem  Leonhardscapitel  an: 
uns  hat  der  ehrsam,  unser  lieber,  andächtiger  Peter  Rode,  zu  erkennen 
gegeben,  wie  er  sich  mit  dem  Pfarrherr  zu  Steinheim  um  die  Decha- 
nei  zu  St  Leonhard  zu  Frankfurt  einer  Permutation  verglichen,  also 
dass  er  ihm  dagegen  seinen  Altar  auf  dem  Mönchhofe  zustellen  soll. 
So  erklärt  es  sich,  dass  1531,  1534  und  1536  bei  Lersner  (1.  c.)  Joh. 
Indagine  als  exemptus  Canonicatus  in  dem  Verzeichnisse  aufgeführt 
und  1534  sogar  Tiburtius  Griss  als  sein  Vicar  erwähnt  wird.  Wahr- 
scheinlich kam  der  ehemalige  Decan  nicht  mehr  nach  Frankfurt  und 
es  wurde  ihm  zugemuthet,  für  seine  Präbende  sich  einen  Vicar  zu 
stellen.  1539  kam  dieser  Tiburtius  Giss  „die  feria  5."  (es  ist  ohne 
Zweifel  „die  Februar.  5."  zu  lesen)  in  den  Possess;  du  dies  Lersner 
mit  dem  Zusatz  berichtet:  antecessor  Plebanus  in  Steinheim  Joh.  de 
Indagine,  so  wird  derselbe  unmittelbar  vorher  verstorben  sein;  er  muss 
also  die  Pfarrei  Steinheini  über  ein  halbes  Jahrhundert  verwaltet  und, 
da  er  vorher  18  Jahre  an  Höfen  gelebt,  ein  Alter  von  etwa  90  Jahren 
erreicht  haben. 

Dass  er  die  Zustände  des  Leonhardstiftes  in  seinem  Briefe  an 
Otto  Brunfels  nicht  mit  allzugrcllen  Farben  geschildert  hat,  zeigen 
uns  die  gleichzeitigen  Urkunden  des  Stiftsarchives.    Vier  Urkunden 

10* 


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(547  a— d)  bezeugen,  dass  iin  Jahre  1513  der  Canonici»  Gerlacli  FoLu 
von  Idstein  sich  in  Schinühworten  gegen  den  älteren  Bürgermeister 
Gilbreeht  llolzhausen  vergangen    und  dass  trotz  der  Verwendung 
des  Amtmannes  von  Idsein  selbst  die  geistliche  Oberbehörde  ihm 
die  Permutation  seines  Canonicates  für  den  Fall  auferlegt  hatte, 
dass  er  nicht  die  Vergebung  des  Gekränkten  erlangte.  Obgleich  der 
Letztere  im  Mscrpt  Schurg  osor  cleri  genannt  wird,  scheint  er  doch 
Grossmuth  gegen  seinen  Beleidiger  geiibt  zu  haben:  wenigstens  wird 
dieser  noch  1515  von  Lersner  als  Canonicus  aufgeführt    Durch  die 
folgenden  Jahre  zieht  sich  im  Schoose  des  Capitels  ein  ärgerlicher 
Zwist  mit  dem  Canonicus  Joh.  Bender  von  Lieh  (vergl.  das  Buch 
Nro.  9  des  Stiftsarchivs),  demselben,  der  uns  durch  seinen  Streit  mit 
Wolf  Bronner,  gen.  Parentc,  im  Jahre  1528  (Luthers-  und  Melanch- 
thousherbergeu  S.  19)  bekannt  geworden,  und  da  wir  ihn  von  Lers- 
ner zu  1540  gleichfalls  als  Exemptus  notirt  finden,  wahrscheinlich 
als  Storefried  zur  Permutation  seiner  Präbende  genötliigt  worden  ist. 
Von  ihm  und  Peter  Rode  berichten  uns  die  Urkunden  eine  bezeich- 
nende Rohheit.    Joh.  Stotzel,  städtischer  Zöllner  am  Main,  war  einer 
der  Baumeister  von  St.  Leonhard.    Bei  der  Reparatur  einer  Capelle 
hatte  er  am  Dienstag  nach  Quasimodogeniti  1523  einige  Schulden  von 
Joh.  Bender  eingefordert,  der  gerade  aus  dem  Chore  trat;  dieser 
nannte  ihn  Lecker,  Buben,  Schalk,  Huren wirth  und  führte  dabei  Re- 
den so  gemeiner  Art,  dass  sie  sich  nicht  wiederholen  lassen.  Dann 
stürzte  er  in  sein  Haus,  legte  seinen  Chorrock  ab,  schnallte  seinen  Degen 
um,  eilte  wiederum  in  die  Steinhütte  auf  dem  Kirchhofe  und  erneuerte 
den  Streit    Später  kam  er  mit  Peter  Rode  wieder;  auch  dieser  griff 
ihn  in  derselben  pöbelhaften  Weise  an  und  machte  ihm  kränkende 
Bemerkungen  über  den  rothen  Rock,  den  er  als  städtischer  Beamter 
trug,  als  ob  er  durch  diese  Farben  als  unfrei  und  tinehrbar  gekenn- 
zeichnet sei  (Urkunden  603 — 005). 

Dass  unter  desselben  Rodo  Decanat,  das  bis  zum  Jahre  1553 
währte,  die  Verhältnisse  des  Stiftes  sich  nicht  gebessert  haben,  be- 
weist eine  Urkuude  (Nr.  431)  vom  2.  October  1568,  in  welcher  Chur- 
fUrst  Daniel  von  Mainz  dem  Capitel  in  ernsten,  strafenden  Worten 
den  Verfall  des  cauonischen  Lebens  vorhält  und  auf  unverzügliche 
Reformation  dringt.  „Das  ganze  Haupt'',  sagt  er  im  Eingange,  „ist 
krank,  das  ganze  Herz  ist  siech,  von  der  Fusssohle  an  bis  auf  das 
Haupt  ist  nichts  Gesundes  (Jes.  1,  5.  6.).  Demi  wie  in  äusseren,  so 
in  göttlichen  Dingen  herrscht  die  grösste  Lässigkeit  uud  Trägheit: 
die  meisten  Verrichtungen  sowohl  im  Chor  als  in  eurer  Verwaltung 
liegen  in  Verwirrung  und  werden  versäumt.    Keiuc  Meister  sind  in 


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eurer  Bauhütte,  ihr  habt  keinen  Chorschreiber,  keine  Visitation  der 
Höfe  (nullae  curiarum  visitationos),  keinen  Scholaster,  keinen  Custo- 
den;  wenn  diese  Ehrenstufen  wieder  besetzt  werden  müssen,  wird 
dies  schon  dadurch  erschwert  werden,  dasa  ihre  Güter  und  Einkünfte 
verschleudert  und  ungewiss  geworden  sind ....  nirgends  neue  Repcr- 
torien,  nirgends  eine  Aufzeichnung  eurer  Capitclbcsehlüsse,  nirgends 
Inventarien,  oder  wenn  solche  sieh  finden,  so  sind  es  gewiss  nur  we- 
nige, unvollständige,  aus  alten  Zeiten  herrührende.  Uebcrdies  die 
grössten  inneren  Zwistigkeitcn,  entsetzliche  und  verjährte  Rechtsstreite 
fast  Aller  unter  einander,  an  denen  nur  Wenige  unbetheiligt  geblie- 
ben sind.  Die  abgetragenen  Capitalien  sind  nicht  wieder  angelegt 
worden,  die  meisten  sogar  durch  Laien  und  durch  eure  unnützen 
Kämmerer  verloren  gegangen,  woraus  kein  geringer  Aulass  eures 
ewigen  Haders  erwachsen  ist.  An  den  meisten  Orten  sind  die  Gren- 
zen eurer  Aecker  unbekannt;  dieselbe  Sorglosigkeit,  Unordnung  und 
Verwirrung,  die  ihr  in  den  äusseren  Angelegenheiten  zeigt,  waltet 
bei  euch  in  den  göttlichen  Dingen:  kaum  wohnt  einer  oder  der  an- 
dere dem  Gottesdienst  bei,  kaum  verwaltet  er  seine  Amtspflichten, 
oder  wenn  er  es  thut,  so  geschieht  es  ohne  Andacht.  Die  Haltung  im 
öffentlichen  Leben  ist  eine  unpriesterliche.  Die  Meisten  haben  offen 
ihre  Concubinen,  andere  sind  als  Trunkenbolde  bekannt"  So  Daniel 
von  Mainz:  seine  Schilderung  ist  nur  der  Commcntar  zu  den  Andeu- 
tungen, die  etwa  40  Jahre  früher  Johannes  Indaginc  gegeben  hat 

VI.   Der  vorläufige  Ausgang  dieser  Geschichten. 

Wir  wenden  uns  wieder  zu  dem  Gange  der  Ereignisse  zurück, 
um  innerhalb  weniger  Jahre  fast  alle  die  Persönlichkeiten,  die  wir 
in  denselben  mit  oder  gegen  einander  wirken  sahen,  eine  nach  der 
andern  von  dem  Schauplatze  abtreten  zu  sehen. 

Vielleicht  würde  die  Fehde  der  Ritterschaft  mit  der  Geistlichkeit 
zu  Frankfurt  sich  noch  lange  fortgesponnen  und  eingreifendere  Fol- 
gen gehabt  haben,  wenn  nicht  das  Interesse  des  Adels  sich  nach  einer 
andern  Seite  gerichtet  hätte.  Sickingen  war  es  nicht  allein  um  die 
Freiheit  des  Glaubens  und  Gewissens,  sondern  auch  um  politische 
Freiheit  zu  thun  und  wie  die  Meisten,  welche  für  diese  das  Banner 
erheben,  forderte  er  dieselbe  zunächst  für  seinen  Stand.  Das  Empor- 
kommen dos  Letzteren  und  die  Erhöhung  seines  eigenen  Einflusses 
zu  fürstlicher  Machtstellung  war  sein  kühnes  Ziel.  Nur  mit  dem 
Schwerte  konnte  die  Bahn  zu  demselben  gebrochen  werden.  Am 


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10.  August  1522  brachte  er  unter  der  freien  rheinischen  Ritterschaft 
zu  Landau  ein  „brüderliches  Verständnis»"  zur  Wahrung  ihrer  Inter- 
essen und  inbesondere  ihrer  Unabhängigkeit  von  fremder  Gericht.-5 bar 
keit  zu  Stande,  zu  dessen  Hauptmann  er  selbst  auf  sechs  Jahre  ge- 
wühlt wurde.  Er  achloss  Bündnisse  und  befestigte  seine  Borgen,  be- 
sonders* Ebernburg  und  LandstuhJ.  Als  ersten  Gegner  ersah  er  sich 
den  Churfuraten  von  Trier,  Erzbischof  Richard  von  Greifcnklau,  dessen 
kriegerische  Neigungen,  wie  Strauss  sagt,  im  Kleinen  an  Julius  IL 
erinnern,  wie  die  Prachtliebe  und  Eleganz  Albrechts  von  Mainz  an 
Leo  X.  Den  Churhut  dachte  er  ihm  vom  Haupte  zu  nehmen  und 
das  seine  damit  zu  schmücken.  Die  Säcularisatiou  und  Reformation 
des  geistlichen  Churstaates  sollte  wohl  dem  kühnen  Handstreich  eine 
höhere  Bedeutung  geben  und  das  menschliche  Unrecht  mit  einem 
Scheine  göttlichen  Hechts  bedecken.  Der  Grund  zur  Befehdung  war 
leicht  gefunden  oder  vielmehr  vom  Zaune  gebrochen.  Einer  seiner 
Verbündeten  Georg  Börner  hatte  zwei  reiche  Trierische  Unterthanen 
gefangen  weggeführt  und  sie  gegen  mehr  als  5000  Gidden  losgelassen, 
die  Franz  von  Sickingen  bezahlte,  um  eine  Forderung  gegen  sie,  be- 
ziehungsweise ihren  Landesherrn,  zu  haben.  Umsonst  bedrohte  ihn 
das  Reichsregiment  zu  Nürnberg  mit  der  Acht.  Sickingen  brach  im 
Churstaat  mit  gewaffneter  Hand  ein  und  stand  am  8.  September  vor 
Trier.  Er  hatte  sich  in  seinem  Gegner  verrechnet  Vergebens  for- 
derte er  die  Stadt  zur  Uebergabe  auf;  vergebeus  beschoss  er  sie  mit 
glühenden  Kugeln.  Die  Trierer  setzten  einen  entschlossenen  Wider- 
stand entgegen;  am  14.  September  hob  Franz  die  Belagerung  auf 
und  zog  sengend  und  plündernd  ab. 

Der  Churfürst  von  Mainz,  von  Richard  von  Greifenklau  zur 
Hülfeleistung  aufgefordert,  hatte  öffentlich  mit  leeren  Entschuldigungen 
geantwortet,  im  Stillen  aber  Sickingens  Unternehmen  begünstigt, 
wenigstens  nicht  verhindert;  viele  Mainzer  Kitter  eilten  zum  Heere 
Siekingcn'»  und  setzten  auf  churmainzischen  Fährten  über  den  Rhein. 
Dagegen  hatte  der  Landgraf  von  Hessen  die  Schmach  noch  nicht 
vergessen,  die  er  während  seiner  Minderjährigkeit  vor  vier  Jahren 
von  dem  kühnen  Ritter  erfahren,  als  dieser  Darmstadt  erobert,  sein 
Land  geschädigt,  ihn  selbst  gebrandschatzt  hatte;  aus  Oberhessen  war 
er  längs  der  Lahn  herabgezogeu,  hatte  den  Zuzug  abgeschnitten,  den 
Nicolaus  von  Minkwitz  vom  Norden  her  Franzen  zufuhren  sollte,  und 
war  bis  Limburg  vorgedrungen:  hier  begrüsste  ihn  Ende  September 
der  Trierer  und  beide  trafen,  um  ihre  Sicherheit  gegen  ähnliche 
Ueberrumpelungen  festzustellen,  bindende  Verabredungen,  denen  auch 
der  Churfürst  von  der  Pfalz  als  Dritter  beitrat. 


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—  151 


Die  nächste  Absicht  der  Verbündeten  richtete  »ich  gegen  die 
Helfer  und  Beistände  Sickingen's,  über  die  wie  über  ihr  Haupt  be- 
reits die  Reichsacht  gefallen  war  (Keller,  Gesch.  Nassau 's  I,  22,  nach 
dem  Idsteiner  Archiv),  vor  Allem  gegen  Hartmuth  von  Cronberg,  der 
zwar  an  dem  Trierer  Zuge  keinen  Theil  genommen,  aber  zum  Schutze 
der  Ebernburg  auf  dieser  zurückgeblieben  war.  Der  Churfürst  von 
Mainz  versah  sich  nicht»  Gute»,  zumal  er  es  gestattet  hatte,  das» 
die  Beute  des  Trier'schen  Zuges  offen  in  Mainz  verkauft  wurde,  und 
traf  Rüstungen  zu  seiner  Sicherheit.  Auch  für  Frankfurt  traten  un- 
ruhige Wochen  ein.  „Am  letzten  September,  berichtet  Königstein, 
ist  viel  Bauernvolk,  zugehörig  meinem  gnädigen  Herm  von  Mentz 
dem  Main  hinab  zu  Schiff  und  Fuss  gezogen  und  ist  ein  gross  Rüs- 
tung gewest,  vom  Pfalzgrafen,  Landgrafen  und  Bischof  von  Mcntz, 
so  dasB  viel  Stadt,  Schloss  und  Dorf  geflohet  han  ihr  Hab  in  Frank- 
fort und  Niemand»  gewusst  gänzlich  wohin."  Selbst  die  Natur  schien 
durch  den  Aufruhr  ihrer  Elemente  Schrecken  zu  weissagen:  an  dem- 
selben Tage  „Abends  zwischen  sieben  und  acht  Uhren  hat  sich  ein 
gross  Wetter  mit  Blitzen,  Donnern  und  Regen  erhoben  und  unge- 
fährlich drei  und  ein  halb  Stunden  gewährt." 

Donnerstag  den  9.  Oktober,  erzählt  derselbe  Berichterstatter,  „von 
12  Uhren  an  bis  fünfe  ist  der  Pfalzgraf  mit  Namen  Ludwig,  Chur- 
fürst,  in  Frankfurt  geritten  mit  viel  Fussvolk,  nämlich  vier  Fähnlein 
und  seinem  Wappen  und  ein  Fähnlein,  daran  ist  gestanden  des  Rieh» 
Wappen,  ein  Adler;  darnach  viel  Wagen  mit  Proviant,  Geschütz  19 
Stück,  drei  Hauptstück,  da  an  jeglichem  zogen  16  Pferd.  Also  ist  Cl- 
in das  Frauenbrüderkloster  gezogen,  daselbst  die  Nacht  und  den  an- 
dern Tag  still  gelegen.  Ist  das  Geschrei  gewesen,  er  wolle  vor  Cron- 
burg  ziehen,  davor  die  Zeit  gelegen  ist  der  Landgraf  von  Hessen. 
Darzwischen  ist  viel  Bittens  geschehen  von  dem  von  Königstein, 
Herrn  Walther  von  Cronberg,  Oomthur  [zu  Frankfurt],  und  andern 
Herrn  und  Edeln ,  aber  nichts  verfangen,  sunder  den  andern  Tag 
Samstag,  welches  der  11.  Octobris  war,  wieder  mit  seinem  Zeug  uf 
gewest  und  nach  (Vonburg,  daselbst  sie  Lager  angesehlagen,  in 
Meinung  die  zween  landsherrn,  Pfalz  und  Hessen,  (  Yonburg  zu  ge- 
winnen.   Gott  geb  ihnen  Glück!" 

„Am  Sonntag  [Samstag  nach]  Dionvsii,"  sagt  Keller  <  a.  a.  G.23), 
,,11.  Okt.  rückte  Landgraf  Philipp  von  der  Lahn  mit  1500 Reisigen  heran 
und  lagerte  sich  auf  der  Südseite  der  Festung,  Ludwig  von  der  Pfalz,  der 
das  Reichspanier  vor  sich  hertragen  Hess,  war  von  Frankfurt  her  mit 
600  Reisigen  im  Anzüge  und  besetzte  die  Ostseite,  und  Richard,  der 
bei  Boppard  über  den  Rhein  ging,  durch  das  Rheingau  zog  und  über 


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Liederbach  und  Münster  heranrückte,  wollte  sein  Lager  auf  der  West- 
seite schlagen." 

„Anno  1522  14.  Octobris"  (Dienstag),  erzählt  Königstein  weiter, 
„des  Morgens  zwischen  fünf  und  sechs  Uhren  han  die  zween  Fürsten 
Pfalz  und  Landgraf  Cronburg  angefangen  zu  schiessen,  ist  des  Abends 
der  Bischof  von  Trier  auch  zu  ihnen  ins  Lager  kommen,  und  also 
den  ganzen  Tag  viel  Schüss  gethan.  Frauen,  Jungfrauen  und  Kin- 
der sind  aus  Cronburg  kommen  und  durch  den  Landgrafen  gefreit 
worden.  Son9t  ist  keinGnad  gewcst.  Item  den  Mittwoch  darnach,  den 
15.  Octobris,  war  Regenwetter,  also  dass  sie  nichts  thun  mochten, 
sondern  den  Tag  die  Sach  ward  eingestellt  und  auf  die  Bitte  von 
Edelleuten  ist  Cronburg  ufgenoramen  worden  und  den  dreien  Land- 
fürsten eingeben,  Pfalzgrafen,  Landgrafen  und  Trier.  Den  Donnerstag 
darnach  [haben  sie]  gehandelt  zu  Cronburg  nach  ihrem  Gefallen." 

Hartmuth  von  Crouberg  hat  den  Ausgang  der  Belagerung  nicht 
abgewartet :  er  flüchtete  durch  einen  unterirdischen  Gang,  der  bei 
der  Anlage  der  neuen  Königsteiner  Landstrassc  (wie  Keller  a.  a,  O. 
S.  25  sagt)  wieder  zu  Tage  kam.  Junker  Quirin  von  Cronburg  war 
der  Einzige  seines  Geschlechtes,  der  den  Widerstaud  bis  zur  äusser- 
ten Grenze  der  Möglichkeit  fortsetzte  und  die  Burg  seiner  Väter 
übergab. 

„Donnerstag  den  16.  Octobris",  berichtet  Königstein,  „des  Abends 
um  sieben  Uhren  ist  zu  Schiff  kommen,  niyn  gnädiger  Herr  von 
Mentz  und  im  Döngeshof  gelegen.  Han  ihm  die  drei  Stifter  alsbald 
den  Wein  geschenkt  und  der  Dechant  Sanct  Bartholomaei  das  Wort 
gethan.  Freitag  darnach  17.  Octobris  des  Morgens  um  acht  Uhren 
ist  kommen  des  Bischofs  von  Mentz  Zeug  50  Pferd.  Darnach  zu 
zwei  Uhren  der  Landgraf  und  Bischof  von  Trier  sind  mit  einander 
kommen  und  geherbergt  in  Jorg  Stalburgs  Haus ,  auch  der  Pfalz- 
graf. Was  sie  handeln  werden,  lass  ich  geschehen,  Gott  schick  alle 
Dinge  zum  Besten !  Item  18.  Octobris,  welches  war  der  Tag  Lucac 
des  Evangelisten,  han  die  vier  Fürsten  der  beiden  Pfalz,  Trier  und 
Hessen  getagt  mit  meinem  Herrn  von  Mentz  und  sind  vertragen:  der 
Bischof  zu  geben  ein  Summe  Gelds  mit  viel  Verpflichtung  und  Zu- 
sagung. Darnach  sind  kommen  die  Grafen,  han  auch  müssen  bocken." 
Den  Kurfürsten  von  Mainz  kostete  der  Vorschub,  den  er  Sickingen 
stillschweigend  geleistet,  eine  Entschädigungssumme  von  25000  Gulden, 
gegen  deren  Zusage  auf  zwei  Termine  sich  die  Verbündeten  mit  ihm 
einigten.  Die  Geistlichkeit  seiner  Diöcese  musste  ihm  dazu  bei- 
steuern. Am  14.  Februar  1523  sandte  er  seinen  G  cneralvicar  l)ietc- 
rich  Zobel  mit  dem  Aschaffenburgcr  Scholaster  Conrad  Rücker  auch 


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an  die  Stifter,  liess  ihnen,  wie  Königstein  sagt,  „mit  geschmückten 
AVorten"  sein  unverdient  Loos  vorhalten  und  forderte  von  ihnen,  dass 
sie   ihm  in  zwei  ganzen  Subsidien  zu  Tröste  kämen.    Auch  in  der 
Noth  ihres  geistlichen  Oberhirten  zeigten  sich  die  Stifter  nicht  allzu 
opferwillig;  sie  sandten  am  19.  Februar  jedes  einen  Abgeordneten 
nach  Mainz  um  mit  ihrem  Oberhirten  zu  verhandeln  und  waren  so 
glücklich  ihm  ein  halbes  Subsidium  abzudingen,  so  dass  der  Churftlrst 
sich  mit  drei  Vierteln  der  ursprünglichen  Forderung  begnügen  musste. 
Am  20.  März  ging  der  Capitular  Johann  H umbracht  abermals  nach 
Mainz  und  entrichtete  das  Subsidium,  also  zwei  Drittel  der  zu  bezah- 
lenden Beisteuer,  mit  68  ti.  I1/*  Turnosen  für  das  Liebfrauenstift. 
Wir  befürchten  der  Cardinal  wird  nach  diesem  Maasstabc  nicht  allzu 
viel  empfangen  haben.   Erst  im  Jahre  1525  war  er  im  Stande  Stadt 
und  Ajnt  Höchst,  die  er  zum  Pfand  gegeben  hatte,  wieder  auszulösen 
(Keller  a.  a.  O.  26). 

Am  Sonntag  den  19.  October  1522  um  6  Uhr  Abends  begab 
sich  der  gebüsste  ChurfUrst  wieder  zu  Schiffe  nach  Mainz.  Tags 
darauf  brach  des  Pfalzgrafen  Volk  von  Cronberg  auf  und  zog  um 
12  Uhr  mit  Wagen  und  Geschütz  durch  Frankfurt  nach  Hause.  Um 
drei  Uhr  ritt  der  Bischof  von  Trier,  um  vier  Uhr  der  Landgraf  von 
Hessen  mit  seinem  Zeug  nach  Cronberg.  „Gott  geb,"  bemerkt 
Königsstein,  wohl  nicht  ohne  einen  bittern  Rückblick  auf  die  Bedräng- 
nisse des  Clerus  durch  die  Kitter,  „dass  sio's  gut  gemacht  haben  imd 
schenk'  uns  allen  Frieden ! "  Reifenberg  und  Falkenstein  wurden 
gleichfalls  belagert  und  genommen,  aber  die  Ritter  schlössen  mit  den 
Fürsten  einen  Vertrag.  Dann  zog  vom  23 — 26.  October  der  Land- 
graf vor  Rückingen  (die  Burg  Rüdicken's),  vor  Lindheim,  Salmün- 
ster, das  Schloss  Frowin  Hutten's,  vor  Gelnhausen  und  andere  feste 
Plätze  und  nahm  sie  ein.  „Der  Adel  floh  hin  und  her,"  berichtet 
Königstein  und  knüpft  daran  den  frommen  Wunsch :  „Gott  geb,  dass 
Fried  und  die  Gerechtigkeit  bleib." 

Am  besten  kamen  die  beiden  andern  Bundesgenossen  Cronber- 
ger's  im  Frankfurter  Streite,  Marx  Lösch  von  Möllnheim  und  Georg 
von  Stockheim,  weg.  „Wir  hören  nicht,"  sagt  Keller,  „dass  sie  sich 
bei  der  Sickinger  Fehde  betheiligten;  sie  hatten  daher  nicht  das  trau- 
rige Loos  ihrer  meisten  Standesgenossen  zu  theilen;  wir  finden  in 
ihnen  besonnene  und  umsichtige  Männer,  unter  deren  Einfluss  und 
Leitung  die  evangelische  Lehre  in  den  Nassauischen  Landen  bald 
viele  Anhänger  gewann." 

„Am  15.  April  1523,"  fahrt  Königstein  fort,  „des  Morgens  um 
10  Uhren  hat  der  Landgraf  von  Hessen  angefangen  durch  Frankfurt 


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zu  ziehen.  Zuerst  kam  das  Geschütz,  grosse  und  kleine  Stück,  dar- 
nach viel  Wagen,  ungefährlich  vierhundert,  etlich  leer,  die  andern 
haben  Pulver  und  Stein  geführet,  darnach  der  Landgraf  mit  drei 
Pferden  ziemlicher  Maassen  gerüstet,  darnach  das  Fussvolk  auch  nra 
dreihundert  Mann  ungefährlich  und  sind  also  durch-  und  hinausgezo- 
gen auf  Russelsheim  zu.  Daselbst  verharrten  sie  etliche  Tage  und 
nahmen  in  vielen  Dörfern,  dem  von  Isenburg  zuständig,  Proviant. 
Den  neunzehnten  April  ist  erst  der  Landgraf  von  Hessen  über  den 
Rhein  gefahren,  hat,  wie  man  sagt,  zu  Sanet  Victor  geherbergt,  und 
ist  weiter  gezogen  auf  Ebernburg.  Ist  ihm  der  Bischof  von  Trier 
entgegen  kommen  und  haben  die  drei  Fürsten  viel  Volks  gehabt." 

Vor  Ebernburg  erhielten  sie  die  Nachricht,  dass  Franz  von 
Sickingen  mit  den  Rittern,  die  ihm  treu  geblieben  waren,  sich  in 
Landstuhl  (Nannstuhl ,  Mannstuhl)  eingeschlossen  habe,  und  wandten 
sich  dorthin.  Da  die  Burg  durch  ihre  Lage  jeden  Sturm  unmöglich 
machte,  so  entschlossen  sie  sich  Ende  April  zur  regelmässigen  Bela- 
gerung. „Anno  1523,"  erzählt  unser  Frankfurter  Chronist,  „am 
7.  Mai  sind  die  Fürsten,  nämlich  Pfalz,  Trier,  Landgraf  gelegen  vor 
einem  Schloss,  genannt  Landstall,  darin  war  Franz  von  Sickingen 
mit  etlichen  Edeln,  und  wiewohl  das  Schloss  geschossen  war  zum 
Sturm,  haben  sie  doch  uit  wollen  stürmen,  so  lange  es  ihnen  fugiieh 
war.  Doch  hat  der  Bischof  von  Trier  den  obgenannten  Tag  lassen 
ein  Büchsen  richten  wieder  in  das  Schloss  und  geschossen,  als  man 
sagt,  in  die  Küchen  und  troffen  einen  Sparren,  welcher  Frauzen  be- 
griffen und  geschlagen  hat,  dass  er  nach  etlichen  Tagen  verschieden 
ist.  Gott  wolle  der  Seel  und  aller  Gläubigen  Seelen  gnädig  sein. 
Nach  dem  haben  die,  so  noch  darin  gewest,  den  Fürsten  das  Schloss 
übergeben,  welche  sie  alle  gefangen  genommen  haben  und  unter 
einander  getheilt.  Ist  dem  Landgrafen  Philipp  von  Rüdicken  zu 
Theil  geworden,  hat  ihn  mit  andern  gen  Marburg  geschickt,  daselbst 
gefänglich  zu  bewahren.  Und  sind  die  Fürsten  weiter  nach  andern 
Schlössern  gezogen,  dieselbigen  auch  zu  rechtfertigen  {justificiren, 
bestrafen].  Gott  geh  ihnen  Glück  und  uns  Allen."  Dieser  Bericht, 
der  natürlich  nur  auf  Hörensagen  sich  gründen  kann,  hat  mehrere 
Ungenauigkeiten.  Sickingen  ist  nicht  in  einer  Küche,  sondern  im 
Freien  verwundet  worden  durch  Mauersteine^  und  Pfahle,  welche  der 
Schuss  einer  Nothschlange  losriss  und  ihm  in  den  Leib  trieb.  Der 
siebte  Mai  war  der  Tag  nicht  seiner  Verwundung,  sondern  seine» 
Verscheidens.  „Nachdem,"  schliesst  unser  Berichterstatter,  „haben  sich 
die  Fürsten  gelagert  vor  Ebernburg,  daselbst  etlich  Tag  verharrt  und 
greulich  geschossen;  wiewohl  die,  so  darin  waren,  sich  zu  Anfang 


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ihnen  zur  Gegenwehr  gestellt,  hat  es  ihnen  doch  wenig  geholfen  und 
haben  sich  zuletzt  den  Fürsten  auch  ergeben.  Dargegon  haben  die 
Fürsten  [die],  so  darinnen  waren,  edel  und  unedel  ledig  lassen  ab- 
ziehen und  danach  das  Schlosa  ausgebrannt  Also  haben  die  drei 
Fürsten  darnach  gebeutet  [die  Beute  vertheilt],  und  ist  dem  Land- 
grafen werden  Cronberg  zu  eigen.  Darnach  jeglicher  heimgezogen." 
Wir  sind  in  der  Darlegung  dieser  Begebenheiten  absichtlich  dem 
Frankfurter  Chronisten  gefolgt:  nicht  nur  trägt  seine  Erzählung  den 
knappen  Zuschnitt,  der  unserem  Zwecke  auf  diesem  Punkte  mehr  ent- 
spricht als  eine  weitläufige  Darstellung,  sondern  sie  ist  auch  überdies 
von  dem  Frankfurter  Interesse  beherrscht  und  lässt  uns  deutlich  den 
Nachhall  vernehmen,  in  welchem  die  Schwingungen  der  Ereignisse 
in  der  hiesigen  Bürgerschaft  fortklangen. 

Sickingen's  Ausgang  hat  etwas  Tragisches.  Nicht  ohne  Bewegung 
umstanden  die  drei  Sieger  das  Sterbelager  des  Helden,  der  eines 
besseren  Looses  würdig  gewesen  wäre.  Als  er  geendet,  beteten  sie 
für  seine  Seele  ein  Vaterunser.  Luther  brach  bei  der  Kunde  von 
seinem  Falle  erschüttert  in  die  Worte  aus:  Gott  ist  gerecht  und  wun- 
derbar seine  Gerichte!  Viele  riss  sein  Sturz  mit  hinab,  auch  mehrere 
von  denen,  die  in  diesen  Blättern  unsere  Aufmerksamkeit  und  Theil- 
nahme  beschäftigt  haben.  Zunächst  den  Hartmuth  von  Cronberg. 
Als  geächteter  Flüchtling  ohne  Haus  und  Heimath  finden  wir  ihn 
schon  im  November  1522  in  Basel  (Glareanus  an  Zwingli,  Basel 
8.  November  1522.  Zwinglü  opp.  ed.  Schuler  et  Schulthess  VII,  247); 
am  25.  Februar  1523  weilte  er  mit  Graf  Albrecht  von  Mansfeld  in 
Wittenberg;  Luther  bewirthete  beide  im  Augustinerkloster  und  schreibt 
von  Hartmuth  an  Spalatiu:  „der  Mann,  der  so  vieles  erduldet,  steht 
noch  fest  genug  im  Glauben."  Neunzehn  volle  Jahre  lebte  er  in  der 
Verbannung.  Seine  und  der  übrigen  Ritterschaft  Beraubung  durch  die 
verbündeten  Fürsten  war  ein  so  eigenmächtiger  Rechtsbruch  gewesen, 
dass  der  Nothruf  der  Vergewaltigten  zwar  für  die  nächste  Zeit  durch 
den  stürmischen  Drang  der  Ereignisse  übertönt  werden  konnte,  aber 
später  desto  eindringlicher  vernommen  werden  musste.  Endlich  nahm 
sich  der  Wetterauische  Grafenverein  des  unglücklichen  Hartmuth  mit 
Wärme  und  Nachdruck  an,  und  als  1532  auch  der  Kaiser  ihn  und 
seine  Genossen  von  der  Reichsacht  lossprach,  als  1539  Tagfahrt  nach 
Frankfurt  für  sie  anberaumt  wurde,  als  1540  Bucer  sich  mit  seinem 
ganzen  Ansehen  bei  dem  Landgrafen  für  den  standhaften  Glaubens- 
genossen verwendete,  versölinte  sich  Philipp  der  Grossmuthige  mit 
ihm  und  richtete  am  2.  November  1541  einen  Burgfrieden  aut^  durch 
welchen  Hartmuth  wieder  in  den  Besitz  seiner  väterlichen  Burg  und 


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156  - 


»einer  Güter  gelaugte:  er  versprach  die  Angsburgische  Confeasion. 
die  der  Landgraf  im  Cronbergischen  eingeführt  hatte,  aufrecht  zu  er- 
halten, wogegen  Hessen  die  Pflicht  übernahm,  der  es  mit  Treue  nach- 
gekommen ist,  ihn  und  seine  Nachkommen,  wenn  sie  desshalb  An- 
fechtung erleiden  sollten,  darin  zu  schützen  und  zu  schirmen.  Hart- 
niuth  starb  am  7.  August  1549  im  ein  und  sechzigsten  Jahre  seine* 
Alters  und  liegt  in  der  Schlosskapelle  zu  Cronbcrg  bestattet  (KeDer 
a.  a.  O.  131.  Nebe  I,  21.) 

Seine  Nachkommen  traten  wieder  zur  römischen  Kirche  zurück 
und  wurden  in  den  Grafenstand  erhoben ;  sein  Enkel  Johann  Schweikard. 
Churfurst  und  Erzbischof  von  Mainz  1604  bis  September  1626,  setzte 
mit  Gewalt  die  Gegenreformation  in  Cronberg  durch  und  versuchte 
sogar  die  Jesuiten  in  Frankfurt  einzuschmuggeln,  wohin  sein  Gross- 
vater einst  dem  Hartmann  Ibach  den  Weg  hatte  bahnen  helfen 
(Steitz,  Antoniterhof,  Archiv  IT,  IV,  127  flg.);  im  Jahre  1692  erlosch 
der  Mannsstamm  seines  Geschlechtes  (Rommel,  Philipp  der  Gross- 
mttthige  II,  66). 

Nächst  Hartmuth  empfand  die  Wendung  von  Sickingen's  Glück 
Niemand  schmerzlicher  als  Ulrich  von  Hutten.    Als  nach  dem  ver- 
unglückten Trierer  Zuge  die  Belagerung  Landstuhls  in  gewisser  Aus- 
sicht stand,  musste  Franz  wohl  seinen  Hutten  entsenden,  dessen  Krank- 
heit —  er  hatte  sie  drei  Jahre  für  ausgeheilt  gehalten  —  wieder  in 
furchtbarer  Heftigkeit  aufgetreten  war  und  den  er  darum  um  so  we- 
niger in  seine  Ungewisse  Zukunft  verflechten  wollte.  Wahrscheinlich 
war  es  (wie  Strauss  U,  239  vermuthet),  um  dieselbe  Zeit,  dass  Franz 
von  Frankreich  ihn  einlud,  mit  einem  Jahrgehalt  von  400  Kronen 
als  Rath  in  seine  Dienste  zu  treten:  er  lehnte  das  Anerbieten  als 
deutscher  Mann  trotz  seines  Sicchthums  und  seiner  Dürftigkeit  ab. 
Ende  Juli  war  er  noch  auf  dem  Landstuhl,  bald  darauf  wird  er 
wohl  eine  sicherere  Zuflucht  gesucht  haben,  einige  Zeit  hielt  er  sich 
in  Schlettstadt  auf,  wo  er  von  seinen  Freunden  Geld  borgen  musste, 
um  sein  elendes  Dasein  zu  fristen;  Ende  Novembers  war  er,  wie  wir 
aus  dem  angeführten  Briefe  des  Glareanus  an  Zwingli  ersehen ,'  mit 
Hartmuth  von  Cronberg  in  Basel ;  hier  fand  er  bei  Hohen  und  Niede- 
ren Theilnahme  und  empfing  von  ihnen  Gastgeschenke ;  nur  Erasmus, 
der  ihm  längst  fremd  geworden  war  und  mit  dem  er  sich  in  hartem 
Streite  überworfen  hatte,  verschloss  ihm  seine  Thttrc.    Bald  verwan- 
delte sich  auch  die  Gunst,  die  er  in  der  gastlichen  Stadt  anfangs  er- 
fahren hatte,  in  Kälte :  der  Magistrat  kündigte,  durch  die  Geistlichkeit 
bestimmt,  dem  kranken  Flüchtling  den  Schutz  auf;  er  wanderte  am 
19.  Januar  nach  der  benachbarten  Reichstädt  Mühlhausen,  wo  ihm 


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die  Augustiner  in  ihrem  Kloster  Herberge  gaben.  Hier  schrieb  er, 
durch  manche  Zwischenfälle  noch  mehr  erbittert,  seine  Expostulatio 
cum  Erasmo,  gegen  welche  Erasmus  seine  Spongia  setzte.  Diese  Ge- 
genschrift erlebte  Hutten  nicht  mehr.  Im  Mai  oder  Juni  1623  floh 
er,  von  den  Anhängern  des  alten  Kircheuwesens  bedroht  und  selbst 
von  dem  Rathe  wohlmeinend  zur  Entfernung  aufgefordert,  nach  Zü- 
rich, wo  Zwingli  in  der  ernten  frischen  Entfaltung  seiner  reformatori- 
schen Wirksamkeit  stand,  aber  selbst  der  Rath  Hutten  offen  zu 
schützen  Bedenken  trug.  Ohne  Mittel,  nur  auf  die  Mildthätigkeit 
seiner  Freunde  angewiesen,  hatte  er  hier  eine  elende  Existenz;  die 
heissen  Quellen  von  Pfaffers,  deren  Gebrauch  ihm  der  reformatorisch 
gesinnte  Abt,  ein  Freund  Zwingli's,  gewährte,  blieben  an  ihm  ohne 
Erfolg;  aber  noch  war  seine  geistige  Kraft  nicht  gebrochen,  sein  Feuer- 
eifer für  die  Sache,  der  sein  Leben  gegolten,  nicht  ausgebrannt:  bei- 
des konnte  ihm  nur  im  Tode  erlöschen.  Nach  kurzem  Aufenthalte 
in  Zürich,  wohin  er  um  die  Mitte  des  Juli  zurückgekehrt  war,  fand 
er  eine  Zuflucht  auf  der  Insel  Uflfnau,  eine  halbe  Stunde  von 
Rapperschwyl,  in  dem  Flecken  Weideland  im  Hause  des  heilkundigen 
Pfarrers  Hans  Schnegg,  in  welchem  er  Ende  August'«  oder  Anfang 
Septembers  einem  heftigen  Anfall  seiner  Krankheit  erlag.  Seine 
Hinterlassenschaft  bestand  in  einigen  Büchern  und  einer  Feder;  Haus- 
rath hatte  er  keinen.  Seine  Handschriften  und  Bücher  scheinen  mit 
der  Sickingen'schen  Beute  den  Siegern  in  die  Hände  gefallen  und 
verkauft  worden  zu  sein.  Der  grösste  Verlust  ist,  dass  eine  Samm- 
lung von  2000  Briefen,  die  er  in  Worms  1522  in  einem  Band  geord- 
net hatte  und  unter  dem  Titel  Familiarium  epistolae  herauszugeben 
gedachte,  gleichfalls  abhanden  gekommen  ist.  (Man  vergl.  über  alles 
Nähere  Strauss  am  Schlüsse  des  zweiten  Bandes.) 

Wie  lange  der  Aufenthalt  des  Otto  Brunfels  in  Frankfurt  ge- 
dauert hat,  darüber  gibt  uns  ein  Brief  Nesen's  an  Zwingli  in  der 
Schuler-Schulthess'schen  Ausgabe  von  dessen  Werken  (Opp.  Lat.  VII, 
267)  die  bestimmteste  Auskunft  Der  Brief  lautet  in  deutscher  Ueber- 
setzung: 

„Du  siehst,  glaube  ich,  bester  Ulrich,  wie  jener  böse  Geist  nicht 
aufhört,  die  Pflanze  der  evangelischen  Lehre,  die  ohne  unser  Ver- 
dienst durch  Christi  Gnade  wieder  treibt,  zu  zerstören,  aber,  wie 
wir  hoffen  dürfen,  nur  damit  sie  fröhlicher  gedeihe.  Der  deiner  Hu- 
manität diesen  Brief  überbringt,  Otto  Braunfels,  einst  ein  Pharisäer 
des  Carthäuser  Ordens,  nun  aber  ein  eifriger  Verkündiger  der  Fröm- 
migkeit, konnte  auch  bei  uns  durch  die  Missgunst  der  Papisten  keine 
Stätte  gewinnen,  an  der  er  das  ihm  verliehene  Pfund  berge,  um  es 


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einst  seinem  Herrn  mit  Wucher  zurückzuerstatten.    Wenn  du  darum 
dort  bei  den  Deinen,  von  denen  wir  wissen,  dass  sie  neben  den 
Deutschen  freie  Männer  sind,  für  den  Mann  Sorge  tragen  willst,  so 
wirst  du  damit  sowohl  den  Studien  als  Christo  einen  Dienst  erweisen : 
du  darfst  ihn  nur  als  redlichen  und  guten  Priester  empfehleu.  Ich 
weis«,  mit  welchem  Ansehen  und  welcher  Freiheit  du  dort  Christum 
und  wie  viele  Menschen  du  für  Christum  gewinnest,  und  bitte  Chris- 
tum, dass  es  dir  lange  verstattet  sein  möge.  Er  ist  ein  durchaus  red- 
licher Mann,  seine  Gelehrsamkeit  hat  er  durch  mehrere  von  ihm  her- 
ausgegebene Bücher  bezeugt;  mit  nicht  gewöhnlicher  Fülle  der  Be- 
redsamkeit verbindet  er  Vertrautheit  mit  der  heiligen  Schrift;  mit 
einem  Wort,  er  verdient,  dass  du  ihn  förderest  und  mit  dem  Zeugnis* 
deiner  Stimme  nicht  blos  ehrest,  sondern  auch  unterstützest  Dies  in 
Eile,  hochgeehrter  Ulrich-    Ich  habe  Manches  dir  mitzutheilen ,  wa* 
du  von  mir  sehen  und  hören  wirst,  wenn  ich  nach  Basel  zurückkehre. 
Dies  wird,  wie  ich  hoffe,  zum  kommenden  Herbste  geschehen. 
Grüsse  mit  Fleins  unaern  Oswald  und  lebe  aufs  beste.  Frankfurt, 
10.  Juli.  Oecolampadiu.«  ist  hier  bei  mir,  ein  grosser  Gelehrti  r 
in  den  Sprachen,  nicht  blos  der  lateinischen  und  griechischen,  son- 
dern auch  der  hebräischen.  Er  hat  die  Seinen  verlassen,  weil  sie  ihm 
das  Evangelium  zu  predigen  verboten  haben.    Er  hat  hier  gegen 
zwanzig  mir  noch  unbekaunte  Homilien  des  Chryaostomus  übersetzt 
Die  evangelischen  Priester  sprechen  beim  Gottesdienst  das  Evangelium 
und  die  Paulinische  Epistel  mit  lauter  Stimme  in  deutscher  Sprache, 
auch  lesen  sie  den  Canon  so,  dass  er  von  allen  gehört  werden  kann 
Darüber  hat  Öecolampad  Rechenschaft  gegeben  in  dem  von  ihm  her- 
ausgegebenen Büchlein." 

Wir  entnehmen  aus  diesem  Briefe  zunächst,  dass  Brunfels  zur 
Abreise  sich  gerüstet  hat,  um  in  der  Ferne  die  Zuflucht  und  den  sei- 
ner neuen  Ueberzeugung  entsprechenden  Wirkungskreis  zu  finden, 
für  welche  die  Verhältnisse  im  Main-  und  Rheingau  keinen  Raum 
boten:  im  letzten  Moment,  wie  es  scheint,  wirft  in  flüchtiger  Hast 
Nesen  die  empfehlenden  Zeilen  an  Zwingli  auf  das  Papier,  so  rasch, 
dass  er  nicht  einmal  die  Jahreszahl  1522  ausschreibt  Am  11.  Juli 
etwa  muss  also  sein  Schützling  aus  seinem  gastlichen  Hause  und  au* 
unsern  Mauern  fortgezogen  sein.  Aus  einem  Briefe,  den  dieser  am 
23.  Februar  1523  an  Zwingli  richtete,  (Böcking  11,  177)  und  worin 
er  die  Ausstellung  des  Nesen'schen  Empfehlungsbriefes  nicht  ganz 
genau  sechs  Monate  zurückdatirt,*)  erfahren  wir,  dass  er  nicht  in  die 


*)  Dimidiusannas  est,  qnsndocnm  commendutiis  littcris  iussit,  nt  ad  te  irem.  Nesemis. 


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159 


Schweiz  gekommen  war,  sondern  dass  ihn  Freunde  in  Neuenburg  am 
Rhein  zwischen  Breisach  und  Basel  zurückgehalten  hatten,  um  dort 
das  Evangelium  zu  verkündigen:  er  machte  sich  unter  der  Verfol- 
gung wenig  Hoffnung  auf  Erfolg  und  war  bereit  nach  dem  evangeli- 
schen Rath  von  einer  Stadt  in  die  andere  zu  flüchten.  ,,Wir  werden, 
schreibt  er,  als  Verbannte  durch  alle  Länder  ziehen  und  ich  wenig- 
stens weiss  nicht,  wieviel  Unglück  ich  noch  für  mich  zu  befürchten 
habe."  Wahrscheinlich  hat  er  noch  in  Neuenburg  und  zwar  1523 
seine  Antwort  auf  des  Erasmus  Schwamm  für  Hutten  geschrieben,  der 
sie  nicht  mehr  zu  geben  vermochte.  Wann  er  nach  Strassburg  ge- 
kommen sei,  ist  mir  nicht  bekannt;  nach  Freher  (Theatr.  vir.  erudit. 
iliuatr.  1222)  hatte  er  durch  Krankheit  den  hellen  Klang  »einer  Stimme 
verloren,  gab  deshalb  das  Predigen  auf  und  lehrte  bis  zum  Jahre 
1530  die  alten  Sprachen  in  der  gelehrten  Schule  zu  Strassburg;  diese 
Wirksamkeit,  die  Freher  als  eine  neunjährige  angibt,  muss  demnach 
mindestens  um  zwei  bis  drei  Jahre  kürzer  angesetzt  werden.  In 
seinen  Mussestunden  ergab  er  sich  wieder  mit  Liebe  den  Naturwissen- 
schaften. 1530  promovirtc  er  zu  Basel  als  Doctor  der  Medizin  und 
begab  sich  dann  nach  Bern,  wo  er  bis  zu  seinein  am  25.  November 
1534  erfolgten  Tode  als  Arzt  gewirkt  hat.  Er  starb  am  Zungen- 
brande, einer  damals  selbst  den  Aerzten  unbekannten  Krankheit  Er 
ist  als  theologischer,  medizinischer  und  botanischer  Schriftsteller  be- 
kannt Schuler  und  Schulthess  nennen  ihn  (opp.  lat.  Zwingl.  VII,  207) 
den  Wiederhersteller  der  Botanik.  Sein  Leben  mit  seinen  schroffen 
Wechseln  und  seiner  heimathlosen  Unstätigkeit  ist  ein  characteristi- 
sches  Bild  für  die  Zustände  der  ersten  Reformationszeiten. 

Der  Brief  Nesen's  hat  aber  für  uns  noch  das  weitere  Interesse, 
dass  er  uns  die  Anwesenheit  des  Oecolampad  in  Frankfurt  bezeugt, 
eine  Thatsache,  die  selbst  Herzog  in  seiner  trefflichen  Biographie  des 
Reformators  seiner  Vaterstadt  übersehen  und  erst  in  dem  betreffenden 
Artikel  der  von  ihm  herausgegebenen  theologischen  Real-Encyclopädie 
nachgetragen  hat.  Oecolampad  hat  in  Frankfurt  zwanzig  llomilien 
des  Chrysostonius  in  das  Lateinische  übersetzt;  diess  lässt  bereits  auf 
einen  längeren  Aufenthalt  vor  dem  10.  Juli  schliessen  und  berechtigt 
uns  zu  der  Vermuthung,  dass  er  bereits  Ende  Juni  die  Ebernburg 
verlassen  haben  dürfte.  Nesen's  Brief  macht  ferner  den  Eindruck,  als 
ob  Ibach  schon  reisefertig  sich  von  ihm  verabschiede,  Oecolampad  da- 
gegen noch  ruhig  bei  ihm  weile;  wir  dürfen  daraus  wiederum  abneh- 
men, dass  die  Abreise  des  letzteren  noch  nicht  so  nahe  bevorstand, 
ja  dass  am  10.  Juli  an  dieselbe  noch  gar  nicht  gedacht  wurde.  Die- 
ser Aufenthalt  Occolampad's  in  unseren  Mauern  wird  für  die  refor- 


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matorische  Entwicklung  unserer  Vaterstadt  nicht  ohne  Einfluss  ge- 
wesen sein.  Wir  dürfen  dies  schon  aus  dem  Verdrusse  des  Erasmus 
schliessen,  der  im  Jahre  1522  ihm  darüber  Vorwürfe  machte,  daa» 
er  sicli  in  Frankfurt  in  einer  colluvies  horainum  herumgetrieben  habe. 
Zu  meinem  Bedauern  konnte  ich  dieser  Notiz,  die  ich  einer  brief- 
lichen Mittheilung  Herzog's  verdanke,  nicht  näher  nachgehen,  da  mir 
die  zu  Clcricus'  Ausgabe  der  Werke  des  Erasmus  gehörige  Briefsamm- 
lung  unzugänglich  ist.  Mit  welcher  Theilnahme  Nesen  seine  münd- 
lichen und  schriftlichen  Berichte  über  den  ersten  damals  bestehenden 
evangelischen  Gottesdienst,  über  die  von  Oecolampad  eingeführte 
deutsche  Messe  auf  der  Ebernburg,  vernommen  hatte,  spricht  er  selbst 
aus :  es  mag  ihm  in  diesen  Gesprächen  zuerst  eine  klare  Vorstellung, 
ein  bestimmtes  Bild  von  der  Gestalt  und  Einrichtung  eines  protestan- 
tischen Kirchen-  und  Gemeindewcscns  aufgegangen  sein.  Ohne  Zwei- 
fel wird  er  auch  den  interessanten  Gast  in  die  Kreise  seiner  Gönner, 
eines  Haman  von  Holzhausen,  Philipp  Fürstenberger,  Jacob  Neu- 
haus, Claus  Stallburger  und  Anderer  eingeführt  und  Oecolampad 
diese  Männer  in  ihrer  jungen  Ueberzeugung  befestigt  und  bestärkt 
haben.  Indem  wir  darum  auch  seiner  in  diesen  Erinnerungsblätteru 
gedenken,  können  wir  nicht  umhin  zu  beklagen,  dass  die  Aufzeich- 
nungen der  Zeitgenossen  uns  so  bedeutsame  Beziehungen  nur  in 
dürftigen  Spuren  andeuten,  aber  das,  was  unter  der  äussersten  Ober- 
fläche verborgen  liegt,  die  lebendigen  Berührungeu  und  unmittel- 
baren Wechselwirkungen  der  Persönlichkeiten,  unseren  Blicken  so 
völlig  entziehen,  dass  uns  nur  schwankende  Vermuthungen  darüber 
gestattet  sind. 

Leider  stehen  mir  auch  die  im  Jahre  1536  erschienenen  Briefe 
Oecolampad's  und  Zwingli's  nicht  zu  Gebote ;  Herr  Professor  Herzog, 
wohl  der  genaueste  und  vertrauteste  Kenner  von  Oecolampad's  Wer- 
ken unter  allen  jetzt  Lebenden,  an  den  ich  mich  wandte,  ersetzte  mir 
diesen  Mangel  durch  folgende  Data,  wodurch  er  mich  zum  lebhafte- 
sten Danke  verpflichtet  hat.  Schon  am  29.  Juli  schreibt  Oecolampad 
einen  Brief  an  den  Mainzer  Prediger  Hedio  von  der  Ebernburg  aus 
(Fol.  210  b);  er  muss  also  vor  diesem  Tage  von  Frankfurt  zurück- 
gekehrt sein  und  sein  Aufenthalt  dahier  wird  schwerlich  über  drei 
Wochen  gedauert  haben.  Zwei  folgende  Briefe  an  Hedio  von  der 
Ebernburg  aus  sind  208  b  vom  15.  October  (Jdibus  Octobris)  und 
200  a  vom  10.  November  datirt.  In  dem  ersteren  beklagt  er  das  un 
fruchtbare  Feld,  das  er  mit  seiner  Thätigkeit  auf  der  Ebernburg  be 
stelle:  hic  enini  in  petra  sementem  facio.  Zugleich  Üieilt  er  mit,  dans 
er  bereits  vierzig  Ilomilien  des  Chrysostomus  Ubersetzt  habe.  Iu 


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dem  letztern  erklärt  er,  wenn  binnen  drei  Wochen  kein  Brief  von 
seinen  Eltern  bei  Hedio  einlaufe,  bo  wolle  er  sich  zur  Reise  rüsten 
und  nach  Basel  zu  seinem  Cratander  ziehen  (itineri  nie  accingar,  ut 
Basileam  ad  Cratandrum  meum  proficiscar).  Der  erwartete  Brief  scheint 
unmittelbar  darauf  eingetroffen  zu  sein,  denn  am  16.  November  1523 
kam  er  in  Basel,  wo  ihn  ein  segensreicher  Wirkungskreis  erwartete, 
an  und  stieg  bei  seinem  Freunde,  dem  Buchdrucker  Cratander,  ab. 
Wenn  man  erwägt,  von  welcher  Zufälligkeit  er  selbst  den  Zeitpunkt 
seiner  Abreise  abhängig  machte  und  wie  rasch  er  dieselbe  angetre- 
ten haben  muss,  so  wird  man  schon  aus  diesen  Gründen  die  Ver- 
muthung  von  Strauss  II,  241  unwahrscheinlich  finden,  dass  Hutten, 
Oecolampad  und  Hartmuth  von  Cronberg  die  Reise  nach  Basel  we- 
nigstens theilweise  zusammen  gemacht  haben  dürften;  sie  gründet 
sich  nämlich  auf  die  Aussage  des  Kanzlers  Heinr.  Schwebel  im  Jahre 
1597  (Böcking  II,  473),  dass  Sickingen  vor  der  Belagerung  von 
Landstuhl  (also  1523)  die  zu  dem  Waffendienst  weniger  Tauglichen 
seiner  Freunde  von  seinen  Burgen  entlassen  habe,  was  ja  auf  Hutten 
und  Oecolampad,  die  bereits  1522  fortgingen,  keinen  Bezug  haben 
kann,  noch  auf  die  ganz  zufällige  Thatsache,  dass  am  23.  November 
die  drei  Männer  in  Basel  waren.  Hutten  ist  wohl  schon  viel  früher 
abgezogen,  da  er  sich  längere  Zeit  in  Schlettstadt  aufhielt,  ehe  er 
nach  Basel  kam ;  Oecolampad  muss  sehr  direct  und  rasch  gereist 
sein,  da  er  am  10.  November  die  Zeit  seiner  Abreise  selbst  noch 
nicht  wusste  und  am  16.  schon  in  Basel  ankam.  Der  geächtete 
Hartmuth  von  Cronberg  endlich  wird  schon  vorher  auf  seiner  Flucht 
so  schnell  wie  möglich  den  Schweizerboden  zu  erreichen  gesucht  und 
schwerlich  erst  auf  Reisegesellschaft  gewartet  haben. 

In  einer  Notiz  des  jüngeren  M.  Ritter  (f  1588),  in  welcher  wir 
die  Ueberlieferungen  der  Holzhausen'schen  und  Fürstenberger'schen 
Familien  kurz  zusammengedrängt  finden  (Luther's  und  Melanchthon's- 
herbergen  S.  76)  wird  uns  mitgetheilt,  dass  Nesen,  nachdem  ihm 
Cochlaeus  und  der  Carmeliter  Thad.  D.  (wahrscheinlich  Doctor  Joh. 
Dietenberger  *)  die  Freundschaft  gekündigt  hatten,  mehrere,  die  we- 


*)  Joh.  Dietenberger,  geboren  zu  Dietenbergen ,  in  Mainz  gebildet,  dann  Ca- 
nonicos  zu  St.  Bartholomaei  dahier,  zog  sich  um  der  Studien  willen  in  das  Domi- 
uicnnerkloster  dabicr  zurück  und  wurde  1515  in  Mainz  zum  Doctor  der  Theologie 
promovirt.  Nachdem  er  sich  durch  mehrere  Schriften  als  Gegner  der  Reformation 
bekannt  gemacht,  auch  als  Inquisitor  gewirkt,  starb  ur  1537  zu  Mainz,  wo  er 
(wahrscheinlich  seit  in  Frankfurt  seines  Bleibens  nicht  mehr  gewesen)  gleich- 
falls ein  Catiouicat  an  der  Liebtrauenkirche  verwaltet  hatte,  wurde  aber  im  hioBi- 

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-    162  - 


gen  der  Religion  flüchtig  geworden,  wie  einen  gewissen  Ibach,  Otto 
Brunfels  und  andere  fromme  Männer  aufgenommen  und  ihnen  Her- 
berge gewährt  habe.  Dass  auch  Oecolampad  darunter  gehörte,  be- 
urkundet Nesen's  Brief;  Ritter  hat  seinen  Namen  nicht  genannt;  ent- 
weder war  derselbe  im  Laufe  der  Zeit  in  dieser  Ueberlieferung  ver- 
klungen und  nicht  mehr  auf  Ritter  gekommen,  oder  wollte  dieser  als 
fanatischer  Eiferer  für  das  Lutherthum  der  Concordienformel  die  An- 
fänge der  Reformationszeit  durch  die  Erinnerung  an  den  Zwingli'sch 
gesinnten  Reformator  nicht  herabsetzen.  Jedenfalls  verbürgen  alle 
diese  Nachrichten,  dass  Nesen  nicht  bloa  durch  die  Belebung  des 
klassischen  Altcrthuuis  der  Reformation  in  Frankfurt  vorgearbeitet,  son- 
dern sie  auch  durch  positive  religiöse  Thätigkeit  in  den  Kreisen  sei- 
nes Umgangs  selbst  begründet  hat.  Er  war  nicht  allein  Humanist, 
sondern  zugleich  entschiedener  und  eifriger  Beförderer  der  Reforma- 
tion, und  diese  Seite  seiner  Wirksamkeit,  von  keinem  Frankfurter 
Oeschichtschreiber,  auch  nicht  von  Classen  in  seinen  Mittheilungen 
über  Wilhelm  Nesen,  näher  berücksichtigt,  haben  wir  noch  später 
in  das  Auge  zu  fassen. 

Wilhelm  Nesen  war  ursprünglich  von  der  milden  Erasmischcn 
Richtung  ausgegangen,  hatte  sich  aber  seit  Luthcr's  Auftreten  mit 
immer  wärmerer  Theilnahme  der  reformatorischen  Bewegung  zuge- 
wandt *).    Der  Reichstag  in  Worms  und  Luther's  zweimalige  Anwe- 


hen Dominicanerklostcr  beigesetzt  (vgl.  Ritter  cv.  Denkmal,  S.  96  und  Nebe  a  a. 
0.  III,  29,  wo  auch  ein  Verzeichnis«  seiner  Schriften).  Dass  ihm  aber  M.  Kitter 
den  Vornamen  Thaddaeua  beilegt  and  ihn  zu  einem  Carmcliter  macht,  kann  bei 
einem  Epigonen  der  Reformationszeit  im  letzten  Viertel  des  16.  Jahrhunderts  nicht 
befremden.  Scheint  er  doch  schien  eigentlichen  Namen  nicht  mehr  klar  gewusst 
zu  haben.  Oleichwohl  ist  keine  andere  Persönlichkeit  bekannt,  an  die  man  bei  aei- 
uer  Notiz  denken  könnte. 

*)  üeber  Nesen  hatHr  Prof.  Nebe  in  seinen  Abhandinngen:  zur  Geschichte  der 
evangelischen  Kirche  in  Nassau,  3.  Abtbig.  1866,  S.  24-35,  interessante  Mittbci 
lungen  gemacht.  Er  ist  1493  zu  Nastitten  geboren  und  empfing  eine  tfichtige 
Bildung.  Von  1514  —  1517  sttidirte  er  in  Basel  und  verdiente  sich  seinen  Lebens- 
unterhalt als  Corrector  in  gelehrten  Buchdruckereien.  Hier  lernte  er  wahrschein- 
lich 1515  Zwingli  kennen  und  trat  in  vertraute  Verhältnisse  mit  Erasmus  von 
Rotterdam,  dessen  Schriften  er  corrigirte  und  dem  er  bei  seiner  Ausgabe  des  Se- 
neca  wesentliche  Dienste  loistete.  1517  begleitete  er  Nicobus  und  Kraft,  die  bei- 
den Söhne  Claus  Stallburger's  des  Reichen  (sein  und  seiner  Ehefrau  Margaretha 
vom  Rhein  Bild  befindet  sich  noch  in  der  StüJel'schen  Gemäldegallerie),  nach  Pa- 
ris, und  während  er  ihre  Studien  leitete,  hört«  er  selbst  dort  Vorlesungen  und  er- 
freute sich  des  Umganges  mit  Gelehrten  verschiedener  Nationen.  Im  folgenden 
Jahre  berief  ihn  Erasmus  nach  I,öwen,  wo  er  am  Collegium  trilingne  Vorlesungen 


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-    163  — 


senhcit  in  Frankfurt,  die  Auszeichnung,  die  ihm  von  dem  grossen 
Manne  widerfuhr,  und  die  Gespräche,  die  er  mit  ihm  in  seinem 
Hause  gepflogen,  scheinen  den  Wendepunkt  zu  bilden,  an  welchem 
diese  Theilnahme  in  die  offene  freie  Thätigkeit  überging  und  Luther's 
Sache  zu  seiner  eigenen  wurde.  Von  jetzt  an  sehen  wir  ihn  nicht 
Mos  mit  Cochlaeus  brechen  und  in  mannigfachen  Verkohr  mit  refor- 
matorischen Persönlichkeiten,  wie  Zwingli  und  Oecolampad,  und  mit 
Flüchtlingen,  wie  Ibach  und  Brunfels,  treten,  sondern  auch  sich  litte- 
rarisch in  dieser  Richtung  bethätigen.  Wir  haben  bereits  oben  aus 
den  Bürgermeisterprotokollen  raitgetheilt,  dass  die  Deputation,  welche 
der  Rath  in  der  Woche  nach  Oculi  1522  an  den  ChurfUrston  nach 
Mainz  geschickt,  nicht  blos  die  Predigten  Ibach's,  sondern  auch 
Nesen  habe  entschuldigen  sollen,  der  Bücher  Luther's  in  das  Deutsche 
transferirt  und  in  Druck  gegeben  habe.  Vielleicht  war  darunter  auch 
das  Büchlein  über  die  Babylonische  Gefängniss  der  Kirche,  welches 
den  ersten  Angriff  auf  die  Siebenzahl  der  Sacramente  enthielt, 
denn  dieses  hatte  schon  bei  seinem  Erscheinen  so  erbitternd  auf 
Cochlaeus  gewirkt,  dass  er,  wie  er  selbst  erzählt,  darauf  sofort,  noch 
vor  dem  Wormser  Reichstag,  drei  Bücher  zur  Widerlegung  schrieb, 
die  aber  nicht  im  Drucke  erschienen  sind.  Ist  unsere  Vermuthung 
begründet,  so  erklärt  es  sich  um  so  leichter,  wie  Cochlaeus  noch  im 
Sommer  oder  Herbst  des  Jahres  1622  dazu  kam,  gegen  Luther  eine 
neue  Schrift  de  sacramentorum  gratia  abzufassen,  welche  wiederum 
das  grosse  Thema  der  Babylonischen  Gefängniss  der  Kirche  be- 
handelte. Keiner  der  ungenauen  Cataloge  von  Cochlaeus  Schriften 
fuhrt  sie  auf,  er  selbst  aber  giebt  an,  dass  sie  im  Winter  1522  auf 
1523  gedruckt  worden  sei.  Nesen  schickte  sie  sofort  an  Luther  uud 
forderte  diesen  zu  einer  Gegenschrift  auf.  Diese  erfolgte  denn  auch 
in  den  ersten  Monaten  des  Jahros  1523  unter  dem  Titel:  Bescheid 
vom  Glauben  und  Werken  wider  den  gewaffneten  Mann  Cochlaeum 


hielt;  aber  der  Humanismus,  den  er  mit  frischer  Begeisterung  vertrat,  entzfigelu« 
K'^en  ihn  den  Fanatismus  der  Theologen,  der  ihn  nach  kurzer  Wirksamkeit  schon 
in  demselben  Jahre  1518  ans  Löwen  vertrieb.  Bis  zum  Ende  desselben  lebte  er 
gastlich  im  Stallbnrger'schcn  Hause  zu  Frankfurt,  im  December  reiste  er  zu  aei- 
uen  Schweizerfreunden  und  kehrte  im  Januar  nach  Paris  zurück,  bis  ihm  des  Eras- 
mus Empfehlung  im  Frühjahre  1520  die  Berufung  an  die  neugegründete  lateinische 
Stadtschule  in  Frankfurt  verschaffte.  Die  Bezeichnung  schola  parriciorum  beruht., 
was  wir  diesen  Mittheilungen  noch  anfügen,  auf  Irrthum  und  ebenso  irrig  ist  die 
Vorstellung,  dass  dieselbe  von  Patriciern  mit  eigenen  Mitteln  gegründet  worden 
sei.  Nesen  empfing  seine  Besoldung  aus  der  Rechencikasso 

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164  - 


in  lateinischer  Sprache  (Tom.  II  Witemberg.  p.  438  und  tom.  II 
Jenens.  p.  599,  deutsch  bei  Walch  XJX,  689)  und  ist  Wilhelm  Nesen 
gewidmet.    Er  behandelt  darin  Cochlaeus,  den  er  als  die  Schnecke 
und  als  den  Kochlöffel  anredet,  mit  wahrhaft  souveräner  Verachtung. 
Schon  das  Motto :  „einem  Weibe  stehet  ein  Rocken  wohl  an,"  ist 
charakteristisch.  „Mein  Wilhelm,"  so  beginnt  das  Büchlein,  „so  du 
vielleicht  denken  magst,  wie  ich  bei  jetziger  Fastnacht  anfahe  auch 
seltsame  Possen  zu  reissen  mit  diesem  Büchlein,  so  sollt  du  wissen, 
dass  Niemand,  denn  du  selbst,  solcher  Possen  Anstifter  bist,  damit 
dass  du  mich  nöthigst,  einem  solchen  Menschen  zu  antworten,  wel- 
chen du  und  deine  Frankfurter  vorlängst  als  einen  Narren  erkannt 
und  ausgelernt  habt.  Und  scheinet,  dass  er  das  Büchlein  wider  mich 
aus  keiner  andern  Ursach  habe  lassen  ausgehen,  denn  dass  er  seine 
Unsinnigkeit  je  wohl  offenbarte  in  aller  Welt." 

Cochlaeus  Hess  mit  der  Antwort  nicht  auf  sich  warten.  Schon 
am  12.  April  1523  vollendete  er  die  Schrift:  Wiederum  von  der 
Gnade   der  Sacramente  gegen  den  Minotaurus  im  Mönchsgewand 
zu   Wittenberg  (adversus  cucullatum    Minotaurum  Wittebergensem 
J.  Cochlaeus  de  sacramentorum  gratia  iterum.  Anno  1523  s.  1.).  Sie  steht 
an  massiver  Grobheit  der  Luther'schcn  Abwehr  nicht  nach.  Auf  den 
theologischen  Streit  lassen  wir  uns  hier  nicht  ein.    Wichtig  sind  uns 
nur  die  historischen  Nachrichten,  die  wir  aus  dieser  Schrift  des  Coch- 
laeus entnehmen  dürfen.    Er  sandte  das  •  Manuscript  an  den  Buch- 
drucker, der  im  Winter  »eine  erste  Schrift  de  sacramentorum  gratia 
gedruckt  hatte,  allein  dieser  stiess  auf  den  Widerstand  der  Censoren. 
Die  unten  weiter  mitzutheilenden  Thatsachen  gestatten  uns  nicht  an 
einen  Frankfurter  Buchdrucker  zu  denken:  hier  war  bereits  früher 
dem  Cochlaeus  verboten  Bücher  gegen  Luther  erscheinen  zu  lassen. 
Erst  am  2.  Juli  sah  Cochlaeus  sein  Büchlein  fertig  und  konnte  die 
Vorrede  dazu  schreiben.    Er  wendet  sich  in  demselben  an  Nesen 
selbst,  den  er  wegen  seiner  Aufreizung  Luthers  gegen  ihn  bitter 
tadelt  und  gegen  den  er  seine  Unschuld  vertheidigt :  „Was  habe  ich 
hier  gethan  oder  was  thue  ich,  das  mich  dir  so  entsetzlich  thöricht 
uud  unvernünftig  erscheinen  Hesse,  ausser  dass  ich  schon  über  zwei 
Jahre  (also  schon  vor  dem  Reichstage  von  Worms)  gegen  deinen 
Minotauron  geschrieben  habe  und  schreibe,  und  mit  festen  Gründen 
der  Schrift  dessen  Gottlosigkeiten  entkräfte?''    Alle  diese  früheren 
Schriften  des  Cochlaeus  scheinen  verloren  gegangen,  wenigstens  habe 
ich  deren  keine  in  irgend  einem  Verzeichnisse  gefunden.  Einen 
„Peroratio  ad  Nescnum"  überschriebenen  Abschnitt  beginnt  er  siege« - 
gewiss  mit  deu  Worten:    „Sage  nun,  ich  bitte  dich,  mein  Nesen, 


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165 


deinem  Kalbe,  es  habe  seit  mehr  denn  fünf  Jahren  aUzuviele  Kalbs- 
sprünge gemacht,  damit  es  aufhöre  zu  spielen,  da  es  nach  seinem 
Beinamen  für  einen  Schauspieler  gehalten  und  nur  geduldet  wird, 
damit  wir  ihm  nicht  heute  oder  morgen  mit  Paulus  zurufen :  Glaubst 
du,  halb  Mensch,  halb  Kalb,  der  du  Andere  in  dem  richtest,  was  du 
selbst  thust,  du  werdest  dem  Gerichte  Gottes  entgehen?    Oder  ver- 
achtest du  also  den  Reichthum  seiner  Güte,  Geduld  und  LangrauthV 
Du  aber  mit  deinem  harten  und  unbussfertigeu  Herzen  häufst  dir 
selbst  den  Zorn  auf  den  Tag  des  Zornes"  u.  s.  w.    Am  Schlüsse 
wendet  er  sich  nochmals  an  Nesen  :  „Ich  inuss  dich  noch  bitten,  dass 
du  Niemanden  fiirder  zur  Abfassung  eines  so  schmählichen  Buches 
Anlaas  werdest,  da  ich  dich  meines  Wissens  vorher  nie  mit  einem 
Worte  oder  einer  That  beleidigt  habe.  Wenn  du  aber  Andere  gegen 
mich  zu  reizen  und  aufzuhetzen  fortfahren  wirst,  so  habe  ich  sicher- 
lich noch  Briefe  von  Dir  und  den  Deinigen,  womit  ich  mich  verthei- 
digen  und  dir  vergelten  kann."   Auch  diese  Worte  beweisen,  dass 
er  mit  Nesen,  wie  mit  dessen  Gönnern,  denn  nur  auf  diese  können 
„die  Deinigen"  bezogen  werden,  früher  im  besten  Einvernehmen  und 
im  vertraulichen  Umgange  gestanden,  dass  aber  dieses  Einverständ- 
nis seit  dem  Reichstage  von  Worms  sich  gelöst  und  in  bittere  Feind- 
schaft umgewandelt  hatte.  Um  dieselbe  Zeit  erschien  von  Joh.  Coch- 
Iaeus  in  lateinischer  Sprache,  Ubersetzt  von  dem  hiesigen  Dominica- 
ner Johann  Dietenberger,  „ein  christliche  Vermahnung  der  heiligen 
Stadt  Rom  an  das  Teutschland,  ihr  Tochter  im  Glauben".  Cochlaeus 
hat  sie  Papst  Hadrian  VI.  gewidmet  und  die  Vorrede  Frankfurt  am 
Main  23.  März  1523  datirt.    Von  jetzt  an  verliess  fast  jedes  Jahr 
eine  Schrift  des  Cochlaeus  gegen  Luther  die  Presse;  wenige  Schrift- 
steller des  katholischen  Heerlagers  sind  so  rührig  und  unermüdet 
gewesen,  als  dieser.    Luther  hat  sich  nicht  mehr  ermüssigt  gesehen 
ihm  zu  antworten.  Am  1.  Februar  1524  sehreibt  er  an  Spalatin,  der 
ihm  zwei  Schriften  desselben  von  Nürnberg  geschickt,  wohin  er  den 
Churftlrsten  von  Sachsen  auf  den  Reichstag  begleitet  hatte  (de  W. 
II,  473):  „Cochlaeo  zu  antworten  ist  nicht  noth,  weil  wir  mit  nütz- 
licheren Arbeiten  beschäftigt  sind  und  weil  dergleichen  Bücher  alle 
Tage  durch  sich  selbst  wieder  verschwinden."    Eine  einleuchtende 
Bemerkung:  während  Luther's  Schriften  vollständig  gesammelt  sind 
und  eine  neue  Ausgabe  derselben  jetzt,  mit  kritischer  Sorgfalt  ver- 
anstaltet, ihrer  letzten  Vollendung  entgegensieht,  sind  des  Cochlaeus 
Arbeiten  fast  sämmtlich  verschollen :  kaum  zwei  derselben,  sein  Le- 
ben Luther's  und  seine  Geschichte  der  Hussiten,  verdanken  es  dem 
historischen  Materiale,  das  sie  neben  vielem  Einseitigen  und  Unrich- 


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tigen  enthalten,  dass  nach  ihnen  noch  eine  Nachfrage  besteht  Nicht 
einmal  ein  vollständiges  Verzeichnisa  seiner  Werke  ist  mir  bekannt 
Derjenige,  welchen  er  durch  seine  Sclirift  gegen  den  Wittenberger 
Miuotaurus  in  der  Mönchskutte  am  empfindlichsten  zu  treffen  hoffte, 
Wilhelm  Nesen,  war  bei  ihrem  Erscheinen  nicht  mehr  in  Frankfurt 
Vielleicht  hatte  ihm  der  Streit  mit  Cochlaeus  den  Aufenthalt  verbit- 
tert, vielleicht  hatten  seine  Gönner,  weil  er  zu  leidenschaftlich  im 
Religionsstreit  vorgegangen  war  und  zu  rücksichtslos  Partei  ergriffen 
hatte,  seine  Entfernung  auf  einige  Zeit  in  seinem  eigenen  Interesse 
wünschenswerth  gefunden,  wir  wissen  aus  Lersncr's  Chronik  II,  II,  110, 
dasB  er  am  Donnerstag  nach  Dreikönigen  1523  mit  Clas  Stalburger 
sich  beredete  und  ihn  bat:  nachdem  er  sich  drei  Jahre  einem  Rathe 
zu  dienen  verschrieben,  die  Jungen  zu  lehren,  so  sei  er  Willens  wie- 
derum zu  studieren  und  begehre  dazu  Urlaub ,  er  schlage  an  seiner 
Statt  für  die  Zeit  seines  Ausbleibens  Meister  Ludwig  vor.  Der  Bath 
beschloss  ihm  die  geforderte  Erlaubuiss  zu  geben.  Walirseheinlich 
hat  er  bereits  vor  Ende  März  Frankfurt  verlassen,  denn  schon  in  den 
ersten  Tagen  des  April  schreibt  Cochlaeus  in  seinem  Wittenberger 
Minotaurus,  er  werde,  nach  der  Verleumdung  der  Frankfurter  durch 
Luther,  zu  der  er  den  Anlass  gegeben  habe,  niemals  mit  Ehren  zu- 
zUckkehren  können.  Als  Stellvertreter  hatte  Nesen  den  Ludwig 
Carinus  gestellt,  der  bis  zu  der  Ankunft  des  Micyllus  im  Herbste 
1524  die  lateinische  Schule  leitete.  Auch  Carinus  war  der  neuen 
Richtung  zugethau,  denn  mit  Wolfgang  Fabricius  Capito  war  er  ün 
Frühjahr  1520  als  dessen  Schreiber  von  Hasel  nach  Mainz 'gekom- 
men *);  auch  mit  Erasmus  und  Mclanchtlion  war  er  bekannt  und 


*)  Die  bis  jetzt  bekannten  Thatsachen  ans  dem  Leben  des  Carinus  sind  fol- 
gende. Er  ist  geboren  in  Luzern.  1517  ging  er  mit  den  beiden  Söhnen  Clans 
Stallburger's,  Clans  und  Kraft,  unter  Nesen's  Leitung  nach  Paris  und  genosa  daselbst 
bis  1518  dessen  humanistischen  Unterricht  Schon  in  dieser  Zeit  interessirte  sich 
für  ihn  freundlich  Erasmus  von  Rotterdam,  wie  dessen  Brief  vom  27.  Febr.  1517 
(vgl.  Classen  „Micyll"  S.  50,  Anm.  30)  beweist  In  die  folgenden  Jahre  fallt  jeden- 
falls seine  Hauslehrcrstellung  in  der  Familie  Fugger  zu  Augsburg  und  die  Verwal- 
tung eines  Canonicates  zu  Luzern,  das  er  indessen  wegen  seiner  freisinnigen  Rieh 
tung  und  seiner  Hinneigung  zur  Reformation  wieder  verlor  (Freher  Theatr.  vir.  erud. 
clar.  p.  1262  und  Classen  a.  a.  0.  S.  52).  Ehe  er  nach  Mainz  ging,  muss  er  sich 
in  Basel  aufgehalten  haben,  da  er  von  hier  aus  im  Frühjahr  1520  an  den  chur- 
fürstlichen  Hof  mit  Capito  flbersiedelte  (Baum,  Capito  und  Bucer  S.  56).  Von 
Frankfurt  scheint  er  1524  nach  Basel  zurückgekehrt  zu  sein  und  hier  de»  Eras- 
mus Unterricht  genossen  zu  haben  (Classen  47  und  51,  Anm.  38).  Aber  bald  nach 
1527  trat  ein  dauernder  Bruch  zwischen  ihm  und  Erasmus  ein,  dem  er  es  nicht 


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befreundet  (Classen  Micyllus  47  u.  Anra.  5.  51).  Da  die  Beziehung 
zu  dem  ersteren  auch  noch  1527  bestand,  so  dürfen  wir  wold  anneh- 
men, dass  seine  -Richtung  ungleich  milder  und  unentschiedener  war, 
als  die  seines  Vorgängers.  Im  Juli  1523  musste  es  wohl  als  ausge- 
macht gelten ,  dass  Nesen  nicht  mehr  nach  Frankfurt  zurückkehren 
werde.  Wenigstens  trat  der  Rath  am  Donnerstag  nach  Ulrici 
(4.  Juli)  mit  Carums  in  Verhandlung,  dass  er  sich  auf  drei  Jahre 
der  Schule  verpflichte;  obgleich  er  sich  dazu  bereitwillig  erklärt 
hatte,  muss  sich  dennoch  der  Plan  zerschlagen  haben,  da  bekanntlich 
schon  am  14.  September  1523  Jacob  Micyllus,  der  junge  Freund 
Melanchthon's,  die  dreijährige  Verpflichtung  unterschrieb,  aber  seine 
Stelle  noch  ein  Jahr  lang  durch  Carums  versehen  Hess.  Nesen  hatte 
sich  nach  Wittenberg  begeben  und  dort  auf  einer  Elbofahrt  am 
6.  Juli  1524  seinen  Tod  in  den  Wellen  gefunden.  Für  Frankfurt 
war  sein  dreijähriges  Wirken  von  grosser  Bedeutung  geworden. 
Er  vornehmlich  ist  es  gewesen,  der  den  blos  humanisti- 
schen und  antihierarchischen  Tendenzen  in  den  freisinni- 
gen Frankfurter  Kreisen  erst  die  bestimmte  Grundlage 
einer  eigentlich  religiösen  und  evangelischen  Ueberzeu- 
gung  gegeben  hat.  Der  wesentliche  und  durchgreifende  Unter- 
schied, wie  er  zwischen  einem  Philipp  Fürstenberger  und  Haman  Holz- 
hausen auf  der  einen  und  einem  Arnold  Glauburger  auf  der  andern 
Seite  bestand,  wird  nur  begreiflich,  wenn  man  neben  dem  Fortschritt 
der  Zeit  und  der  Reformation  überhaupt  seine  Wirksamkeit  in 
Frankfurt  dazwischen  in  Anschlag  bringt  Cochlaeus'  Ansehen,  seit 
dem  Reichstage  von  Worms  ohnehin  schon  hinfällig,  hatte  durch  den 
Streit  mit  Nesen  und  Luther  den  letzten  Stoss  erhalten.  Seine  Stel- 
lung war  erschüttert,  der  Boden  unter  seinen  Füssen  wankte.  Daraus 
werden  die  weiteren  Mittheilungen  vollkommen  verständlich,  die  wir 
über  ihn  empfangen.  Er  erscheint  nämlich,  nach  dem  Berichte  Wolf- 
gang Königstein's,  am  10.  December  1522  mit  Notar  und  Zeugen  vor 
dem  Liebfrauenkapitel  und  insinuirt  ein  päpstliches  Indult  des  In- 
halts: da  Cochlaeus  etliche  Bücher  gegon  Luther  geschrieben,  aber 


vergeben  konnte,  dass  er  den  verunglückten  Nesen  beschuldigte,  er  habe  die  ihm 
:uifgetragene  Texteskritik  des  Seneca  seiner  Zeit  ohne  die  notwendige  Sorgfalt 
vollzogen.  Vielleicht  war  diese  Verstimmung  die  Ursache,  dass  Carums  sich  noch 
vor  dem  Jahre  1530  nach  Dole  in  Südfrankreicb  begab  und  dort  längere  Zeit  ver- 
weilte (vgl  bei  Classen  S  52  den  Brief  des  Vigliuu  von  Aytta,  der  noch  vor  dem 
am  12.  Juli  lf>36  erfolgten  Todo  des  Erasmus  geBchriebcn  ist  und  diese  Vorgänge 
hIs  vor  6  Jahren  geschehen  borichtet).  Er  kehrte  später  wieder  nach  Basel  zurück, 
lugte  sich  auf  die  Medizin  und  starb  am  17.  Januar  1569. 


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dieselben  nicht  habe  herausgeben  dürfen,  da  ferner  in  Frankfurt  »eine 
Sicherheit  durch  solche  bedroht  sei,  welche  den  Schriften  Luther's 
anhingen,  so  werde  dem  Capitel  der  apostolische  Befehl  ertheilt,  ihm 
sein  corpus  decanatus  (d.  h.  seine  Einkünfte  als  Decan),  sowie  seine 
Präbcndc  (d.  h.  seine  regelmässigen  Einkünfte  als  Canomcus)  neb«t 
den  täglichen  Distributionen  (den  sogenannten  Präsenzen)  zu  geben, 
damit  er  anderswo  sicherer  leben  möge.  Wir  ersehen  daraus,  dass 
der  Rath,  in  der  wohlwollenden  Absicht  die  Aufregung  nicht  zu  stei- 
gern, wie  er  auf  der  einen  Seite  gerne  dem  Andringen  de«  Mainzer 
Ordinariates  nachgab  und  den  Ilartmann  Ibach  entfernte,  so  auf  der 
andern  den  Druck  und  Verkauf  der  Luther  feindlichen  Schriften  des 
Cochlaeus  verbot ;  nicht  minder  zeigt  uns  das  Verlangen  des  aposto- 
lischen Stuhles ,  dass  seine  bürgerliche  und  gesellschaftliche  Stellung 
in  Frankfurt  seit  dem  Wormser  Reichstage  unhaltbar  geworden  war. 
Der  öffentliche  Spott ,  der  ihn  schon  in  den  Strassen  zu  Worms  auf 
Schritt  und  Tritt  umtönt  hatte,  begleitete  ihn  sicher  auch  nach  Frank- 
furt und  verfolgte  ihn  noch  später  auf  seinen  Lebensbahnen.  Wir 
behaupten  nicht  zu  viel,  wenn  wir  sagen,  dass  die  blosse  Beziehung 
zu  ihm  und  der  Verkehr  mit  ihm  schon  hinreichte,  verdächtig  und 
verhasst  zu  machen ;  entschuldigt  er  doch  selbst  im  Jahre  1526  sein 
seltneres  Schreiben  an  Pirckheimer  mit  der  Besorgniss,  seine  Briefe 
möchten  in  fremde  Hände  kommen  und  dem  Rufe  des  Gönners  scha- 
den, denn  er  höre,  so  gross  sei  der  Haas  gegen  ihn,  dass  selbst  seine 
Bücher  unter  dem  Auathema  der  öffentlichen  Meinung  stünden. 
Darum  aber  kümmere  er  sich  nicht,  sondern  er  freue  sich,  dass  seine 
Schriften  den  Feinden  der  katholischen  Kirche  missfielen.  In  dem- 
selben Briefe  erzählt  er,  er  sei  in  Speier  Herrn  Christ  Kresa,  wahr- 
scheinlich einem  Verwandten  des  Nürnberger  Propstes,  begegnet, 
habe  ihn  aber  aus  Schonung  nicht  angeredet,  damit  ihm  nicht  bei 
den  Seinen  üble  Nachrede  entstehe. 

Allein  nicht  blos  bei  den  Gegnern,  sondern  auch  bei  den  Ge- 
mässigten seiner  Parthei,  insbesondere  bei  dem  Clerus  von  Frank- 
furt und  seinem  eigenen  Capitel,  scheint  das  polemische  Auftre- 
ten des  Cochlaeus  nicht  die  Anerkennung  und  Zustimmung  gefunden 
zu  haben,  auf  die  er  als  Vertreter  gemeinsamer  Interessen  rechnen 
zu  dürfen  glaubte.  Wahrscheinlich  hatte  mau  doch  das  klare  Ge- 
fühl, wie  viel  er  dazu  beigetragen  hatte  den  bestehenden  Hass  gegen 
den  Clerus  noch  zu  steigern.  Wolfgang  Königstein,  der  ihn  noch 
im  Juli  1520  als  einen  verehrungswürdigen  und  vortrefflichen  Mann 
characterisirt  hatte,  äussert  sich  seit  der  Wormser  Reise  über  ihn 
mit  auffallender  Kälte  und  giebt  sich  sogar  den  Anschein,  als  ob  er 


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nur  darum  über  Vieles  schweige,  um  nieht  ein  allzu  ungünstiges  Ur- 
theil  fallen  zu  müssen.  Obgleich  es  damals  auch  in  Frankfurt  gar 
nichts  ungewöhnliches  war,  dass  der  Inhaber  einer  Präbende  oder  einer 
Prälatur  seine  Einkünfte  auswärts  verzehrte,  da  die  Residenzpflicht 
nur  die  ersten  sechs  Monate  umfasste,  so  lehnte  dennoch  das  Capitel 
das  päpstliche  Indultum  mit  der  Bemerkung  ab,  dass  es  dasselbe  so 
nicht  annehmen  könne,  sondern  sich  terminum  juris  vorbehalte,  die 
Sache  weiter  zu  bedenken.  Cochlaeus  selbst  erzählt  in  Luther's 
Leben,  dass  er  wegen  aufrührerischer  Bewegungen  zuerst  Frankfurt, 
dann  Mainz  verlassen  und  in  Cöln  als  Flüchtling  gelebt  habe.  Da 
er  noch  am  12.  Februar  1525  von  Frankfurt  aus  einen  Brief  an 
Pirckheimer  gerichtet  hat,  so  muss  seine  völlige  Entfernung  aus  unse- 
rer Stadt  bald  nach  diesem  Datum  erfolgt  sein.  Wahrscheinlich  fand 
sie  im  März  statt  Schon  im  Juli  datirt  er  Schriften  in  Cöln.  Erst 
1526  wurde  ihm  ein  Canonicat  zu  St.  Victor  in  Mainz  zu  Theil,  aber 
mit  ungeheuren  Kosten,  er  musste  pro  statutis,  pro  domo,  pro  eman- 
eipatione,  pro  fabrica  etc.  300  Goldgulden  entrichten  imd  entbehrte 
ein  Jahr  lang  alle  Einkünfte  (Heumann  p.  55).  Auf  sein  Decanat  und 
seine  Präbende  am  hiesigen  Liebfrauenstifte  hatte  er  keineswegs  ver- 
zichtet, wie  auch  ein  Nachfolger  für  ihn  nicht  erwählt  ward,  sondern 
seine  Stelle  vorläufig  unbesetzt  blieb;  aber  bezahlt  wurden  ihm  die 
Einkünfte  dieser  Stellen  nicht,  das  Capitel  hatte  sie  mit  Arrest  be- 
legt. Wir  ersehen  nämlich  aus  einem  Briefe  des  Cochlaeus  im  hiesi- 
gen Stadtarchiv  vom  24.  August  1527,  dass  die  Pächter  der  Güter, 
auf  welchen  die  Einkünfte  des  Decanates  ruhten,  vom  Capitel  ange- 
wiesen worden  waren,  den  Zins  nicht  mehr  an  Cochlaeus,  sondern 
an  das  Capitel  oder  den  Kämmerer  zu  zahlen.  Er  erbietet  sich  dem 
Capitel  zu  einer  Vergleichsverhandlung.  Diese  muss  bald  darauf  zu 
Stande  gekommen  sein,  denn  schon  am  4.  November  1527  bekennt 
Cochlaeus  in  einer  Quittung,  die  sich  auf  dem  hiesigen  Stadtarchiv 
befindet,  dem  Capitel,  dass  er  in  Folge  freundschaftlicher  Verabre- 
dung von  demselben  20  rheinische  Gulden  empfangen  habe.  Am 
27.  November  1630  aber  genehmigte,  nach  Königstein's  Bericht,  das 
Capitel  einen  Vertrag,  kraft  dessen  er  sein  Decanat  und  seine  Prä- 
bende an  Jost  (Jodocus)  Lochmann,  einen  Vicar  des  Liebfrauenstiftes, 
abtrat.  Sein  Nachfolger  bezahlte  sofort  den  vinum  admissiouis  mit 
2  fl.,  sieben  Personen  vertheilten  sich  in  dieselben  so,  dass  der  Prälat 
12,  der  Canonicus  6  Albus  erhielt.  Damit  waren  die  Beziehungen 
des  Cochlaeus  zu  Frankfurt  auch  formell  gelöst  *). 

*)  Die  betreffenden  Stelleo  der  Königstein'schen  Handschrift  sind  von  mir 
grösstentheilB  in  den  Luthers-  und  Melanchthonsherbergen  abgedruckt.   Hier  füge 


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Dennoch  hat  Cochlaeus  seit  seiner  Entfernung  von  hier  noch 
zweimal  seinen  Einfluss  auf  hiesige  Verhältnisse  zur  Geltung  gebracht 
Im  Jahre  1525  war  auch  der  Stadtpfarrer  Dr.  Peter  Meyer  seinem 
Geschicke  erlegen;  längst  war  er  der  Gegenstand  des  leidenschaft- 
lichsten Hasses  bei  den  Bürgern;  er  selbst  beklagte  sich  in  einem 
Schreiben  an  den  Rath  vom  6.  September  1624,  dass  ihm  auf  der 
Strasse  Spottlieder  nachgesungen  wurden :  „der  Pfarrherr  uff  der 
Pfarr,  der  Pfarrherr  uff  der  Pfarr"  (Acta  des  K.  W.  betreffend  1,43); 
auch  Brod  und  Wein,  sagt  er,  hätten  sie  ihm  aufgehalten.  Seine 
leidenschaftlichen  Predigten,  namentlich  die  am  Sonntag  Reminiscere, 
12.  März  1525,  hatten  eben  solchen  Sturm  heraufbeschworen,  dass 
er  am  15.  März  die  Nacht  in  einer  Fischerhütte  zubrachte  und  am 
folgenden  Morgen  in  einem  „Scheich"  nach  Mainz  flüchtete.  Die 
bürgerlichen  Unruhen,  die  bald  darauf  ausbrachen,  machten  seine 
Rückkehr  unmöglich.  Im  Herbst  wählte  das  Bartholomäistiftscapitol 
an  seiner  Stelle  den  Friedrich  Nausea,  der  gerade  in  Italien  weilte 
und  erst  im  Frühjahr  nach  Frankfurt  kam.  Obgleich  vom  Cardinal 
Campeggi  warm  der  Stadt  empfohlen,  war  seine  Stellung  keine  be- 
neidenswerthe.  Während  der  Vacanz  des  Sommers,  seit  Pfingsten 
1525,  hatten  die  ersten  ständigen  Lutherischen  Prädicanten,  Dionysius 
Melander  und  Johann  Bernhard  von  Algesheim,  von  der  freistehen- 
den Kanzel  zu  St  Bartholomaei  Besitz  ergriffen  und  predigten  mit 
Genehmigung  des  Raths.  Als  daher  der  neue  Stadtpfarrer  im  An- 
fang des  Jahres  1526  in  Frankfurt  eintraf,  richtete  er  an  den  Rath 
die  Forderung,  die  beiden  Prädicanten  aus  der  Kirche  und  der  Stadt 
auszutreiben,  da  ihm  allein  als  rechten  und  einzigen  Pfarrer  die  Pre- 
digt und  Seelsorge  zukomme.  Der  Rath,  der  weder  in  dem  Pfarr- 
herrn das  erzbischöfliche  Ordinariat,  noch  in  den  beiden  Prädicanten 
die  Zünfte  beleidigen  wollte,  suchte  beiden  Partheien  gerecht  zu  wer- 
den, indem  er  Melander  und  Algesheimor  in  die  Barfüsser  Kircho 
wies  und  an  die  Zünfte  beruhigende  Worte  richtete.  Am  Sonntag 
Reminiscere,  25.  Februar  1526,  wollte  Friedrich  Nausea  seine  Antritts- 
predigt halten,  eine  grosse  Zuhörerzahl  hatte  sich  eingefunden,  aber 


ich  noch  die  letzte  zu,  welche  sich  auf  die  Permutation  des  Decanats  bezieht :  „Anno 
1590  den  27.  tag  Novembris,  der  do  was  prima  dorainica  aduentus  Domini  bat  hr. 
Jost  lochman  vicarius  eyn  missiven,  so  geschrieben  was  von  vnsserm  Dechanteo , 
angezeigt,  in  welcher  er  begert  consensum  permutandi  sein  Decanat  vnd  praeben- 
dam,  welches  Im  capitulariter  zugesagt  und  alssbald  goben  is,  salvis  oonsuetudini- 
bus,  das  hr.  Jost  auch  alsbald  bezalt  bait,  nemlich  2  fl.  7  peraonis,  prelato  12 
alboe  et  Canonico  6  albos.  Actum  vt  supra.u 


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nicht  in  friedlicher  Absicht ;  dass  er  die  beiden  Prädicanten  in  seinem 
Schreiben  an  den  Senat  Diebe  und  Mörder  genannt,  ihre  Austreibung 
gefordert  und  den  Rath,  wenn  er  nicht  sein  Begehren  erfülle,  mit  einer 
gerichtlichen  Klage,  ja  mit  Gottes  Zorn  und  Strafe  bedroht  hatte,  mochte 
die  Stimmung  eben  so  gereizt  haben,  als  die  Aufstachelungen,  an 
denen  es  die  beiden  Prädicanten  gewiss  nicht  fehlen  Hessen.  Als 
daher  Nausea  die  Kanzel  betrat  und  seine  Ansprache  begann,  fingen 
die  Zuhörer  an  zu  husten,  sich  zu  räuspern,  zu  singen  und  zu  lachen, 
überhaupt  einen  solchen  Lärm  zu  erregen,  dass  nach  langen  vergeb- 
lichen Versuchen  zum  Worte  zu  kommen  der  neue  Pfarrherr  die 
Kanzel  verlassen  musste.  Er  zog  schon  in  den  nächsten  Tagen  ab, 
bekleidete  erst  eine  Stelle  als  Pfarrer  an  dem  Dome  zu  Mainz  und 
wurde  später  Bischof  von  Wien.  Er  starb  1562  auf  dem  Concile  zu 
Trient  und  wurde  im  Münster  von  St  Stephan  in  Wien  begraben. 
Von  1526-1648  war  die  Pfarrstelle  in  Frankfurt  unbesetzt  und  die 
Prädicanten  predigten  zu  St  BartholomaeL 

Auf  die  Erfolge  Nausea's  hatte  Niemand  mit  grösserer  Zuver- 
sicht gerechnet,  als  der,  welcher  seine  Berufung  nach  Frankfurt  er- 
wirkt und  von  seiner  Ankunft  die  Möglichkeit  seiner  eigenen  Rück- 
kehr erwartet  hatte,  Joh.  Cochlaeus.  Schon  am  28.  October  1525, 
als  noch  Nausea  in  Italien  verweilte,  schrieb  er  von  Cöln  aus  an  den 
der  Reformation  bereits  ganz  fremd  gewordenen  Pirckheimer :  „Ich 
schreibe  dir,  damit  du  mir  Sorge  tragest  für  unseren  Nausea,  der  auf 
meine  Verwendung  (mea  intercessione)  vom  Capitel  zu  St.  Bartholo- 
maoi  zum  allgemeinen  Stadtpfarrer  von  Frankfurt  erwählt  ist...  Der 
Ueberbringer  des  gegenwärtigen  ist  der  Diener  Nausea's,  von  ihm 
von  Bologna  an  uns  vorausgesandt  Er  selbst  aber  bereitet  uns  kerne 
geringe  Schwierigkeit  durch  seine  verzögerte  Ankunft.  Denn  nicht 
eher  können  füglich  die  aufrührerischen  Apostaten  ausge- 
trieben werden,  als  bis  der  wahre  Hirte  erscheint"  Diese 
Hoffnung  hat  sich,  wie  wir  sahen,  nicht  erfüllt  und  als  den  Ausdruck 
des  Verzichtes  auf  sie  dürfen  wir  bei  Cochlaeus  die  unmittelbar 
darauf  erfolgte  Annahme  des  Canonicates  zu  St  Victor  betrachten. 

1528  übernahm  er  ein  Canonicat  in  Dresden  und  wurde  Rath- 
geber des  reformationsfeindlichen  Herzogs  Georg  von 
dem  Tode  des^letztcren  1539  verschlug  ihn  die  Reformation,  die  der 
Bruder  des  Dahingeschiedenen,  Herzog  Heinrich,  sofort  ins  Werk 
setzte,  aus  Sachsen  nach  Schlesien.  Noch  bewahrt  das  Stadtarchiv 
einen  Brief,  den  er  1541  am  13.  April  von  dem  Reichstag  in  Regens- 
burg an  Dccan  und  Capitel  des  Liebfrauenstiftes  gerichtet  Er  hat 
sich,  laut  desselben,  seiner  ehemaligen   Collegcn,  denen  die  zum 


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Tjiitherthum  übergetretene  Gemeinde  die  Bezahlung  der  Grundzin- 
sen versagte,  freundlich  angenommen,  ihre  Sache  den  mächtig- 
sten geistlichen  Fürsten  empfohlen  und  ertheilt  ihnen  Rath,  wie  sie 
sich  verhalten  sollen.  Er  hat  den  Brief  als  Canonicus  Vratislawiensia 
unterzeichnet.  Er  starb  1552,  es  ist  ungewiss,  ob  zu  Wien  oder  zu 
Breslau.  Sein  Leben  war  eine  beständige  Flucht  von  einem  Asyle 
zum  andern  und  Ruhe  hat  er  erst  im  Tode  gefunden. 

Dass  Cochlaeus  der  Reformation  anfangs  nicht  ohne  warme 
Theilnahmc  entgegensah,  aber  schon  im  Jahre  1520  sich  von  jeder 
Sympathie  für  sie  lossagte  und  ihr  leidenschaftlicher  Gegner  wurde, 
darin  liegt  eine  Wendung,  die  mit  ihm  unzählige  und  fast  alle  her- 
vorragenden Humanisten  jener  Zeit,  Erasmus,  Pirckheimer,  Mutianus 
Rufus,  Crotus  Rubianus  u.  A.  theilten  und  um  deren  willen  gewiss 
kein  billig  Denkender  über  ihn  den  Stab  brechen  wird.  Der  scharte 
Gegensatz,  den  die  Reformation  hervorrief,  die  Gewalt,  mit  der  sie 
sich  gegen  feindliche  Fürsten  und  Bischöfe  behaupten  musste,  die 
Erhebung  der  Massen,  die  sie  entfesselte,  die  zerrüttenden  Stürme, 
die  in  ihrem  Gefolge  einherzogen  und  gar  manche  ruhige  und  sichere 
Existenz,  namentlich  die  der  wissenschaftlichen  und  gelehrten  Müsse, 
vernichteten,  waren  ganz  geeignet,  alle  die  von  ihr  abzuwenden, 
welche  von  ihr  nur  eine  oberflächliche  Besserung,  nicht  eine  durch- 
greifende und  radicale  Erneuerung  der  kirchlichen  Zustände,  hofften. 
Cochlaeus  war  einer  der  Ersten,  der  sich  von  ihr  zurückzog,  und  hat 
sie  am  bittersten  bekämpft.  Sein  Name  hatte  darum  bei  den  Prote- 
stanten zu  allen  Zeiten  einen  üblen  Klang;  um  seiner  Heftigkeit 
willen  wies  ihm  die  eigene  Parthei  zu  seiner  Zeit  die  Stelle  mehr  in 
dem  Hinter-  als  in  dem  Vordertreffen  an ;  in  unseren  Tagen  geben 
auch  Katholiken  *)  unbefangen  zu,  dass  der  positive  Gehalt  seiner 
Arbeiten  und  Leistungen  ein  mittelmässiger  gewesen  ist  und  nur 
durch  die  Gewandtheit  seiner  Form  gedeckt  wird.  Unter  die  Vor- 
würfe, die  sich  mit  seinem  Namen  verknüpft  haben,  gehört  auch 
der,  dass  er  der  Erste  gewesen,  der  in  seiner  Biographie  Luthcr's 
den  eifersüchtigen  Neid  der  Augustiner  gegen  die  Dominicaner 
zur  Ursache  der  Reformation  gemacht  habe.  Da  im  Jahre  1749 
D.  Kraft  in  Göttingen  diese  Behauptung  für  wichtig  genug  hielt, 
um  sie  in  einer  eigenen  Dissertation  zu  widerlegen,  so  glaubte 
sich  Lessing  berufen  zur  Rettung  des  Cochlaeus  einzutreten,  indem 
er  zeigte,  dass  jener  angeblich  zuerst  von  Cochlaeus  nach  Luthcr's 


*)  Vergl.  den  von  Weiss  in  Besancon  verfassten  Artikel  über  ihn  in  der; „Bio 
graphie  universelle". 


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173  - 


Tode  ausgesprochene  Gedanke  sich  bereits  in  einem  Briefe  finde,  den 
ein  gewisser  Alphons  Valdez  am  31.  August  1520  an  einen  Petrus 
Martvr  (nicht  den  Genossen  Calvin's)  gerichtet  habe.  Auch,  bemerkt 
er,  entscheide  nicht  der  Ursprung,  sondern  das  Wesen  einer  Sache 
über  ihren  Werth.  Ich  glaube  nicht,  dass  Lessing's  Rettung  eine 
ganz  glückliche  gewesen  ist  und  den  Kern  des  Vorwurfes  getroffen 
hat.  Wenn  ein  Spanier,  wie  Valdez,  wenn  ein  Italiener,  wie  Leo  X. 
wenn  selbst  ein  Hutten  in  der  frivolen  Periode  seines  Humanisten- 
lebens in  der  ersten  reformatorischen  Bewegung  nur  ein  Mönchge- 
zKnke  sahen ,  so  ist  dies  begreiflich  und  entschuldbar,  weil  sie  über 
eine  Sache  nicht  richtiger  zu  urtheilen  vermochten,  die  sie  nicht  ver- 
standen —  aber  anders  war  es  mit  Cochlaeus,  dem  Freunde  Pirck- 
heimer's,  Hutten's,  und  Ftirstenberger's,  der  im  Mai  1520  innerlich 
noch  so  sehr  von  dem  Rechte  Luther's  überzeugt  war,  dass  er  sich 
geneigt  fühlte,  ihn  zu  vertheidigen.  Dieser  konnte  später  aus  sub- 
jectiv  zureichenden  Gründen  an  dem  Fortgange  der  Reformation  das 
entschiedenste  Missfallen  finden,  von  ihr  die  verderblichsten  Wirkun- 
gen befürchten,  sie  hassen  und  bestreiten,  —  aber  ihre  Wurzeln 
in  einem  blossen  Mönchstreite  suchen,  konnte  er  auch  jetzt  nicht, 
und  wenn  er  es  dennoch  gethan  hat,  so  hat  er  es  gegen  sein  besseres 
Wissen  und  Gewissen  gethan.  Dies  ist  die  Bedeutung  des  gegen 
Cochlaeus  gerichteten  Vorwurfs,  den  Lessing  keineswegs  entkräf- 
tet hat. 


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175  - 


Eine  neuerdings  entdeckte,  bisher  unbekannte  Auflage  des 
grossen  Mcrianischen  Stadtplans  von  1628. 

Mitgetheilt  von  Senator  Dr.  Cwlnncr. 


Dem  unermüdlichen  Eifer  des  Herrn  Ferdinand  Prestel  ist  es 
abermals  gelungen,  einen  interessanten  Beitrag  zu  Frankfurts  Kunst- 
geschichte zu  liefern.  Nachdem  er  bereits  im  Jahre  1861  den  als 
Unicum  im  Besitze  des  Herrn  Lempcrtz  zu  Cöln  befindlich  gewese- 
nen grossen  Mcrianischen  Stadtplan  von  1636  entdeckt  hatte  (Gwin- 
ner:  Kunst  und  Künstler  in  Frankfurt  a.  M.,  S.  151),  fand  er  vor 
Kurzem  in  denselben  Händen  noch  eine  weitere,  bis  jetzt  ganz  un- 
bekannt gewesene  Ausgabe  dieses  Planes  vom  Jahre  1649,  womit 
zugleich  mein  an  dem  angeführten  Orte  geäussertes,  aber  durch  die 
Bedrängnisse  der  Zeit  erklärtes  Befremden,  dass  Merian  in  dem  lan- 
gen Zeiträume  von  1636  bis  1682  sich  zu  keiner  neuen  Auflage  ent- 
schlossen haben  sollte,  unerwartet  seine  Beantwortung  findet  Kaum 
war  der  unglückselige  dreißigjährige  Krieg  durch  den  Frieden  von 
1648  beendigt  und  das  deutsche  Volk  durfte  wieder  aufathmen,  als 
der  betriebsame,  schon  am  Rande  des  Grabes  stehende  Künstler 
(er  starb  im  folgenden  Jahre)  mit  einer  neuen  Auflage  seines  schö- 
nen Werkes  vor  seinen  Mitbürgern  erschien.  Aenderungen  an  den 
Platten  vorzunehmen,  fand  er  sich  nicht  veranlasst.  Der  Krieg  hatte 
wenig  Lust  und  Müsse  zu  baulichen  Unternehmungen  gelassen,  das 
Bild  der  Stadt  war  im  Wesentlichen  dasselbe  geblieben.  So  lieferte 
denn  Merian  ganz  einfach  einen  neuen  Abdruck  seiner  Platten  mit 
der  einzigen  Aenderung  der  doppelten  Jahrzahl  1636  in  1649,  wobei 
die  Spuren  der  ersteren  in  den  Ziffern  4  und  9  noch  erkenntlich  ge- 
blieben sind.  Das  zur  Zeit  einzige  bekannte,  dem  Herrn  Prestol  ge- 
hörige, hoffentlich  aber  bald  in  den  Besitz  des  Städcrschen  Instituts 


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176 


übergebende  Exemplar  der  Ausgabe  von  1649  ist  leider  von  unge- 
schickter Fland  colorirt,  auch  an  einzelnen  Stellen  beschädigt,  Man- 
gel, welche  indessen  bei  einem  so  seltenen  Werke  übersehen  werden 
müssen,  zum  Theil  auch  leicht  zu  erganzen  sind.  Abgesehen  von 
den  nur  als  Probedrücke  zu  betrachtenden,  unvollständigen  Exem- 
plaren von  1628,  kennen  wir  also  jetzt  fünf  verschiedene  Auflagen 
des  Merianischen  Stadtplans,  die  erste  von  1636,  die  zweite  von  1649, 
die  dritte  von  1682,  die  vierte  von  1761,  die  letzte  von  1770,  und  es 
darf  wohl  mit  Grund  angenommen  werden,  dass  ausser  diesen  keine 
andere  erschienen  ist. 


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Berichtigung  und  Portsetzung 

der  beiden  Abhandinngen: 

Schaumünzen  zum  Angedenken  von  Bewohnern  Frankfurts 

und 

Minzen  und  Medaillen  auf  geschichtliche  Begebenheiten 

Frankfurts. 

Von  Dr.  Eduard  Rüppell. 


Vor  beiläufig  10  Jahren  veröffentlichte  ich  in  dein  Archiv  für 
Frankfurts  Geschichte  und  Kunst  zwei  Abliandlungen  mit  den  Be- 
schreibungen säramtlicher  mir  damals  bekannten  Schau-  und  Präge- 
stückc,  die  zum  Angedenken  von  Bewohnern  Frankfurts  oder  daselbst 
eiugebürgerten  Personen  und  zur  Erinnerung  an  geschichtliche  Be- 
gebenheiten der  Stadt  angefertigt  wurden.  Gegenwärtiges  Schriftchen 
ist  ein  Nachtrag  zu  dieseu  beiden  Abhandlungen  und  die  Fortsetzung 
der  Beschreibungen  der  in  neuerer  Zeit  gefertigten  Münzen  und  Me- 
daillen, welche  auf  das  Geschichtliche  Frankfurts  und  auf  dessen  Be- 
wohner Bezug  haben. 

Ich  gebe  vor  Allem  einige  berichtigende  Notizen  zu  meiner  Ab- 
handlung über  die  Schaumünzen  zum  Angedenken  der  Bewohner 
Frankfurts.  Dass  meine  Angabe,  Justinian  von  Holzhausen  habe 
im  Jahre  1526  die  Universität  Wittenberg  bezogen  *).  irrig  ist,  weil 
er  bereits  1525  dahin  ging,  war  ein  sehr  unbedeutender  Fehler,  der 
kaum  einer  Rüge  werth  ist.  Ich  hatte  meine  Nutiz  aus  den  auf  der 
Stadtbibliothek  befindlichen  von  Fichard'schen  Manuscripten  über 
die  Frankfurter  Patrizier-Familien  entnommen. 


*)  Archiv,  Heft  7,  p»g.  2. 
IV.  12 


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-    178  — 


In  meinen  biographischen  Nachrichten  über  Sandrart  gab  ich 
an  (Heft  7,  pag.  21),  der  Wahlspruch  „Alles  zum  Nutzen"  sei  ein 
bei  seiner  Aufnahme  in  die  Nürnberger  Malerakademie  seinem  Na- 
men zugefügte  Bezeichnung;  es  ist  dieses  aber  der  Wahlspruch  de« 
im  Jahre  1617  gestifteten  wissenschaftlichen  Vereins:  Die  frucht- 
bringende Gesellschaft.  Bei  der  Aufnahme  in  dieselbe  erhielt 
jedes  Mitglied  einen  Zunamen;  derjenige  von  J.  Sandrart  war:  der 
Gemeinnützige  und  .solcher  steht  als  Motto  auf  der  Medaille  von 
1682.  Der  Palmbaum  in  der  Baumgruppe  auf  der  nämlichen  Me- 
daille war  das  Symbol  der  fruchtbringenden  Gesellschaft 

Bezüglich  der  zu  Ehren  Sandrart's  gefertigten  Medaillen  habe 
ich  zn  bemerken,  dass  von  der  dritten  von  mir  beschriebenen  von 
der  Kehrseite  es  zwei  verschiedene  Stempel  giebt,  die  von  einander 
durch  die  Kopf-  und  Körper-Lage  des  schlafenden  Amors  abweichen ; 
sofort  sind  fünferlei  Medaillen  zu  Sandrart's  Ehren  geprägt  vorhan- 
den. Von  einer  jeden  befindet  sich  ein  Exemplar  in  der  städtischen 
Münzsammlung. 

Die  kleine  Gedenkmünze  des  Christian  Wermuth  auf  Hiob  Lu- 
dolf *)  habe  ich  irrig  als  auf  den  berühmten  allhicr  verstorbenen 
Orientalisten  Hiob  Ludolf  bezüglich  beschrieben;  sie  gehört  dem 
gleichnamigen  Neffen  dieses  Mannes»,  der  in  herzoglich  gothaUchem 
Staatsdienste  war,  in  Frankfurt  nie  domicilirt  gewesen  ist,  dagegen  in 
jenem  Herzogthum  die  vermeintlichen  Segnungen  des  Lottos piel* 
einführte.  Ks  befinden  sich  in  den  öffentlichen  Münzsammlungen  zu 
Dresden  noch  einige  andere  ähnliche  das  Lottospiel  preisende  Me- 
daillen mit  Hiob  Ludolfs  Namen  und  den  Jahreszahlen  1698,  1700 
und  1702  und  in  der  herzoglichen  Münzsammlung  im  Rcsidcnzschlos* 
zu  Gotha  eine  V/%  Zoll  grosse  Medaille  mit  des  nämlichen  Hiob  Lu- 
dolfs Namen  in  der  Randschrift,  auf  welcher  die  Segnungen,  die 
man  dem  Lottospiel  zuschrieb,  durch  bildliche  Darstellung  versinn- 
ücht  sind!  Zu.  Ehren  des  in  Frankfurt  gestorbenen  Orientalisten  Hiob 
Ludolf  scheint  keine  Gedenkmünze  gefertigt  zu  sein. 

Der  Geburtsort  des  im  vorigen  Jahrhundert  hier  lebenden  Han- 
delsmannes Johann  Maria  Alesina  **),  auf  welchen  am  30.  Mai 
1774  bei  Gelegenheit  seiner  goldenen  Hochzeitsfeier  eine  Medaille 
geprägt  wurde,    ist,  wie  ich  zu  ermitteln  Gelegenheit  hatte,  das 


»)  Heft  7,  pag.  2f.. 
*»)  WM.  pajr.  37. 


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—    179  — 


Dörfchen  St  Silvcstro  im  Thale  Vigezzo  bei  Domo  d'Ossola  in 
Piemont.    Das  Geburtsjahr  Alessina's  konnte  ich  niebt  erfahren. 

Bei  Beschreibung  der  Medaille  auf  die  goldene  Hochzeit  von 
Alexander  Gontard  *)  habe  ich  irrig  die  Darstellung  des  Pelicans, 
der  mit  seinem  Blut  seine  Jungen  nährt,  als  ein  Emblem  dos  Gön- 
tard'schen  Familienwappens  bezeichnet;  es  ist  dieses  aber  nichts  als 
eine  Allegorie  auf  elterliche  Liebe,  so  wie  der  auf  der  Medaille  neben 
dem  Blumenkorb  abgebildete  Storch  die  Dankbarkeit  versinn- 
Uchcn  soll. 

Der  Vorname  und  das  Geburtsdatum  in  der  Beschreibung  der 
Medaille  zu  Ehren  von  Franz  Alexander  Bernus**)  sind  beides 
irrig  und  müssen  in  Friedrich  Alexander  Boraus,  geboren  am  29.  October 
1778,  umgeändert  werden.  Ich  hatte  meine  frühere  Angabe  nicht 
bei  der  StandesbuchfÜhning  ermittelt,  sondern  bei  der  Familie  selbst, 
daher  ich  wegen  der  Irrung  einige  Entschuldigung  verdiene.  Fried- 
rich Alexander  Bernus  ist  am  20.  Februar  18G7  in  seinem  89.  Jahre 
gestorben. 


I.  Portsetzung  der  Beschreibung  von  Schaumünzen, 
welche  zum  Angedonken  von  Bewohnern  Frankfurts 

gefertigt  wurden. 

C  o  n  s  t  a  n  t  i  n  F  e  1 1  n  e  r.  f) 

Eine  Medaille,  welche  weder  ich,  noch,  wie  es  scheint,  die  an- 
dern Münzliebhaber  in  Frankfurt  jemals  zu  Gesieht  bekommen  hat- 
ten und  auf  deren  Existenz  ich  zuerst  durch  Herrn  Bibliothekar 
Merzdorf  iu  Oldenburg  aufmerksam  gemacht  wurde,  ist  diejenige, 
welche  die  Frankfurter  Loge  zur  Einigkeit  im  Jahre  1802  zu  Ehren 
ihres  Meisters  vom  Stuhl  Constantin  Fellner  anfertigen  Hess,  zur 
Krönung  einer  mutmasslich  von  Fcllncr  selbst  gestellten  Preisfrage, 
den  besten  Erziehungsplan  betreffend.  Es  wurde  zu  dieser  Medaille 
der  Stempel  der  Hauptseite  der  in  Berlin  gefertigten  Fcllnerischen 
Hochzcits-Medaille  benutzt  (beschrieben  im  Archiv  für  Frankfurts 
Geschichte,  7.  Heft,  pag.  44),  und  ein  neuer  Stempel  für  die  Kehr- 
seite gefertigt.    Derselbe  hat  eine  Inschrift  in  6  Zeilen  : 


*)  Ibid.  pag.  48. 
**)  ll.icl.  pag.  79 
t)  fiohört  im  Heft  I  auf  pag  46 

12* 


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-    180  - 

BONO  AUSPICIO 
FRATRIS  MODERATORIN 
CONSTANTINI  FELLNER 
V  MDCCCII 


MERITIS  TUIS 
ADPLAUDIT 

Diese  Medaille  ist  abgebildet  in  einer  Brochure  in  4°,  betitelt : 
„Zur  Mittheilung  an  sämnitlichc  Mitglieder  der  gerechten  und  voll- 
konunenen  Loge  zur  Einigkeit  in  Frankfurt  am  Main  5802. "  Laut 
Inhalt  der  Schrift  ist  die  Medaille  als  Preis  demjenigen  Logeuniit- 
gliede  bestimmt,  welches  einen  in  der  Brochure  skizzirten  Erziehungs- 
plan  durch  Umarbeitung  oder  Abänderung  am  zweckmäßigsten  ver- 
bessere; sie  sollte  einen  Metallwerth  von  25  Ducaten  haben.  Ein 
zweites  Exemplar  in  Silber  stellte  man  in  Aussicht  als  Accessit  der 
zweitbosten  Beantwortung  der  Preisfrage.  Es  scheint  demnach,  das* 
in  Allem  nur  zwei  Exemplare  der  Medaille,  das  eine  in  Gold,  da.* 
andere  in  Silber  geprägt  wurden. 

Das  Goldexemplar  befindet  sich  noch  bei  dem  Sohne  des  Logen- 
bruders, dem  seiner  Zeit  der  erste  Preis  zuerkannt  wurde;  ich  er- 
wirkte von  ihm  die  Vergünstigung,  solches  auf  galvauoplastischeni 
Wege  täuschend  ähnlich  nachbilden  zu  lassen ;  und  diese  Nachbildung 
schenkte  ich  der  meiner  Aufsicht  anvertrauten  städtischen  Münz- 
sammlung. 

Ich  will  hier  anreihen  die  Beschreibung  einer  mittelgrosscn  Me- 
daille neuester  Zeit,  die  in  Berlin  angefertigt  wurde  für  die  Hoch 
zeitsfeier  einer  Enkelin  von,Constantin  Fellner,  Fräulein 

Johanna  Fellner 
und 

Otto  Zickwolff. 
Beschreibung  der  Medaille : 

Hauptseite:  In  einem  blattreichen  Kranze  von  Eichenlaub  und 
Rosen  Inschrift  in  fünf  Zeilen : 

Otto  ZickwolfF  |   und   |  Johanna  Fellner  |  Frankfurt  a/M.  | 
19.  Mai  1866. 

Kehrseite:  Fliegender  Genius,  der  mit  beiden  Händen  Blnmcn 
streut;  an  seiner  rechten  Schulter  ist  Amor  angelehnt,  der  in  der 
linken  Hand  eine  Fackel  emporhält. 

Ueberschrift:  Dem  glücklichen  Tage. 

Unten :  Loos  D. 

Um  das  Ganze  eine  geschmackvolle  Randverzienmg. 


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-    181  - 
Durchmesser  18  Linien. 

Auf  der  Stadtbibliothek  habe  ich  ein  Exemplar  in  Silber  hin- 
terlegt 

Eine  andere  Medaille  zu  Ehren  eines  allhier  geborenen  Gelehrten, 
der  freilich  in  frühester  Jugend  die  Vaterstadt  verlassen  hat,  war 
mir  gleichfalls  entgangen;  es  ist  diejenige  auf  den  königlich  preus- 
sischen  Oberbau-Inspector 

Johann  Albert  Eytelwcin. 

Beschreibung  der  Medaille: 

Hauptseite:  Kopf  im  Profil  nach  links,  auf  dem  Abschnitt  des 
Halses:  Brandt  F.  Zweizeilige  Umschrift;  innere:  IOHANN  ALB: 

—  EY  TEL  WEIN,  äussere:  Die  Baumeister  des  Preussischen  Staats 

—  zur  Amts- Jubel-Feier  am  25.  Julius  1829.  Abbildung:  Taf.  H.fig.  6. 

Kehrseite  :  Auf  einem  Mauerwerk  sitzende  weibliche  Figur, 
deren  rechto  Hand  auf  einem  Richtscheit  ruhet,  der  linke  Arm  stützt 
sich  auf  ein  Maschinenrad,  und  hält  in  der  Hand  eine  Papierrolle. 
Im  Hintergrund  ein  SchifFsmast  mit  gerafftem  Segel ;  links  vor  dem 
Mauerwerk  ein  liegender  Flussgott    Durchmesser  18  Linien. 

Eytelwein,  zu  Frankfurt  a.  M.  am  31.  December  1764  geboren, 
war  der  Sohn  gänzlich  unbemittelter  Aeltern,  die  für  seine  Jugend- 
Erziehung  sehr  wenig  thun  konnten;  er  trat  in  seinem  16.  Jahre  als 
Soldat  in  die  preussische  Armee  ein  und  zwar  in  das  ArtiHeriecorps. 
Hier  brachte  er  es  durch  unermüdlichen  Fleiss,  unterstützt  durch  aus- 
zeichnendes natürliches  Talent,  bis  zum  Lieutenant,  und  als  solcher 
nahm  er  seinen  Abschied,  um  als  hydraulischer  Architekt  angestellt 
zu  werden.  Schon  in  seinem  30.  Lebensalter  zum  geheimen  Ober- 
baurath ernannt,  stand  er  seitdem  mit  an  der  Spitze  des  preussischen 
Staatsbauwesens,  in  welcher  Stellung  er  eine  sehr  günstige  Wirksam- 
keit in  seinem  Amtsfache  in  Theorie  und  Praxis  ausübte.  Seine  dar- 
auf hinzielenden  zahlreichen  Schriften  wurden  allgemein  anerkannt. 
Er  war  Mitglied  der  königlichen  Akademie  der  Wissenschaften  in 
Berlin  und  vieler  andern  gelehrten  Gesellschaften. 

Sein  Gesundheitszustand  nöthigte  ihn  bald  nach  der  Feier  seines 
Amtsjubiläums  im  Jahre  1830  aus  dem  Staatsdienste  zu  treten.  Später 
erblindete  er  beinahe  gänzlich;  als  84jähriger  Greis  starb  er  zu  Ber- 
tin am  18.  August  1848. 

Die  vorbeschriebene  Medaille  wurde  Eytelwein  bei  der  Feier 
seines  50jährigen  Dienstjubiläums  überreicht 

Auf  der  Stadtbibliothek  Exemplar  in  Silber  und  Bronze. 


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Nachtrag 

zu  den  Medaillen  zu  Ehren  von 
Wolfgang  von  Goethe. 

Zur  Erinnerung  an  das  fünfzigste  Dicustjubiläuin  des  berühmten 
Dichters  (1825)  hatte  sein  fürstlicher  Gönner  und  Freund  Carl  August, 
Grossherzog  von  Sachsen- Weimar,  eine  Medaille  durch  den  Münz- 
graveur Brandt  anfertigen  lassen,  welche  jedoch,  da  sie  sich  Goethe'» 
Beifall  nicht  erfreute,  nicht  ausgegeben  wurde ;  sie  ward  ersetzt  durch 
diejenige ,  welche  auf  Tafel  III.  fig.  4  a  und  4  b  abgebildet  ist  Die 
Stempel  von  jener  verblieben  zur  Aufbewahrung  auf  der  Hofbiblio- 
thek *zu  Weimar  und  würden  muthmasslich  für  immer  in  Vergessen- 
heit gekommen  sein,  wenn  nicht  ein  Zinnabschlag  der  Medaille  zu- 
fällig zur  Besprechung  und  Beschreibung  in  der  Berliner  numismati- 
schen Gesellschaft  gekommen  wäre.  Die  in  Folge  hiervon  von  mir 
in  Weimar  gemachten  Schritte  hatten  das  erfreuliche  Ergebnis«,  dass 
zum  Zweck  der  Aufbewahrung  in  der  städtischen  Münzsammlung 
zwei  Exemplare  der  Medaille,  in  Silber  und  Bronze,  angefertigt  wur- 
den, deren  Beschreibung  ich  hiermit  nachträglich  veröffentliche  : 

Neunte  Medaille.  Hauptseite  :  Die  auf  einander  liegendeu 
Köpfe  des  grossherzoglichcn  Ehepaares  mit  der  Umschrift:  Carl 
August  —  und  Luise. 

Kehrseite:  Zwischen  zwei  Lorbeerzweigen  der  Kopf  Gocthe's  im 
Profil  nach  links,  am  Abschnitt  des  Halses :  Brandt  F.  Unten :  Goc- 
then  (als  Fortsetzung  der  Umschrift  auf  der  Hauptscitc). 

Vermuthlich  sollte  auf  den  äusseren  Rand  der  Medaille  erläu- 
ternde Inschrift  über  Zweck  und  Zeit  geprägt  werden ,  gleich  wie 
es  auf  derjenigen  dor  Fall  ist,  durch  welche  diese  Schaumünze  besei- 
tigt wurde. 

Durchmesser:  19  Linien. 

Auf  die  Säcularfeicr  von  Gocthe's  Geburtstag  wurde  nachträglich 
in  Berlin  durch  den  Münzgraveur  Kullrich  nachbesehriebene  Medaille 
gefertigt 

Zehnto  Medaille.  Ilauptseite:  Kopf  im  Profil  nach  rechts, 
darunter  W.  Kullrich  F.  Umschrift:  Goethe,  geb.  28.  Aug.  1749, 
gest.  22.  März  1832. 

Kehrseite :  In  einem  Kranz  von  Eichenlaub  Inschrift  iu  5  Zeilen : 
Zur   J   Erinnerung   |   an  den   |   28.  August   |  1849. 

Durchmesser:  17  Linien. 

In  Silber  und  Bronze  auf  der  Stadtbibliothek. 


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—    183  - 

Bei  Gelegenheit  der  Enthüllung  des  Schiller-Goethe-Monuments 
in  Weimar  (1860)  wurde  auch  eine  Medaille  gefertigt. 

Eilfte  Medaille.  Hauptseite:  Kopf  im  Profil  nach  rechts.  Um- 
schrift :  Karl  August  Grossherzog  v.  Sachsen- Weimar. 

Kehrseite :  Die  Standbilder  von  Goethe  und  Schiller,  gemein- 
schaftlich einen  Lorbeerkranz  haltend,  darunter :  Sebald  F.  Drentwett 
D.  Umschrift:  Das  Goethe-  u.  Schiller-Monument  in  W'eimar. 

Durchmesser:  19  Linien. 

In  Zinn  auf  der  Stadtbibliothek.  Die  Medaille  ist  auch  in  Silber 
ausgeprägt  worden. 

Die  städtische  Münzsammlung  besitzt  ausser  den  11  geprägten 
Medaillen  drei  grosse  Bronze-Medaillons  olme  Jahr  zu  Ehren  Goe- 
the's gefertigt 

Zwölfte  Medaillo.  Hauptseite:  Kopf  im  Profil  nach  rechts. 
Umschrift:  Johann  Wolfgang  de  Goethe  aotatis  suac  66  Anno. 

Kehrseite:    Pegasus  nach  links  springend.    Umschrift:    Ar  Jl 

&IAOX  MOI  ÜErASOT  flTEPOW. 

Durchmesser:  42  Linien. 

Dieses  schöne  Bronzemedaillon  ward  im  Jahre  1815  durch  den 
Bildhauer  Gottfried  Schadow  modcllirt;  es  wurde  der  Stadtbibliothek 
durch  Herrn  Dr.  J.  Fricdländcr  geschenksweise  zugeeignet 

Dreizehnte  Medaille.  Einseitiges  Bronzemedaillon  von  Pro- 
fessor Carl  Fischer  in  Berlin  modellirt.  Goethe's  Kopf  im  Profil 
nach  rechts,  zwischen  einem  Lorbeerzweig  und  einem  dreifiissigen 
Opfertisch:  Unter  dem  Kopf  die  Inschrift:  GOETHE. 

Durchmesser:  46  Linien. 

Vierzehnte  Medaille.  Einseitiges  Bronzemedaillon  von  Herrn 
Gustav  v.  Kress  in  Frankfurt  a.  M.  modejjirt  Goethe's  Kopf  im 
Profil  nach  links,  darunter:  Gust  v.  Kress  1863.  Umschrift:  Erinne- 
rung an  Goethe's  Geburtshaus. 

Durchmesser :  48  Linien. 

Ich  erwähne  noch  beiläufig,  dass  ich  in  die  Münzsammlung  zwei 
in  Nürnberg  von  Lauer  gefertigte  in  Messing  geprägte  Jctons 
eingelegt  habe,  auf  welchen  ein  Kopf  befindlich  ist  mit  der  Um- 
schrift: J.  W.  von  Goethe;  der  eine  Jeton  hat  auf  der  Kehrseite  einen 
Kopf  mit  der  Umschrift:  F.  von  Schiller,  der  andere  hat  einen  Eichen- 
laubkranz, in  welchem  IETON  steht 

Durchmesser :  8  Linien. 


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—    184  - 

<  eorg  Friedrich  Grote fend. 
Beschreibung  der  Medaille: 

Hauptseitc.  Brustbild  mit  Profil  nach  rechts,  darunter:  Breh- 
mer F.  Umschrift:  Dr.  Georg  Fried r.  Grotefend,  Director  des  Ly- 
ceums  zu  Hannover.  Zur  öOjähr.  Dienstjubelfeier.  Abbildung:  Tat*.  I. 

fig.  1. 

Kehrseite.  Zwei  neben  einander  stehende  Ritter,  wovon  der 
vordere  in  der  Rechten  eine  Urkundenrollc  hält,  mit  der  Linken 
sich  auf  ein  Schild  stützt,  worauf  das  Braunsen  weig-Lüueburger 
Wappen  ist;  ihnen  gegenüber  (zur  Rechten)  weibliche  Figur  mit 
Mauerkrone,  die  rechte  Hand  auf  ein  Schild  gestützt,  worauf  das 
Wappen  der  Stadt  Hannover  ist;  links  steht  Minerva,  welche  mit 
ihrem  Schild  drei  Knaben  schirmt.  Auf  der  Leiste  unter  dieser 
Gruppe  ist  der  Name  des  Stempelfertigers:  Brehmer  F.  Umschrift: 
Zur  500jährigen  Jubelfeier  des  Lyccunis  in  Hannover.  Im  Abschnitt : 
Am  2.  Februar  1848. 

Durchmesser:  22  Linien. 

In  Silber  und  Bronze  auf  der  Stadtbibliothek. 

Georg  Friedrich  Grotefend  ward  in  Hannöverisch  Münden  1775 
geboren,  studierte  in  Göttingen,  an  dessen  Gymnasium  er  später 
während  mehrerer  Jahre  als  Collaborator  beschäftigt  gewesen  ist. 
Im  Jahre  1803  ward  er  als  Conrector  au  das  Gymnasium  zu  Frank- 
furt berufen,  wodurch  er  eo  ipso  hiesiger  Bürger  geworden  ist.  Bis 
zum  Jahre  1821  hat  er  mit  Auszeichnung  seiner  hiesigen  Lehrerstelle 
sich  gewidmet.  In  diesem  Jahre  folgte  er  einer  Berufung  als  Direc- 
tor des  Gymnasiums  in  Hannover,  woselbst  er  am  15.  December  1853 
allgemein  geschätzt  und  betrauert  gestorben  ist. 

Unter  seinen  vielen  philologischen  Schriften  werden  seine  Arbei- 
ten über  die  Babylonische  Keilschrift  mit  besonderer  Anerkennung 
gedacht. 

Die  Medaille  wurde,  wie  ihre  Inschrift  angiebt,  im  Februar  1848 
dem  Professor  Grotefend  bei  der  Feier  seines  50jährigeu  Dienstjubi- 
läums zugeeignet. 

Carl  Ritter. 
Beschreibung  der  Medaillen. 

Erste  Medaille.  Hauptseite:  Kopf  im  Profil  nach  rechts,  ohne 
Umschrift,  am  Abschnitt  des  Halses:  F.  Aberli  F. 
Abbildung :  Tat*.  I.  fig.  2.  a. 


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-    185  - 

Kehrseite :  Inschrift  in  sieben  Zeilen :  Carolo  Rittero  |  geographo 
|  nato  d.  VII.  Aug.  |  Ao.  MDCCLXX1X  |  pio  gratoque  |  animo  |  D. 
Durchmesser:  19  Linien. 

Taf.  I.  fig.  2.  b. 

Zweite  Medaille.  Sie  hat  die  nämliche  Hauptscitc  und  die 
gleiche  Inschrift  auf  der  Kehrseite,  aber  oberhalb  der  Inschrift  ist 
ein  Erdglobus  und  unterhalb  derselben  die  achte  Zeile 

Ob:  D:  28  Sept:  1859 

beigefügt. 

Der  durch  seine  zahlreichen  Schriften  ausgezeichnete  Gelehrte, 
in  welchen  er  vorzugsweise  die  geographische  Wissenschaft  nach  einer 
eigentümlichen  Auffassung  bearbeitete,  war  zu  Quedlinburg  am 
7.  August  1779  geboren,  wurde  zu  Schnepfenthal  in  der  Salzmann'- 
schen  Erziehungsanstalt  ausgebildet ,  machte  dann  Studien  auf  der 
Universität  Halle  und  kam  in  seinem  21.  Jahre  als  Erzieher  nach 
Frankfurt  in  das  Haus  des  Banquiers  Bcthmann-Hollweg.  Mit  den 
ihm  anvertrauten  Zöglingen  machte  Bitter  mehrere  Reisen  in  die 
Schweiz  und  Italien.  Den  jüngsten  der  Hollweg'schen  Söhne,  den 
später  als  Professor  an  der  Universität  Bonn  und  als  königlich  preus- 
sischer  Minister  des  Cultus  in  Berlin  bekannt  gewordenen  Freiherrn 
August  v.  Bethmann-Hollweg,  begleitete  er  während  dessen  Univer- 
sitäts-Studien nach  Göttingen.  Auch  nach  Beendigung  derselben 
verblieb  Ritter  daselbst,  rastlos  beschäftigt  die  litterarischen  Schätze 
der  dortigen  Bibliothek  zu  benutzen.  Zu  Anfang  von  1818  wurde 
er  als  Professor  der  Geschichte  an  Schlosser's  Stelle  an  das  hiesige 
Gymnasium  berufen,  durch  welche  Anstellung  er  in  den  Bürgerver- 
band Frankfurts  gekommen  ist.  Aber  schon  nach  10  Monaten  ver- 
liess  er  den  Maingau,  einen  Ruf  an  dio  Universität  Berlin  als  Pro- 
fessor der  Geographie  annehmend.  Dort  verblieb  er  in  einem  seiner 
wissenschaftlichen  Thätigkeit  so  sehr  zusagenden  Wirkungskreise, 
machte  im  Verlauf  der  Jahre  wegen  seiner  Studien  umfangreiche 
Reisen  nach  Scandinavien,  Spanien  und  Griechenland.  Der  Tod  er- 
eilte ihn  in  Berlin  am  28.  September  1859. 

Vorbeschriebene  beide  Medaillen  wurden  im  Auftrago  von  Rit- 
ter's  grossem  Verehrer  und  Freunde  Herrn  Ziegler  in  Winterthur 
gefertigt.  Die  städtische  Sammlung  besitzt  sie  beide  in  Bronze.  Die 
eine  empfing  sie  als  Geschenk  von  Herrn  Hirtzel  in  Leipzig  durch 
meine  Vermittlung,  die  andere,  welche  ich  zu  ziemlich  hohem  Preise 
in  Winterthur  selbst  erkauft,  wurde  von  mir  der  Sammlung  zu- 
geeignet. 


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-    186  - 


Friedrich  Christoph  Schlosser. 
Beschreibung  der  Medaille. 

Hauptseite:  Kopf  im  Profil  nach  rechts,  darunter:  Chr.  Sclinitz- 
spahn  f.  Unischrift:  *  Friedrich  Christoph  Schlosser  *  Geb.  z.  Jever 
17.  Nov.  1776.  Gest.  z.  Heidelberg  23.  Sept.  1861. 

Abbildung:  Taf.  I.  fig.  5. 

Kehrseite  :  Inschrift  in  6 Zeilen:  Geschichtsforscher  |  Geschichts- 
schreiber |  und  |  öffentlicher  Lehrer  in  |  Jever,  Frankfurt  a.  M.  und  | 
Heidelberg. 

Ucber  und  unter  der  Inschrift  je  drei  Sterne. 
Durchmesser:  231/*  Linien. 

Die  Medaille  giebt  die  Hauptdaten  der  Lebensphasen  des  be- 
rühmten und  unermüdlich  thätigen  Geschichtsforschers  Schlosser.  Da 
er  selbst  Mittheilungen  Über  sein  Leben  bis  zum  Jahre  1826  im 
5.  Band  der  Zeitgenossen  (Leipzig  1826)  veröffentlicht  hat,  so  ist 
hierdurch  den  Wissbegierigen  seine  Biographie  genügend  bekannt 
Ich  entnehme  daraus  das  Nachfolgende  :  Nach  beendigtem  G yranasial- 
unterrieht  in  seiner  Geburtsstadt  Jever  bezog  er  1794  die  Universität 
Göttingen,  wo  er  21/«  Jahre  verblieb;  im  Mai  1800  kam  er  als  Haus- 
lehrer nach  Frankfurt  zur  Familie  des  Handelsmannes  Georg  Meyer, 
ward  acht  Jahre  später  als  Conrcctor  des  Gymnasiums  nach  Jever 
berufen,  kehrte  aber  bereits  im  Januar  1810  nach  Frankfurt  zurück, 
wurde  daselbst  Gymnasial-Collaborator  und  im  Jahre  1812  Professor 
der  Geschichte  am  neuen  unter  dem  Fürsten  Primas  Carl  von  Dal- 
berg hier  gegründeten  Lyceum;  später  ward  er  auch  zum  Stadt- 
.  bibliothekar  ernannt.  Im  Sommer  1817  nahm  er  einen  Ruf  als  Pro- 
fessor nach  Heidelberg  an,  in  welcher  Stellung  er  verblieb  bis  zu 
seinem  am  23.  September  1861  daselbst  erfolgten  Ableben. 

Die  meisten  seiner  zahlreichen,  geistreich  abgefassten  und  mar- 
kig geschriebenen  historischen  Publicationen  sind  in  die  vorzüglich- 
sten europäischen  Sprachen  übersetzt  Freisinnig  und  gerecht,  wie 
er  immer  gewesen,  hat  er  durch  seine  Schriften  die  ultramontone 
Coterie  sich  zu  erbitterten  Feinden  gemacht,  die  in  ihrer  bekannten 
Weiso  ihn  stets  zu  verunglimpfen  bestrebt  gewesen  ist 

Persönlich  seit  einer  langen  Reihe  von  Jahren  mit  Schlosser  be- 
freundet, habe  ich  nach  seinem  Ableben  vorbcschricbcnes  numismatische 
Denkmal  auf  meine  Kosten  anfertigen  lassen,  das  in  Beziehung  auf 
Portrait- Aehnlichkeit  vollkommen  gelungen  ist.    Diese  Huldigung  hat 


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aber  bei  seinen  zahlreichen  Schülern  und  Freunden  fast  jeglichen 
Anklang  entbehrt,  indem  eino  kaum  nennenswerthe  Zahl  der  Medaillen 
Abnahme  gefunden  hat 

Johann  Philipp  Jacob  Fuchs. 
Beschreibung  der  Medaille. 

Hauptseite:  Kopf  im  Profil  nach  links,  darunter  Chr.  Schnitz- 
spahn  f.  Umschrift:  Ueber  dem  Kopf:  Jacob  Fuchs  —  getrennt  durch 
zwei  kleine  Caduceen  von:  Consul  gencral  du  Grand-Duclic*  d'Olden- 
hourg  a  Anvers.    Abbildung:  Taf.  1,  fig.  3. 

Kehrseite:  Handel  und  Schifffahrt,  personificirt  durch  Merkur 
mit  einem  Caduceus,  und  einer  Frau  mit  einem  Steuerruder,  gegen 
einander  Uber  sitzend  und  sich  die  Hand  gebend.  Auf  dem  Sitz  des 
Merkurs  als  Relief  ein  Viaduct,  über  den  ein  Eisenbahnzug  fahrt; 
auf  demjenigen  der  Frau  ein  Segelschiff.  Zwischen  beiden  Figuren 
etwas  im  Hintergrund  ein  mit  Festons  verzierter  Votiv- Altar,  an  wel- 
chem zwei  Tafeln  befindlich ;  die  obere  mit  dem  k.  Belgischen  Wap- 
pen, worunter  stehet:  Loi  12  Mars  1854;  auf  der  untern  Tafel  ist 
das  grossherzoglich  Oldenburger  Wappen;  links  von  demselben: 
29.  Decemb.  1830,  und  rechts:  1.  Nov.  1836.  Unten  am  vertieften 
Hand  der  Abschnittsleiste  stehet  der  Name  des  Stempelschneiders 
Chr.  Schnitzspahn. 

Durchmesser :  35  Linien. 

Johann  Philipp  Jacob  Fuchs  ward  am  15.  December  1797  allhior 
geboren,  widmete  sich  von  Jugend  an  dem  Handelsstand,  wobei  seit 
1819  Antwerpen  der  Schauplatz  seiner  erfolgreichen  Thätigkeit  ge- 
wesen ist  Im  Jahre  1853  war  er  Präsident  der  dortigen  Handels- 
kammer und  seit  1830  ist  derselbe  grossherzoglich  Oldenburger  Gene- 
ral-Consul;  der  Fürst  dieses  Staates  hat  ihm  sechs  Jahre  später  eine 
Ordensdecoration  verliehen.  Die  volle  Naturalisation  im  Königreich 
Belgien  erlangte  er  durch  ein  specielles  Gesetz  vom  12.  März  1854. 
Mit  besonderem  Interesso  betheiligte  er  sich  an  dem  Aufblühen  der 
DampfschhTfahrts-  und  Eisenbahn- Verbindungen  der  Stadt  Antwerpen. 
Auf  diese  verschiedenen  nur  individuelles  Interesse  besitzenden  Le- 
bensbegebenheiten beziehen  sich  die  allegorischen  Darstellungen  und 
Datums-Angaben  der  Kehrseite  der  schönen  Bronzemedaille,  welche 
ihm  sein  Neffe,  der  grossherzoglich  Hessische  Hofmedailleur  Christian 
Schnitzspahn  im  Jahre  1860  gewidmet  hat. 

Diese  Medaille  befindet  sich  in  zwei  Bronzeexemplaren  in  der 
hiesigen  städtischen  Sammlung,  beide  von  mir  derselben  gegeben. 


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Damit  dem  Beschauer  der  auf  Frankfurt  sich  beziehenden  Medaillen 
Haupt-  und  Kehrseite  ohne  Manipulation  sichtbar  sind,  bestrebe  ich 
mich,  von  jeder  derselben  möglichst  zwei  Exemplare,  das  eine  in 
Silber,  das  andere  in  Bronze  einzulegen.  Mein  an  Hrn.  Jacob  Fuchs 
brieflich  geäusserter  Wunsch,  von  ihm  ein  Exemplar  in  Silber  für  die 
städtische  Sammlung  als  Angedenken  an  den  Geburtsort  zu  em- 
pfangen, blieb  im  berücksichtiget. 

Gerhard  Friederieh. 
Beschreibung  der  Medaille. 

Haupt seite:  Brustbild  in  Profil  nach  links  in  geistlicher  Aints- 
tracht,  darunter  C. Zollman.  Umschrift  in  zwei  Zeilen;  in  der  äussern: 
Gerhard  Friedorich  Dr.  Theol.  et  Phil.  Senior  d.  ev.  luth.  Ministeriums  *; 
in  der  innem  Zeile:  Consistorialrath  und  Pfarrer,  geb.  2.  Jan.  1779. 
Abbildung:  Taf.  I,  fig.  4. 

Kehrseite:  Inschrift  in  11  Zeilen: 

Bei  der  Feier  |  fünfzigjähriger  |  Amtsführung  |  6.  April  1858  | 
von  den  |  ev.  luth.  Geistlichen  |  in  Stadt  und  Land  |  und  dem  ev.  luth. 
|  Gemeindevorstande  |  zu  Frank furt  |  a.  Main. 

Durchmesser:  18  Linien.    In  Silber  und  Bronze. 

Ich  entnehme  aus  einer  von  einem  Ungenannten  bei  Gelegenheit 
des  fünfzigjährigen  Amtsjubiläunis  des  Pfarrer  Friederich  veröffent- 
lichten Biographie  Nachfolgendes.  Derselbe  war  zu  Frankfurt  geboren 
am  2.  Januar  1779,  erhielt  seinen  Jugendunterricht  auf  dem  hiesigen 
Gymnasium,  studirte  Theologie  zu  Jena,  Marburg  und  Heidelberg, 
erlangte  in  Giessen  das  Diplom  eines  Doctor  Philosophiae ;  er  ward 
1804  in  Frankfurt  als  Candidat  reeipirt  und  am  6.  April  1808  als 
Pfarreivicar  der  Peterskirche  ordinirt;  im  Jahre  1812  erhielt  er  die 
Pfarrei  von  Bornheim  und  acht  Jahre  später  diejenige  der  Weisfraueu- 
kirche  in  Frankfurt. 

Auf  welche  Veranlassung  ihm  1830  die  Universität  Jena  das 
Diplom  eines  Doctor  Theologiae  ertheilte,  ist  mir  unbekannt.  Friede- 
rieh  hat  meines  Wissens  vorzugsweise  Gclegcnheits-Predigten  ver- 
öffentlicht, auch  eine  ziemliche  Anzahl  kleiner  Gedichte  verfasst,  von 
welchen  aber  keins  sich  Uber  die  Mittelmäßigkeit  erhebt.  Für  eine 
poetische  Production  auf  König  Gustav  Adolph  empfing  er  im  Jahre 
1845  vom  Schwedenkönig  Oskar  I.  eine  Goldmedaille,  und  auch  von 
andern  Fürsten  wurden  ihm  für  dichterische  Widmungen  Ringe  mit 
Edelsteinen  und  dergleichen  zu  Theil.  Er  scheint  sehr  oft  mit  Erfolg 
seine  Musenerzeugnisse  versendet  zu  haben,  denn  es  wurden  ihm 


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selbst  zwei  Ordensdecorationen  von  Hessen-Cassel  und  Württemberg 
verliehen.  Seit  1832  war  er  Pfarrer  an  der  Katharinenkirche  bis  zu 
seiner  zu  Ende  des  Jahres  1858  erfolgten  Quiescirung.  Der  Tod  er- 
löste ihn  von  seinen  irdischen  BeYufsgeschäften  am  30.  October  1862. 

Die  städtische  Sammlung  besitzt  die  Medaille  in  Silber  und  Bronze 
durch  Zueignung  seitens  des  löblichen  Consistoriums. 

Ludwig  Börne. 

Beschreibung  der  einseitigen  Bronzemedaille: 

Kopf  in  ziemlich  erhabenein  Relief,  im  Profil  nach  rechts,  darun- 
ter: David  1836.  Inschrift  über  dein  Kopf:  Ludwig  Börne;  links  vom 
Kopf:  Geb.  zu  Frankfurt  a.  M.  1786.  Rechts  von  demselben:  Gest. 
zu  Paris  1837. 

Durchmesser:  38  Linien. 

Abbildung:  Taf.  II,  fig.  7. 

Ludwig  Börne  ist  in  Frankfurt  am  15.  Mai  1786  von  jüdischen 
Eltern  geboren  und  fUhrte  in  seinen  drei  ersten  Lebcnsdccennien 
deren  Namen  Baruch;  er  beabsichtigte  sich  dem  Studium  der  Medi- 
an zu  widmen,  bezog  zuerst  die  Universität  Giesscn,  dann  die  zu 
Berlin,  wo  das  näher  Bekanntwerden  mit  der  philosophischen  Schule, 
die  damals  Fichte  und  Schleiennacher  daselbst  begründeten,  ihn  zum 
Rücktritt  von  den  medicinischen  Studien  bestimmte,  um  sich  demje- 
nigen der  Staatswissenschaft  zu  widmen.  In  seine  Vaterstadt  zurück- 
gekehrt, erliicit  er  unter  der  damals  bestehenden  fürstlich  primatischeu 
Regierung,  die  allen  Religionsbekenntnissen  gleiche  Rechte  zuer- 
kannte, eine  Administrativanstellung,  welche  ihm  aber  bei  der  im 
Jahre  1814  wieder  erlangten  städtischen  Freiheit  entzogen  wurde.  Er 
beschäftigte  sich  von  nun  an  ausschliesslich  mit  litterarischen  Arbeiten, 
als  Mitarbeiter  mehrerer  Zeitschriften.  Im  Jahre  1818  begann  er  die 
Herausgabe  eines  selbstständigen  Journals,  die  Wage,  in  welchem 
er  mit  beisender  Kritik  die  reactionairen  Tendenzen  der  damaligen 
Regierungen  bekämpfte. 

Börne  ist  damals  zum  Christenthum  übergegangen,  bei  welcher 
Veranlassung  er  seinen  bisherigen  Namen  Baruch  änderte.  Die 
Schärfe  seines  natürlichen  Verstandes,  verbunden  mit  der  Meister- 
schaft seines  Schriftstyls  und  seinem  furchtlosen  Auftreten  zogen  ihm 
Feindschaften  und  politische  Verfolgungen  zu;  der  gegen  ihn  verfüg- 
ten Personalhaft  als  schuldlos  entlassen,  verliess  er  Frankfurt  und  be- 
reiste die  Schweiz  und  Frankreich,  welches  zur  Folge  die  Veröffent- 
lichung geistreicher  Briefe,  aus  diesen  Ländern  geschrieben ,  gehabt 


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hat.  Börne  kehrte  damals  zeitweise  in  die  Geburt&stadt  zurück;  nach 
dem  Ausbruch  der  Julirevolution  im  Jahre  1830  nahm  er  für  immer 
seinen  Wohnsitz  in  Paris. 

Wenngleich  seine  geniale  Auffassungswcise  und  schriftstellerische 
Befähigung  ihm  viele  Freunde  und  Verehrer  erwarben,  so  haben  da- 
gegen seine  leidenschaftlichen  und  rücksichtslosen  Ausfalle  ihn  zum 
Gegenstand  erbitterter  Angriffe  gemacht.  Sein  Streit  mit  Heine  und 
Menzel  sind  sattsam  bekannt.  In  besonders  freundschaftlicher  Be- 
ziehung stand  er  zum  Bildhauer  David,  der  eine  vortreffliche  Marmor- 
büste von  ihm  fertigte,  die  geschenksweise  der  Frankfurter  Stadt- 
bibliothek durch  Herrn  Straus  zugeeignet  wurde.  Auch  das  Modell 
zu  vorstehend  beschriebener  Broiizemedaille  ist  von  David  gefertiget; 
ein  Exemplar  derselben  übergab  ich  der  städtischen  Medaillen- 
Sammlung. 

Börne  starb  in  Paris  am  13.  Februar  1837.  Gutzkow  und  Heine 
haben  über  ihn  ausführliche  biographische  Mittheilungen  veröffentlicht. 

Simon  Naub. 

Zum  Sehluss  der  Beschreibungen  der  zum  Angedenken  von  Be- 
wohnern Frankfurts  gefertigten  Medaillen  habe  ich  noch  diejenige 
einer  Personenmünze  zu  geben,  über  welche  ich  leider  ausser  der 
Beschreibung  selbst  keinerlei  Mittheilung  zu  machen  im  Stande  bin. 

Hauptseite:  Brustbild  eines  jungen  Mannes  im  blossen  Kopf, 
das  Profil  nach  rechts,  in  einem  vorn  zugeknöpften  Maschen  wams 
mit  gauffrirter  Halskrause.    Unter  dem  Kopf  die  Jahreszahl  1587. 

Umschrift:  Simon  Naub  Franckenfortcnsis  ae:  25. 

Kehrseite:  Brustbild  einer  Frau  im  Profil  nach  links  mit  einem 
kleinen  flachen   dreieckigen  Häubchen  auf  des  Kopfes  Mitte;  da* 
Haar  des  Hinterhauptes  senkrecht  durch  mehrere  Furchen  gescheitelt 
und  vom  Nacken  abwärts  in  einen  dicken  Zopf  geflochten.  Anliegen 
des  hohes  geblümtes  Kleid  mit  einer  gauffrirten  Halskrause. 

Umschrift:  Maria  Naubin  Norimber:  «:  29. 

Durchmesser:  18  Linien.    In  Blei. 

Ich  erwarb  diese  schön  gearbeitete  Medaille  in  Nürnberg  von» 
Obrist  von  Gemming,  und  eignete  sie  der  städtischen  Münzsammlung 
zu;  in  den  Nürnberger  Kirchenbüchern  soll  angeblich  nirgends  einer 
Familie  Naub  erwähnt  werden.  Ein  Gleiches  Tür  Frankfurt  ergab 
sich  durch  die  Nachforschungen  in  den  hiesigen  Goburts-  und 
Trauungs-Büchern. 


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XL  Nachträge  und  Portsetzung  der  Beschreibungen  der 
auf  die  Stadt  Frankfurt  bezüglichen  Prägestucke  auf 
geschichtliche  Eogobenheiten. 


Geprägte  achteckige  Anhäng-Medaille  ?on  1505,  wahrscheinlich 
das  Abzeichen  einer  Brüderschaft  znr  Pestkranken-Pflege. 

146)  Hauptseito:  In  einem  Perlcnring  gekröntes  bärtiges  Brust- 
bild im  Vollgesieht,  mit  Reichsapfel  und  Schwert  in  den  Hunden. 
Umschrift:  S.  KAROLVS  IMPE. 

Kehrseite:  In  einem  Perlenring  der  alte  Frankfurter  Wappenadler. 
Umschrift:  FRANCKFVRT  1505  *  f  * 
Durchmesser:  15  Linien.  Messing. 

In  den  beiden  mir  bekannten  Exemplaren  dieses  Priigestücks  ist 
ein  Loch,  unfern  des  Randes,  zum  Anhängen  der  Medaille;  es  befin- 
det sich  nicht  über  dem  Kopfe  des  Brustbildes  oder  des  Adlers,  son- 
dern seitlich. 

Es  ist  bekannt,  dass  im  Jahre  1502  Frankfurts  Bewohner  stark 
von  der  Pest  heimgesucht  wurden,  welche  Seuche  zwar  1503  aufhörte 
aber  zwei  Jahre  später  mit  grosser  Heftigkeit  gehaust  hat.  Der  Stadt- 
rath verordnete,  dass  jedes  Haus,  in  welchem  die  Krankheit  sich 
zeigte,  streng  abgesperrt  werde;  da  aber  ein  gewisser  Verkehr  mit 
den  Bewohnern  solcher  Häuser  stattfinden  musste,  so  scheint  als  Be 
rechtigung  hierzu  vorbeschriebene  Anhängsmedaille  gedient  zu  haben. 
In  den  Raths-Sitzungs-Protollen  jener  Zeit  fand  Herr  Archivar  Dr. 
Kriegk  keine  Notizen  Uber  dieses  Prägestück  vor.  Kaiser  Karl  der 
Grosse  ist  bekanntlich  der  Schutzpatron  der  hiesigen  Domkirche. 

Die  städtische  Sammlung  besitzt  kein  Exemplar  dieses  Prägestücks. 

Ansicht  der  Stadt  ?on  1664. 

146a)  Dieses  einseitige  Prägesttick  (?)  gibt  eine  Ansicht  der  west- 
lichen Seite  der  Stadt;  im  Vordergrund  sind  die  beiden  Buchstaben 
R  V,  Initialen  eines  mir  unbekannten  Stempelschncidcrs  oder  Gold- 
schinieds. 

Ueberachrift :  16   Francofurt  64 

den  17.  Dcc.  2  u.  3  U. 
Durchmesser:  17  Linien. 

Es  bezieht  sich  das  Datum  1664  den  17.  Deecmber  und  die  Ta- 
geszeit 2  und  3  Uhr  auf  irgend  eine  Begebenheit,  die  für  Frankfurts 
Bewohner  Interesse  hatte.    Was  solches  gewesen  ist,  verbleibt  mir 


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unbekannt  In  Lersner's  Chronik  der  Stadt,  die  bis  zu  Anfang  des 
vorigen  Jahrhunderts  geht,  worin  so  vielerlei  Angaben  zusammen  ge- 
tragen  sind  von  Ereignissen  aller  Art,  die  nur  Local- Interesse  haben, 
findet  sich  nichts,  das  mit  der  auf  dieser  »Silberplatte  bezeichneten 
Zeh  in  Beziehung  gebracht  werden  könnte.  Es  muss  sofort  dem  Zo- 
fall überlassen  bleiben,  dieses  fragliche  Ereigniss  zu  ermitteln. 

icn  erKaurte  oie  voroescnntucnt*  •Mifjcrpiarte  ix'i  fincni  .rLnuaui* 
täten-Händler  in  Heidelberg  und  verehrte  sie  der  städtischen  Münz- 
sammlung. Es  fand  sich  nachher,  dass  eine  ganz  gleiche  Silberpiatie 
schon  längst  in  der  reichhaltigen  Sammlung  Frankfurter  Prägestücke 
im  Besitze  des  Herrn  Eduard  Finger  allhier  aufbewahrt  wird. 

Geprägt«  Metallplatten,  welche  unter  Grenzsteine  eingelegt 

worden  aind. 

147)  Beschreibung  der  einseitig  geprägten  runden  Züwplatten : 
Gleichseitiges  Rechteck,  um  dessen  Seiten  ein  eudlosea  Band  in  Bogen- 
wölbungen  gewunden  ist    Innerhalb  des  Rechtecks 

G.  F. 
1813. 

Der  innere  Rand  der  Geprägsfläche  ist  fein  gezackt 
Durchmesser:  21  Linien. 

Die  beiden  Buchstaben  G.  F.  sind  die  Initialen  von:  Grossher- 
zogt  hu  in  Frankfurt  Diese  Zinnplatten  wurden  im  Jahre  1813  unter 
die  neu  gesetzten  Grenzsteine  gelegt,  bei  der  Abtheilung  eines  zu 
Frankfurt  gehörigen  Waldes  auf  der  hohen  Mark  im  Taunus. 

Die  städtische  Sammlung  empfing  ein  Exemplar  die**?r  Zinnplatte 
im  Jahr  1861  vom  Senator  Useuer  als  Geschenk. 

Denkmal  zur  vierten  Säcularfeier  der  Erfindung  der 

Buchdruckerkunst. 

148)  Hauptseite:  Ansicht  des  Denkmals,  daruuter:  C.  A.  Wil- 
helm, Hanau  a.  M.  (Name  und  Wohnort  des  Stempelschneiders).  Tin 
schrift:  Gutenberg.  Fust  Schöner.  *) 

Abbildung:  Tafel  II,  fig.  8. 

Kehrseite:  In  einem  Lorbeer-  und  Eicheulaubkranz.  Inschrift 
in  fünf  Zeilen:  Bei  der  |  4.  Säcular  |  Feier  |  am  24.  Juni  ]  IS40 
Umschrift:  *  Zu  Ehren  der  Erfindung  der  Buchdruckerkunst  • 
Frankfurt  a.  JL 

Durchmesser:  16  Linien. 


*)  Der  Name  Gatenberg  wird  bald  mit  einem  t  bald  mit  zwei  geschrieben. 


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Von  dieser  Medaille,  die  erst  im  Jahre  1857  gefertigt  wurde, 
konnten  wegen  ungenügender  Härte  des  Stempels  nur  Exemplare  in 
Zinn  geprägt  werden. 

Ausführliche  Beschreibung  des  Denkmals:  Auf  einem  Unterbau, 
dessen  Gmndriss  ein  Quadrat  ist,  aus  dessen  vier  Ecken  in  diagonaler 
Richtung  je  eine  gleichfalls  quadrirte  Basis  vortritt,  erhebt  sich  ein 
mehrfach  gegliederter,  massiver,  vierseitiger  Pfeiler,  auf  den  Ecken 
mit  vier  vorspringenden  Pilastern.  Die  vier  Hauptflächen  des  Pfeilers, 
der  sogenannte  Kern,  haben  jede  eine  Nische  mit  der  Statue  einer 
weiblichen  Figur  geziert,  die  Städte  Mainz,  Strassburg,  Venedig  und 
Frankfurt  darstellend,  in  welchen  zuerst  die  Buchdruckerei  in  Aus- 
übung kam.  Das  obere  Ende  des  Pfeilers  umgibt  eine  Reihe  von 
14  rautenförmigen  Vertiefungen;  13  derselben  enthalten  den  Portrait- 
kopf  eines  herühmten  Buchdruckers;  der  letzte  Portraitkopf  am  hin- 
tern Eckpilaster  ist  derjenige  des  Künstlers  selbst,  welcher  dieses 
Denkmal  entworfen  hat.  Den  Pfeiler  deckt  eine  grosse  verzierte 
Platte,  auf  welchen  die  Gruppe  der  lO1/«  Fuss  hohen  Statuen  von 
Guttenberg,  Fust  und  Schöffer  stehen. 

Die  unten  an  den  vier  Ecken  des  Kernpfeilers  vorspringenden 
quadrirten  Basen  sind  die  Träger  von  vier  Würfel,  mit  Sitzen,  auf 
welchen  vier  allegorische  weibliche  Figuren  ruhen,  Theologie, 
Poesie,  Naturwissenschaft  und  Industrie,  als  Repräsentanten  derjenigen 
Thätigkeit  des  menschlichen  Geistes,  welche  von  der  Erfindung  des 
Buchdruckes  den  grössten  Vorthcü  gezogen  haben. 

Auf  der  Vorderseite  des  Würfels,  unter  jeder  sitzenden  Figur, 
befindet  sich  ein  Thierkopf,  der  zur  Ausmündung  eines  Wasserstrahls 
dient,  wodurch  vier  Brunnenwannen  gespeist  werden;  letztere  sind 
durch  dazwischen  liegende  Stufen  unter  sich  verbimden.  Durch  jeden 
Thierkopf  soll  ein  Welttheil  versinnlicht  werden,  nämlich:  Europa 
durch  den  Kopf  eines  Stiers,  Asien  durch  den  eines  Elcphanten, 
Afrika  durch  den  Löwen  und  Amerika  durch  das  Lama. 

Um  das  Monument  geht  ein  Eisengeländer  in  gothischem  Style.' 

Im  Jahre  1840[,  als  das  vierte  Säcularfest  der  Erfindung  der 
Buchdruckerkunst  allhier  gefeiert  wurde,  führte  Herr  Ed.  Schmidt 
von  der  Launitz  ein  von  ihm  ausgedachtes  Denkmal  als  Festzierdo 
in  vergänglichem  Material  aus;  es  wurde  von  ihm  später  in  monu- 
mentaler Weise  durchgearbeitet,  und  in  seiner  gegenwärtigen  Form 
mittelst  Geldbeiträgen  von  Privaten  ausgeführt;  das  Ganze  war  erst 
im  Jahre  1857  vollendet 

IV.  18 


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—    194  — 

Vereinsthaler  auf  die  Säcularfeier  von  Schillert  Geburtsjahr. 

149)  Hauptseite:  Der  Wappenadler  der  Stadt  Frankfurt;  Um- 
schrift: Freie  Stadt  Frankfurt. 

Kehrseite:  In  der  Mitte  Inschrift  in  4  Zeilen:  Zu  |  Schiller'»  ] 
hundertjähriger  |  Geburtsfeier.  Darunter  sind  fünf  Sterne.  Ueber  der 
Inschrift:  Ein  Gedenkthaler;  unter  derselben:    Am  10.  Nov.  1859. 
und  unter  dieser  sind  abermals  fünf  Sterne. 

Randschrift:  Stark  im  Recht. 

Durchmesser:  14'/.  Liuien. 

Vou  diesem  als  Courant-Münze  ausgeprägten  Thaler,  ebenso  von 
den  nachstehend  beschriebenen  Fürstentag-  und  Schützenfest-Thalern 
ist  eine  sehr  grosse  Anzahl  in  Umlauf  gesetzt  worden. 

Zur  Erinnerung  an  die  fünfundzwanzig  jährige  Wirksamkeit 

der  Zollverwaltung. 

150)  Hauptseite  der  Medaille:  Weibliches  Brustbild  im  Profil 
nach  rechts,  bekränzt  mit  Eichenlaub,  und  Perlenachnürc  über  die 
Haarflechten;  reich  verzierter  Mantel  bedeckt  Hals  und  Schultern. 
Am  Abschnitt  des  Annes:  A.  v.  Nordheim  (der  Stempelschncider). 
Umschrift:  Freie  Stadt  Frankfurt. 

Abbildung:  Taf.  II,  fig.  9. 

Kehrseite:  Inschrift  in  9  Zeilen:  Zur  Erinnerung  |  an  die  | 
25jährige  |  Wirksamkeit  ]  der  |  Zollverwaltung  |  in  |  Frankfurt  a.M.  | 
1836  *  1861. 

Durchmesser:  18  Linien. 

Der  Stempel  der  Hauptseite  ist  der  gleiche,  welcher  zur  Prügimg 
der  doppelten  Vereins-Thaler  dient;  es  wurden  von  dieser  Medaille 
nur  40  Exemplare  gefertiget,  zur  Austheilung  an  die  hier  befindlichen 
Zollsteuer-Beamten. 

Vereinsthaler  auf  das  Schützenfest  von  1868. 

151)  Hauptseite:  Eine  reich  gekleidete  stehende  weibliche  Figur, 
nach  der  linken  Seite  gewendet,  hält  in  der  ausgestreckten  rechten 
Hand  einen  Lorbeerkranz,  mit  dem  linken  Arm  ist  sie  auf  ein  Schild 
gestützt,  auf  welchem  der  doppelköpfige  Reichsadler.  An  der  Bas» 
dieses  Standbildes  ist  der  Name  des  Stempelsclin eiders  A-  v.  Xord- 
heim.    Umschrift:    Ein  Gedenkthaler  zum  deutschen  Schützenfest. 

Abbildung:  Taf.  II,  fig.  10. 

Kehrseite:  Der  städtische  Wappenadler  mit  der  Umschrift: 
Freie  Stadt  Frankfurt. 


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-    195  — 


Handschrift:  *  Stark  im  Recht  * 
Durchmesser:  144/a  Linien. 

Von  dieser  Thalersorte  wurden  20,000  Stück  ausgeprägt,  wovon 
ein  Theil  zu  den  ausgesetzten  Schiess-Preisen  verwendet,  die  übrigen 
in  Umlauf  gesetzt  wurden.  Der  Spruch  auf  der  Randschrift  hat  seit 
1857  den  alten  Wahlspruch  der  Frankfurter  Münzen:  Nomen  Domini 
turris  fortissima  verdrängt,  meines  Erachtens  eine  ganz  unnöthige 
Neuerung,  die  sogar  als  Satyre  auf  die  Ilülflosigkeit  der  deutschen 
kleinen  Staaten,  wie  die  Stadt  Frankfurt  gedeutet  werden  könnte. 

Medaillen  und  Jettons  auf  das  Schützenfest  von  1862. 


Grosse  Medaille  mit  Ansicht  des  Gabentempels. 

152)  Hauptseite:  Auf  einer  mit  Stufen  umgebenen  sechseckigen 
Erhöhung  erhebt  sich  ein  dreistöckiges  progressiv  verkürztes  Gebäude 
mit  Thür  und  Fenstern  im  Spitzbogen-Style;  an  den  terassenförmigen 
Absätzen  ist  Geländer  mit  gothischem  Schnitzwerk.  An  jeder  Ecke 
derGallerie  des  ersten  Stockwerks  ist  eine  Fahne;  die  zweite  Gallerie 
ist  nur  mit  zwei  Fahnen  geschmückt.  Auf  der  Fläche  des  dritten 
Stockwerks  erhebt  sich  das  colossale  Standbild  der  Germania,  in  der 
ausgestreckten  Rechten  einen  Kranz  haltend.  Unten  im  Abschnitt  die 
Inschrift:  Gaben-Tempel. 

Abbildung:  Taf.  II,  fig.  11. 

Kehrseite:  Zwischen  zwei  Eichenlaub-Zweigen  Inschrift  in  sechs 
Zeilen:  Deutsches  |  Schützenfest  |  zu  |  Frankfurt  a.  M.  |  D. 
13.— 18.  Juli  |  1862.  Ganz  unten  stehet:  Gebr.  Hartwig,  Otten- 
bach a.  M. 

Durchmesser:  24Vt  Linien. 

Mittelgrosse  Medaille  mit  Ansicht  des  Gabentempels. 

153)  Hauptseite:  Der  Gabentempel,  dessen  Gallerie  des  untern 
Stockes  mit  vielen  Fahnen  geschmückt  ist.  Umschrift:  *  Heil  dem 
Deutschen  Vaterlande.  *   Unten:  Gabentempel. 

Kehrseite:  In  einem  Eichenlaubkranz  Inschrift  in  7  Zeilen: 
Zur  |  Erinnerung  |  an  das  deutsche  j  Schützenfest  |  in  |  Frankfurt  a.  M. 
|  1862.  Beide  Seiten  der  Medaille  haben  eine  Randeinfassung  von 
feinen  Perlen. 

Durchmesser:  21  Linien. 

13» 


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196 


Kleine  Medaille  mit  Ansicht  dos  Gabentempels. 

154)  Die  Haupt seite  gibt  verkleinert  dieselbe  architectonische 
Darstellung  wie  auf  vorbeschriebener  Medaille,  nur  ist  der  Fahnen- 
schmuck der  Gallerie  des  ersten  Stockwerks  auf  zwei  Fahnen  be- 
schränkt; die  Inschrift  im  Abschnitt  fehlt,  dagegen  hat  das  Denkmal 
die  Umschrift:  Das  I.  Deutsche  Schützenfest 

Kehrseite:  Ansicht  von  Frankfurt  und  Sachsenhausen  von  der 
Ostseite.  Im  Vordergrund  stehet  ein  Schütze,  das  ruhende  Gewehr 
in  der  Rechten;  neben  ihm  liegen  zwei  Schiessscheiben.  Umschrift: 
Frankfurt  a.  M.  Juli  1862. 

Durchmesser:  131/*  Linien. 

Grosse  Medaille  mit  Ansicht  der  Festhalle. 

155)  Hauptseite:  Aeusserc  Ansicht  der  grossen  mit  Fahnen 
geschmückten  Festhalle,  darunter  zwischen  Blattgewinden,  in  einem 
spanischen  Wappenschild  der  doppelköpfige  Reichsadler.  Ueberschrift 
im  Felde:  Festhalle.  Umschrift:  Zur  Erinnerung  an  das  deutsche 
Schützenfest  *  Frankfurt  a.  M.  1862.  * 

Abbildung:  Taf.  H,  fig.  12. 

Kehrseite:  Germania  steht  an  einem  Eichstamm,  auf  welchen 
sie  ihre  linke  Hand  stützt;  in  der  Rechten  hält  sie  ein  Schwert,  wo- 
mit sie  einen  auffliegenden  Adler  beschützt;  rechts  eine  Büchse  und 
eine  Schiessscheibe.  Im  Hintergrund  sind  die  Thürme  des  Doms  und 
dor  Paulskirche  sichtbar.  Umschrift  in  zwei  Zeilen,  äussere:  Die 
Freiheit  zu  schützen,  zu  schirmen  das  Land,  gelobet  (innere  Zeile 
als  Fortsetzung)  ihr  Schützen  mit  Herz  und  mit  Hand. 

Unten  im  Abschnitt:  Drentwett  D.  Sebald  F.  (die  Stempel- 
fertiger). 

Durchmesser:  18  Linien. 

- 

Kleine  Medaille  mit  Ansicht  der  Festhalle. 

156)  Hauptseite:  Ansicht  der  Festhalle,  vor  welcher  zwei  »hohe 
Flaggenstäbe  stehen.  Umschrift:  Erstes  deutsches  Bundcsschiessen. 
Unten:  Frankfurt  a.  M.  |  13.-20.  Juli  |  1862. 

Kehrseite:  An  einem  Baumstamm  ist  angelehnt  eine  Fahne, 
vor  welcher  eine  Schiessscheibe,  eine  Flinte,  ein  Waldhorn,  Pulver- 
hom  und  Patrontasche,  seitlich  links  ein  umwickelter  Palmenzweig, 
rechts  ein  geschnürter  Bündel  Stäbe.  Umschrift:  An's  Vaterland, 
an's  thoure  schliess  dich  an.  * 

Durchmesser:  15  Linien. 

- 


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197  - 


Medaille  mit  dem  Frankfurter  Wappenadler. 

157)  Hauptscite:  Der  Frankfurter  Wappenadler  in  spanischem 
Schild,  von  Schnürkelverzierungen  umgeben,  zwischen  zwei  Spruch- 
bändern; im  obern  steht:  Erstes  deutsches  Bundesschiessen ;  im  un- 
tern: Zu  Frankfurt  a.  ÄL  d.  13.  b.  19.  Juli  1862. 

Kehrseite:  Auf  einem  Eichenlaubkranz  liegen  gekreuzt  zwei 
Bilchsen,  in  der  Mitte  ein  Schützenhut  Umschrift:  Uebet  Aug  und 
Hand  fllr's  Vaterland.  Unten:  Gebr.  Hartwig  (Name  der  Stempel- 
schneider). 

Durchmesser:  18  Linien. 

Anhängemedaille,  getragen  von  den  die  Festordnung 
beaufsichtigenden  Turnern. 

158)  Hauptseite:  Die  fast  ganz  gleiche  Darstellung  und  Um- 
schrift, wie  auf  der  Kehrseite  von  156;  es  fehlt  nur  der  zur  linken 
Seite  dort  befindliche  umwickelte  Palmzweig. 

Kehrseite:   In  einem  Eichenlaubkranz  Schrift  in  7  Zeilen: 
Deutsches  |  Bundesschützen  |  Fest  |  zu  |  Frankfurt  a.  M.  | 
13.-18.  Juli  |  1862. 

Durchmesser:  15  Linien. 

Vorbeschriebene  sieben  Medaillen  (Nr.  152—158)  befinden  sich 
in  Zinnexemplaren  auf  der  Stadtbibliothek.  *) 

Das  Schützenfest  veranlasste  die  Fertigung  mchreror  Jettons  und 
Marken,  deren  Beschreibung  nachfolgt,  ohne  die  Verbindlichkeit  zu 
übernehmen,  diesen  Gegenstand  erschöpfend  zu  bearbeiten. 

159a)  Hauptseite:  Mit  Eichenlaub  bekränzter  Frauenkopf  im 
Profil  nach  links.  Umschrift:  Deutschland  über  Alles.  Unter  dem 
Kopf:  Lauer  (Name  des  Fertigers).**) 

Kehrseite:  Schrift  in  2  Zeilen:  Gott  segne  |  Deutschland. 


♦)  Es  gibt  noch  eine  in  Nürnberg  gefertigte  Zinnmedaille  von  Theodor  Oer. 
Auf  ihrer  Hauptseite  ist  die  Ansicht  der  Sängerfest-Halle  mit  der  Ueberechrift: 
Zur  Erinnerung  a.  d.  deutsche  Sängerfost.  Im  Abschuitt :  Zu  Nürnberg  |  im  Juli 
|  1861.  Kehr  Reite:  Gruppen  von  Fahnen  und  Flinten.  Umschrift  in  drei  Zei- 
len: Zur  Erinnerung  a.  d.  deutsche  Schützenfest  |  Scharfes  Aug  und  sichere  Hand 
|  das  |  Ganze  sein  dem  Vaterland.  Unten:  Zu  Frankfurt  a.  M.  I  im  Juli  |  1862. 
Durchmesser:  19  Linien. 

**)  Ein  bei  der  Versuchsprage  abgesprungener  gleicher  Stempel  hatte  die  In- 
schrift: Deutschland  hoch! 


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—    198  — 

159b)  Hauptseite:  Drei  Schützen,  welche  sich  bei  der  Deutschen 
Fahne  die  Hand  reichen. 

Kehrseite:  Schrift  in  5  Zeilen:  Wir  |  wollen  sein  |  ein  einig  | 
Volk  von  I  Brüdern. 

159c)  Haupt  seite:  Büchse,  Hirschfanger  und  Jagdtasche  zusam- 
menliegend, darüber  ein  Spruchband  mit  der  Inschrift:  D.  Vaterland 
z.  Ehr  u.  Wehr. 

Kehrseite:  Schrift  in  4  Zeilen:  Dem  |  Muthigen  |  gehört 
die   |  Welt 

159d)  Hauptseite:  Ansicht  von  Frankfurt  von  Süd-Osten  aus; 
darüber:  Frankfurt 

Kehrseite:  Schrift  in  4  Zeilen:  Erstes  ]  deutsches  |  Schützenfest 
|  Juli  1862. 

159e)  Hauptseite:  Kopf  im  Profil  nach  links.  Umschrift:  Emst 
Herzog  zu  Coburg. 

Kehrseite:  Schrift  in  5  Zeilen:  Das  erste  |  deutsche  |  Schützen- 
fest |  im  Juli  1862  |  in  Frankfurt  a.  M. 

Diese  fünf  Jettons  sind  in  Kupfer;  im  Durchmesser  von  10 
Linien  jeder. 

159f)  Hauptseite:  Schrift  in  2  Zeilen:  Schuss  |  Marke. 
Kehrseite:  In  einem  Eichenlaubkranz:  1862*). 
Messing-Jetton  von  9  Linien  Durchmesser. 

Für  das  Schützenfest  wurde  auch  geprägt  eine  einseitige  runde 
Messing-Platte  mit  einem  Loch  zum  Anbinden  einer  Nummer.  Auf 
derselben  ist  ein  nach  einer  Scheibe  zielender  Schütze,  unter  ihm  die 
Buchstaben  G.  u.  H.  (Gewehr  und  Hut?)  Sie  diente  als  Contremarke 
für  die  Aufbewahrung  der  bezeichneten  Gegenstände. 

Durchmesser:  11  Linien. 

Fflrstentaga-Thaler. 

160)  Hauptseite:  Ansicht  der  Vorderseite  des  städtischen  Rath- 
hauses nebst  des  vor  demselben  befindlichen  Springbrunnens ;  im  Vor- 
dergrund aufgestelltes  Volk  und  ein  zweispäuniger  Wagen,  der  über 
den  Platz  fährt.  Umschrift:  Fürstentag  zu  Frankfurt  am  Main,  im 
August  1863.  * 

Abbildung:  Taf.  n,  fig.  13. 


*)  Es  gibt  eine  Ähnliche  Marke  mit  der  Jahreszahl  1884 ,  welche  bei  dem  in 
dicaem  Jahre  hier  abgehaltenen  Schützenfeste  verbraucht  wurde. 


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-    199  - 


Kehrseite:  Der  städtische  Wappenadler.    Umschrift:  *  Freie 
Stadt  Frankfurt.  *  Ein  Gedenkthaler. 

Randschrift:  —  Stark  —  im  Recht.  —  * 

Durchmesser:  141/*  Linien.    Ist  als  Courant-Münze  in  grosser 
Anzahl  ausgeprägt 

Medaille  auf  das  Jubiläum  der  Frankfurter  Freiwilligen  ?on  1815. 

161)  Beschreibung  der  Medaille: 

Hauptseitc:  Ein  Soldat  stehet  bei  einem  Felsen,  aufweichen 
seine  linke  Hand  gestützt  ist;  in  der  Rechton  hält  er  eine  Fahne; 
neben  dem  Felsen  erhebt  sich  ein  kräftiger  junger  Eichbaum.  Um- 
schrift: Mit  Gott  für  deutsches  Vaterland.  Im  Abschnitt  der  Frank- 
furter Wappcnadler  zwischen  Schuürkeln;  unten  der  Name  des  Stein- 
pelschneiders  Schnitzspahn  —  Darmstadt. 

Abbildung:  Taf.  II,  fig.  14. 

Kehrseite:    Di  einem  Kranz  von  Lorbeer  und  Eichen  Blätter- 
bündel gebildet,  Inschrift  in  9  Zeilen:   Zur  |  50jährig.  |  Jubelfeier  | 
der  |  Freiwilligen  |  von  |  Frankfurt  a.  M.  |  am  11.  Dec.  |  1863. 

Durehmesser:  16  Linien. 

In  Silber  und  Bronze  auf  der  Stadtbibliothek. 

Diese  Medaille  wurde  im  Jahre  1865  geprägt  zur  Erinnerung 
der  vor  50  Jahren  gegen  Frankreich  ausgezogenen  Frankfurter  Frei- 
willigen. Die  Zusammenstellung  auf  der  Hauptseite  ist  äusserst  ge- 
schmackloss,  wesshalb  jedoch  der  ausgezeichnete  Graveur  Schnitz- 
spahu  keineswegs  verantwortlich  ist,  da  ihm  das  darzustellende  genau 
angegeben  wurde. 

Es  wäre  noch  als  Schluss  die  Preismedaillc  zu  beschreiben,  welche 
bei  der  im  Sommer  1864  stattgehabten  Frankfurter  Gewerbe-Aus- 
stellung vertheilt  werden  sollte;  mit  ihrer  Anfertigung  ist  der  Stern-  • 
pelschneider  A.  von  Kurdheim  betraut;  bis  zu  Anfangs  April  1867 
waren  die  Stempel,  obgleich  sie  längst  bezahlt  sind,  noch  nicht  be- 
endiget ,  und  unter  den  jetzigen  politischen  Verhältnissen  ist  es  sehr 
problematisch,  ob  überhaupt  noch  eine  Preismedaillen  -  Vertheilung 
stattfindet*). 


»)  Der  verspätete  Druck  erlaubt  mir  die  Beschreibung  dieser  erst  im  Februar 
1868  beendigten  und  ausgetheiltcn  Preismedaille  mitzutheilen. 

161a)  Ilauptseite:  Sitzende  Frau  mit  nach  links  gekehrtem  Kopfprofil;  in 
der  ausgestreckten  rechten  Hand  hält  sie  einen  Kranz,  und  in  der  auf  einem 


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-    200  - 


Anhang:. 

in.  Fortsetzung  der  Beschreibungen  verschiedener  für 
Prankfurt  gefertigter  Prägestücke  zum  Localgebrauch. 


8tadtthor-Ein-  und  Auslasszeichen. 

Zu  den  in  meiner  zweiten  Abhandlung  unter  No.  136  und  137 
beschriebenen  beiden  Stadtthor-Einlasszeichen  sind  nachfolgende  bei- 
zufügen. 

137a)  Einseitig  geprägte  messingene  Zeichen,  mit  F  T  (Fried- 
berger  Thor),  darunter  stehet  EIN  LASS  über  zwei  ins  Kreuz  lie- 
gende Blattzweige.  Es  gibt  sowohl  von  diesen  Marken  als  von 
den  für  das  Eschenheimer-  und  Allerheiligen-Thor  gefertigten  runde 
und  viereckige  Messing-Zeichen,  beiläufig  von  10  Linien  Durchmesser. 

137b)  Runde  Messing -Marken,  zollgross,  auf  deren  einen 
Seite  in  einem  von  drei  paralellen  Strichen  gebildeten  Viereck: 
*  EINLAS.  * 

137c)  Sechszehn  Linien  grosse  runde  Messingmarke,  worauf  die 
in  4  Zeilen  geprägte  Inschrift:  4  Batzen  |  Sperr  |  für  |  2  Pferde. 

137d)  Einundzwanzig  Linien  grosse  viereckige  Messingmarke, 
worauf  in  einer  Kreiscinfassung  ein  gleichseitiges  Viereck,  die  Inschrift : 
4  |  Batzen  |  Sperr  fUr  |  2  |  Pferde.  Unten  ist  ein  kleiner  städtischer 
Wappenadler. 

137e)  Achtzehn  Linien  grosse  runde  Ziun-Marke,  worauf  ein  so- 
genanntes Posthorn,  umgeben  von  den  3  Buchstaben  F.  E.  F.  (freier 


Wappenschild  mit  dem  städtischen  Adler  ruhenden  Linken  zwei  Kränze.  Links 
von  dem  Sitze  an  einer  Sockelmauer  die  obere  Körperhälfte  eines  Fluss-Gottcs, 
der  in  seiner  Rechten  eine  Keule  oder  ein  Ruder  hält,  darüber  an  der  Maust  stehet 
des  Flusses  Name:  Main.  Rechts  von  dem  Sitz  an  der  Sockelmauer  ist  der 
Wappen  der  Frankfurter  Künstler-Genossenschaft.  Auf  der  Basalleiate  stehet:  A. 
v.  Nordheim  (der  Stempelscbneider).  Umschrift  oben:  Die  freie  Stadt  Frankfurt, 
unten :  Dem  Verdienst.  Zwischen  dieser  Schrift  auf  jeder  Seite  sind  drei  Rosetten. 

Kehrseite:  In  einem  Kranz  von  Eichenlaub  und  Lorbeerblättern  Inachriit 
in  sieben  Zeilen:  Kunst  |  und  |  Industrie  1  Ausstellung  j  Frankfurter  I  Erzeugnisse  | 
1804..  Durchmesser:  24  Linien. 

Diese  Medaille  ist  nur  in  Bronze  ausgeprägt  worden  und  ist  das  letzte  numis- 
matische Dcukmal  von  Frankfurts  selbständiger  Verwaltung. 


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-    201  - 


Einläse  Frankfurt).  Sie  dienten  zum  Gebrauch  der  Postülone  und 
ihrer  Pferde. 

137f  u.  g)  Runde  zollgrosse  Messingmarken,  worauf  geprägt  ist 
F  E  oder  F  A  (freier  Eirdass  und  freier  Auslass).  Diese  Marken, 
welche,  wie  es  scheint,  für  alle  Stadtthore  gültig  waren,  wurden  in 
der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhuuderts  gebraucht 

137k  il  i)  Runde,  zehn  Linien  grosse  Zinnmarken,  mit  aufgepräg- 
tem städtischem  Wappenadler,  darunter  (F)  [Frankfurt]  zwischen  den 
Buchstaben  G  B  (Initialen  des  Münzmeisters  Georg  Bunzen).  Es 
waren  dieses  Thorsperr-Zeichen,  die  in  der  ersten  Hälfte  dieses  Jahr- 
hunderts an  allen  Stadtthoren  im  Gebrauch  gewesen  sind.  Es  gibt 
davon  zwei  verschiedene  Stempel. 

137k)  Viereckige,  zehn  Linien  grosse  geprägte  Messing-Zeichen, 
worauf  in  einem  Perlenkranz  in  zwei  Zeilen  stehet:   AUSLAS  | 
ZEICHEN.    Diente  zum  freien  Auslass  an  allen  Stadtthoren. 

1371)  Runde,  vierzehn  Linien  grosse  Messingmarken ,  worauf  in 
einem  kleinblatterigeu  Kranz  die  Buchstaben  WSP,  welches  angeb- 
lich Wasser-Thor-Sperre  bedeutet.  Es  waren  Passirzeichen  für  die 
Bediensteten  der  am  städtischen  Mainufer  befindlichen  Schiffe. 

Eiförmige  Bleimarken  zum  Verschluss  der  Geldsäcke  der  Frank- 
furter Bank, 

162)  Auf  der  oberen  Fläche  stehet: 

%  Bank- 
Casse. 

auf  der  untern  Fläche:  Frank- 
furt. 

Durchmesser:  8  Linien. 

Bleimarken  des  Frankfurter  Hauptsteuer amtes. 

163)  Hauptseite:  Der  Frankfurter  Wappenadlcr,  umgeben  von 
einem  Perlenkranz. 

Kehrseite:  Inschrift  in  drei  Zeilen: 

H.  ST.  A.  |  FRANK  |  FURT  A.  M. 
Randschrift  auf  quer  gefurchtem  Grund: 

ZOLLVEREIN  FR.  STADT  FRANKFURT. 
Durchmesser:  10  Linien: 

In  diese  Blcimarken  wurden  seit  1861  die  Enden  der  Um- 
sclinürung  der  unverzollten  Waaren  bei  der  Einlegung  in  das  Maga- 
zin der  Mauth  eingepresst 


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Wirthschafts  -  Contremarken. 

1)  von  Georg  Sommer. 

164)  Ilauptseite:  Schrift  in  drei  Zeilen:  Garten-Wirthschaft  | 
von  Georg  Sommer  [  Frankfurt 

Kehrseite:  Ein  Becher  mit  schäumendem  Bier.  Umschrift: 
Gut  für  ein  Glas  Bier. 

Durchmesser:  10  Linien.  Messing. 

2)  von  Eduard  Fay. 

165)  Hauptseite:  Inschrift  oben:  Eduard  Fay  in  Frankfurt 
a.  M. ;  in  der  Mitte:  Gastwirth  zur  Harmonie. 

Kehrseite:  Schrift  in  7  Zeilen:  18 Kr.  |  wovon  1  12  Kr.  |  wiedor 
an  j  Zabhuig  |  angenommen  [  werden. 

Durchmesser:  12  Linien.    In  Messing  und  in  Blei. 

1G6)  Einseitiges  Gepräge.  In  der  Mitte  Schrift  in  3  Zeilen : 
18  Kr.  |  wovon  12  Kr.  au  Zahlung  |  angenommen  werden. 

Darunter  Blatt- und  Frucht-Verzierung.  Umschrift:  oben:  Eduard 
Fay;  unten:  Frankfurt  a.  M.  Auf  den  Seiten  links:  Eintritts-  rechts: 
Marke. 

Durchmesser:  17  Linien.    In  Blei. 

Vorbeschriebene  drei  Wirthschafts-Marken  sind  seit  1861  im 
Gebrauch. 

Jettons,  die  ausgeworfen  wurden  bei  dem  Faschingsaug  1862. 

167au.b)  Hauptseite:  Sitzende  costumirte  Figur,  in  der  Rechten 
einen  Scepter,  in  der  Linken  ein  Schaumwcinglas  haltend.  Um- 
schrift: Carueval  I,  Kaiser  der  Bittern;  oder  auch:  Kaiser  Carneval  I, 
Frankfurt  a.  M.  ^ 

Kehrseite:  Schrift  in  5  Zeilen:  I.  |  naerrische  |  Kaiser  }  Krö- 
nung |  1862. 

Durchmesser:  9  Linien.    In  Messing  und  Blei. 

Es  gibt  von  diesem  Jettou  zwei  Varianten  durch  Verschiedenheit 
in  der  Umschrift  der  Ilauptseite.  Die  „Bittern"  ist  der  Name  eines 
allhier  bestehenden  geselligen  Vereines. 

Rechonei-Control-Zeichen  für  das  Schlachtvieh  (seit  1864). 

168—173.  Es  sind  sechs  verschiedene  Stempel  dieser  Marken 
vorhanden  von  zweierlei  Grössen. 


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-    203  - 

a)  Grössere  Marken: 

Uauptseitc:  Der  Frankfurter  Wappenadler  mit  der  Umschrift: 
Rechenei  u.  Renten- Amt  der  freien  Stadt  Frankfurt 
Kehrseite: 

Schlacht  Schlacht 
fl.  4    8  kr.  oder         fl.  2.   24  kr. 

Gebühr.  Gebühr. 
Durchmesser:  13  Linien. 

b)  Kleine  Marken: 

Hauptseite  wie  auf  den  Vorstehenden. 
Kehrseite: 

Schlacht                Schlacht  Schlacht  Schlacht 

45  kr.       oder       18  kr.  oder        7  kr.        oder       4  kr. 

Gebühr.                 Gebühr.  Gebühr.  Gebühr. 

Durchmesser:  11  Linien.  Sämmtlich  in  Kupfer. 

Nachdem  im  Jahre  1864  die  Zunftgerechtigkeiten  abgelöst  wur- 
den, mussten  nunmehr  bei  dem  Schlachten  eines  jeden  Stück  Viehes 
je  nach  dem  Werthe  desselben  eine  der  vorbeschriebenen  Marken  von 
dem  Schlächter  eingelöst  werden.  Der  Ertrag  dieser  Spccialsteuer 
dient  zur  Verzinsung  des  bezahlten  Capitales  für  die  Zunftgerechtig- 
keits- Ablösung. 

Bauamts-Fnhnnarken. 

174)  Es  gibt  sehr  verschiedene  Arten  dieser  Contreraarken,  die, 
ausgetheilt  ftlr  Fuhren  in  Auftrag  des  Städtischen  Bauamts,  an  dessen 
Casse  gegen  Bezahlung  Eingewechselt  wurden.  Diese  Marken,  die  in 
der  städtischen  Münze  gefertigt  wurden,  sind  theils  geprägte  Werth- 
zeichen, theils  runde  Blechplatten  mit  eingeschlagenem  Stempel. 

Zu  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  waren  im  Gebrauch  für  die 
Fuhren,  die  für  Rechnung  des  Bauamtes  besorgt  wurden: 

a)  Neun  Linien  grosse  runde  Scheiben  von  gelbem  Blech,  theils 
mit  einem  eingeschlagenen  B  (Baufuhr),  theils  mit  einem  eingeschlage- 
nen W  (Wasserfuhr). 

Für  die  Dienstfuhren  im  ersten  Viertel  des  Jahrhunderts  be- 
nutzte man: 

b)  Fünfzehn  Linien  grosse  runde  Scheiben  von  weissem  Blech, 
in  dessen  Mitte  ein  kleiner  städtischer  Wappen  adler  eingeschlagen  ist 

Alle  nachbeschriebenen  Marken  sind  von  der  nämlichen  Grösse. 

Für  Sand-  oder  Grund-Fuhren  bei  der  städtischen  Strassen- 
Pflasterung  erhielten  die  damit  Beauftragten 


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c)  Rande  Scheiben  Ton  weissem  oder  gelbem  Blech,  worauf  ein- 
geschlagen ist:  F  ©°o  je  nach  der  Farbe  der  Blechplatte  war  ihr 
Einlösungs-Betrag  verschieden. 

Bei  den  Kiesfahren  zu  Chaussee-Bauten  wurden  ausgegeben: 

d)  Für  eine  einspännige  Fuhr:  Eine  weisse  Blechmarke,  einge- 
stcmpelt  mit  K  |. 

e)  Für  eine  zweispännige  Fuhr:  Eine  Blechmarke,  eingestempelt 
mit  K  f. 

Für  die  Grundfuhren  beim  Chausseebau  sind  im  Gebrauch  filr 

f )  Einspännige  Fuhr,  Blechmarke  mit  eingestempeltem  städtischen 
Wappen- Adler,  ein  F  auf  der  Brust;  unter  diesem  Stempel  die  Zahl 
12  (zwölf  Kreuzer). 

g)  Zweispännige  Fuhr,  ähnliche  Blechmarke  mit  der  Zahl  24 
(vierundzwanzig  Kreuzer). 

Die  Grundfuhr  bei  dem  Bau  der  Wasserleitung  erhielt 

h)  Eine  gelbe  Blechmarke  mit  eingestempeltem  W  L. 

Für  die  Wasserfuhren  zum  Begiessen  der  Strassen  seit  1864  wird 
gegeben : 

i)  Bei  den  Strassen  innerhalb  der  Stadteinwallung:  Marke  von 
gelbem  Blech,  woranf  der  städtische  Wappenadler  mit  der  Umschrift: 
Freie  Stadt  Frankfurt,  unter  diesem  Stempel  ist  B  A  (Bauamt).  Diese 
Marken  werden  mit  30  Kreuzer  eingelöst 

k)  Bei  den  Strassen  ausserhalb  der  ehemaligen  Stadteinwallung: 
Dieselbe  Marke  von  weissem  Blech,  die  mit  20  Kreuzer  eingelost 
wurde.  Diese  beiden  Marken  sind  geprägt 

Fuhrmarken  der  Omnibus-Unternehmer  (1865). 

174)  Hauptseite:  Ein  Omnibusfuhrwagen.  Schrift:  oberhalb: 
Frankfurter,  unterhalb:  Omnibus. 

Kehrseite:  In  drei  Zeilen:  Fahr  |  4  |  Marke. 

Die  Zahl  4  deutet  an,  dass  vier  Kreuzer  Personen-Taxe  für  jede 
einzelne  Fahrt  zu  zahlen  ist. 

Durchmesser:  11  Linien.   In  Kupfer. 


Zu  meinem  Aufsatz :  Die  Abzeichen  und  Namen  der  Frankfurter 
Münzmeister,  habe  als  Nachtrag  zu  bemerken,  dass  ein  Frankfurter 
Goldgulden  des  Kaisers  Friedrich  HI.  mit  dem  Titel  Imperator,  der 
demnach  zwischen  1452  und  1493  geprägt  wurde,  vorhanden  ist,  auf 
welchem  als  Münzmeister-Zeichen  zwischen  den  Füssen  des  Johannes 
der  Buchstabe  T  sich  befindet  Zu  welchem  Namen  dieser  gehört,  ist 


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-   205  - 


mir  nicht  bekannt;  er  muss  einen  Münzbeamten  bezeichnen,  der  hier 
in  Thätigkeit  gewesen  nach  Peter  Guldenlieben  (1462)  und  vor  der 
Anstellung  des  Münzmeisters  Friedrich  (1463).  Die  Kenntnis»  seines 
Namens  ist  übrigens  von  sehr  precairem  Interesse.  Ich  erkaufte 
diesen  Goldgulden  in  einer  Münzauction  in  Nürnberg  im  Früh- 
jahre 1867. 


Ordens-Decorationen,  welche  für  die  Stadt  und  theilweise  für  das 
Grossherzogthum  Frankfurt  gestiftet  wurden. 

a)  Adeliges  Cronstettisches  Damenstift. 

Durch  Decret  des  Kaisers  Joseph  II.  wurden  die  Mitglieder 
dieser  altadeligen  Genossenschaft  ermächtigt,  auf  der  linken  Brust 
ein  gleichschenkeliges  goldnes  Kreuz  zu  tragen,  in  dessen  Mitte  die 
Inschrift:  In  hoc  signo  salus.  befindlich  ist. 

b)  Ganerbschaft  des  Hauses  Alt-Limpurg. 

Durch  Diplom  des  Kaisers  Franz  II.  sind  die  Mitglieder  dieser 
altadeligen  Genossenschaft  ermächtigt,  ein  gleichschenkeliges  Kreuz 
zu  tragen,  dessen  Schenkel  durch  divergirende  Strahlen  verbunden 
sind;  in  der  Mitte  des  Kreuzes  liegt  ein  rundes  Schild,  auf  welchem 
an  der  Vorderseite  F  II  (Franz  II.)  mit  der  Umschrift:  Avita  vir- 
tute  fideque  in  Caesarem  et  Imperium  juncti;  auf  der  Rückseite  ist 
der  gekrönte  doppelköpfige  Adler  mit  Schwert  und  Sceptcr  in  den 
Klauen;  über  dem  Kreuz  ist  die  Kaiserkrone. 

c)  Adelige  Genossenschaft  des  Hauses  Frauenstein. 

Kaiser  Franz  H.  berechtigte  durch  ein  Diplom  die  Mitglieder 
dieser  Genossenschaft,  ein  dem  vorstehend  beschriebenen  ähnliches 
Ordenskreuz  zu  tragen,  das  sich  nur  durch  die  Umschrift  des  Mittel- 
schildes unterscheidet;  dieselbe  ist:  Majorum  gloria  propria  virtute 
aemuli. 

d)  Concordia-Orden. 

Nachdem  die  freie  Stadt  Frankfurt  gegen  Ende  des  Jahres  1805 
durch  Frankreichs  Gewaltherrscher  dem  ehemaligen  Erzbischof  von  ^ 
Mainz  Carl  von  Dalberg,  zuzüglich  anderer  Provinzen,  unter  der  Be- 
nennung Grossherzogthum  Frankfurt,  als  Lohn  für  seinen  Abfall 
vom  Deutschen  Reich,  zugewiesen  war,  fand  dieser  Fürst  sich  ver- 
anlasst, für  das  neue  Grossherzogthum  einen  eigenen  Orden  zu 
stiften,  welchem  er  den  Namen  Concordia-Orden  gab.   Die  Ritter 


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einer  der  vier  Classen  dieser  Decoration  trugen  einen  in  der  Ge- 
sammtform  ähnlichen  Stern,  nur  durch  die  Grosse  verschieden,  je 
nach  der  Gasse,  welche  verliehen  wurde.  Der  Stern  war  gebildet 
von  ungleichen  divergirenden  Kippen,  welche  in  einem  achteckigen 
Rand  endigten.  Auf  einem  runden  Mittelschild  befand  sich  in  der 
obern  Fläche  ein  Bogen  von  Wolken  gebildet,  darunter  zwischen 
zwei  Palmenzweigen  zwei  vereinigte  Hände,  über  welchen  die  In- 
schrift :  Concordia.  Von  dem  Wolkenbogen  liefen  abwärts  Strahlen- 
linien. Der  Durchmesser  des  Sterns  variirte  je  nach  der  Classe  des 
Ordens  von  V/t  bis  2»/*  Zo11- 

e)  Ordenskreuz,  gestiftet  unter  der  provisorischen  Verwaltung 
Frankfurts  im  Jahr  1814  durch  den  von  den  Verbündeten  Selbstherr- 
schern eingesetzten  Stadtcommandanten  Fürst  Heinrich  XBI.  von 
Reuss-Greiz. 

Ein  gleichschenkeliges  Kreuz  von  Bronze,  auf  dessen  Vorder- 
seite an  den  vier  Enden  der  Kreuzarme  stehet :  A.  I.  (Alexander  I.), 
F  I.  (Franz  I.),  F  W.  (Friedrich  Wilhelm  III.)  und  1814.  In  der 
Mitte  des  Kreuzes  ist  eine  cllvptische  Einfassung,  in  welcher  stehet : 
Deutschland ;  auf  der  Kehrseite  des  Kreuzes  stehet  in  einer  ähnlichen 
Einfassung:  H  XHI  R  G  (Heinrich  XIH.  —  Fürst  von  —  Reuss 
Greiz). 

f)  Ehrenkreuz,  gestiftet  für  das  Frankfurter  Linienmilitär  wegen 
des  Feldzugs  im  Jahr  1848  und  1849. 

Ein  gleichschenkeliges  Kreuz,  auf  dessen  Vorderseite  Inschrift 
in  vier  Zeilen:  Für  |  treue  Dienste  |  im  |  Krieg. 

Auf  der  Kehrseite  ist  im  obern  Kreuzschenkel  der  Frankfurter 
Wappenadler,  auf  den  beiden  Querschenkeln  stehet :  1848  und  1849. 
Im  untern  Schenkel  sind  zwei  Eichenlaubzweige. 

g)  Decorationskreuze,  gestiftet  1840  zur  Bezeichnung  der  Dienst- 
jahrc  der  Frankfurter  Linientruppen. 

Ein  gleichschenkeliges  Metallkreuz,  in  der  Mitte  der  Vorderseite 
der  städtische  Wappenadler  in  einem  Blätterring;  in  den  vier  Schen- 
keln der  Kreuze  stehet: 

X  —  Jahr  —  treuer  —  Dienste  (Kreuz  in  Bronze), 
oder    XV  —    „    —     „     —     „      (Kreuz  in  Silber), 
oder  XXV  —    „    —     „     —     „      (Kreuz  in  vergoldet  Silber), 
oder       L  —    „    —     „     —     „      (Kreuz  in  vergoldetem  Sil- 
ber am  obern  Schenkel  mit 
einer  Krone). 

Auf  der  Kehrseite  eines  jeden  Kreuzes  stehet  in  der  Mitte  in  einer 
verzierten  Einfassung  die  Jahreszahl  1840. 


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-    207  - 


Von  jeder  der  vorstehend  beschriebenen  Decorationen,  mit  Aus- 
nahme von  a)  und  c),  befindet  sich  ein  Exemplar  in  der  städtischen 
Sammlung  auf  der  Bibliothek  in  Frankfurt. 

Zürich  am  1.  Juni  1867. 

Dr.  Eduard  Büppel!. 

Hinweis,  wo  die  Beschreibung  der  abgebildeten  Medaillen  nach- 
zulesen ist. 

Taf.  I.  Fig.  1.  G.  F.  Grotefend  pag.  184. 

„    2.  a.  b.  Carl  Bitter  pag.  184. 

3.  Jacob  Fuchs  pag.  187. 

4.  Gerhard  Friederich  pag.  188. 

5.  Friedr.  Christoph  Schlosser  pag.  186. 
Taf.  II.    „    6.  Joh.  Albr.  Eytelwein  pag.  181. 

7.  Ludwig  Börne  pag.  189. 

8.  Guttenberg's  Denkmal  pag.  192. 

9.  25jährige  Wirksamkeit  der  Zollverwaltung  pag.  194. 

10.  Schützenfest-Thaler  pag.  194. 

11.  Schützenfest-Medaille  mit  dem  Gabentempel  pag.  195. 

12.  idem     mit  Ansicht  der  Festhalle  pag.  196. 

13.  Fürstentags-Thaler  pag.  198. 
„   14.  Jubiläum  der  Frankf.  Freiwilligen  von  1815  pag.  199. 


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208  — 


Der  Kampf  gcgeu  die  Bücher  der  Jaden  am  Anfange  des 
16.  Jahrhunderts  in  seiner  Beziehung  auf  Frankfurt 

Von  Dr.  Lldwig  Geiger. 


Ein  jedes  grosse  Ereignis«,  das  sich  in  der  Weltgeschichte  ab- 
spielt, ein  jeder  Kampf,  und  werde  er  um  die  höchsten  geistigen  Gü- 
ter geführt,  bedarf  ausser  der  geistigen  Waffen  gar  oft  auch,  und 
vielleicht  nicht  selten  in  höherem  Grade  als  dieser  der  körperlichen, 
der  materiellen,  bedarf  ausserhalb  der  Idee,  in  deren  Hallen  er  aus- 
gekämpft werden  soll,  eines  Ortes,  in  dem  er  gefuhrt  wird. 

In  dieser  Weise  hat  Frankfurt  den  Platz  hergegeben  für  den 
Beginn  eines  der  merkwürdigsten  geistigen  Kämpfe,  den  die  Welt- 
geschichte kennt,  für  den  Reuchlin'schen  Streit,  für  den  Streit,  den 
man  so  gern  das  Vorspiel  der  Reformation  zu  nennen  gewohnt  ist, 
und  der,  wenn  er  diese  Bezeichnung  auch  nicht  verdienen  sollte,  doch 
den  zum  ersten  Male  in  scharfen,  markigen  Zügen  innerhalb  Deutsch- 
lands ins  Leben  getretenen  schneidigen  Gegensatz  zwischen  Obsku- 
rantismus und  Scholasticismus  auf  der  einen,  Wissenschaft  und  Gei- 
stesbefreiung auf  der  anderen  Seite  darstellt 

Der  erste  Ursprung  dieses  Kampfes  lag  in  den  Büchern  der  Ju- 
den *).  Johannes  Pfefferkorn,  ein  getaufter  Jude,  richtete  sein  ganzes 
Streben  darauf,  die  Bücher  seiner  ehemaligen  Glaubensgenossen  zu 
vernichten;  sei  dies  geschehen,  dann  glaubte  er  das  Hinderniss  für 
eine  allgemeine  Judenbekehrung  hinweggeräumt.  In  mehreren  Schrif- 


>)  Für  das  Allgemeine  verweise  ich  auf  die  Biographieen  Reuchlin's,  am 
liebsten  auf  die  von  Lamcy,  Pforzheim  1855  und  Grätz,  Geschichte  der  Juden 
Band  IX;  für  Pfefferkorn  speciell  auf  einen  eigenen  demnächst  erscheinenden 
Aufsatz. 


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-    209  - 


ten  hatte  er  die  Schädlichkeit  dieser  Bücher  zu  beweisen  gesucht, 
auf  ihre  gewaltsame  Wegschaffung  durch  Fürsten  und  Herren  ge- 
drungen; mit  dieser  mehr  theoretischen  Aufstellung  seines  Planes 
glaubte  er  nicht  genug  gethan  zu  haben,  um  eine  praktische  Ver- 
wirklichung desselben  zu  erlangen,  wandte  er  sich  an  den  Kaiser 
Maximilian.  Hauptsächlich  unterstützt  von  des  Kaisers  Schwester 
Kunigunde,  erhielt  er  von  Max  ein  Mandat  aus  Padua  19.  Aug. 
1509,  das  ihn  beauftragte,  die  Bücher  der  Juden  zu  untersuchen,  und 
nur  die  schädlichen  zu  unterdrücken,  nicht  kurzweg  alle  wegzuneh- 
men, wie  Pfefferkorn  gewünscht  hatte.  Es  gehört  nicht  hierher  zu 
untersuchen,  in  welcher  Weise  Maximilian  zur  Ausfertigung  dieses 
Mandats  bewogen  wurde;  es  war  ausgefertigt,  und  wenn  auch  darin 
Pfefferkorn  grosse  Befugniss  eingeräumt  war,  Alles  war  ihm  nicht 
nachgegeben.  Er  hatte  eine  kleine  Schlappe  erhalten,  obwohl  er 
Uber  die  Niederlage,  die  er  hier  erlitten  hat,  sich  entweder 
selbst  getäuscht  oder  andere  hat  täuschen  wollen.  Er  trat  weiter  mit 
der  alten  Siegesgewissheit  auf,  als  wäre  es  ihm  gelungen,  eine  voll- 
ständige Gutheissung  seiner  Absichten  zu  erreichen.  Er  reiste  von 
Padua  wieder  zu  der  Erzherzogin  Kunigunde,  der  er  das  kaiserliche 
Mandat  zeigte,  „dar  ynne  sie  sunderliche  freudt  entpfangen  hat"  *). 
Mit  Empfehlungen  von  ihr  versehen,  ging  Pfefferkorn  nach  Frank- 
furt, *),  einer  der  wenigen  grossen  jüdischen  Gemeinden  in  Deutsch- 
land, die  damals  noch  bestanden,  und  wurde  vom  Rath  „mit  groisser 
Erwyrdigkayt"  aufgenommen  s). 

Schon  vorher  hatte  der  Kaiser  an  den  Rath  der  Stadt  geschrie- 
ben, dass  „J.  P.  gedaüffter  Jude  oder  nu  Criste  von  Collen"  nach 
Frankfurt  kommen  würde,  um  „die  Judische  bucherc  zu  visiteren," 
und  in  Folge  dessen  der  Rath  am  20.  Sept  den  Doctor  Adam  zum 
Rathspfleger  in  dieser  Sache  ernannt*).    Am  folgenden  Tage  über- 


')  Pfefferkorn  In  lob  vnd  eer  .  . .  dem  Keyser  Max.  B  3a  (1510). 

2)  Ausser  den  Schriften  Keuchliu's  und  Pfefferkorns,  die  für  dies  und  das 
Folgende  bisher  als  einzige  Quello  gedient  haben,  konnte  ich  noch  die  Frank- 
furter Bürgernieisterbücher  vou  1509  und  1510  aus  dem  dortigen  Archive  be- 
nutzen, die  über  viele  Einzelheiten  interessante  Aufschlüsse  gewähren. 

3)  In  lob  vnd  eer  a,  a.  O. 

«)  Feria  quinta  in  vigilia  Matthci  Bürgermeisterbuch  1509  fol.  52.  vgl.  Ex- 
trakt aus  den  Rathsprotokollen  F—  U  Band  X  fol.  310b  im  Frankfurter  Archiv. 
Ich  bemerke,  dass  nach  Mittheilungen  des  Herrn  Archivar  Professor  Dr.  Kriegk 
diesem  Extrakt  keine  officielle  Bedeutung  zukommt  Er  ist  viel  unvollständiger, 
als  das  Protokoll  selbst,  indem  er  eine  ganze  Reihe  wichtiger  Stellen  gar  nicht 
IV.  14 


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-  210 


reichte  Pfefferkorn  gelbst  die  kaiserlichen  Mandate1).    Der  Rath  be- 
schloöä,  die  „Rathsfreunde"  Friedrich  von  Altzey,  Gilbrecht  von 
Iloltzhauscn,  Endres  Herdan  nebst  dem  Stadtschreiber  zu  dem  Ca- 
pitel  d.  i.  dem  Bartholomäusstift  abzusenden,  ihnen  die  kaiserlichen 
Befehle  anzuzeigen  und  ilir  Rath  und  Gutdünken  darin  zu  vorneh- 
men 2).  Die  Herren  vom  Capitel  erklärten  den  Befehlen  Folge  leisten 
zu  wollen.    So  wurde  am  25.  Sept.  die  Visitation  vorgenommen  *). 
Die  Juden  weigerten  sich  freilich,  ihre  Bücher  herauszugeben,  nichts- 
destoweniger aber  wurde  eine  Anzahl  derselben  weggenommen  und 
beim  Rathe  niedergelegt4).    Als  Grund  ihrer  Weigerung  führten  sie 
ilire  Privilegien  an,  und  theüten  dem  Rath  eine  Appellation  mit,  — 
vermuthlich  an  den  Kaiser  zur  Aufhebung  der  wider  sie  ergriffenen 
Massregel  gerichtet5).  Sehe  ich  recht,  so  bezog  sich  diese  Widerrede 
der  Juden  eben  auf  nichts  Anderes,   als  auf  den  Umstand,  das* 
Pfefferkorn  alle  Bücher  ohne  Unterschied  confisciren  wollte,  wäh- 
rend das  Mandat,  das  er  als  Autorisation  dafür  vorzeigte,  nur  auf 
Sclunachbücher  lautete*).    Der  Rath  aber  beschloss,  auf  diese  Wei- 
gerung nicht  zu  achten  7). 


erwähnt.  Er  wurde  von  den  Stadtachrtibern  in  eigenem  Interesse  verfas&t,  umi 
nach  Materien  alphabetisch  geordnet,  um  ein  tiequemcs  Nachschlagebach  zu 
haben.  Die  Abfassungszeit  ist  etwa  die  Mitte  des  17.  Jahrhundert»,  bestimmter 
ist  sie  nicht  angegeben,  während  dies  auf  anderen  Bänden  derselben  Sammlung 
oft  der  Fall  ist 

■  *)  Die  Originale  sind  im  Frankfurter  Archiv  nicht  vorhanden, 
*)  Bürgermeiaterb.  fol.  53.   Extrakt  a.  a,  0.   Das  Mandat  natu-  bestimmt, 
riass  die  Untersuchung  der  Bücher  „in  gegenwurtigkeit  des  pastors"  vorgenommen 
werden  sollte,  der  Rath  wandte  sich  also  ganz  vorschriftsgemsss  an  die  geist- 
liche Behörde. 

*)  Fcria  tertia  post  Matthei  Bürgerin,  b.  fol.  54.  Als  Verordnete  des  Raths 
werden  hier  Doctor  Adam,  der  früher  allein  aut  Rathspfleger  bezeichnet  wurde, 
Altzey  und  Holtzhansen  genannt. 

♦)  In  lob  vnd  eer  a.  a.  0. 

»)  Bürgcnnb.  fol.  56.  fcria  tertia  post  Remigii  2  Okt.  Als  die  gemeyn  Jn- 
discheit  etlich  Ire  Privilegien  durch  meister  friderich  von  altzey  In  eynem  lyneo 
sekelin  dem  Rat  aufzeigen  Isiasen  hait  vnd  eyn  copy  eyncr  appcllation  darbj*. 

*)  Das  sagt  Maximilian  selbst  in  seinem  zweiten  Edikte,  dio  Juden  hatten 
sieh  beklagt  quod  sibi  non  solum  prenominatl  libri  sed  pleriqnt  alii  qui  neqae 
contra  preeepta  Moysi  neqne  prophetarum  neque  in  contumeliam  fidei  nostre 
Christiane  essent.  Pfefferkorn  Defensio  contra  famosas  obscurornm  Virorum  epi- 
»tolas  bei  Böcking,  Huttcni  Opera,  Supplemontum  I,  8.  81-176,  unsere  Steife 
8.  89. 

T)  Bmb.  a.  a.  O.  den  Judden  sagen  der  Rat  sy  gemeynt  der  key.  mandnr 
siecht  nach  synem  Inhalt  nnrhtzukommen. 


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211  — 


Wahrscheinlich  in  den  letzten  Tagen  des  September  hatte  Pfeffer- 
korn, vielleicht  noch  ehe  die  Beendigung  seiner  Thätigkeit  in  Frank- 
furt abzuwarten,  die  sich  von  vorn  herein  sehr  in  die  Länge  zu  zie- 
hen schien,  sich  nach  andern  Städten  gewandt  und  eine  Confiscation 
der  Bücher  in  Worms,  Mainz,  Bingen,  Lorch,  Lahnstein  und  Deutz 
bei  Cöln  vorgenommen  *). 

Indess,  noch  ehe  er  in  Frankfurt  weiter  vorgehn  konnte,  war 
von  anderer  Seite  eine  Störung  eingetreten.  Das  Bartholomäusstift, 
das  unter  dem  Erzbischof  von  Mainz  stand,  hatte  von  demselben  — 
Uriel  von  Gemmingen  —  den  Befehl  bekommen,  einzuhalten  und 
nichts  Weiteres  gegen  die  Bücher  der  Juden  zu  thun,  „sie  haben 
dan  zouuor  ein  sunderlich  mandat  von  seinen  gnaden  "  *).  Die  Bitte 
des  Stifts,  der  Rath  möge  in  Gemeinschaft  mit  ihnen  den  Erzbischof 
um  die  verlangte  Erlaubniss  ersuchen,  wurde  abgeschlagen  und 
vielmehr  Pfefferkoni  als  der  Geeignete  vorgeschlagen,  um  das  Ge- 
wünschte zu  erlangen  *).  Zugleich  wurde  beschlossen,  auf  die  Bücher, 


i)  Pfeff.  Brief  an  Geistliche  und  Weltliche.  Für  Lahnstein  liest  Grätz  IX 
Noten  S.  XIII:  Lauffen.  Das  würde  schon  seiner  geographischen  Lage  nach  zn 
den  übrigen  angegebenen  Orten  gar  nicht  passen,  überdies  steht  auch  in  der  in 
Wolfenbüttel  befindlichen  Handschrift  ganz  deutlich  Ion  stein  und  wird  ausserdem 
durch  eine  aus  Peff.'s  Brief  geschöpfte  Aufzählung  der  Orte  in  der  Schritt  des 
Johannes  Rhomanus,  Das  ist  der  hochthuren  Babel.  .  Id  est  confusio  pape  (1521) 
B.  4  bestätigt 

*)  Bmb.  fol.  57.  Grätz  IX,  30  sagt :  „Der  Erzbischof  mischte  sich  ein ,  man 
weiss  nicht  recht,  ob  aus  Judenfreundlichkeit  oder  aus  Eifersuchtelei,  dass  in  sei- 
nem Sprengel  hinter  seinem  Rücken  einer  Privatperson  Gewalt  über  seine  Juden 
eingeräumt  worden  war".  Nun,  aus  Judenfreundlichkeit  ist  der  Schritt  jedenfalls 
nicht  geschehen,  das  erkennt  man  einfach  daraus,  dass  der  Erzbischof  durchaus 
auf  die  Pläne  Pfefferkornes  einging,  sobald  sie  ihm  einmal  vorgelegt  waren. 
Eben  so  wenig  aus  Eifersüchtelei  gegen  eine  Privatperson,  sondern  nur  aus  dem 
allerdings  sehr  berechtigten  Gefühle,  nicht  zu  dulden,  dass  das  ihm  unterge- 
bene geistliche  Stift  bei  Handlungen  mitwirke,  zu  denen  er  seine  Zustimmung 
nicht  gegeben  habe.  Ich  schliesse  mich  durchaus  der  Darstellung  an,  wie  sie 
das  Frankfurter  Rathsprotokoll  gibt,  und  halte  Pfefferkorn's  Mittheilung,  als  wäre 
die  Botschaft  des  Erzbischofs  direkt  an  ihn  gegangen,  für  weniger  glaublich  : 
Dcfensio  S.  87 :  In  expeditione  autem  hujus  negocii  venerunt  mihi  a  gratiosissimo 
domino  meo  domino  Uriele  Archiepiscopo  Hognntino  scripta,  ut  in  hoo  negocio 
supersederem  et  me  ad  Oschenburg  (Aschaffenburg)  ad  suam  Reverentiam  quam 
primum  referrem.  Der  Erzbischof  hatte  naturgemäss  nur  mit  der  ihm  unterge- 
ordneten Behörde  zu  thun.  Der  Grund  seiner  Berechtigung  zum  Einschreiten 
wird  in  Pfefferkorn's  Erzählung  ganz  übergangen. 

s)  dwil  seiner  gnaden  mandat  den  Rat  iiit  betrifft. 

*)  Es  wurde  beschlossen,  pefferkorn  sagen  der  Rat  sy  willig  dem  mandat 
(d.  h.  natürlich  dem  früheren  kaiserlichen,  nicht  dem  erebiacbüilichen)  nachzu- 

14* 


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-    212  ~ 

die  die  Juden  in  Fässer  geschlagen  hätten,1)  Acht  zu  geben,  damit  y 
sie  nicht  aus  der  Stadt  kämen.  Einem  Wunsche  Pfefferkorn'«,  ihm 
einen  Schein  zu  geben,  „wess  Inhalt  der  key.  mandata  der  Jüdischen 
bucher  halber  alhic  gehandelt  worden  syhe"  wurde  Gehör  gege- 
ben Ä),  und  ihm  ferner  noch  ein  «Geschenk  von  zwei  Gulden  be- 
willigt s). 

Nach  einigen  Zwischenfallen,  die  hier  nicht  zu  berühren  sind, 
wurde  vom  Kaiser  ein  zweites  Mandat  ausgestellt  (Rovercdo  10.  Nov. 
1509),  nun  an  den  Erzbischof  Uriel  von  Mainz  gerichtet,  in  dem 
dieser  beauftragt  wurde,  das  Gutachten  von  vier  Universitäten,  von 
dem  Ketzermeister  Hochstraten,  von  Viktor  von  Karben  in  Köln, 
und  von  Reuchlin  einzuholen4),  und  erst  nach  Abgabe  dieser  Uber 
die  Vernichtung  der  Judeubücher  zu   entscheiden,  wenn  auch  die 


kommen,  wo  aber  die  hern  vom  Capittel  nit  mithe  gecn  wollen  das  er  pefferkorr 
das  by  v.  g.  h.  von  mentz  erlang  das  der  pierner  oder  die  bern  mit  geue, 

<)  Mit  diesem  Ausdruck  sollen  die  Bucher  bezeichnet  sein,  die  den  Jodes 
noch  nicht  abgenommen,  aber  doch  durch  die  Art  der  Aufbewahrung  ihnen  zum 
Gebrauch  und  zum  Verkauf  (s.  Anm.  2)  untersagt  waren. 

*)  Diese  Bescheinigung  lautet:  Wyr  der  Katt  zu  Franckenfurt  Bekennen 
öffentlich  vnnd  thun  kunt  allermeniglich  mit  diesem  brieffe.  Nachdem  von  weghen 
des  aller  durchleuchtigisten  Grossmechtigisten  Fürsten  vud  herren.  hern  Maximi 
Iian  Romyschcn  kaysers  vnsors  aller  gnedigsten  herren.  vn  seyner  kay.  Ma.  offen 
mandat.  die  gemeyno  judischeit  allenthalben,  ym  reich  betreffen,  darzu  eyn  mis- 
syve  von  derselben  k.  M.  vssgangen.  vif  vns  sagende  durch  den  Erbarn  Johanes 
Pfefferkorn  von  Collen,  vff  Donnstag  8ant  Matheus  des  heylighen  apostoeln  {]) 
obent  nehst  vergangen  vberantwort  worden.  Das  wyr  mit  gepurlichen  wyrden 
entpfangen  dem  als  die  gehorsamen  volge  getban  vnd  etliche  pueebere  derselbe 
Pfefferkorn  angetzeigt  hyndor  vns  genomen.  auch  den  juden  alle  ander  pueebere 
sye  hynder  ynen  haben,  der  Pfefferkorn  sagen  wil.  vn  toglich  seyn  sollen  nit  zu 
vereussern  verbotten.  Des  zu  vrkunde  han  wyr  der  benanten  vnser  Stede 
Ingesygel  vff  diesen  brieff  thun  trocken.  Am  donnerstag  nach  Michaelis  Anno 
dni  Millesimo  quingentesimo  nono.  Sie  ist  uns  allein  erhalten  in  dem  sehr  selte- 
nen Streydtpuechlyn  Pfefferkorns,  einer  1516  erschienenen,  und  sehr  wichtige,  sonst 
völlig  unbekannte  Urkunden  enthaltenden  Schrift. 

3)  4.  Okt.  Bmb.  fol.  58.  Pfefferkorn  hatte  gebeten  vmb  eyn  stüer  Domit  er 
syne  angefangen  wergk  folge  thun  möge. 

♦)  Der  Zusatz:  ut  insuper  Judaeos  de  Francofurdia  ad  se  atque  illos  accer 
aas,  den  Pfeff.  deutsch  in  der  Schrift :  In  lob  vnd  eer  B  3b  wiedergibt :  vnd  die 
Rabi  der  Juden  tau  solichenn  erforderen  soll,  bedeutet  nicht,  wie  Grits  IX,  Noten 
S.  XXVI  annimmt,  dass  die  Juden  bei  der  Untersuchung  mit  gehört  werden  sol- 
len, sondern  dasB  sie  vorgefordert  werden  sollen,  um  die  Bücher  anzugeben,  die 
sie  noch  im  Besitz  haben,  wie  leicht  aus  den,  den  oben  angefahrten,  folgenden 
Worten  zu  ersehen  ist:  ut  libros  qui  eis  nuper  adempti  sunt,  et  hos  maxime 
quos  Pepcricornus  adhuc  indicabit,  evolvss  et  perpenda«. 


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-    213    -  . 


Confiscation  weiter  fortgesetzt  werden  sollte.  Der  Erzbischof  er- 
nannte an  seiner  Stolle  den  Hermann  Hess,  damals  Rector  der  Uni- 
versität Mainz,  um  gemeinsam  mit  Pfefferkorn  die  Sacho  in  Frank- 
iurt  zu  betreiben  SJ. 

Am  27.  December  wurde  das  kaiserliche  Mandat  in  der  Raths- 
sitzung verlesen.    Der  Rath  beschloß»,  mit  dieser  Angelegenheit  den 
Jakob  Heller,  der  als  Gesandtor  der  Stadt  auf  den  Reichstag  zu 
Worms  geschickt  wurde,  zu  betrauen,  ihm  das  Mandat  vorzulegen,  die 
Sache  seibat  aber  ruhen  zu  lassen,  bis  Pfefferkorn  in  eigner  Person 
«las  ihm  Uebertragene  verrichten  könne1).    Die  Zurüekkunft  Pfeffer- 
korn's  hat  aber  ftlrs  erste  gar  nicht  stattgefunden.    Der  Rath  be- 
schloss  unterdess  (15.  Jan.  1510),  alle  auf  die  Bucherangelcgenheit 
bezüglichen  Mandate  des  Kaisers  dem  Gesandten  Heller  zuzuschicken, 
damit  dieser  die  Angelegenheit  auf  dem  Reichstag  ordne3),  und 
schrieb  ihm  nach  einiger  Zeit  (7.  Febr.)  nochmals,  wie  er  sich  „der 
Judden  bucher  halber  zu  benehmen  habe"*).  Den  Juden  aber  wollte 
man,  von  dem  Grundsatz  ausgehend,  den  man  schon  früher  geltend 
gemacht  hatte,  dass  die  Confiskation  der  Bücher  keine  Angelegen- 
heit sei,  zu  der  der  Rath  die  Initiative  zu  ergreifen,  sondern  nur 
Mithülfe  zu  leisten  habe,  wann  sie  erlangt  würde,  „so  vil  mit  fugen 
bescheen  möge  Ine  beholfflich  syn"B). 

Bei  dieser  allgemeinen  Zusicherung  begnügten  sich  die  Juden 
indessen  nicht,  sie  reichten  dem  Rathe  eine  Petition  ein  —  ohne 
Zweifel  mit  der  Bitte  um  Rückgabe  der  confiscirten  Bücher  — ,  die 
dem  Doktor  Adam,  den  wir  schon  früher  als  Rathspfleger  in  dieser 


>)  Defenaio  a.  s.  0.  p.  90.  Von  Hermann  Hess  erzählen  die  Bürgormeister- 
böcher  nichts. 

*)  Bürgermeister!}.  1509  fol.  87.  feria  quinta  in  die  saneti  Joh.  Evangelistac. 
So  verstehe  ich  die  nicht  ganz  klare  Ausdrucksweise :  Als  die  key.  mt  schreibt 
pefferkorus  halber  die  Judischeit  betreffen  Jacob  heilern  den  brieff  hören  vnd 
Bunst  bisz  vflf  zukunfft  pelTerkorns  triben  lassen.  Mir  scheint  schon  hierin  ein  für 
die  Juden  günstiger  Schritt  des  Rathes  zu  liegen,  wie  namentlich  noch  ans  dem 
Folgenden  hervorgehn  wird.  Ob  sich  auf  dieselbe  Sache  fol.  92  feria  tertia  post 
Epiphanias  domini  =  8.  Januar  1510  (die  Ffter  Bürgermeisterbücher  fangen  näm- 
lich nicht  vom  Januar,  sondern  Mai  des  laufenden  Jahres  an)  „Bisz  nebst Dours tag 
der  Judden  schlifft  vnd  Sachen  In  dem  Rate  verlesen  *  und  fol.  94  f.  tertia  post 
octavas  Epiph.  =  15.  Jan.  „Item  vf  nebst  Dornstag  der  Judden  Privilegien  zum 
ersten  an  statt  des  gesetzs  lesen  lassen*1  beziehen,  kann  ich  nicht  sagen. 

i)  Bmb.  fol.  93. 

♦)  Bmb.  fol.  102.  feria  quinta  post  purific.  Marie, 
s)  fol.  93. 


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.    _    214  — 

Sache  angetroffen  haben,  zur  Begutachtung  übergeben  wurde 
(24.  Jan.)1).  Sein  „Ratlich  gutbedunkcn"  (29.  Jan.)  ging  dahin,  die 
Beihülfe  bei  dem  Vorgehn  gegen  die  Juden  abzulehnen  und  davon 
dem  Kaiser  Nachricht  zu  geben2),  eine  ähnliche  Antwort  ertheihe 
man  dem  Friedrich  von  Sarnsheim,  Amtmann  von  Babenhausen,  der 
vielleicht  eine  Confiscation  der  Bücher  seiner  in  Frankfurt  sich  auf- 
haltenden Juden  wünschte3).  (5.  Febr.) 

Die  Petition,  die  die  Juden  an  den  Rath  geschickt  hatten,  ge- 
langte nun  durch  diesen  auf  Koston  der  Juden  an  den  Kaiser  *). 
(7.  Febr.)  Ob  darauf  eine  Antwort  eingelaufen,  ist  nicht  bekannt 
Dass  die  Juden  sich  aber  jedenfalls  an  den  Kaiser  gewandt  haben, 
wird  auch  durch  Pfefforkorn's  Erzählung  bestätigt  Wollen  wir  ihm 
Glauben  schenken,  so  bostachon  sie  viele  Christen  am  kaiserlichen 
Hofe,  um  eine  für  sich  günstige  Entscheidung  zu  erwirken*).  Unter- 
dess  war  aber  Pfefferkorn  wieder  nach  Frankfurt  gekommen,  und  am 
9.  April  beschwerten  sich  die  Juden  beim  Rath,  dass  Pfefferkorn  sich 
gegen  die  Bücher  unterstehe  •).  Trotz  dieser  Beschwerung  hatte  aber 
Herman  Ortlieb  7),  subdelegirter  Commissar,  die  Bücher  confiscirt 


«)  fol.  96.  quinta  post  Vincentii. 

*)  Fol.  97.  Ich  glaube  so  die  unklaren  Worte  richtig  verstanden  zu  halten. 
Doctor  Adam  befclen  ein  Ratlicli  gutbeduncken  der  Judden  hiieher  halben  vnd 
keyserlich  oommission  abetzuleynon  vnd  vff  mitter  wege  zu  bequemlichsten  er- 
langt werden  mocht,  vff  zu  zeichenen. 

a)  Fol.  100.  tertia  post  purificationis  Marie.  Als  Friderich  von  Sarons- 
heym  amptman  zu  Babeuhuscn  schreibt  der  Judden  bucher  halben  uff  vorige  ant- 
wurt  glichmesaig  schriben  dasz  solich  dem  Rat  Die  Antwort  des  Raths  ist  nun 
freilich  ausgelassen,  und  das  ganze  Protokoll  unklar  genug  abgefasst  Ich  halte 
meine  im  Text  gegebene  Erklärung  ftlr  gerechtfertigt,  weil  zwischen  dieser  und 
der  fol.  97  enthaltenen  Notiz  (s.  Anm.  2)  über  die  Bücher  keine  andere  sich  findet 
und  ich  daher  das  „glichmesaig"  als  ähnlich  nämlich  der  Antwort  an  den  Kaiser 
auffasse.  Ob  dasselbe  fol.  103.  (4.  Febr.)  Markgraf  Joachim  von  Brandenburg 
schreibt  „  wegen  dictus  (?)  Judden  wegen  etlich  Judisch  bucher  betreffenn  hinder 
Nason  Judden  ligende  by  dem  Judden  erkunden  "  zu  findon  ist,  mag  ich  nicht  ent- 
scheiden. 

*)  Fol.  101.  vff  der  Judischeit  bitte  vnnd  begeren  zu  der  key.  maiestat  zo 
schicken  der  Jüdischen  bucher  halben  so  Inen  alhie  gnoinen  worden  syn,  die  zwo 
leste  petteioo  vff  der  Judden  kosten.  Die  Worte:  die  zwo  leste  etc.  beziehen 
sich  nicht  etwa  auf  zwei  an  den  Kaiser  gerichtete  Briefe,  sondern  auf  den  an  den 
Kaiser  und  den  an  den  Amtmann  zu  Babenhausen. 

s)  Defensio  Pepericorni  p.  91. 

')  Fol.  121.  tertia  post  Quasimodogeniti :  als  die  gemeyn  Judischeit  achribe 
betreffen  bansen  pefferkorne  den  getauffton  Judden  der  Sie  Irer  bttcher  halber 
vndersteet. 

')  Das  ist  vielleicht  derselbe,  den  Pfefferkorn  Hermann  Hess  nennt. 


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-    215  - 

und  zu  den  bereits  früher  fortgenommenen  gelegt  und  erklärt,  er 
werde  trotz  des  Widerspruchs  der  Juden  sich  verhalten,  wie  es 
ihm  der  kaiserliche  Befehl  vorschreibe  *)  (11.  April).  Nun  verlangte 
auch  Pfefferkorn,  dass,  gegen  die  früheren  Rathsbeschlüsso,  die  Bü- 
cher der  fremden  Juden  so  gut  wie  der  einheimischen  confiscirt 
werden  sollten  2),  und  bat  um  die  Anwesenheit  zweier  Richter,  um 
nun  die  Untersuchung  der  weggenommenen  Bücher  vorzunehmen8). 
Aber  die  Juden  weigerten  sich  entschieden,  die  Bücher  herauszu- 
geben und  baten  sich  Bedenkzeit  aus,  und  der  Rath,  dem  der  Wider- 
stand bedenklich  schien,  bescliloss,  den  Doktor  Adam  anzufragen, 
welche  Massregel  man  gegen  die  Juden  ergreifen  wolle,  „wo  sie  sich 
die  bucher  zu  hinderlegen  sperren  oder  aber  hinderlegen  wurden"4). 
So  blieb,  wie  es  scheint,  die  Sache  einstweilen  noch  in  der  Schwebe5). 

Unterdess  war  Pfefferkorn  auch  nicht  unthätig  geblieben;  er 
verfasste  eine  neue  Schrift,  mit  dem  offenbaren  Zweck,  den  Kaiser 
-auf  seine  Seite  herüberzuziehn,  unter  dem  Tittel:  Zu  lob  vnd  eer 
dem  Allerdurchlouchtig8tcn  Grossmechtigsten  Fürsten  vnd  heren  hern 
Maximilian.  Trotz  dieser  und  andrer  Anstrengungen  gelang  Pfeffer- 
korn's  Plan  nicht.  Die  Juden  erhielten  ihre  Bücher  zurück. 
In  dem  zu  diesem  Zweck  erlassenen  Mandat  —  dessen  Aufzeichnung 
uns  verloren  gegangen  ist  —  wurde  darauf  aufmerksam  gemacht, 
dass  die  Bücher  unverrückt  bei  ihnen  bleiben  sollten  bis  zum  wei- 
teren Befehle  des  Kaisers6).    Und  dieser  erfolgte  bald.  Am 


!)  Quinta  post  Quasimodogeniti  fol.  123.  Als  doctor  herman  ortlieb  subdcle- 
gerter  commisarie  der  Judden  bucher  halber  gehandelt  hait  die  buchcr  so  ange- 
zeigt ein  by  die  vorige  buchcr  legen  laisze  mit  der  protestacion  sich  lutc  der 
kcy.  commis8ion  czu  geleben.  Nach  Pefferkorn's  Erzählung  seien  es  zusammen 
1500  Bücher  gewesen  Defensio  S.  87. 

>)  Dwile  haus  pefferkorn  sich  höre  laiszen  hait  der  fremden  Judden  btichcr 
halber  so  bie  sin,  dass  die  vorgeschrieben  vnd  welche  vnder  den  vntuglich  fanden 
werden  In  der  besichtigunge  dasz  Er  die  by  sit  thun  vnd  hinderlegen  möge- 

3)  ferner  als  sich  gedachter  pefferkorne  willig  erbütet  domit  die  hinderlegten 
buchcr  nit  beschediget,  vnd  dester  bass  versorgt  werden  möge,  Imc  die  bucher 
In  bywesen  zweyer  richter,  besichtigen  laisse  vff  der  Judden  kosten  vnd  wess  er 
vnder  den  buchern  togelich  befindet,  der  Judischeit  widder  zu  zustellen. 

♦)  Fol.  125. 

»)  Der  Rath  hätte  am  liebsten  wohl  die  Sache  ganz  fallen  lassen,  so  rictb 
ihm  wenigstens  Karl  von  Hinssberg,  der  an  Stelle  von  Jakob  Heller  nach  Augs- 
burg geschickt  war.  7.  Mai.  Bmb.  1510  fol.  1. 

*)  Sed  tantum  est  Uli  (falsi  Christiani)  pro  imperatori  tarn  diu  ad  aurcs  in- 
flaruut  per  falsas  instruetiones  quod  sua  Ccsarca  raajestas  JudeoB  libros  restituorc 
mandaverit  sub  tali  conditionc,  quod  bi  libri  sie  conacripti  et  immoti  usque  ad 


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-    216  - 

6.  Juli  1510  bestätigte  der  Kaiser  den  Juden  den  einstweiligen  Be- 
sitz ihrer  Bücher  und  verlangte  die  Einholung  der  Gutachten,  die 
schon  im  2.  Mandat  gefordert  worden  waren.  Es  war  daher  eine  in 
dem  Mandat  nicht  begründete  Forderung,  die  die  „Rechenmeister'' 
an  den  Frankfurter  Rath  stellten,  die  Bücher  der  Juden  wieder  weg- 
zunehmen, uud  der  Rath  beschlos»,  auch  nur  das  zu  thun,  was  das 
kaiserliche  Mandat  vorschreibe1).  Auch  später  ist  eine  nochmalige 
Confißkation  der  Bücher  nicht  angeordnet  worden. 

Damit  hat  die  Bücherangelegenheit  für  die  Frankfurter  Juden 
eigentlich  ihr  Ende  erreicht.  In  der  gelehrten  Welt  fing  nun  der 
Kampf  erst  an.  Es  ist  zu  bekannt,  um  hier  näher  darauf  einzu- 
gehn,  wie  Reuchlin  sein  Gutachten  gegen  die  Vernichtung  der 
Bücher  abgab,  wie,  nachdem  dieses  und  die  übrigen  Gutachten  dem 
Kaiser  zugeschickt  waren,  dieser  dem  Erzbischof  Uriel  erklärte,  er 
werde  die  Sache  einem  Reichstag  zur  Entscheidung  übertragen.  Das 
ist  indessen  nie  geschehen.  Unterdessen  hatte  aber  Pfefferkorn  gegen 
Reuchlin's  Gutachten  seinen  Handspiegel  herausgegeben,  als  Gegen- 
schrift erschien  Reuchlin's  Augenspiegel  Er  wurde  während  der 
Herbstmesse  1511  in  Frankfurt  verkauft,  und  begierig  gelesen  von 
Christen,  namentlich  aber  von  Juden,  die  von  aller  Welt  hier  zu- 
sammenströmten und  begreiflicherweise  mit  grosser  Spannung  dem 


ulteriorem  commisBioneni  apud  cos  remanerent,  et  hec  erat  frans  diaboli  qui  bona 
opera  Semper  impedire  laboraL  Defeneio  Jo.  Pepericorni  a.  a.  0.  S.  91.  Auf 
diesen  ganzen  Umstand,  der  ausserdem  noch  aus  einer  andern  fast  gleichfoigeudeo 
Stelle  Pf.'s:  post  quam  Judei  Franckfordienses  libros  rehabuerunt  (wobei  ich 
nicht  zweifle,  dass  hier  die  Frankfurter  Juden  nur  desshalb  genannt  werden,  weil 
sie  die  reichsten,  angesehensten  und  zahlreichsten  waren  und  der  Befehl  auch  für 
die  Juden  insgesammt  galt)  und  einer  Stelle  im  4.  Mandat  des  Kaisers  hervor- 
gebt, hat  zuerst  Grätz  aufmerksam  gemacht.  Dieser  Befelü  kam  dem  Frank- 
furter Rath  am  9.  Juni  1510  zu:  dar  Inno  Syner  Ma.  Commission  v.  gn.  h.  von 
mentz  bescheen  der  Judischen  bücher  halber  vffgehebt,  vnd  dieselbenn  bucher 
den  Judden  widder  zu  Iren  zustellen  vnd  folge  zu  laisson.  Der  Rath  beschlos«. 
den  Befehl  auszuführen  und  verordnete  dazu  Jakob  Neuhaus,  Gilbrecht  Holz- 
hausen,  Endres  Herden  und  den  Stadtschreiber.  Binb.  fol.  10.  Einen  merkwür- 
digen Zusatz  hat  hier  der  Extrakt  fol.  311,  die  Bücher  seien  zurückgegeben  wor- 
den „ohne  Zweifle!  vff  der  Juden  vortheilhafftes  Ansuchen  vnd  vor  sie  von  Chur- 
Fürsten  vnd  ander  Herr  beschehen  Intercessiones.  wie  dann  vndersebiedliche  Ju- 
den von  Chur  Mainz  Chur  Brandenburg  Hessen  etc.  vmb  Verfolgung  der  angehal- 
tenen bücher  verschrieben  worden!  Der  Befehl  des  Kaisers  erging  etwa  An- 
fang Mai. 

<)  Inen  scu  sagen,  so  koyer  mandat  kompt  mögen  sie  myn  hern  ansuchen, 
wolle  sich  der  Rat  gepurlich  halten.  6.  Aug.  Bmb.  fol.  31. 


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-    217  - 

indirekt  filr  sie  geführten  Kampfe  folgten1).  Da  untersagte  der 
Frankfurter  Pfarrer  Peter  Meyer  den  Verkauf  der  Schrift,  fälschlich, 
wie  es  scheint,  vorgebend,  er  sei  dazu  vom  Mainzer  Erzbischof  au- 
torisirt,  und  Hess,  um  das  Verbot  wirksamer  zu  machen,  Pfefferkorn 
gegen  den  Augenspiegel  predigen2)  (17.  Sept.  1511).  War  das  un- 
rechterweise geschehen,  so  ermahnte  der  Kaiser,  freilich  ein  volles 
Jahr  später  (7.  Okt.  1512),  wie  alle  Fürsten  des  Reichs,  so  „sunder- 
lich  Burgermeister  und  Rait  der  Stadt  Frankfurt"  den  Verkauf  des 
Augenspiegels  nicht  mehr  zu  gestatten  8). 

Der  Streit  wurde  noch  Jahre  hindurch  in  heftiger  Weise  ge- 
führt, wie  Pfefferkorn,  so  war  auch  Peter  Meyer  mit  eine  Haupt- 
zielscheibe, auf  die  sich  die  Pfeile  der  Dunkclmännerbriefe  richteten. 
Weitere  Beziehungen  auf  Frankfurt  kann  ich  nicht  finden,  der  Ort, 
an  dem  nun  verhandelt  wurde,  war  ein  grösserer,  es  war  Rom,  die 
Sache,  um  die  gekämpft  wurde,  war  eine  bedeutendere,  es  war  die 
Berechtigung  des  Humanismus  gegenüber  der  Allmacht  der  Dunkel- 
männer. 


>)  Vgl.  ausser  den  bei  Grätz  S.  126  A.  1  angeführten  Stellen  noch  Fried- 
länder, Betträge  zur  Reformationsgeschichte  S.  125  Z.  4  v.  u. 

*)  Reuchlin  Defensio  contra  calumniatores  Colonienses  (1513)  B  3a. 
3)  Pfefferkorn  Beschyrmung     yG  fg. 


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—    218  — 


Verzeiohniss 

der 

Frankfurter  Hauptleute,  Stadt-Advocaten  und  Oberstrichter 

bis  zum  Jahr  1500. 

Nach  den  Aufzeichnungen  des  Herrn  Archivare  Dr.  G.  L.  Kriegk 

mitgetheilt  von  Dr.  Eller. 


In  derselben  Weise  wie  Herr  Archivar  Dr.  Kriegk  ein  urkund- 
liches Verzoichni8s  der  Frankfurter  Bürgermeister  bis  1866  und  der 
Schultheisscn  bis  1810  angefertigt  hat  (beide  jetzt  abgedruckt  in  sei- 
nem Buche  „deutsches  Bürgerthum  im  Mittelalter  Frankf.  1868"), 
hat  er  zum  Gebrauche  des  Stadt- Archivs  auch  ein  Verzeichniss  der 
Frankfurter  Hauptleute,  Stadtadvocaten,  Syndiker,  Stadt -Procura- 
toren,  städtischen  Schreiber,  Gerichtsachreiber,  Oberstrichter  und  welt- 
lichen Richter  bis  zum  Jahre  1500  nach  urkundlichen  QueUen  verfer- 
tigt. Er  hat  von  Jahr  zu  Jahr  die  betreffenden  Personen  verzeichnet 
und  jedesmal  die  StcUen  beigefügt,  an  denen  sie  in  den  stadtischen 
Rechen-  und  Beodbüchern,  den  Bürgermeisterbüchern  u.  dgl.  oder 
in  Urkunden  erwähnt  werden.  Er  hat  aber  auch  solche  Personen 
eingereiht,  für  welche  zwar  eine  urkundliche  Begründung  ihm  nicht 
bekannt  wurde,  die  sich  jedoch  in  den  Lersner'schen  und  zum  Jun- 
gen'schcn  Verzeichnissen  aufgeführt  finden.  Die  Namen  solcher  Per- 
sonen sind  eingeklammert.  Die  Zuni-Jungen'schen  Verzeichnisse  der 
Oberstrichter  und  der  gemeinen  weltlichen  Richter  befinden  sich 
in  dem  mit  Nr.  25  bezeichneten  Quartbande  der  auf  dor  Stadt-  Biblio- 
thek aufbewahrten  Uffcnbach'schcn  Manuscriptc.  Das  eine  steht  dort 
S.  442—450  und  hat  die  Ueberschrift  „Verzeuchnuss  der  Obersten 
Richter  zu  Frankfurt  (supremi  Apparitores,  Fiscalcs),  ein  ansehul. 


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-    219  - 

Amt  vor  Alters."  Es  geht  bis  1693.  Das  andere  steht  dort  S.  450 
folg.,  geht  bis  1523  und  schliesst  mit  den  Worten :  NB.  Ist  zu  wissen 
dass  dieses  für  Zeiten  ein  adeliches  Amt  gewesen,  aber  nachmahlen 
sonderlich  nach  dem  Jahr  1450  und  folgendes  ie  länger  ie  mehr  in 
Abgang  kommen,  also  dass  heut  zu  Tage  solche  Richter  meisteDthoils 
nichtswürdige  liederliche  versoffene  Vögel  sind,  quantum  mutati  ab 
illis!  O  temporal  o  mores!  Von  wem  diese  beiden  Verzeichnisse 
verfertigt  wurden,  ist  Herrn  Dr.  Kriegk  unbekannt  geblieben,  er 
erklärt  sie  aber  für  ebenso  mangelhaft  und  voll  von  Fehlern,  wie  die 
Lersner'schen.  Auf  mein  Ansuchen  hat  er  mir  nach  eingeholter  Ge- 
nehmigung der  Archivs -Deputation  mit  grosser  Freundlichkeit,  wie 
ich  hier  dankbar  anerkenne,  diese  Beine  mühevolle  Arbeit  behufs  des 
Abdrucks  zur  Verfügung  gestellt,  da  ihm  die  Zeit  mangelte,  selbst 
deren  Druck  zu  besorgen.  Auch  mir  war  es  nicht  möglich,  alle  diese 
Verzeichnisse  zu  bearbeiten,  sondern  ich  musste  mich  auf  die  Heraus- 
gabe der  drei  wichtigsten  beschränken.  Ich  habe  hierbei  die  jahr- 
weise Aufzeichnung  verlassen  und  die  Namen  der  einzelnen  Beamten 
nach  dem  ersten  Jahre,  da  sie  vorkommen,  geordnet  Von  den  urkund- 
lichen Belegstellen  habe  ich  nur  eine  kleine  Zahl  beigefügt:  wer 
dieselben  vollständig  kennen  lernen  will,  möge  das  Manuscript  des 
Herrn  Dr.  Kriegk  selbst  einsehen.  Meine  eigenen  wenigen  Zusätze 
sind  mit  eckigen  Klammern  bezeichnet 

Dr.  Euler. 


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-    220  - 


I.  Hauptleute. 


Sch  Uttel  in,  Edelknecht 

In  seiucm  Dieoatbrief  von  Craat  Barth,  verpflichtet  er  sich  zum 
Dienst  mit  15  Helmen,  davon  zwei  Schätzen  sein  sollen.  Lers- 
ner  IL,  1,  546  nennt  ihn  Schuttelina. 

(Henrich  Faut  von  Schwalbach.) 

Nach  Lersner  1.  I.  der  sich  jedoch  bloa  auf  einen  Verbandbrief 
desselben  stützt. 

Michel  der  Hauptmann.   Vgl.  Bechenbuch  f.  25. 

Eckil  von  Hatzfeld. 

Nach  dem  Rechenbuch  f.  17  erhält  er  S.  a.  Kur.  .Magd.  Zah- 
lung „von  siner  Houblmauschaft  wegin." 

(Merkel   von  Bonames    und   Herman    von  Heyn, 
Edelknechte.) 

Nach  Lersner  L  I.  der  sich  aber  blos  auf  eine  Stelle  besieht, 
wonach  jener  mit  2,  dieser  mit  3  Pferden  der  Stadt  für  Geld 
gedient  hatte. 

(Gumprecht  von  Hohenfeld,  Edelknecht) 

Nach  Lersner  1.  L  der  sich  aber  blos  auf  einen  Verbnndbri  ef 
desselben  stützt 

Ruprecht  Ulnor,  Edelknecht 

Auch  1372  und  1373.  Lersner  1.  i.  gibt  seine  Soldbedingungen 
an,  I.  422  nennt  er  ihn  Rupr.  Ulner  von  Dieburg.  Im  Rechen- 
buch von  1371  f.  29.  47.  heisst  er  „  R.  Ulner  der  houbtman." 
Iu  seinem  Dienstbrief  von  Galli  1372  wird  er  auf  ein  Jahr  lang 


Ortwyn  Cloppel  und  Henne  Fyckel. 

Auch  1375.  Rechenbuch  von  1375  f.  81  S.  ante  nativ.  Chr 
sagt:  10  Pf.  Ortwyne  Cloppel  alft  he  woil  czwey  jare  mit  Hen- 
nen Fyckel  haubtmann  waz  gewest. 

Johann  von  Carbon,  Edelknecht. 

Nach  seinem  Revers  von  Simon  und  Jud.  1375  ist  er  von  diesem 
Tage  auf  ein  Jahr  „diener  und  heubtman"  von  Frankfurt 
geworden.  Im  Beedbuch  der  Oberstadt  von  1376  f.  27  heisst 
er  „Henne  von  Garben  der  houbtman". 


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-    221  - 


Heinrich  von  Morle  genannt  Beheim,  Edelknecht 

Nach  dem  Rechenbucbe  fol.  64  unterhandelte  man  S.  post  invent. 
Crucia  mit  ihm  „umb  daz  er  der  stede  houbtman  solde  sin." 
Ebenda  f.  80  erhält  er  Albani  seinen  noch  zu  verdienenden 
Vierteljahrsold  von  200  Gulden.  Ebenda  f  82  8.  p.  omn.  Sanct. 
dankt  er  ab. 

Winther  v  on  Vilmar. 

Auch  1877  und  vielleicht  137a  Sein  Dienatbrief  ist  datirt  II.  p 
Urban!  1376.  Im  Rechenbuche  von  1378  f.  79  Vig.  Pentec 
heisat  es :  „Winther  von  Vilmar  180  fl.  20  fl.  von  ergeninge  wegin 
siner  hengste  und  pherde  in  syner  houbtnmnschaft." 

Johann  von  Widdel  (und  Heilmann  von  Spire.) 

Rechenbuch  f.  48.  S.  a  Viti :  „20  fl.  Johanne  von  Widdel  vmb  daz 
ho  cyne  czyt  von  der  stede  wegen  von  des  Rads  geheisae 
gereden  hatte  alß  eyn  houptmann  mit  Heilmanne  von  Spire.'4 

Wigand  von  Hunspach,  Edelknecht. 

Auch  1380  und  1381  laut  aeiner  Dienstbriefe  von  Galli  1379 
und  Galli  1380.  Sein  Abdankebrief  ist  datirt  craat.  Galli  1381. 
Im  Rechenbuche  von  1379  f.  45  heiast  es  S.  a.  Gregotii  1380: 
„4  fl.  virzerte  Wygand  der  bouptman  und  die  Diener,  als  sie 
vbirdaig  in  der  meas  vff  dem  Moyne  hilden." 

Heinrich  von  Beldersheim,  Edelknecht. 

Laut  seines  Bestallungsbriefes  von  dorn.  a.  Elisab. 

(Johann  Herr  zu  Rodenstein.) 

Nach  Lersner's  Angaben  II,  2,  547  zu  schliessen. 

Henne  Fickel  der  Alte  von  Klopheim,  Syfr.  Fickel 
und  Wynther  von  Wasen. 

Im  Rechenbuche  von  1388  f.  108,  S.  p.  Viti  (20.  Juni)  steht: 
„60  fl.  Hennen  Fickeln  dem  alden  unde  Syfr.  Fickeln,  alss  sio 
bysher  der  stede  Haubtlude  gewest  sin,  wan  in  dez  befalen 
ward."  Ib.  86.  S.  ante  Petri  et  Pauli  (27.  Juni)  „200  fl.  Wynther 
von  Wasen ,  alß  er  eyn  jar  schultheiße  unde  der  stede  Heubt- 
man  waz ,  daz  jar  uzging  uff  Nativ.  Joh.  neist  vergangen."  — 
In  einer  Urkunde  von  Concept.  Mar.  1389  leistet  Henne  Fickel 
von  Klophcim  der  Alte  als  früherer  Frankfurter  Hauptmann 
und  Amtmann  zu  Bonames  Verzicht 

Wynther  von  Wasen  und  Ditmar  von  Girmße. 

Im  Rechenbuch  von  1389  f.  116,  S.  p.  Margar.  (17.  Juli)  heisat 
es:  „84  fl  Wynther  von  Wasen  vor  eynen  Hengest,  den  yme  der 
Raed  schankete,  daz  er  sieh  der  Heubtmannscbaft  underzoch  in 
dem  kryge  zusschen  Herren  unde  Steden."  Ib.  f.  118.  S.  p. 
Aegidii  (4  September)  „Ditmar  von  Girmßc  100  fl.,  als  er  der 
stedte  Heubtmann  ist  gewest."  Im  Copialbuch  von  1383  steht 
Nr.  215.  die  Verpflichtung  des  Rathcs  gegen  den  ala  Haupt- 
mann und  Marschalg  der  Stadt  angenommenen  Dytmar  von 


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Ginnße  vom  15.  Man.  -  Lersner  I.,  422  sagt:  1389.  Philips 
Brede r  Hauptmann  bei  der  Cronberger  Schlacht  &c.  Copial- 
buch  von  1333  f.  126  Bteht  ein  von  Crast.  Matbiae  1390 
datirter  Verzichtbrief  des  „Winther  vom  Wasin  Edelknecht* 
als  gowesener  llauptmann  der  Stadt  Frankfurt. 

1390  (Henne  von  Fleckenstein.) 
Nach  Lersner  I,  1,  422. 

1391  Johnn  von  Haczfelt. 
Laut  Rechenbuch  von  1390  f  83  8.  p.  Matbiae  (25.  Februar) 
1391  erhält  Johan  von  Haczfelt  eine  Zahlung  als  ersten  halben 
Jahrsold,  „den  er  als  ein  beubtman  mit  6  bengisten  und  pherden 
verdienen  sal.a  —  Sein  Dienstentlassungsbrief  ist  darirt  von 
S.  p.  Andreae  1391. 

1394     (Bertram  von  Vilbel) 

Nach  Lersner  I,  422  und  H,  1,  548. 
1394     Gilbrecht  Rietesil. 

Hauptmann  bis  1398.  Ein  Reisigen  Dienstbrief  von  Johann  Bapt. 
1344  ist  besiegelt  von  dem  festen  Edilnmann  Gilbr.  Rietesil 
houbrmann  zu  Fr.  Nach  dem  Rechenbuche  von  1395  f.  63.  66 
erhält  Gilbr.  Rietesil  der  honbtman  S.  p.  Michael  und  S.  a. 
Walpurg  1396  seinen  halben  Jahrsold.  Ein  Verzichtbrief  von 
S.  p.  Exalt  1397  wird  von  Jnngher  G.  Rietesil  als  hauptmann 
versiegelt.  Nach  dem  Rechenbuch  von  1398  f.  79  erhält  er 
8.  p.  Conv.  Pauli  1398  seinen  Jahrsold  als  Hauptmann. 

1399     Heinrich  von  Grcfenhayn  genannt  von  Czichterß- 
hasen,  Edelknecht 

Im  Rechenbuch  von  1398  f.  83,  8.  p.  Gregorii  1399  heisst  es: 
„80  fl.  Heinrich  von  Grefenheym  geschenkt,  als  er  eczliche 
czyt  die  heubtmannschafft  virwesen  hat."  —  Unter  den  Dienst 
briefen  befindet  sich  ein  8.  a.  Cantate  1399  ausgestellter  Ver- 
zichtbrief des  „Heinrich  von  Grofenheyn  gSd  von  Czichterß- 
husen"'  welcher  „eczliche  czyt  ir  (der  Stadt)  heubtmanachaft 
virwesen  hatte."  War  nach  Rachtungen  Nr.  325  (v.  19.  Aug. 
1402.)  armiger. 

1399  Eckard  Rietesil. 
Auch  1400-1402.  Laut  Rechenbuchs  von  1400  f.  80  leiht  man 
8.  a.  81xti  ;Geld  dorn  Eckard  Rietesil  der  stede  heuptman  vff 
einen  solt  Ib.  £  83  8.  p.  Thomae:  „fl.  150  Eckard  Rietesil 
und  han  yme  da  myde  sinen  solt  von  ef m  jar  bezahlt  als  er  der 
stede  heubtman  gewest  ist* 

1400  Heinrich  Flemyng. 
Nach  dem  Rechenbuche  f.  80  erhalt  S.  p.  Kilian  Heinrich 
Flemyng  ein  Geschenk  von  fl.  11  „als  er  von  des  Rads  befelnift 
wegen  die  heuptmanschafft  virwesfcn   hat".  Als  Hauptmann 
erscheint  er  urkundlich  noch  1403,  1404  und  1406.  Im  enteren 


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-    223  — 


1411 


Jahre  wird  ein  Reisigendicnstbrief  besiegelt  von  „den 
und  festen  Hern  Rudolff  von  Sassinhusen  ritter  Schultheiß  zu 
Frankfurt  und  junghern  Heinrich  Flemyng  heubtman  daselbis." 
Im  lezteren  Jabr  untersiegclt  er  am  9.  Juni  eine  Urfehde  des 
Diele  Rüting. 
140,;     Herman  von  Rodinstein. 

Nach  dem  Rechenbuche  von  1402  f.  71.  erhält  er  8.  a.  Perpetuae 
1403  Geld  auf  sohlen  Sold  „uff  das  jar  als  er  hie  wonen 
sal  der  stede  heubtman  czu  sin."  Lersner  n,  1,  549  führt  ihn 
schon  zum  Jahre  1402  auf  und  heisst  ihn  Ritter.  Nach  den 
Rechenbüchern  wird  er  noch  1404  und  1405  als  Hauptmann 
besoldet. 

Heinrich  Gcfnge. 

Nach  dem  Rechenbuche  f.  94  erhält  S.  p.  Galli  „Heinrich  Gefuge 
der  stede  heubtmann  350  fl.  von  diesem  ersten  jar."  Lersner 
1.  422  nennt  ihn  schon  bei  dem  Jahre  1406,  ebenso  II.  356  für 
das  Jahr  1412  mit  Unrecht. 

1412     Bechtram  von  Velwyl. 

Nach  dem  Recbenbucbe  von  1411  f.  96  erhalt  er  Doroth.  1412 
halben  jarsold  als  er  mit  5  pherden  der  stede 
zu  sin  verdienen  sal  und  gin  sin  jare  sn  Joh.  Criso- 
stomi"  (27.  Januar).  Er  war  noch  1413  und  1414  Hauptmann, 
wohnte  im  Krachbein.  Im  BOrgermeister-Botenbuch  von  1414 
steht  f.  14  gegen  Ende  des  Bucha,  also  in  den  ersten  Monaten 
von  1415,  „9  heller  czum  Goltatein  dem  burggraven  czu  wissen 
czu  tun,  daz  Bechtram  nomme  heubtman  wer,,. 

1415     Hans  Borner  von  Lare. 

Im  Rechenbuche  f.  80,  8.  a.  Martini  heisst  es:  „90  fl.,  als  man 
Hans  Berner  von  Lare  gegeben  hat  uft*  solichc  hundert  und 
fünft"  gülden,  als  er  vor  hatte,  als  er  czu  der  stede  heubtmann 
mit  drie  pherden  gewonnen  was  und  man  nn  einen  andern 
honbtman  gewonnen  hat  und  auch  mit  Hanß  vorg.  von  nuwens 
überkomen,  also  das  er  nu  hie  mydo  sins  lösten  halben  jarsoldes 
in  sim  ersten  jar  bezalt  sal  sin."  Ib.  hatte  es  f.  78.,  8.  post 
Corporis  Chr.  geheissen :  „105  fl.  Hans  Bemer  von  Lare  sinen 
halben  iarlon ,  als  er  halb  virdient  hat  und  noch  halb  virdienen 
sal  mit  drie  pherden  nach  lüde  sins  brieffs." 
(Cune  von  Scharppenstcin.) 

In  einem  Schreiben  von  Sonnt  vor  Georg.  1415,  welches  f.  102 
des  Copialbuchcs  von  1371  ff.  steht,  setzt  König  Siegmnnd  der 
Stadt  Frankfurt  diesen  Mann  zu  ihrem  Hauptmann. 

14!  >     Endres  Slcifferia,  Edelknecht,  auch  Endres  SIcyfraß. 

Sein  Dienstrevers  als  Hauptmann  ist  von  Exaltat.  Crucls  1415 
datirt  Laut  Rechenbuch  f.  78  S.  p.  Albani  erhalt  er  „seinen 
ersten  virteil  jarlon"  mit  fl.  55.  Ebenso  1416 — 1418. 


1415 


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-    224  — 


1427 


I4is     Ulrich  Hanffei. 

Laut  Rechenbuch  f.  76  erhält  er  S  a.  Vincula  Petri  14  Pf.  15  ft 
als  seinen  verdtnten  mantsold  von  drin  pherden  als  mit  ime 
geredt  ist,  nn  Vinter  die  henbtmnnschafft  czu  verwesen,  dar 
er  auch  von  diesem  mande  eczliche  czyt  getan  hat  Auch 
1419  erhält  er  seinen  Sold. 
Iii  '     Winther  von  Redeinheim. 

Sein  Dienstbrief  v.  Servatii  1419  verpflichtet  ihn  mit  drei  Henk- 
ten und  Pferden  und  zwei  Knappen  der  Stadt  zu  dienen.  Als 
Hauptmann  erscheint  er  urkundlich  noch  1420  — 1427.  Lant 
Rechenbuch  von  1426  f.  72  werden  Vig.  Pasch.  1427  an  Heinrich 
von  Redelnheim  fl.  40  bezahlt  .,von  Winthers  eins  broders  selireu 
wegen  als  der  halbe  verdinte  jarsolt  die  heubtmansehaft  czn 
verwesen  als  derselbe  Winther  abeging".  Daraus  folgt,  das« 
Winther  im  Februar  1427  starb.  [Vgl.  auch  Dorf  und  Schloa» 
Rödelheim  S.  27.J 

Johann  Rübesanien  von  Merenberg,    oder  Jungher 
Johann  von  Merenberg  genannt  Rubesam. 

Laut  Rechenbuch  f.  54  erhalt  Crast  Job.  Bapt.  bei  der  Bezah 
hing  der  gegen  die  Hussiten  ausziehenden  Söldner  auch  Johann 
Rübesamen  der  Hauptmann  seine  Zahlung.    Er  kommt  noch 
1428—1430  urkundlich  als  Hauptmann  vor. 
1430     Gerlach  von  Londorf. 

Laut  Rechenbuch  von  1429  f.  59  S.  p.  Purif.  1480  wird  Gerlach 
von  Londorf  der  neue  Hauptmann  besoldet.  Er  bleibt  dann 
Hauptmann  bis  144a  Im  Bürgermeisterbuch  von  1438  f.  60 
(Epiph.  1439)  heisst  es:  „dem  heubtman  die  heubtmanscharTt 
aber  drie  jare  czucznsagen  doch  mit  unterschiede  als  der  Brief 
usswiset."  Man  scheint  jedoch  bald  nachher  über  die  Anstellung 
eines  andern  beratben  und  die  nachfolgend  Genannten  ins 
Auge  gefasst  zu  haben.  Es  heisst  nemlich  im  Burgermstrb. 
1439  f.  34  (ni  p.  Matth.)  „uuib  eynen  heubtman  Diederich 
Proroheim,  Clas  Wolffskelej,  Wenczel  von  Cleen,  Friederich 
Wolffskel,  Erasmus  Forstmeister."  Ebendaselbst  f.  41  (in  p. 
Dionys)  heisst  es  dann  „der  houbtman  ist  wider  gewonnen 
6  jar  und  sal  man  im  jars  diess  6  jar  uss  iglichs  350  fl  geben 
und  darnach  alle  jar  sin  lebtag  20  fl.  und  daruff  sin  brief  czu 
machen."  Aber  es  blieb  auch  nicht  bei  diesem  Vertrage.  Im 
Rechenbuche  von  1440  heisst  es  schon  f.  72  S.  p.  Undecim 
inil.  virg  „20  fl.  Gerlach  von  Londorf  dem  alden  beubtmann, 
dnromb  er  der  Stadt  verbuntlich  ist."  Im  Bärgermeisterbuch 
f.  16  und  18  (V.  p.  Alb.  und  V.  p.  Pet  und  Pauli)  wird  be- 
schlossen, einen  nenen  Hauptmann  zu  wählen,  f.  30  (V.  p. 
Assumt )  steht:  „den  dienern  sagen,  Hennen  von  Buchen  als 
eym  heubtman  gehorsam  sin".  Der  alte  Hauptmann  aber  kommt 
noch  bis  1447  vor  und  wird  zu  mancherlei  Besorgungen  ge- 


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-    225  — 


1440 
1440 

1442 


144» 


1448 


1450 


1451 


braucht:  1441  wird  er  z.  B.  zum  Märkerding  geschickt,  1443 
soll  er  zu  dem  von  Königstein  reiten.  Auch  wird  er  1442  zum 
Hirscbeasen  geladen.  Alt  bedeutet  hier  so  viel  wie  gewesen. 
In  einem  Rathsschreiben  von  1447  heist  es  „Gerlach  von  Lon- 
dorf der  vormals  unser  heubtman  gewest  ist  und  noch  in  unser 
etat  wonende  ist". 

Henne  von  Buchen.    Nur  provisorisch,  vgl.  oben. 

Apel  von  Wijcrs. 

Auch  1441  und  1442.  Lersner  I  423  nennt  ihn  Apel  von  Ebers- 
berg  gen.  Weyers. 

Johann  Mönch  von  Buchsock  oder  Buseck. 

Im  Rechenbuch  von  1442  f.  71  S.  a,  Galü  erhält  „Job.  Mönch 
der  nuwe  heubtman"  seinen  Monatasold.  Ein  von  III  p.  Elisab. 
1442  datirter  Verbundbrief  ist  gesiegelt  von  „Jungh.  Johan  Mönche 
von  Buchsecke  dem  jungen  heubtmann«.  Er  wird  auch  Henne 
Mönch  genannt,  irrig  heisst  ihn  Lersner  I.  423  Heinrich.  Er 
bleibt  Hauptmann  bis  1445.  Laut  Bürgermstrbuch  1445  f.  31 
bedenkt  man  sich  Laurentii  um  einen  Hauptmann,  f.  32  schreibt 
manVp.  Laur.  dem  Caspar  von  Rosenbach  die  Haaptmannschaft 
ab,  f.  53  V  a.  Galli  spricht  man  mit  Wenzel  von  Cleen  wegen 
der  Hauptmannschaft 

Wenczel  von  Cleen. 

Im  Rechenbuch  von  1445  f.  74  erhält  er  als  neuer  Hauptmann 
S.  p.  Luciae  seinen  Sold.  Er  bekleidet  die  Stelle  bis  1447,  da 
ihm  der  Rath  „von  seiner  fehede  wegen  Urlaub  geben  hat". 
Auf  dem  letzten  Blatte  des  Bürgcrmstrb.  von  1445  werden  elf 
genannt,  die  sich  um  die  Hauptmannschaft  beworben  haben. 

Ludwig  Brant  von  Buchsecke  oder  Buseck. 

Im  Bttrgermstrbuche  f.  61  Stephani  heisst  es  „den  heubtman 
bescheiden  und  mit  yme  folnenden".  Man  hatte  also  fast  ein 
volles  Jahr  keinen  Hauptmann.  Als  Jungher  Ludwig  besiegelt 
er  V.  p.  Elis.  1449  einen  Dienstentlassungsbrief.  Im  Jahr  1450 
S.  a.  Miserio.  heisst  es  im  Reebenbuebe,  der  Rath  habe  ihn 
verabschiedet 

Wenczel  von  Cleen. 

Laut  Bürgermstrbuch  f.  23  (III  a.  Magdal.)  soll  mit  ihm  geredet 
werden  wegen  der  Hauptmannschaft:  ib.  f.  25  (V  p.  Magd.) 
leistet  er  den  Eid. 

Henne  Schenck  von  Sweinßberg  der  Elter,  Edel- 
knecht. 

Sein  Dienstbrief  ist  V  p.  Matth,  datirt  Er  bleibt  Hauptmann 
bis  S.  a.  Oculi  1454.  In  dem  Bürgermstrbuche  sind  7  Bewerber 
um  die  Stelle  angegeben:  erst  im  folgenden  Jahre  wurde  Otto 
Winters,  dem  man  zuerst  f.  16  IH  p.  Joh.  Bapt  die  Haupt- 
IV.  15 


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1455 


14G2 


1 4(39 


1400 


1471 


1479 


mannschaft  abgeschlagen  hatte,  angenommen  Lersner  I.  423 
gibt  an,  1454  habe  Philips  Rabenold  um  die  Haiiptmannaatelle 
angehalten. 

Otte  Winthers  oder  Winters. 

Das  Bürgermstrbuch  f.  26  (III  p.  Jacobi)  sagt:  .Otto  Winten 
mit  3  pherden  umb  200  fl.  uff  das  meiste  fnr  eynen  heuptmao 
ufznnemen  so  lange  dem  Kate  eben  ist".  Sein  Dienstbrief  ist 
von  IV  p.  Jac.  1455  datirt.  Er  bleibt  Hauptmann  bis  1462  and 
erhält  da  S.  a.  Barth,  seinen  Monatssold.  Ks  heiast  dal>ei  im  Reeben« 
buohe,  sein  Monatssold  sei  ihm  voll  bezahlt  worden,  weil  man 
ihm  dies  zugesagt  habe,  als  man  ihm  Urlaub  gab,  obgleich  er 
noch  8  Wochen  zu  dienen  gehabt  habe.  Während  seiner  Dienst- 
zeit gab  es  manche  Irrungen  mit  ihm  und  1459  berieth  der 
Rath  ernstlich,  um  einen  Edcln  zum  Hauptmann  zu  haben.  Dem 
Hennen  Mönchen  schrieb  er  die  Hauptmannschalt  ab,  dem  Hannsen 
Walborn  ebenso  mit  freundlichem  Dank  und  beschloss  Hannscn 
Waltmann  anzunehmen  BUrgermstrb.  f.  32. 36.  40.  Lersner  I.  423 
fuhrt  1458  neben  Ott  Winter  auch  Daniel  von  Muders- 
bach, Hauptmann  und  Ritter  an. 

Hamm  an  Waltmann. 

Sein  Dienstbrief  ist  S.  p.  Martini  datirt  Er  erhält  monatlich 
41  8  40  ß  7  heller.  Lersner  I.  423  heisat  ihn  irrig  Heinrich  W. 
Er  bleibt  Hauptmann  bis  Ende  1468. 

Gottfried  Fleckenbühel. 

Laut  Rechenbuchs  f.  39.  42  (S.  p.  Assuint.  und  S.  p.  Lnoiae) 
war  er  Verweser  des  Amtes. 

Michel  Herr  ztt  Bickenbach. 

Er  erhält  S.  a.  Oculi  zum  erstenmal  seinen  Lohn  und  bekleidet 
die  Stelle  bis  zu  seinem  Tode  1471.  Nach  Lersner  11,  5,  510 
starb  er  fer.  II  p.  Paech.  (15  April\ 

Gernant  von  Swalbach. 

Er  erhält  Matth,  seinen  ersten  Monatssold  von  31  ff  3  heller, 
wonach  er  am  20.  Aug.  zum  Hauptmann  ernannt  worden  war 
und  bleibt  es  bis  S.  p.  Martini  1479.  Neben  ihm  werden  1474 
Diele  Contze  und  1475—1479  sowie  noch  weiter  bis  1481 
Ulin  Hub  er  von  Appenczelle  als  der  laufenden  Knechte  Haupt- 
mann oder  als  „der  6tede  heubtinan  zu  fussc*  erwähnt. 

Jacob  von  Cronberg. 

Er  wird  laut  Bürgormstrhuch  f.  49  Vig.  Concept.  Mar.  zum 
Hauptmann  mit  fl.  400  Jahrgelt  angenommen.  Lersner  II,  1,  550 
gibt  die  Mitbewerber  an.  Seine  Besoldung  dauert  bis  S.  p. 
Miseric.  1482.  Lersner  erklärt  jedoch  Henne  Iiiedesel  für  den 
Hauptmann  von  1480. 


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1483     Conrad  von  Swapach. 

Nach  dem  Bürgermstrb.  f.  5  wurde  er  fer.  V  infra  Octav.  Pen- 
tt-cost.  zum  Hauptmann  angenommen.  Nach  dem  Rechenb. 
f.  39  wurden  zu  einer  nicht  angegebenen  Zeit  dieses  Jahrs 
„Conr.  von  Swapach  als  ein  heubtman  der  reysigen  und  ülin 
von  Appenczelle  als  eyn  heubtman  der  Fussknechte"  zum 
Kaiserl.  Kriegszuge  gegen  die  Ungarn  abgeschickt.  Conrad 
bleibt  Hauptmann  bis  1485,  als  Hauptmann  der  Fussknechte 
wird  um  1483-1486  Ulin  Hey  er  genannt 

1485     Friedrich  von  Felß  oder  FeilU,  Feilsch. 

Das  Rechenbuch  f.  54  sagt  S.  p.  Walp.  „12  ß  hat  vertzert 
friedr.  von  Filsch  als  der  heubtman  biere  worden  ist"  Er  blieb 
es  bis  er  1500  abdankte.  Sein  Dienstrevers  als  Hauptmann  der 
Frankfurter  im  Zuge  nach  Flandern  ist  Montag  nach  Cantate 
1488  ausgestellt,  der  fflr  den  Reichskrieg  gegen  die  Schweizer 
und  den  grauen  Bund  am  Montag  nach  Exaudi  1499.  Sein 
Dienstentlassungsbrief  ist  datirt  13.  Juni  1500.  Lersner  I.  423 
führt  für  1487  Jost  Freund  als  Hauptmann  an.  Als  Haupt- 
mann Aber  die  laufenden  Gesellen  oder  Fussknechte  erscheint 
yon  1488—1500  Meister  Peter  von  Weißkirchen  Schirr- 
meister oder  Peter  Schirr m ei ster:  letzteres  ist  Amtstitel. 

1500     Johann  von  Cune  genannt  More. 

Er  trat  nach  Rechenb.  f.  114  am  14.  Juli  in  Dienst 


II.  ßtadtadvocaten,  Stadt-Proeuratoren,  Syndiker. 

1301     (Nyclaweß  oder  Claweß  Buch.) 

Im  Rechenbuche  von  1361  f.  24  „Ny clause  Buche  umb  koste 
und  alß  he  die  stad  virantwortet  hat  an  geistlichem  Gerichte  eczwy 
lange  czijL"  Ebenso  Rechenb.  1362  f.  30  „4  ff  clawess  Buche 
alse  he  vnser  burger  am  geistlichen  gerichte  verantwortit  hat". 
Ebenso  1363  f.  25  25  ß  Niel.  Buche,  daz  be  den  sang  gewann. 
Es  kommt  dann  1366—1369,  1371  in  den  BeedbUchern  Clawes 
der  procurator  vor.  Im  J.  1372,  1373  u.  1376  wird  dort  Cla- 
wes von  Vrsele  der  procurator  genannt  [Es  ist  wohl  immer 
derselbe  Mann.] 

13G5     (Conrad  Worstebendil.) 

Im  Rechenbuch  1365  f.  11  „4  ff  Worstebendil  procurator  com- 
spens.  et  laboribus  difendendo  nos".  Ebenso  1366  f.  47  „9  groß 
Worstebendil  alß  von  des  Sangis  wegen".  Auch  1367  erwähnt, 
dann  wieder  1381-1383. 

13G7  i  Dyletnann  „der  stad  procurator". 

Laut  Rechenbuchs  f.  25  erhält  er  1  ff  „gein  Menze  umb 

15* 


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den  sang."  In  den  Jahren  1368  nnd  1369  werden  ihm  je  4  H 
seines  Amtes  wegen  ausgezahlt  In  den  Beedbüchern  kommt  er 
noch  bis  1371  vor. 

Iii)  Graman. 

Lant  Rechenbuchs  von  1868  f.  22  werden  S.  p.  Oct  Epiph.  1369 
sechs  Gulden  Graman  procuratori  nostro  ausgezahlt.  Nach  dem 
Rechenbuche  von  1370  f.  54  war  dies  sein  halber  Jabrealohn. 
Er  kommt  auch  1871  vor. 

1370     Der  rode  Syfrid. 

Es  werden  laut  Rechenb.  f.  29  dem  roden  Syfrid  27  fi.  ge- 
geben, „als  he  defense  getan  had  an  dem  geistlich  gericht  czu 
vUnfmalen".  Im  Rechenbuch  von  1371  heisst  er  Syfrid  de 
Roden  procurator  noster.  Er  kommt  bis  1382  vor,  da  es  im 
Reebonbuche  f.  98  S.  ante  Laur.  heisst:  „Syfr.  dem  Roden  4  ti 
czue  phenniglone  und  3  flf  vor  eynenrogk  und  istdamidde  sines 
loncs  alß  he  der  stede  procurator  waz,  biss  uff  diess  daig  cxn 
male  beczalet."  Im  Jahr  1377  wird  er  nach  Oppenheim,  nach 
Orba  und  dreimal  nach  Worms  gesendet  Im  Rechenb.  von 
1378  f.  42  heisst  es:  „10  fl.  Syfride  Phurruz  genant  dem 
Roden  von  der  Juden  wegen  sache  czu  schriben  und  dieselben 
sache  czu  Rome  czu  bestellen."  Im  Rechenb.  von  1381  f.  49 
wird  er  Syfrid  Porrez  genannt. 

1372  Hermann  von  Orba  oder  Urba  „der  stede  paffe". 

Derselbe,  oft  nur  Heister  Hermann  genannt,  kommt  in  den 
Rechenbüchern  bis  1399  vor  und  erhält  regelmässig  seinen 
Jahrcslobn.  Orth  Anm.  Forts.  IV.  296  führt  eine  Stelle  aus 
seinem  Bestallungsbriefe  von  1375  an,  in  welchem  Hermann 
an  den  Baumgarten  von  Orba,  ein  Licentiat  im  geistlichen 
Rechte,  Pfaffe  oder  Diener  der  Stadt  wird.  Lersner  I.  276 
hält  den  Magister  Hermann  von  Orbe  und  den  Hermann  zum 
Baumgarten  irrig  für  zwei  verschiedene  Personen.  In  einer 
Urkunde  von  Montag  nach  Martini  1380  (von  diesem  Jahre  ist 
das  Rechenbuch  nicht  mehr  vorhanden)  sind  in  einer  Sache 
Rathleute  für  Frankfurt  ,.meyster  Ucrman  von  Orbe  und  mey- 
stcr  Niclas  Mylwar."  (Senckenb.  sei.  VI.  618.  625.  Lersner  II, 
1,  333)  Fichard  (Archiv  1.  369)  erklärt  darauf  sie  beide  für 
Advokaten  der  Stadt. 

s     '     (Heinrich  Auspurg.) 

Kommt  mit  der  Bezeichnung  procurator  in  den  Beedbüchent  vor 
bis  1375. 

1373  Johannes  Andernach. 

Im  Rechenb.  f.  59  S.  ante  Jacobi.  heisst  es :  „4  flf  Andemache 
als  he  die  staid  verantworte,  da  Czigeler  der  Procurator  im  ge- 
fengnisse  laig."  Er  erhält  seinen  Jahriohn  bis  1375. 


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1373     Czigeler  der  Procurator.    (Vgl  oben.) 

1375     Clawes  Glockencr. 

Kommt  im  Beedbuch  mit  der  Bezeichnung  procurator  vor: 
ebenso  1382,  1391,  1392,  1394  als  Clas  Gluckener,  1385  blos 
als  Clas  procurator. 

1378     (Johannes  Turrifex  procurator  de  Fridebcrg.) 

Kommt  im  Beedbuch  der  Niederstadt  von  diesem  Jahre  f.  14  vor. 

l.'JHl      Peder  von  Tryre  oder  von  Trier. 

Erhält  als  procurator  der  Stadt  laut  der  Rechenbücher  seinen 
Jahrlohn  bis  1394.  Im  Beedbuch  der  Niederstadt  von  1380  f.  4 
wird  er  Peter  Treverensis  genannt. 

1382     Johannes  Ful. 

Wird  im  Beedbuch  der  Niederstadt  von  1382  f.  4  als  procurator 
aufgeführt  In  die  Dienste  der  Stadt  trat  er  1395.  Sein  Dienst- 
brief „ir  procurator  und  diener  czu  sin"  ist  datirt  von  VI 
p.Nativ.Mariae(9  Septbr.)  und  seinen  ersten  Monatslohn  mit  4 
Gulden  empfing  er  S.  a  Urbani  1396.  Seine  Abdankungs-Urkunde 
ist  datirt  von  VI  post  Mar.  Magd.  1400. 

1391     Johannes  von  Geilnhuaen. 

Wird  in  dem  Beedbuch  der  Oberstadt  f.  18  und  ebenso  in  dem- 
selben von  1392  f.  36  als  procurator  aufgeführt.  Ebenso  kommen 
im  Beedbuche  der  Oberstadt  von  1391  auf  f.  24  Auspurger 
procurator  (statt  dessen  stehet  im  Beedbuche  von  1392  f.  16 
„Arnspurger  procurator  mortuus  est"),  f.  31PeterBlatze  pro- 
curator, f.  36  Heinrice  von  Aschaffenburg  proc.  und  im 
Beedbuch  der  Niederstadt  von  1391  f.  17  Johannes  proc., 
in  dem  von  1392  f  16  Joh.  von  Hirsfeldeu  proc,  in  dem 
von  1394  f.  13  Johannes  proc.  vor.  [Alle  diese  Procuratoren 
stataden  wohl  nicht  in  den  Diensten  der  Stadt.  Vielleicht  ist  der 
zuletzt  dreimal  genannte  Johannes  identisch  mit  dem  Johannes 
Fule.] 

1399     Heinrich  Weider. 

Sein  Dienstbrief,  der  Stadt  Procurator  und  Diener  zu  sein,  ist 
datirt  vom  IV  a.  Anton.  In  Orth  Anm.  Forts.  IV.  297  ist  der 
Aufang  seiner  Bestallung  abgedruckt  Im  Rechenbuche  von  1398 
f.  82  (S.  p.  Purine.  1399)  heisat  es:  „han  die  Rechenmeister  ge- 
geben 8  fl.  Heinr.  Weider  eim  proenrator  seinen  halbin  jarlon 
den  er  virdienen  aal,  als  in  der  Rat  ein  jar  gewonnen  hat  um 
16  fl.*  Laut  der  Rechenbücher  erhält  er  seinen  Gehalt  bis  1404 
und  von  1406—1440.  Im  lezteren  Jahre  starb  er:  im  BOrger- 
meisterbuch  wird  f.  24  bemerkt,  dass  am  26.  Juli  Meister  Hein- 
rich's  Begängniss  statt  finden  werde.  Seit  1403  wird  er  Meister 
genannt  So  wird  nach  dem  Reebenbuche  von  1403  f.  39  Aegidii 
„Johannes  Mynczeuberg  der  procurator"*  nach  Mainz  geschickt 
um  „meister  Heinr.  Weider,  Heinrich  schriber  und  Dilman  dem 


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ricbter  Mathys  thoino  von  Berlin,  Johanne»  Kistenor  und  SitYid 
dem  schribcr"  in  einer  gerichtlichen  Sache  zu  dienen.  An  den 
Dienstbrief  des  Wundarztes  Hartmatm  Esel  von  Invent  Cruc.  14U7 
hängt  „Meister  Heinrich  Welder  der  stede  Fr.  Advocat"  sein 
Siogel  an.  In  einer  von  Senckenberg  Selccta  VI.  649  niirgetheil- 
ten  Urkunde  von  Dienst  vor  Mar.  Magd.  1412  kommt  vor  .Meister 
Henrich  Weltir  ihr  (d.  h.  der  Stadt  Fr.)  stadtpfafiV.  Lersner  L  276 
sagt:  1416  Doctor  Henrich  Welder,  Advocat 

1399     Nicol  aus  Dringstobo. 

Sein  Dienstbrief,  der  Stadt  Procnrator  und  Diener  zu  sein,  ist 
S.  a.  Valent  1399  ausgestellt:  An  demselben  Tage  erhält  ex 
seinen  ersten  halben  Jahreslohn  „als  er  virdionen  aal-  mit  vier 
Gulden  ausgezahlt  Diese  Gehaltszahlungen  dauern  bis  1409. 

1410  Andreas  Kunig  oder  Konig. 
Sein  Dienstbrief  als  des  Raths  Procnrator  und  Diener  ist  III  a 
Purif.  1410  ausgestellt   Er  empfängt  nur  zweimal  einen  halben 
Jahressold. 

1411  Johannes  Jsenslegil. 
Sein  Dienstbrief  ist  von  Oct.  Epiph.  1111  datirt.   Seine  Anstel- 
lung dauerte  bis  an  seinen  Tod  1432. 

1434     Meister  Diedrich  oder  Diether  Frideriei,  von  Alczey. 

Im  BQrgermeisterbuch  d.  J.  f.  20  steht  III  a.  Galli  „Meister 
Dietr.  uff  Donrstag  vur  den  Rad  czu  bescheiden  denoit  czu  tun". 
Im  Rechenb.  1434  f.  66  (s.  a.  Judica  1435)  heisst  es  .40  fl. 
meister  Diether  Frideriei  sinen  halben  verdinten  jarlon  sider 
Nativ.  Mar.  verdint,  der  stede  advocate  und  jurist  rr.u  sin.*  An 
den  Dienstbrief  de8  Studtachreibers  Bechtetih  enne  hat  „Dietherus 
Frideriei  von  Alczey,  in  decretis  licentiatns,  der  vorg.  myner  lieben 
herren  advocate"  sein  Siegel  angehängt.  Seit  1439  heisst  er  in 
den  Rechenbüchern  gewöhnlich  nur  Meister  Dietrich  von  AlczeL 
Er  bekleidet  sein  Amt  bis  an  seinen  Tod  1460.  Leisner  I.  276 
sagt:  Dietrich  von  Altzey,  patricius  licentiatns  f  146o, 
5  Oct 

1434     Johannes  Schurgc. 

Sein  Dienstbrief  als  des  Raths  Procurator  und  Diener  ist  von  1434 
ohne  Tagesdatum.  Sein  Jahrgehalt  betrug  fl.  14.  Er  sUrb 
1438. 

1438     Johannes  Sobernheym. 

Sein  Dienstbrief  ist  v.  Galli  1438.  Im  J.  1440  wurde  er  ent- 
lassen. 

1440     Johannes  Dube. 

Im  BUrgermstrb.  f.  40  Francisci  beiast  es:  „Job.  Düben  j»rs 
umb  18  Gulden  uffuemen  czu  eym  procura torLa  Er  wird  1443 
entlassen. 


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Meister  Johann  Qwentin,  auch  Joh.  Qwentin  von  Or- 
tenberg, oder  Johann  zum  Lemchin,  oder  Johann 
von  Ortenberg  zum  Lemchin,  oder  Johann  Or- 
tenberg oder  Johann  von  Ortenberg. 

Sein  Dienstbrief  (Ich  Joh.  Qwentin  licentiatus  in  decretis  des 
Rads  procurator  und  diener)  ist  von  S.  a.  Michael  1443  datirt. 
Er  blieb  im  Dienste  bis  1362.  Im  Bürgermstrbuche  d.  J.  f.  36 
steht  (III  ante  Michael)  „meister  Joh.  czum  Lemchin  orlanp 
geben  und  sich  gütlich  vom  yme  sliessen." 

(Mag.  Johann  im  Steinhaus,  licent  debretorum,  Syn- 
dicus.) 

Nach  Zum  Jungen  und  Lcrsner  I.  277,  welcher  ihn  auch  patricius 
nennt  und  hinzufügt,  er  sei  1470  gestorben. 

(Dr.  Georg  von  Ergersheim,  Syndicus.) 

Nach  Zum  Jungen  und  Lersner  I.  276,  der  ihn  auch  Patriciua 
nennt. 

(Dr.  Heinrich  Degen,  Syndicus.) 

Nach  Zum  Jungen  und  Lersner  I.  276. 

(Dr.  Conrad  Huracrey,  Syndicus.) 

Nach  Lersner  I.  276  und  Zum  Jungen,  der  zufügt,  „ist  ein 
Humbracht  von  Geschlecht  gewesen*. 

Meister  Conrad  Schonberg. 

Das  Rechenb.  von  1459  f.  73  sagt:  „25  fl.  meister  Conrad  Schon  - 
berg  sin  sture  von  sym  ersten  halben  jarlon  sider  Walpurg  als 
der  Rad  mit  im  Überkommen  ist,  im  200  fl.  czu  sture  czu  geben, 
Doctor  und  des  Rads  Diener  zu  werden/  Zum  Jungen  und 
Lersner  I.  276  führen  ihn  als  Syndicus  auf  und  geben  ihm  den 
Titel  Doctor  sowie  den  Namen  Schönberger.  Er  bekleidete  die 
Stelle  bis  an  seinen  Tod.  Im  Rechenb.  von  1463  steht  fol  76 
(S.  post  Marci  1464)  „43  U  14  ß.  meister  Conrad  von  Schonberg 
hussfr.  von  19  wochen  nach  anczale  sines  jarlons  von  Michael 
bis  uff  Samstag  vor  Fastnacht." 

(Dr.  Ludwig  zum  Paradeiß,  Syndicus.) 

Nach  Zum  Jungen  und  Lersner  L  276,  der  ihn  Patricius  nennt. 

Meister  Sixtus  Meyer. 

In  seinem  Dienstbrief  von  IV  p.  Pasch.  1463  nennt  er  sich 
„Sixtus  Meyer  von  Swebischen  Wyrde,"  in  den  Rechenbüchern 
heisst  er  in  der  Regel  nur  Meister  Sixtus  und  wird  bald  der  stedo 
procurator,  bald  der  stede  oder  des  Rates  Syndicus  genannt 
Er  blieb  im  Dienste  bis  an  seinen  Tod  1493. 

(Berthold  Happe.) 

Im  Rechenb.  von  1464  f.  48  ist  die  Rede  von  einer  Sendung  nach 
Nürnberg  „von  Bertbold  Happe  unsers  Procurator»  wegen,"  es 


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r 


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14G5 


1467 


1473 


1478 


1481 


1482 
1482 

1484 
1491 

1493 


könnte  dies  auch  wobl  nur  bedeuten,  des  in  Frankfurt 
gerten  Procuratora. 

Meister  Jorg  oder  Jorg  Pfeffer. 

Im  Bürgermstrb.  von  1464  f.  46  (III  p.  Sebaat  1465)  heisat  es: 
Mit  Doctor  Peffern  ist  überkommen  jars  umb  die  fl.  150  uffveraclir. 
als  andere  vor  ime  und  dass  er  verwilligunge  von  unsern  Herreu 
von  Mencze  erlange.  Er  blieb  der  Stadt  Advocat  bis  1467. 

Doctor  Johann  Gelthua. 

Im  Biirgermsterb.  von  1467  f.  41  (V  p.  Calixti)  steht:  „Doctor 
Gelthuss  3  jare  uffnemen  iglich  jar  umb  fl.  120/  Lersner  I.  276 
nennt  ihn  Patriciua.  Er  blieb  der  Stadt  Advocat  bis  an  seinen 
Tod  1480. 

Doctor  Ludewig  Paradis. 

Im  BUrgermstrbuch  f.[29  (Vp.  Exalt.  Crncia)  heisst  es:  „Doctor 
Ludewig  4  jare  offnemen  jerlich  umb  fl.  130  und  yne  fryen  in 
maas  Doctor  Gelthus."   Er  blieb  der  Stadt  Advocat  bis  1484. 

(Doctor  Nie olaus  von  Heinibach  genannt  Schönwet- 
ter, Syndicus.) 

Nach  Zum  Jungen  und  Leraner  I.  276,  der  ihn  als  Patriciua 
bezeichnet. 

Meister  Johann  Reyse,  oder  Reise. 

Im  Bürgermstrb.  f.  35  (V  p.  Leonhardi)  steht:  „meister  Job. 
Reyse  ist  vier  jare  offgenomen  idesjare  umb  80  fl."  Er  blieb  der 
Stadt  Advocat  bis  1493. 

(Meister  Alb  recht  Mynsinger,  Syndicus.) 
Nach  Zum  Jungen  und  Leraner  I.  276. 

(Doctor  Johann  von  Glauburg,  Syndicus.) 

Nach  Zum  Jungen  und  Lersner  I.  276,  der  ihn  Patriciua  nennt 
und  sagt,  er  sei  am  22.  Mai  1499  gestorben. 

Heilmann  Procurator. 

Wird  im  Bürgermstrb.  f.  18  erwähnt 

(Adam  Gelt  hausen,  Syndicus.) 

Nach  Zum  Jungen  und  Leraner  I.  276,  der  ihn  Patriciua  nennt. 

Doctor  Adam  Heinbach  oder  Dr.  Adam  Schönwetter 
von  neynbach. 

Im  Bürgermstrbuch  f.  63  (III  p.  Omn.  Sanct.)  ateht:  „Dr.  Adam 
Heinbach  umb  80  fl.  4  jarlang  uffnemen."  Er  war  noch  1500 
der  Stadt  Advocat.  Im  Bürgermstrb.  von  1497  f.  9  (III  p.  Trio.) 
heisst  ea:  „Dr.  Adam  Schünwetter  uff  6  oder  10  Jare  uffnemen 
zu  eynem  advocaten  und  jars  100  und  20  Gulden  für  seinen  Ion 
geben."  Leraner  I.  276  heisst  ihn  Patricius  und  sagt,  er  sei  am 
25.  December  1519  gestorben.  Vgl.  auch  Lersner  II.  13L  [Er 


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war  bei  Abfassung  der  Reformation  von  1509  thätig,  Thomas 
Oberhof  S.  98.] 

(Mg.  Fridrich  von  Altzey,  Syndicus.) 

Nach  Zum  Jungen  und  Lersner  I.  276,  der  ihn  Patricia«  nennt 
und  sagt,  er  aci  1525  gestorben. 

Meister  Eberhart  Rosen acker  von  Wertheini. 

Im  BUrgermatrb.  f.  64  (V  p.  Simon  et  Jud.)  steht :  „ Als  meister 
Eberharten  um  dass  sindicat  bitt,  nffcznnemen,  dwile  Doctor 
Ludwig  inen  berompt  togelich  und  geschickt  sy,  6  jare  lang  dass 
jare  21  Gulden."  Sein  Dienstbrief  als  des  Raths  Procurator  und 
Diener  ist  vom  Dienstag  nach  Allerheiligen  1494.  Er  war  noch 
1500  im  Amt. 

(Dr.  Georg  von  Hall  genannt  Pfeffer,  Syndicus.) 

Nach  Zum  Jungen  und  Lersner  I.  276,  der  ihn  Patricius  nennt 

(Dr.  Philips  Siegwein  zum  Schönstein,  Syndicus). 

Nach  Zum  Jungen  und  Lersner  I.  276,  der  ihn  Patricius 
und  sagt,  er  sei  1514  gestorben. 

(Dr.  Jacob  Kühhorn  oder  Kuehorn,  Syndicus.) 

Nach  Zum  Jongen  und  Lersner  I.  276,  der  ihn  Patricius 


III.  Oberstricliter. 

1314     (Conradus  de  Gladio.) 

Nach  dem  Zum  Jungen'schen  Verzeichniss.  In  Böhmer  Cod.  200 
kommt  er  1291  als  judex  vor. 

1342     Dylo  Keppeler. 

Wird  in  dem  Gerichtsbuche  von  1342  f.  23  als  „Ubirstcr  recher" 
genannt.  Ebenso  in  dem  Gerichtsbuche  von  1343  f.  23.  Lersner 
führt  1344  Thiele  genannt  Keppcler  und  sein  Gesind  an.  Zum 
Jungen  nennt  ihn  1348  Diele  Keppelcr,  Conrads  von  Soltzbach 
Edelknechts  Schwager;  ejus  uxor  Seitzel  von  Sultzbach.  Dann 
kommt  er  1350  nach  dem  Insatzbuch  II.  28a  vor,  während  ihn 
die  Gerich tsbücher  von  1350,  1351  und  1352  nur  judex  nennen. 
Das  Ger.-Buch  von  1354  f.  7b  heisst  ihn  wieder  Tylen  Keppler 
obirste  werntlichen  ryhter  czu  Fr.  Er  kommt  noch  1356,  1357, 
1361,  1362  (Senckenberg  selecta  I.  259),  1368,  1371  vor.  Bios 
als  Richter  wird  er  in  den  Ger.-Btichern  von  1346,  1347  und  1348 
bezeichnet.  So  auch  1364  in  einer  Urkunde  über  einen  Pacht 
zu  Haussen  und  bereits  1334  in  Böhmer  Cod.  530.  [Von 
ihm  hat  das  s.  g.  Keppler  Höfeben  an  dem  P  (anreisen 
Namen.  Vgl.  Dorf  und  Schloss  Rödelheim  S.  8  ] 


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1343     (Petrus  do  Sweinheim.) 

Nach  dem  Zum  Jangen'scben  Yen.  In  dem  Insatzbucbe  II. 
fol.  10b  kommt  er  1344  als  Bichtor  vor  and  so  noch  weiter 
bis  1349. 

1389     Johann  von  Rossingen,  auch  Hans  von  Rüssingen. 

Laut  seiner  Besiegelung  eines  Briefs  in  dem  Bache  Ober  die 
Cronenberger  Schlacht  vom  VI  p.  Jacobi  1390  Er  kommt  anch 
1391  (im  Rechenbucbe  f.  64b),  1392  (Böhmer  Cod.  768)  and  1304 
(Thomas  Oberhof  370)  vor. 

1398  Endris. 

Gerichtsbuch  f.  64.  72.  [Wohl  identisch  mit  dem  von  Lersner 
1399  genannten  Cydris  von  Schweinheim.] 

1400     Diclraann  Gast. 

Gerichtsbuch  f.  18.  Er  kommt  auch  1401,  1403,  1406,  1409- 
1414  vor.  Im  Rechenbuche  1415,  f.  42  Petri  et  Pauli  beisst  er: 
„Diltnan  der  oberste  richter  selgc"  und  ibid.  f.  46  S.  a.  Martini 
erhalten  seine  Wittwe  und  seine  Tochter  ein  Geschenk  zum  Dank 
für  seine  Verdienste. 

Peter  von  Geilnhuscn,   auch   Peter   genannt  Vor- 
kauf f  von  Geilnhusen. 

Notar.  Instr.  vom  30.  Mai  1415  in  Uglb.  A.  61.  Gerichtabucb  f.  28. 
Zum  Jungen  führt  ihn  schon  zum  Jahre  1405  an.  In  den  Ge- 
richtsbflehern  kommt  er  noch  1416—1420  vor.  In  dem  Becdbuch 
der  Niederstadt  von  1420  wird  Grede  des  obersten  richtera  Peters 
von  Geinhussen  selgen  dochter  aufgeführt. 

Heile  Happe. 

Gerichtsbuch  f.  52.  Nach  dem  Rochenbuch  von  1422  f.  58  war 
er  S.  ante  Albani  gestorben. 

Hcinczc  oder  Heinrich  Schiltknecht 

Gcrichtebuch  f.  44.  Kommt  noch  1423  -1427  vor.  Zum  Jungen 
sagt:  Junckber  Heintz  Schildknecht,  ein  Geschlechter. 

(Johann  von  Eichen.) 

Nach  Lersner.  Als  Richter  kommt  Henne  von  Eychen  von 
1420-1434  vor. 

Engel  Knottel. 

Nach  einem  von  ihm  ausgestellten  Verbundsbriefe  II  p.  Jacobi. 

Heinrich  vom  Ryne,  auch  vom  Rine,  vom  Rhein. 

Gerichtsbuch  f.  67.  Kommt  auch  1429-1432  vor.  Lersner  führt 
ihn  schon  1427  und  noch  1443  auf.  Fichard  zählt  ihn  an  dem 
Patrizier-Geschlechte  von  Rhein. 

Johann  Liechtenstein  oder  Johann  von  Liechten- 
stein. 

Nach  dem  Reebenbache  von  1433  f.  58  b  S.  a.  Servatii  erhält 


1415 

1420 

1422 

1434 

1427 
1428 

1433 


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235  - 


Joh.  Liechtenst.  seinen  verdienten  Monatssold  mit  einer  GJene 
rals  er  nu  vom  Solde  und  czum  obersten  richtcr  ampt  kommen 
ist*.  Er  wird  noch  1434,  1436-1440,  1442-1446  genannt. 
Zum  Jungen  bezeichnet  ihn  als  einen  Geschlechter. 

1443     (Schell  Henningen.) 

Nach  Leraner. 

3  117     Peter  Cule. 

Nach  dem  Bürgermeisterbuche  von  1446  f.  96  war  III  p.  Judica 
1447  der  oberste  Richter  gestorben.  Dort  werden  auf  dem  zweit- 
letzten Blatte  die  Bewerber  um  seine  Stelle  genannt  und  da  von 
diesen  P.  Cule  die  meisten  Punkte  hat,  so  wurde  also  dieser 
gewählt.  Im  Bflrgermeisterbuch  von  1417  beisst  es  f.  3  (V  p. 
Cantate)  gerade  zn :  Peter  Culen  czum  obersten  richter  uffnemen. 
Er  kommt  schon  seit  144*2  unter  den  weltlichen  Richtern  vor 
und  wird  auch  Peter  Kulusen  genannt  Er  blieb  oberster  Richter 
bis  1470,  da  er  V  p.  Erhardi  verabschiedet  wird.  Bürger- 
mstrbuch  von  1469  f.  50.  Zum  Jungen  nennt  ihn  Peter  von  Kühl, 
nobilis  und  bemerkt,  er  habe  Alters  halber  resignirt. 

1470  Wilhelm  von  Schonberg  oder  Sehonenberg. 

Er  wird  laut  Bürgermstrbuchs  von  1469  f.  50  im  Jahr  1470 
V  p.  Erhardi  zum  obersten  Richter  ernannt  „und  sal  seinem 
furfarn  die  woche  1  ort  geben  und  man  sal  yme  den  heller  leisten 
dwile  sin  furfar  lebetu.  Er  kommt  dann  von  1471—1486  vor. 
Zum  Jungen  nennt  ihn  nobilis.  In  dem  Beedbuch  der  Niederstadt 
von  1477,  I.  f.  67  stehet  Wilhelm  von  Sehonenberg  oberst  rich- 
tcr, ibid.  II.  f.  52  aber  Wilhelm  von  Sehonenberg  seligen  witwe 
oberster  richter.  [Haben  vielleicht  Vater  und  Sohn  gleicbeu 
Namens  das  Amt  bekleidet?] 

1471  Joist  von  Hoenatcin. 

Im  Gerichtsbuche  f.  82  (IV  p.  Elisab.)  heisst  es:  Joisen  von 
Hoenstein  itzt  oberstem  werntlichen  rijchter.  Im  Jahr  1447 
wurde  er  laut  Bürgermstrbuchs  f.  5  zum  Richter  aufgenommen 
und  ihm  der  Stab  geliehen.  Er  kommt  als  Richter  noch  bis 
1484  vor. 

1487     Conrad  von  Swapach. 

Das  BUrgermstrbuch  von  1487  f. 80  (Vig.  Aesumt.)  sagt:  „Swa- 
pachen,  mit  dem  reden,  wil  er  das  oberst  richter  ampt  nemen 
mit  sinen  gefeilen  und  darezu  10  fl.  oder  20  achtel  Korns,  sal 
tun  wycker  Frosche  "  Sein  Dienstbrief  lautet  von  III  p.  Assurat. 
Nach  dem  Rechenbuch  von  1488  f.  81  (Vig.  Barthol )  erhält 
Conrad  von  S.  10  fl.  jährlich  vom  obersten  Richteramt.  Er  ist 
der  erste  oberste  Richter,  der  einen  Gebalt  bezieht  Er  blieb  es 
bis  1496,  da  es  im  Rechenbuch  f.  127  Donnerstag  nach  Matth, 
heisst,  er  habe  sein  Amt  aufgegeben. 


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1493     (Johann  Rutlinger.) 

Soll  nach  Zorn  Jungen  gleichzeitig  mit  Conrad  von  Swapach  in 
diesem  Jahre  oberster  Richter  gewesen  sein. 

1496     Gerlach  Moller,  zur  alten  Wage. 

Nach  dem  Bflrgermstrbuch  von  1495  f.  125  wird  er  V  p.  5Ii 
aeric.  «um  obersten  Richter  ernannt  und  ibid  f.  132  als  solcher 
III  p.  Jub.  beeidigt  Sein  Dienstbrief  hat  gleiches  Datum.  Vgl 
Archiv  N.  F.  III.  136.  Er  ist  noch  1500  im  Dienste  und  be- 
siegelt Dienstag  nach  Lfitare  eine  Urfehde  als  Jungher  Q.  Moller. 


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Ludwig  von  Hftrnlgk.') 

Ein  Charakterbild  aus  der  Geschichte  der  Medicio. 
Von  Dr.  Wilhelm  Stricker, 

Arzt  lo  Frankfurt  a.  M.  « 


Ludwig  Hörnig k,  ans  Darmstadt  stammend,  war  geboren  zu 
Frankfurt  a.  M.  1600.  Andre  geben  Darmstadt  oder  Leipzig  an.  Er 
studirte  zu  Giessen  Medicin,  wo  er  Schüler  des  Gregor  Horst  war, 
ging  hierauf  nach  Italien  und  hörte  in  Padua  den  Adrian  Spiegel; 
in  Strassburg  wurde  er  zum  Dr.  med.  promovirt  und  am  1.  Juni  1625 
in  Frankfurt  als  Arzt  aufgenommen,  auch  1628  Comes  palatinus,  wo- 
mit der  Adel  verbunden  war.  Fr  wurde  1635  Physicus  Ordinarius  in 
Frankfurt,  1638  Dr.  jur.  in  Marburg.  Bei  dieser  Gelegenheit  schrieb 
er:  de  regali  postarum  jure,  welche  Dissertation  er  später  vermehrt 
als  eigenen  Tractat  herausgab.  Das  Jahr  1643  wurde  für  seine  hiesige 
Wirksamkeit  verhängnissvoll.  Als  Aufscher  bei  der  Bereitung  des 
Theriak  warf  er  den  Apothekern  Betrug  hinsichtlich  der  bei  dessen 
Bereitung  gebrauchten  Ingredientien  vor.  Dies  geschah  in  einer 
eigenen  Schrift:  „Gründliche  Antwort  auf  die  Frage:  Ob  die  Com- 
position  und  Präparation  der  Artzneyen  den  Materialisten  und  Trochisten 
zu  gestatten  sey?  Dess  falsches  und  betrugs  halben  so  sich  eine  ge- 
raume Zeithero  eingeschlehTet  männiglich  zum  Unterricht  und  warnung 
trewmüthig  publiciret  durch  Ludwig  von  Hörnigk,  beyder  Rechten 
und  der  Artzneyen  Doctorem  auch  Com  item  Caes.  palatinum.  Ge- 
druckt im  Jahr  Christi  1643.  27  S.  4°."  Da  ihn  darauf  sämmtliche 
Materialisten  als  Aufseher  bei  der  Bereitung  des  Theriaks  perhorres- 


*)  Zuerst  gedruckt  in  Virchow's  Archiv  f.  patholog.  Anat.  etc.  Bd.  41,  S.  293, 
hier  in  erweiterter  Form  mit  Benutzung  des  Handexemplars  von  G.  A.  Schenck 
Merkwürdigkeiten  der  Stadt  Wissbaden,  F.  a.  lt.  1732,  4°,  welches  sahireiche 
handschriftl.  Zusätze  des  Verf.  enthält  Dessen  Benutzung  verdanke  ich  der  Güte 
des  Vorstandes  des  bistor.  Vereins  f.  Nassau. 


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cirten,  weil  sie  in  Ute  injuriarum  mit  ihm  sich  befanden  „"wegen  aus- 
gegossener Injurien  und  weil  er  uns  dermassen  an  unserer  Ehren  und 
wohlhergebrachtem  gutem  Leumuth  höchst  verletzlicher  Weise  ange- 
zapffet",  so  wird  im  Senat  am  10.  Juni  1643  beschlossen:  man  soll 
die  Aufsicht  über  die  Theriaksbereitung  den  zwei  Coilegen  Hörnigk's: 
Weikard  und  Peter  de  Spina  allein  übertragen.    Nun  kommt 
Hörnigk  sogleich  um  seine  Entlassung  ein;  diese  wird  ihm  am 
20.  Juni  zwar  bewilligt,  „zugleich  aber  beschlossen,  weil  er  in  seiner 
Bittschrift  einen  wohllöblichen  Schöffenrath  etwas  hitzig  und  anzügig 
angreiffet,  ihn  auf  die  bürgerliche  Custodiam  zu  setzen,  auf  seine 
Deprecation,  auch  fürstliche   und  kaiserliche   Intercession  wird  er 
jedoch  mit  der  Verhafftung  verschonet,  auch  auf  seine  Bitte  in  sein 
Amt  wieder  eingesetzet."    (Frankfurter  Medicinalacten.)    Nicht  auf 
lange.    Schon  im  October  1643  wird  er  in  das  Hospital  gesetzet, 
„weil  er  nicht  allein  Theobald   Krafft  mit  Schlägen  aus  seiner 
Sterbebehausung  vertrieben,   sondern  auch  die  derowegen  gesetzte 
Strafe  nicht  bezahlen   wollen".     (Lersner,    Frankfurter  Chronik. 
II.  Thl.  2.  Buch.  S.  224.)   Er  wurde  seines  Amtes  nun  entsetzt.  Im 
nächsten  Jahre  finden  wir  den  unruhigen  Mann  in  der  benachbarten 
gräflich  Solms'schen  Residenz  Rödelheim  als  gräflichen  Rath,  Amt- 
mann und  Arzt,  auch  als  fürstlich  pfalz-veldentzschen  Rath.  Auch 
dort  bewährte  sich  sein  unfriedlicher  Charakter;  er  fing  Händel  mit 
der  Geistlichkeit  an  und  es  kam  zu  einem  langwierigen  Process,  der 
bis  an  den  k.  Reichshofrath  gelangte.  Wahrscheinlich,  um  seine  Sache 
besser"  betreiben  zu  können,  begab  er  sich  1647  nach  Mainz  und 
gleich  darauf  nach  Wien,  wo  er  öffentlich  zur  katholischen  Kirche 
übertrat.  Er  lobte  als  kaiserlicher  Rath  und  kurinaynzischer  Hofrath 
als  kaiserlicher  Büchercommissarius  seit  1655  in  Frankfurt,  wo  er 
1667  starb.    Andre  nennen  Mainz  als  den  Ort  seines  Todes.  Dieser 
Uebertritt  zur  kathol.  Kirche  scheint  ihn  mit  seinen  Bekannten  und 
Verwandten  entzweit  zu  haben.    Dr.  Johannes  Schroedcr,  1600 
bis  1664 ,   widmet   dem  Hörnigk  einen  Ludus    poeticus  de  peste, 
welcher  dessen  Schrift:  de  peste  vorangedruckt  ist,  und  nennet  ihn 
dabei  affin  is  suus  clarissimus.    Dieser  Schröder  war  der  Schwager 
der  Aerzto  Joh.  Wilh.  Hochstadt,  ^  1669,  und  Joh.  Ludwig  Witzel, 
•f  1692,  alle  drei  waren  Physici  und  Schwäger  des  Predigers  Wald- 
schmidt (vcrgl.  Mittheilungen  III.  303),  welcher  später  gegen  Hör- 
nigk's „zwanzig  Ursachen,  warum  er  katholisch  geworden"  1649  po- 
lemisch auftrat.    Waldschmidt  soll  ein  Studiengenosse  und  vertrauter 
Freund  des  Hörnigk  gewesen  sein.  —  Die  Vielseitigkeit  dieses  Dr. 
philoB.,  jur.  et  med.  spiegelt  sich  auch  in  seinen  Schriften  ab. 


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Diese  sind  soweit  nicht  oben  schon  erwähnt  (die  mir  vorliegenden 
mit  *  bezeichnet)  folgende: 

1.  Medicaster  Apclla  oder  Judenartzt.  Strassburg  1631.  (Von 
dem  Inhalt  dieses  Buches,  welches  mir  jetzt  gerade  nicht  zur  Hand 
ist,  kann  man  sich  einen  Begriff  machen  aus  dem,  was  zu  No.  3,  4 
u.  5  Uber  dessen  Judenhass  gesagt  ist) 

*2.  Schwalbacher  Saur-  unndt  Prodel-Brunuen- Beschreibung 
Ludovici  vonn  Hörnigk  Com.  Pal.  Caes.  und  Medici  zu  Frank- 
furt am  Mayn.  1632. 

(Kupfertitel).  Dieser  Text  bildet  so  zu  sagen  das  Herzschild 
von  vier  Bildern ;  oben  sieht  man,  wie  aus  den  mit  Holzgittern  um- 
gebenen und  bedeckten  Brunnen  das  Heilwasscr  geschöpft  und  fort- 
getragen wird;  links  steht  ein  Cavalier  mit  Federhut,  gesticktem 
Kragen,  geschlitztem  Wamms,  das  Trinkglas  in  der  Hand;  rechts  die 
entsprechende  Dame ;  in  der  linken  hält  sie  den  Spazierstock,  welchen 
demnach  nicht  Kaiserin  Eugenie  in  Schwalbach  eingeführt,  in  der 
rechten  eine  Schachtel  mit  Pastillen,  welche  man  zur  Verbesserung 
des  Geschmacks  nach  dem  Mineralwasser  zu  essen  pflegte,  wie  es 
S.  51  des  Tractats  heisst:  „Zimet-  und  Aniss-KUchlein,  Fenchel, 
Kümmel,  Nägelein,  Coriander,  Citronen-  oder  Pomerantzenschelffen, 
Ingber  etc."  Unten  endlich  sieht  man  die  ganze  Badegesellschaft 
beiderlei  Geschlechts  unter  einer  schattigen,  von  steinerneu  Säulen 
getragenen  Laube,  am  Brunnen  versammelt,  trinkend  und  plaudernd. 

Das  Buch  von  240  S.  8.  ist  der  Königin  Eleonora  von  Schweden 
zugeeignet  und  enthält  im  Anhang  griechische,  französische,  italieni- 
sche und  deutsche  Gedichte.  Von  den  letzteren  mag  hier  eine  kurze 
Probe  stehen : 

Es  werden  da  geheylt  viel  der  Beermutter  Schmertzen, 

Wann  sie  aufsteigt  und  dringt  über  sich  nach  dem  llcrtzcn, 
Wie  auch  derselbigen  Geschwulst  und  Apostcm, 
Auffblähung,  Abweichen,  und  was  mehr  gleichet  dem. 
Wann  ihr  Monatlich  Blum  verstopftet  und  verhalten, 
Wann  sie  unmässig  Heuest  bey  jungen  oder  alten, 
Wann  sie  anfängt  zu  schwärn,  oder  inen  macht  verdrnss 
Die  Erstickung  der  Muttr,  wie  auch  der  weisse  Fluss. 
So  helffen  diese  Wasser  nach  allem  Lust  und  Sinne, 
Wann  man  sie  ordentlich  trinkt  und  badet  darinne. 
Zu  der  Unfruchtbarkeit  seynd  sie  auch  offt  probirt, 
Wicwol  allein  das  Wassr  solches  nit  operirt. 

Was  die  Cur  betrifft,  so  soll  man  sie  aussetzen,  wann  sich  Come- 
ten  und  viel  Finsternussen  sehen  lassen,  auch  wann  böse  und  unglück- 
haffte  Aspecten,  Zusammenkunft!,  Gegenschein  etc.  der  Planeten  sich 
eräugen.    Wer  die  Cur  drei  Wochen  braucht,  der  soll  am  1.  Tage 


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—    240  - 

2,  am  4  Tage  6,  am  8.  Tage  10,  vom  10.  bis  14.  Tage  12,  am  16. 
Tage  10  und  am  21.  Tage  4  Gläser  trinken.  —  Spätere  Ausgaben 
dieses  Buches  erschienen  zu  Frankfurt*  1640  und  zu  Mainz  *  1658. 

*3.  In  ähnlicher  Weise  angeordnet  ist  der  Titel  von:  „Wiss- 
bades beschreibung  Ludovici  von  Hörnigk  Rom.  Kayas.  Mav. 
undt  Fürstl.  Veldentz.  Rahts,  Com.  Pal.  C.  und  Med.  D.  ordinarii  zu 
Franckfurt  am  Mayn.  1637."   106  S. 

Das  obere  Bild  zeigt  5  badende  Männer  im  Vollbad,  deren  einer 
an  einer  Stange  Turnübungen  macht;  eine  auf  einen  Stein  gestellte 
Sanduhr  dient  zur  Berechnung  der  Zeit,  welche  Hörnigk  für  den 
ersten  Tag  auf  l/t,  für  den  zweiten  auf  */4,  für  den  dritten  auf  1, 
für  den  vierten  auf  1*/*»  für  den  fünften  auf  l8/*,  für  den  sechsten 
Tag  auf  2  Stunden,  für  den  achten  Tag  auf  2!/t,  für  den  zehnten 
auf  2,  den  vierzehnten  auf  1  Stunde*)  festsetzt  Die  beiden  seitlichen 
Bilder  zeigen  Löwenköpfe,  welche  das  Mineralwasser  in  ein  Becken 
ergiessen,  das  untere  stellt  Wiesbaden  dar,  von  Mauern  und  Thürmen 
umgeben  und  in  der  Gegend  des  Kochbrunnens  von  dichten  Wolken 
verhüllt.  Das  Buch  ist  dem  firzbischof  von  Mainz  Anselm  Casimir 
zugeeignet 

Die  Vorrede  beginnt  mit  den  Worten:  „Ich  werde  eusserlich 
berichtet,  dass  etliche  Wurmbrändte  von  mir  ausszugeben  sich  nicht 
geschewet,  als  solte  ich  das  Wissbad  in  einigerley  Weise  verachtet 
haben.  Nun  ist  aber  dieses  ihr  Vor-  und  Aussgeben  ein  lauterer 
Auffschnitt  etc."  Demzufolge  ist  das  Buch  ein  beständigser  Lobsalm: 
die  Einwohner  seynd  gute,  redliche  unnd  diensthefftige  Leuth,  die 
Lufll  ist  gesund,  das  Brod  so  gesund,  dass  man  bei  der  Abreyse 
gern  davon  mitnimmt,  das  Wasser  heilt  Krankheiten,  deren  blosse 
Aufzählung  auf  S.  15  eine  ganze  Seite  einnimmt  und  unter  denen 
auch  Schwindsucht,  verlorene  Mannheit  und  Taubheit  nicht  fehlen. 
Krankengeschichten  werden  ebenso  wenig  vermisst,  als  Bade- Gebete 
und  Ausfälle  gegen  Winkel-  und  Judenärzte.  Als  Badehäuser 
werden  S.  8  ff.  angeführt:  der  Gülden  Adler,  Hirsch,  Krone,  Bär, 
Helm,  Bock,  Rindsftiss,  Spiegel,  Rose,  Blume,  Schwan,  Glocke,  En- 
gel etc.,  deren  viele  und  zwar  unter  dem  alten  Namen,  noch  fort- 
bestehen. 

*4.  Politiamedica|  oder  |  Boschreibung  dessen  was  |  die  Me- 
dici,  sowohl  ins  geinein  als  auch  verordnete  Hof-  Statt-  Hospital- 


*)  Bei  der  vierwöchigen  Cur  stieg  auf  der  Höhe  der  Cur,  am  13.  bis  16.  Tag, 
die  Badezeit  auf  3  Stunden,  um  am  28.  auf  V*  Stunde  verkürzt  zu  werden.  Medi- 
cinisebe  Moden! 


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-    241  — 


und  Pest-Medici,  Apo!theker,  Materialisten,  Wundarzt,  Barbiercr, 
Fcldtscheror,  |  Oculisten,  Bruch-  und  Steinschneider,  Zuckerbecker,  | 
Krämer  und  Bader,  |  Dessgleichen  j  Die  obriste  geschwohrne  Frawen, 
Hebammen,  |  Unterfrawen  und  Krankenpflegern,  |  Wie  nicht  weniger 

j  Allcrhandt  unbefugte  betriegliche  und  angemaßte  Aerzte,  |  darunter 
i4lte  Weiber,  .Beutelschneider,  Crystallenseher,  Dorffgeistliche,  |  .Ein- 
siedler, Fallimentirer,  Öauckler,  7/arnpropheten,  Juden,  Aalberärtzt, 
Zand  Istreicher,  Afarckschreyer,  JVachrichter,  Ofenschwärmer,  Pseudo- 
Paracel  sisten ,  Quacksalber,  Rattenfänger  ,  Segenssprecher,  Teufeis- 
bander,  |  Unholden,  TTaltheinzen,  Ziegeuner  etc.  |  So  dann  endlichen: 

|  Die  Patienten  oder  Krancke  sclbstcn  zu  thun,  und  was  allerseits 
hierunter  in  Obacht  zu  nehmen,  |  Allen  Herrn-Höfen,  Republicken, 
und  Gemeinden  zu  |  sonderbahrem  Nutzen  und  guten  \  Auss  Geist- 
und  Weltlichen  Rechten,  Polizey-Ordnungcn  und  andern  |  bewehrten 
Schriften  zusammen  getragen,  |  Durch  Dr.  L.  v.  H.,  etc.  Franckfurt 
am  Hayn,  Bey  Clemens  Schleichen  und  Mitverwandten.  1638.  222 
S.  4°.  ohne  Titel,  Vorrede  und  Register.  (Neue  Ausgabe  *1645,  un- 
verändert, nur  mit  anderem  Titel.  Das  AB  C  der  Medicaster 
(Capitel  18)  erschien  auch  noch  besonders.  Die  erste  Ausgabe  ist 
dem  Rath  von  Frankfurt,  die  zweite  aber  dem  Kurfürsten  von  Trier 
zugeeignet.  Das  Jahr  1643  lag  ja  zwischen  beiden !)  Die  Mittheilung 
des  Titels  überhebt  uns  einer  ausführlichen  Besprechung  dieses  selt- 
samen Buches.  In  derselben  Ordnung,  wie  auf  dem  Titel  verzeich- 
net, sind  die  Gegenstände  im  Buch  in  19  Capiteln  abgehandelt,  kurze 
Satze,  mit  gelehrten  Anmerkungen.  Einen  grossen  Theil  (S.  52-114) 
nimmt  bei  dem  Abschnitt  von  den  Apothekern  ein  Verzeichnis:»  der 
officinellen  Mittel  ein  mit  leeren  Columneri  zum  Einschreiben  des 
Preises.  Mitunter  entfaltet  H.  einen  ganz  ergötzlichen  Humor.  So 
erzählt  er  (Pol.  med.  S.  171):  „Man  lieset  von  des  Constantinopolcta- 
nischen  Kaisers  Palaeologi,  der  zehn  ganze  Monat  an  einer  schweren 
kalten  melancholischen  Krankheit  gelegen,  Ehcgeniahl,  dass  ihr  von 
einer  alten  Griechin  heftig  gerathen  worden,  wenn  sie  ihren  Herrn 
gesund  haben  wollte,  ihn  wöchentlich  zwei  bis  dreimal  zu  erzUrnen, 
darauf  sie  ihn  nicht  nur  wöchentlich,  sondern  fast  täglich  zwei  bis 
dreimal  erzürnt  und  ihn  also  gesund  gemacht  und  lange  Zeit  gesund 
erhalten.  Wenn  aber  dieses  Zornmittel  jederzeit  rathsam  wäre,  hilf 
lieber  Gott,  wie  wenig  Männer  würden  krank  seyn !"  —  Ueberau*  gibt 
ein  fanatischer  Judenhass  in  dem  Buche  sich  kund.  Im  Register 
heisst  es:  Judenärzt  seynd  diebisch  —  vermessene  Betrieger  —  in 

Gottes  Wort  verbotten  zu  gebrauchen  —  in  Gottes  Bann  und  Fluch 

—  abergläubisch  —  Mörder  etc.    Die  allezeit  denkenden  und  im 
IV.  16 


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—    242  — 


Leben  geschulten  Judenänste  mochten  einem  Buchgelehrten  wie  H, 
freilich  besonderen  Neid  durch  ihre  Erfolge  einflössen.  Diese  todt* 
ßuchgelehraamkeit  tritt  nirgends  abschreckender  hervor,  als  in  dem 
Werke : 

*5.  Würg -Engel:  Von  der  Pestilentz  |  Namen,  Eygenschaffi 
Ursachen,  Zeichen,  Präservation ,  Zufällen,  Curation  etc.  j  Theil» 
auss  |  Vornehmer  Theologorum,  Berümbter  Juristen,  J  Fürtrefflicher 
Medicorum,  Erfahrner  Politicorum,  |  Kluger  Physicorum,  Beglaubter 
historicorum,  |  Sinnreicher  Poeten,  und  Anderer  Gelährten,  herrlichen 
Schrifften:  Dannenhero  Männiglichen,  wess  Standte  oder  Profes-  |sion 
er  ist,  in-  und  ausserhalb  Pestzeiten,  nutzlich  zu  lesen:  |  Theüs  auss 
Eygeucr  Erfahrung,  und  in  verschiedenen  Pestilentzen  continuirter 
fleissigster  Auffmerkung :  |  In  500  Fragen  |  Mit  besonderem  Fleias 
fürgebildet  durch  L.  v.  H.  etc.  Franckfurt  am  Mayn,  Bei  Christoph 
Le  Blon  1644.  4°.  Ohne  Titel,  Vorrede,  Dedication  u.  Register 
932  S. 

(Diess  Buch  ist  dem  Grafen  Anton  Günther  zu  Oldenburg  und 
Delmenhorst  zugeeignet.  Vorgesetzt  ist  des  Verf. 's  Bildniss,  um 
welches  eine  Randschrift  läuft,  welche  nebst  seineu  anderen  uns  be- 
kannten Titeln  als  Dr.  dreier  Facultäten,  als  Pfalzgraf,  kaiserl.,  pfäl- 
zischen und  solms'schen  Rath,  ihn  auch  als  Praefectus  Rödelheimensis 
auffuhrt  und  ihm  von  dem  Kupferstecher  Sebastian  Furck  zu 
Frankfurt  zugeeignet  ist.  Gegenüber  steht  ein  zweiter  Kupferstich : 
beim  Schein  eines  auf  ineinandergewundenen  Füllhörnern  stehenden 
Lichtes  präaentirt  der  geflügelto  Todes-  oder  Pestengel,  mit  geflamm- 
tem Schwert  in  der  Rechten,  mit  der  Linken  einen  Schädel  dem  Be- 
schauer, während  von  der  anderen  Seite  her  ein  Skelet  eine  Tafel 
mit  dem  abgekürzten  Titel  des  Buches  auf  einen  Sarg  hebt.) 

Man  sollte  denken,  dass  ein  Arzt,  welcher,  wie  er  in  der  Vor- 
rede erziildt,  selbst  zweimal  die  Pest  gehabt  und  als  Physicus  An- 
ordnungen zu  ihrer  Abwehr  zu  treffen  berufen  war,  aus  eigner  Er- 
fahrung irgend  eine  Mittheilung  zu  machen  hätte.  Aber  nein !  Die 
einzige  Erfahrung,  welche  er  mitthcilt  (S.  235,  Frage  168)  ist,  dass 
Pestsüchtige  ihm  referirt,  sie  hätten  da  oder  dort  ein  blau  Schwefel- 
fläinmlein  oder  Lichtlein  gesehen,  worüber  er  einige  schale  Spässe 
macht.  Selbst  hinsichtlieh  der  250.  Frage  (S.380):  Was  einer  Obrig- 
keit obliege,  wann  die  Pest  einreissen  will?  deckt  er  sich  hinter 
fremdem  Schild  mit  den  Worten:  „Dieweilen  in  diesen  beschwer- 
lichen Zeiten  man  bissweilen  denen,  so  die  Warheit  geigen,  die  Fidel 
umb  den  Kopff  schlägt,  so  will  ich  für  meine  Person,  was  einer 
Obrigkeit  in  Pestzeiteu  obliege,  nicht  melden,  sondern  selbige  (die 


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-  2*3 


Obrigkeit)  allein  andere  vornehme  Medicoa  hören  und  was  ihnen  oder 
ihrem  Gebiet  erspriesslieh,  daraus  nehmen  lassen." 

Dagegen  muss  sich  Hörnigk  wahrhaft  Jean  Pani  sche  Collecta- 
neen  angelegt  haben,  und  je  karger  er  mit  Aussprechen  eigner 
Meinung  ist,  desto  unerschöpflicher  erweist  er  sich  mit  Mittheilung 
dessen,  was  Andere  gesagt  haben.  Gelegentlich  der  65.  Frage  (S.  126): 
„Welcher  Gestalt  ein  Mensch  die  Pest  dureh  Forcht,  Schrecken  und 
Einbildung  bekommen  könne?"  fliesseu  in  breitem  Strome  alle  Ge- 
schichten von  Monstrositäten  durch  Versehen  der  Schwangeren  da- 
hin. Die  161.  Frage  lautet:  „Was  von  den  Lufftzeichen,  Wehe- 
klagen, Prodigiis,  Sterngeschossen,  Leichenspiele  der  Kinder  etc.  zu 
halten  sey?"  und  die  Antwort:  dieses  alles  seynd  Zeichen  einer 
künfftigen  Pest.  Ebenso  ist  die  Antwort  auf  die  folgende  Frage: 
„Was  von  den  Cometen  zu  halten?"  —  Sehr  lang  ist  die  Antwort 
auf  die  186.  Frage:  „von  der  geistlichen  Diät  gegen  die  Pest"  aus- 
gefallen. Mit  einem  gewissen  frostigen  Humor  werden  dabei  folgende 
Rccepte  empfohlen. 

Rep.   Protectionis  divinae  ünc.  vj 
Meriti  Christi  libr.  ij 
Gratiae  Dei  libr.  j 
Verae  contritionis  Unc.  viij 
Salvificae  fidei  libr.  j 
Dilectionis  Uoc.  vj 
Patientiae 

Perseveratitiae  ä»  libr.  j 

M-  ft.  Electuarium;  und  so  geht  es  seitenlang  weiter,  und  wiederholt 
nochmals  bei  der  372.  Frage  (S.  713).  Die  248.  Frage  (S.  378)  un- 
tersucht, ob  es  nützlich  sei ,  dass  ein  Mensch  seinen  eigenen  oder 
auch  wohl  frembden  Harn  wider  die  böse  Lufft  trinke?  Die  423. 
Frage  lautet:  „Was  von  der  Erd-  und  Wasscr-Cur,  so  Fioravan- 
tus  beschrieben,  zu  halten?"  Diese  Cur  besteht  darin,  den  Kranken 
bis  zum  Hals  in  die  Erde  zu  begraben  und  12—14  Stunden  darin  zu 
lassen.  Fioravanti  lobt  an  diesem  Mittel  die  Wohlfeilheit  und  fin- 
det es  ganz  rationell,  weil  die  Erde  alle  Dinge  zu  reinigen  pflegt. 
Fioravanti  empfiehlt  auch  das  Meerwasser,  3—4,  auch  wohl  10 — 12 
Stunden  darin  zu  bleiben.  Das  ist  doch  selbst  unserem  leichtgläubi- 
gen Hörnigk  zu  stark;  aus  Fioravanti's  Schriften  sähe  man,  dass 
er  zwar  in  etlichen  Stücken  eine  ziemliche  Erfahrung  gewonnen  habe, 
aber  auch  ein  gewaltiger  Aufschneider  und  Prahler  sei,  der  oft  ein 
liederlich  nichtswerthig  Ding  für  das  köstlichste  Sccretuin  rühmt.  Er 
raeint,  Fioravanti  habe  diese  Mittel  nur  empfohlen,  um  die  vier 
Elemente  voll  zu  machen,  denn  Luft  und  Feuer  seien  als  kräftige 

16* 


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—    244  - 

Mittel  gegen  die  Pestilentz  anerkannt  In  der  330.  Frage  sagt  er 
Folgeudes  von  der  Polypharmacie  seiner  Zeit,  in  der  er  selbst  sosehr 
befangen  war:  „Gar  zu  grosse  und  lange  Recepte  taugen  oft  wenig, 
und  habe  ich  newlich  zwei  lange  Recept  gelesen,  das  eine  hat  125 
Stück,  das  ander  117.  Ich  wollte  aus  den  ersten  40  Stücke  lesen, 
auss  den  andern  20,  und  die  übrigen  lassen  hinwandern.  Man  rindet 
aber  noch  längere  Recepte  von  2  oder  3  hundert  ingredientibu»,  da- 
rüber einer  leicht  ein  Voraitum  bekommen  könnte." 

Die  364.  Frage  verneint  die  Behauptung:  „Dass  der  Böcke  Ge- 
ruch eine  sonderliche  Kraflt  habe,  dem  Pestilentzischen  Gifft  zu  wi- 
derstehen." Es  heisst  da:  „Laurentius  Joubcrtus  gedenket  dieses 
Pestmittels  auch  und  spricht:  Es  seyen  etliche  von  Averroe  be- 
wogen worden,  Zeit  grassirender  Pest,  offtmale  einen  Bock  zu  be- 
rühren, und  an  demselbigen  zu  riechen:  an  welchem  Orth  oder  Glied 
dess  Bocks,  meldet  er  nicht,  ich  aber  halte  darfür,  es  seye  dasjenige 
gemeinet,  welches  am  meynsten  und  Stärkesten  riechet,  stelle  es  den- 
jenigen, so  gern  riechen,  frey,  wo  sie  den  Bock  beriechen  wollen." 

Die  498.  Frage  endlich  untersucht,  was  von  dem  Schmatzen  der 
Todten  in  Gräbern,  Poltern,  Todtentänzen,  Geheul  u.  s.  w.  zu  hal- 
ten. —  Der  bekannte  Judcnhass  des  Autors  macht  sich  in  dem  Buche 
vielfach  geltend.  Im  Register  sind  folgende  Stellen  citirt:  Juden 
vergingen  die  Brunnen  —  haben  unterm  Schein  der  Artzney  viel 
Christen  ums  Leben  gebracht  —  warnen  selbst  vor  Judenärtzten  — 
Judcnärtzte  besuchen  gar  selten  Pestsüchtige  —  Seynd  hurtig  den 
schwängern  Huren  zu  helffen,  —  Meistenteils  ungelehrte  Eselsköpffe 
—  Sehen  mehr  auf  Gelt  als  der  Patienten  Gesundheit  etc. 

Die  anderen  Schriften  des  Verf.  sind:  Tractatus  de  commissariis 
et  commissionibus.  —  Stella  notariorum,  1645.  —  De  Rcgali  postarum 
jure.  —  Beständige  in  jure  et  facto  festgegründete  Abfertigung, 
Nürnbergischer  vermeinter  Refutation,  das  kaiserl.  freye  Postwesen 
betreffend.  —  Epistola  de  qualitate  camphorae  (in  Greg.  Horst  observ.). 
Zwanzig  Ursachen,  warum  er  katholisch  geworden  1649.  —  Uebersetzung 
aus  dem  Italienischen  von  Petr.  Rostini  Tractat  von  den  Fran- 
zosen, endlich  ist  er  Verf.  des  Liedes:  „Mein  Wallfahrt  ich  vollen- 
det hab' !" 

Hörnigk  scheint  uns  für  die  Medicin  des  siebzehnten  Jahrhun- 


*)  Leonardo  Fioravanti  von  Bologna,  „ein  übelbcrfichtigter  Abentheurer, 
der  sich  durch  Empfehlung  von  Arcanis  und  zahlreiche  verworrene  Schriften  be- 
kannt gemacht  hat."  Haser. 


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245 


derte  von  typischer  Bedeutung  zu  sein.  Er  ist  ja  nicht  ein  „Narr 
auf  eigne  Hand",  sondern  Alles,  was  er  vorbringt,  belegt  er  durcli 
berühmte  Scribenten.  Die  Mehrzahl  der  Aerzte  des  17.  Jahrhunderte 
habe  ich  auf  Grund  der  Durchsicht  zahlreicher  Schriften  aus  dieser 
Zeit  in  der  Einleitung  zu  meiner  Analyse  vonEttner's  medieinischen 
Romanen  (in  Virchow  Archiv  Bd.  XXXVII.  S.  131)  zu  schildern 
versucht.  Die  dort  entworfenen  Züge  treffen  auch  bei  Hörnig  k  zu: 
die  wüste  zusammengelesene  Gelehrsamkeit ,  die  Unselbständigkeit 
des  Urtheils,  der  blinde  Autoritätsglaube,  das  Vertrauen  auf  wunder- 
wirkende componirte  Formeln,  der  Mangel  jeder  anatomischen  und 
physiologischen  Grundlage,  an  deren  Stolle  einige  chemiatrische  Re- 
densarten gesetzt  werden.  Die  polyhistorische  Richtung  der  Studien 
Hess  den  Uebergang  zu  anderen  Fächern  leicht  zu  und  so  finden  wir 
im  17.  Jahrhundert  eine  Reihe  vonAerzten,  welche  auch  auf  anderen 
Gebieten  des  Wissens  sich  hervorgethan.  Wir  nennen  nur  die  her- 
vorragendsten : 

1.  Theophrast  Renaudot,  geb.  1584  zu  Loudun  in  Poitou, 
erfand  in  Frankreich  die  Journalistik,  die  Leihhäuser  und  Nachwei- 
sungsbureaux.  Den  von  ihm  1631  gegründeten  Mercure  fran<;ais  re- 
digirte  er  bis  zu  seinem  Tode  1653;  sein  Sohn  Isaak,  ebenfalls  Arzt 
in  Paris,  setzte  ihn  bis  1680  fort. 

2.  Thomas  Reincsius,  geb.  1587  zu  Gotha,  Dr.  med.  Basil., 
gräfl.  reussischer  Leibarzt,  Inspector  und  Prof.  des  (  ymnasiums 
in  Gera,  dann  fürstl.  .Leibarzt  und  Bürgermeister  zu  Altenburg,  als 
kursächsischer  Rath  f  in  Leipzig  1667,  schrieb  über  punische  Sprache, 
gab  den  Petronius  heraus  und  sammelte  antike  Inschriften. 

3.  Joh.  Jac.  Chifflct  (Schiffle?),  geb.  zu  Besancon  1588, 
Physicus  und  Bürgermeister  seiner  Vaterstadt,  Leibarzt  K.  Philipp  IV. 
von  Spanien,  -{-  1660,  schrieb  viele  Abhandlungen  über  französische 
Geschichte,  lothringisches  Staatsrecht,  Genealogie  etc. 

4.  Martin  Curcau  de  la  Chambre,  1594-1669,  französ. 
Leibarzt,  schrieb  viele  Abhandlungen  Über  Kritik  uud  Moral. 

5.  Claude  Pe rra u  lt,  1613—1688,  Arzt,  Mathematiker,  Musiker 
und  Architekt,  übersetzte  den  Vitruv  ins  Französische. 

6.  Samuel  Sorbiere,  1615— 1670,  schrieb  über  die  englische 
Revolution  und  übersetzte  die  Utopia  des  Thomas  Morus  und 
den  Tractat  des  Crellius:  „de  causis  mortis  Jesu  Christi"  ins  Fran- 
zösische. 

7.  Peter  Petit,  geb.  1617  in  Paris,  Arzt  daselbst,  f  1687, 
gab  Gedichte  heraus. 


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246  - 


8.  Karl  Patin,  geb.  1633  in  Paris,  f  1693  als  Professor  der 
Medicin  in  Padua,  schrieb  Vieles  über  Münzkunde. 

9.  Bernardino  Ramazzini,  aus  Carpi  bei  Modena,  geb.  1633. 
Prof.  in  Modena  und  Parma,  f  1714,  einer  der  wichtigsten  Epidemio- 
graphen  seiner  Zeit,  setzte  aus  Versen  des  Virgil  ein  Gedicht  de 
hello  Siciliae  (1677)  zusammen. 

10.  Jacob  Spon,  1647—1686,  Arzt  in  Lyon,  verfasste  eine 
Beschreibung  seiner  antiquarischen  Reise  nach  Griechenland  und  der 
Levante  und  schrieb  eine  Geschichte  von  Genf.  *) 


*)  Für  das  sechszehnte  Jahrhundert  hat  eine  derartige  sehr  interessante  Zu 
sainmenstellong  gemacht  C.  F.  Reusinger  in  seiner  gelehrten  Abhandlung  zum 
fünfzigjährigen  Doctorjubilaeura  des  Geh.  Obcrmcd.- Käthes  Hieronymus  Wald 
mann:  Commentatio  de  Joachime  Cureo.  Marburg  1853.  4". 


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-    247  - 


Miltlieiluiigfu  ober  eheliches  Güterrecht, 

mit  besonderer  Hinsicht  auf  fränkisches  und  Frankfurter  Kocht, 
von  Dr.  L.  II.  Euler. 


I. 

Schon  eine  lange  Reihe  von  Jahren  ist  verstrichen,  seitdem  ich 
einige  Abhandlungen  über  eheliches  Güter-  und  Erbrecht  veröffentlicht 
habe.  Das  Bestreben,  mich  mit  dem  Frankfurter  Kecht  in  dieser 
Lehre  vertraut  zu  machen,  hatte  mich  allmählig  zu  einer  eingehenden 
Untersuchung  des  ehelichen  Güterrechts  in  Deutschland  überhaupt 
geführt  und  ich  gelangte  immer  mehr  zu  der  Uebcrzeuguug,  dass 
sich  eine  genügende  Erkenntnis»  desselben  nicht  erlangen  lasse,  wenn 
man  nicht  das  Recht  der  deutschen  Hauptstämme  unter  Berücksich- 
tigung der  verschiedenen  Zeiträume  gesondert  erforsche.  Die  Werke, 
welche  damals  (1834)  als  die  bedeutendsten  in  dieser  Lehre  galten, 
beriefen  sich  auf  die  Rechtsquellen  ohne  genaue  Unterscheidung  der 
Zeiten  und  Länder,  und  stellten  aus  einzelnen  meist  dem  Zusammen- 
hang entrissenen  Sätzen  der  verschiedenartigsten  Rechtsquellen  für 
die  einzelnen  Arten  und  Formen  des  ehelichen  Güterrechts  ein  System 
zusammen,  das  dann  wieder  zur  Erläuterung  und  Ergänzung  der  ein- 
zelnen Statutar-  und  Partikularrech tc  dienen  sollte,  aber  gerade  we- 
gen dieser  Vermischung  heterogener  Bestandtheilc  seinen  Zweck  nicht 
erfüllen  konnte.  Doch  war  auch  bereits  die  Bahn  zu  einer  wissen- 
schaftlicheren Behandlung  gebrochen.  Unter  der  Annahme,  dass  die 
eheliche  Gütergemeinschaft  das  eigentümliche  Wesen  des  deutschen 
ehelichen  Güterrechts  sei,  standen  sich  früher  eine  vorzugsweise 
römisch-rechtliche  Auffassung,  welche  soweit  möglich  die  Grundsätze 
der  societas  dabei  anwendete,  und  eine  germanistische  entgegen,  welche 
dem  Verhältniss  ein  Gesammteigenthum  unterstellte.  Letztere  An- 
sicht war  besonders  in  den  Werken  von  Lange  (Rechtslehre  von 
der  Gemeinschaft  der  Güter  unter  den  deutschen  Eheleuten,  Baireuth 


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1766)  ,  Schcrcr  (die  verworrene  Lehre  der  ehelichen  Gg.  systema- 
tisch bearbeitet,  2  Tbl.  Mannh.  1799)  und  Danz  (Handbuch  des  heu- 
tigen deutschen  Privatrechts,  fortgesetzt  von  Griesinger)  vertreten, 
welche  , in  der  Praxis  grosses  Ansehen  genossen,  während  dem  namentlich 
Fischer  (Geschichte  der  tcutschen  Erbfolge,  2  Tbl.  Mannh.  1778) 
die  Idee  des  Gesanimteigenthunis  in  gelehrter  Weise  zu  begründen 
versuchte.  Hasse  aber  hatte  in  seinem  trefflichen  Beytrag  zur 
Revision  der  bisherigen  Theorie  von  der  ehelichen  Gg.  nach  deut- 
schem Privatrecht  (Kiel  1808)  die  juristische  Unmöglichkeit  eines 
solchen  Gesaminteigcnthums  (condominium  plurium  in  solidum)  nach- 
gewiesen und  dadurch  die  Rechtshistoriker  genöthigt,  wenn  sie  nicht 
seiner  eigenen  Annahme,  dass  die  Khegattcn  als  eine  juristische  Per- 
son aufzufassen  seien,  folgen  wollten,  eine  andere  Grundlage  des 
deutschen  ehelichen  Güterrechts  aufzusuchen.  Dies  musstc  zu  einem 
Zurückgehen  auf  die  Quellen  des  Rechts  führen  und  so  entstanden  — 
freilich  erst  nach  einem  längeren  Zwischenraum,  während  dem  [ab- 
gesehen von  dem  was  Eichhorn  in  seinem  grossen  Werke  über  die 
deutsche  Rechtsgeschiehte  leistete]  die  wissenschaftliche  Bearbeitung 
dieser  Lehre  fast  ganz  ruhte,  gleich  als  ob  sie  sich  von  dem  Hasse'- 
schen  Angriffe  erst  wieder  erholen  müsste  —  fast  gleichzeitig  meh- 
rere werthvolle  Untersuchungen  Uber  das  eheliche  Güterrecht  einzel- 
ner Städte,  wie  von  Cropp  über  Hamburg  1830,  von  Behn  über 
Lübeck  1830,  von  Uonandt  und  Berck  über  Bremen  1830  und 
1832,  dann  von  Deiters  die  eheliche  Gg.  nach  dem  Münster'schen 
Provinzialrccht  (Bonn  1831)  u.  s.  w.  Die  Residtate  nun,  die  grade 
in  diesen  Werken  aus  der  genauesten  Durchforschung  einzelner  Stadt- 
rechte  sich  ergaben,  zeigten  deutlich,  wie  auf  dem  Wege,  den  ich  für 
den  richtigen  erkannt,  voranzukommen  sei:  es  konnten  vereinzelte 
Quellen  CMtate,  wie  sie  in  Scherers  Buch  reichlieh  gegeben  sind  oder 
sich  noch  in  G.  Phillip's  Lehre  von  der  ehelichen  Gg.  (Berlin  1830) 
finden,  nicht  genügen,  sondern  es  war  die  Aufgabe,  jede  einzelne 
Recht8quellc  nach  ihrer  Entstehung,  in  ihrem  Zusammenhange  mit 
verwandten  Rechten  und  in  ihrer  Entwicklung  zu  untersuchen. 

In  der  Jugend  fürchtet  man  sich  nicht  vor  weitausschenden  Plä- 
nen. Bald  war  mein  Entschluss  gefasst,  ein  umfassendes  Werk  über 
die  Geschichte  des  ehelichen  Güterrechts  in  Deutschland  auszuarbeiten 
und  ich  ging  mit  Eifer  an  die  Vorbereitungen  dazu.  Vor  Allem 
machte  ich  mich  mit  den  Quellen  und  der  Literatur  möglichst  be- 
kannt, sammelte  eine  grosse  Anzahl  von  Stadt-  und  Landrechten 
(deren  Zusammenzubringen  viel  Zeit  und  Mühe  kostete,  da  die  alten 
Ausgaben  bekanntlich  nur  schwer  in  einiger  Vollständigkeit  zu  be- 


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-  249 


kommen  sind),  durchforschte  die  Urkundensammlungen,  legte  nach 
Böhmers  Beispiel  ausführliche  Regcsten  an  und  entwarf  danach  den 
Plan.  Ich  nahm  4  Perioden  an;  die  erste,  die  Periode  der  Volks- 
rechte, sollte  das  eheliche  Güterrecht  der  ältesten  Zeit  darstellen,  die 
zweite  sollte  das  Mittelalter  bis  zur  Reception  des  röm.  Rechts  um- 
fassen und  in  drei  Abtheilungen  das  sächsische  Land-  und  Stadtrecht, 
das  fränkische  Recht  und  das  süddeutsche  Recht  behandeln,  die  dritte 
war  bestimmt,  die  Gestaltung  des  ehelichen  Güterrechts  unter  dem 
Einfluss  des  römischen  Rechts  und  die  Ausbildung  der  gemeinrecht- 
lichen Doctrinen  zu  zeigen,  die  vierte  endlich,  die  kritisch  historische, 
sollte  mit  Hasse's  oben  bemerktem  Werke  beginnen  und  den  jetzigen 
Standpunkt  der  Wissenschaft  schildern.  Daran  sollte  sich  als  codex 
diplomaticus  ein  Abdruck  der  wichtigsten  Quellen  in  chronologischer 
Ordnung  anreihen,  da  es  mir  zweckmässiger  schien,  die  einzelnen 
Gesetze,  Rechtsbüchcr  u.  s.  w.  vollständig  so  weit  sie  diesen  Gegen- 
stand betreffen  zu  geben,  anstatt  sie  in  Form  von  Belegstellen  zu 
den  einzelnen  Punkten  zu  zerreissen,  so  dass  man  sich  erst  mühsam 
wieder  aus  diesen  vereinzelten  Bruchstücken  ein  Bild  des  Ganzen 
zusammen  suchen  muss.  Endlich  sollte  ein  möglichst  vollständiges 
Verzcichniss  der  Literatur  beigefügt  werden. 

Die  Herausgabc  des  von  dem  Bürgermeister  Thomas  hinterlassenen 
Werks  über  den  Frankfurter  Oberhof  gab  mir  1841  die  Veranlassung, 
nach  mehrjähriger  Unterbrechung  dieser  Studien  aus  den  gemachten 
Vorarbeiten  ein  kleines  Schriftchen  unter  dem  Titel  „Die  Güter-  und 
Erbrechte  der  Ehegatten  in  Frankfurt  am  Main  bis  zum  Jahre  1509 
mit  Rücksicht  auf  das  fränkische  Recht  überhaupt"  als  einen  rechts- 
geschichtlichcn  Versuch  zu  veröffentlichen.  *)  Mein  Bestreben  war  zu 
zeigen,  dass  in  allen  fränkischen  Gegenden  Deutschlands  zu  dieser 
Zeit  ein  gleiches  eheliches  Güterrecht  galt  und  dass  dieses  von  dem 
Rechte  des  Sachsenspiegels  (welches  man  gewöhnlich  als  den  Aus- 
druck des  gemeinen  deutschen  Rechts  im  Mittelalter  ansah)  wesent- 
lich abwich,  indem  es  keine  blos  äusserliche  sondern  auch  eine 
innere  Vereinigung  des  ehelichen  Vermögens  unterstellte.  Icfi  wies 
nach,  dass  das  Freiburger  Stadtrecht,  die  Landrechte  von  Jülich  und 
Berg,  das  Bamberger  Recht  (das  durch  die  verdienstvolle  Arbeit 


«)  Beinahe  gleichzeitig  erschienen  die  trefflichen  Untersuchungen  von  Pauli 
Uber  die  ehelichen  Erbrechte  nach  lübischem  Rechte  (Lab.  1840)  und  von  Wäch- 
ter über  das  ältere  Ehegüterrecht  in  Wtirtemberg  (im  ersten  Theile  seines  Hand- 
buchs des  in  W.  geltenden  Privatrechts,  Stuttg.  1839).  Leider  war  mir  letzteres 
Werk  unbekannt  geblieben. 


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250  - 


Zöpfls  1839  grade  bekannt  geworden  war)  und  das  Frankfurter 
Recht  in  allen  wesentlichen  Beziehungen  übereinstimmten,  und 
bezeichnete  dies  Güterrecht  als  das  System  der  gesammten 
Hand. 

Die  kleine  Schrift  fand  in-  und  ausserhalb  Frankfurt  s  nur  geringe 
Beachtung.  Sic  wurde  zwar  als  eine  fleissige  Arbeit  anerkannt  (z.  B. 
Heidelb.  Jahrb.  1842  N.  5,  kritische  Jahrb.  1842.  S.  949),  aber  die 
ihr  zu  Grunde  liegende  Ansicht  blieb  unerwähnt  und  ein  Recensent 
in  dem  Archiv  des  historischen  Vereins  ftlr  Unterfranken  (Bd.  7, 
Heft  2,  Würzb.  1842,  S.  190)  war  nicht  abgeneigt,  darin  nur  eine 
unfruchtbare  Antiquitätenspielerei  zu  erblicken. 

Dies  hielt  mich  jedoch  nicht  ab,  meinen  Plan  weiter  zu  verfolgen 
und  1842  in  der  Zeitschrift  für  deutsches  Recht  VH.  80  eine  kleine 
Mittheilung  über  das  Kölner  Recht  und  die  gesammte  Hand  im 
Elsass,  sowie  1846  in  Band  X.  einen  grösseren  Aufsatz  über  „die 
Fortbildung  und  Gestaltung  des  fränkischen  ehelichen  Güterrechts 
seit  dem  Eindringen  des  röm.  Rechts"  zu  geben,  in  welchem  ich  die 
eheliche  Gg.  und  namentlich  die  oft  als  altfränkisch  bezeichnete  Errun- 
geuschafts-Gemeinschaft  als  ein  Product  dieser  späteren  Zeit  nach- 
zuweisen suchte.  Dank  der  grossen  Verbreitung  dieser  treffliehen 
Zeitschrift,  deren  Eingang  man  bedauern  muss,  blieben  meine  Arbei- 
ten nicht  unberücksichtigt  und  —  wie  ich  wohl  nicht  ohne  einige 
Genugthuung  sagen  darf  —  auch  nicht  ohne  Einfluss  auf  die  fernere 
Behandlung  der  Lehre  vom  ehelichen  Güterrecht.  Denn  es  ist  seit- 
dem immer  mehr  anerkannt  worden,  dass  bei  Darstellung  des  älteren 
(•beliehen  Güterrechts  das  Recht  der  verschiedenen  deutschen  Stämme 
zu  trennen  sei  und  dass  dem  fränkischen  Rechte  nicht  mindere  Be- 
achtung gebühre  als  dem  sächsischen,  von  dessen  Auffassung  es  sich 
wesentlich  unterscheide.  Zwar  hat  Gerber  in  den  Betrachtungen 
über  das  Güterrecht  der  Ehegatten  nach  deutschem  Rechte  (in  seinen 
und  Jherings  Jahrbüchern  Bd.  I.  Jena  1857  S.  238)  und  in  seinem 
System  des  deutschen  Privatrechts  die  Gütereinheit  auf  Grund- 
lage des  Sachsenspiegels  ftlr  die  eigentliche  Form  des  deutschen 
mittelalterlichen  Güterrechts  und  gegenüber  der  als  eine  spätere  Ver- 
irrung  betrachteten  Gütergemeinschaft  für  die  regelmässige  Grund- 
lage auch  des  jetzt  geltenden  Rechts  erklärt,  jedoch  hält  er  es  nicht 
für  unzulässig,  daneben  eine  grössere  und  zum  Theil  selbständige 
Gruppe  aufzustellen,  welche  in  dem  Begriffe  des  fränkischen  Recht* 
zusammengefasst  werden  kann;  wenn  schon  er  annimmt,  dass  das  ältere 
fränkische  Recht  der  gesammten  Hand  noch  innerhalb  der  Sphäre  der 
Idee  der  Gütereinheit  liege  und  gerade  nur,  weil  dasselbe  nicht  zu  einer 


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251  - 


ruhigen  Ausbildung  gekommen,  sondern  in  willkührlicher  Weise  seit 
dem  16.  Jahrhundert  meist  in  allgemeine  oder  Errungenschafts-Gg. 
umgestaltet  worden  sei,  es  unterlässt  das  fränkische  Recht  als  eine 
geschlossene  Gruppe  bis  zur  neueren  Zeit  fortzuführen.  (Privatrecht 
8.  Aufl.  §.  227.)  Dagegen  hat  P.  Roth  „Uber  Gütereinheit  und 
Gütergemeinschaft''  (in  dem  Jahrbuch  des  gem.  deutschen  Rechts, 
her.  von  Becker  und  Muther  Bd.  III.  1869.  S.  313)  nicht  uur  wie- 
derum die  Ansicht  verfochten,  dass  das  im  fränkischen  Rechte  ent- 
wickelte System  der  gesammten  Hand  mit  Verfangenschaft  von  dem 
System  der  Gütereinheit,  wie  es  Gerber  als  gemeines  Recht  des 
Mittelalters  hinstelle  (d.  s.  von  einer  blos  äusserlichen  Vereinigung 
des  ehelichen  Vermögens)  völlig  verschieden  sei,  sondern  er  ist  noch 
weiter  gegangen  und  hat  nachzuweisen  gesucht,  dass  nicht  nur  in 
den  fränkischen  Gegeudcu,  sondern  auch  in  den  übrigen  nicht  säch- 
sischen Theilen  Deutschlands  im  Mittelalter  dasselbe  Recht  der  ge- 
sammten Hand  gegolten  habe,  so  dass  eben  das  Recht,  welchem 
Gerber  ein  so  grosses  Geltungsgebiet  vindizire,  sich  nur  auf  das  ost- 
falischc  Sachsen  beschränke.  Ja  im  Anschluss  hieran  hat  A.  Häncl 
„die  eheliche  Gütergemeinschaft  in  Ostfalen"  (Zeitschrift  für  Recbts- 
Geschichte  lr.  Bd.  1861  S.  273)  sogar  den  Nachweis  zu  liefern  unter- 
nommen, dass  selbst  in  dem  Territorium,  was  als  Ostfalen  im  engern 
Sinne  bezeichnet  wird,  nach  den  alten  Rechten  der  Städte,  nament- 
lich Goslar's  und  Braunschweig's,  das  System  der  gesammten  Hand 
gefunden  werden  müsse.  Ausgehend  von  dem  Ergebnisse  meiner 
Forschungen  hat  A.  Schwarz  „die  Gütergemeinschaft  der  Ehe- 
gatten nach  fränkischem  Rechte"  (Erlangen  1858)  die  Güterordnung 
der  gesammten  Hand  als  die  geraeinsame  Grundlage  des  fränkischen 
mittelalterlichen  Rechts  dargestellt  und  in  dem  Werke  von  G.  Sand- 
haas  „Fränkisches  eheliches  Güterrecht"  (Glessen  1866)  liegt 
der  Anfang  einer  ausführlichen  Darstellung  der  ehelichen  Güter- 
und Erbrechte  nach  den  deutschen  Rechten  fränkischer  Wurzel 
vor  uns. 

Die  Pflichten  meines  Berufs  haben  mir  nicht  die  Müsse  gelassen, 
die  mit  so  grossem  Eifer  begonnenen  Arbeiten  fortzusetzen  und  ich 
musstc  mich  darauf  beschränken ,  den  Forschungen  Anderer  auf  dem 
mir  lieb  gewordenen  Arbeitsgebiete  zu  folgen.  So  hat  namentlich  das 
Werk  von  Sandhaas  mein  höchstes  Interesse  erregt  und  die  Freude 
an  diesem  Denkmale  der  fleissigsten  und  gewissenhaftesten  Forschung 
wurde  nur  durch  den  Schmerz  getrübt,  dass  ein  frühzeitiger  Hingang 
den  Verfasser  an  der  Vollendung  seines  grossartig  angelegten  Unter- 
nehmens verhindert  hat.  Mit  nicht  geringerem  Vergnügen  aber  hat  es 


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252  — 


mich  erfüllt,  dass  die  Idee  des  Werkes,  welche  mich  schon  vor  30 
Jahren  beschäftigte,  jetzt  in  der  „Geschichte  des  ehelichen  Güter- 
rechts in  Deutschland"  von  R.  Schröder  ihre  Verwirklichung  findet. 
Auf  den  ersten  Theil,  die  Zeit  der  Volksrechte,  (Stettin  1863)  ist  ao 
eben  (Stettin  1868)  des  zweiten  Theils  (die  Zeit  der  Rechtsbücher 
enthaltend)  erste  Abtheilung  gefolgt,  mit  dem  Separat-Titel  „das  ehe- 
liche Güterrecht  in  Süddeutschlaud  und  der  Schweiz  im  Mittelalter". 
Der  Verfasser  geht  nämlich  auch  von  der  Ansicht  aus,  dass  sich  das 
Recht  dieser  Zeit  nur  bei  einer  Sonderung  der  deutschen  Stämme 
richtig  darstellen  lasse  und  so  soll  sein  zweiter  Theil  in  3  Abtbei- 
lungen das  schwäbisch-bairische,  das  fränkische  und  das  sächsisch- 
friesische Recht  behandeln.  In  dem  süddeutschen  Rechte  findet  er 
zwar  auch  mit  P.  Roth  das  Recht  der  gesammten  Hand  und  viel- 
fache Spuren  der  Verfangenschaft,  aber  er  identificirt  es  doch  nicht 
mit  dem  fränkischen  Rechte,  sondern  hat  selbst  einen  Theil  der  süd- 
deutschen Lande,  „die  zalilreicheu  Pflanzstätten  des  fränkischen  Rechte 
im  alemannischen  Lande,  besonders  in  der  Schweiz"  in  die  zweite 
Abtheilung  verwiesen.*)  Seine  dritte  Abtheilung  aber  hat  bereit» 
einen  trefflichen  Vorläufer  in  F.  v.  Martitz  „das  eheliche  Güter- 
recht des  Sachsenspiegels  und  der  verwandten  Rechtsquellen"  (Leip- 
zig 1867)  erhalten.  In  diesem  mit  grossem  Fleisse  und  wahrhafter 
Eleganz  gearbeiteten  Werke3)  wird  nach  einer  ausfuhrlichen  Einlei- 
tung über  die  Quellen  des  sächsischen  Rechts  und  dessen  örtliche  Be- 
grenzung die  geschichtliche  Entwicklung  des  ehelichen  Güterrechte 
nach  seinen  beiden  Richtungen  als  Land-  und  Stadtrecht  gegeben  und 
in  letzter  Beziehung  namentlich  hervorgehoben,  einestheils,  dass  in 
den  meisten  Städten,  die  in  dem  Gebiete  des  Sachsenspiegel-Rechte 
lagen,  in  Folge  der  Germanisation  der  sächsischen  Marken  durch 
westfälische,  fränkische  und  niederländische  Colonisten  schon  frühe 
das  eheliche  Güterrecht  sich  abweichend  von  dem  sächsischen  ge- 
staltete, indem  es  bald  die  westfälisch-niederländische  Halbtheilung, 
bald  das  fränkische  Drittentlieilsrecht  aufnahm,  anderntheils,  dass  in 
vielen  Städten,  in  welchen  ursprünglich  das  sächsische  Güterrecht 
galt,  ja  in  Magdeburg  selbst  allmählig  die  Halbtheilung  und  gesammte 
Hand  eindrang. 


2)  Von  besonderem  Interesse  sind  seine  Untersuchungen  über  die  Mor^en^xt*- 
im  süddeutschen  Rechte.  Vergl.  auch  Kraut  in  der  Besprechung  dieses  Buchs 
in  den  GÖttingcr  gelehrten  Anzeigen  1868  S  1641. 

3)  Vgl.  darflber  auch  R.  Sohra  in  den  Gottinger  gelehrten  Anzeigen.  1867. 
8.  1900. 


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-    253  - 


Das  Ergebnis«  dieser  neueren  Forschungen  endlich  hat  jetzt 
P.  Roth  in  einer  „Gütereinheit  und  Gütergemeinschaft"  überschrie- 
bcnen  Anzeige  der  obenerwähnten  Arbeiten  von  Schröder,  Häncl  und 
Sandhaas,  sowie  der  Gosen'schen  Schrift  (vgl.  hier  unter  IV)  in  der 
kritischen  Vierteljahrsschrift  für  Gesetzgebung  und  Rechtswissenschaft, 
Bd.  10  S.  109  (Münch.  1868)  zusammengefasst  Er  hat  es  als  eine 
vollkommen  erwiesene  Thatsache  constatirt,  dass  in  den  Ländern 
des  fränkischen  Rechts,  nach  der  Bezeichnung  des  alten  Reichsrechts, 
niaulich  nicht  nur  in  Franken,  sondern  auch  in  Schwaben,  Baiern 
und  Oestreich,  nicht  das  Recht  des  Sachsenspiegels,  die  s.  g.  Güter- 
einheit, sondern  die  gesammte  Hand  mit  Verfangenschaft  die  Grund- 
lage des  ehelichen  Güterrechts  bildete  und  erachtet  damit  die  von 
manchen  neueren  Schriftstellern  aufgestellte  Behauptung,  dass  die 
Gütereinheit  als  das  gemeine  Recht  des  Mittelalters  anzusehen  sei, 
für  den  grösseren  Thcil  der  deutschen  Länder  als  eine  grundlose 
Hypothese  beseitigt.  Ja  selbst  Westfalen  und  der  von  Hänel  speziell 
als  Ostfalcn  bezeichnete  Theil  des  Sachsenlandes  muss  von  dem 
Rechtsgebiet  der  Gütereinheit  ausgenommen  werden.  Damit  verbindet 
dann  Roth  eine  kurze  aber  lichtvolle  Darstellung  des  Systems  der 
gesaramten  Hand. 

Warum  ich  nun  nach  so  langer  mehr  als  20jähriger  Pause  es 
mir  erlaube,  nochmals  einen  Aufsatz  über  eheliches  Güterrecht  zu 
veröffentlichen,  hat  seinen  Grund  darin,  dass  der  Vorstand  der  juri- 
stischen Gesellschaft  dahier  einen  Bericht  über  den  „Entwurf  eines 
Gesetzes  über  das  Güterrecht  der  Ehegatten  im  Bezirk  des  Justiz- 
Senats  zu  Ehrenbreitstein"  wünschte,  da  dieser  Entwurf  auch  für 
Frankfurt  von  Bedeutung  werden  könne,  und  ich  auf  sein  Ansuchen 
das  desfallsige  Referat  übernahm.  Ich  verband  damit  einen  Bericht 
über  den  gegenwärtigen  Stand  der  Forschungen  auf  dem  Gebiete  des 
ehelichen  Güterrechts  und  was  ich  so  in  mehreren  Sitzungen  der 
Gesellschaft  vorgetragen  habe,  ist  in  den  gegenwärtigen  Mittheilun- 
gen, freilich  in  theilweise  geänderter  Form,  wiedergegeben. 

n. 

Die  Aufgabe,  welche  Sandhaas  in  seinem  obenerwähnten  Werke 
lösen  wollte,  war  die  Darstellung  der  ehelichen  Güter-  und  Erbrechte 
nach  den  deutschen  Rechten  fränkischer  Wurzel,  und  zwar  sollte 
ebensowohl  die  älteste  Gestaltung  und  weitere  Entwicklung,  als  auch 
die  dermalige  unter  dem  Einflüsse  des  römischen  Rechts  entstandene 
Ausbildung  dieses  Instituts  dargestellt  werden.  Obwohl  aber  der  Ver- 


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fasser  zehn  Jahre  hieran  arbeitete,  so  konnte  er  bei  seinem  frühzei- 
tigen Ende  doch  nur  den  kleineren  Theil  seiner  Aufgabe  erledigeu. 
Die  Dogmatik  dos  heutigen  Rechts  konnte  er  gar  nicht  mehr  bear- 
beiten, von  der  Geschichte  hat  er  nur  das  ältere  Recht  und  da»  mitt- 
lere noch  zum  Theil  behandelt.  Das  Werk,  wie  es  jetzt  vorliegt,  gibt 
also  weniger  wie  sein  Titel  besagt,  hat  aber  auch  als  Bruchstück 
noch  grossen  Werth  und  enthält  glücklicher  Weise  wenigstens  die 
vollendete  Schilderung  zweier  Institute,  die  zu  den  wichtigsten  der 
ganzen  Lehre  und  nicht  blos  dem  Gebiete  der  Geschichte  angehöi^n, 
das  Verf an genschaftsrecht  uud  da«  Gru ndtheilrecht  Denn 
ersteres  hat  noch  vor  wenigen  Decennien  in  der  preussischen  Rhein- 
provinz zu  grossen  Streitigkeiten  Veranlassung  gegeben  und  letzteres 
ist  sogar  noch  heutigen  Tages  in  verschiedenen  fränkischen  Gegen- 
den in  voller  Geltung. 

Dem  geschichtlichen  Theile  seines  Werkes  legte  Sandhaas  fol- 
genden Plan  zu  Grunde.  In  dem  ersten  Titel  wollte  er  die  älteste 
Gestaltung  des  ehelichen  Güter-  und  Erbrechts  darstellen,  wie  sie  in 
den  Rechtsdenkmälem  zur  Zeit  des  alten  Frankenreichs  enthalten 
ist,  der  zweite  Titel  sollte  das  mittlere  Recht  bis  zur  Reception  der 
fremden  Rechte,  und  der  dritte  die  Umbildung  durch  den  Einflu&s 
des  fremden  insbesondere  römischen  Rechts  behandeln.  Der  zweite 
Titel  sollte  im  ersten  Capitel  von  der  Einigung  des  Vermögens  der 
Ehe  im  Ganzen,  im  zweiten  von  den  der  Ehe  eigentümlichen  Ver- 
mögensarten handeln.  Das  erste  Capitel  aber  sollte  wieder  in  3  Ab- 
schnitte zerfallen ,  für  welche  die  Verhältnisse  bei  Auflösung  der  Ehe. 
die  Verhältnisse  während  der  Ehe  und  das  eheliche  Schuldenwesen 
bestimmt  waren,  von  denen  aber  nur  der  erste  Abschnitt  vorliegt, 
während  alles  andere  fehlt.  Auf  den  ersten  Anblick  erscheint  nun 
diese  Anordnung  unlogisch  und  wunderlich,  da  man  eigentlich  erwar- 
ten sollte,  dass  umgekehrt  mit  dem  Rechte  der  bestehenden  Ehe 
der  Anfang  hätte  gemacht  werden  sollen.  Aber  grade  für  den  ge- 
schichtlichen Theil  ist  sie  gerechtfertigt,  da  die  Entwicklung  des  ehe- 
lichen Güterrechts  wesentlich  von  der  Art  und  Weise  ausging,  wie 
bei  Auflösung  der  Ehe  der  überlebende  Ehegatte  sich  mit  den  Kindern 
oder  mit  den  Verwandten  des  verstorbenen  auseinandersetzte. 

Das  Werk  beginnt  mit  einer  Uebersicht  der  Quellen,  welche  32 
enggedruckte  Seiten  einnimmt  und  den  Beweis  liefert,  welch  unge- 
heures Material  hier  —  noch  neben  der  Literatur  —  verarbeitet  wer- 
den musste.  So  umfassend  aber  auch  dies  Verzeichniss  der  Quellen 
ist,  welche  sich  beinahe  sämmtlich  auch  in  meiner  Büchersamm- 
lung  befinden,  so  sind  dem  Verfasser  immerhin  noch  einzelne  ent- 


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gangen.  4)  Aus  dieser  Uebersicht  geht  zugleich  der  territoriale  Umfang 
des  fränkischen  Rechts  hervor.  Dasselbe,  dessen  Kenntnis*  für  die  älteste 
Zeit  uns  die  Lex  Salica,  die  Lex  ripuaria  und  die  s.  g.  Ewa  Cha- 
mavorum  neben  den  Capitularien,  Formeln  und  Urkunden  vermitteln, 
zerfällt  nämlich  für  die  spätere  Zeit  in  3  grosse  Parthien,  in  die  franzö- 
sische, in  die  flandrisch-holländische  und  in  die  deutsch-fränkische.  Die 
ersten  beiden  sind  von  Sandhaas  nicht  weiter  berücksichtigt  worden, 
da  er  eben  nur  das  deutsch-fränkische  Recht  im  Auge  hatte.  Dies 
aber  begreift: 

1)  Ostfranken,  d.  h.  den  Mittel-  und  Obermain,  namentlich  Bam- 
berg, Nürnberg,  Würzburg. 

2)  Mittelfrauken,  d.  h.  den  Untermain  und  Mittelrhein,  namentlich 
Mainz,  Worms,  Oppenheim  und  insbesondere  Frankfurt,  dessen 


*)  Zur  Vervollständigung  mögen  daher  nachstehende  Nachrichten  dienen: 

Colmar.  Die  Statuten,  nach  dem  Schluasedict  Freitag  11.  Janaar  1593  erlassen, 
sind  sine  loco  et  anno  in  Folio  gedruckt,  aber  nicht  gleichzeitig,  da  sich  in 
dem  Texte  einige  spätere  Rathschlüsse  von  1G00  etc.  befinden.  Ein  Exem- 
plar dieses  seltenen  Buchs  besitzt  die  Darmstädter  Bibliothek  X.  2115.,  ich 
selbst  konnte  nur  eine  schöne  alte  Abschrift  erlangen. 

Eberstein,  Grafschaft;  die  1508  von  Graf  Bernhard  von  E.  und  Markgraf  Phi- 
lipp von  Baden  gemeinschaftlich  erlassene  Landesordnung  ist  als  Urkunde  38 
bei  Krieg  von  Hochfelden,  Gesch.  der  Grafen  von  E.,  Carlsruhe  1836,  abge- 
druckt. Das  Ehegüterrecht  wird  darin  nicht  behandelt,  wohl  aber  „recht 
und  gewonheit  der  Verfangenschaft''  darin  erwähnt. 

Elsa ss.  Ancien  statutaire  d'Alsace  ou  recueü  des  actes  de  Notoriete  fournis  en 
1738  et  1739  snr  les  Statuts  us  et  coutames  do  cette  province,  publie  par 
Mr.  d'Acon  de  Lacoutrie.  Colmar  1825.  Ein  für  die  Kenntniss  des  Elsässer 
ehel.  Güterrechts  unentbehrliches  Buch. 

Nassau.  Gerichtsordnung  der  Graveschaft  Nassaw,  gedr.  sine  loco  et  anno  in 
folio,  dann  gedr.  Wormbs  1535.  fol.  Sie  ist  von  den  Grafen  Wilhelm  zu 
Catzenellenbogen  und  Dietz,  Ludwig  zu  N. -Saarbrücken  und  Philipp  zu 
N  -Wiesbaden  und  Idstein  zwischen  1516  und  1535  erlassen.  Beide  Drucko 
sind  sehr  selten.  Wiederholt  in  E.  Münch,  Gesch.  von  Nassau- Oranien,  Thl.  3. 

Zwcibrttcken.  Ich  besitze  eine  „Undergerichts- Ordnung  Unser  Johannsen  Pfalz- 
braven  bei  Rhein,  Herz,  in  Bayern,  Graven  zu  Veldenz  und  Sponheim"  1678, 
4°.,  welche  offenbar  das  Vorbild  der  Sponbeimer  Untergerichts-Ordnung  von 
1578  ist ,  da  diese  von  demselben  Pfalzgrafen  Jobann  in  Gemeinschaft  mit 
Markgrafen  Pbilib  von  Baden  erlassen  wurde. 

Baden.  Der  Marggraffschafft  Baden  statnten  nnd  Ordenungen  in  Testamenten 
Erbfellen  und  Vormundschafften.  In  fine:  Gedruckt  und  vollendet  in  der 
löblichen  statt  Baden  durch  Reinharten  Becker  burger  zu  Strassburg  vff 
vnsor  lieben  frawenAbent  prosentationis  1511.  kl.  Fol.  Ein  Exemplar  dieses 
seltenen  Drucks  befindet  sich  auf  der  Stuttgardter  Bibliothek  und  habe  ich 
mich  aus  dessen  Einsicht  überzeugt,  dass  es  allerdings  mit  den  Statuten 
der  Herrschaften  Lore  und  Mahlberg  von  1566  ganz  übereinstimmt 


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Rechtszeugnisse  unbedingt  die  Hauptquelle  für  das  mittlere 
Recht  sind, 

3)  Westfranken,  d.  h.  den  Niederrhein,  also  Köln,  Jülich,  Berg, 
Cleve,  Trier,  Geldern',  Limburg,  wozu  noch  einzelne  französi- 
sche und  niederländische  Gegenden  kommen,  welche  sich  im 
späteren  Mittelalter  nicht  der  in  Frankreich  und  in  Flandern  - 
Holland,  sondern  der  im  deutschen  Franken  vorherrschenden 
Richtung  anschlössen,  wie  Artois,  Brabant,  Lothringen,  Lüttich, 
Luxemburg  u.  s.  w. 

4)  Alt-Hessen. 

5)  Elsass,  Burgund  und  einen  Theil  von  Schwaben,  namentlich 
Altwürtemberg  und  Altbaden. 

In  dem  ersten  Titel,  der  also  das  älteste  Recht  behandelt, 
gibt  Sandhaas  die  Darstellung  des  s.  g.  Mundialsystems  oder  der 
äusseren  Gütervereinigung  in  der  Hand  des  Ehemanns.  Hervorzu- 
heben ist  dabei  seine  Ansicht  über  die  eheliche  Errungenschaft  iu 
dieser  ersten  Periode.  Bekanntlich  wird  schon  in  den  ältesten  Quel- 
len eine  solche  erwähnt  und  der  Ehefrau  der  dritte  Theil  daran  zu- 
gewiesen. Es  wurde  dies  bisher  zumeist  als  ein  Erbvortheil  der 
Wittwe  und  der  Ehemann  als  der  alleinige  Eigenthümer  alles  dessen 
angesehen,  was  er  und  seine  Frau  in  der  Ehe  erarbeiteten.  Sand- 
haas aber  ist  der  Meinung,  dass  auch  schon  während  der  Ehe  die 
eheliche  Errungenschaft  den  Gegenstand  einer  wahren  Gemeinschaft 
zwischen  den  Ehegatten  gebildet  habe  (S.  83),  während  er  freilich 
auch  zugibt,  dass  das  ältere  Recht  sich  dieses  Princips  in  seiner  gan- 
zen juristischen  Schärfe  nicht  bewusst  gewesen  sei.»)  Ausserdem  be- 
tont er  mit  Recht  den  Einfluss,  welchen  die  unter  den  Ehegatten  sehr 
üblichen  gegenseitigen  Vergabungen  von  Todeswegen  auf  das  Güter- 
recht hatten  und  begründet  (S.  104)  daraus  den  Unterschied  zwischen 
dem  späteren  französischen  Güterrecht,  welches  sich  der  gesetzlichen 
Form  des  alten  Rechts  namentlich  in  der  Ausbildung  des  Witthuma 
oder  douaire  anschloss,  und  dem  späteren  deutsch-fränkischen  Rechte, 
welches  die  zuerst  auf  den  ausdrücklichen  Vergabungen  beruhenden 
Erb-  und  Leibzuchtsrechte  des  tiberlebenden  Ehegatten  in  gesetzliche 
verwandelte  und  damit  sowohl  eine  Gleichstellung  der  Verfügungs- 
rechte des  Mannes  über  seine  eigenen  und  die  Güter  der  Frau  ab 


5)  Auch  Schröder  I.  84  findet  in  dieser  tertia  collaborationig,  die  er  mit  der 
Morgengabe  in  Verbindung  bringt,  die  erste  Spur  einer  Gütergemeinschaft.  Es 
bedarf  aber  dieser  Punkt  doch  noch  näherer  Untersuchung.  Bedenken  gegen  die 
Annahme  einer  Gg.  finden  sieh  im  lit.  Centralblatt  1064  Sp.  1843  ausgesprochen. 


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—  257 


auch  eine  innigere  Vereinigung'  des  gesammten  ehelichen  Vermögens 
schon  während  der  Ehe  herbeiführte. 

Der  zweite  Titel  behandelt  das  mittlere  Recht  und  zwar,  wie 
schon  gesagt,  im  ersten  Abschnitt  die  Verhältnisse  bei  Auflösung  der 
Ehe.  Sandhaas  hat  es  nun  nicht  für  zweckmässig  erachtet,  die  ein- 
zelnen Rechte  und  Statuten  überhaupt  nach  den  dann  eintretenden 
Normen  zu  gruppiren,  so  dass  man  gleich  ersehen  könnte,  was  die- 
selben lüerüber  bei  beerbter  und  unbeerbter  Ehe  bestimmen  und  wie 
sie  danach  zu  einander  gehören,  sondern  er  hat  es  vorgezogen,  die 
bei  beerbter  und  unbeerbter  Ehe  eintretenden  Verhältnisse  getrennt 
zu  behandeln.  Während  dadurch  —  und  weil  nun  auch  die  Beleg- 
stellen aus  den  einzelnen  Rechtsquellen  getrennt  vorkommen  —  der 
Charakter  der  letztern  sich  der  leichteren  Einsicht  entzieht,Tiat  diese 
Methode  doch  den  Vortheil,  jede  einzelne  Gestaltung  des  Rechts  in 
allen  ihren  Details  vor  die  Augen  zu  fuhren.  Zuerst  beschäftigt  sich 
nun  Sandhaas  mit  dem  seltneren  aber  einfacheren  Verhältnisse,  dem 
Falle  der  unbeerbten,  d.  h.  kinderlosen  Ehe.  Hierbei  (S.  125) 
unterscheidet  er  drei  Formen  oder  Gruppen.  Der  tiberlebende 
Gatte  wird  nemlich  entweder  Alleinerbe  des  verstorbenen  in  dessen 
gesaramtem  Nachlass,  was  vor  Eindringen  des  römischen  Rechts 
die  Regel  in  dem  ganzen  östlichen  Franken,  in  Althessen  und  Alt- 
wtirtemberg ,  im  Elsass  und  in  den  schwäbiBch-burgundischen  Gegen- 
den bildete.  Oder  der  tiberlebende  Gatte  erhält  die  Mobilien  und  den 
Immobiliar-Errungenschafts-Antheil  des  verstorbenen  zum  Eigenthum, 
an  den  zugebrachten  Liegenschaften  desselben  aber  nur  Leibzuchts- 
rechte. Dies  ist  das  Recht  im  mittleren  Franken,  namentlich  in  Frank- 
furt. Oder  drittens  der  conjux  superstes  erbt  nur  die  Fahrnisa 
des  verstorbenen  und  erhält  die  Leibzucht  an  dessen  Antheil  der  er- 
rungenen so  wie  an  dessen  eingebrachten  Liegenschaften.  Dies 
war  mit  seltenen  Ausnahmen  im  ganzen  westlichen  Franken  der  Fall. 
Von  ganz  besonderem  Interesse  ist  hierbei  in  Beziehung  auf  das 
mittelfränkiache  und  speziell  das  Frankfurter  Recht  die  Erörterung 
der  Frage,  ob  das  Leibzuchtsrecht  des  überlebenden  Ehegatten  sich 
auf  alle  inferirten  Liegenschaften  des  verstorbenen  erstrecke  oder  sich 
nur  auf  diejenigen  beschränke,  welche  der  Verstorbene  durch  Erb- 
schaft erworben  habe,  so  dass  dessen  andere  in  die  Ehe  eingebrachten 
Immobilien  dem  überlebenden  Gatten  eigentümlich  anfielen.  Da  in 
den  Frankfurter  Urkunden  die  hinterfälligen  Güter  zumeist  auch  als 
altes  Erbe  bezeichnet  werden,  so  habe  ich  s.  Z.  die  Ansicht  ver- 
treten, dass  unter  den  hinterfälligen  Gütern  nur  solche  Liegen- 
schaften zu  verstehen  seien,  welche  durch  Familien -Erbgang  er- 
IV.  " 


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-    258  - 


worben  worden.  Es  war  nach  meiner  Ansicht  gerade  nur  die  Eigen- 
schaft eines  Gutes  als  eines  alten  Familien-Besitzes,  welche  dessen 
Uebergang  aus  der  Familie  verhinderte.  Wenn  aber  ein  Gatte  vor 
der  Ehe  Güter  selbst  erkauft  oder  auf  sonstige  Weise  erhalten,  nicht 
aber  von  Verwandten  ererbt  hatte,  so  fielen  diese  nach  Beinern  kinder- 
losen Tode  an  den  überlebenden  Gatten  und  nicht  an  die  Ver- 
wandten. Dies  ist  jetzt  anders ;  der  Begriff  von  altem  Erbe  existirt 
nicht  mehr  bei  uns,  sondern  ist  in  dem  der  Immobiliar-IUaten  auf- 
gegangen, aber  auf  die  frühere  Zeit  kann  daraus  kein  Schluss  gezo- 
gen werden.  Andere  Juristen,  namentlich  Wächter  (Handbuch  des 
iu  Würtemberg  geltenden  Privatrechts),  haben  indessen  die  entgegen- 
gesetzte Meinung  verfochten,  Sandhaas  aber  hat  sich  (S.  148)  nach 
ausführlicher  Erwägung  aller  einschlagenden  Momente  ihnen  nicht  an- 
geschlossen, obwohl  er  zugibt,  dass  eine  vollkommen  sichere  Entschei- 
dung bei  der  Beschaffenheit  der  Rechtsquellen  kaum  thunlich  sei 
Und  ich  inuss  gestehen,  dass,  so  sehr  ich  für  Frankfurt  von  der  Rich- 
tigkeit meiner  Ansicht  überzeugt  bin,  es  mir  doch  ebenso  möglich 
erscheint,  dass  an  andern  Orten  diese  Besckräukung  auf  ererbtes  Gut 
nicht -bestanden  hat  oder  schon  frühe  weggefallen  ist.  Den  Schluss 
dieses  Unterabschnittes  (von  S.  208—260)  bildet  eine  eingehende  Be- 
trachtung über  die  Beschaffenheit  der  Leibzucht  oder  des  Beisitzes 
des  überlebenden  Ehegatten,  und  die  Verschiedenheit  dieses  Rechtes 
von  dem  römisch  rechtlichen  UsusfructusJ,  wie  dann  derj  LeibzUchter 
im  Falle  echter  Noth  selbst  zur  Veräußerung  berechtigt  war  (S.  222). 

In  dem  zweiten  Unterabschnitt,  dem  noch  übrigen  umfassenderen 
Theile  seines  Buchs,  behandelt  Sandhaas  den  häufigeren  und  wich- 
tigeren Fall  der  beerbten  Ehe.  Wenn  nemlich  bei  dem  Ableben 
des  einen  Gatten  Descendenz  vorhanden  ist,  soll  nach  dem  fränki 
scheu  Rechte  des  Mittelalters  entweder  Verfangenschaft  oder  Grund- 
theilung  oder  die  b.  g.  gesetzliche  Einkindschaft  eintreten. 
Obwohl  aber  Sandhaas  in  seiner  Darstellung  diese  dreifache  Gestal- 
tung der  Erb  Verhältnisse  coordinirt,  so  verkeimt  er  doch  nicht,  dass 
nur  die  Verfangenschaft  das  eigentlich  fränkische  Recht,  räumlich 
über  alle  fränkischen  Gebiete  —  in  Städten  und  auf  dem  Lande  —  aus- 
gedehnt (S.  257—271)  und  schon  in  den  ältesten  Quellen  dieser  Pe- 
riode enthalten  ist.  Die  beiden  andern  Formen  sind  zwar  auch  schon 
vor  dem  Eindringen  des  römischen  Rechts  in  einzelnen  fränkischen 
Gegenden  vorhanden  (so  findet  sich  im  14.  Jahrhundert  das  Grcmd- 
theilrecht  im  östlichen  Franken  und  in  einem  Theile  von  Würtem- 
berg, die  gesetzliche  Einkindschaft  aber  tritt  später  im  östlichen 
Franken  an  dessen  Stelle),  aber  es  sind  nur  Modifikationen  des  alten 


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-  259 


Recht»,  hervorgerufen  durch  da«  Bedürfnis»,  die  unläugbaren  Härten 
und  Nachtheile  de»  ursprünglichen  Rechtes  zu  mildern  und  dasselbe 
mit  den  theilweise  geänderten  Verhältnissen  der  späteren  Zeit  in  Ein- 
klang zu  bringen.*) 

Die  Verfangenschaft  erscheint  nemlich  allerdings  als  ein  so  eigen- 
thümliches  und  das  eheliche  Güterverhältniss  so  wunderlich  gestalten- 
des Institut,  das»  man  weder  die  mancherlei  Ausgleichungs- Versuche 
auffallend  finden  noch  es  den  späteren  Romanisten  verargen  kann, 
wenn  sie  es  als  einen  unnatürlichen  und  dem  wahren  Rechte  wider- 
strebenden Gebrauch  bezeichnen. 

Das  deutsche  Vcrf  angenschaftsrecht  7),  bestand  nun  im 
Wesentlichen  darin,  das»  bei  dem  Absterben  des  einen  Gatten  — 
wenn  die  gesammte  Hand  zerbrochen  war  —  die  sämmt- 
lichen  ehelichen  Immobilien,  gleichviel  woher  sie  stammten,  den 
Kindern  anfielen,  d.  h.  es  wurde  denselben  das  Eigenthum  aller  dieser 
Liegenschaften  fUr  den  Fall  des  Todes  des  überlebenden  Ehegatten 
in  der  Art  gesichert,  da»s  dieser  zur  Veräusseruug  derselben,  Notli- 
fälle  ausgenommen8),  ohne  Einwilligung  der  Kinder  nicht  schreiten 
konnte.  Diese  Liegenschaften  hiesaen  dann  verfangene,  zu  einer 
Hand  erstorbene,  einhändige  Güter.  Der  überlebende  Ehegatte 
erhielt  dagegen  neben  dem  freien  Eigenthum  an  sämmtlichen  ehe- 
lichen Mobilien  die  lebenslängliche  Leibzucht  an  den  Immobilien  und 
brauchte  selbst  bei  zweiter  Ehe  mit  den  Kindern  nicht  abzutheilen. 
Heirathete  er  aber,  so  verlor  er  das  Recht,  in  Nothfällen  diese  ver- 
fangenen Güter  anzugreifen,  und  wurden  in  dieser  zweiten  Ehe 
Kinder  erzeugt,  so  hatten  diese  an  die  Verfangenschaft  der  ersten 
Ehe  gar  keinen  Auspruch,  umgekehrt  aber  hatten  die  Kinder  erster 
Ehe  auch  durchaus  keinen  Antheil  an  den  Liegenschaften  der  zweiten 
Ehe,  vielmehr  fielen  diese  ebenso  wieder  ausschliesslich  als  ver- 
fangenes Gut  an  die  Kinder  zweiter  Ehe.  Dazu  gehörte  also  nament- 
lich auch  der  Immobiliarerwerb,  den  der  parens  superstes  in  seinem 
Wittwenstande  gemacht  hatte  und  über  den  er  auch  während  des 
Wittwenstandes  frei  verfügen  konnte.  Starb  daher  der  conjux  binubus 


c)  Ich  habe  daher  in  meinen  früheren  Arbeiten,  indem  ich  von  den  Modifica- 
tionen  des  alten  Rechtes  sprach,  eine  besondere  Darstellung  des  Gruodtheilrochts 
nicht  gegeben  und  verdanke  nun  dem  Werke  von  Sandhaas  die  Einsicht,  das* 
dies  Recht  von  grösserer  Bedeutung  war  als  ich  annahm. 

')  So  heisst  es  Sandhaas,  um  die  Einwirkung  französischer  oder  flandrisch- 
hol I  »indischer  Kcchtssitte  auszuschliessen,  S.  261. 

*)  Hier  war  aber  ein  besonderes  Verfahren  vorgeschrieben,  S.  330. 

17* 


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-    260  - 


in  zweiter  Ehe  zuerst,  so  nahm  der  zweite  Gatte  alle  Mobilien  an 
sich,  die  Kinder  erster  Ehe  erhielten  die  verfangenen  Liegenschaften 
erster  Ehe  ausgehändigt  und  den  Kindern  zweiter  Ehe  wurden  die 
Liegenschaften  zweiter  Ehe  vorbehaltlich  der  Leibzucht  ihres  parens 
verfangen.  Waren  also  in  einer  Ehe  zufälliger  Weise  keine  Liegen- 
schaften vorhanden,  so  erhielten  die  Kinder  bei  einer  solchen  Ver- 
theilung  schlechthin  nichts.  Starb  aber  der  conjux  binubus  nach 
seinem  zweiten  Gatten,  so  wurden  die  Mobilien  und  was  etwa  in  dem 
zweiten  WTittw erstände  an  Immobilien  erworben  war,  zwischen  den  Kin- 
dern beider  Ehen  getheilt. 

Das  sind  naturlich  nur  die  Grundzüge  des  Verfangenschaftsrechts 
wie  es  sich  in  seiner  regelmässigen  Gestalt  zeigt,  denn  in  einzelnen 
Rechten  kommen  auch  Abweichungen  vor.   Das  Detail  aber  wird  von 
Sandhaas  ausführlich  erörtert  und  es  lässt  sich  daraus  ersehen,  zu 
welchen  Zweifeln  und  Verwicklungen  dieses  Recht  häufig  genug  An- 
lass  gab.    Beispielsweise  mögen  hier  die  Fragen  angeführt  werden, 
ob  die  Eltern  diese  Ansprüche  oder  Wartrechte  der  Kinder  beschränken 
oder  aufheben  könnten  (S.  275),  ob  Güter,  an  denen  der  eine  Gatte 
nur  Wartrechte  hatte,  bei  Auflösung  der  Ehe  auch  den  Kindern  ver- 
fangen wurden  und  dem  Leibzuchtsrechte  unterlagen  (S.  315),  ob 
Liegenschaften,  die  dem  Gatten  in  der  ersten  Ehe  als  verfangenes 
Gut  anfielen,  in  der  zweiten  Ehe  aber  erst  wirklich  in  seinen  Besitz 
kamen,  nun  den  Kindern  erster  oder  zweiter  Ehe  gehörten  (S.  415), 
ob,  wenn  ein  wartberechtigtes  Kind  starb,  sein  Wartrecht  nur  auf 
seine  Geschwister  oder  auch  auf  den  überlebenden  parens  überging 
(S.  303),  ob  die  Kinder  über  ihr  Wartrecht  verfügen,  beziehungs- 
weise die  Güter  bei  Lebzeiten  des  Leibzttchters  und  unbeschadet 
der  Leibzucht  veräussern  durften  oder  nicht  (S.  346)  u.  s.  w.  WTie 
schwierig  die  Entscheidung  solcher  Fragen  sein  musste,  ergibt  sich 
aus  der  Untersuchung,  welche  sich  bei  Sandhaas  S.  443  —  457  über 
das  Prinzip  des  Instituts  der  Verfangenschaft  findet.    Es  handelt  sich 
darum,  welches  Recht  dem  überlebenden  Gatten,  welches  den  Kindern 
an  den  verfangenen  Gütern  zustand,  d.  h.  ob  die  Kinder  sofort  Eigen- 
thümer  dieser  Güter  wurden  oder  nur  gesicherte  Successionsrechte 
erhielten,  ob  also  der  überlebende  parens  nur  Niessbrauch  daran 
hatte  oder  das  Eigenthum.    Nur  wenige   Rechtsquellen  sprechen 
sich  hierüber  bestimmt  aus,  die  Gelehrten  aber  wollen  entweder 
zwischen  den  Gütern  des  verstorbenen  und  jenen  des  überlebenden 
Gatten  unterscheiden  und  wenigstens  das  Eigenthum  der  letzteren 
dem  superstes  zuschreiben,  oder  sie  erklären  die  Kinder  für  Eigen- 
thümer  aller  verfangenen  Güter  oder  sie  sind  grade  der  umgekehrten 


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Ansicht  und  meinen,  dass  dem  überlebenden  Gatten  das  Eigenthum 
an  denselben  ohne  Ausnahme  zustehe.  Während  die  meisten  und 
darunter  alle  älteren  Germanisten  der  zweiten  Ansicht  folgen,  hat 
sich  Sandhaas  nach  dem  Vorgänge  von  Stockmanns  für  die  erste 
entschieden,  aber  seine  Gründe  haben  mich  nicht  überzeugt.  Grade 
das  Princip  der  gesammten  Hand  —  die  Verschmelzung  aller  Güter  zu 
einer  Masse  —  scheint  mir  nicht  vereinbarlich  mit  einer  solchen 
nachträglichen  Sonderung. 

Wie  man  sich  nun  auch  den  Ursprung  des  Verfangenschaftsrechts 
vorstellen  mag  —  Sandhaas  S.  458  hält  es  für  den  gewohnheitsrecht- 
lichen Niederschlag  des  Inhalts  der  Eheverträge  — ,  es  musste  häufig 
die  Verhältnisse  der  Bctheiligten  sehr  ungünstig  gestalten,  indem  bald 
der  überlebende  Gatte  durch  das  Festlegen  der  Liegenschaften  bc- 
nachtheiligt,  bald  in  Ermanglung  von  Immobilien  däs  Erbrecht  der 
Kinder  gefährdet  wurde.  Es  machte  sich  daher  schon  frühe  und  vor 
dem  Eindringen  des  römischen  Rechts  das  Bestreben  geltend,  durch 
mancherlei  Bestimmungen  ein  Correctiv  für  diese  Missstände  zu  schaffen. 
So  wurden  in  manchen  Rechten  im  Interesse  der  Kinder  gewisse 
Mobilien  für  immobil  erklärt  (S.  391),  die  Ansprüche  der  erstehelichen 
Kinder  auf  die  Immobilien  der  ersten  Ehe  im  Interesse  der  zweit- 
ehelichen Kinder  beschränkt  (S.  409),  die  Verfangenschaft  im  Interesse 
des  überlebenden  Gatten  für  einzelne  Arten  von  Liegenschaften  be- 
seitigt u.  s.  w.  Offenbar  demselben  Bestreben  verdankt  auch  —  wie 
schon  bemerkt  —  das  Grundtheilrecht  seine  Entstehung  (S.595). 

Dasselbe  tritt  nemlich  in  der  Regel  erst  bei  der  zweiten  Ehe 
des  Uberlebenden  Gatten  ein:  bis  dahin  bestand  Verfangenschafts- 
recht,  d.  h.  die  sämmtlichen  Immobilien  waren  den  Kindern  verfangen 
und  superstes  hatte  daran  die  Leibzucht,  sowie  das  Eigenthum  der 
Mobilien,  zu  deren  Veräusseruug  er  nur  nach  einzelnen  Statuten  nicht 
befugt  war.  So  wie  aber  superstes  wieder  heirathet,  muss  er  das  ge- 
sammte  eheliche  Vermögen  und  was  im  Wittwcnstande  dazugekommen, 
mit  den  Kindern  theilen,  was  nach  den  einzelnen  Rechten  bald  nach 
Köpfen,  bald  nach  bestimmten  Quoten  geschieht,  und  was  nun  die 
Kinder  bei  dieser  Theilung  erhalten,  gilt  nicht  blos  als  ihr  Antheil 
an  dem  Nachlasse  des  verstorbenen  parens,  sondern  auch  als  Abfin- 
dung von  der  Erbschaft  ihres  überlebenden  parens,  sowohl  zu  Gunsten 
der  Stiefgeschwister  und  des  Stiefparens,  als  auch  insofern,  dass  der 
parens  binubus  darüber  frei  verfügen  kann  (S.  544),  wenn  etwa  die 
zweite  Ehe  kinderlos  bleiben  und  er  auch  den  zweiten  Gatten  über- 
leben würde.  Grade  dieser  völligen  Auseinandersetzung  wegen  wird 
hier  von  einer  Grundtheilung  gesprochen. 


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Auch  von  diesem  Institute  gibt  nun  Sandhaas  von  S.  463  —  595 
eine  detaillirte  Darstellung  unter  Hervorhebung  der  mannigfachen  Ver- 
schiedenheiten, welche  sich  in  den  einzelnen  Statuten  finden.  So  er- 
halten bald  der  superstes,  bald  die  Kinder  einen  Mobiliar- Voraus,  nach 
manchen  Statuten  wird  auch  das  selbständige  Vermögen  der  Kinder 
mit  in  die  Gmndthcilung  hineingezogen  (S.  483,  521),  in  der  Regel 
haben  nur  die  Kinder  das  Recht  auf  die  Theilung  bei  zweiter  Ehe 
des  parens  zu  dringen,  während  andere  Statuten  es  auch  dem  letzteren 
gestatten,  überhaupt  oder  bei  zweiter  Ehe  die  Theilung  vorzunehmen 
(S.  503);  endlich  wenn  die  Gmndtheilung  unterlassen  worden  war, 
lassen  bei  dem  Tode  des  conjux  binubus  einzelne  Statuten  eonse- 
quenter  Weise  die  Auseinandersetzung  nach  den  Grundsätzen  de»  Ver- 
la ngenschaftsrechts  geschehen,  andere  haben  für  diesen  Fall  besondere 
Bestimmungen  getroffen,  wie  namentlich  das  Würzburger  Recht,  an- 
dere lassen  das  gesetzliche  Einkindschaftsrecht  eintreten. 

Auch  dieses  Recht  ist  nur  eine  Modification  des  Verfangenschafta- 
rechts  und  wird  daher  z.  B.  von  Wächter  auch  nur  mit  diesem  Namen 
bezeichnet.  Ebenso  wie  schon  frühe  die  nachtheiligen  Folgen  des 
Verfangenschaftsrechtes  durch  die  s.  g.  Einkiudschaftsverträge  be- 
seitigt wurden,  so  wurden  solche  auch  an  manchen  Orten  üblich,  an 
denen  das  Grundtheilrecht  galt,  weil  dasselbe  —  namentlich  wo  sich 
der  überlebende  Gatte  mit  einem  blossen  Kopftheile  begnügen  niusste 
—  nicht  minder  drückend  war,  und  so  wurde  zuletzt  in  diesen  Gregen- 
den das  gesetzliche  Einkindschaftsrecht  eingeführt.  Hiernach 
braucht  superstes  bei  zweiter  Ehe  keine  Gmndtheilung  vorzunelunen, 
sondern  er  hat  den  erstehelichen  Kindern  einen  s.  g.  Voraus  zu  be- 
stellen, welchem  unter  Umständen  ein  Vorbehalt  für  den  zweiten 
Gatten  oder  dessen  Kinder  entspricht,  und  wenn  er  stirbt,  gebühren 
dann  den  Kindern  aus  beiden  Ehen  gleiche  Erbrechte  an  dem  ge- 
sammten  erst-  und  zweitehelichen  Vermögen.  Kommt  es  aber  nicht 
zu  einer  zweiten  Ehe,  so  bleibt  es  in  der  Regel  ganz  bei  den  Be- 
stimmungen de«  Verfangeuschaftsrechts.  Auch  hier  gibt  n  in  Sand- 
haas S.  596—701  eine  genaue  Darstellung  und  hat  wiederum  eine 
Menge  Verschiedenheiten  nach  den  einzelnen  Statuten  aufzufuhren. 
So  ist  z.  B.  an  manchen  Orten  nur  dem  überlebenden  Manne  dies 
Einkindschaftsrecht  zugestanden,  während  die  Frau  zur  Gruudtheilung 
vcrpflichlot  ist 

Den  Schluss  des  Werkes  bilden  einige  Beilagen,  welche  die  un- 
gemeine Sorgfalt  beurkunden,  mit  welcher  Sandhaas  sich  der  Quellen- 
Analyse  hingab :  eine  Darstellung  der  Verhältnisse  bei  Auflösung  der 
Ehe  nach  den  oberhessischen  Stadt-  und  Amtsbräuchen,  und  die 


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Uebersicht  der  ehelichen  Erb-  und  Leibzuchtsrechte  in  Ober-  und 
Niederlothringen. 

Sandhaas  hat  in  seinem  eben  besprochenen  Werke  das  8.  g. 
kleine  Kaiserrecht  unter  die  Quellen  des  mittleren  fränkischen 
Rechts  nicht  aufgenommen,  jedoch  hat  er  sich  melirfach  (S.  145.  204. 
271.  700)  auf  dasselbe  bezogen  und  namentlich  angegeben,  dass  es 
in  seiner  ursprünglichen  Fassung  reines  deutsches  Verfangenschafts- 
recht  statuire,  womit  er  denn  auch  den  fränkischen  Ursprung  dieses 
Rechtsbuchs  anerkennt.  Gleichzeitig  hat  Julius  von  Gosen  in 
seiner  Inauguralabhandlung  „das  Privatrecht  nach  dem  kleinen  Kaiser- 
rechte" (Heidelb.  1866)  nicht  nur  über  das  Alter  und  die  Heimath 
dieser  Rechtsaufzeichnung  gehandelt,  sondern  auch  das  darin  ent- 
haltene eheliche  Güterrecht  als  fränkisches  Recht  genau  erörtert9). 
In  erster  Beziehung  spricht  er  sich  dahin  aus,  dass  das  Kaiserrecht 
spätestens  in  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  in  dem  fränki- 
schen Hessen  entstanden  und  in  dem  fränkischen  Theile  von  Mittel- 
deutschland noch  bis  zum  Ausgange  des  Mittelalters  benutzt  worden 
sei.  Man  wird  ihm  hierin  unbedingt  zustimmen  können,  obwohl  mir 
für  seine  Angabe,  dass  es  auch  in  Frankfurt  im  Gebrauch  gewesen 
sei,  noch  keinerlei  Beweis  aufgestosseu  ist  und  ich  überhaupt  be- 
zweifele, dass  es  eine  grosse  practische  Anwendung  gefunden  habe. 
Schon  der  Umstand,  dass  es  in  den  ersten  Zeiten  der  Druckerei  nie- 
mals gedruckt  wurde,  während  doch  andere  Rechtsbücher  häufig  im 
Drucke  erschienen,  lässt  schliessen,  dass  es  schon  frühe  in  Vergessen- 
heit gerathen  oder  nur  in  einem  sehr  beschränkten  Kreise  gebraucht 
worden  ist  Aber  auch  der  Character  des  Rechtsbuchs  führt  auf 
dasselbe  Ergebniss.  Denn  dasselbe,  welches  in  auffallender  Weise 
den  Kaiser  hervorhebt  und  den  ganzen  Rechtszustand  auf  ihn  zurück- 
führt (eine  Auffassung,  die  in  solchem  Umfang  niemals  practisch 
war),  erscheint  nicht  sowohl  als  eine  Zusammenstellung  geltender 
Rechtssätze  durch  einen  gerichtskundigen  Mann,  als  vielmehr  wie  der 
Versuch  eines  theoretischen  Lehrbuchs,  in  dem  der  Verfasser  sich  be- 


»)  Endemann,  der  durch  seine  Ausgabe  de«  Kayserrechts  (nach  der  Hand- 
schrift von  1372  in  Vergleichung  mit  andern  Handschriften  nnd  mit  Anmerkungen, 
Cassel  1846)  dieses  Rechtsbuch  zuerst  eigentlich  benutzbar  gemacht,  hat  auch 
nicht  einmal  die  leiseste  Andeutung,  dass  hier  ein  Recht  mit  Verfangenschaft 
vorliege. 


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müht,  eine  Uebersicht  des  Rechtewesens  aufzustellen.    Und  obwohl 
er  hierbei  von  einem  rein  weltlichen  Principe  ausgeht,  so  möchte  er 
doch  wohl  ein  Geistlicher  gewesen  sein.    Darauf  deutet  wenigstens 
die  Art  seiner  Citate  hin;  nirgends  beruft  er  sich  auf  einzelne  be- 
stimmte Gesetze  oder  Gebräuche,  sondern  die  feierliche  Formel  „denn 
es  steht  geschrieben"  nmss  immer  aushelfen.    Was  dann  die  Dar- 
stellung des  ehelichen  Güterrechts  im  Kaiserrechte  betrifft,  so  unter- 
scheidet Gosen  S.  108  zwei  Systeme  desselben;  nach   dem  einen 
bleiben  die  Ehegatten  trotz  der  äusserlichen  Vereinigung  des  Ver- 
mögens die  Eigenthümcr  ihrer  eingebrachten  Güter,  nach  dem  zweiten 
erscheint  das  beiderseitige  Vermögen  als   eine  einzige  Masse,  an 
welcher,  als  Einheit  gedacht,  jedem  der  beiden  Ehegatten  Eigenthum 
zustehet,  was  jedoch  S.  132  nur  als  Miteigenthum  zu  ideellen  Theilcn 
aufzufassen  ist.    Das  erstere  ist  der  Fall,  wenn  ein  Wittumsvertrag 
errichtet  wurde,  durch  den  der  Frau  für  den  Todfall  des  Mannes 
eine  lebenslängliche  Versorgung  —   und   zwar  nur   an  liegendem 
Gut  —  bestellt  wird10),  im  andern  Falle,  wenn  kein  Wittum  be- 
stellt worden,  tritt  das  Recht  der  gesammten  Hand  mit  Verfangen- 
schaft ein.     In  dieser  Annahme  stimmt  also  Gosen  mit  Sandhaas 
Überein  und  obwohl  in  dem  Kaiserrecht  der  Ausdruck  „Verfangen- 
schaft" nicht  vorkommt,  so  ist  doch  die  Sache  seihst  vorhanden  11 ). 
Ja,  Sandhaas  S.  700  hat  bei  der  grossen  Schärfe,  mit  der  er  die 
Quellen  prüft,  in  dem  Kaiserrechte  je  nach  den  verschiedenen  Texten 
sogar  eine  doppelte  Auffassung  der  Verfangenschaft  gefunden;  wäh- 
rend nach  der  ursprünglichen  Textirung  in  II.  97.  102  die  sämmt- 
lichen  Liegenschaften  den  Kindern  verfangen  waren,  haben  einzelne 
jüngere  Handschriften  durch  Einschaltung  weniger  Worte  den  Sinn 
geändert  und  eine  Beschränkung  der  Verfangeuschaft  bewirkt  Doch 
möchte  ich  nicht,  wie  Sandhaas,  hierdurch  die  Vcrfangenschaft  auf  die 
errungenen  Güter  beschränkt  sehen;  mir  scheinen  diese  Einschal- 
tungen nur  den  Zweck  zu  haben,  die  eigenen  Immobilien  des  tiber- 
lebenden parens  von  dem  Bande  der  Verfangenschaft  zu  befreien. 
Gosen  ist  auf  die  Bedeutung  dieser  Einschaltungen  nicht  aufmerksam 
geworden,  obwohl  er  die  Frage,  ob  das  Rechtsbuch  die  verfangenen 


,0)  Man  wird  hierbei  an  den  Gegensatz  erinnert,  welcher  nach  den  späteren 
Stadtrechten,  z.  B.  der  Nürnberger  Reformation,  (vergl.  Zeitschrift  fttr  deutsches 
Recht  X.  19)  zwischen  den  Eben  mit  Gcding  und  den  ungedingten  oder  versam- 
meten  Ehen  obwaltet. 

«•)  K.  Maurer  in  der  Anzeige  dieses  Bucha  in  der  krit  Vierteljahrssehrift 
IX.  101.  107,  will  nich,t  unbedingt  zustimmen. 


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-    265  - 

Güter  als  Eigenthum  der  Kinder  oder  des  überlebenden  Ehegatten 
ansehe,  nicht  unerörtert  gelassen  hat12).  Wenn  aber  Gosen  meine 
Auffassung,  dass  man  in  der  früheren  Zeit  den  Kindern  an  den  ver- 
fangenen Gütern  nur  das  Recht  des  verstorbenen  parens  eingeräumt, 
später  aber  Eigenthum  daran  zugestanden  habe,  auch  für  Frankfurt 
bestreitet,  und  den  überlebenden  Ehegatten  als  Eigenthümer  betrachtet, 
so  übersieht  er,  dass  die  Reformation  von  1509  meine  Ansicht  be- 
stätigt, und  dass  nach  deutschem  Rechte  auch  der  blose  Leibzüchter 
zu  einer  Veräusseruug  bei  rechter  Noth  berechtigt  war. 

IV. 

Die  von  mir  1841  gegebene  Darstellung  des  älteren  Frankfurter 
Rechts  ist  durch  die  neueren  Arbeiten  von  Schwarz,  Roth  und 
Sandhaas  als  richtig  bestätigt  worden  und  nur  über  einzelne 
Nebenpunkte  wurden  abweichende  Ansichten  ausgesprochen.  So  hat 
z.  B.  Sandhaas  S.  365  meine  Annahme,  dass  der  Uberlebende 
Gatte  als  Leibzüchter  an  den  binterfalligen  Gütern  Sicherheit  dafür 
auf  Verlangen  habe  leisten  müssen  ( S.  53) ,  bestritten  und  wie  ich 
zugebe,  mit  gutem  Grunde.  Wie  aber  diese  Güterordnung  der  ge- 
sammten  Hund,  welche  ich  S.  80  als  eine  Rechtsgemeinschaft  zwi- 
schen den  beiden  Gatten  als  verschiedenen  Rechtssubjecten  aber  Theil- 
nehmern  zu  ideellen  Theilen  an  dem  einen  Rechtsobject  der  ver- 
einigten Gütermas8e  bezeichnet  habe,  und  ob  sie  in  dieser  Weise  auf- 
zufassen sei,  haben  Schwarz  und  Roth  nicht  näher  erörtert  Letzterer 
erachtet  S.  355  die  Bestrebungen,  das  Rechtsverhältniss  zu  formuliren, 
—  es  als  societas,  juristische  Person,  communio  juris  oder  Gesammt- 
Eigenthum  aufzufassen,  für  bedeutungslos,  wie  in  ähnlicher  Weise 
»Stern an n  (das  Güterrecht  der  Ehegatten  im  Gebiete  des  Jüt'schen 
Low,  Kopenhagen  1857,  S.  5  bis  7)  alle  diese  Versuche  einer  festen 
Begriffsbestimmung  verwirft,  um  schliesslich  die  Gatten  als  Rechts- 
subjecte  der  gemeinschaftlichen  Vermögensmasse,  aber  ohne  ideelle 
und  ohne  reelle  Antheile,  zu  erklären  —  wobei  man  dann  freilich  mit 
Friedlieb  (in  s.  Anzeige  in  den  Jahrbüchern  für  Landeskunde  der 
Herzogth.  Schleswig  -  Holstein  und  Lauenburg,  Bd.  2,  1859,  S.  311) 
fragen  muss,  wie  dies  überhaupt  möglich  sei.    Schwarz  aber,  der 


>*)  Seiner  Ansicht,  dass  sich  Ober  diese  Frage  überhaupt  kein  allgemeines 
Princip  aufstellen  lasse,  vielmehr  die  Auffassung  nach  Orten  und  Gegenden  ver- 
schieden gewesen  sei,  stimmt  auch  Roth  in  der  krit  Viertel}.  X.  180  bei. 


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t 


-    266  - 

• 

in  §.  33  die  rechtliche  Natur  der  fränkischen  allgemeinen  Gg.  be- 
handelt und  die  verschiedenen  oben  erwähnten  Auffassungen  zurück- 
weist, weil  sie  ohne  Rüchsicht  auf  das  frühere  Recht  der  gesammten 
Hand  aufgestellt  worden  seien,  beschränkt  si<$h  darauf  S.  106  diesem 
Recht  den  Begriff  des  römischen  Miteigentums  für  ganz  fremd  zu 
erklären  und  S.  15  das  Wesen  der  gesammten  Hand  nach  ihren  ein- 
zelnen Wirkungen  zu  zeigen.  Es  ist  daher  doppelt  zu  bedauern, 
dass  Sandhaa«  in  seinem  Buche  nicht  soweit  gekommen  ist,  sich  dar- 
über zu  äussern. 

Dass  die  Güterordnung  der  gesammten  Hand  mit  Ver- 
fang e  lisch  aft  in  Frankfurt  bis  zum  Jahre  1509  bestanden  habe 
und  erst  durch  die  Reformation  von  diesem  Jahre  beseitigt  worden 
sei,  ist  eine  anerkannte  Thatsache.  Jedoch  lässt  sich  nicht  bezwei- 
feln, dass  schon  vorhor,  wie  dies  z.  B.  auch  bei  den  letztwilligen 
Verordnungen  der  Fall  war,  manche  römisch-rechtliche  Anschauungen 
sich  geltend  machten,  und  dass  es  an  Bedenken  über  die  Statthaftig- 
keit einzelner  dem  römischen  Rechte  direct  zuwiderlaufender  Gewohn- 
heiten nicht  gefehlt  hat,  zeigen  die  Rathsprotokolle  aus  jener  Zeit 
Schon  1498  wird  beschlossen,  den  Schöffen  zu  sagen,  nachdem  man- 
cherlei Gebrechen  an  Rechten  lange  Zeit  geschwebt  und  wider  das 
Recht  gebraucht  wird,  dass  Bie  mit  Rath  der  Gelehrten  eine  Refor- 
mation und  Ordnung  den  Rechten  gemäss  für  Hand  nehmen  sollten  **). 
Denn  unter  diesen  Rechten  wird  eben  nur  das  römische  Recht  ver- 
standen, dessen  Anerkennung  als  gemeines  geltendes  Recht  bereits 
durchgedrungen  war.  **)  Selbst  die  bekanntesten  Sätze  des  alten  Ehe- 
Güterrechts  mussten  nochmals  besonders  als  alte  Gewohnheit  bezeugt 
werden,  und  auch  dies  schützte  sie  nicht  immer  vor  dem  Schicksal, 
als  wider  das  Recht  laufend  von  den  gelehrten  Verfassern  der  Refor- 
mation beseitigt  zu  werden.  Zum  Beweis  dient  nachstehender  Ein- 
trag *»)  in  dem  sogenannten  Bürgermeisterbuche  des  Jahres  1506 
und  flg.,  Folio  84: 

Feria  secunda  post  Vincent 

Item  uff  montag  Sant  Paulus  tag  conversionis  anno  XVe. 
septimo  *•)    sint    Schöffen    und    Rathspersonen    jnn    der  Ge- 


«3)  Vgl.  Lersner  Frankf.  Chr.  Thl.  II.  S.  148.  Thomas  Oberhof  S.  97. 

")  Vgl.  C.  A.  Schmidt  die  Receptioo  des  röm.  Rechts  in  Deutschland. 
Rostock  1868.  S.  217. 

'»)  Herr  Archivar  Dr.  Kriegk  hatte  die  Freundlichkeit,  mich  auf  denselben 
aufmerksam  zu  machen. 

**)  Also  25.  Januar  1507,  was  auch  der  zweite  Wochentag  nach  St  Vincent  ist 


■ 

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-  267 


meyn  ,T)  vß  Hinderlichem  Befelh  de»  Rats  samentlich  verbotten  ge- 
west  vnd  vnder  anderm  vmbfrage  bescheen  vnd  sunderlich  uff  diese 
zwen  nachgeschrieben  artikcl  die  eynem  iglichen  Ratsfreunt  mit- 
sampt  anderen  drien  Artikeln  guter  Zyt  da  vor  heym  gegeben  sin 
sich  dar  vff  haben  zu  bedenken  vnd  was  ir  eyner  vss  crfarung  ni^ 
wissen  soliches  by  den  alten  verstendigen  vßerhalb  Rats  wes  inen 
davon  wissen  sin  erlernen.  Item  der  erat  artikel  ob  eyn  offenbarlich 
kondich  vnd  notoria  gewonheit  si  das  das  lest  vnder  zweyen  eluten 
lebende,  zwischen  welchen  keyn  verschreibung  ufgericht  oder  Testa- 
ment gemacht  ist,  one  vnderscheit  alle  fareud  hab  jne  Erbschaftsweise 
erobert  auch  jm  fal  so  keyn  ligend  güter  sunder  alleyn  farende  hab 
vnd  jnn  abstigender  Linien  Kinder  furhanden  sind. 

Der  ander  ob  auch  eyn  offenbarlich  gewonheit  ay  das  das  lest- 
lebende  one  alle  vnderscheit  by  den  ligenden  gutcren  Eynen  bysess, 
hab  mitsampt  aller  nutzung  vnd  niessung  sin  leptage  lang,  on  an- 
gesehen die  erben  jnn  abstigender  Linien. 

Daruff  ist  eynhelliglich  durch  den  mererteil  des  Rats  beschlossen, 
diese  zwen  Artikel  wo  nit  sunderlich  verschribung  oder  testament  uff- 
gericht  sin  das  die  bcmelten  Artikel  irs  Inhalts  jun  dieser  Stat  Franck- 
furt  also  von  alter  vnd  lenger  dann  menschen  gedenken  geübt  und 
hergebracht  sien,  haben  falle  etwan  fiel  gesehen  jnn  beredung  der 
Ehe  die  bemelten  Artikel  für  eyn  gewonheit  von  den  alten  hören 
furwenden  die  sie  auch  etwan  dick  selbst  vff  den  Hochzyten  zu 
machen  furgewent  haben  und  also  jnn  gemeyner  Vbung  vnd  gebruch 
allenthalben  jnn  dieser  Stat  gewest  das  bis  itzt  nyemant  dar  widder 
gehandelt  hat 

Es  lässt  sich  nemlich  nur  annehmen,  dass  diese  genaue  Erkundi- 
gung nach  dem  Recht  des  überlebenden  Gatten  auf  die  sämratliche 
Fahrnis*  und  den  lebenslänglichen  Beisitz  an  den  Liegenschaften, 
selbst  wenn  Kinder  vorhanden,  den  Zweck  hatte,  diese  alte  Gewohn- 
heit zu  retten.   Aber  in  Betreff  der  Fahrnis»  gelang  dies  doch  nicht. 

Die  Absicht  der  Reformation  von  1509  ging  nicht  dahin,  das  bis- 
herige Recht,  —  die  alten  Gewohnheiten  und  Uebungen,  welche  bis 
dahin  nicht  „beschrieben"  waren  und  daher  zu  „viel  Irrthum  und  Zwi- 
speltigkeit"  Veranlassung  gaben,  —  aufzuzeichnen,  sondern  es  sollte  der 
Rechtszustand  dem  gemeinen  Rechte  oder  dem  gemeinen  kaiserlichen 
Rechte  gemäss  geordnet  und  die  alten  Gebräuche  „der  doch  eins 
teyls  jetzundt  on  vnderscheidt  für  ontUglich  angesehen  werden"  sollten 


")  D.  h  ohne  die  3te  Bank 


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> 


-   268  - 


beseitigt,  oder  doch  nur  noch  in  so  weit  bestätigt  werden,  als  sie  sich 
mit  dem  kaiserlichen  Rechte  vereinbarlich  zeigten.  In  der  Lehre  vom 
ehelichen  Güterrechte  rührte  dies  zu  einem  gänzlichen  Umstoss  des 
alten  Systems  der  gesammten  Hand,  an  dessen  Stelle  zwar  nicht  un- 
bedingt das  römische  Dotalreeht,  aber  doch  eine  damit  verbundene 
Neubildung  gesetzt  wurde.  Dies  geschah  indessen  nicht  durch  eine 
systematische  Aufstellung  des  neuen  Rechtes,  sondern  es  wurden  die 
einzelneu  alten  Bräuche,  die  den  Rechten  ungemäss  befunden  waren, 
abgeschafft  und  was  an  deren  Stelle  treten  sollte,  wurde  jeweilig  bei- 
gefügt. So  wurde  im  Titel  de  testamentis  der  bisherige  Brauch,  dass 
die  Eltern  einander  in  ihrem  Testament  sich  geerbt  und  ihre  Kbder 
darin  mit  nichts  bedacht  haben,  aufgehoben  und  bestimmt,  dass  die 
Eltern  „uach  vermöge  der  Recht"  ihre  Kinder  zu  Erben  machen 
oder  enterben  müssten.  Im  Titel  de  bonis  cedendis  uno  ex  conjugi- 
bus  praemoriente  wurde  der  bisherige  Irrthum,  dass  auch  die  liegen- 
den Güter  des  Lctztlebenden  den  Kindern  einhändig  geworden,  ab- 
gethan  und  dagegen  dem  Letztlebenden  die  Macht  gegeben,  über 
diese  Güter  zu  disponiren  nach  seinem  Willen  und  vermöge  der 
Recht.  Im  Titel  de  successione  conjugum  in  bonis  simul  apportatis 
wurde  nach  einer  Bestimmung,  welche  Güter  fortan  in  Frankfurt  fur 
unbeweglich  und  für  beweglich  zu  erachten  seien,  dem  überlebenden 
Gatten  bei  beerbter  Ehe  die  Hälfte  der  Fahrniss  des  Verstorbenen, 
bei  kinderloser  Ehe  die  ganze  Fahrniss  sammt  dem  Beisitz  an  dem 
auf  die  Kinder  oder  Erben  gefallenen  übrigen  Einbringen  des  Ver- 
storbenen zugewiesen.  Der  folgende  Titel  de  bonis  constaute  matri- 
monio  quaesitis  erklärt  das  in  dor  Ehe  erworbene  Gut  für  beiden 
Eheleuten  gemein  und  soll  dasselbe  bei  Auflösung  der  Ehe  halb  auf 
die  Kinder,  halb  auf  den  letztlebenden  Gatten,  bei  kinderloser  Ehe 
aber  ganz  auf  den  letzteren  fallen,  wenn  der  zuerst  sterbende  nicht 
anders  verfügt  hat.  Im  nächsten  Titel  de  debitis  ante  matrimonium 
vel  eo  eonstante  contractis  per  superstitem  solvendis  wird  das  ehe- 
liche Schuldenwesen  geordnet.  Wenn  der  letztlebcnde  Gatte  den 
Ususfruct  an  den  hegenden  Gütern  und  die  ganze  Fahrniss  erhält, 
musste  er  auch  alle  vor  und  in  der  Ehe  gemachten  Schulden  bezah- 
len, will  er  sich  aber  dieser  Vortheile  entschlagen,  so  hat  er  nur  die- 
jenigen Schulden  zu  zahlen,  die  ihn  selbst  betreffen.  Hatten  die  Ehe- 
gatten vermischte  Güter,  so  muss  in  diesem  Falle  der  letztlebende 
bei  Gericht  um  Absonderung  seiner  Güter  bitten,  doch  gilt  dies  nur 
von  den  Eheleuten,  die  nicht  Handel  oder  Kaufmannschaft  trieben, 
denn  sonsten  soll  auch  die  Frau  in  ihren  zugebrachten  Gütern  und 
ihrer  Zugift  (dos  oder  parafernalia)  keinen  „vßzug"  haben,  da  hier 


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-    269  - 


beide  Gatten  in  solidum  haften.  Weiter  wird  im  Titel  de  litteria  do- 
talibus  bestimmt,  dass  inskünftig  die  Brutlaufbriefe  sich  nur  ad  dotem 
et  donacionem  propter  nuptias  das  ist  zu  beiden  Zugiften  erstreit - 
ken  sollen:  wird  darin  auch  über  andere  Güter  ein  Gcding  gesche- 
hen, so  wird  dies  erst  durch  den  Tod  —  wenn  es  also  nicht  bei  Leb- 
zeiten widerrufen  worden  —  bekräftigt.  Endlich  hebt  der  Titel  de 
liberis  ex  diversis  matrimoniis  proereatis  den  bisherigen  Brauch  auf, 
dass  die  ersten  Kinder  alle  liegenden  Güter  an  sich  genommen  haben 
und  fuhrt  die  Erbfolge  nach  Ordnung  gemeiner  Rechten  ein. 

Mit  diesen  einzelnen  Anordnungen  war  also  die  bisherige  ge- 
dämmte Hand  und  die  Verfangenschaft,  obwohl  diese  Benennungen 
gar  nicht  vorkommen,  vollständig  beseitigt.  Wie  in  vielen  späteren 
Rechten  des  mittleren  und  westlichen  Frankens  ist  auch  hier  das  ge- 
meine Gut  auf  die  eheliche  Errungenschaft  beschränkt  worden,  wäh- 
rend dem  die  von  den  Gatten  eingebrachten  Güter  deren  Sondereigen- 
thnm  bleiben.  Dass  aber  damit  für  die  Güter  der  Frau  das  römische 
Dotalrecht  eingeführt  worden,  lässt  sich  nicht  behaupten.  Zwar  kann 
ich  der  Meinung  von  C.  Malss  (zum  Güterrecht  der  Ehegatten  in 
Frankf.  1863  S.  5)  nicht  beistimmen,  dass  die  Verfasser  der  Refor- 
mation, weil  sie  die  Dos  und  ihre  Privilegien  nur  so  beiläufig  er- 
wähnen, nicht  die  vollkommen  bewusste  Absicht  gehabt  hätten,  das 
römische  Dotalrecht  einzuführen,  sondern  nur  die  römische  Terminologie 
gelegentlich  und  unwillkührlich  angewendet  hätten.  Denn  die  Doctores 
juris,  denen  die  Abfassung  der  Reformation  aufgetragen  war,  gingen 
ersichtlich  von  der  Ansicht  aus,  dass  das  gemeine  kaiserliche  Recht 
—  das  römische  —  selbstverständlich  das  geltende  sei  und  sie  sahen 
es  so  sehr  als  die  Grundlage  ihrer  Arbeit  an,  dass  ihnen  der  Bezug 
darauf  im  Allgemeinen  genügte  und  eine  Aufnahme  der  einzelnen 
Detailbestimmungen  ganz  unuöthig  schien.  Aber  die  Praxis  folgte 
nicht  der  Theorie :  die  alte  Auffassung,  dass  in  der  Ehe  alle  Güter 
zu  dem  gemeinschaftlichen  Gebrauche  der  Ehegatten  bestimmt  seien, 
Hess  sich  durch  den  römisch  rechtlichen  Unterschied  der  Dotal-  und 
Paraphernal-Güter  der  Frau  nicht  beirren  nnd  so  kann  man  mit 
Malss  8.  9  allerdings  sagen ,  dass  durch  die  Reformation  nur  ein 
nach  deutschen  Anschauungen  abgeartetes  Paraphernal.- System  her- 
gestellt worden  sei.  Es  war  dies  auch  nicht  eine  Eigenthüinlichkeit 
des  Frankfurter  Rechts,  sondern  wie  namentlich  Fr.  Rath  mann 
(einige  Worte  über  eheliches  Güterrecht  nach  heutigem  gemeinen 
Rechte  in  Deutschland,  Chemnitz  1859)  nachgewiesen  hat,  ist  über- 
haupt in  Deutschland  das  reine  römische  Dotalsystem  nicht  Rechtens 
geworden.    Während  das   römische  Recht  mir  zwei  Klassen  des 


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—    270  - 


Frauenguts  kennt,  dos  welche  gesetzlich  in  das  Eigenthum  des  Mannes 
übergeht,  und  parapherna,  woran  gesetzlieh  gar  keine  Rechte  an  den 
Mann  übergehen,  woran  aber  die  Frau  dem  Manne  mancherlei  Be- 
fugnisse der  Verwaltung  und  Benützung  einräumen  kann,  wurde  in 
Deutschland  eine  Dreitheilung  des  Frauenguts  üblich;  nur  die 
s.  g.  bona  receptia,  Spill-  oder  Einhandsgüter,  welche  die  Frau  sich 
speziell  vorbehielt,  kamen  nicht  unter  die  Hand  des  Mannes,  alle  ihre 
anderen  Güter,  gleichviel  ob  bona  dotalia  oder  paraphernalia,  kamen 
aber  darunter  und  der  Unterschied  zwischen  diesen  beiden  verschwand 
oft  gänzlich.  Grade  dieses  Verhältniss  ist  es,  was  die  Reformation 
Fol.  25  mit  dem  Ausdruck  „vermischte  Güter"  bezeichnet,  d.  h.  e* 
war  dann  das  sämmtliche  Gut  der  beiden  Ehegatten  mit  alleiniger 
Ausnahme  der  Spillgüter  in  der  Hand  des  Mannes  so  vereinigt  und 
vermischt,  dass  es  nach  Aussen  Dritten  gegenüber  als  eine  Masse 

Wie  schon  bemerkt,  unterscheidet  die  Reformation  von  1509  nur 
zweierlei  Gut  der  Eheleute,  die  von  ihnen  in  die  Ehe  eingebrachten 
oder  darin  ererbten  Güter,  welche  Eigenthum  des  einzelnen  Gatten 
bleiben  (abgesehen  von  den  Rechten  des  Ehemannes  an  den  Illaten 
der  Frau)  und  die  den  Ehegatten  gemeinschaftliche  Errungenschaft. 
Die  Reformation  weicht  darin  von  manchen  andern  fränkischen  Rech- 
ten ab,  welche  auch  die  eingebrachte  Fahrniss  als  ein  Gemeingut  be- 
trachten und  somit  eine  s.  g.  Particular-Gg.  statuiren.    Während  nun 
aber  die  meisten  Rechte,  welche  gleich  der  Reformation  nur  eine 
Errungenschafts-Gemeinschaft  kennen,  auch  bei  Auflösung  der  Ehe 
und  bei  der  ehelichen  Erbfolge  nur  zwischen  den  inferirten  und  den 
errungenen  Gütern  unterscheiden,  ohne  deren  Qualität  als  liegend  oder 
fahrend  zu  beachten,  (vgl.  meinen  Aufsatz  Über  die  Fortbildung 
und  Gestaltung  des  tränk,  ehel.  Güterrechts,  in  der  Zeitschrift  fur 
deutsches  Recht  X.  46  und  H.  C.  Kurz  das  churf.  Mainz'sche  Land- 
recht, Aschaffenb.  1866)  hat  die  Reformation  die  Erbfolge  in  die  ein- 
gebrachten Güter  verschieden  angeordnet,  je  nachdem  diese  in  Liegen- 
schaften oder  in  Fahrniss  bestehen,  und  sie  lässt  diese  verschiedene 
Vererbung  nicht  nur  wie  einige  Rechte  (Zeitschrift  X.  55)  bei  kinder- 
loser Ehe  eintreten,  sondern  auch  bei  beerbter  Ehe.  Die  Reformation 
steht  in  dioser  Auffassung  eigentlich  allein,  wie  ich  in  der  Zeitschrift 
X.  67  bereits  hervorgehoben  habe,  denn  selbst  das  diese  Auffassung 
theilende  churpfalzischo  Landrecht  ist  dem  Frankf.  Rechte  nur  nach- 
gebildet, und  sie  nähert  sich  damit,  indem  sie  die  inferirte  Fahrniss 
bei  Auflösung  der  Ehe  in  gleicher  Weise  wie  die  Errungenschaft  be- 
handelt, so  sehr  den  Rechten  der  Particulargütergemeinschaft,  dass 


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-    271  - 


ihr  auch  schon  durante  matrimonio  eine  solche  zu  unterstellen  ver- 
sucht wurde,  wie  andererseits  in  Rechten  mit  Particular  -  Gg.  auch 
nur  eine  Errungenschafta-Gg.  gefunden  werden  wollte. 

Ich  kann  nicht  umhin  hier  des  schönen  und  lehrreichen  Aufsatzes 
von  E.  Hoff  mann  über  die  Schuldenzahlung  bei  der  particulären 
ehelichen  Gg.  (in  dem  Archiv  für  practische  Rechtswissenschaft  Bd.  2, 
Marburg  1854,  S.  191  flg.)  zu  erwähnen.  Der  Verfasser  behandelt 
hier  grade  die  späteren  fränkischen  Rechte  und  unterscheidet  drei 
Classen  derselben,  je  nachdem  sie  entweder  alle  Mobilien  unöV  die 
errungenen  Immobilien  oder  nur  die  Errungenschaft  gemein  werden 
lassen  oder  aber  neben  der  Errungenschaft  auch  eine  besondere  Ver- 
erbung der  eingebrachten  fahrende  Habe  des  zuerst  sterbenden  Ehe- 
gatten statuiren.  Zu  dieser  letzteren  Classe  rechnet  er  das  Frank- 
furter Recht,  aber  auch  das  Solmser  Landrecht  und  tadelt  mich  S.  247, 
weil  ich  es  zur  ersten  Classe  gezählt  habe,  ohne  dass  mich  jedoch 
seine  Gründe  überzeugt  hätten  «). 

Die  erneuerten  Frankfurter  Reformationen  von  1578  und  1611 
haben  den  Character  des  1509  geschaffenen  Rechts  im  Wesentlichen 
nicht  geändert,  sondern  geben  nur  ausführlichere  Bestimmungen  und 
grösseres  Detail,  aber  es  lässt  sich  nicht  sagen,  dass  sie  dadurch  ein 
einheitlicheres  Ganze  geschaffen  oder  die  mancherlei  aus'der  Vermischung 
des]  nationalen  und  des  fremden  Rechts  entstandenen  Misständc  be- 
seitigt hätten.  Auch  die  einzelnen  später  erfolgten  Verordnungen 
haben  hier  nicht  viel  geholfen. 

Die  erneuerte  Reformation  handelt  im  dritten  Theil  von  „Ehe- 
beredungen,  Heuratsbrieffen,  Eheleuten,  Einkindschaften  und  was 
denen  anhängt".  Aua  den  10  Titeln  dieses  Theils  ist  Folgendes 
hervorzuheben. 


**)  Die  Solmser  Landordnung  enthält  keine  Bestimmung  Uber  das  während 
der  Ehe  geltende  Güterrecht,  sondern  handelt  Theil  II,  Titel  28  nur  von  Erbschaft 
Manns  und  Weibs  gegen  einander.  Hier  aber  wird  in  §.  5  und  6  die  eingebrachte 
und  errungene  Fahrniss  nicht  getrennt  und  es  ist  daher  von  manchen  Gelehrten 
für  das  Solmser  Recht  eine  Gemeinschaft  der  Mobilien  und  der  Immob  - Errungen- 
schaft Angenommen  worden.  Ich  habe  mich  dieser  Ansicht  Roge  schlössen,  weil 
ich  im  Zweifel  denjenigen  Güterstand  statuire,  der  am  wenigsten  von  dem  alten 
frankischen  Recht  abweicht.  Umgekehrt  erblicken  Andere  darin  nur  eine  Err.- 
Gemeinschaft,  weil  diese  weniger  von  dem  gemeinen  romischen  Recht  abweicht 
Wie  Roth  und  Meibom  kurhessisches  Privatrecht  I.  381  bezeugen,  hat  sich 
dafür  auch  die  Praxis  in  Kurhessen  entschieden.  In  Nassau  ist  dies  auch  der  Fall. 
In  gleicher  Weise  wird  in  der  Praxis  auch  die  Nassau-Katzenellenb.  Landesord- 
nung anfgefasst,  vgl.  Pinders  im  neuen  Archiv  für  Preuss.  Recht,  IV.  308. 


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Der  2.  Titel  läset  es  dabei  bleiben,  dass  die  Ehen  mit  Geding. 
d.  h.  mit  Bestimmung  der  Zugift  oder  Ehesteuer,  und  der  Wider- 
legung geschlossen  werden  können,  doch  sollen  Erbschaften  nicht 
durch  Eheberedungen  vermacht  und  derartige  Bestimmungen  erst 
dann  für  kräftig  gehalten  werden,  wann  sie  unwiderruflich  durch  den 
Tod  bestätigt  sind  (§.  5).  Was  aber  die  Ehegatten  zur  Zugift  oder 
Widerlegung  au  liegenden  Gütern  oder  Gülten  einander  zubringen, 
sollen  sie  zu  veräussera  nicht  Macht  haben  (§.  9). 

"Der  4.  Titel  bestimmt,  dass  ein  Ehegatte,  der  aus  vorderer  Ehe 
Kinder  hat,  seinem  zweiten  Gatten  nicht  mehr  als  ein  Kindestheil 
vermachen  darf  (§.  2)  und  vor  der  Hochzeit  seine  und  des  verstor- 
benen Güter  (§.  6)  inventiren  lassen  soll. 

Der  6.  Titel  verordnet,  dass  wenn  zwei  Gatten  in  stehender  Ehe 
liegend  Gut  mit  einander  kaufen,  dieses  ihnen  gemein  und  die  Währ- 
schaft deswegen  ihnen  beiden  sämmtlich  geschehen  soll  (§.  1).  Nur 
wenn  ein  Gatte  mit  eigenem  Geld  —  er  habe  dies  erobert,  ererbt, 
oder  aus  seinen  anerstorbenen  liegenden  Gütern  erlöst  —  liegende 
Güter  erwirbt,  sollen  sie  ihm  allein  gehören  (§.  2).  Aber  die  ge- 
meinen Güter  wie  die  Güter  die  einem  Gatten  allein  zustehen,  sollen 
nur  mit  Willen  beider  Gatten  veräussert  werden  (§.  3,  4). 

Der  7.  Titel  behandelt  die  Schulden  der  Eheleute.  Das  Letzt- 
lebende, das  den  Bcisess  der  liegenden  Güter  und  dazu  die  ganze 
oder  halbe  fahrende  Habe  eigenthümlich  erhält,  solle  alle  Schulden 
vor  oder  in  der  Ehe  oder  wie  sonst  gemacht,  voll  bezahlen  (§.  2). 
Will  es  sich  dieser  Vorthoile  ganz  entschlagen,  so  hat  es  nur  die 
Obligationes  und  Schuld verschreibungen ,  die  ihn  mit  besagen,  zu  sei- 
nem Theil  zu  bezahlen  (§.  3).  Will  es  aber  den  Beisess  und  die 
halbe  Fahrniss  nicht  zusammen,  sondern  deren  nur  eins  annehmen, 
so  ist  es  auch  an  des  Verstorbenen  Schulden  nur  pro  rata  betheiligt 
(§.  4).  Ein  solcher  Verzicht  und  die  Separation  der  vermischten  Güter 
muss  aber  vor  Ablauf  des  Dreissigsten  vor  Gericht  geschehen  (§.  8  ). 
Dazu  sind  auch  nur  Eheleute  berechtigt,  die  keine  Kaufhändel, 
Handthierung  oder  anderes  Gewerbe  betreiben  (§.  11).  Eheleute,  die 
einen  gemeinen  Handel  treiben  oder  offene  Wirthschaft  halten,  müs- 
sen in  solidum  die  Schulden,  die  sie  mit  einander  gemacht,  bezahlen 
(§.  12)  und  die  Frau  hat  wegen  ihrer  Zugift,  der  Widerlegung  oder 
anderer  eingebrachten  Güter  keinen  Vorzug  (§.  13).  Wenn  aber  der 
Mann  ohne  sein  eheliches  Weib  handelt,  sollen  deren  Güter,  es  sei 
dos  oder  paraphernalia,  für  des  Mannes  Schuld  nicht  verhaftet  sein, 
falls  das  Weib  rechtzeitig  die  Mittel  der  Renunciation  und  Separa- 
tion braucht  (§.  18).  Auch  Handwerker,  Weingärtner  u.  dergl.  haben 


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—    273  - 


diese  beneficia  nicht  (§.  20,  der  in  der  Ref.  von  1578  fehlt).  Was 
hierin  auf  den  Todesfall  angeordnet  ist,  gilt  auch  im  Falle  eines 
Concurscs  während  der  Ehe  (§.  21).  Der  ausfuhrliche  10.  Titel  von 
Einkindschaften  ist  längst  veraltet. 

Im  fünften  Theil  beschäftigt  sich  sodann  die  Reformation  mit 
den  Erbschaften  ausserhalb  Testamentes. 

Hier  wird  im  ersten  Titel  (§.  6 — 11),  von  der  Succession  der  Kin- 
der aus  unterschiedlichen  Ehen,  nochmals  die  Abschaffung  des  alten 
Missbrauchs  (d.  h.  der  Verfangenschaft)  bestätigt  und  den  Kindern 
erster  Ehe  ihr  väterliches  oder  mütterliches  Erbgut  gewahrt. 

Der  4.  Titel  handelt  von  Erbschaft  der  Eheleute  in  den  Gütern, 
die  sie  zusammenbringen  oder  die  ihnen  in  stehender  Erbe  anerster- 
ben.  In  Ermanglung  von  Heirathsbriefen  und  Kindern  erhält  der 
Letztlebcnde  den  Bciscss  an  allen  liegenden  Gütern  des  Erstverstor- 
benen sein  Lebenlang ,  aber  alle  zugebrachte  und  ererbte  Fahr- 
niss  desselben  erblich  zum  Eigenthum  (§.  3)  wie  denn  schon  in  Theil 
2,  Titel  3  und  Theil  3  Titel  3  §.  4  ausführlich  angegeben  ist.  welche 
Güter  in  Erbschaften  für  liegend  zu  erachten  seien.  Hinterlässt  aber 
der  erstverstorbene  Gatte  eheliche  Kinder,  so  erhalten  diese  seine 
liegenden  Güter  und  die  Hälfte  seiner  fahrenden  Habe,  während  die 
andere  Hälfte  dem  überlebenden  Gatten  zufallt,  nebst  dem  lebens- 
länglichen Beisess  an  dem,  was  seine  rechten  Kinder  von  ihrem  ver- 
storbenen parens  ererbt  haben  (§.  4—7). 

Im  5.  Titel  wird  von  Erbschaften  der  Eheleute  in  den  Gütern, 
so  sie  in  stehender  Ehe  bei  einander  samptlich  erzeugen  und  erobern, 
gehandelt  Zuerst  wird  in  §.  2  bestimmt,  was  Errungenschaft  sei,  nem- 
lich  solche  Güter,  „welche  zwei  Eheleute  in  stehender  Ehe  bei  einander, 
soi  es  durch  ihr  eins  (doch  dass  dcsselbig  Ehegemächt  keinen  eigenen 
sondern  Handel  fiihre)  oder  sie  beide  mit  ihrem  mühsamen  Fleiss,  gute 
Haushaltung  und  fürsiehtige  Geschicklichkeit  über  dasjenige,  was  sie 
beiderseits  zusammengebracht  haben,  durch  den  Segen  Gottes  erobern 
und  an  sich  bringen."  Doch  durften  die  Eheleute  auch  ihr  Sondergut 
gemein  machen  (§.  7).  Sind  nun  keine  Kinder  vorhanden,  so  sollen 
diese  liegenden  und  fahrenden  errungenen  Güter  dem  lctztlebenden 
Ehegatten  eigenthümlich  zufallen  und  bleiben  (§.  9),  sind  aber  Kin- 
der vorhanden,  so  sollen  diese  Güter  halb  auf  die  Kinder  halb  auf 
den  letztlebenden  Gatten  erblich  versterben  und  fallen,  vorbehältlich 
des  letzteren  Beisess  an  dem  Theil  seiner  Kinder  (§.  10). 

Weiter  wird  im  6.  Titel  verordnet,  dass  diese  Erbgebühr  nur 
dann  stattfindet,  wenn  die  Eheleute  treulich  bei  einander  bleiben,  und 
im  7.  Titel,  dass  kein  Gatte  dem  andern  diese  Gebühr  imd  was  etwa 
IV.  18 


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274  — 


in  den  Ehepactcn  bestimmt  sei,  aus  gcfasstcr  Gräme  letztwillig  ent- 
ziehen dürfe,  docli  jeder  Garte  die  Macht  habe,  Uber  seine  zuge- 
braehten  Güter  und  seinen  halben  Theil  der  errungenen  Güter  nach 
seinem  Gefallen  zu  tcstiren. 

Den  Beschluss  macht  der  8.  Titel  von  dem  ,,Usufruct  und  Beisel, 
so  der  letztlebend  Ehcgemahel  vermög  dieser  Reformation  behelr 
Insbesondere  wird  hier  dem  Nutzniesser  auferlegt,  auf  Verlangen 
Caution  zu  leisten  und  die  hinterfall  igen  Güter  zu  inventiren. 

Zu  diesen  Bestimmungen  der  Reformation  kommen  nun  noch  ein 
gemeiner  Bescheid  des  Raths  vom  24.  Juni  1734,  wonach  die  Be 
sehaffenheit  der  zugebrachten  Güter,  ob  sie  mobil  oder  immobil  seien, 
juxta  tenipus  illationis  beurtheilt,  und  wenn  zugebrachte  Gilter  in  der 
Ehe  veräussert  wordeu  sind,  ohne  dass  bei  Auflössung  der  Ehe  dafür 
Ersatz  geleistet  werden  könne,  der  Verlust  vermög  der  allhier  ge- 
wöhnlichen societafis  bonorum  conjugalis  gemeinschaftlich,  d.  h.  nach 
Hälften  getragen  werden  soll  (Beyerbach  Sammlung  der  Verord- 
nungen der  Rciclist.   Fr.  I.  S.  70),  ein   gemeiner  Bescheid  voiu 
21.  Sept.  1758  über  die  Entziehung  oder  Schma'lerung  der  Statut 
gebühr  (ib.  1.  S.  73),  wonach  ein  Ehegatte  über  das  Eigenthum  an 
seinen  Liegenschaften,  Uber  die  seinen  Kindern  heimfallende  halbe 
Fahrnis»  und  seine  Errungenschaftshälfte  verfugen  kann,  die  Concurs 
Ordnung  vom  10.  Januar  1837  (Gesetz-Sammlung  V.  248),  welche  der 
Ehefrau  eines  Falliten  gestattet,  ihre  noch  vorhandenen  in  die  Ehe 
eingebrachten  Güter  aus  der  Gantmasse  zu  separiren  und  sie  im 
Uebrigeu  wegen  ihres  unter  der  Verwaltung  des  Ehemannes  stehen- 
den Vermögens  und  der  Widerlage  in  die  6.  Rangclasse  locirt  unter 
der  in  der  Reform.  I.  49  §.  5  ausgesprochenen  Voraussetzung  (das* 
sie  nemlich  mit  ihrem  Manne  keinen  gemeinen  Handel  etc.  getrieben 
und  ihm  nicht  durch  üppiges  Wesen  zu  seinem  Verderben  geholfen 
hat),  endlich  das  Gesetz  vom  5.  Novemb.  1850  Uber  die  Gleichstellung 
der  Ehefrauen  im  Güterrechte  (Gesetz-S.  X.  343).    Hiernach  steht 
allen  Ehegatten  olme  Unterschied  des  bürgerlichen  Gewerbes  das 
Recht  auf  Absonderung  der  Güter  zu,  jedoch  bleiben  für  dessen  Gel- 
tendmachung im  Uebrigcn  die  gesetzlichen  Fristen  und  Vorscliriften 
fortbestehen.  Ehegatten,  welche  eine  Handlung  für  gemeinschaftliche 
Rechnung  betreiben  wollen,  haben  sich  nach  dem  Haudels-Gesetz- 
bucho  zu  richten:  ist  es  ein  sonstiger  Geschäftszweig,  so  müssen  sie 
eine  Erklärung  desfalls  ausstellen,  die  auf  dem  Protest-Coraptoir  auf- 
zubewahren ist. 

Dies  sind  also  im  Wesentlichen  die  Materialien,  aus  welchen  das 
System  des  Frankf.  ehelichen  Güterrechts  errichtet  werden  soll.  Es 


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275 


beruht  in  erster  Linie  auf  dem  Unterschied  der  eingebrachten  und 
«ler  errungenen  Güter.  In  Beziehung  auf  letztere  aber  zeigt  sieh  eine 
zweifache  Auffassung.    Bekanntlich  richtete  Rieh  in  früherer  Zeit  die 
Eigenschaft  eines  Gutes  als  errungen  eben  nur  nach  dem  Umstände, 
oh  dasselbe  in  der  Ehe  erworben  war;  für  den  Begriff  der  Errungen- 
schaft kam  es  nicht  darauf  an,  ob  das  Vermögen  durch  irgend  einen 
Erwerb- Act  vermehrt  worden  und  noch  weniger  wurde  sie  darnach  be- 
rechnet, ob  schliesslich  nach  Abzug  der  beiderseitigen  Hinten  noeh 
etwas  weiteres  vorhanden  war,  vielmehr  war  die  Thatsaehe  entschei- 
dend, dass  ein  neues  Vennögensstück  erworben  wurde.  Es  ist  diese 
natürliche  Auffassung  der  errungenen  Güter  sehr  begreiflieh ,  wenn 
man  bedenkt,  dass  es  sich  dabei  nur  um  Liegenschaften  handelte, 
denn  das  rechtliche  Schicksal  der  Fahrhabe  war,  gleichviel  ob  infe- 
rirt  oder  errungen,  so  sehr  dasselbe,  dass  auf  diesen  Unterschied 
nichts  ankam.  Ob  aber  eine  Liegenschaft  ererbt  oder  in  der  Ehe  er- 
worben war,  blieb  allen  Interessenten  auch  ohne  Inventar  leicht  im 
(iedächtniss  und  hatte  überdies  seine  grosse  Bedeutung  Tür  die  näch- 
sten Verwandten.    Es  änderte  auch  daran  nichts,  ob  das  neue  Gut 
aus  dem  eingebrachten  Baarvcrmögcn  des  einen  Gatten  oder  selbst 
aus  dem  Erlöse  eines  eingebrachten  Immobile  angeschafft  worden  war. 
Nur  alhnählig  drang  das  Surrogat-Princip  ein,  so  dass  wenigstens 
das  für  ein  inferirtes  Immobile  neu  angeschaffte  auch  ohne  besondere 
Verabredung  an  des  ersteren  Stelle  trat.    Diese  Auffassung  ist  z.  B. 
in  der    chur-cöllnischen    Rechtsordnung    von    1063  ausgesprochen 
(vgl.  meinen  Aufsatz  in  der  Zeitschrift  X.  41)  und  gilt  noch  heutigen 
Tages  in  der  Grafschaft  oder  dem  Veste  Recklinghausen.  Obwohl 
nemlich  dies  Vest  in  Westfalen  liegt,  so  bildete  es  doch  einen  Be- 
standtheil  des  Erzstifts  Cöln*und  erhielt  dadurch  auch  das  fränkische 
Recht,  wie  es  im  Erzstifte  Cöln  galt.  Die  Recklinghäuser  (ig.  nähert 
sich  daher  der  hiesigen  in  vielen  Punkten  und  die  Darstellung  der- 
selben —  welche  zuletzt  A.  ('.  Welt  er  in  seinem  „Handbuch  über 
das  eheliche  Güterrecht  in  Westfalen"  (Paderborn  1861)  S.  118—135 
gegeben  hat  —  ist  auch  für  das  hiesige  Recht  von  grossem  Interesse. 
Die  Reformation  von  1500  steht  nun  offenbar  auf  demselben  Stand- 
punkt und  in  Thl.  III.,  Titel  6  der  ern.  Ref.  blickt  noch  deutlich 
dieselbe  Auffassung  durch.    Aber  sie  ist  in  Thl.  V,  Tit.  5  und  noch 
bestimmter  in  dem  gemeinen  Bescheid  von  1734  verdrängt  worden 
durch  die  Characterisirung  der  Errungenschaft  als  des  bei  der  Tren- 
nung der  Ehe  über  die  beiderseitigen  Illaten  hinaus  noch  vorhandenen 
Vermögens,  womit  dann  an  Stelle  eines  einfachen  thatsächlichen  Ver- 
hiiltnisses  eine  künstliche  Etatwirthschaft  mit  Abrechnungsverfahren 

18* 


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-    276  — 

getreten  ist,  wie  Gerber  (Jahrbücher  I.  250)  richtig  bemerkt  In 
Beziehung  auf  diese  Errungenschaft  besteht  daher  zwischen  den  Ehe- 
gatten, wie  der  oben  erwähnte  Bescheid  von  1734  sagt,  eine  societa? 
bonorum  conjngalis  zu  gleichen  Theilen  und  es  ist  diese  Bezeichnung 
dahin  zu  verstehen,  dass  diese  societas  nicht  schlechthin  nach  den 
Vorschriften  des  römischen  Rechts  zu  beurtheilen,  sondern  durch  den 
Zweck  der  Ehe  modificirt  ist.    Daraus  folgt,  dass  kein  ehelicher  s*- 
cius  auf  Realthcilung  klagen  oder  seinen  Antheil  eigenmächtig  an 
einen   Fremden  veräussern  kann.    Es  liegt  hier  ein  Miteigenthuro 
zweier  in  einer  organischen  Verbindung,  in  einer  Genossenschaft  ste- 
hender Personen  vor  (wie  sich  Scheele  syst  Darstellung  der  Lipp- 
städter Gg.  Lippst.  1857  S.  6  ausdrückt),  und  es  ist  nicht  uöthig. 
diese  Besonderheiten  mit  Malss  (Zum  Güterrechte  der  Ehegatten  in 
Fr.  Zweiter  Beitrag  1863  8.  15)  aus  einem  Gesammteigenthum  herzn 
leiten.    Von  einer  ehelichen  Errungenschaft,  als  einem  Activ-SaJdo. 
kann  daher  eigentlich  nicht  die  Rede  sein,  so  lange  die  Schlussbilanz 
der  Ehe  nicht  gezogen  ist  (Malss  1.  1.  16)  und  es  steht  damit  in 
Widerspruch,  wenn  die  in  einer  Ehe  vorhandenen  Güter  im  Zweifel 
als  errungene  angesehen  werden.    Aber  ein  solcher  Nothbehelf  ist 
nicht  zu  entbehren,  wenn  es  an  den  erforderlichen  Grundlagen  fehlt. 
Eine  Etatwirthschaft,  mit  Abrechnungen  und  Bilanzen,  ist  nemlich 
ohne  Inventarien  nicht  möglich,  solche  sind  aber  in  Frankfurt  weder 
bei  Eingehung  der  ersten  Ehe  vorgeschrieben  oder  üblich,  noch  wer- 
den sie  durchgängig  bei  Eingehung  einer  zweiten  Ehe  errichtet,  da 
die  dcsfallsigc  Vorschrift  der  Reform,  in  Beziehung  auf  den  pater 
binubus  schon  längst  ausser  Gebrauch  gekommen.  (VergL  Souchav 
Anmerk.  zur  Reform.  S.  603.)    Wirklich  genaue  Theilungs-Reeesse 
können  daher  auch  nur  in  den  wenigsten  Verlassenschaftssachen  er 
richtet  werden,  mit  Hülfe  jenes  Nothbehelfs  werden  sie  zumeist  com- 
promissartig  angefertigt.    Doch  mag  sich  dies  ausgleichen  mit  den 
Nachtheilen  oder  Unzuträglichkeiten,  die  gar  manchmal  die  durch  eine 
Inventarisation  erzwungene  Blosstellung   der  Vennögensverhältnis?e 
im  Gefolge  haben  könnte.    Wreit  schwieriger  scheint  mir  die  Recht- 
fertigung eines  neuerdings  aufgekommenen  Verfahrens,  wegen  der 
Schulden  eines  Ehegatten  dessen  ideelle  Hällte  an  den  in  der  Ehe 
erworbenen  Liegenschaften  während  der  Ehe  zwangsweise  zu  ver- 
äussern. Denn  dies  Verfahren,  was  sich  nur  an  den  obengeschilderten 
alten  Begriff  errungener  Güter  anlehnen  könnte,  steht  doch  im  offen- 
baren Widerspruch  mit  dem  neuen  Begriff  der  ehelichen  Errungen- 
schaft als  eines  Activ-Saldo's  bei  Auflösung  der  Gg.    Wo  liegt  dann 
die  Gewissheit,  dass  ein  solches  in  der  Ehe  errungene  Grundstück 


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wirklich  z.  B.  dem  Ehemann  zur  Hälfte  gehört,  da  noch  nicht  einmal 
feststeht,  ob  Uberhaupt  eine  eheliche  Errungenschaft  vorhanden  ist? 
Ich  kann  mich  hier  dem  nicht  anschliessen ,  was  Malss  (zum  Güter- 
recht der  Ehegatten,  dritter  Beitrag,  das  System  des  ehel.  Schulden- 
wesens, Fr.  1853,  §.  12—23)  ausführt 

Was  sodann  die  eingebrachten  Güter  der  Ehegatten  anlangt,  so 
ist  das  deutsclircchtliche  Princip  (vgl.  oben  S.  269)  in  soweit  durch- 
gedrungen ,  als  der  Unterschied  zwischen  bona  dotalia  und  parapher- 
nalia  nicht  mehr  bestehet,  i9)  vielmehr,  wie  namentlich  die  Concurs- 
ordnung  zeigt,  in  dem  allgemeinen  Begriff  des  unter  der  Verwal- 
tung des  Mannes  stehenden  Frauenguts  aufgegangen  ist  Eine  dos 
im  römisch  rechtlichen  Sinne  kann  allerdings  noch  bestellt  wer- 
den, aber  es  pflegt  so  wenig  zu  geschehen  als  die  Bestellung  einer 
Widerlage. 

Das  Verhältniss  während  der  Ehe  beruht  noch  auf  der  altfrän- 
kischen Grundlage.  Während  der  Ehemann  als  Haupt  der  ehelichen 
Genossenschaft  (denn  auf  die  alte  Mundial  -  Gewalt  kann  man  dies 
jetzt  nicht  mehr  wold  zurückführen)  die  Verwaltung  des  gesammten 
eingebrachten  und  errungenen  ehelichen  Vermögens  hat80),  und  die 
darin  befindlichen  beweglichen  Gegenstände  ohne  Zuziehung  seiner 
Frau  veräussern  kann21),  ist  er  nicht  berechtigt,  liegende  Güter  ohne 
die  Einwilligung  und  Mitwirkung  seiner  ^Ehefrau  zu  veräussern,  sie 
mögen  nun  von  ihm  oder  der  letzteren  eingebracht  oder  errungen  sein. 
Der  Ehefrau  dagegen  stehet  nur,  soweit  es  die  Besorgung  der  Küche 
und  des  Haushalts  mit  sich  bringt,  eine  Verfügung  über  das  eheliche 


•9)  Vergl.  auch  was  Evclt  das  eheliche  Güterrecht  S.  10  von  den  Ansichten 
der  preuss.  Gerichte  über  diese  Frage  sagt. 

w)  Ee  ist  dies  Verhältniss,  wie  oben  bemerkt,  als  Güter  vermisch  ung  be- 
aeiebnet  und  entspricht  dem,  was  Runde  (deutsches  ehel.  Güterrecht.  Oldenb. 
1841  S.  74)  eine  formelle  eigentümliche  Gg.  nennt 

")  Bezüglich  der  beweglichen  Dotalsachen  sagt  dies  die  Reformation  aus- 
drücklich. Vgl.  Sonchay  Anm.  390.  Aber  auch  hinsichtlich  der  übrigen  lllaten 
der  Frau  laset  es  sich  nicht  I  cstrciten  und  ebensowenig  scheint  mir  das  Bedenken 
begründet,  welches  Bender  ilandbuch  des  Frankfurter  Privatrechts  S.  63  bezüg- 
lich dos  ehemännlichen  Verwaltnngsrechts  äussert.  Die  Ehefrau  kann  gegen  eine 
üble  Verwaltung  des  Mannes  Hülfe  bei  den  Gerichten  suchen  und  wenn  der  Mann 
nicht  mehr  solvent  ist,  Separation  beantragen,  aber  ihre  von  ihm  veräusserten 
Mobilien  kann  sie  nicht  vindiciren.  Auf  ihre  Spillgüter  hat  dies  natürlich  keine 
Anwendung  und  es  lässt  sich  auch  wohl  behaupten,  dass  die  zu  ihrem  leiblichen 
Gebrauch  bestimmten  Dinge,  wie  ihre  Kleider,  Wäsche  u.  dgl.  nicht  einseitig  von 
dem  Hanne  veräussert  werden  dürfen. 


278  - 


Vermögen  zu.    Au*  dem  Wesen  der  Ehe  folgt,  dass  die  Benutzung 
des  ehelichen  Vermögens  auch  der  Ehefrau  gebührt.    Die  eben  In 
sehriebeno  Stellung  de»  Ehemannes  bringt  es  nun  mit  sich,  dass  er 
es  auch  vorzugsweise  ist,  der  das  eheliche  Vermögen  mit  Schnlderj 
beschweren  kann.    Es  fragt  sich  also,  in  wie  weit  die  Ehefrau  per 
sönlich  oder  ihr  Vermögen  für  diese  Schulden  verhaftet  sind.  Mab- 
(a.  a.  O.  S.  015)  unterscheidet  die  zum  Zwecke  der  Ehe  gemachten 
Schulden  von  den  Sonderschulden,  die  ein  Gatte  einseitig  oder  welch« 
beide  Gatten   gemeinschaftlich  für  andere  Zwecke  contrahiren  und 
behauptet,  dass  beide  Gatten  für  die  eigentlichen  Eheschulden  solida 
risch  verhaftet  seien,  was  zwar  die  Reformation  nicht  ausdrücklich 
sage,  aber  aus  dem  Entwicklungsgange  unseres  Rechts  folge.  Auch 
diese  Ansicht  kann  ich  bezüglich  der  Ehefrau  nicht  theilen.  Die 
Frau  haftet  für  die  Elteschulden,  die  der  Mann  persönlich  oder  dir 
sie  innerhalb  des  ihr  zugewiesenen  Wirkungskreises  contrahirt,  weder 
persönlich  noch  in  solidum,  noch  mit  ihren  Illaten,  wenn  sie  nicht  aus- 
drücklich die  Mithaftung  übernimmt.    Mir  scheint  dies  grade  aus  dem 
Stillschweigen  der  Reformation,  welche  doch  sonst  die  Sol idarverbind 
lichkeit  der  Frau  in  einzelnen  Fällen  erwähnt,  ebenso  hervorzugehen, 
als  wie  aus  dem  Einfluss,  welcher  dem  römischen  Rechte  in  dieser 
Lehre  eingeräumt  wurde.    Die  Bedeutung  der  privilegia  dotis  et  illa- 
torum,  sowie  das  beneficium  separationis  würde  so  gut  wie  aufge- 
hoben sein,  wenn  die  Frau  damit  nur  die  Befreiung  von  den  Sonder- 
schulden des  Mannes  (ibid.  S.  45)  erlangen  sollte. 

Der  Unterschied  zwischen  den  liegenden  und  fahrenden  Gütern, 
welcher  während  der  Ehe  in  Beziehung  auf  die  Veräusserungsbefug- 
niss  des  Mannes  hervortritt  und  hier  seineu  guten  Grund  hat,  wird 
auch  bei  der  ehelichen  Erbfolge  beobachtet  und  gehört  da  nicht  zu 
den  Vorzügen  des  hiesigen  Rechtes.  Wenn  nach  dem  alten  Rechte 
der  überlebende  Gatte  die  fahrende  Habe  erhielt  und  darüber  ak 
Mobiliarerbe  frei  verfügen  konnte,  so  richtete  sich  dies  nach  der  Be- 
schaffenheit der  einzelnen  Gegenstände,  wie  sie  eben  in  dem  Zeit- 
punkt der  Auflösung  der  Ehe  vorhanden  waren.  Der  gemeine  Be- 
seheid von  1754  setzt  dagegen  fest,  dass  die  Eigenschaft  der  einzelnen 
Vcrmögeusstückc  bei  dem  Einbringen  in  die  Ehe  auch  bei  deren 
Trennung  massgebend  sein  solle:  es  kann  daher  ein  Ehegatte  z.  B. 
nicht  mehr  eigene  fahrende  Habe  hinterlassen,  als  er  eingebracht  hat 
und  wenn  er  während  der  Ehe  eine  Liegenschaft  veräussert  hat,  so 
wird  deren  Erlös  bei  der  Auflösung  der  Ehe  als  immobil  angeseh-  n. 
Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  bei  dem  Mangel  von  Eingangs -In ven- 
tarien  hier  Anlass  zu  Zweifeln  und  Zwistigkeiten  genug  geboten  ist. 


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-    279  - 


Uobrigens  ist  das  hiesige  Recht  auch  dem  allgemeinen  Gang  der 
Entwicklung,  die  Eigenschaft  des  liegenden  Guts  mancherlei  an  sich 
beweglichen  Gegenständen  beizulegen,  sie  zu  immobilisircn ,  um  das 
Erbrecht  des  überlebenden  Gatten  im  Interesse  der  Kinder  zu  be- 
schränken, gefolgt,  und  hat  daher  nicht  nur  jährliche  Renten,  Gülten, 
verpfändete  Schulden  u.  dergl.,  sondern  in  Erbschaftsfallen  auch  die 
Handelsgüter  für  unbewegliche  Güter  erklärt. 

Die  Reformation  spricht  zwar  auch  da,  wo  sie  dem  überlebenden 
Gatten  seinen  Anthoil  au  der  Errungenschaft  zuschreibt,  von  einem 
„cigenthümlich  zufallen  und  erblich  aufersterben",  allein  es  ist  nicht 
streitig,  dass  der  überlebende  Gurte  die  halbe  Errungenschaft  jure 
communionis  und  nicht  als  Erbe  erhält.  Ebenso  ist  der  Beisess 
desselben  an  dem  auf  die  Kinder  oder  sonstige  Erben  des  verstor- 
benen fallenden  Nachlasse  nicht  als  ein  von  der  Reformation  gewährter 
Erb  vortheil,  sondern  als  Folge  des  ehelichen  Güterverhältnisses  anzu- 
sehen und  kann  daher  von  dem  überlebenden  Gatten  nur  in  so  weit 
angesprochen  werden,  als  ihm  überhaupt  die  s.  g.  Statutgebühr  zu- 
kommt. Ist  ihm  z.  B.  in  dem  Ehe  vertrage  anstatt  der  portio  statutaria 
eine  bestimmte  Geldsumme  oder  Rente  zugewiesen,  so  kann  er  den  Beisess 
auchnicht  seinenKindern  gegenüberals  ein  elterliches  Recht  beanspruchen. 

Das  eheliche  Schuldenwesen  bei  Auflösung  der  Eho  endlich  hat 
sich  in  mancher  Beziehung  anders  gestaltet,  als  wio  es  die  Reforma- 
tion anordnet.  Auch  hier  wirkt  der  Unterschied  zwischen  dem  lie- 
genden mid  fahrenden  Gute  bedeutond  ein.  Denn  der  §.  2  Tit.  7 
Theil  IV.  der  Ref.,  wonach  der  Statutarerbe  alle  Schulden  zahlen  soll, 
ist  nie  practisch  geworden,  sondern  die  Immobiliarerben  müssen  auch 
die  Immobiliar-Schulden  übernehmen  (Souchay  Anm.  S.  025).  In 
dem  alten  Recht  war  dies  anders,  der  Mobiliarerbe  konnte  da  wohl 
zur  Zahlung  aller  Schulden  verpflichtet  werden,  weil  es  Immobüiar- 
schulden  im  jetzigen  Sinne  nicht  gab,  da  bei  Bestellung  eines  Zinses 
oder  dem  Verkauf  einer  Rente  aus  einem  Immobil  das  später  s.  g. 
Obereigenthum  desselben  an  den  Zins-  oder  Renten -Berechtigten 
überging. 

Die  Reformation  ging  von  der  Ansicht  aus,  dass  nur  die  Ehe- 
frau an  der  Errungenschaft  Theil  nehmen  solle,  welche  bei  einein 
etwaigen  Verluste  auch  dafür  aufzukommen  habe.  Sic  sagt  (Thl.  III. 
Titel  7  §.  17)  „Und  dieweil  das  Weib  in  solchen  gemeinen  Händeln 
in  gleicher  Gefahr  und  Verlust  stehen  muss,  so  ist  auch  billig,  dass 
ihr  aus  solchem  Handel  aller  Gewinn  auch  gleich  zustehe."  Geringe 
Leute,  die  Leib  an  Leib,  Gut  an  Gut  heiratheu  (III,  1  §.  3),  Hand- 
werker und  Weingärtner  (III,  7  §.  20,  V.  5  §.  6),  Eheleute,  die  «inen 


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280 


gemeinen  Handel  treiben  oder  die  Wirthseliat't  halten  (III,  7  §.  12j, 
erringen  mit  einander  und  haften  gleichmässig  für  die  Schulden,  ohne 
dass  sie  das  beneficium  separationis  hätten.  Wemi  aber  ein  Ehe- 
gatte allein  Ilandthierung  oder  Kaufmannschaft  treibt,  so  fallt  sein 
Gewinn  nicht  in  die  Errungenschaft  (V.  5  §.  5),  dagegen  steht  aber 
dann  der  Frau  das  Hecht  der  Renunciation  und  Separation  zu  Rettung 
ihres  Vermögens  zu.  Ganz  gegen  die  Worte  und  den  Gebt  der 
Reformation  hat  sich  daher  die  (von  Souchay  Anm.  S.  909  flg.  mit 
Hecht  bestrittene)  Uebung  geltend  gemacht,  dass  die  Frau  auch  an 
dem  Handelsgewinn  des  Mannes  Thcil  nehme,  ohne  ihr  Separations- 
recht einzubüssen,  wenn  der  Handel  des  Mannes  nicht  ausdrücklich 
als  ein  Sondergeschäft  desselben  erklärt  worden  Bei.  Denn  dadurch 
ist  die  Frau  eines  Handelsmanns  in  eine  bevorzugte  Stellung  gegen- 
über den  Frauen  anderer  Geschäftsleute  gekommen,  welche  ihr  das 
Gesetz  nicht  einräumen  wollte  22).  Das  Gesetz  vom  5.  Nov.  1850  hat 
nun  allerdings  alle  Ehefrauen  im  Güterrechte  gleichgestellt  und  hat 
damit  dies  Missvcrhältniss  zwischen  Bethciliguug  an  der  Err-  und 
Vcrrungenschaft  verallgemeinert.  Aber  es  hat  auch  durch  Beibehal- 
tung der  für  die  Geltendmachung  des  Absonderungs-Rechts  bestehenden 
gesetzlichen  Vorschriften  einen  neuen  MisBStand  geschaffen.  Während 
nemlich  bisher  einzelne  Classen  von  Frauen  (der  Wirthe,  Handwer- 
ker etc.)  unbedingt  von  dem  Separationsrechte  ausgeschlossen  waren, 
gleichviel  ob  sie  ausserhalb  der  Haushaltung  in  dem  Geschäfte  mit- 
thätig  waren  oder  nicht,  so  werden  sie  jetzt  nur  von  dieser  Rcchts- 
wohlthat  ausgeschlossen,  wenn  man  ihnen  eine  solche  Mitthätigkeit 
in  dem  Geschäfte  speziell  nachweisen  kann18).  Das  Ergcbniss  ist 
also,  dass  z.  13.  die  Ehefrau  eines  Wirths  oder  Handwerkers,  welche 
sich  um  das  Geschäft  ihres  Mannes  nicht  bekümmert,  für  dessen  Schul- 
den nicht  haftet,  ohne  dadurch  ihren  EmingcnBchaft-Anthcil  einzubüssen, 
dass  sie  aber  ihr  eingebrachtes  Vermögen  auf  das  Spiel  setzt,  so  wie 
sio  sich  beigehen  lässt,  dem  Manne  in  seinem  Geschäfte  Hülfe  zu 
leisten.  Eine  Reehtsverbessemng  ist  daher  in  diesem  letzten  legis- 
latorischen Werke  nicht  wohl  zu  erblicken. 


u)  Wenn  aber  der  Ehemann  in  einer  Handels  Gesellschaft  stehet  und  das  Ver- 
mögen seiner  Fran  in  dieselbe  einbringt,  so  ist  nach  den  Bestimmungen  des  all 
gem.  deutsehen  Handels  Gesetzbuch»  §.  110.  122  dies  Vorrecht  jetzt  sehr  gefährdet. 

»)  Mal 8  8  zum  Güterrechte  III.  14  ist  zwar  der  Meinung,  dass  das  Gesetz 
diese  Bedingung  grade  abgeschafft  und  nur  die  Praxis  sie  wieder  eingeführt  habe. 
Dann  müsste  ich  die  Praxis,  die  er  lobt,  anklagen.  Aber  die  erwähnte  Beibehal- 
tung der  früheren  Vorschriften  spricht  gegen  seine  Ansicht. 


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281 


V. 

Es  ist  eine  bekannte  Thatsache,  dass  in  Deutschland  auf  keinem 
Theilo  des  Rechtsgebicts  eine  so  grosse  Verschiedenheit  und  Mannich- 
faltigkeit,  aber  auch  vielfach  eine  so  grosse  Unklarheit  und  Verwir- 
rung gefunden  wird,  wie  in  der  Lehre  von  dem  ehelichen  Güter- 
rechte. Der  Widerspruch,  in  dem  hier  das  römische  Recht  mit  den 
nationalen  Ansichten  sich  befindet,  die  Ausdauer,  mit  welcher  das 
Volk  an  seinen  hergebrachten  Gewohnheiten  selbst  in  Einzclnheitcn 
fest  hielt  und  die  Notwendigkeit,  dieselben  möglichst  zu  schonen, 
tragen  hieran  die  Schuld.  Nicht  selten  wichen  auch  die  Gerichte  in 
der  rechtlichen  Auffassung  der  Verhältnisse  von  einander  und  von 
der  im  Leben  herrschenden  Uebung  ab  ,  so  dass  Theorie  uud  Praxis 
nicht  im  Einklänge  standen.  Deswegen  machte  sich  häufig  das  Bc- 
dürfniss  geltend,  theils  diesen  Ungewissheiten  überhaupt,  theils  den 
vielerlei  Abweichungen,  welche  oft  in  den  Rechten  der  zu  einem  Ge- 
biete gehörenden  Orte  hervortraten,  auf  dem  Wege  der  Gesetzgebung 
ein  Ende  zu  machen.  Was  in  früheren  Zeiten  in  dieser  Hinsicht 
geschah,  soll  hier  nicht  erwähnt  werden.  Noch  mehr,  wie  früher  ist 
jetzt  das  Streben  darauf  gerichtet,  mit  Benutzung  der  Ergebnisse, 
welche  die  neuen  wissenschaftlichen  Forschungen  auch  in  dieser  Lehre 
erzielt  haben,  das  eheliche  Güterrecht  von  der  Herrschaft  bioser  Ge- 
wohnheiten zu  befreien  und  auf  fester  Grundlage  in  consequentcr 
Ausbildung  zu  ordnen.  Diesem  Streben  verdanken  die  verschiedenen 
Entwürfe  zu  Gesetzen  über  das  eheliche  Güterrecht  ihre  Entstehung, 
welche  theils  als  Privat- Arbeiten  von  einzelnen  Gelehrten  ausgegangen, 
theils  von  Seiten  der  Regierungen  veröffentlicht  worden  sind ,  um  die 
Stimmen  sachverständiger  Leute  zu  vernehmen,  ehe  es  zum  wirk- 
lichen Erlasse  des  Gesetes  kam.  So  wurde  im  Königreich  Würtem- 
berg  durch  das  Justizministerium  der  Entwurf  eines  Gesetzes  über 
die  eheliche  Gg.  mit  Motiven  durch  den  Druck  (Stuttgart  1840)  zur 
allgemeinen  Kenntniss  gebracht,  der  im  Anschlusa  an  das,  bestehende 
würtemb.  Recht  namentlich  die  Errungenschafts  -  Gemeinschaft  be- 
handelte. Besondere  Beachtung  verdient  sodann  der  Gesetzes  -  Ent- 
wurf über  die  Vermögensverhältnisse  der  Ehegatten  unter  Lebenden 
und  auf  den  Todesfall,  welchen  der  Oldenburgischc  Ober-App.Gcrichts- 
Präsidcnt  C.  L.  Runde  als  dritten  Theil  seines  Werks  über  deut- 
sches eheliches  Güterrecht  (Old.  1841)  mit  grosser  Sorgfalt  und  Sach- 
kenntniss  nach  dem  Bedürfniss  der  Länder  sächsischen  Rechts  ausge- 
arbeitet hat.    Derselbe  lässt  die  Eheleute  in  dem  Eigenthum  nach 


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-    282  - 


getrennten  Gütern  leben,  gibt  aber  dem  Eheinanne,  dem  der  eheliche 
Erwerb  allein  gehört,  Nießbrauch  und  selbständige  Verwaltung  an 
dem  gesammten  Vermögen  seiner  Frau.  Es  ist  dies  das  System  der 
Gütervereiniguug,  welches  er  als  das  ursprunglich  deutsche  Recht  au- 
erkeunt.  Vor  Kurzem  ist  nun  auch  der  Entwurf  eines  Gesetzes  über 
das  eheliche  Güterrecht  auf  Grund  der  bayerischen  Statutarrechte 
von  Otto  von  V öld er ndorff  (Erlangen  1867)  erschienen.  Da  in 
Baiern  das  Verhältniss  des  gesonderten  Vermögens  als  Dotalrecht 
(d.  h.  nicht  als  reines  römisches  Dotalrecht,  sondern  als  deutsches 
lllatenrecht)  mit  der  deutsch  rechtlichen  Modifikation  der  Mobiliar- 
und  Errungenschafts-Gemeinschaft  ebenso  sehr  verbreitet  ist  als  die 
allgemeine  Ggcraeinschaft ,  so  ist  in  diesem  Entwürfe  Rücksicht  auf 
diesen  doppelten  Güterstaud  genommen ;  die  Ehegatten  lebeu  iu  dem 
Güterstandc  des  gesonderten  Vermögens,  wenn  sie  nicht  durch  Ehe- 
vertrag festsetzen,  dass  sie  in  Gg.  leben  wollen  (Art.  1.  7. ).  In  dem 
erstercu  Güterstandc  soll  nun  der  Ehemann  zum  Vormunde  der  Frau 
werden  (Art.  11.),  die  Verwaltung  und  den  Niessbrauch  an  dem  Ver- 
mögen der  Frau  (mit  Ausschluss  ihres  Sonderguts)  haben  (Art  25), 
und  zur  Veräusserung  der  eingebrachten  beweglichen  Sachen  der 
Frau  befugt  sein  (Art.  27.),  eingebrachte  Forderungen  und  Schuld- 
briefe auf  deu  Inhaber  oder  auf  den  Namen  der  Frau  aber  darf  er 
ohne  deren  Zustimmung  nicht  eediren,  verkaufen  oder  aufkündigen 
(  Art.  28.),  zur  Veräusserung  eingebrachter  Liegenschaften  der  Frau 
bedarf  er  ausserdem  noch  der  Einwilligung  eines  ausserordentlichen 
Vonuunds  (Art  29.).  Für  Schulden,  welche  die  Frau  ohne  Zustim- 
mung des  Mannes  contrahirt,  haftet  weder  ihr  Eingebrachtes  noch  ihr 
Sondergut  (Art  37.);  wenn  aber  Mann  und  Frau  ein  öffentliches 
Gewerbe  treiben  oder  der  Mann  allein  ein  Kauf-  oder  Banquierge- 
sehäft  betreibt,  soll  die  Frau  für  alle  Geschäftsschulden  solidarisch 
mit  ihrem  Eingebrachten  wie  mit  ihrem  Sonderguto  haften  (Art.  42). 
Tu  der  Ehe  erwirbt  die  Frau  dem  Manne  (Art.  18. ),  bei  Auflösung 
der  Ehe  aber  wird  die  Errungenschaft  (d.  h.  was  nach  Abzug  der 
beiderseitigen  lila  ton  und  der  gemeinschaftlichen  Schulden  übrig 
bleibt)  besonders  vererbt.  Bei  dem  Güterstandc  der  Gg.  wird  das 
gesammte  Vermögen  der  Gatten  dergestalt  ein  Gut,  dass  kein  Gatte 
mehr  mit  Wirkung  sagen  kann,  „dieses  oder  jenes  ist  mein"  (Art.  51 ), 
vielmehr  steht  das  Eigenthum  an  der  Gg.  nur  der  Ehegenossenschaft 
zu  (Art.  76.) :  über  die  Fahrnis*  kann  der  Mann  selbständig  verftigeu : 
über  Liegenschaften,  Forderungen  und  Schuldbriefe  auf  den  Inhaber 
oder  auf  Namen  aber  müssen  beide  Gatten  gemeinsam  verfugen 
(Art  77.).    Stirbt  der  eine  Gatte,  so  wird  das  Vermögen  der  (ig. 


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-    283  - 


Alleineigenthuin  des  Ucberlcbcnden ,  es  mögen  Kinder  da  sein  oder 
nicht  (Art.  93).  Aber  bei  zweiter  Elio  muss  er  zwei  Dritttheile  des 
Vermögens,  wie  es  bei  dem  Tode  des  andern  Ehegatten  vorhanden 
war,  den  Kindern  hinausgeben  (Art.  98).  Eine  Kritik  der  Einzeln- 
heiten dieses  Entwurfs,  dessen  Grundzüge  ich  hier  hervorgehoben 
habe,  würde  zu  weit  führen;  er  enthält  zwar  manche  gute  Bestim- 
mungen, wozu  ich  namentlich  zähle,  dass  die  Errungenschaft  bei  dem 
Güterstande  des  getrennten  Vermögens  während  der  Ehe  nicht  als 
eine  besondere  Masse  betrachtet  wird  ( es  ist  dies  meines  Erachtens 
auch  der  Standpunkt  der  Volksrechte,  welche  der  Ehefrau  nach  Auf- 
lösung der  Ehe  einen  Tlicil  der  errungenen  Güter  zuweisen,  aber 
kerne  Err.-Gemcinschaft  kenneu),  im  Allgemeinen  jedoch  kann  ich 
dem  Lobe  nicht  beistimmen,  was  ihm  im  liter.  Centraiblatt  (1867, 
Sp.  577)  gespendet  wird,  und  kann  nicht  glauben,  dass*  ein  Gesetz 
dieser  Art  sich  im  Leben  bewähren  würde.  Die  Qualiticiruug  des 
Ehemannes  als  Vormund  der  Frau  entspricht  nicht  der  heutigen 
Stellung  der  Frauen,  und  die  Zuziehung  eines  ausserordentlichen  Vor- 
munds ist  eine  ganz  überflüssige  Formalität  Die  Beschränkung  des 
Art.  28  ist  störend  und  ungenügend ,  da  der  Mann  doch  berechtigt 
erscheint,  solche  Forderungen  einzuziehen,  wenn  sie  von  dem  Schuld- 
ner selbst  zurückbezahlt  werden.  Ein  Grund,  wesshalb  die  Frau 
eines  Bauquiers  für  dessen  Gesehäftschuldcu  solidarisch  gar  mit  ihrem 
Sondergute  haften  soll,  ist  nicht  ersichtlich.  Das  Eigcuthiun  der  Ehe- 
genossenschaft bei  der  allgemeinen  Gg.  ist  ein  doctrinärer  Begriff 
ohne  alle  practische  Bedeutung  und  nur  ein  anderer  Name  für  das 
Gesammt-Eigenthum,  was  sich  in  Art.  51  ganz  nach  des  alten  Lauge 
Beschreibung  vorfindet. 

Mit  ganz  besonderem  Eifer  war  man  in  Preussen  unter  dem 
Ministerium  des  Herrn  von  Kamptz  bemüht,  das  in  den  einzelnen 
Provinzen,  Gebieten  und  Städten  geltende  zumeist  auf  Gewohnheit 
und  alten  unvollständigen  Statuten  beruhende  eheliche  Güterrecht  in 
präciscr  Formulirung  der  einzelnen  Rechtsnormen  zusammenzustellen 
und  zu  klarer  Anschauung  zu  bringen.  Es  erschien  eine  ganze  Reihe 
von  Entwürfen  der  einzelnen  Provinzial-  und  Statutarrechtc,  welche 
mehrfach  berathen  und  revidirt  nicht  nur  eine  treffliche  Uebersicht 
des  geltenden  Rechts  darboten,  sondern  auch  hinreichendes  Material 
gewährten,  um  unter  Beseitigung  oft  unbedeutender  Difformitäten  und 
gleichgültiger  Spezialitäten,  aber  mit  Erhaltung  dessen,  was  aus  volks- 
tümlicher Rechtsentwicklung  hervorgegangen  und  den  Bedürfnissen 
des  Lebens  entsprechend  sich  gestaltet  hat,  allmählig  zu  einer  ein- 
heitlichen Rechtsbildung  zu  gelangen.   Ein  Verzeichniss  dieser  Ent- 


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—    284  - 

würfe  gehört  nicht  hierher,  nur  beispielsweise  hebe  ich  den  Entwurf 
einer  Verordnung  über  das  Provinzial-Familien-  und  Erbrecht  für  die 
Kurmark  und  die  Neumark  Brandenburg  (Berlin  1838  und  revidirt 
1841),  den  revidirten  Entwurf  des  Prov.-Rechts  des  Ftirstenthums 
Münster  (Berlin  1836),  des  Fürstenthums  Paderborn  (Berlin  1831), 
des  Herzogthums  Cleve  ostseits  des  Rheins  und  der  Grafschaften 
Essen,  Werden  und  Elten  (Berlin  1837),  das  Particularrecht  der 
Grafschaften  Wittgenstein  (Berl.  1837)  hervor. 

Aus  solchon  Vorarbeiten,  als  Frucht  langer  und  vielseitiger  Be- 
rnthungen ist  das  Gesetz  vom  16.  April  1860  über  das  eheliche  Güter- 
Recht  in  der  Provinz  Westfalen  und  den  Kreisen  Rees,  Essen  und  Duis- 
burg hervorgegangen.  **)  Die  Provinz  Westfalen  ist  aus  29  verschie 
denen  Landcstheilen  zusammengesetzt  und  in  ihr  *)  galten  nicht  nur 
vier  verschiedene  Systeme  des  ehelichen  Güterrechts,  das  gemeinrecht- 
liche Dotalrecht  (zumeist  im  Horzogthum  Westfalen),  das  Dotalrecht 
des  allgem.  preuss.  Landrechts  (in  Corvey,  Tecklenburg,  Essen  und 
an  manchen  andern  in  der  ganzen  Provinz  zerstreut  liegenden  Orten), 
die  Partieular-Gg.  (in  Recklinghausen,  Werden,  Siegen,  Wittgenstein,  — 
alles  Gebiete  des  fränkischen  Rechts)  und  die  allgemeine  Gg.  (in 
Münster,  Minden,  Paderborn,  Cleve,  Söst,  Dortmund,  Duisburg  — 
überhaupt  in  17  Landcstheilen),  sondern  innerhalb  dieser  Systeme  gab 
es  wieder  die  mannichfachsten  Abweichungen,  nicht  selten  an  ganz 
nahe  bei  einander  liegenden  Orten.  Dazu  gesellte  sich  noch  eine  grosse 
Unsicherheit  in  dem,  was  wirklich  geltendes  Recht  war,  theils  weil 
die  Grenzen  der  einzelnen  früheren  Territorien  unsicher  geworden 
waren,  theils  weil  Zweifel  obwalteten,  welches  Güterrcchtssystein  in 
einzelnen  Gebieten  die  Regel  ausmache,  theils  weil  der  materielle  In- 
halt der  einzelnen  Rechte  unklar  war  und  von  den  verschiedenen  Gc- 


u)  Dies  Gesetz  hat  schon  verschiedene  Bearbeitungen  gefunden,  von  J.  Evelt 
das  eheliche  Güterrecht  in  der  Provinz  Westfalen  nach  dem  Gesetz  vom  16.  April 
1860,  (Pndcrb.  1861),  von  S.  Sutro  unter  gleichem  Titel  (Münster  1861),  von 
II.  Geck  die  eheliche  Gg.  ein  Coramentar  zu  dem  Gesetze  vom  16.  April  1860 
(Soest  1861),  von  A.  C.  Weiter  Handbuch  über  das  eheliche  Güterrecht  in  West- 
falen (Paderb.  1861).  Letzteres  Werk  gibt  cino  ausführliche  Darstellung  des  frü- 
heren und  jetzigen  Rechts.  Der  Verfasser  des  dritten  Buchs  H  Geck  hat  auf  dem 
dritten  deutschen  Juristentag  (in  Wien,  1862)  den  Antrag  gestellt,  ein  gemeinsa- 
mes Güterrecht  für  ganz  Deutschland  anzustreben  und  die  eheliche  Gg.  als  das 
der  deutschen  Ehe  ontsprochendsto  System  anzunehmen.  Aber  der  Antrag  ging 
nicht  durch    Vgl.  Verhandlungen  des  dritten  d.  Juristentags  II.  203. 

»)  Zuzüglich  der  3  genannten  Kreise,  welche  zur  Rheinprovinz  gehören. 


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-    285  - 


richten  verschieden  aufgefasst  wurde.  26)  Diesem  chaotischen  Zustande 
machte  nach  dem  dringenden  Wunsche  des  Landes  —  dem  auch  mit 
der  Codification  der  einzelnen  Statuten  nicht  gedient  war  —  das  obcn- 
gedachte  Gesetz,  dessen  erste  Anregung  in  das  Jahr  1845  zurückgeht, 
ein  Ende.  Dasselbe  führte  für  den  ganzen  bezeichneten  Ländcr- 
Complex  (von  dem  wunderlicher  Weise  in  Folge  der  Opposition  der 
Majorität  des  Herrenhauses  nur  diejenigen  Landestheile  des  Herzog- 
thums Westfalen  ausgenommen  sind,  in  welchen  bisher  das  Dotal- 
recht  galt)  ein  einheitliches  provinzielles  System  der  allgemeinen  Gg. 
ein,  dem  die  Bestimmungen  des  allg.  Landrechts  über  Gg.  zur  Unter- 
lage dienen.  *7) 

Nach  diesem  Gesetz  gebührt  nun  dem  Ehemann  allein  die  Ver- 
waltung des  gemeinschaftlichen  Vermögens,  alle  von  ihm  gemachten 
Schulden  sind  für  dasselbe  verbindlich  und  er  kann  ohne  Einwilligung 
der  Frau  über  alle  Gegenstände,  selbst  über  die  Liegenschaften  ver- 
fugen und  sie  veräussern:  nur  darf  er  ohne  solche  Einwilligung  Im- 
mobilien oder  die  gesammten  Mobilien  oder  einen  aliquoten  Theil 
derselben  nicht  verschenken,  auch  keine  sogenannte  Uebertrags- 
verträge  abschliessen  (§.  3).  Bei  unbeerbter  Ehe  kann  jeder  Gatte 
für  sich  allein  über  die  Hälfte  des  gcmeinschaftl.  Vermögens  von 
Todeswegen  wegen  verfügen,  bei  beerbter  Ehe  können  die  Ehegatten 
dies  mir  gemeinschaftlich  thun.  Nur  die  sofortige  Schichtung  kann 
jeder  Gatte  allein  anordnen  (§.  6).  Ab  intestato  aber  behält  der 
überlebende  Gatte  die  eine  Hälfte  des  gcmeinschaftl.  Vermögens  als 
sein  Eigenthum:  die  andere  Hälfte  bildet  den  Nachlass  des  ver- 
storbenen und  wird  nach  den  Vorschriften  des  allg.  Landrechts  ver- 
erbt: soweit  er  nicht  an  Kinder  aus  früherer  Ehe  des  verstorbenen 
Gatten  fällt,  hat  der  überlebende  daran  den  Niessbrauch  auf  Lebens- 
zeit (§.  7).  Mit  den  miabgefuiidenen  eigenen  Kindern  setzt  der  über- 
lebende Gatte,  es  sei  Vater  oder  Mutter,  die  Gemeinschaft  fort,  er  hat 
nicht  nur  den  Niessbrauch  des  ganzen  gemeinschaftl.  Vermögens, 


J6)  So  nahm  z.  B.  das  Appell. -Gericht  in  Paderborn  für  die  dortige  Gg.  das 
Consolidations-,  das  Obertribunal  aber  das  Condominal-Princip  an.  Vgl.  Evelt 
S.  3.  In  Werden  nahm  seit  1849  das  Obergericht  eine  Todttheilung  an,  die  Unter-  . 
gerichte  blieben  bei  der  früheren  entgegengesetzten  Ansicht.  Geck  Gg.  S.  48. 

lT)  Einzelne  Gebiete  haben  damit  allerdings  ein  von  ihrem  bisherigen  ganz 
verschiedenes  Recht  erhalten,  im  Allgemeinen  wnrde  aber  doch  auf  das  bestehende 
Recht  Rücksicht  genommen.  In  Schlesien  geschah  dies  gar  nicht:  dorten  bestanden 
64  verschiedene  Particularrcchto  Aber  eheliches  Güterrecht  und  diese  wurden 
sämmtlich  durch  das  Gesetz  vom  11.  Juli  1845  beseitigt,  welches  für  alle  von 
dem  1.  Januar  1846  an  geschlossene  Ehen  das  allg.  Landrecht  einführte. 


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sondern  auch  die  Verwaltung«-  und  Verftlgungsrechtc ,  wie  sie  nach 
§.  3  dem  Manne  während  der  Ehe  zustehen:  dagegen  fällt  Alle», 
was  er  irgendwie  erwirbt,  in  die  Gemeinschaft,  von  dem  Erwerbe  der 
Kinder  aber  nur  der  Ertrag  ihrer  Beihülfe  in  dem  elterlichen  Ge- 
werbe oder  Haushalte  (§.  10).  Die  Wittwe  kann  ihren  späteren  Er- 
werb gegen  die  Ansprüche  der  Gemeinschafts  Gläubiger  durch  ge- 
richtliche Hinterlegung  eines  Inventars  sichern  (§.  12).  Der  über- 
lebende Gatte  darf  jederzeit  die  vollständige  Auseinandersetzung  mit 
den  Kindern  (Schichtung)  verlangen  (§.  13):  er  muss  sie  vornehmen, 
wenn  der  verstorbene  Ehegatte  sie  letztwillig  angeordnet  hat  so  wie 
wenn  er  zur  andern  Ehe  schreitet  (§.  14).  Die  Schichtung  geschieht 
nach  dem  Zustande,  in  dem  sich  das  Vermögen  nun  befindet,  also  ex 
nunc  (§.  15). 

Ob  dieses  neugeschaffene  Recht  sich  in  praxi  bewahrt  oder  etwa 
zu  seiner  Abwehr  eine  Vermehrung  der  Eheverträge  veranlasst  hat. 
ist  mir  nicht  bekannt.  Mit  der  communio  prorogata  werden  sich  wohl 
auch  die  Gegenden  befreunden,  die  sie  bisher  nicht  kannten,  da  die- 
selbe, als  ein  Sitzen  auf  Gedeih  und  Verderb,  dem  Wesen  einer  allg. 
Gg.  entspricht.  Bedenklich  scheint  mir  das  Veräusserungsrecht ,  wel- 
ches dem  Manne  und  resp.  dem  parens  superstes  selbst  über  Immobi- 
lien eingeräumt  ist  und  welches  das  allgemeine  Landrecht  nicht  kennt. 
Ich  kann  in  dieser  Erweiterung  nicht  mit  Geck  (Gg.  S.  18)  eine  dem 
natürlichen  und  gesetzlichen  Berufe  des  Mannes  entsprechende  Stel- 
lung finden  und  Evelt  S.  54  sucht  bereits  nachzuweisen,  dass  der 
Mann  wenigstens  nicht  Über  das  ganze  Vermögen  auf  einmal  im 
Wege  lästigen  Vertrags  unter  Lebenden  verfügen  dürfe.  Wo  aber 
der  Ehemann  die  Einwilligung  der  Frau  bedarf  und  ohne  dieselbe 
handelt,  ist  seine  Handlung  ohne  alle  rechtliche  Wirkung  und  nur 
ein  etwa  dabei  vorkommender  Betrug  etc.  könnte  ihn  zu  einer  Ent-  ' 
Schädigung  verpflichten. 

VI. 

Das  eben  besprochene  Gesetz  vom  16.  April  1860  sollte  nicht 
ohne  Nachfolger  bleiben.  Achnliche  Zustände  wie  sie  in  der  Provinz 
Westfalen  vorhanden  waren  bestehen  in  dem  Bezirk  des  .Justizsenats 
zu  Ehrenbreitstein  und  zur  Beseitigung  derselben  soll  ein  Gesetz  über 
das  Güterrecht  der  Ehegatten  erlassen  werden.  Dieser  Bezirk  ist 
nemlich  aus  einer  grossen  Zahl  kleinerer  Gebietsteile  zusammen- 
gesetzt, und  obwohl  das  eheliche  Güterrecht  in  denselben,  auf  der 
gemeinsamen  Grundlage  de«  fränkischen  Rechts  beruhend,  nach  dem 


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Eindringen  des  römischeil  Rcehts  sich  überall  zu  der  s.  g.  particu- 
lären  Gg.  ausbildete,  so  hat  es  sich  doch  in  den  einzelnen  Gebieten, 
die  unter  verschiedener  Landeshoheit  standen  und   ihre  besondere 
Gesetzgebung  hatten,  in  abweichender  Weise  entwickelt.    Nicht  nur 
gilt  in  einigen  die  blose  Err.-Gemeinschaft,  in  andern  die  Gemein- 
schaft der  Mobilien  und  der  Immobiliar-Errungenschaft,  sondern  auch 
unter  den  Rechten  derselben  Art  herrscht  wieder  im  Einzelnen  selbst 
in  wichtigen  Punkten  eine  erhebliche  Verschiedenheit    So  gelten  in 
diesem  kleinen  Bezirk,  abgesehen  noch  von  einzelnen  Gewohnheiten 
und  Special-Verordnungen,  neun  verschiedene  Statuten.    Die  früher 
zu  Kurköln  gehörenden  Landestheilc  richten  sich  nach  der  kurkölni- 
schen  Rechtsordnung  von  1663.  die  früher  zu  Kurtrier  gehörenden 
nach  dem  Trierer  Landrecht,  in  der  vormaligen  Grafschaft  Sayn- 
Altenkirchen  gilt  das  in  dem  s.  g.  Lamprecht'schen  Statute  aufgezeich- 
nete Gewohnheitsrecht  Während  diese  drei  Rechte  eine  Gemeinschaft 
der  Mobilicn-  und  der  lnimob.-Errungcnschaft  festsetzen,  gilt  eine 
blose    Err.-Genieinschaft  in  der  Stadt  Wetzlar  nach  dem  Mainzer 
Landrecht  von  1755,  in  den  vormaligen  Grafschaften  Solms  nach  dem 
Solmscr  Landrechte  von  1571,  in  dem  früher  Nassau- Weilburg'schen 
Amte  Atzbach  nach  einem  dem  Solmscr  Landrecht  im  Allgemeinen 
conformen  Gewohnheitsrecht,  in  den  früher  zur  Grafschaft  Sayn- 
Hachenburg  gehörigen  Ortschaften  nach  dem  Hachenburger  Statut, 
in  deii  vormaligen  Grafschaften  Wied  nach  der  durch  Gewohnheit 
reeipirten  Nassau-Katzenellenbogen'schen  Landesordnung  und  in  dein 
Stadtbezirke  Bendorf  nach  einem  besondem  Gewohnheitsrechte  28 ). 
Und  auch  über  die   einzelnen  Statute  fehlt  es  bei   deren  lücken- 
hafter, oft  unklarer  Fassung  nicht  an  Zweifeln  und  an  abweichen- 
den Ansichten   der   Gerichte.     Die   hieraus    entspringenden  Miß- 
stände waren  so  fühlbar,   dass  schon  1837  der  Entwurf  eines  ge- 
meinsamen Provinzialrechts  für  diesen  Bezirk   ausgearbeitet  wurde, 
der  überall  die  blose  Err.-Gcmeinschaft    einzuführen  beabsichtigte, 
aber  nicht  zum  Gesetz  erhoben  wurde.    Erst  1863  wurde  dies  Werk 
wieder  aufgenommen.  Im  Juli  d.  J.  veranlasste  die  k.  Regierung  eine 
Confcrenz  von  Gerichtsmitgliedern   und  Vertretern  der  Stadt-  und 
Landgemeinden  dieses  Bezirks,  um  über  ein  neues  Güterrcehts-Gcsetz 
für  denselben  zu  berathen.    In  dieser  Conferenz  sprach  man  sich 
gleichmässig  gegen  die  Einfuhrung  des  Dotalrcchts  (wie  es  das  preuss. 


IH)  Ilierüber  vgl.  Schmitthcnner  deutsches  Güterrecht  der  Ehegatten  in 
bes.  Anwendang  auf  den  k.  preuss.  Ostrhein-Bezirk.  Neuwied  1842.  Hertel 
Rechtsverfassung  der  ostrhein.  Landestheilc,  in  Kaiuptz  Jahrbüchern.   Bd.  20. 


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allgem.  Landrecht  normirt  hat)  und  der  allgemeinen  Gg..  aus,  auch 
die  Mose  Err.-Gemeinschaft  wurde  nicht  beliebt,  obwohl  z.  B.  die 
Vertrauensmänner  aus  dem  Kreise  Wetzlar  sich  nur  schwer  zur 
Aufhebung  derselben  entschlossen,  sondern  die  Gemeinschaft  der  Mo- 
bilicn  und  der  Immob.-Errungenschaft  vorgezogen,  namentlich  auch 
aus  dem  Grunde,  weil  dieselbe  bereits  in  dem  gross  ten  TheiJe  der 
Rheinprovinz  nach  dem  Code  gilt  Das  Resultat  der  Bcrathung  war 
ein  Gesetzes-Entwurf,  der  1865  dem  Abgeordneten-  und  dem  Herren- 
Hause  vorlag,  1866  dem  ersteren  wieder  vorgelegt  und  an  eine  auf 
Grund  des  Beschlusses  desselben  vom  13.  November  1866  besonders 
gewählte  Commission  zur  Begutachtung  verwiesen  wurde.  Diese  Coin- 
mission  theilte  zwar  die  Ansicht  der  Staatsregierung,  dass  nicht  etwa 
durch  eine  Zusammenstellung  der  einzelnen  jetzt  geltenden  Rechte, 
sondern  nur  durch  die  Einfuhrung  eines  einheitlichen  ehelichen  Güter 
rechts  eine  Abhülfe  der  bisherigen  UebelstHnde  bewirkt  werden  könnt», 
aber  sie  erachtete  den  Zeitpunkt  für  den  Erlass  eines  solchen  Ge- 
setzes nicht  geeignet,  weil  auch  in  den  von  Prcussen  neu  erworbenen 
Ländern,  in  Nassau,  Kurhessen,  Frankfurt  a.  M.  und  in  den  von 
Hesscn-Darmstadt  abgetretenen  Landestheilen  zumeist  particulare 
Gg.  gelte , w)  weil  auch  in  diesen  Ländern  ein  Einschreiten  der 
Gesetzgebung  wünschenswert h  scheine  und  weil  daher  ein  gemein 
saraes  Gesetz  für  sämmtlichc  Theilc  Prcussens,  in  denen  bisher  eine 
particulare  Gütergemeinschaft  gegolten  habe,  zweckmässig  sei,  hierzu 
aber  eine  Theilnahme  der  Abgeordneten  der  neuen  Landestheile  an  den 


«)  Der  Bericht  fuhrt  darüber  folgendes  an:  in  Bezug  auf  das  eheliche  Güter- 
recht sei  durch  Verordnung  vom  5.  Juni  18  IG  fiir  das  ganze  Hcrzogthntn  NassiD 
das  Soltn»er  Landrecht  eingeführt,  welches  nur  die  blose  Gemeinschaft  der  En-, 
kenne;  in  den  von  Hessen-Dannstadt  abgetretenen  Landeathcilen  gelte  überall 
nach  einer  landesherrlichen  Verordnung  vom  2.  März  1793  eine  blose  Err. -Gemein 
schaft;  nach  der  Frankfurter  Reformation  gelte  bei  Haadwerkslcuten,  Weingmrfc»- 
arbeitern,  Taglöhnern  und  sonstigen  geringen  Leuten  allgemeine  Gg.,  wogegen  bei 
habhaften  Leuten  nur  eine  Err.-Gemeinschaft  Platz  greife;  in  dem  ehemaligen  Kor 
hessen  gelte  Err -Gemeinschaft  in  Althessen,  im  Rechtsgebiet  der  Solmser  Landes- 
ordnung, d.  h.  im  Fürstenthum  Hanan,  und  im  Rechtsgebiet  des  Mainzer  Land- 
rechts. Dabei  ist  jedoch  die  Angabe  bezüglich  Frankfurts  unrichtig;  hier  gilt 
auch  fiir  Handwerker  und  geringe  Leute,  obwohl  sie  das  beneficium  renunciationis 
nicht  hatten,  keine  allgemeine,  sondern  nur  Err.-Gemeinschaft.  Wenn  nerolich  auch 
unvermögende  Personen,  die  nichts  zusammenbringen,  ohne  Geding  Leib  an  Leib, 
Gut  an  Gut  mit  einander  heirathen,  so  soll  es  doch  mit  dem,  was  sie  in  stehen- 
der Ehe  erwerben  mögen,  grade  wie  bei  andern  Ehegatten  gehalten  werden. 
Ref.  III.  1.  §.  3:  4.  Das  ganze  Vermögen  solcher  Leute  besteht  dann  eben  in 
Errungenschaft!  Bezüglich  dos  Solmser  Rechts  vgl.  oben  Note  18. 


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Berathungen  über  dieses  Gesetz  erfordert  werde.  In  dem  Berichte 
der  Commission  wurde  namentlich  hervorgehoben,  dass  in  diesen 
neuen  Landestheilen  beinahe  durchgängig  die  Mose  Err.-Gemein- 
schaft  gelte,  dass  voraussichtlich  die  Vertreter  derselben  sich  gegen 
die  Einführung  einer  Gemeinschaft  der  Mobilien-  und  der  Immob.- 
Errungonschaft  aussprechen  würden  und  dass  es  daher  unräthlich  sei, 
jetzt  dieses  letztere  Güterrecht  in  den  alten  Landestheilen  einzuführen, 
während  in  den  neuen  ein  anderes  gelte  und  wahrscheinlich  geltend 
bleibe.  Da  die  alten  und  die  neuen  Landestheile  nicht  scharf  von 
einander  abgegrenzt  seien,  sondern  vermischt  unter  einander  lägen, 
so  werde  dadurch  von  Neuem  der  Missstand  hervorgerufen,  dass  in 
demselben  Bezirke  bei  gleichen  Verhältnissen  ein  verschiedenes  liecht 
gelte,  und  die  Rechtsunsicherheit  geschaffen,  dass  man  wieder  fragen 
müsse,  welches  Recht  an  jedem  einzelnen  Orte  gelte.  Von  Seiten  der 
Regierung  wurde  zwar  erklärt,  dass  sie  das  neue  Gesetz  nicht  dem- 
nächst auch  in  den  neuen  Landestheilen  einzuführen  beabsichtige, 
sondern  dort  mit  Aenderungen  in  der  Gesetzgebung  in  Bezug  auf 
das  eheliche  Güterrecht  nur  vorgehen  werde,  wenn  die  neuen  Landes- 
theile den  Wunsch  danach  ausdrücklich  aussprächen.  Die  Commission 
beharrte  jedoch  einstimmig  auf  ihrer  Ansicht  und  beantragte  am  8.  Januar 
1867  die  Ablehnung  des  Gesetz-Entwurfes,  womit  das  Abgeordneten- 
Haus  einverstanden^war. 

Weitere  Schritte  in  dieser  Angelegenheit  sind  noch  nicht  ge- 
schehen, es  stehet  jedoch  zu  erwarten,  dass  sie  nicht  lange  beruhen 
werde  und  dass  auch  die  neuen  Landestheile  bald  in  die  Lage  kommen 
werden,  sich  über  die  Frage  auszusprechen,  ob  ein  gemeinsames 
Gesetz  über  eheliches  Güterrecht  und  welche  Gestaltung  des  letzteren 
wünschen8werth  sei. 

Der  erwähnte  Gesetz-Entwurf,  der  einestheils  vielfach  den  Be- 
stimmungen des  Code  civil  folgt  und  sich  anderntheils  denjenigen  des 
Gesetzes  vom  16.  April  1860  thunlichst  anschließt,  zerfällt  in  3  Titel, 
deren  erster  von  der  gesetzlichen  Gg.,  der  zweite  von  der  vertrags- 
mäßigen Abänderung  der  gesetzlichen  Gg.  handelt  und  der  dritte  die 
Uebergangs-  und  Schlussbestimmungen  enthält80). 

Der  erste  Titel  zerfallt  wieder  in  7  Abschnitte.  Der  erste  ent- 
hält die  allgemeinen  Bestimmungen.    Nach  §.  1  soll,  wie  schon  ge- 


>°)  Er  ist  in  den  Anlagen  zu  den  stenographischen  Berichten  Aber  die  Ver- 
bandlungen des  Hauses  der  Abgeordneten  während  der  I.  Session  der  Legislatur- 
Periode  18G6-1867  sammt  den  Motiven  und  dem  Bericht  (Nr.  88  der  Drucksachen) 
abgedruckt  und  verdiente  diese  werthvolle  Arbeit  wohl  eine  weitere  Verbreitung. 

IV.  19 


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sagt,  unter  den  Ehegatten,  die  ihren  ersten  Wohnsitz  nach  Einge- 
hung der  Ehe   im    Bezirke  des  Justiz  -  Senats   zu  Ehrenbreitstein 
nehmen,  eine  Gemeinschaft  der  Mobilien  und  der  Inimobi- 
liar-Errungenschaft stattfinden.    Der  zweite  Abschnitt  handelt 
von  dem  Aktiv-Bestände  der  Gg.    Zum  Sondergute  eines  Ehegatteu 
gehören  nach  §.  4  nur  die  unbeweglichen  Sachen,  welche    er  bei 
Eingehung  der  Ehe  besitzt  oder  während  der  Ehe  durch  Erbschaft, 
Vermüchtniss  oder  Schenkung  erwirbt  Der  Grundsatz  der  Surrogat«? 
ist  in  §.  7  aufgehoben :  das  Aequivalent  einer  während  der  Ehe  ver- 
äusserten Sonderguts-Sache  fällt  in  die  Gemeinschaft.    Welche  Ver- 
mögensstüeke  aber  zu  den  unbeweglichen,  welche  zu  den  beweglichen 
Sachen  gehören,  wird  durch  die  Grundsätze  des  gemeinen  ltecht? 
bestimmt.    Ausstehende  persönliche  Forderungen,  auch  wenn  sie  ver- 
zinslich oder  durch  Hypothek  oder  Eigenthums  -Vorbehalt  gesichert 
sind  oder  in  Immobiliar-Kaufgeldern  bestehen,  werden  jedoch  zu  den 
beweglichen  Sachen  gerechnet.    Auch  gilt  alles  Vermögen,  welches 
die  Eheleute  bei  Auflösung  der  Gg.  besitzen,  so  lange  für  eheliche 
Err.  bis  das  Gegentheil  erwiesen  ist    (§.  10).    Der  dritte  Abschnitt 
handelt  in  §.  11 — 29  sehr  ausführlich  von  dem  Passiv-  Bestände  der 
Gg.    Hervorzuheben  sind  die  Bestimmungen,   dass   alle  Schuldeu, 
welche  während  der  Ehe  von  dem  Ehemanne  allein,  oder  von  der 
Ehefrau  in  ihrem  häuslichen  Wirkungskreise  oder  von  ihr  im  Interesse 
der  Gemeinschaft  oder  im  Sonder-Interesse  des  Ehemannes  in  dessen 
Auftrag  oder  mit  dessen  Genehmigung  contrahirt  werden,  Gemeinschafts- 
schulden sind  (§.  16),  dass  für  die  Schulden,  welche  die  Ehefrau  in 
ihrem  persönlichen  Sonder-Interesse  oder  im  Interesse  ihres  Sonder- 
guts mit  Genehmigung  des  Mannes  contrahirt,  dem  Gläubiger  das 
Gemeinschaftsvermögcn,  die  Person  imd  das  Sondergut  der  Ehefrau, 
ja  'sogar  Person  und  Sondergut  des  Ehemannes  verhaftet  sind,  wenn 
letzterer  sich  nicht  gegen  die  Selbsthaftung  ausdrücklich  verwahrt 
(§.  17),  dass  aber  Schulden,  welche  die  Ehefrau  ausserhalb  ihres  häus- 
lichen Wirkungskreises  ohne  Auftrag  oder  Genehmigung  des  Mannes 
contrahirt,  für  beide  Ehegatten  unverbindlich  sind  (§.  18).    Wenn  die 
Frau  gemeinschaftlich  mit  dem  Manne  handelt,  oder  sich  mit  Geneh- 
migung desselben  oder  ftir  ihn  verbürgt,  kann  sie  sich  auf  die  Vor- 
schriften über  die  Intcrccssioncn  der  Weiber  nicht  berufen  (§.  20). 
Der  Abschnitt  IV.  betrifft  die  Verwaltung  der  Gg.  und  die  Disposi- 
tionen  der  Ehegatten  unter  Lebenden.    Dem  Ehemanne  allein  ge- 
bührt nun  die  Verwaltung  des  gemcinschaftl.   Vermögens   und  des 
beiderseitigen  Sonderguts.    Er  kann  ohne  Einwilligung  der  Ehefrau  i 
über  alle  zu  dem  gemeinschaftl.  Vermögen  gehörenden  Gegenstände 


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verfügen,  Immobilien  veräussern,  alle  Kapitalien  einziehen,  auch  wenn 
sie  auf  den  Namen  der  Ehefrau  allein  lauten,  u.  s.  w.    Nur  darf  er  • 
ohne  die  Ehefrau  nicht  über  die  gemeinschaftlichen  Immobilien,  über 
das  gesammte  bewegliche  Vermögen  oder  einen  aliquoten  Theil  des- 
selben unentgeltlich  verftlgen  (§.  30).   Auch  bedarf  er  die  Zustimmung 
der  Ehefrau  zur  Veräusscrung  oder  Belastung  der  zu  deren  Souder- 
gut  gehörigen  Immobilien.    Ueber  sein  Sondergut  aber  steht  ihm  freie 
Verfügung  zu  (§.  31).    Die  Ehefrau  dagegen  kann  ohne  Zustimmung 
des  Mannes  nur  innerhalb  ihres  häuslichen  Wirkungskreises  über  be- 
wegliche Sachen  disponiren  (§.  33).    Der  fünfte  Absclinitt,  von  der 
Auflösung  der  Gg.  während  der  Ehe,  gestattet  der  Ehefrau  (abge- 
sehen   vom  Falle  des  Concurses  §.  47)  die  Vermögens- Absonderung 
zu  verlangen,  wenn  wegen  der  Unordnung,  in  welcher  sich  die  An- 
gelegenheiten des  Ehemannes  befinden,  ihr  in  die  Gemeinschaft  einge- 
brachtes Vermögen  oder    ihre  sonstigen  vermögensrechtlichen  An- 
sprüche, namentlich  ihr  Antheil  am  Erwerb  der  Ehe  oder  ihr  Lebens- 
unterhalt gefährdet  sind  (§.  42).    Diese  Absonderung  kann  aber  nur 
nach  stattgehabtem  Beweisverfahren  durch  gerichtliches  Urtheil  er- 
folgen (§.  43).    Der  Abschnitt  VI.  handelt  von  dem  Erbrechte  der 
Ehegatten  und  der  Blutsverwandten  derselben.    Bei  dem  Tode  des 
einen  Gatten  bildet  sein  Sondergut  und  die  Hälfte  des  Gg.-Venuögens 
seinen  Nachlass  (§.  48).  Bei  beerbter  Ehe  fällt  letztere  Hälfte  seinen  Kin- 
dern, sein  Sondergut  zu  einem  Viertheil,  oder  wenn  eins  oder  mehr  Kin- 
der vorhanden,  zu  einem  Kindstheile  dem  überlebenden  Ehegatten,  im 
Uebrigen  den  Kindern  zu.  Der  überlebeude  Ehegatte  setzt  jedoch  mit 
den  Kindern  die  Gg.  fort,  sofern  nicht  von  dem  Verstorbenen  die  sofor- 
tige Auseinandersetzung  letztwillig  angeordnet  worden  ist  (§.  50). 
Während  dieser  fortgesetzten  Gg.  hat  der  überlebende  Gatte  rück- 
sichtlich des  gemeinschaftlichen  Vermögens  und  des  auf  die  Kinder 
vererbten  Sonderguts  des  verstorbenen  Gatten  alle  diejenigen  Dispo- 
sitionsrechte, welche  während  der  Ehe  dem  Ehemannc  zustanden 
(§.  55).    Der  überlebende  Ehegatte  kann  jederzeit  die  vollständige 
Auseinandersetzung  mit  den  Kindern  vornehmen,  bei  Eingehung  einer 
zweiten  Ehe  muss  er  es  thun  (§.  60)  und  die  Kinder  können  sie  ver- 
langen, wenn  der  parens  superstes  unter  Curatel  gestellt  wird  oder 
solche  Umstände  eintreten,  welche  den  Verlust  der  väterlichen  Ge- 
walt nach  sich  ziehen  oder  die  Ehefrau  nach  §.  42.  47  zur  Vermö- 
gens-Absonderung  berechtigt  hätten  (§.  61).    Bei  unbeerbter  Ehe  er- 
hält der  überlebende  Ehegatte  seine  Kleidungsstücke,  Bette  und  Leib- 
wäsche sowie  die  zur  Einrichtung  ihrer  Wohnung  dienenden  Möbel 
und  Hausgeräthschaften  zum  Voraus  (§.  70)  und  erbt  ein  Drittel  oder 

19* 


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die  Hälfte  des  Nachlasses,  je  nachdem  er  mit  Ascendenten,  Geschwi- 
stern und  Geschwisterkindern  oder  mit  andern  Verwandten  de»  ver- 
storbenen Gatten  concurrirt  (§.  71).  Dabei  bleibt  ihm  der  lebens- 
längliche Niessbrauch  an  den  Erbtheilen  seiner  Miterben  (§.  72).  Auch 
wird  er  Alleinerbe,  wenn  keine  Verwandten  des  verstorbenen  bis  zum 
sechsten  Grad  vorhanden  sind  (§.  71).  Jeder  Gatte  kann  einsehig 
Uber  sein  Sondergut  und  seinen  Antheil  am  Gg.-Vermögen  letztwillig 
verfügen:  tritt  der  überlebende  Gatte  die  Erbschaft  aus  einem 
wechselseitigen  Testamente  an,  so  kann  er  auch  von  seinen  eigenen 
darin  getroffenen  Verfügungen  nicht  wieder  abgehen  (§.  74).  Dir 
Hälfte  des  gesetzlichen  Erbtheils  und  bei  unbeerbter  Ehe  auch  der 
lebenslängliche  Niessbrauch  wird  als  Pflichttheil  angesehen  (§.  75t. 
Der  Abschnitt  VII.  endlich  beschäftigt  sich  mit  der  Vermögens- 
Auseinandersetzung.  Die  Gg. -Masse  und  das  Sondergut  müssen  sich 
wegen  etwaiger  Bereicherungen  des  einen  aus  dem  andern  Ersatz 
leisten  (§.  77).  Dabei  gehen  die  Ersatzansprüche  der  Ehefrau  an* 
dem  gemeinschaftlichen  Vermögen  denen  des  Mannes  vor  und  sub- 
sidiarisch haftet  auch  das  Sondergut  des  Mannes  dafür  (§.  78).  Ein 
Verzicht  eines  Gatten  auf  die  Gemeinschaft  zum  Nachtheile  Anderer 
findet  nicht  statt.  Doch  kann  die  Ehefrau  durch  die  Errichtung  eine* 
Inventars  binnen  drei  Monaten  von  Auflösung  der  Gg.  an  sich  der 
Haftimg  für  die  Gemeinschafts-Schulden  Uber  ihren  Antheil  an  der 
Gg.  hinaus  entziehen  (§.  82). 

Der  Titel  II.  haudelt  in  4  Abschnitten  von  den  Heiraths  - 
Verträgcn,  durch  welche  das  gesetzliche  Güterrecht  der  Ehegatten 
abgeändert  werden  kann,  von  der  allgemeinen  Gg.  und  Err.- 
Gemcinschaft,  falls  diese  laut  der  Eheverträge  gelten  sollen,  und 
von  den  bei  Ausschliessung  jeder  Gg.  eintretenden  Rechtsverhalt- 
nissen. 

Der  dritte  Titel  hebt  die  s.  g.  Nachtheile  der  zweiten  Ehe  (§.  IGT)  . 
die  Emkindschafts- Verträge  (§.  106),  die  Beschränkungen  der  Schen- 
kungen unter  Ehegatten  (§.  108)  auf.  Die  Bestimmungen  des  ge- 
meinen Rechts  über  den  Erbschafts-Erwerb  der  Kinder  unter  väter- 
licher Gewalt  (sui  heredes)  sollen  fortan  auf  alle  Erben  Anwendung 
finden  (§.  107).  Der  Ehemann  und  beziehungsweise  der  überlebende 
Gatte  hat  bei  dem  gesetzlichen  Niessbrauch  keine  Caution  zu  stel- 
len (§.  109). 

Betrachtet  man  nun  diesen  Gesetzes-Entwurf  an  sich,  so  lässt  sich 
nicht  verkennen,  dass  er,  wie  auch  die  beigefügten  ausführlichen  Mo- 
tive darthun,  mit  grosser  Sorgfalt  und  mit  einer  auch  das  geringste 
Detail  beachtenden  Genauigkeit  ausgearbeitet  ist.   Will  man  sich  für 


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-    293  - 

den  Güterstand  der  Gemeinschaft  der  Mobilien  und  der  Immobiliar-Err. 
entscheiden,  so  kann  man  sich  im  Allgemeinen  mit  den  darin  enthal- 
tenen Bestimmungen  einverstanden  erklären.  Doch  schliesst  dies  nicht 
aus,  dass  man  in  einzelnen  Punkten  sich  zu  Bedenken  und  Aende- 
rungen  veranlasst  finden  mag.  Hierher  gehört  zuerst  die  überaus  be- 
vorzugte Stellung,  welche  dem  Ehemanne  eingeräumt  wird,  und  durch 
welche  die  Rechtsfähigkeit  der  Frau  in  einer  mit  den  jetzigen  An- 
sichten kaum  zu  vereinbarenden  Weise  beschränkt  erscheint.  Die  Be- 
rufung auf  die  Mundialgewalt  des  Mannes  kann  dies  nicht  rechtfer- 
tigen. Der  Grundsatz  des  alten  fränkischen  Rechts,  dass  in  wichtigen 
Angelegenheiten  und  namentlich  bei  Veräusserung  von  Liegenschaf- 
ten, selbst  wenn  sie  dem  Ehemanne  allein  gehören,  nur  die  gesammte 
Hand  handeln  solle,  ist  wohl  ohne  hinreichenden  Grund  aufgegeben. 
Bei  der  Beschränkung  des  Sonderguts  auf  Liegenschaften,  die  heut 
zu  Tage  nur  in  seltenen  Fällen  den  Hauptbestandteil  eines  Vermö- 
gens bilden,  und  bei  dem  Wegfall  der  Dotalprivilegien  ist  die  Ehe- 
frau mit  ihrem  Vermögen  beinahe  völlig  in  die  Hand  des  Mannes  ge- 
geben und  das  ihr  im  Titel  I.  Absch.  V.  eingeräumte  Recht,  eine 
Vermögens- Absonderung  zu  verlangen,  bietet  ihr  nur  einen  sehr  ge- 
ringen Schutz.    Denn  sie  kann  diese  erst  verlangen,  wenn  sich  die 
Angelegenheiten  ihres  Mannes  schon  in  Unordnung  befinden,  sie  muss 
dann  noch  ein  Beweisverfahren  veranlassen,  ein  gerichtliches  Urtheil 
erwirken,  dessen  Rechtskraft  abwarten,  und  es  dürfte,  bis  dies  Alles 
geschehen,  nur  in  den  wenigsten  Fällen  von  ihrem  Anthcil  an  dem 
Gg.-Vermögen  etwas  übrig  bleiben.  Auch  der  §.  41,  welcher  der  Ehe- 
frau einen  gesetzlichen  Pfandrechts- Titel  an   den  zum  Sondergut 
ihres  Ehemannes  gehörenden  Immobilien  wegen  aller  ihr  bezüglich 
ihres  Sonderguts  zustehenden  Ersatz-Ansprüche  gewährt,  kann  bei 
dieser  doppelten  Beschränkung  nicht  viel  helfen.  Die  Motive  des  Ent- 
wurfs, welche  die  Stellung  der  Frau  während  der  Ehe  als  eine  „durch- 
aus untergeordnete,  mehr  passive"  bezeichnen,  erkennen  zwar  an, 
dass  das  Gesetz  der  Frau  ein  Mittel  gewälircn  müsse,  den  Verlust 
ihres  Vermögens  und  ihrer  Subsistenz  abzuwenden,  wenn  der  Mann 
einen  sie  gefährdenden  Gebrauch  von  seinen  ausgedehnten  Dispositions- 
Befugnissen  mache.    Aber  was  ihr  hier  das  Gesetz  gibt,  ist  zu  dem 
beabsichtigten  Zweck  nicht  ausreichend.    Mit  diesen  Anordnungen 
über  die  Verwaltung  der  Gg.  hängen  die  Bestimmungen  über  das  ehe- 
liche Schuldenwesen  genau  zusammen.    Denn  es  sind  desswegen  alle 
Schulden,  welche  der  Mann  allein  contrahirt,  Gemeinschaftsschulden  und 
mithin  auch  aus  dem  eingebrachten  Mobiliarvermögen  der  Frau  zu 
bezahlen.  Die  Vorschriften  des  Entwurfs  über  das  eheliche  Schulden- 


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wesen,  welche  in  den  Motiven  nach  einer  sehr  guten  Schilderung  der 
betreffenden  Bestimmungen  der  verschiedenen  Statuten  ausführlich  be- 
gründet werden,  sind  überhaupt  sehr  complicirter  Art,  aber  es  ist  die» 
bei  dem  gewühlten  Güterrecht,  wobei  immer  drei  Vennögensmas*eD 
coneurrireu  und  dabei  noch  die  schwierige  Unterscheidung  von  Mobi 
liar-  und  Imraobiliarschulden  obwaltet,  hier  so  wenig  zu  ändern ,  als 
bei  der  Auseinandersetzung  der  Gg.  Mit  Recht  bemerken  die  Motive, 
der  Begriff  der  Gemeinschaftsschulden  sei  vielfach  dahin  missverstan- 
deu  worden,  dass  man  jeden  der  Ehegatten  dafür  zur  Hälfte  mit  sei- 
ner Person  und  seinem  Sondergute  verhaftet  angesehen  habe,  weil  die 
eheliche  Gemeinschaft  irriger  Weise  als  eine  Art  von  Societät  ange- 
sehen und  das  Verhiiltniss  der  Ehegatten  zu  einander  und  zu  den 
Gläubigern  nicht  aus  einander  gehalten  worden  sei.  Wie  weit  ein 
Ehegatte  dem  Gläubiger  persönlich  und  mit  seinem  Vermögen  ver- 
haftet sei,  bestimme  sich  nur  nach  den  allgemeinen  Gnmdsätzen  des 
Obligationenrechts:  dass  der  Schuldner  als  Ehegatte  in  einer  Gg. 
lebe,  ändere  an  seinen  .persönlichen  Verpflichtungen  nichts,  sondern 
verschaffe  dem  Gläubiger  nur  noch  weitere  Befricdigungs-Objecte.  Kr 
könne  nämlich  nun  das  Geineinschafts- Vermögen  als  Exccutions-Objeet 
angreifen,  und  zwar  das  gesaramte,  nicht  blos  den  Ideal-Antheil  des 
Schuldners  daran. 

Ebenso  sehr  dem  fränkischen  Rechte  widersprechend  ist  sodann 
die  communio  prorogata,  welche  der  Entwurf  aus  dem  Gesetze  für 
Westfalen  herüber  genommen  hat.  Während  grade  der  Erwerb  de* 
Wittwoustandes  nach  fränkischein  Rechte  dem  parens  superstes  aus- 
schliessüch  gehörte,  soll  danach  jeder  solcher  Erwerb,  welcher  durante 
matrimonio  in  die  Gg.  gefallen  wäre,  auch  in  die  fortgesetzte  Gg. 
fallen ;  von  Seiten  der  Kinder  dagegen  nur  der  Ertrag  ihrer  Beihülfe 
in  dem  elterlichen  Gewerbe  oder  Haushalt.  Es  wird  jedoch  das  Be- 
denken, dem  Güterstande  der  partikulären  Gg.  das  fremdartige  Insti- 
tut der  prorogata  einzufügen,  durch  die  Vorschrift  des  §.  60  gemindert, 
wonach  superstes  jederzeit  deren  Aufhebung  verlangen  kann  und  so 
wird  es  immerhin  der  Erfahrung  überlassen  bleiben  können,  ob  sich 
diese  Einrichtung  in  der  Praxis  bewährt  oder  nicht. 

Was  nun  die  Stellung  Frankfurts  insbesondere  zu  diesem  Ent- 
würfe anlangt,  so  tritt  hier  die  Frage  in  den  Vordergrund,  ob  es  sein 
althergebrachtes  Güterrecht  der  blosen  Err.-Gemeinschaft  gegen  den 
Güterstand  der  Gemeinschaft  der  Mobilien-  und  der  Immob.-Errungen- 
schaft  aufgeben  solle. 

Dass  das  Frankfurter  Güterrecht  an  mancherlei  Mängeln  leidet 
und  mehrfacher  Verbesserung  fähig  ist,  geht  aus  der  obigen  Schilde- 


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rung  desselben  hervor.    Wie  es  aber  nun  einmal  von  Alters  herge- 
bracht ist,  entspricht  es  den  hiesigen  Verhältnissen  und  es  wird  nur 
in  sehr  seltenen  Fällen  durch  Ehe  vertrage  abgeändert.    Eine  Vertau- 
schung desselben  mit  einem  andern  Güterstando  wird  daher  keines- 
wegs gewünscht  werden.    Nur  ganz  wesentliche  Vorzüge  des  letz- 
teren könnten  dazu  Veranlassung  geben.    Solche  aber  sind  in  der 
Gemeinschaft  der  Mobilien-  und  Immob.  -  Errungenschaft  nicht  zu 
finden.    Denn  beide  Güterrechtssysteme  stimmen  grade  in"  den  Haupt- 
punkten tiberein,  d.  h.  in  der  Aufstellung  der  drei  verschiedenen 
Gütermassen  und  in  der  Unterscheidung  des  liegenden  und  fahrenden 
Guts.    Ich  würde,  wenn  ein  neues  Güterrecht  eingeführt  werden 
sollte,  lieber  zu  dem  altfränkischen  Rechte  der  gesammten  Hand  oder 
allgemeinen  Gg.  zurückkehren  oder  für  das  System  der  Vermögens- 
trennung stimmen.    Der  eheliche  Erwerb,  wie  er  zumeist  von  dem 
Manne  herrührt,  würde  diesem  allein  gehören  und  die  Frau,  der  ihr 
eingebrachtes  Vermögen  unter  der  Verwaltung  des  Mannes  unge- 
schmälert bliebe,  würde  bei  Auflösung  der  Ehe  durch  angemessene 
Erbvortheile  für  ihre  Beihülfe  zu  entschädigen  sein. 

Hiernach  kann  es  kaum  zweifelhaft  sein,  dass  Frankfurt  dem 
Entwürfe  zuzustimmen  keinen  Grund  hat  und  dass  vielmehr  sein  Be- 
streben dahin  gehen  müsste,  an  der  Mosen  Err. -Gemeinschaft  festzu- 
halten, zudem  da,  wie  schon  der  Bericht  der  Comraission  richtig  be- 
merkt, dieselbe  beinahe  durchgängig  in  den  neuerworbenen  Gebieten 
herrscht  und  es  mithin  viel  zweckmässiger  wäre,  dass  der  ohnehin 
kleinere  Theil  des  ostrheinischen  Bezirks,  in  welchem  dies  nicht  der 
Fall  ist,  hierin  sich  dem  in  weit  grösserem  Umfange  geltenden  Rechte 
anschlösse. 

Indessen  könnte  man  auch  auf  der  andern  Seite  sagen,  dass 
grade,  weU  die  Systeme  der  Errungenschaft-  und  der  Particular  -  Gg. 
im  Wesentlichen  auf  derselben  Grundlage  beruhen  und  während  der 
Dauer  der  Ehe  nicht  viel  von  einander  abweichen,  die  Annahme  des 
letzteren  Gtiterstandes  auch  keine  grossen  Inconvenienzen  mit  sich 
führen  dürfte  und  dass,  wenn  nur  dadurch  in  einem  grösseren  Gebiete 
eine  Rechts-Einheit  erzielt  werden  könnte,  dieses  offenbaren  Vortheils 
wegen  auch    Frankfurt  auf  sein  bisheriges  Recht  verzichten  solle. 

Würde  aber  diese  Voraussetzung  eintreten,  so  müsste  der  vor- 
liegende Entwurf  doch  in  wesentlichen  Pünkteu  modifizirt  werden, 
wenn  nicht  bei  den  meisten  Ehen  begüterter  Leute  durch  Ehever- 
triige  ein  abweichendes  Recht  begründet  werden  soll.  Zu  den  be- 
reits oben  überhaupt  geltend  gemachten  Bedenken  treten  dann  noch 
weitere  hinzu.  In  dem  ganzen  Bezirke,  für  welchen  -dieser  Entwurf 


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ursprünglich  bestimmt  war,  findet  sich  mit  Ausnahme  von  YVetxln 
kein  grösserer  Ort  und  es  ist  begreiflich,  dass  ein  für  eine  vorzugv 
weise  ländliche  Bevölkerung  berechnetes  Gesetz  den  Bedürfnissen  ebtr 
städtischen  Einwohnerschaft  nicht  tiberall  entsprechen  kann.  Eben** 
ist  aber  auch  bekannt,  dass  umgekehrt  ein  Ehe-Gtiterrecht ,  welche* 
sich  in  den  Städten  bewährt,  auch  auf  dem  Lande  nicht  nachtheiLg 
wirkt81).  Wenn  daher  auf  dem  Lande  der  Begriff  der  Immobüb 
auf  die  wirklichen  Liegenschaften  beschränkt  werden  kann,  so  ist  dir« 
in  einer  Handelsstadt  nicht  thunlich  und  die  in  Frankfurt  geJteadt 
Immobilisirung  gewisser  Forderungsrechte,  namentlich  der  Hypotheken 
und  der  mit  hypothekarischer  Sicherheit  versehenen  Werthpapiere 
(vgl.  oben  S.  279)  wäre  daher  in  den  Entwurf  an  Stelle  des  §.  10  aunro 
nehmen.  Es  kommt  hierbei  weniger  darauf  an,  ob  ein  Gegenstand  wirk 
lieh  unbeweglich  ist,  als  darauf,  dass  der  Grundstock  des  Vermögen*, 
die  Basis,  auf  welcher  der  Familien -Wohlstand  beruht,  die  mit  der 
lmmobiliarqualität  verbundene  festere  Stellung  einnehme.  In  den 
Städten  aber  bildet  Haus  und  Hof  nicht  diesen  Grundstock  wie  aut 
dem  Lande.  Ebenso  wäre  der  Grundsatz  der  Surrogate  in  §.  7 
wieder  herzustellen.  Sodann  mttsste,  wie  schon  oben  bemerkt,  die 
Ehefrau  theils  ihrer  ganz  untergeordneten  Stellung  entnommen,  theil* 
für  ihr  in  die  Ehe  gebrachtes  Vermögen  besser  gesichert  werden. 
Es  liegt  ein  Widerspruch  darin,  auf  der  einen  Seite  die  Frau  als  mit- 
thätig  bei  dem  ehelichen  Erwerbe  und  daran  betheihgt  anzusehen, 
auf  der  andern  Seite  sie  allen  rechtlichen  Einflusses  auf  die  Erhaltung 
des  ehelichen  Vermögens  zu  berauben,  ebenso  wie  sie  auf  der  einen 
Seite  von  jeder  Theilnahme  an  der  Disposition  über  das  gemeinschaft- 
liche auch  ihr  Mobiliar  -  Einbringen  umfassende  Vermögen  auszu 
Bchlicssen  und  sie  auf  der  andern  Seite  ohne  genügende  Sicherheit 
für  dasselbe  zu  lassen.  Es  ist  in  Frankfurt  wie  in  andern  Handels- 
städten immer  darauf  gesehen  worden,  das  Vermögen  der  Frau  vor 
den  Wechselfällen  des  Handels  thunlichst  zu  schützen  und  in  diesem 


st)  Gerken  Aber  die  eheliche  Gg.  des  Erwerbs  in  der  Grafschaft  Wittgen 
stein  (Neues  Archiv  für  preuss.  Recht  Bd.  XII.  Armbarg  1847.  S.  408)  bespricht 
das  nach  der  Witgenst.  Gerichtsordnung  von  1569  geltende  Güterrecht.  Er  be- 
merkt, dass  diese  Erwerbs  Gg.  nur  auf  wirklich  gemeinschaftliche  Arbeit  gebt?, 
was  der  Richter,  Advokat,  Arzt  erwerbe,  sei  daher  kein  acquistas  conjugalis:  die 
ganze  Gerichts- Ordnung  sei  nicht  fiir  die  Beamten  n.  s.  w.,  sondern  für  die  Bauen 
gegeben  und  passe  für  sie.  Aber,  was  Gerken  nicht  wusste,  diese  Gerichts- 
Ordnung  ist  in  der  fraglichen  Materie  eine  beinahe  wörtliche  Wiederholung  der 
Frankfurter  Reformation.  Vgl.  Zeitschrift  für  deutsches  Recht    3L  58. 


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Vermögen  bei  Unglücksfällen  einen  Anhalt  für  die  Familie  zu  schaffen. 
Den  Gläubigern,  die  dies  Verhältniss  kennen,  und  sich,  wie  die  Er- 
fahrung zeigt,  wenn  sie  bei  ihrer  Geschäftsverbindung  mit  dem  Manne 
auch  auf  das  Vermögen  der.  Frau  rechnen,  durch  besondere  Ueber- 
einkunft  mit  der  Frau  zu  sichern  wissen,  geschieht  damit  kein  Un- 
recht   Die  Frauen,  denen  man  im  fränkischen  Hechte  seit  Jahrhun- 
derten bei  der  gesammten  Hand  eine  Mitwirkung  einräumte,  sind 
heut  zu  Tage  zu  derselben  nicht  weniger  befähigt  wie  früher.  End- 
lich wäre  die  prorogata  zu  beseitigen,  da  diese  auf  ganz  anderen  Vor- 
aussetzungen beruht,  als  wie  sie  in  den  grösseren  Städten  anzunehmen 
sind.    Bei  den  Ackerbürgern  kleiner  Orte  und  bei  den  Bauern  in 
Westfalen,  woher  diese  prorogata  stammt,  ist  es  allerdings  die  Regel, 
dass  die  Kinder  in  dem  elterlichen  Geschäfte  oder  Haushalte  eine 
solche  Beihülfe  leisten,  die  nach  dem  Tode  des  einen  parens  als  Aus- 
gleichung dafür  sich  ansehen  lässt,  dass  der  tiberlebende  Gatte  seinen 
gesammten  Erwerb  des  Wittwcnstandes  in  die  fortgesetzte  Gemein- 
schaft einzuwerfen  hat    Bleiben  ja  dort  selbst  die  nachgebornen  Ge- 
schwister, wenn  der  Bauerhot  dem  Acltesten  zufällt,  meistens  auch 
auf  dem  Hofe  und  gewähren  in  ihrer  Arbeit  die  Gegenleistung  für 
den  Unterhalt  und  die  einstige  Aussteuer,  die  sie  aus  dem  Hofe  empfangen. 
Dass  aber  die  erwachsenen  Kinder  in  den  Städten  in  dem  Hause  dos 
verwittweten  parens  bleiben  und  miterwerben,  ist  ein  seltener  Fall. 
Die  prorogata  könnte  hier  nur  eingeführt  werden,  um  beinahe  immer 
durch  Testamente  oder  alsbaldige  Schichtung  beseitigt  zu  werden. 

Bei  meinem  Vortrage  über  diesen  Entwurf  im  Kreise  der  juri- 
stischen Gesellschaft  wurden  neben  den  allgemeinen  Grundsätzen  des- 
selben auch  die  einzelnen  Bestimmungen  eingehend  besprochen:  dar- 
auf auch  hier  einzugehen  und  das  Ergebniss  der  Berathung  in  der 
Form  eines  Gcgen-Entwurfs,  wie  ein  solcher  von  einem  andern  Mit- 
glied der  Gesellschaft  vorgelegt  wurde,  zusammenzufassen,  schien 
nicht  am  Platze,  sondern  mag  einer  spätem  Zeit  vorbehalten  bleiben. 


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Urkunden 

zur  Geschichte  der  Familie  Frosch 
and  Ihrer  Besitzungen, 

initgothcilt  von  Dr.  L.  H.  Eulcr. 


I. 

1324.  (1.  Deoember.)  Herr  Ulrich  von  Hanau  verkauft  den  Hof  zu 
Riedern  an  Albrecht  sum  Esslingen 

Wir  Ulrich  Herre  zu.  Hanowe,  vndt  Agnes  vnser  elicbe 
Vrowe,  bekennen  vffentliche  mit  dieseme  geinwortigen  Brieue  allen 
den  die  nu  sint  oder  vmmer  hernoch  konient,  die  in  sehn  oder  horent 
lesen,  daz  wir  mit  gesamter  hant  mit  beradene  rade,  mit  vorbedachtem 
müde  vnndtmit  rade  vnser  frtinde  hau  verkaufftrec'  tliche  ondt  redeliche 
vnsern  Hob  zu  Rydern  der  da  ist  gelegen  by  der  stat  zu  Francken- 
vord  an  dem  Maine,  mit  ackern,  mit  velde,  mit  wisen,  mit  walde, 
mit  wasser,  mit  weide,  vnd  mit  den  wisen  die  zu  Seckebach  sint  ge- 
legen, die  da  sint  achte  Morgen,  vndt  mit  allem  dem,  daz  in  den  Hob 
gehöret,  versucht,  oder  unversucht,  css  heisse  wie  es  heisse,  oder  lige 
wo  es  lige,  den  bescheiden  luden  Albrechte  zum  Eßlingcr,  Ka- 
therinen  seiner  ehlichcn  wirtcn  vndt  iren  erben,  burgern  zu  Francken 
vord ,  zu  rechtem  Eigen  cwiclich  zu  besitzene,  vmme  Sechzehenhundert 
phunt  haller,  geng  vnd  gebe  die  sie  vnss  an  gereideme  gelde  hant 
gezalt  vndt  bezalt,  vndt  gutlich  gewert,  vndt  han  daz  gelt  in  vnsern 
nutz  gewant,  mit  vmer  freunde  rade;  Auch  geloben  wir  den  vorge- 
nanten Albrcchten  und  sinen  erben,  daz  wir  oder  vnser  erben  sie 
an  dem  Hobe  vndt  an  allem  dem  gude,  daz  darinnen  gehöret  niemer 
sulln  gehindern,  an  keinen  enden,  oder  mit  keinen  dingen,  die  in 
schodelich  oder  leit  sin,  dan  wir  sulln  sie  eren  vnd  furdern  an  allen 
enden,  also  ferre  als  sie  is  an  vns  suchen  vndt  gerochen,  vndt  verzihen 
auch  alles  des  rechtes  vndt  alles  dez  dinstes,  den  wir  an  dem  vorge- 


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—    299  — 


nanten  Hobe  vndt  an  allem  dem  gute  daz  darum  gehöret  bizher  haut 
gehat,  vndt  hau  wir  den  vorgenanten  Hob,  vndt  alles  daz  gut  daz  da- 
i-inn  gehöret  vf  gegeben  vndt  virzigen,  als  gewonlich  ist  in  dem  Lande, 
-Aoich  erkennen  wir  vns,  daz  wir  den  Somer,  den  wir  von  dem 
Ttyche  bizher  han  gehat  zu  lehen,  den  Somer  den  lihen  wir  dem  vor- 
genanten Albrecht,  Katherinen  siner  elichen  wirten,  vndt  allen  iren 
erben  sunen  vndt  dochtern  zu  glicheme  teile  von  vns  vndt  vnseren 
erben  zu  rechtem  lehen  ewicliche  zu  besitzene.  Zu  orkunde  vnd  vester 
stedekeid  aller  dirre  dinge,  so  han  wir  vnser  Ingesigele  an  diesen 
Brief  gehangen,  der  Brief  ist  gegeben  nach  Götz  geburte  dreyzen- 
liundert  Jar,  in  dem  vier  vndt  zwentzigsten  Jar,  an  dem  neisten  dage 
nach  sante  Andreas  dage  des  Heiligen  Aposteln. 

Aus  dem  Original  im  Archiv  des  heiligen  Geist  Hospitals.  Die  zwei  Siegel, 
das  Heitersiegel  Ulrichs  uod  das  seiner  Gemahlin, eine  stehende  Dame  zwischen 
zwei  Wappenschildcbcn  zeigend,  hängen  stark  beschädigt  an.  Der  Hot  Rie- 
dern, 1193  von  Kaiser  Heinrich  VI.  dem  Schnlthcissen  Wolfram  von  Frankfurt 
geschenkt  (Böhmer  Cod.  19),  war  1230  an  das  Kloster  Arnsburg  gekom- 
men (ib.  53)  und  dieses  hatte  ihn  1321  tauschweise  an  Herrn  Ulrich  von 
Hanau  gegeben  (Arnsb.  Urk.  Buch  her.  von  Baur  Nr.  534).  Vgl.  Bat- 
tonn  örtl.  Beschreibung  I  235.  Die  vorstehende  Urkunde  ist  aus  v.  Fi- 
chard's  Zusätzen  zu  Battonn  I.  260  erwähnt,  aber  der  Zuname  Albrechts 
irrig  zum  Esselmyir  genannt.  Bald  darauf  kam  der  Hof  in  den  Besitz  der 
Frosche  und  Bpäter  an  das  h.  G.  Hospital. 

H. 

1342.  (31.  Ootober.)  Urtheil  Aber  die  von  Katharine  zum  Bebstock 
an  Wioker  Frosch  gemachte  Schenkung. 

Wir  der  Scbultheiz  und  die  scheffen  zu  Frankinford  irkennen  uns 
uffinliche  an  dysem  bryfe,  das  meister  Wyk  er  Froschs  Senger 
zu  Sant  Bartholomcc  zu  Frankinford  qwam  für  uns  und  nam  sich  an 
eyner  gyfft  die  ime  geton  bette  Katherine  zu  dem  Rebestocke 
mit  willen  und  virhengnizse  Johannis  Froyschis  itztund  ires 
elichen  wirtes  Solicher  gude  alse  uf  sie  irstorbin  were  noch  ires 
ersten  mannis  tode  Hertwins  Seigen  zu  dem  hohenhus  von 
Alheide  selgin  irer  Bwestir,  und  stalte  meyster  Wycker  das  an  uns 
die  scheffen  das  wir  dar  ubir  sulden  ein  recht  sprechen,  ob  die  gyfft 
macht hette.  Die gifft  virsprach  Rylind  dochter  etz wanne  Hertwins 
zu  dem  hohenhus  und  Käthe rinen  der  vorgenant  und  sprach: 
sie  hofte  bryfe  und  kundschaft  zu  brengene  das  Katherine  die  vorge- 
nant ir  mudir  die  gud  ane  irc  hand  nicht  virgyfften  mochte,  sint  die 
gud  noch  in  ire  hand  nicht  komen  werin  wand  Hcrtwig  Wizse  sinen 
lypzucht  daran  haben  sulde.  Da  ubirqwamen  wir  die  scheffen  mit  dem 


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-    300  - 

urteile  das  die  gyflft  macht  bette,  wand  die  gud  uf  ^Catherinen  alsu 
virfallen  werin  da»  sie  die  gud  gebin  luochte  weme  sie  wulde,  Hert 
wige  Wizsen  sine«  rechtin  an  siner  lypzucht  und  an  siner  gyfft  der 
gude  ejn  teyl  der  er  sich  beidir  virmaz  un verlustig,  es  enwere  ckn 
das  Rylind  bryfe  und  kundschaft  brechte  und  bewysete  warum  die 
gyfft  nieht  macht  sulde  haben,  und  sasten  des  meyster  Wyckere  und 
Rylinde  ire  rechtlichen  tage  zu  dren  virzehen  nachten  uz.    Der  tage 
wartctin  sie  und  yschcn  ie  von  eyme  tage  zu  dem  andirn  ire  recht- 
lichen tage,  da  cnbrochte  Rilind  keine  kundschaft  die  sie  adir  yman 
helfen  mochte  und  brochte  bryfe.  Die  bryfe  teileten  wir  die  acheffen 
mit  dem  urteile  das  sie  nicht  macht  enhetten,  und  geviel  meyster 
Wyckere  das  urteil,  das  er  mit  der  eygintschaft  der  gude  tun  und 
lazsen  mochte  noch  allen  synen  willen  alse  mit  synem  eygen  gude 
Des  sprach  mcister  Wicker  zu  Hertwige  Wrizsen  dem  vorgenant  um 
die  nemelichen  gud  das  er  ime  die  gud  lizse  lygen  und  in  dar  an 
nicht  enirrete  unde  um  die  schare  die  er  siddir  Alheiden  selgen  tode 
der  vorgenannt  davon  uff  hette  gehaben.  Des  sint  meyster  Wicker 
und  Hertwig  lypliche  gutliche  und  gentzlichc  gerichtit  um  alle  die 
stucke  sache  und  anspräche  mit  ir  beidir  vronde  rade  mit  ir  beidir 
wizsen  und  willen,  mit  willen  und  virhengnizse  Johanis  Froyschis 
und  Katherinen  siner  clichen  wirten  der  vorgenant.    Also  das  Hert- 
wig sol  haben  und  blyben  ewecliche  by  dem  huse  und  gesczse  zu 
demc  Rebestocke  hindene  und  vorue  da  er  itzund  inne  wonit  und 
by  achte  marken  geldis  und  zwein  kappengeldis  die  hernach  sten* 
geschrebin,  mit  namen  seste  halbe  mark  geldis  uf  dem  Roeinbome, 
zwo  mark  geldis  und  zwene  kappengeldis  uf  dem  newen  huse  vor 
dem  nürnberger  höbe  das  Heile  Starkerad  hat  gebuwet  und  drinne 
wonit,  und  eyne  halbe  mark  geldis  hindene  an  Zilinanne  in  der  Lu- 
prandisgazsen,  und  uf  das  hus  und  gesezse  hindene  und  vorne,  zu  dem 
Rebestocke  und  uf  die  achte  mark  geldis  und  zwene  kappengeldis  hat  mei 
ster  Wycker  luterliche  und  geutzliche  virtzegen.  So  sal  meister  Wycker 
habeu  und  blyben  ewecliche  by  allen  den  guden  mit  namen  by  der 
phening  gulde  in  der  Stad  zu  Frankinford,   by  dem  h  >be  lande 
wysen  und  walde  und  was  darzu  gehorit  by  dem  nidirn  holtze  da« 
etzwanne  was  Alheide  selgen  zu  dem  Rebstocke  der  vorgenant» 
und  by  den  guden  zu  Bruningysheim  zu  Erlebach  zu  Friedeberg  zu 
Zilsheim  zu  Burlachen  zu  Prumenheiin  zu  Sodeu  zu  Hohenstad  zu 
Hoberade  und  by  allen  den  lyginden  guden  es  sy  an  phenninggulde 
an  komgulde  an  lande  an  wysen  an  wyngarten  an  walde  wy  ez  sy, 
besucht  und  unbesucht  das  Alheid  selge  gelazsin  hat,  und  da  by  Hert- 
wig von  irin  wegin  gesezsen  hat  ane  das  hus  und  gesezsc  hindene 


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-    301  - 


und  vorne  zu  dem  Rebestocke  und  die  achte  mark  geldis  und  zwene 
kappen  geldis  alse  vor  Stent  geschrebin,  und  sal  meistcr  Wyker  itzund 
in   gewerde  und  nutz  der  gude  dredin  da  Hertwig  sinen  lypzucht 
by  gesezsen  aulde  haben,  alse  er  sich  virmaz  und  des  ime  ein  teil 
vergyfFtit  waren  von  Alheide  der  vorgenant  alse  er  sich  auch  virmaz, 
und  hat  Hertwig  uf  die  gud  und  uff  die  lypzucht  der  gudeallis  sines 
rechtin  das  er  daran  haben  mochte  lutirliche  und  gentzliche  virzegen, 
und   sullen  jr  y glicher  by  Byrne  teile  der  gude  ewecliche  blyben 
sitzinde  und  mögen  myde  tun  und  laszen  gyfften  und  gebin  adir  vir- 
koufFen  wy  sie  lustit  ane  alle  anspräche  hindirfal  und  widdirredde 
Johannis  Froyschis  Katherinen  siner  elichen  wirten  und  Rilinde  der 
vorg.  und  irer  erben  und  eyues  yglichen  ane  alle  argelist  und  ge- 
verde.    Wers  auch  das  meyster  Wycker  adir  Hertwig  von  todis 
wegen  abegyngen  und  die  gud  nicht  virgyfften  virkeufften  adir  vir- 
lyhen,  so  sal  meyster  Wyckers  gud  uf  sine  neysten  erben  vallen  und 
Hertwigis  gud  uf  sine  neyste  erben  vallen  und  den  ewecliche  bliben. 
Und  ich  Wycker  Froyschs  vorg.  irkennen  mich  das  ich  Hertwige 
han  ufgegebin  und  gebin  ime  uff  mit  dysem  geynwortigen  bryfe  und 
virzihen  auch  lutirliche  uf  das  hus  und  gesezse  zu  dem  Rebestocke 
uf  die  achte  mark  geldis  und  zwene  kappen  geldis  afee  vore  Stent 
geschrebin  yme  und  synen  erben  adir  weme  er  sie  gyfffcet  virkouffet 
oder  lylict  ewecliche  zu  habenc  und  zu  besizene  ane  alle  anspräche 
myn  Wyckerz  myner  erben  und  eynis  iclichen.    Und  ich  Hertwig 
irkennen  mich  das  ich  han  meister  Wyckere  ufgegebin  und  gebin  ime 
uff  in  dysem  bryfe  und  virzihen  lutirliche  uff  alle  die  lyginden  gud 
die  Alheyd  selge  gelazsen  hat  und  die  ich  von  iren  wegen  hatte  und 
drinne  saz  und  uff  die  gyfft  und  uf  den  lypzucht  der  gude  mit  dysem 
geinwortigen  bryfe  ime  und  sinen  erben  ewecliche  zu  habene  und  zu 
besitzene  ane  alle  anspräche  myn  Hertwigis  miner  erben  und  eynes 
iclichen,  ane  uff  das  hus  und  gesezse  zu  dem  Rebestocke  uff  die  achte 
mark  geldis  und  die  zwene  kappen  geldis  alse  vor  stent  geschrebin. 
Auch  irkennen  ich  mich  Wycker  vorg.  was  dysis  vorgeschrebin  gudis 
das  mir  in  dysir  vorgeschr.  richtunge  wurden  ist,  inpflichtig  ist  zu 
Frankinford  und  von  aldir  hcre  zu  Frank,  bedde  und  sture  hat  ge- 
gebin,  das  sal  auch  vorwert  bedde  und  sture  gebin  alse  andire  bür- 
gere gud  dut  das  zu  Frank,  ist  gelegin.    Zu  Urkunde  dyser  dinge 
und  zu  vestir  stetikeid  son  han  wir  meyster  WickerFroyschs  und 
Johann  Froyschs  unsir  ingesigel  zu  der  stede  zu  Frank,  ingesigel 
und  zu  Hertwigis  ingesigel  an  dysen  bryf  gehangen  der  ich  Kathe- 
rine  mit  in  gebrochen,  und  wir  der  schultheizse  und  die  scheffen  zu 
Frank,  irkennen  uns  das  alle  dyse  vorgesclu*.  stucke  vor  uns  geur- 


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teilit  gerichtit  gebandilt  und  irgangen  eint  alse  vorgeschr.  Btet  und  aucL 
mechtig  sint  und  da»  sie  auch  ewecliche  stete  und  vestc  werdin  ge^ 
haldin  und  von  nymanne  zubrochin  ensullen  werdin,  so  han  wir 
unser  Stede  ingesigel  zu  meyster  Wyckerz  und  Johannis  Froyschis 
und  zu  Hertwigis  ingesigeln  an  dysen  bryf  gehangen,  und  Gyple 
von  Holzhusen  ein  scheffln  zu  Frank,  des  da  sitzit  zu  gerichte  an 
des  schultheizsen  stad  zu  Frank,  irkennen  mich  das  alle  dyse  vor- 
geschr.  stuke  vor  mir  alse  vor  dem  Amt  manne  geurteilit  gerickh 
gehandilt  und  irgangen  sint  und  auch  mechtig  sint  und  von  nymanne 
zubrochin  ensullen  werdin  und  ewecliche  stede  und  veste  sullen  wer- 
din gehalden,  und  des  zu  vestir  stedekeid  so  hau  ich  min  ingesigel  zu 
der  stede  zu  Frank,  zu  meyster  Wykerz  Johannis  Froyschs  und 
Hertwigis  des  vorg.  ingesigel  an  dysem  bryf  gehangen,  das  ich  Hert- 
wig  für  mich  und  Elsen  myne  eliche  wirten  an  dysem  bryf  han  ge- 
hangen, und  ich  Else  irkennen  mich,  dass  alle  dise  vorgeschr.  stucke 
mit  myme  guden  willen  und  virhenguizse  sint  geschehen  und  verzihen 
darufF  lutirliche  und  gentzliche  mit  dysem  geinwortigen  Bryfe  nndir 
Hertwigis  myniB  huswirtis  ingesigel  des  ich  mit  ime  gebrucheu.  Ge- 
gebin  da  man  zalte  nach  gots  geburte  Drutzchenhundirt  iar  in  dem 
zwey  und  virtzegisten  iare  an  allir  heylegin  abinde. 

Nach  einer  vom  Original  genommenen  Abschrift  des  Herrn  v.  Fichar-l 
Es  ist  diese  Urkunde,  abgesehen  von  ihrer  Bedeutung  Air  die  Geschichte 
der  Familie  Frosch,  auch  desshalb  von  Interesse,  weil  sie  eine  Frage  ent- 
scheidet, die  in  dem  fränkischen  Rechte  der  gesammten  Hand  zu  den  strei- 
tigen gehörte.    Es  fragt  sich  nemlich,  ob  wenn  dem  Erben  Güter  anfidlen, 
an  denen  dem  überlebenden  Ehegatten  des  Erblassers  die  Leibzucht  gebührt, 
der  Erbe  ( Anwärter)  wärend  der  Dauer  dieses  Leibzuchtsrechts  bereits  über 
seine  Rechte  an  diesen  Gütern  verfügen  kann.  Wie  Sandhaas  fränk.  ehe- 
liches Güterrecht  8.  225.  228  zeigt,  gewähren  einzelne  Quellen  dem  An- 
wärter diese  Befugniss,  andere  nicht.   Nach  Frankfurter  Recht  aber  hatte 
er  diese  Befugniss,  selbstverständlich  ohne  Nachtheil  für  die  Rechte  de« 
Lc'ibzüchters.  Katharine  von  dem  Rebstock  hatte  die  hinterfälligen  Güter 
ihrer  Schwester  Alheidis  nach  dem  Tode  ihres  ersten  Mannes  Hertwin  zo 
dem  Hohenhaus,  im  Wittwenstande ,  ererbt  und  konnte  daher  ohne  Rück 
sieht  auf  Rilinde  die  Tochter  aus  ihrer  ersten  Ehe  darüber  verfügen.  Aber 
Alheid's  hinterlassener  Ehemann  Hertwig  Weiss  hatte  noch  die  Leibzucht 
daran  und  desswegen  glaubte  Rilinde,  dass  ihre  Mutter  dieses  Verfügungs- 
recht  doch  nicht  habe,  es  sei  dann  mit  ihrer  Hand,  d.  h.  Zustimmung.  Du 
Gericht  war  jedoch  anderer  Meinung  und  wies  die  Klage  ab,  da  RiUnde 
weder  die  Geltung  eines  anderen  Rechtes  durch  Kuntschaft  nachweisen,  noch 
eine  besondere  desfallsige  Bestimmung  durch  Urkunden  darthun  konnte. 
Auch  die  Bestimmung  der  Gerichts-Termine  nach  Nächten  ist  zu  bemerken, 
sowie  dass  die  Gülten  unbedingt  zu  den  liegenden  Gütern  gerechnet  werden. 
Von  fahrender  Habe  ist  keine  Rede,  denn  diese  hatte  Hertwig  Weiss  geerbt. 


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III. 

1343.  (26.  October.)  Der  Btadt  Frankfurt  Schenkung  eines  Bau- 
platzes an  Wicker  Frosch. 

Wir  die  Burgermeister  die  Scheffen  und  der  Rat  zu  Frankinford 
irkennen  uns  uffcnliche  an  dysem  bryfe  ajlen  die  die  in  sehind  odir 
horind  lesen,  das  wir  mit  beradem  mude,  durch  god  und  durch  nutz 
unsir  Stede  und  armer  lüde  han  virhengit  und  virhengen  mit  dysem 
geinwortigen  bryfe   dy  hovestad   vor  Buckinheimer  thore 
zusehen  der  nuwen  muren  und  dem  burgraben  dy  da  stozsit  an  das 
porthu»  desselbin  Buckinheimer  thoris  zu  der  linketon  hand  als  man 
in  die  stad  get,  mit  namen  von  dem  porthus  an  bis  an  das  Eyduch 
das  da  durch  get,  dem  erbarn  manne  meyster  Wyckere  Froysche 
Sengere   zu  Sant  Bartholomee  zu  Fr.  zu  eyme  spydal  sychen  und 
andir  arme  lüde  da  inne  zu  haldene  und  zu  eyner  ewigen  mezse  und 
zu  andir  me  gehusc  und  notdorfft  die  dar  zu  gehorind  zu  machenc 
und  zu  bestellene  ewicliche  mit  synen  erben  adir  andirs  wy  he  wil 
adir  kau  und  ez  allirbest  und  godeliches  bedunckit  ane  argelist  und 
geverde  ;  wirz  auch  das  andirz  yman  me  ewige  mezse  dar  mechten 
die  mochten  auch  die  mezse  die  sie  mechten  bestellen  wy  sy  luste, 
meyster  Wyckers  und  des  Spydalis  an  svme  rechtin  unschedelich  und 
unverlustig.    Auch  sal  alle  die  gulde  und  gud,  die  zu  dem  Hpydale 
gegebin  gesest  odir  gemacht  wirt  adir  itzund  ist,  die  inpfliehtig  und 
bedehafft  sint,  dem  Ryche  dynen  und  bedde  und  sture  gebin,  als  andir 
bürgere  gud  dut,  das  zu  Fr.  ist  gelegen.    Wers  auch,  das  andirs 
yman  me  da  uzwerter  icht  me  wulde  machen  adir  buwen  ob  ez  ime 
virhengit   wurde,  der  mag  auch  das  bestellen  wy  in  lustit  ane  ge- 
verde.   Auch  ensal  man  da  obewendig  dar  erden  keinen  thurn  adir 
kein  gewelffe  buwen  adir  machen,  ez  ensy  dan  mit  unBirme  des  Radis 
rade  und  willen.    Zu  urkund  dysir  dinge  han  wir  unsir  Stede  inge- 
«igel  an  dysem  bryf  gehangen.  Actum  et  datum  anno  dorn.  MCCCXLIII 
feria  quinta  post  undeeim  milium  virginum. 

Nach  der  von  dem  Original  im  KatharineuKloster  genommenen  Abschrift 
des  Herrn  von  Fichard. 


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IV. 

1346.  (1.  Mai.)  Schenkung  des  Wicker  Frosch  an  das  neue  Spital 

zum  h.  Kreuts. 

In  Godes  Namen.    Amen.    Ich  Wycker  ein  Schulmeister  zu 
Saut  Stephan  zu  Meintze,  Sun  Heylmans  seligen  Froysches. 
etzwanne  eins  Scheden  zu  Frankenfurt,  dem  Got  gnade,  bekennen 
mich  an  disem  brieve,  daz  ich  durch  Gottes  willen  und  mins  vadern 
egcnante  und  Elzbet  seligen  Sele  miner  müder  und  aller  miner 
alt  vordem  und  aller  gelaubigen  Sele  willen  und  Gode  und  seiner  lie- 
ben müder  und  allen  heiligen  zu  lobe  und  zu  eren  und  sunderlicb 
dem  heiligen  Crutze  und  der  heiligen  Junkfrawen  Sant  Kathrinen 
han  gegeben  und  geben  an  disem  brieve  dem  nuwen  Spidale 
zu  Fr.  vor  Buckenheimer  dore  gelegen,  den  ich  egenanter  Schul- 
meister mit  miner  koste  und  arbeide  und  mit  minem  gude  han  gc  machet 
und  gebuwet  den  Syechen  daselbes  zu  irer  nerunge  und  notdurft  alles 
daz  gud,  daz  hernach  stet  geschriben.    Zum  ersten  fimftzig  phuut 
heller  geldes  di  mir  gebent  der  Convent  und  daz  Clostcr  von  B Ur- 
nen b  ach  graez  ordens  alle  jare  uf  Sant  Martins  dage  als  die  briefe 
besagent  die  dar  über  sint  gegeben.  Anderwerb  sechtzig  phunt  heller 
geldes  die  ich  han  gekauffet  umbe  den  Stift  von  Meintze  mit  minem 
eygen  gude  und  ist  man  die  gulde  antheizzige  worden  S  y  f  r  i  d 
Froysch  minem  bruder,  einem  Scheffen  zu  Fr.  als  auch  die  brieve 
sagent  die  dar  über  gemachet  sint.    Und  wie  wol  die  brieve  im 
sagen  so  ist  die  gulde  doch  min,  als  auch  der  selb  Syfrid  min  bruder 
daz  hernach  erkennet  under  sinem  eigen  ingcsigel.    Item  alles  min 
gut  daz  ich  zu  Bruningesheim  han,  ersuchet  und  unersuchet,  daz 
Wentzel  Kirchdorffer  itzunt  inne  hat  und  mir  alle  jare  da  von  gibet 
nun  und  funftzig  achteil  korngeldes,  vier  achteil  weiszes,  zwei  achteil 
erweiz,  ein  summerin  linsen  frankenfurter  maszes  und  ein  halb  deil 
was  in  einem  garten  wechset  und  auch  das  hauwe  zu  male  daz  uf 
miuer  wisen  wechset  daselbes.    Item  nun  Schilling  und  dry  heller 
geldes  und  ein  hun  ierlicher  gulde  die  man  mir  zu  Vurlachen  gibet 
uf  Sant  Martins  dage  und  ander  alles  min  gut  daselbes  zu  Vurlachen 
daz  ich  han  vererbet  umb  zehen  achteil  korngeldes  tranken!",  maszes, 
die  man  antwurten  sal  zu  Fr.  zusehen  den  zwein  unser  frawen  dagen 
uf  denselben  Spidale.    Item  min  gut  zu  Zilsheim  das  ich  geluhen 
han  LuchtcwiBzcn  umbe  nun  achteil  korngeldes  frankf.  maszes  die 
man  auch  antwurten  sal  zu  Fr.  uf  den  selben  Spidale.    Item  vier 
achteil  korengeldes  uud  nun  koelsch  penninge  geldes,  das  korn  zu- 


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>ohen  den  zwein  unser  frawcn  dagen  und  daz  gelde  uf  Sant  Martina 
Inge  das  gibet  Peder  Knauf  von  einer  hübe  landes  zu  Hohenstat. 
Item  drithaib  achteil  korngeldes  auch  frankf.  maszes  daz  da  gibet 
llcnnekin  Gold  stein  zusehen  den  zwein  unser  frawen  dagen  von 
hinein  hove  und  gude  zu  Nider  Kode.    Item  zehen  achteil  koren- 
j^eldes  auf  minem  hove  und  allem  minem  gute  zum  Heb  stocke  by 
dem  nider n  Holtze.    Auch  sal  man  wizzen  daz  daz  gut  zu  Bru- 
ningesheim gibet  vier  mark  peiininkgeldes  uf  den  Stift  zu  Sant 
r,yenhart  zu  Fr.  zu  einer  vicaryen  alle  jare  zusehen  den  zwein  unser 
frawen  dagen  und  gibet  auch  drittenhalben  pennink  zu  der  parre  zu 
Bnmingesheim  und  zu  der  parre  zum  Haue  sechsdcnthalben  pennink 
uf  Sant  Martins  dage.    Alle  dise  vorgeschriben  stucke  die  han  ich 
vorgenanter  Schulmeister  gedan  mit  beradem  mude  und  mit  wizzende 
und  willen  hern  Hey  Im  ans  des  pharrers  zu  Fr.  und  des  vorgenan- 
ten  Syfrid  Froysches  miner  brudere  und  Sifrid  Weiders  mins 
swagers.    Und  zu  Urkunde  und  stedikeit  discr  vorgeschriben  gift  und 
stucke  han  ich  der  Schulmeister  disen  brief  gegeben  besigelt  mit 
minem  ingesigele  und  han  gebeden  die  erbarn  herren  die  geystlichen 
riclitcre  des  heiligen  Stuls  zu  Meiutze,  daz  Bie  irs  gerichtes  ingesigele 
zu  merer  sicherheide  an  disen  brief  auch  gehangen  hant.    Auch  han 
ich  gebeden  min  brudere  und  Syfricd  Weider  minen  swager  die  vor- 
genanten, und  die  erbarn  herren,  hern  Reynhart  Dechan  des  stifte« 
zu  Sant  Bartholomeus  und  hern  Heinrich  Dechan  des  Stiftes  zu 
unser  frawen  und  Sant  Georien  zu  Fr.  daz  sie  zu  raerrem  gezu- 
knusse  und  Urkunde  aller  diser  Dinge  ire  ingesigele  auch  an  disen 
brief  gehangen  han.    Und  wir  die  richtere  des  heiligen  Stuls  zu 
Meintze  bekennen  an  disem  brieve  daz  wir  durch  bete  des  erbem 
mannen  meister  Wyckers  Schulmeisters  des  vorgenanten  zu  merre 
Sicherheit  aller  diser  dinge  unsers  gerichts  ingesigel  mit  warer  wiz- 
zende an  disen  brief  gehangen  han.    Auch  bekenen  wir  Reynhart 
und  Heinrich  Dechan  egenant,  daz  wir  auch  durch  bede  des  erbarn 
mannes  des  Schulmeisters  vorg.  unser  ingesigel  an  disen  brief  gehangen 
han.   So  bekennen  wir  der  pharrer,  Syfrit  Froysch  und  Syfrit  Wei- 
der egenant  an  disem  brieve  daz  unser  bruder  und  myn  Syfrid  Wei- 
ders swager,  der  Schulmeister  vorg.  alle  dise  vorgeschriben  dink  ge- 
tan hat  mit  unser  wizzende  und  willen,  und  bekennen  ich  Syfrid 
Frosch  egenant  sunderlingen ,  wy  wol  die  brieve  der  sechtzig  phunt 
geldes  mir  und  minen  erben  steen,  als  hie  vor  geschriben  ist,  so  ist 
doch  dicsclb  gulde  des  Schulmeisters  mins  bruders  und  nit  min  noch 
miner  erben,  wan  der  selb  Schulmeister  sin  eygen  gelde  umb  die- 
selben gulde  gantz  und  garwe  betzalt  und  gap,  und  nit  ich.  Und 
IV.  20 


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-    306  - 

(User  dinge  zu  Urkunde  warhude  und  merre  sicherheide  han  wir  drye 
auch  unser  ingesigel  durch  bete  des  selben  Schulmeisters  an  disen 
brief  gehangen.    Diser  dinge  sint  gezuge  und  warn  auch  da  byc  die 
erbern  lüde  her  Kune  von  Frideberg,  her  Kunrat  Boltz  mul 
her  Heinrich  Lamperter  vicarien  des  vorg.  Stiftes  zu  Sant  Bar 
tholomeus,  her  Cunrat  von  Heidelberg  und  her  Dy  et  rieh  von 
Wetzlare  prysterc  gesellen  des  vorgenanten  pherrers  zu  Franken- 
furt und  Syfrit  Bcrtholdes  seligen  sun  von  Walcustadt ,  etswannt- 
eins  Scheffen  zu  Frankenf.  und  ander  erber  lüde  vil.    Diz  geschah 
und  wart  diser  brief  gegeben  zu  Frankenfurt  uf  Sant  Walpurg  dagv 
des  iars  da  man  zalt  nach  Christes  geburt  Dusent  jarc  druhundert 
iare  und  in  dem  sechs  und  viertzigsten  iare. 

Nach  einer  ans  dem  Originale  im  Katharinen-Kloster  genommenen  Ab 
schrift  des  Herrn  von  Fichard. 

V. 

1353.  (Mai.)  Schenkung  des  Wicker  Frosch  an  das  Katharinen- 
Kloster. 

In  Godis  namen  amen.    Ich  Weycker  ein  Schulmeister  zm- 
St.  Stephan  zue  Mentz  Son  Hey  Im  an  n  seligen  Froysches  etswan 
eins  scheffen  zue  Frankenfurt  dem  god  gnade,  bekennen  mich  an 
diesem  brive,  daz  ich  durch  Gotes  willen  und  meines  vader  egenant 
und  Elisabeth  seliger  sele  meiner  müder  und  aller  meiner  altvor 
dem  und  aller  glaubigen  sele  willen  und  Gode   und  seiner  lieben 
müder  und  allen  Heiligen  und  sonderlichen  der  heiligen  Jungfrawen 
Sant  Katharin  zue  Lob  und  zue  eheren  han  gegeben  und  geben  an 
diesem  briefe  dem  newen  cl oster  zu  Frankf.  vor  Bockenheimer  dor 
gelogen  in  der  newen  Stat,  daz  man  weyhen  sol  in  der  vorg.  Jung- 
frawen eher  Sant  Katharinen,  daz  ich  egenanter  Schulmeister  mit 
meiner  kost  und  arbeyt  und  mit  meym  gude  han  gemachet  und  ge- 
bawet,  den  Jungfrawen  daselbs  zue  irer  nahrung  und  notturft  alles 
das  gud  daz  hernach  geschrieben  stet    Zu  dem  ersten  das  gud  zue 
Breun gisheim  das  ich  verlihen  umme  sechtzig  achtel  korns  vier 
achtel  erwez  und  sechs  achtel  weitzes  imd  ein  simmeru  linsen.  Von 
demselben  gude   gibt  man  zu   einer  vicareyen   zue  S.  Georgien 
zue   Fr.   vier  margk   pfenning   alle   iar  zuscheu  zweyen  frawen- 
tagen  Assumptio  und  nativitas.    Anderwerbe  geben  ich  dem  vorg. 
closter  daz  gud  zu   Petterwyl  daz  ich  geluhen  han  Herolde 
und  Güldenere,  Herolde  virdehalb  hübe  um  virtzig  achtel  korns 
und  zwolff  achtel  wcytzes  und  umme  zwo  gense  und  zwey  hunere,  und 


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-   307  - 

dem  Güldenere  eyn  hübe  um  dreytzehen  achtel  koras  ohn  eyn  aim- 
mern,  und  um  drey  achtel  waizaeB  franken  furter  mazaea.  Item  sechs 
mark  pfenning  geldes  uff  S.  Walpurgen  tag  die  do  gibt  Arnold  ge- 
nannt zum  Home  von  sinera  huae  uf  dem  Rozaebuhel  daz  da 
was  der  alten  Buraey aterin.   Item  vonff  phunt  heller  ohn  einen 
Schilling  heller  geldea  uff  S.  Mertins  tage  daz  da  gibt  Gunderade 
Schurgen  von  irem  hua  gelegen  an  Arnoides  hus  vorgenant  und 
was  auch  der  alten  Bumeyateren.  Item  zwo  mark  pfenning  geldes  uf 
der  Gunderaden  hua  uffe  dem  Roazbuhel  oben  am  Brunenfels  ge- 
legen und  gibet  die  gulte  uf  des  heiligen  Christes  dag  Else  etzwan 
eliche  wirten  Syfried  seligen  Froyschea  dem  Got  genade.  Item 
drei  Schilling  penning  gibt  auch  Fraw  Else  Froyachen  von  eim  hua 
under  den  Linwedern  gelegen  uf  S.  Martins  tage.    Item  Clara 
Rulcmannin  gibt  funfzehen  Schilling  coehcher  von  eim  hove  gele- 
gen by  den  wyazen  frawen  und  heizact  Semmelers  hove  uff  S.  Wal- 
purge  dag,  und  gibt  auch  ein  kappen  uff  S.  Mertena  dag  von  dem- 
selben hove.   Item  ein  virdung  pfenning  gibet  Henekin  Dozaen  bru 
der  von  ainem  huB  daz  do  heizaet  zue  dem  gülden  rade  und  liget 
uff  dem  Samstag8berge  by  dem  craniche  an  dem  hua  zur  dauben 
uf  S.  Jacobs  dage.  Item  sieben  Schillinge  penninge  neun  huner  und 
einen  Vierden  zal  ockers  (?)  in  dem  dorff  zue  Bru chke bell  uff 
S.  Mattheus  dage.    Item  einen  kappen  gibet  alle  jar  uff  S.  Mertina 
dage  Hennekin  Glockenere  und  Elizabeth  sine  fraw  von  Breunges- 
heira  von  einem  garthen,  lit  daaelbs  uazwendig  dea  dorffia  by  dem 
alden  Humbrachte.  Item  hundert  phunt  heller  geldes  die  ich  han  ge- 
kauffit umb  die  Stat  zu  Frankenford  umb  zwölff  hundert  phund  hel- 
ler zue  widerkauff  als  die  brieff  besagend  die  darüber  under  der- 
selben stede  ingesiegel   aint  beaigelt  und  wurd  die  gülte  wider- 
gekauffit,   ao  aol  daz  cloater  daz  gelt  oder  wer  ein  furmunder 
ist  wider  an  gulte  legin  dem  cloater.    Auch  behalden  ich  Weycker 
Schulmeister  vorgenant  mir  die  gantz  mugede  und   macht  diewyl 
daz  ich  lebin,  daz  ich  pflegir  und  furmunder  sol  und  wil  sin 
des  vorg.  closters  und  des  gutes  und  gulte  die  derzue  gehorind  adir 
noch  zugehorinde  wurden,  und  alle  die  gude  und  gulte  die  ich  darzue 
gegebin  und  gemacht  han  adir  noch  gebin  wurde,  daz  ich  die  gulte 
und  gude  mag  und  wil  aetzin  dem  cloater  und  den  jungfrawen  zue 
nutz  zu  vallende  zu  allen  den  geziten  ala  mich  lustet  und  wie  mich 
duncket  daz  ez  allerbest  sy,  und  auch  wie  ich  die  furmunderschafi 
und  die  gulte  und  gude  bestellin  und  setzin  aftcr  minem  tod  zue  be- 
leiben und  daz  mit  minen  brieven  beachriben  geben,  also  sol  ea 
ewiglichen  bliben  und  gehaldeu  werden.    Mehr  erkennen  ich  mich 

20* 


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-    308  - 

Weyckcr  Schulmeister  ehegenant  was  dieser  vorgeschr.  gulte  und 
gude  inpflichtig  ist  zue  Frankenfiird,  daz  die  gude  und  gulte  bedde 
und  stewer  sollen  geben  und  dem  Riehe  dienen,  so  das  not  ist,  ab 
andere  burger  von  iren  gulten  und  guden  tun,  die  zu  Fr.  inpBichti* 
und  gelegen  sin.  Zue  gezughiss  und  urkund  dieser  vorgeschr.  din£ 
hnn  ich  Wycker  Schulmeister  zue  St.  Stephan  zu  Mentz  vorg.  ge- 
beten die  erbarn  wysen  lute,  die  burgermeistere  die  scheffon  und  den 
rat  zu  Frankenford,  daz  sie  irer  Stede  zu  Fr.  grosz  ingcsigel  an  die- 
sen  brief  han  gehangen.  Und  wir  die  Burgermeistere  die  »ebeffee 
und  der  rat  zu  Fr.  erkennen  uns,  daz  wir  unser  Stede  grosz  inge- 
sigel  durch  bedde  willen  hern  Wyckers  Schulmeysters  zu  8t  Stephan 
zu  Mentz  vorg.  an  diesen  brief  han  gehangen.  Gegeben  und  ge 
Beliehen,  da  man  zaltnach  Godis  geburte  Dritzehen  hundert  iar  dar 
nach  in  dem  dry  und  fünfzigsten  iarc  an  dem  neysten  frytag  nach 
des  heiligen  St.  Urbans  dage. 

Nach  der  von  einer  —  in  der  Sprache  verdorbenen  —  Archival-Copie  d« 
Katharinen-Klosters  genommenen  Abschrift  des  Herrn  von  Fichard. 

VL 

1353.  (Mai.)  Schenkung  des  wicker  Frosch  an  das  neue  Spital 

mm  h.  Kreutz. 

In  Godis  namen  amen.    Jch  Wiek  er  ein  Schulmeister  zu  Saut 
Stephan  zu  Mentze  son  Hei  Im  an  seligen  Froysches  etzwanne 
eines  Scheffen  zu  Frankenford  deine  God  gnade,  bekennen  mich  au 
dysera  bryfe  daz  ich  durch  Godis  willen  und  mynes  vader  egenante 
und  Eltzebeth  seligen  sele  myncr  müder  und  aller  myner  altvor 
dem  und  allir  gleubigen  sele  willen  und  Gode  und  Syner  üben  run- 
der unde  allen  heilegin  und  sundirlichen  deme  heilegin  Crutze  zu  lobe 
und  zu  erin  han  gegebin  und  gebin  an  dyseiu  bryfe  dem  uuwen 
Spital  zu  Frankenford  vor  Buckinheimir  dor  gelegin  in  der  nuweu 
stad,  den  ich  egenante  Schulmeister  mit  miner  koste  und  arbeydt 
und  mit  niyme  gude  han  gemachet  und  gebuwet  den  Sychen  dasei- 
bis  zu  irre  narunge  und  notdorfft,  allis  das  und  das  hernach  stet  ge- 
schrebin.  Zu  dem  ersten  den  hoff  genant  zu  dem  Rebestocke  ge. 
legin  by  demenidern  holtze  zusehen  Fr.  und  Redilnheim  und  allis 
das  gud  das  darzu  gehorit  virsucht  uud  unvirsucht,  ez  sy  an  ackern 
wiesen  wazsern  weiden  fiBcherien  wy  mau  ez  nennen  mag  davon  man 
mir  gibit  alle  iar  zwene  myne  hoferaanne  Fritze  und  Dyle  ierliche 
uzgenommeu  myne  scherTerie  myne  fiseherie  myne  erlin  daselbis  wer 
und  seszig  aohteil  kornis  alle  iar  tzuschen  den  zwein  frawen  dageu 


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-  309 


aaaumpcio  und  nativitas,  und  dau  von  dem  andirn  lande  daseibiß  ge- 
legen,   daz  da  was  Herman   Dozscn  do  von  man  irae  und  vini 
Lysen   einer  elichun  liusfrawen  die  wile  sie  lebin  alle  iar  sal  gebin 
virtzig  achteil  kornis  Frankenfurter  mazses,  und  wan  sie  beide  dot 
sin,   so   8«il  dasselbe  gud  ledig  sin  dem  Spital  alse  dy  bryfe  besagen 
die  undir  der  Stede  ingesigel  zu  Fr.  darüber  sin  gegebin.  Item  andir* 
werbe  so  gebe  ich  dem  seibin  Spital  nun  achteil  korngeldis  gelegin  in 
dem  dorfte  und  marke  zu  Zilsheim  die  do  gibit  Jacob  der  aide  von 
Xilsheim  von  einer  halben  und  ein  vierteil  einer  hübe  doselbis  gelegin 
und  hat  auch  dar  für  zu  undirphande  gesazt  eynen  morgen  sincs  lan- 
dis, der   do  ligit  by  den  drin  morgin  landis  Hern  Rudolfis  eines 
rittera  von  Sassinhusen  die  do  heizet  der  Scheferstein.  Item  dritte- 
halp  achteil  kornis  die  mir  gibet  Hennekin  Goldstein  von  symo  hofe 
und  lande  zu  Nyddir  Rode  hinsit  Meynis  gelegin.    Item  vyer  ach- 
teile korngeldis  zu  Hoen Stadt  gelegin  die  do  gibit  Contze  Grumme 
und  Petze  sin  husfrawe  von  einer  halben  hübe  landis  doselbis  gele- 
gin die  etswan  was  Hillen  genant  der  Knouffen  und  auch  nun  kölsche 
pheninge  die  sie  auch  gebin  von  eyme  hofe  da  selbis  gelegin  by 
Herman  Kusers  hofe  obewending  drane  und  hant  dafür  zu  under- 
phande  gesast  eynen  halben  morgen  wingarten  gelegin  by  deme  scl- 
bin  hofe.  Item  vyer  mark  pheninge  gcldis  die  hernach  Stent  geschre- 
bin  die  Hern  Conrade  Boitzen  sine  lebtage  sullen  gefallen.  Zum  ersten 
eyne  halp  mark  phenninge  die  do  vallende  ist  uf  8t.  Mertins  dag; 
von  eyme  huse  daz  do  liget  by  Burnheimer  porten  i nnowendig  der 
alden  Stadt,  daz  etawanne  was  Pedirs  eines  beckers.  Item  dry  Schil- 
linge phenninge  und  ein  hun  daz  do  gibet  auch  uff  sant  Mertins  dag 
Berchtold  Oleyers  erben  von  ayme  huse  gelegin  by  Burnheimer  por- 
ten. Item  dry  Schillinge  heller  die  do  gibit  auch  uf  Sant  Mertins  dag; 
Fritze  von  Basele  der  Cremer  von  eyme  huse  by  den  predigern  ge- 
legin hinder  dem  hofe  der  etzwanne  waz  Hern  Volradis  eyns  ritters. 
Item  zwey  hunre  geldis  die  do  gibet  Lotzen  selgin  eines  scherers 
wirten  undir  den  drezselern  auch  uf  Sant  Mertins  dag  von  irme  huse 
gelegin  bie  Berward  selgin  dem  becker.    Item  vonff  Schillinge  phen- 
ning  gcldis  die  do  gibet  auch  uff  Sant  Mertins  dag  Hartmud  ein 
schuchwurte  von  Selgenstad  von  eyme  huse  in  der  vargassen  gelegin 
bie  den  Juden.    Item  dry  Schillinge  phenninge  geldis  und  ein  hun 
daz  do  gibit  Henne  Rodeheimer  und  Lutze  sin  husfrawe  von  eime 
huse  in  der  Cruchengazse  gein  irme  huse  ubir  da  sie  inne  wonen 
auch  uff  Sant  Mertins  dag.    Item  nun  lichte  phenninge  und  ein  hun 
daz  do  gibit  Ruprecht  Crebezser  auch  uff  Sant  Mertins  dag  von  syme 
huse  gelegin  in  der  deinen  gazsen  bindir  dem  huse  daz  do  heizset 


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-    310  - 


Erlebach.    Item  nun  Schillinge  lichter  phenninge  und  zwei  hunre  die 
do  gibit  auch  uff  Sant  Mertins  dag  Thomas  oleier  von  »yme  buse 
gelegin  in  Didcrichs  gaszen  by  Hillen  von  Buchen.    Item  sehs  Schil- 
linge phenninge  gcldis  und  ein  hun  daz  da  gibit  Siepele  zu  dem  Kol- 
man  uff  Sant  Mertins  dag  von  Byrne  hus  gelegin  bie  den  predegern. 
Item  eylff  schil.  phenninge  ane  fonffthalbe  phenninge  und  dan  dry 
cappen  und  zwey  hunre  die  do  gibit  auch  uff  Sant  Mertins  dag:  Ger- 
hard ein  gertener  Emerichcn  son  und  Hennekin  sin  swager  von  einre 
hofestad  und  husern  und  von  eime  morgen  garten  die  do  gelegin 
sind  an  der  Velwilre  strazse.  Item  sehs  schil.  phenninge  und  ein  hun 
die   do  gibit  auch  uff  Sant  Mertins  dag  Jungfrawe   Klse  ein 
bekine,  swester  Hern  Johans  Cappelans  eins  herren  Sant  Johann 
Ordens  von  zwein  morgen  garten  und  von  dem  buwe  der  druff  ist 
gemacht  gelegin  obewendig  der  Clappergazsin.    Item  sibendehalben 
pheninge  und  einen  phenning  und  einen  cappen  daz  do  gibit  Heintze 
Zchender  und  sine  ganerbin  uff  Sant  Mertins  dag  von  eyme  hofe 
huse  und  garthen  in  der  nuwen  stad  gelegin  nnd1  waz  hie  vore  Fritzen 
Zchenders  irs  vaders.  Item  vonffzehen  kölsche  und  ein  hun  von  cvmc 
halben  morgen  garthen  gelegin  by  Engilmndc  die  do  gibit  uff  Sauf 
Mertins  dag  Heintze  Kniribcl,  Dufels  swager.  Item  einen  schil.  phen- 
ninge und  zwey  hunre  die  do  gibet  von  irme  hofe  und  gesesse  gele- 
gin uff  dem  Steinwege   Pedir  Eckcrmans  eyden  etswanne  knecht 
der  dutzschen  herren  und  Henne  Wirbel  ein  metzeler  uff  S.  Mertins 
dag.    Item  nundehalben  schil.  phenninge  und  andirhalbcn  phenuing 
eine  gans  und  ein  hun  von  scstehalben  morgen  wiesen  zu  Rozbach 
gelegin  die  do  gap  Arnold  Slag  von  Rozbach  und  sine  erben  nach 
ime  adir  seszehenden  halben  Shilling  heller  dar  vore  uff  S.  Mertins 
<lng.  Item  nun  kölsche  die  do  gibit  Gudele  husfrawe  etswanne  Hein- 
richs genant  Hurros  von  Seckebach  uff  S.  Mertins  dag  von  eynem 
morgen  wingarten  in  Seckebach  gelegin  by  dem  burnen  der  do  heiszet 
die  Eyduche.  Item  sestenhalben  schil.  lichter  phenninge  und  eyne  gans 
die  do  gibit  uff  unser  frawen  dag  Assumpcio  Jungfrawe  Else  ein  be- 
kine vorgenannt  von  zweien  morgen  garthen  und  den  husern  die 
druff  sint  gebuwet  gelegin  in  der  Klappirgazsen.  Item  hundirt  phunt 
heller  geldis  die  ich  hau  gekaufft  um  die  Stad  zu  Frankinford  zu 
widdirkouffe  umme  zwelff  hundirt  phund  heller  alse  die  bryfe  besagin 
die  darubir  sint  gegebin  under  der  seibin  stedo  ingesigcl  und  wird 
die  gulde  widdir  gekaufft  so  sal  der  Spital  adir  wer  sin  furmunder 
ist  das  geld  dem  Spitale  widir  anlegin  an  gulde.  Auch  behaldin  ich 
Wycker  Scholmeister  vorgen.  mir  die  ganzen  mugede  und  macht  die 
wile  das  ich  pleger  und  furmunder  sal  und  wil  sin  des  egenanten 


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ftpitalis  und  des  gudis  und  guido  die  darzu  gohorind  adir  noch  zugc- 
horindo  wurden,  und  alle  die  gud  und  gidde  die  ich  darzu  gegebin 
und  gemacht  han  adir  noch  gcbinde  wurde,  das  ich  die  guido  und 
gud  mag  und  wil  setzen  den  Sychen  zu  nutze  zu  vallende  zu  allen  den 
gezitcn  alse  mich  Iustet  und  wy  mich  dunket  das  es  allirbest  sy,  und 
auch  wy  ich  die  furmundirschaff  und  die  guido  und  gud  bestellen 
und  setzen  afftir  myme  tode  zu  blibene  und  das  mit  mynen  bryfen 
besebribin  gebin  also  sal  es  ewicliche  bliben  und  gehalten  werden. 
Mc  erkennen  ich  mich  Wycker  Schulmeister  egenante  was  disir  vor- 
geschr.  gulde  und  gud  inflichtig  ist  zu  Fr.  das  die  guido  und  gud 
bedde  und  sture  sollen  gebin  und  dem  Riehe  dienen  so  des  nod  ist 
alse  andir  bürgere  von  irme  gude  und  guido  tun,  die  zu  Fr.  inpflich- 
tig  und  gelegin  sink    Zu  gezugnizso  etc. 

Nach  einer  vom  Original  genommenen  Abschrift  des  Herrn  von  Fichard. 
Der  Schlüge  ist  dem  der  vorhergehenden  Urkunde  gleich. 

vn. 

1359.  (Hai  6.)  Wicker  Frosch's  »weite  Dotation  des  Katharinen- 

klosters. 

Judices  8.  Mnguntine  sedis   recognoseimus,  quod  coram  nobis 
constitutus  honorabilis  et  peritus  vir  Dominus  Wickerus  Scholasticus 
ecclesie  S.  Stcphani  Mogunt.  recognovit  et  recognoseit,  professus  est 
et  profitetur,  quod  inter  alia  bona  plura,  cum  quibus  mouasterium  mo- 
nialium  S.  Katherine  et  hospitale  S.  Crucis  pauperum  et  infirmorum 
hospitalis  B.  Marie  fratrimi  ord.  Theuton.  in  Frankenfurd  in  novo 
opido  ibidem  suis  sumptibus  edificata  alias  dotavit,  specialiter  et  no- 
rainatim  bona  et  redditus  annuos  subscripta  et  subscriptos  pro  dote 
eorundom  monasterii  et  hospitalis  et  suBtentacione  monialiura  paupe- 
rum et  infirmorum  ad  mouasterium  et  hospitale  predicta  deputavit  et 
assignavit,  et  ex  nunc  iterum  ad  superhabundantem  cautelam  eisdem 
monasterio  et  hospitali  donacionc  vera  et  irrevocabili  inter  vivos  sub 
nostro  et  testium  subscriptorum  testimonio  dat,  deputat  et  assignat  et 
predictam  donationem  alias  factam  innovat.    Primo  cur i am  suam  die- 
tam  zum  Rebstocke  prope  Franckonford  quasi  ad  spatium  dimidii 
miliaris  sitam  cum  universis  et  singulis  bonis  agris  paseuis  piscinis 
pratis  nemoribus  et  aliis  suis  pertineneiis  universis,  de  quibus  quidem 
curia  bonis  et  pertineneiis  predictis  singulis  annis  nunc  eisdem  mona- 
sterio et  hospitali  redditus  ducentorum   octaliura  siliginis  mensure 
franck.  presentuntur  et  dari  consueverunt ,  et  pro  tanta  summa  et 
maiori  eadem  bona  sunt  locata  et  comunitcr  locari  poterunt  et  con- 


-    312  - 


suevcrunt.    Item  curiam  suam  in  villa  Brunnisheyin  «inoiliter  pr*>\* 
Frankenford  ad  spaeium  dimidü  miliaris  sitam  cum  agris   prati*  <■ 
pascuis  et  alüs  suis  pertineneiis  in  terminis  dicte  ville  sitis,  que 
dem  curia  et  bona  pro  pensionc  annua  sexaginta  octaJium  siligiz^ 
mensure  predicte  vel  circa  est  locata  et  comuniter  pro  taiita  suuuiu 
vel  maiori  poterit  locari.  Item  curiam  suam  in  villa  Pctirwyl  pr*»p> 
Frank,  ad  spacium  duorum    miliarium  sitani,  süniliter  cum 
pratis  agris  et  aliis  suis  pertineneiis  in  terminis  ville  ejus>dcm  »it.* 
que  quidem  curia  bona  et  pertinencia  pro  annua  peusione  similiur 
sexaginta  octalium  siliginis  dicte  mensure  sunt  locata  et  pro  taxtu 
sununa  comuniter  solent  et  poterint  locari.    Item  quoque  duos  man»'^ 
terrae  arabilis  in  villa  Übernerlcbach  et  cius  terminis  sitos,  qu. 
pro  annua  pensione  triginta  duoruin  octalium  siliginis  dicte  meDsurr 
sunt  locata  et  pro  tanta  summa  comuniter  poteruut  et  solent  locar 
Item  unum  mansum  in  villa  N y  derne  r  lebach  et  eius  termini» 
situm,  et  aliura  mansum  in  villa  Budinsheim  et  eius  terminis  situir 
qui  duo  raansus  pro  annua  pensione  triginta  octalium   siliginis  sunt 
locata  et  pro  tanta  summa  comuniter  solent  et  proterint  locari.  Item 
redditus  annuos  tricentorum  florenoram  auri  de  Florencia  boni  pon 
deris  et  legali»  per  eundem  Dominum  Scholasticum  apud  consules  et 
alios  opidanos  dicti  opidi  Frank,  pro  quatuor  milibus  et  quingenti* 
florenis  auri  emptos  et  comparatos.    Item  redditus  annuos  quadragiut* 
florenonun  de  domo  dicta  zu  Lewcnstein  in  dicto  opido  sita  ce- 
dentes.    Item  redditus  annuos  viginti  octo  florenorum  de  domo  dit  ta 
zu  Limpurg  similiter  in  eodem  opido  Frank,  sita  cedentea.  S;dvi* 
aliis  pluribus  pensionibus  bladi  et  censibus  pecuniariter  minutia  in  di- 
versis  locis  sitis  et  per  dictum  Dominum  Scholasticum  ad  monastcriuin 
et  hospitale  predicta  deputatis.    In  quoruni  omnium  testimooium  pre- 
sentes  litteras  sen  presens  publicum  instruruentum  per  Gerhard  um 
Ulrici  notarium  publicum  subscriptum  scribi  feeimus  et  preniis&a  omni« 
et  singula  in  banc  publicam  formam  redegi  mandavimus  et  sigilli  nostre 
Sedis  feeimus  appensione  muniri. 

Acta  sunt  bec  in  civitate  Moguntina  in  ambitu  dicte  eedesie 
S.  Stephani  Mogunt  Anno  nativitatis  Domini  millesiino  trecentesimo 
quinquagesimo  uono,  indictione  XII,  pontificatus  sanetissimi  in  Chrinto 
patris  ac  Domini  Innocentii  divina  Providentia  pape  VI  anno  »eptimo, 
die  VI  raensis  Maji,  hora  dici  vesperis  pulsatis.  Preseutibus  honesta» 
et  discretis  viris  Godfrido  de  Ossinheim,  canouico  eccl.  S.  t>te 
pbani  predicte,  Jacobo  dicto  Gulpher,  Amclungo  de  Woltfhaii. 
presbyteris  vicariis  scu  capellanis  monasterii  moniah'um  in  Dalea 
extra  muros   Mogunt.    Johanne  de   Frideberg,  Arnoldo  dicto 


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—    313  - 

F  r  asi  e  n  clericis  Mogunt.  et  Johanne  dicto  Hasinbard  cive  Mogunt. 
et  aliib  personis  tidc  dignis  ad  premissa  vocatis  et  rogatis. 

Et  ego  Gcrhardus  Ulrici  de  Frisinga  clericus  Moguntinus,  publicus 
impcriali  auctoritatc  notarius,  prcmissis  omnibus  et  singulis  presens 
intcrfui  eaque  sie  fieri  vidi  et  audivi.  Idco  hoc  instrumentum  publi-. 
cum  exinde  confeci,  manu  mea  propria  scripsi  signoque  mco  solito  et 
consueto  signavi  requisitus  et  rogatus  in  testimoninm  omnium  pre- 
misBorum. 

Nach  einer  von  Herru  von  Fichard  genommenen  Abschrift. 


VIII. 

1363.  (6.  August  )  Testament  des  Wicker  Frosch. 

vMit  den  in  den  Noten  bezeichneten  Abweichungen  des  zweiten  Testament»  vom 

28.  September  13G3.) 

In  nomine  Doniini  Amen. 

Quia  nichil  cercius  morte  et  incereius  die  et  hora  mortis, 
ideo  ego  "Wickerus  de  Frankin ford  Scholastieus  ecclesie  S.  Ste- 
phani  Mognnt.  volens  quoad  disposicionem  ultimc  mee  voluntatis  ta- 
lem  incertitudinem  diei  *)  mortis  prevenire  meam  idtimam  voluntatem 
dnxi  disponendam  et  ordinaudam  ac  ordino  et  dispono  in  hunc  modum. 

In  primis  si  aliqua  invenirentur  debita  quod  non  credo,  illa  om- 
nia  persolvantur. 

Item  debitum  michi  pro  expensis  in  causa  quac  inter  Dominos 
Emschonem  de  Lorche  et  capitulum  et  canonicos  ecclesie  Mog.  ex 
una,  et  me  Wickernm  Scolasticum  predietnm  parte  ex  altera  verte- 
batur  in  curia  roinana,  michi  adiudicatum,  lego  Domino  meo  G.  ar- 
chtepiscopo  Mogunt.  et  volo  quod  ultra  predietnm  debitum  manufide- 
les  mei  sibi  tradunt  quinquaginta  florenos2)  quos  siiniliter  sibi  lego. 

Item  decem  maldra  siliginis  et  novem  solidos  Halensium  anuuos 
in  Burlach  ecclesie  mee  »S.  Stephani  3)  alias  resignata  et  resignatos 
scilicet  IUI  maldra  pro  pane  ad  cantandum  Autyphou  „Haee  est  dies" 
etc.  cum  illis  reditibus  novem  solidomm.  Residua  sex  maldra  lego  pro 
anniversario  divino  dicte  mee  ecclesie  singnlis  annis  peragendo. 


«)  et  bore. 

»)  auri. 

3)  Maguntie. 


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Itcin  tria  volumina  biblie,  *)  decretum,  rosarium,  summam  ho- 
»tiensem,  novcllam  Johannis  Andree  super  decretalibus  et  super  sexto. 
ut  fict  una  liberia,  prout  manufidelcs  mei  hic  in  Moguntia  deputati 
de  hoc  sunt  informati. 

Item  lego  debita  in  quibus  michi  officiati,  scilicet  Theodericus 
Bcrnse,  Starkardus8)  et  Gotzo  tenentur  et  annum  grade  mee 
dicte  mec  ecclesic  pro  prcsenciis  ad  septimum  meum  peragendum 
cmcndis,  et  ducenta  raaldra  siliginis  pauperibus  dandis  prout  manufi- 
delcs meoB  hic  in  Moguntia  deputatos  scilicet  dominos  Jobanne  in 
cantorem,  Conradum  de  Wiis  canonicum  et  Zulouem  vicarium 
informavi  et  eos  exceutorcs  ad  faciendum  premissa  deputavi. 

Item  octo*)  lectos  cum  octo  linteaminibus  et  IUI  cooptoriis  et  Uli 
pulvinaribus  et  IUI  eussinis7)  et  IUI  cassis  argenteis  lego  Johanni 
Welter  et  Wigeloni  fratribus,  avuneulis  meis,  et  ctiam  brcviariuui 
raeura  et  übrum  missale,  ita  quod  eosdem  libros  non  alienent,  specu- 
lum  reddant  fratri  mco. 

Item  lego  ecclesic  S.  Bartholome*!  Frank,  pro  prcscncia  ad  festuin 
beatc  Anne  matris  Marie  cum  cantu  ipsius  historie  solempniter  pera- 
gendum,  redditus  duarum  marcarum  denariorum.  Item  redditus  uniu> 
marce  denariorum  pro  anniversario  meo  et  parentum  ineorum  et  oni- 
nium  amicorum  et8)  benefactorum  meorum  siugulis  annis  perageudum. 

Item  lego  Kathoriuc  matri  Cuntzelini  de  Pingwia  sex  libramm 
halensium  reditus  ad  tempora  vitae  suae,  scilicet  quaJibet  septimana 
IUI  temporum  per  mcos  executores  sive  manufidelcs  XXX  solido* 
solvendos  de  bonis  monasterii  et  hospitalis  ad  vitam  suam  et  non 
ultra  et  ultra  premissa  decem  libros  halensium  in  parato. 

Item  lego  avunculo  mco  Jacobo  Clabelauch  dicto  •)  redditus 
novem  marcarum  denarionim  super  domum  zu  Lichtenberg  et  sex 
marcarum  super  domum  zum  Clobclauch  cedentes  apud  dictum 
Jacobum  sub  pacto  reempeionis  per  mc  emptos  et  eciam  de 
bitum  centum  librarum  halensium  nöe  quondam  Sitzelc  Havermenen 
michi  per  euin  solvendum,  ita  tarnen  quod  si  ispum  Jacobum  sine 
liberis  seu  hcredibus  desceudentibus  legitimis  decedere  contingat,  quod 
dicti  redditus  novem  et  sex  marcarum  ad  monastcrium  S.  Katherine 


*)  librrnn  Rationale. 

»)  dafllr  Starckradus. 

c)  dafür  quatuor. 

')  die  3  letzten  Worte  fehlen. 

*)  die  2  letzten  Worte  fehlen. 

»)  Cläre  fratri. 


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et  hospitale  S.  Crucis  subscripta  et  prescripta  devolvantur  vel  pecunia 
pro  eisdem  redditibus  si  fucrint  rccmpti  danda  vel  data  dcvolvatur. 10) 
Item  volo  et  ordino  quod  novcm !1)  legatarii  mei  patrui  et  avun- 
culi  prescripti  et  subscripti  conjunctim  et  divisim  habeant  potestatcm, 
illam  domum  zum  Affen  dictam  sitam  inter  Judaeos  in  civitate  Ma- 
guntinensi,  Cläre  filie  Jekoln  Roden  pro  quingentis  libris  hal.  as- 
signatam,  si  cam  sine  liberis  quod  absit  decedere  contingat,  redimendi 
cum  summa  quingentarum  libramm  halensium,  quia  ita  fuit  condie- 
tmn  et  ordinatum  quando  mater  dictc  Cläre  ipsi  Jcckclino  fuit  de- 
sponsata. 

Item  omnia  alia  bona  mea  mobilia  et  immobilia  praeter  jam  superius 
disposita  et  ultra  alia  bona  redditus  et  pensioncs  seu  alias  res  quascunque 
prius  dudum  dictis  monasterio  et  hoapitali  per  me  donatas  et  assignatas, 
et  cum  quibus  bonis  cadeni  monasteriura  et  hospitale  per  me  sunt 
dotata,  que  in  suo  robore  volo  permanere,  lego  et  relinquo  monaste- 
rio et  hospitali  predictis.  «) 

Item  disposicionem  et  administrationem  «•)  commisi  et  in  scriptis 
coramitto  plenam  et  liberam  quinque  patruis  meis  et  AI  heidi  »orori 
mee  ac  Jacobo  Clobelauch  et  Johanni  Wclder  et  Sifrido 
juniori  suo  fratri  secundum  ordinem  regendi  gubemandi  et  confesso- 
rem  deputandi 14)  de  consilio  magistre,  et  eidem  confessori  singulis 
annis  XL  talenta  halens.  qualibet  septimana  quatuor  tempomm  decem 
talenta  pro  victu  et  necossariis  suis  quamdiu  confessor  fuerit..15) 

Item  sex  monialibus  in  Dif feudal  pro  co  quod  vigilias  tnielii 
dicant  per  annum  integrum,  qualibet  septimana  sex  solidos  bal.  dan- 
dis  et  similiter  tantum  sex  monialibus  in  Hymeltal  et  pro  fabriea 
ibidem  XX  libros  halens.  in  parato. 

Item  ultra  alias  pecunias  et  res  Jacobo  Klobelau  eh,  Cläre  zum 
Stralenbcrg  ejus  sorori  pro  suis  liberis,  W  i  g c  1  o  n  i  scolastico,  II  c  i  1  m  a n  n  o 
ejus  fratri,  Johanni,  Wickcro  et  Katlierine  fratribus,  Johanni, 
Wigeloni  et  Sifrido  juniori  fratribus  dietis  Wcldir  seu  quibusdam 
ex  üs  donatas  et  assignatas  dono  assigno  seu  lego  eisdem  decem  personis 


i0)  Zusatz :  Item  Elizabeth  filie  quondam  Heilinanni  Clobelauch  ad  maritandam 
eam  lego  centum  libros  hal.  per  manufideles  meos  sibi  dandos  et  solvendos.  Item 
Else  moniali  in  Himmeltal  lego  X  libros  hal. 

")  novem  fehlt 

»)  Diese  ganze  Stelle  fehlt. 

»)  claustri  et  hospitalis  predictorum  sitoruro  in  Frank. 
»♦)  et  ctiam  removendi. 
»*)  dandi. 


-    316  - 

redditus  centum  florenorum  quos  opidum  Wctflar,  item  reddüus  cen- 
tum  florenonim  quos  opidum  inGruncnberg  solvere  annuatim  tene- 
tur  intcr  eos  dividcndos  equaliter  quam  diu  vixerint,  et  postquam 
unus  vel  plures  ex  illis  decem  decesscrint,  tunc  pars  decedentis,  scilich 
XX  flor.  redituum  predictorum  debet  divolvi  ad  monasterium  et  hospi- 
talc  predicta,  et  item  de  omnibus  decem  personis  prcdictis  quousqae 
oinncs  mortae  fiierint. 

Item  de  lego  et  assigno  de  illis  centum  librie  hal.  quos  opidum 
Frankenford  in  die  S.Martini  singulis  annis  solvere  tenctur  Sifrido 
Wcldir  seniori  XL  etWickero  Froisch  patruo  mco,  ut  eo  fideliu* 
monasterium  et  hospitale  rospieiant  et  custodiant  ac  defendant,  XX 
libros  dumtaxat,  et  residuas  XL  uni  confessori  singulis  quatuor  tem- 
poribus  X  ministraudas,  ita  quod  XL  Sifridus  et  Wickerus  XX  sol 
vendos  capiant  ad  tempora  vite  et  non  ultra,  et  post  mortem  cuius- 
libet  eorum  devolvantur  ad  monasterium  et  hospitale  predicta. 

Item  euilibet  ex  decem  personis  prcdictis  pro  administratoribu* 
deputatis  II  cassas  argenteas  de  meis  melioribua. 

Item  de  domo  quam  Mctta  soror  mea  inhabitat  ac  bonis  in 
Sossenheim  ac  domo  zum  Wolffe  disponatur  prout  oretenus  dictos  ad- 
ministratores  intbrmavi  et  specialiter  Alhcidin  sororem  mcain,  scu  in 
seriptis  sub  sigillo  mco  dabo  ordinatum. 

Item  omnia  alia  et  singula  bona  mea  sive  mobilia  et  iminobilia 
quibuscunque  pensionibus  censibus  ac  pecunia  scu  aliia  rebus  con- 
sistencia  ultra  boua  16)  donata  vel 1T)  legata  iam  prescripta  vel  sub* 
scripta  dono  seu  lego  predictis  decem  administratoribus  et  Alheidi 
sorori  mee,  prcdictis  monastcrio  et  hospitali  perpetuo  dandis  et 
assignandis. 

Item  Friderico  Cantori  Aschaffenburgensi  etiam  duas  caasaa 
argenteas  ut  suis  consiliis  et  auxiliis  assistet  quotiens  requiritur  per 
ineos  manutideles,  pro  defonsione  monastcrii  et  hospfttalis  et  eorum 
bonis. ,8) 

Item  si  quis  predictarum  decem  personarum  scilicet  Cläre  et 
aHorum  novem  manuHdelium  et  aliorum  administratorum  non  provi- 
deret  fideliter,  monasterium  et  hospitale  seil,  impediret,  volo  quod  sua 
pars  sibi  donata  seu  legata  auferatur  ab  illo  et  sibi  non  cedat 


")  assignata  sive. 

»")  Dieser  Absatz  folgt  nach  der  obigen  Verfügung  über  die  silbernen  Gefäße. 


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317  - 


Item  ducentum  Octalia  ailiginia  in  Francoford  recipienda  in  uauin 
pauperum  et  infirmoram  atatim  post  obitum  meuui  infra  duoa  menaea 
dandoB. 

Item  Bertoldo  Herden19)  de  Geinhusen  conaanguinco  meo 
XX  libros  in  parato  et  Johann!  Hasiubardo  similiter  XX  libros 
post  obitum  meum  in  parata  peeunia  lego  dandos  et  »olvendoa  per 
meos  exccutores  seil.  Alheidim,  Jacobum,  Johannein  et  Wiekeruin, 
et  reservo  michi  potestatem  niutandi  si  voluero  et  aliter  disponendi 
et  revoco  alia  omnia  alias  per  me  disposita  et  eciam  alios  executores 
ai  quos  disposui  nisi  in  quantuni  michi  in  preaenti  iustrumento  con- 
tinentur.  *) 

Item  alia  vasa  mea  argentea  aeu  deaurata  volo  quod  aoror  mea 
et  Jaeobua,  Joannes  et  Wickema  reeipiant  et  prout  eoa  informavi 
aeu  adhuc  intbrmabo  disponant  et  eadem  die  diatribuant.  21) 

Item  Katherine  Lüben  heimer  moniali  monasterii  monialiuni 
in  Fraiikenford  X  libros  hal.  ut  anirae  niee  recordetur  et  eciam  ad 
unum  anuum  aibi  et  adhuc  tribua  monialibua  aingulia  septimanis  qua- 
tuor  aolidos  hal.  dandos  ut  duas  vigiliaa  omni  die  due  ex  eia  aimul 
unam  et  alle  due  similiter  unam  legant  devote  et  morose. 

Item  quod  in  monaaterio  meo  aingulia  annia  conventua  omni  aepti- 
mana  devote  et  moroae  ac  verbia  integria  et  integre  proferendis  per- 
petue  pro  aalute  anime  mec  ac  parentum  et  ainicorum  meorum  et 
oninium  illarum  personarum,  a  quibua  bona  quocumque  per  venera  nt 
dictia  monaaterio  et  hoapitali  aasignata  per  me  veldonata  et  qui  me- 
rito  orationum  predictaram  vel  quarunicunque  aliarum  per  dietum  con- 
ventuni  faciendarum  debent  esse  partieipes,  legant  vigiliaa. 

Itom  ordinibua  in  Moguntia  et  in  Frankenford  cuilibet  una  libra 
hal.  ut  quilibet  conventua  devote  legat  aemel  vigiliaa  in  auo  conventu 
et  quilibet  frater  miaerere  et  de  profundia. 

Item  aepulturam  meam  lego  in  Frankenford  in  loco  amicia  meia 
aaaignato.  22 

Item  lego  crueiferia  in  Maguncia  duo  talenta.  23j 


'*)  Herden  fehlt. 

w)  fehlt  von  et  reservo  an. 

Jl)  Dieser  Absatz  folgt  auf  das  Legat  an  den  Cantor  Friedlich. 
")  Dieser  Absatz  fehlt. 

l3)  Ebenso.  Dagegen  folgt:  Itein  lego  fratribns  ordinis  S.  Johannis  Jerosalem. 
hospitalis  B.  Mariac  in  Frankford  deceni  Horas  hal.  Itein  lego  fratribns  Teutonicis 
et  ejnsdeua  ordinis  in  Magnncia  S.  Jnannis  Jerosal.  dno  talenta  halens. 


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-  318 


Item  X  floreni  domino  Coraiti  de  Rienccke  poat  mortem  meam 
reddantur  immediate.  **) 

Actum  anno  a  nativitate  Domino  Millesimo  Trecentesimo  sexa- 
gesimo  tertio,  sexta  die  mensis  Augusti,  Indictione  prima,  pontificatus 
sanctissimi  in  Christo  patris  et  domini  nostri  Domini  Urbani  dirina 
Providentia  pape  quinti  anno  priino,  hora  diei  predicte  quasi  nona  vel 
modicum  postea  in  curia  habitacionis  supradicti  Domini  Scolastici, 
presentibus  Johanne  Holtz  de  Fraucoford  vicario  eclesie  S.  Marie 
ad  gradus  Mog.  Amelungo  de  Wolffhayn  rectore  scolarium  dicte 
eclesie  S.  Stephani  Mog.  Bertoldo  Herden  de  Geilenhuscn,  J o- 
hanne  Hasinbardo  civi  Mog.  et  Domicclle  Alheidi  sorori 
dicti  Domini  scolastici  ad  premissa  pro  testimouio  vocatis  et  rogatis.  *s) 

Et  ego  Conradus  de  Treysa  clericus  Mog.  diöcesis  publicus  im- 
periali  auetoritate  notarius,  quia  disposicioni  ordiuacioni  legacioni  do- 
nacioui  ceterisque  singulis  premissis,  dum  sie  ut  premittitur  agereutur 
et  fierent,  una  cum  testibus  loco  die  et  hora  predictis  successive  prae- 
sens interfui  et  cum  eisdem  testibus  ea  sie  ficri  vidi  et  audivi,  ideo 
hoc  presens  publicum  instrumentum  exinde  confeci  quod  manu  mea 
propria  scripsi  ac  signo  meo  solito  signavi,  requisitus  desuper  in  testi- 
monium  evidens  premissorum. 

Nach  einer  Abschrift  des  Herrn  von  Fichard.  Dies  Testament  zeigt 
den  Reichthum  des  Scholasters  Wicker.  Zu  bemerken  ist  die  Stiftung  einer 
Liberei  oder  Bibliothek,  obwohl  der  Bücher,  die  der  wegen  seiner  juristi- 
schen Kenntnisse  hochgeachtete  Scholaater  besass,  nicht  gerade  viele  sind. 
Der  Spiegel,  den  sein  Bruder  erhalten  soll,  ist  wahrscheinlich  aaeh  ein  Bach. 
Der  Septimns  ist  der  siebente  Tag  nach  dem  Tode,  an  welchem  die  Seelen 
messen  für  den  Veratorbenen  stattfanden.  Die  eassas  argenteas,  deren  Wycker 
mehrere  vermacht,  ist  v.  Fichard  geneigt  für  silberne  Becher  zu  halten.  In 
der  Stelle,  dass  die  Vigilien  morose  gelesen  werden  sollen,  bemerkt  er  nach 
Dufresne  gloss  »cum  niora  et  non  superticialiter." 


14 )  Zugefügt  ist  hier  die  nnter  22  ausgelassene  Stelle:  et  reservo  michi  etc. 

as)  Der  Schluss  des  zweiten  Testaments  lautet:  In  quonira  oranium  et  singu- 
lorum  evidens  testimonium  hoc  presens  instrumentum  per  Conradum  de  Treysa 
notariuro  publicum  infrascriptum  sub  testimonio  testium  subscriptorum  publica« 
preeepi  et  mei  sigilli  appensioni  communivi. 

Datum  et  actum  Maguncie  in  curia  habitacionis  mei  Wickeri  Scholastik 
prt  dicti  anno  a  nativ.  Domini  M.  C  C.  C.  sexagesimo  tertio  indictione  —  anno  primo 
die  vicesima  octava  mensis  Septembris  hora  quasi  prima  presentibus  bonorabilibus 
et  discretis  viriB  Conrado  de  Wiis  canonico  ecl.  St.  Steph.  Mog.  Johanne 
Boltz  de  Frankford  vicario  ecl.  S.  Marie  ad  gradus  Mog.  et  Araelungo  rec 
tore  scolarum  dicte  ecl.  S.  Steph.  Mog.  ac  Johanne  Ilasinbardo  civi  Mog. 
testibus  ad  premissa  vocatis  specialiter  ac  rogatis.  Et  ego  Conradus  sqq. 


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-   319  - 
IX. 

1364.  (2t  August.)  Elisabeth  Frosch  erkauft  einen  Zins. 

In  dei  nomine  amen.    Per  hic  presens  publicum  instrumentutu 
cuneti»  pateat  evidenter  .  .  .  Anno  ab  anno   incarnationis  ejusdem 
millcsimo  trecentesirao  LXIIII  0  XXI  die  mensis  Augusti  hora  nona 
vel  quasi  in  nova  civitate  Frankinford  raoguntinc  dioecesis  in  mei 
notarii  publici  et  testium  requisitorum  presencia  in  domo  habitacionis 
Elv  zabet  dicte  Frosch  in  et  .  .  .  .  ejusdem  presencialiter  con- 
stituti  H  e  n  n  o  dictus  Breydclere  ortulanus  et  Katherina  ejus  uxor 
pro  sc  et  suis  hcredibus  communicata  manu,  unanimi  consensu  et 
voluntatc  justo  venditionis  tytulo  vendiderunt  dicte  Domino  E  1  y  - 
zabet,  die  raense  et  hora  predictis,  Indictione  II  pontificatus  sanc- 
tissimi  in  Christo  patris  ac  Domini  nostri  Domini  Urbani,  divina  fa- 
vente  clemencia  pape  quinti  anno  ...  II  in  dicta  domo  ipsius  Elyza- 
beth  Froschin  in  Frankinford  dicte  mog.  diocesis,   perpetui  annui 
census  duarum  librarum  hallensium  usualium  et  dativorum  singulis 
annis  dand.  et  presentand.  in  die  beati  Jacobi  apostoli  praefate  do- 
mine Elyzabet  Froschin  vel  cui  legaverit  deputaverit  ac  donaverit 
cen8um  jam  {nunc  memoratum,  de  bis  agris  ac  ortorum,  pratis  hic  quis- 
quis  sitis  in  terminis  ortorum  juxta  Frankinford  prope  duo  jugera  cum 
dimidio  sita  ante  silva  et  dicitur  das  borinheymer  rod  juxta 
Wismudum  de  Brcydinloch  et  Hennonem  filium  Wikirlini  et  solvent 
prope  XXXII  solidos  hallensium  et  duas  metzas  papaveris,  et  ibidem 
versus  antiquam  viam  ad  fylwil  tria  quartalia  sita  sunt  prope  Dynam 
di  et  am  Blumin.    Item  yn  dim  lehmin  Rode,  yn  dim  lynde  in 
illa  terra  seu  ortis  olym  qui  fuerunt  Hcrmanni  dicti  Clobelauch  unum 
jugerum  prope  dictam  Dytzelerin,  quod  solvit  prope  XV  solidos  hal- 
lensium cum  siraerino  papaveris.    Item  due  pariter  sitc  sunt  juxta 
paseuis  dictis  die  Pingistweydc  ex  una  parte  et  ex  alia  Wigilonem 
dict.  Rode.    Reliqua  pars  sita  est  yn  dem  bruche  prope  Herman- 
nuin  generum  quondain  Ellerti  pcllificis  et  ctiam  solvunt  census.  Et 
Iii  due  .  .  .  pignore  obligate  sunt  pro  ampliori  dicti  census  iirmitatc. 

Acta  sunt  anno  domini  indictione  pontificatu  mense  die  hora  et 
loco  predictis,  adstantibus  discretis  viris  Wygand  Urselere,  Nicholao. 
Breydclere,  Hennanno  genero  quondam  Ellerti  pellificis,  Johanne  dicto 
Olingenere  et  aliis  fide  dignis  ad  prcinissa  vocatis. 

Et  ego  Johannes  Wiruhcri  de  Wetflaria  clericus  Trevir.  Diocesis, 
imperial!  auetoritate  notarius  publicus  quia  dietomm  perpetnorum  red- 


/ 


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dituum  recognitioni  vendicioni  et  resignacioni  libere  ac  .  .  .  una  com 
prenotatis  testibus  presens  interfui  eaque  hic  fieri  vidi  et  audivi  ide- 
in haue  publicam  formam  redegi  meoquc  consueto  siguo  signavi 
requisitus. 

Nach  der  von  dem  stellenweise  sehr  beschädigten  Originale  geoorame 
nen  Abschrift  des  Herrn  v.  Fichard.  Zu  bemerken  sind  die  Angaben  d« 
Oertlichkeiten  in  der  Ostgegend  der  Stadt.  Das  Bornheimer  Rod  wird  vot 
Battonn  örtl.  Beschreibung,  der  in  §.  XXII.  seiner  Einleitung  (I.  228)  vw> 
den  hiesigen  Gegenden  unter  dem  Namen  Rod  handelt,  nicht  erwähnt.  Dn 
Leimenrod  (I.  231)  lag  am  alten  Fricdberger  Wege.  Die  Pfingstweide  ist 
mir  urkundlich  noch  nicht  früher  vorgekommen.  Unter  dem  Bruch  ist  wohl 
der  Metzgerbruch  zu  verstehen. 


X. 

1387.  Versatzbrief  Ober  den  freien  Stnhl  nnd  das  Sqjtloss  zu 

Padberg. 

Ich  Fryderich  von  Papberg,  Gotschalg  und  Fryde- 
rieh  sine  sone  irkennen  uns  mit  disem  bryve  vor  uns  und  unsir 
Erben,  daz  wir  unsir  geryehte  und  fryen  Stul  zu  Papberg 
und  unsir  Sloesz  daselbis,  daz  man  nennet  daz  nuhus,  hau  virsaszt 
und  virsatzen  den  erbarn  mannen  Jonge  Froesch  Schcffen  zu 
Franckenford  und  Conrad  von  Glauburg  burger  daselbis ,  daz 
sie  sich  darusz  und  dannitde  soln  und  mögen  behelffen  und  weren, 
und  ir  yclich  besondir  wieder  allirmenlichen,  der  sie  wulde  viranreeh 
ten,  datz  sich  an  den  fryen  Stuel  gehicsche,  und  soln  und  woln  sie 
darzu  »ehUren  schirmen  und  getrulieh  behulffen  sin  zu  dem  rechten, 
und  hau  daramb  von  yn  empbangen  eyn  nemlich  sonic  geldis  der  wir 
gutlich  sin  bclzalt,  und  sagen  sie  der  quit  und  lois  mit  dieszem  brieve. 
Auch  soln  wir  noch  unsir  erben  den  vorgenant  unsir  Stuel  und  Sloe«z 
von  yn  nit  lösen,  die  wile  sie  leben ;  worde  auch  ir  eyner  odir  sie 
beyde  an  eyn  andir  frygerieht  und  Stuel  geheiseben  da  sie  sich  nit 
virantworten  künden,  so  mag  yrer  frunde  evner  denselben  der  sie 
oder  yn  geheiachen  hette,  wieder  heischen  an  den  megenanten  unszem 
fryen  Stuel  und  daz  tun  als  dike  dcs|  noid  ist,  und  sinen  frund  da- 
mitde  von  unrecht  entledigen,  den  wir  aber  suln  schüren  schirmen 
und  behulffen  sin  als  es  vor  ludet.  Dis  alles  wir  obgeuant  globui  in 
guden  truwen  an  eits  statt  stede  und  vestc  zu  haldene  ane  argelist. 
bose  funde  und  geverdc.  Mit  orkunde  myn  Frydcrichs  ingesz  vor 
mich  und  myn  erben  Ich  Gotschalg  vor  mich  vor  Fridcrieh  miuen 
brader  durch  sine  betde  und  vor  unszer  erben  an  dieszen    briev  ge 


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-    321  - 


hangen ,  dass  ich  Fryderich  erken  und  also  mit  yine  herane  ge- 
brochen. Geben  ain  Mantag  vor  Sant  Albanstag  anno  dorn,  mille- 
sinio  CCC°  LXXX  septimo. 

Nach  der  von  dem  Original  genommenen  Abschrift  des  Herrn  von  Fi- 
chard,  aus  dessen  beigefügten  Bemerkungen  Ober  diese  in  mancher  Hin- 
sicht interessante  Urkunde  ich  Nachstehendes  entnehme.  Die  hier  genannten 
Herren  von  Papberg  Bind  die  von  Padberg,  denen  die  Herrschaft  und 
das  Gericht  Padberg  im  Hereogtfmm  Westfalen  gehörte.  Hier  liegt  am 
Fnsse  des  Berges,  auf  welchem  das  alte  Schloss  Padberg  steht,  das  Dorf 
gleichen  Namens  und  in  demselben  ein  Schloss,  welches  das  neue  Hans 
genannt  wird,  wie  das  andere  das  alte  Haus.   B Uschi ng  Erdbesohr.  VL 
636.  Diese  Herrschaft  war  eine  Freigrafscliaft  und  der  Ort  Padberg  einer 
der  Freistflhle  des  heimlichen  Gerichts.  Berck  Gesch.  der  westfäl.  Fem- 
gerichte 226.   Es  hatte  sich  schon  Johann  von  Padberg  von  K.  Karl  IV. 
zu  einem  Freigrafen  ernennen  lassen ,  aber  der  Kaiser  widerrief  1360  diese 
Ernennung,  da  nicht  ihm  sondern  allein  dem  Erebischof  von  Köln  das  Recht 
zustehe,  Freigrafen  im  Herzogt h.  Westfalen  zu  ernennen.   Glafey  auced. 
423.  Wie  die  Urkunde  zeigt,  verliehen  die  von  Padberg  ihren  Schutz  gegen 
andere  Freistühle  um  Geld,  es  war  dies  aber  der  Verfassung  der  westfäl. 
Gerichte  entgegen  und  hatte  kein  Freigraf  das  Recht,  Einzelne  auf  alle 
Fälle  gegen  das  Gericht  in  Schutz  zu  nehmen  und  Ladungen  von  andern 
Freistühlen  ab  an  den  seinigen  zu  ziehen.  Ein  solcher  Missbrauch  war  ohne 
Zweifel  die  Veranlassung,  dass  bereits  1385  K.  Wentzel  in  einem  an  den 
Landgrafen  Hermann  von  Hessen  erlassenen  Befehl  Freigrafschaft  und  Stuhl- 
gericht Paschberg  wegen  des  von  Fridrich  von  Paschberg,  dessen  Sohn 
Friedrich  und  ihren  Voreltern  verübten  Unrechts  für  aufgehoben  und  wider- 
rufen erklärte.  Kopp  die  Verfassung  der  heiml.  Gerichte  369.  Dass  sich 
die  Herren  von  Padberg  an  diese  Verfügung  nicht  kehrten,  beweist  obige 
Urkunde,   K.  Wentzel  sah  sich  1392  geeöthigt,  seinen  Befehl  an  Herzog 
Otto  von  Braunschweig  zu  erneuern.   Kopp  67.  —  Jetzt  gibt  J.  S.  Sei- 
bertz  in  dem  Urkundenbuche  zur  Landes-  nnd  Rechtsgeschichte  des  Her- 
zogtums Westfalen  (3  Bande,  Arnsburg  1843-1864)  zahlreiche  Urkunden 
über  Padberg,  darunter  Nr.  876  auch  die  Urkunde  König  Wentzels  vom 
22.  Juli  1387,  vorin  derselbe  die  Freigrafschaft  oder  Stillegerichte  aufhebt, 
deren  sich  Friedericus  de  antiqua  domo  de  Pathberg  eigenmächtig  ange 
maast  hatte  -  St.  Alban  ist  der  21.  oder  22.  Juni. 

XL 

1393.  (22.  Oct)  Währbrief  Uber  den  Tausch  eines  Zinses  nnd  der 
Besserung  des  Hauses  zum  alten  Frosch. 

Wir  die  Bürgermeister,  Scheffeno  vnd  Rad  zu  Franckenftlrd  ir- 
kennen  vns  offenlich  mit  diesem  briefe,  daz  vor  vtib  stunden  an  vnscr 
geinwortikeid  Jacob  Klobelauch  der  junge,  vnser  mydscheffin 
vnd  Radgeselle  vnd  Hille  sin  eliche  husfraüwe  uff  ein  syten  vnd  Else, 
etzwan  eliche  husfraüwe  Sifrid  Weiders  selgen,  dem  god  gnade, 
IV.  21 


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-   322  - 

uff  die  andir  syten,  von  des  vorgenanten  Sifrids  selgin,  iret  vnd  ir 
kinde  wegin,  nach  Rade  der  seibin  kinde  frttnde  von  vatir  vnd  von 
müdir,  mit  namen  Johann  Froischs  des  alden,  Junge nfroschi 
vnsir  mydacheffin  vnd  Radgesellcn,  Johan  Froschs  de«  jungen, 
Wickirs  vom  sale  vnd  Hennen  zu  hanaüwe,  vnd  irkanten 
»ich  offinberlieh,  daz  sie  mit  gar  wol  vorbedachtem  be rädern  müde 
eynmüdiclichen  rechtlich  vnd  redelich  eins  wessils  vnd  kttdis  über- 
komen  sin  vnd  han  auch  den  wessil  vnd  küd  vor  vns  getan  vnd 
geoffint  in  aller  der  maße  als  hernach  geschribn  sted,  mit  namen  so 
han  Jacob  vnd  Hille  vorgenant  der  egenantcn  Elsen  vnd 
iren  erben  gegeben  vnd  geben  auch  vor  vns  uff,  tzwo  marg 
gel  des  jerlichir  ewigir  gülde,  die  alle  jar  gefallen  uff  sand  inertins 
tag  vnd  sin  gelegen  uffe  eime  hüse  vnd  gesesse  gelegen 
vuder  den  bendern,  hinden  gein  dem  holderbaum  über,  da 
Engelmar,  ein  bendir  itzund  inne  wonet,  vnd  han  Jacob 
vnd  Hille  vorgenant  uff  die  obgenanten  tzwo  marg  geldis  vor  vn* 
luterlichen  vnd  gentzlichen  virtzegen,  auch  so  had  dargein  Else 
vorgenant  von  iren  vnd  der  vorgenanten  ir  kinde  wegin  den  egenan 
ten  Ja  cob  vnd  Hillen  siner  elichen  hnsfrauwen  vnd  iren  erben  ge- 
geben vud  gab  auch  vor  uns  uff,  die  besscrunge  vnd  alle 
rechte  der  husünge  vnd  gesess,  hindene  vnd  vorne,  obin  vnd 
vnden  vnd  waz  dartzu  gehöret,  als  verne  daz  ged,  vorn  an  biz 
hinden  geyn  der  stede  Franckenfttrd  ringmüre n  geyn  dem 
meyne  gelegen  zttsschen  Rulinen  wyßen,  vnsirn  mydschelnii 
vnd  Radgesellen,  vnd  der  vorgenanten  Elsen  gesesse,  dar 
gelegin  ist  gein  dem  Affin  übir,  vnd  ged  daz  vorgenant 
huß  vnd  gesesse  vorn  zu  gein  dem  Grael  des  vorgenanten 
Jacobs  gesesse  übir  vnd  stoßit  hinden  gein  der  stede 
Franckenfurd  Ringmüren  an  dem  meyne,  als  vor  irlüdt,  vnd 
gebe  die  vorgenante  hussünge  vnd  gesess  vnd  waz  dartzu  gehöret  zu 
zinse  funff  marg  geldes  vnd  vier  Schillinge  heller  geldes  den  lüden, 
die  den  zins  da  uffe  han.  Auch  irkanten  sich  vor  vns  die  obgenan- 
ten parthij  daz  beredt  wer  umb  die  mtiren  die  zusschen  dem  obge- 
nanten hüse  vnd  gesesse,  gein  dem  Grael  ubir  gelegen,  vnd  der  vor- 
genanten Elsen  hüs  vnd  gesess  gein  dem  Affin  übir  gelegin  uffged. 
daz  sie  die  uff  ir  beider  Kost  mit  wenden  obin  vz  vnd  auch  süst  in 
büwe  halden  sollen  und  auch  darzu  büwen  iglichs  vff  siner  svten 
vnschedelig  des  andir  teil  vnd  den  wassir  gang  iglichs  uff  siner  ayten 
vz  filren  solin  ane  geverde,  vnd  daz  auch  keins  der  vorgenanten 
partij  keinerlei  lichte  uff  daz  andir  inleiden  oder  machen  sülle  durch 
die  müren  vnd  wende  oler  darobe  in  inkeine  wvse.    So  umb  daz 


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-    323  - 

- 

wendichin,  daz  binden  uff  der  stede  Franckenrard  Ringmüren  ged, 
daz  aal  keine  der  vorgenanten  parthij  vff  büwen,  iz  sy  denn  inwendig 
iglichs  traüffe,  als  der  begriffen  hette,  vnd  haid  Else  vorgenant  uff 
die  besserünge  vnd  alle  rechte  der  vorgenanten  husünge  vnd  gesesae 
binden  vnd  vorne,  obin  vnd  vnden  vnd  waz  dartzü  geborit  luterlich 
vnd  gentzlieli  virtzefcin.  Auch  had  vor  vns  Else  vorgenant  vnd 
dartzü  Wickir  vom  Salc  den  vorgenanten  Jacob  vnd  Hillen  vnd  iren 
erben  gesprochen  vnd  machten  sich  in  vor  vns  rechte  sachwalder, 
virunscheidoulich  ir  iglichs,  vttr  volber  Sifrid,  Irmelin  vnd  Wickir, 
geschwisterde  der  vorgenanten  Elsen  kinde,  die  noch  vnder  iren 
jaren  sin  vnd  nit  virtzeglet,  also  wami  dieselben  drü  viruntzcglet 
kinde  zu  iren  jaren  komen  vnd  vertzelglet  werden,  daz  sie  dann  zu 
dem  vorgenanten  knde  vnd  wessel  iren  güden  willen  vnd  virheng- 
nisse  tün  sullen  vnd  auch  virtzihen  in  allir  der  maße  als  Else  vorge- 
nant getan  had,  als  vorgeschreben  stet,  vnd  wann  daz  geschieht,  daz 
sie  dan  darnach  bchafft  süllen  vnd  Wüllen  sin,  vür  werschafft  vnd 
vür  alle  rechte  anspräche  jar  vnd  tag  nach  der  stede  recht  vnd  ge- 
wonhaid  hie  by  vns  tzü  Frauckeufürd.  Hie  by  Bin  gewest  Gipel  zum 
Ebir,  Heinrich  von  Holtzhusen  Scheffeue  vnd  Ruprecht  Byße  vnd 
andir  erbere  lüde.  Des  tzü  orkunde  so  hau  wir  der  vorgenanten 
vnser  stede  Ingesigel  durch  irer  beider  syten  bede  willen  an  diesen 
brieff  tün  hencken.  Datum  Anno  domini  millesimo  trecontesimo  nona- 
gesimo  tertio,  quarta  feria  proxima  post  Luce  Ewangeliste. 

Nach  der  von  Horm  Pfarrer  Dr.  Steitz  gefertigten  Abschrift  des  Ori- 
ginals im  Besitze  des  dermaligen  Hauseigentümers.  Eine  spätere  Aufschrift 
lautet:  Ein  Mauer  zwischen  dem  alten  Frosch  vnd  dem  Groll  betreffint.  1393. 

XII. 

1398.  (4.  Juni.)  Verleihung  einer  Pfründe  im  Katharinen-Kloster 

an  Gude  von  Galdenburg. 

Wir  Else  froschin  die  vorstern ,  ich  Jacob  clobelauch 
vnd  ich  Johan  frosch,  Scheffen  zu  Franckfurd,  furmunder  des 
closters  vnd  Couuentes  zu  Santc  Katheriuen,  gelegin  in  der  nuwen- 
stad  zu  Franckfurd  an  bockenhemir  porten,  irkennen  vns  offenliche 
rayt  disem  bryffe  für  vns  vnd  vnser  nachkommen,  daz  wir  luter- 
lichen  dorch  got  dorch  sin  werde  müder  Jungfrauwe  Marien  vnd 
dorch  der  reine  jungfrauwe  sante  Katheriuen  willen  han  gcreycht  vnd 
geben  myt  orkunde  dis  briffes  Gudegin  wyl heims  dochter  von 
Oaldinburgen  itzund  wonhafft  zur  Fankfurt  in  dein  huse  genant 

21» 


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324  - 


zum  äffen  eyn  pründe  in  dem  vorgenant  closteren  santc  Katherinen. 
Des  hat  Wylhelm  obgenant  sich  myte  vns  als  von  des  vorgenantes 
closters  vnd  Conuentes  wegen  gutlich  vnd  gentzliche  gerächt  vnib 
daz  erbeteil,  daz  vff  Gudegin  vozgenant  von  ir  mader  selgin,  Gud- 
degin  zeyssolffen,  der  Got  gnade,  irstorben  ist,  adir  nach  von 
ire  siten  vnd  von  Wylhelme  obgenant,  irme  vater,  adir  von  ymand 
anders  vff  irsterben  mochte,  also  daz  Wylhelm  obgenant  vor  des  sel- 
ben kindes  irbeteyl  hat  gegebin  zwey  hundert  gülden  bereit  guter 
frankfurter  werungo,  die  wir  von  yme  inpangen  vnd  in  des  vorge- 
nanten clostere  notze  vnd  notdorfft  gewant  han,  herumbe  so  hat  Gu- 
degin des  vorgenanten  kint  vnd  wir  die  meystern,  Jacob  vnd  Johan, 
vormundere  des  ogenanten  closters  vnd  conuentes  vnd  der  Conuent 
gemeynlich  virziegen  vnd  virzihen  myt  disem  geynwortigen  bryffe 
vor  vns  vnd  vnsere  nachkommen  Iuterlich  vnd  gentzlich  vff  alles  Erb, 
irbeteil  daz  Gudegin  dem  vorgenanten  kindc,  vnd  dem  closter  vnd 
conuent  vorgenant  von  des  selben  kindes  wegen  fallen  mochte,  nach 
des  obgenanten  Wylhelms  dode,  adir  wo  von  je  andirs  herkommen 
mochte,  an  wilcherley  gut  daz  were  der  Gudegin  vorgenant;  vnd 
wir  von  des  vorgenanten  cloBters  und  Conuentes  wegen,  adir  wer  zu 
den  zeiden  des  vorgenanten  closters  vnd  conuentes  vormunder  were 
adir  ymant  andirs  von  Wylhelme  obgenanten,  noch  von  andern  sinen 
kindern  irbeteil  nimmer  mer  geheyschen  fordern  suchen  noch  an- 
sprechen sollen  in  dekeynerleye  wys  myt  dekeyner  hande  suchen  geyst- 
licheu  adir  werntliche,  und  daz  wir  Else  die  meystern,  Jacob  vnd 
Johan  vorgenante  adir  wer  zu  der  zcyd  vormunder  wer,  nach  Gude- 
gin egenant,  nach  dez  closter,  nach  der  conuent  gemeynlich  zu  dem 
irbeteil,  als  vorgelut  hat,  koinerley  fordemnge  nach  rechte  inhan  noch 
haben  sollen  in  dekeynewys  ane  alle  geuerde.    Des  zu  vrkunde  vnd 
vesten  stedekeit  han  wir  Else  die  meystern  vnd  der  conuent  ge- 
meynlich des  vorgenanten  closters  vnd  conuentes  santc  Katherineu 
Ingesigcl  an  diaem  bryff  gehangen  vnd  ich  Jacob  clobellach  vnd  ich 
Johan   frosch  furmondere  des  vorgenanten  closters  vnd  conuentes 
irkennen  vns  vnder  des  vorgenanten  Conuentes  Ingesigel  aller  dieser 
vorgeschrebin  dinge.     Datum  Anno  salutis  millesiino  trecentesimo 
nonagesimo  octauo  in  vigilia  Sancti  Bonifacij. 

Nach  der  Abschrift,  welche  Herr  Pfarrer  Dr.  Steita  von  dem  Originale 
genommen  hat 


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XIII. 

1405.  (81.  Ho?.)  Währbrief  über  das  Haus  zum  alten  Frosch. 

Wir  die  Burgermeister  Scheffcno  und  Rad  tzu  Franckenfurt  Er- 
kennen oftiulich  mit  diesem  briofe,  daz  vor  vns  an  unßer  geinwort- 
keit  stunden  Else  etzwan  elichc  husfrauwo  Sifrid  Wclders  seligen 
tzu  dieser  tzyt  clich  husfrauwe  Conrad  Frytags  vnd  Sifrid  ir  Son, 
vnd  erkanten  sich  daz  sie  mit  vorhedachtem  beraden  mude  verkaufft 
betten  vnd  gaben  auch  vor  vns  vff  Henne  Hern  Wilhelms  von 
Calden berg  geseßen  tzum  Affen  elichem  son  vnd  sinen  erben  die 
besserungo  des  huses  vnd  hoffe  vnd  geseßis  mit  irer  tzugehorunge 
genant  zumaldenfroisch,  gelegeu  tzuschen  Bechtolt  Hellern  vnserm 
ratgesellen  vnd  Jockel  Klobelauchs  husen  gein  dem  äffen  vber  vmb 
viertzig  gülden  guter  franckenf.  werunge  vnd  gäbe  das  vorg.  huß 
—  tzu  tzinsc  dry  inarg  gelts  ewiger  gulte  vnd  tzwolff  gülden  gelts  wyder- 
kauff  den  luden  die  den  zinß  daruff  hau. 

[Die  Verkäufer  machen  sich  weiter  rechte  Sachwalder  für  Werschuift 
J.U*  und  Tag,  namentlich  auch  NamcnB  des  Wicker,  der  Else  und  Sifricd 
Weldere  andern  Sohnes,  der  zur  Zeit  nicht  inheimisch  war.] 
Hicby  sin  gewest  Gerbrecht  von  Glauburg  Hermann  Burggreve 
Schcffenc,  Bochtolt  Heller  vorg.  vnd  andere  erbare  lüde.    Des  tzu 
vrkunde  han  wir  der  vorg.  vnscr  Stcde  Ingcsigel  —  an  diesen  brieff 
tun  hencken.    Datum  anno  domi  MCCCCV«  feria  secunda  ante  Eli- 
sabeth. 

Von  dem  Perg. -Original  in  dem  Archivo  des  Vereins.  Das  Stadtaiegel 

XIV. 

1406.   (12.  Mai.)  Reversbrief  über  den  Verkauf  des  Hauses  »um 

alten  Frosch. 

Ich  Conrad  Frytag,  Burger  zu  Franckenfurd  bekennen  vnd 
tun  kunt  offenlichen  mit  diesem  brieffc  also,  als  Else  myn  cliche 
husfrauwe,  etzwan  eliche  husfrauwe  Sifrid  Weldcrs  scl- 
gin,  vnd  Sifrid  ir  son  virkaufft  vnd  uffgegeben  han  Hennen, 
herrn  Wilhelms  von  Caldcnburg  geBessin  zum  Affen  eli- 
chem Son,  vnd  sinen  Erben  die  besserungo  des  hofes  vnd  gesesses 
mit  irer  zugehorunge  genant  tzum  AI  den  froisch,  gelegin 
zusschen  Bechtold  Heller  vnd  Jekeln  Klobelauch  gein 
dem  Affen  vbir,  vmb  vierezig  gülden,  als  daz  der  brieff  mit  der 
Stede  Franckenfurd  grossem  Ingcsigel   besigelt,  darüber  gegeben 


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-    326  - 

eigentlicher  vsswyset.  Des  bekennen  ich  Conrad  vorgenant,  daz  der 
vorgeuant  virkauff,  vffgifft  vnd  virezig  myn  guder  Wille,  Wissen  vnd 
verhengnisse  ist  vnd  will  das  auch  vür  mich  vnd  myn  Erben  stede 
vnd  feste  haldcn  ane  alle  argelist  vnde  geverde,  vnd  des  zu  vrkunde 
vnd  fester  stetikeid  hau  ich  Conrad  vorgenant  myn  eigen  Ingesigel 
an  diesen  brieff  gehangen.  Datum  Anno  domini  millesimo  qua- 
dringentesimo  sexto,  ipsa  die  Seruatij  episcopi. 

Nach  einer  von  Herrn  Pfarrer  Dr.  Steitz  genommenen  Abschrillt  des 
Originals  im  Besitz  des  llauscigenthtlmers. 


XV. 

1407.  (23.  Sept.)  Währbrief  Aber  das  halbe  steinerne  Haus  zum 

alten  Frosch. 

Wir  die  Bürgermeister  scheffene  vnd  Rad  zu  Franckenfurd  ir- 
kennen  vns  vffenlichen  —  daz  vor  vns  stund  —  Gcrlach  von  Er- 
gersheim  vnd  irkante  sich  offinbarlich,  also  als  Fritze  vnd  George 
von  Ergersheim  sine  gebrudere  vormals  Johann  Frosch  Annen  siner 
elichen  husfrauwen  vnd  iren erben  daz  halbe  steinen  Huß  gnand 
zum  aldon  frosch  gelegen  geiu  dem  gesesse  zum  alten  Wiedel 
vbir  oben  vnd  vnden  binden  vnd  vorn  virkauftt  vnd  uffgegeben  haben 
vnd  auch  daruff  virziegen,  vnd  sie  vnd  Johann  von  Ergirsheiin  ir  bruder 
vnser  ratgesello  darzu  gesprochin  haben  vur  den  egen.  Gerlach  iren 
bruder  der  zu  der  tzyd  vnder  sinen  jaren  were  vnd  nit  virtziegbar, 
also  wenn  er  zu  sinen  jaren  qweme  daz  er  dann  auch  daruff  ver- 
tzihcn  sulde  —  des  bekanto  Gerlach  vorg.  —  daz  der  egen.  verkauft 
vffgiflt  vnde  vertzieg  sin  gude  wille  vnd  verhengniße  sy — .  Hieby 
sin  gewest  Erwin  Hartrad,  Brant  Klobelauch  Scheffene  Johann  von 
Ergersheim  vnd  ander  erbare  lüde. 

[Folgt  die  Besiegelungs-Angabe.] 

Datum  anno  Dmi  M  CCCC0  septimo  feria  sexta  ante  Michahelis 
Archangeli. 

Aus  dem  Perg.-Original  im  Archive  des  Vereins.  Das  Stadtsiegel  hängt  an. 


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XVI. 

1419.  (6.  Dec.)  Jungo  Frosch,  Wicker  Frosch  sein  8ohn  und  dessen 
Hausfrau  Else  bestätigen  und  erneuern  den  eingerückten  Reversbrief 
des  Jungo  Frosch,  Ton  1397,  dass  das  Schloss  Biedern  ein  offen 
Hans  der  Stadt  Frankfurt  sein  solle. 

Ich  Junge  Frosch  vndt  ich  Wicker  »in  son  vnd  ich  Else 
desselben  Wickers  eliche  hußfrauwe  Bürgere  zu  Franckenfurd,  Er- 
kennen vndt  tun  kund  uffinJich  mit  diesem  brieffc,  also  als  ich  Junge 
vorgnt.  mich  für  mich  myne  erben  vndt  nachkomen,  von  des  huses, 
hoffis,  graben  vndt  vmbfang  vor  Franckenfurd  gelegen  zu  Riedern 
als  es  uff  die  zyt  waz  odir  vurwerter  gebuwet  wurde  verschrieben 
vndt  versiegelt  han,  den  Ersamen  wisen  luden,  dem  Rade  vndt  der 
Stad  zu  Franckenmrd  nach  lüde  des  brieffis,  der  von  worten  zu  Wor- 
ten hernach  geschrieben  steet,  vndt  also  anhebit, 

Ich  Junge  Frosch  scheffen  zu  Franckenfurt  bekennen  vndt 
tun  kunt  uffentlich  mit  dießeni  brieffe,  vur  mich  myn  erben 
vndt  nachkommen  vmb  solich  myn  huß  hoff,  graben  vndt  vmbfang 
vor  Franckenfurd  gelegen  zu  Riede rn,  des  verschriben  vndt  ver- 
binden ich  mich  vur  mich  myn  erben  vndt  nachkommen  mit 
dießem  brieffo  den  Ersamen  wisen  dem  Rade  vndt  der  Stad  zu 
Franckinfurd  daz  ich  myn  erben  vndt  nachkommen  oder  nymands 
anders  von  vnßern  wegen  dazselbe  huß,  hoff,  graben  vndt  vmb- 
fang als  es  itzunt  ist,  odir  vorwerter  da  gebuwet  wirt,  nommer 
ensollen  noch  enwollen  vß  des  Rades  vndt  der  Stcde  Francken- 
furd, odir  irer  Burgen*  daselbis  hant  virsetzen  virkeuffen  oder 
sust  anders  virußern  noch  in  keins  vßmerkers  hant  wenden  odir 
keren  ane  alle  geuerdc,  sundern  es  also  bestellen  vndt  halden,  als 
veere  vns  crafft  vndt  macht  getragen  mag  ane  alle  geuerde,  daz 
der  Rad  odir  die  Stad  zu  Franckenfurd  ire  Bürgere  byseßen  odir 
die  iren,  odir  die  In  zu  uerantworten  steen,  nommer  daruß  odir 
dar  inn  beschediget  werden,  vndt  auch  daz  es  des  Rades  vndt  der 
Stad  zu  Franckenmrd  vndt  der  iren,  als  von  des  Rades  vndt  der 
Stedo  wegen  vorgnt.  vffen  sin  zu  allen  iren  noden  sich  daruß 
vndt  dar  inn  zu  beheiffen  ane  widerredde  myn,  myner  erben  vndt 
nachkomen  vndt  anders  eins  iglichen  von  vnßern  wegen,  vndt 
auch  ane  kost  vndt  schaden  des  Rades  vndt  dor  Stcde  Francken- 
furd vorgnt  sie  teden  es  dann  mit  willen  gerne.  Auch  weres 
daz  der  Rad  zu  Franckenfurd  vorgnt  jemand  in  daz  vorgntc 
Sloß  lochten,  die  sulden  auch  beschedenlich  da  ligen  vndt  vß 


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vndt  in  wandern,  weres  abir  daz  sie  mir  da  icht  zubrechen 
odir  ctzeten,  daz  sulde  ich  den  Burgermeistern  zu  Franckenfurd 
die  uff  die  zyt  Burgermeistere  weren  vurbrengen,  vndt  die  sulden 
mir  dann  von  den,  die  mir  den  schaden  getan  betten,  darvmb 
helffen  vnd  widerfarcn  lassen  als  recht  ist  Des  zu  Vrkuude  vndt 
fester  stedikeit,  so  han  ich  Junge  vorgnt  myn  eigen  Ingesiegel 
für  mich  myn  erben  vndt  nachkomen  an  diesen  brieff  gehangen. 
Datum  Anno  Domini  Millesimo  trecentesimo  nonagesinio  septimo, 
feria  quinta  post  Jacobi  Apostoli. 

Vndt  wand  nu  daz  egnt  huß,  hoff,  graben  vndt  vmbfang  wir 
Junge  Wicker  vndt  Else  vorgnt  itzunt  jnne  han,  hervmb  so  verschri- 
ben,  bekennen  vndt  verbinden  wir  vns  für  vns  vnße  erben  vndt  nach- 
kommen mit  diesem  brieffe,  also  daz  wir,  vnße  erben  vndt  nachkom- 
men alle  vndt  igliche  diese  vorgnte  artikele  als  die  in  dem  vorgnt  n 
brieffe  begriffen  sin,  vndt  geschrebin  steen,  steede  veste  vndt  vnver- 
bruchlich  Halden  sollen  vndt  wollen  vndt  bestellen  gehalden  werden 
vndt  darzu  auch  besunder,  daz  wir  odir  vnße  erben  odir  nyniands  von 
vnßern  wegen  in  dem  vorgentn  huse,  hofe  graben  vndt  vm fange  als 
die  itztunt  sin,  odir  vorwerter  gebuwet  odir  gemacht  werden,  kei- 
nen vßman  wer  der  sy,  odir  die  sinen  nit  cnsollen  noch  enwollen 
da  enthalden,  odir  daruß  odir  dar  jn  lassen  ryden  odir  geen  noch  sich 
zu  behclffen,  odir  vffenunge  da  tun  in  keine  weise,  Auch  wie  dicke 
daz  egnt  huß,  hoff,  graben  vndt  vmbfang  zu  Riedern,  als  die  itztuud 
sin,  odir  vorwerter  gebuwet  vndt  gemacht  werden,  vß  einer  hant  io 
die  ander  verendert  werden,  in  willcher  maße  vndt  wiße  daz  geschieht, 
also  dicke  sollen  der  odir  die,  in  der  hende  sie  kommen  vndt  ver- 
want  werden,  dem  Rade  vndt  Stad  zu  Franckenfurd  von  nuwen  ver- 
schriben  vnverzogenlich  ane  geuerde  so  sie  des  begehren  alle  vndt 
igliche  vorgeschrib.  stücke  punete  vndt  artikele  stete,  feste  vndt  vn- 
verbruchlich  zu  halden,  in  allir  der  masse  als  der  vorgente  brieff  des 
abeschrifft  hievorn  geschriben  steet  das  wisset,  vndt  auch  als  in  diesem 
brieffe  von  nuwem  begriffen  ist  vndt  geschriben  steet,  und  sich  üi 
keine  wise  darwider  setzen  odir  behelffen  ane  alle  argeliste  vnd 
geuerde,  vndt  weres  sache  daz  jemand«  were,  der  solicher  verschri- 
bunge  nit  tun  wulde  vndt  dem  uachgeen  als  vorgeschrieben  steet, 
Bcmptlieh  odir  besunder,  so  han  wir  vns  für  vns  vnße  erben  vndt 
nachkommen  virwillkort  vndt  virschriben,  vndt  verwilkorn  vns  mit 
diesem  briefc,  Also  daz  dan  der  Rad  zu  Franckenfurd  von  der- 
selben JStede  wegen  sich  des  vorgentn  huses  hoffes  vndt  grabcu  zu 
Riedern,  als  die  itzund  sin  odir  vorwerter  gebuwet  vndt  gemacht  wer- 
den mit  irem  begriffe  vndt  vmbfange  vndirtziehen,  vndt  in  ihre  hant 


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vndt  gewalt  nemen  mögen,  vndt  die  bestellen  vndt  jnne  behalden  vur 
sich  aelbis,  odir  die  zubrechen,  odir  sust  damyde  zu  tun  vndt  zu  las- 
sen wie  sie  gelüstet  Des  zu  vrkunde,  vndt  festir  stedikeit,  so  han 
ich  Junge  Frosch  vorgnt  myn  cygen  Jngeß  vur  mich  Wicker  my- 
nen  son  Elsen  sin  eliche  hußfrauwe  für  sie  vnße  erben  vndt  nach- 
kommen, an  diesen  Brieff  gebangen.  Des  Ingeaiegels  ich  Wicker 
vndt  ich  Else  sin  eliche  hußfrawe  vns  mit  dem  vorgentn  Jungen 
Frosch  vnßem  vater  vndt  sweher  zu  dieser  zyt  wißentlich  heran  ge- 
bruchen  vndt  bekennen  jn  darvmb  gebeten  hau.  Datum  Anno  Do- 
mini Millesimo  Quadringentesimo  deeimo  nono,  ipsa  die  saneti  Nicolai 
Episcopi. 

Aas  dem  Perg.-Originsl  im  Archive  des  h.  Geist-Hospitals. 

XVII. 

1442.  (7.December.)  Urtheilsbrief  über  das  halbe  Theil  des  Stein- 
hauses neben  dem  Frosch. 

Ich  Johann  Palmstorffer  Scheffenc  vnd  in  diser  zyt  Schultheis 
vnd  wir  mit  namen  Johann  von  Ockstat  Walther  von  Swartzenbcrg 
Johann  von  Glauburg  Johann  Monis  Sifrid  Burggreffe  Hennrich  Ap- 
penhoymer  Erasmus  Kemercr  und  Johann  Wiße  zu  Leweusteyn  auch 
Scheffene  zu  Francki\u*t  Erkennen  —  mit  diesom  brioffe  das  uff  den 
nesten  samstag  vor  Sant  Urban  dag  in  dem  jare  —  1440  vor  vns  in 
die  Kadstobc  zu  Frankf.  glicher  Wisc  als  an  offen  gericht  komen 
sin  Wicker  Froisch,  Johann  Froisch  sclgen  son  vnser  mit  Schef- 
fene uffeyn  vnd  Dorothea  von  Holzhusen  zu  diser  zyt  Johann 
Froische  etzwan  vnsers  mit  Scheffone  selgen  Witwe  uff  die  ander 
parthien,  vnd  nam  da  der  egen.  Wicker  gein  der  vorg.  Dorothcen 
siner  geswihen  for  vnd  ließ  ercelen :  nachdem  vormals  die  husunge 
vnd  hoff  zum  Froische  mit  dem  halbentcile  des  Steynen 
huses  daran  gelegen,  nach  Inde  eins  testaments  darüber  besagende, 
besest  vnd  verschrieben  were  das  iß  alle  wege  uff  den  eldesten 
personen  irs  Stammes  von  den  Froischen  mans  personen 
von  eym  uff  den  andern  gefallen  sulde,  darumb  Johann  Froische  sin 
bruder  ir  hußwirt  seiger  er  vnd  andere  irc  geschwisterde  als  sie  dan 
ires  vaters  selgen  gude  mit  eyn  geteilet  betten  der  cgen.  husunge  zum 
besten  in  geinwortigkeit  irer  frunde  von  des  andern  halbentcils  we- 
gen des  vorg.  Stcynhuses  an  dem  egen.  hoffe  vnd  huse,  nemlich  off 
dem  orte  gein  Agnes  Glauburgern  hoffe  über  gelegen,  in  der  teilunge 
raiteyn  vberkommen  vnd  beredt  were,  das  auch  je  der  eldestc  von 


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maus  personeil  viider  yuo  der  Froischen  das  egen.  halbeteile  hiwes 
sin  lebetagc  haben  vnd  das  von  des  erben  der  iß  also  gehabt  bette 
mit  einer  soraine  die  da  beredt  were  losen  suldc,  und  nachdem  der 
vorg.  Johann  Froische  sin  bruder  ir  hußwirt  seiger  dasselbe  halbeteile 
huses  in  solicher  massen  sin  lebetage  mit  dem  huse  vnd  hoffe  zum 
Froische  und  dem  andern  halbenteile  gehabt  bette,  So  sprach  er  ir 
zu  vnd  fordert  an  sie  naehdem  er  nu  der  eldeste  Froische  des  Stam- 
mes were  yne  zu  dem  halbenteile  lassen  zu  komen,  als  er  hoffte  das 
sie  billig  thun  sulde  nach  dem  er  ir  irbudig  were  die  svmme  als  be- 
redt were  ußzurichten;  darzu  die  vorg.  Dorothea  antwurt  vnd  fur 
sieh  stalte  das  sie  von  irem  hußwirt  selgen  nye  gehört  bette  vnd  ir 
auch  selber  nit  wissentlich  were  das  iß  von  des  halbenteils  wegen  des 
egen.  Steinhuses  yt  beredt  were  in  niassen  der  egen.  ir  swager  fur- 
neme,  so  hette  sie  mit  dem  vorg.  jrem  hußwirt  sin  lebtage  uß  vnd 
syder  her  das  egen.  halbeteile  desSteynen  huses  bcseßelieh  herbrach1 
by  gudem  gericht  anc  alle  rechtlich  anspräche  Wickers  vorg.  vnd 
andere  eins  iglichen  da  by  sie  hoffe  auch  furder  zu  hüben;  vnd  nach 
anspräche  vnd  antwurte  han  wir  obgen.  Schcffenc  mit  orteil  gewiset : 
Drede  die  egen.  Dorothea  dar  vnd  swore  uff  die  Heiligen,  das  sie  von 
irem  hußwirt  selgen  nye  geliert  hotte  vnd  ir  auch  selber  nit  wissent- 
lieh were  das  soliche  beredunge  von  des  egen.  halbenteils  des  stey- 
nen  huses  wegen  in  massen  Wicker  obgen.  furuani,  ju  der  teilunge 
vor  der  verschriebungo  irs  fruntsebaffts  briffs  yt  gescheen  were,  nach* 
dem  sie  dan  in  irer  antwurte  einen  beseße  furnamc,  das  sie  den  bil- 
lich  by  solichem  beseße  blibe,  Wicker  wuldc  dan  erwisen  als  recht 
were  das  solichs  in  massen  er  in  siner  anspräche  furname  von  des 
halbenteils  wegen  des  egen.  Stcyncnhuses  jn  der  deilunge  vor  der  ver- 
schribunge  des  frundsehafffcs  brieffcs  also  beredt  worden  were,  doch  wie 
viel  der  soinine  were  damit  es  zu  losen  were  yne  beyden  irs  rechtes 
vnbenomnicn,  vnd  als  Wicker  vorg.  sich  daruff  vermaß  zugewisen 
nach  lüde  des  ortels  vnd  sin  getzugen  nante  vnd  beyde  parthien  vnd 
die  gezugen  darnach  uff  den  nesten  mitwochen  nach  vnser  1.  trauwen 
dag  coneepeionis  nest  darnacli  vor  vns  an  des  Kichs  gerichte  vorg. 
quamen  vnd  nach  sage  vnd  verhorunge  derselben  gezugen  vff  den  eyd 
vnd  also  hoch  und  durc  man  soliche  gezugnissc  an  des  Bichs  gerichte 
zu  Fr.  pfleget  zu  fragen  vnd  zu  verhören  vnd  das  zu  ortel  ge«a*t 
wart,  So  han  wir  o^g.  Scheffene  mit  orteile  gewiset:  dreden  Wicker 
vnd  die  geezugen  darnach  denu  iß  eygen  vnd  erbe  antreffe  vnd  swo- 
ron  off  die  Heiligen,  obe  Dorothea  sie  das  mit  willen  nit  erlassen  wulde, 
was  sie  da  gesaget  betten  das  das  wäre  vnd  gerecht  were  das  dan 
der  egen.  Wicker  sie  gewiset  hotte  das  er  sin  billig  genösse,  der  eyde 


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-    331  - 


Dorothea  sie  mit  willen  erlassen  hat.  Item  nach  soliehcn  ergangen 
sachcn  als  beyde  partien  eczlicher  massen  jn  gespenne  waren  wie  viel 
der  sommc  werc  damit  das  egen.  halbeteile  zu  losen  stunde,  so  wil- 
ligte die  vorg.  Dorothea,  beueme  sich  Wicker  vff  den  eydt  den  er 
dem  Rade  getan  hette  das  iß  nit  me  were  dan  anderthalbhundert 
gülden  so  wuldc  sie  iß  daby  lassen  bliben,  darufT  Wicker  in  solicher 
maßen  mit  sym  eyde  berechtet  das  iß  anderthalbhundert  gülden  were 
vnd  nit  me,  doch  als  etzlicher  maßen  in  der  kundschafft  geludet  hatte 
das  auch  in  der  teilunge  beredt  were  daB  man  die  buwe  die  zu  not- 
torfft  des  egen.  halben  steynen  huses  getan  weren  mit  den  audert- 
halb hundert  gülden  abclcgen  sulde  vnd  als  Dorothea  etzliche  zinsc 
davon  lingenommen  hette  Wicker  zugehorende,  han  wir  obg.  Seheffenc 
ano  ortcl  zusehen  yne  mit  ir  beyder  siten  willen  beredt  das  Dorothea 
dieselben  zinsen  nemlich  acht  gülden  Wickern  gebeu  hat  so  hat  er 
ir  für  die  buwe  seß  guldeu  geben,  Vnd  nach  soliehcn  ergangen  sachcn, 
so  forderten  beyde  obgeschr.  partien  diewile  es  ey^en  vnd  erbe  an- 
treffe ob  man  ir  iglichera  des  dan  yt  billich  einen  brieff  von  gericht 
wegen  geben  sulle ,  also  han  wir  obg.  Scheffenc  vnterwiset  vnd  ge- 
heißen Johann  Palrastorffer  vnsern  mit  Scheffenc  czu  dieser  zyt  Schult- 
heis, das  er  iglicher  partio  des  billich  einen  brieff  von  gericht  wegen 
geben  sulle,  doch  mit  behcltniß  vnd  vnschedelich  dem  Riehe  dem 
Rade  vnd  der  Stadt  zu  Fr.  an  iren  dinsten  gnaden  vnd  fryheiden. 
Das  zu  Urkunde  han  ich  Johann  Palmstorffer  myn  Ingcsigcl  von  ge- 
richtes  regen  vnd  von  geheiße  myner  mitschaffeue  an  diesen  Brieff 
gehangen.  Datum  anno  domiui  MCCCG0  secundo  teria  sexta  post 
diem  s.  Lucie  et  Otilie  virginum. 

Aus  dem  Pergara.-Original  im  Archive  des  Vereins.  Das  Siegel  des 
Schultheissen  hängt  an.  Die  Urkunde  gewährt  ein  interessantes  Beispiel 
eines  s.  g.  Seniorats,  das  sich  wunderlich  genug  neben  dem  Hause  zum 
Frosch  nur  auf  die  Hälfte  des  daran  stossenden  Steinhauses  erstreckte,  so 
dass  erst  eine  weitere  Vereinbarung  den  jeweiligen  Senior  berechtigte,  die 
andere  Hälfte  mit  einer  bestimmten  Summe  von  des  verstorbenen  Seniors 
Erben  einzulösen.  Zu  bemerken  ist,  dass  das  Gericht  nur  dann  dieser  Ver- 
einbarung einen  rechtlichen  Werth  beilegt,  wenn  sie  vor  der  Errichtung  des 
Frundschafrsbriefs,  d.  h.  des  Ehe  Vertrags  zwischen  Johann  Frosch  und  Do- 
rothea Hoizhausen  geschehen  sei.  Denn  später  hätte  sie  nur  von  beiden 
Ehegatten  mit  gesammter  Hand  geschehen  können. 


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332 


XVIII. 

1482.  Vereinbarung  der  Gebrüder  Wicker,  Johann  und  Jorge 
Frosch  über  ein  väterliches  Kapital  von  fl.  1200. 

Ich  Wicker  Frosch  der  Junge  Oudcchin  sin  oliche  huß- 
frauwe  eynß  Ich  Johann  Frosch  Cristina  sin  cliche  hußfrawe 
des  andern  vnd  Ich  Jorge  Frosch  vnd  Ennehin  sin  cliche  hußfr. 
des  dritten  teiles,  gebruder  vnd  gcswyen  Burger  zu  Frankenfort 
Bekennen  vnd  tun  kunt  öffentlich  mit  diesem  brieff  Als  der  Ersame 
wisc  Wicker  Frosch  der  aide  Schöffen  vndt  Radtinann  zu  Fr. 
vnser  freuntlichcr  lieber  Vatter  vnd  Swechcr  iozt  by  sinen  gesunden 
dagen  —  von  dem  sinen  uß  cygencr  bewegniß  —  vns  egen.  drien  clichen 
gemaheln  sinen  sonen  vnd  snorchen  zwol  ff  hundert  gülden,  das 
sin  iglichem  soue  vnd  siner  hußfrauwen  vorben.  vierhundert  gülden 
in  geld  guter  franckenf.  werunge  mit  solichom  bedinge  vorreden  vnd 
vnderscheiden  als  hernach  geschr.  steet,  zu  vnd  über  solich  er 
lieh  vnd,  -redelich  zugifft  der  heiligen  Ec  so  er  vnser  yedem  hievor 
nach  lüde  siner  hinlichs  brieff  bewißt,  williglich  zu  vnserm  nutze  vnd 
gepruche  gegeben  heit,  d;iß  wir  jme  billichen  dank  sagen  — ,  neme- 
lich  vnd  also  ob  es  wero  daß  vnser  vorgen.  gebruder  eyucr  oder  merc 
one  cliche  libs  erben  abegehen  werde  davor  got  sy,  so  suldc  nach 
deß  oder  derselben  dott  sin  cliche  gelassen  witwe  obe  er  die  jm 
leben  hinder  jme  verließe,  by  den  egomeltcn  400  gülden,  so  irem  ab- 
gegangenen hußwirt  seligen  von  sinem  vatter  wie'  obstet  gegeben 
sin,  jre  leptage  uß  sich  der  nutzung  davon  zugepruchen  jnn  bcset> 
haben  vnd  so  sie  dan  auch  mit  tode  verscheyden  were  oder  daß 
vnser  egen.  gebruder  eyner  one  cüch  libserben  abeginge  vnd  sin 
elich  geniahcl  ehe  dan  er  verscheyden  wero  so  sollen  uff  stunt  solich 
egen.  400  gülden  widder  uf  den  vorgen.  Wicker  Frosche  den  alden  vn 
sern  vatter  vnd  swechcr  ob  er  noch  in  leben  were  oder  nach  sinem  dode 
vff  vns  andere  vorben.  sine  sonc  oder  vnser  elich  libserben  die  vnscre? 
namens  vnd  Stammes  weren  vnd  solichs  erleben,  hinder  sich  erben 
vnd  gefallen 

[Wonach  sich  dann  die  drei  Bruder  und  ihre  Frauen  zu  richten  versprechen  J 
Des  zu  Urkunde  so  han  wir  egen.  Wicker  Johan  vnd  Jorge  ge 
brüder  iglichcr  sin  Ingesiegel  für  sich  sine  egen.  elichc  hußfrauwe 
vnd  erbeu  an  diesen  Brieff  gehangen,  der  bcsigelunge  wir  obgen. 
Gudechin  Cristina  und  Ennehin  hirjnne  iglich  mit  irem  egen.  lie- 
ben hußwirt  sich  wissentlichen  bekennen  vnd  gepruchen,  vnd  zu 
merer   Sicherheit   so    han   wir   ietztben.  dry  frauwen   den  vorg. 


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-  333 


Wicker  Fröschen  den  alden  vnsern  lieben  Swecher  vnd  Herchin  mit 
fliße  gebeten,  daß  er  sin  eigen  Ingesigel  zu  forderst  by  der  vorg. 
vnser  lieben  hußwirte  siner  sone  Ingesigele  für  vns  auch  hat  an 
diesen  brieff  gehangen.  Der  besigelunge  ich  Wicker  der  aide  obgenant 
also  von  der  egen.  miner  lieben  sone  hußfrauwen  und  snorchen  bede 
wegen  bekennen  gothan  han  doch  mir  suß  vnschedelich  vnd  sin  der 
brieff  dry  der  iglich  verg.  parthie  eyn  hat.  Datum  anno  dmi 
viertzehenhundert  achtzigk  vnd  zwey  jare  uff  mandag  nach  Sant  Bar- 
tholomeus  des  heiligen  Aposteln  dag. 

Nach  dem  pt-rgam.  Orffinal  im  Archive  des  Vereins.  Die  4  Siegel  bangen 
wohlerhalten  an. 

1489.  Letzter  Wille  Wilhelms  von  Caldenberg  und  seiner  Haus- 
frau, insonderheit  das  Haus  zum  alten  Frosch  betreffend. 

Ich  Wilhelm  von  Caldenberg  vnd  Ich  Catherinichin 
von  Hengsperg,  sin  eliche  Hußfrauwe,  Burgere  zu  Franckenfurt, 
bekennen  vns  öffentliche  inn  vnd  mit  diesem  brieffc,  das  wir  betracht 
vnnd  zu  hertzen  genommen  han  die  gutwillige  fruntschafft  vnd  ge- 
horsame bewisung,  so  vnnser  eins  dem  andern  mit  vnverdrossen 
willen  biss  anher  bewiset  vnd  getan  hat,  auch  hinfur  in  friedsamer 
eindrechtigkeit  zu  tun  verhoffen,  vnd  haben  darumb  mit  woll  vor- 
bedachtem beradem  mude  einhelliglichen  recht  vnd  redelich  vnnser 
Ordennung,  besetzung  und  letzten  willen  getan  vnnd  gemacht,  ordenen, 
setzen,  machen  vnd  tun  des  inn  und  mit  Crafft  diss  briefs,  wie  das 
nach  der  Stede  Franckenfurt  herkommen,  fryheit  oder  recht  aller  best 
Oafft  vnnd  macht  haben  sal  vnnd  mag.  Also  zu  welcher  zyt  Got 
der  Almechtig  iß  fugett,  das  vnser  eins  zu  erst  von  todes  wegen  ab- 
gangen ist,  des  vns  got  der  Herr  nach  vnser  beider  seien  heyle  gue- 
diglich  gefristen  wolle,  so  solle  das  leste  lebende  vnnder  vns  beiden 
by  allen  vnnd  iglichen  vnnseren  guttern,  so  wir  von  beiden  teyln  zu 
samen  innc  die  Ee  bracht,  by  ein  getzugt  vnnd  ererbt  haben,  von  wel- 
cher siten  die  herkommen  weren,  es  sien  eigen,  erbe,  ewig  oder  wid- 
derkauffs  gulte  vnnd  farende  habe,  wenig  oder  vil,  inn  oder  ußwendig 
Franckenfurt,  wie  die  naraen  haben,  nichts  vßgenommen,  wo  vnnd 
an  welchen  enden  die  gelegen  sin,  gerawelichcn  vnd  vnuerschalden 
hüben  sitzen,  nie!3en,  vffheben  vnnd  gebruchon  vnnd  doniit  tun  vnd 
laißen,  die  gifften  geben,  besetzen  vnd  bescheiden  wemc,  wohin 
vnnd  wie  demselben  lcstlebende  eben  vnnd  fuglich  ist,  on  intrag  vnnser 
erben  vnnd  sust  allermenlichs,  doch  vßgescheiden  die  husung, 


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-    334  - 

hoff  vnnd  stalle  hinden  vnd  forne,  mit  irem  begriff,  rechten  vnnd 
zugehorungen,  genant  zum  alten  Frosche,  gelegen  zusehen 
dem  grael  vnd  Ilerman  von  Zypern  gein  dem  Affen  vnd 
Bußen  vber,  stoiße  hinden  vf  der  Stede  mure  gein  dem 
meyne;  auch  das  hußzum  Affen  vorgenant  gein  dem  itz- 
gemelten  Hus  zum  Alten  Frosche  vber,  welche  zwey  Hu- 
sere  mir  Wilhelmen  von  mynen  Eltern  seligen  ange- 
fallen vnd  worden  sin.  Dieselbe  zwey  husere  das  Iestlebende 
inn  gewonlichem  buwe  vnd  besserung,  als  zu  Franckenfurt  recht  vnnd 
gewonheit  ist,  halten  solle;  dartzn  solle  das  leatlebende  vnnder  vnn* 
beiden  nach  des  ersten  abgang  etwas  von  vnnd  vß  vnnser  beider  ge- 
laißen  narung  des  ersten  abgegangen  seien  zu  trost  inn  gottes  ere 
geben  vnnd  wenden  vnnd  bescheiden,  in  maißen  vnnser  eins  von  dem 
andern  zu  tun  vnd  zu  gescheen  begert  Vnnd  wann  dann  das- 
selbe Iestlebende  vnnder  vnns  beiden  auch  von  tode* 
wegen  abgegangen  ist,  alsdann  von  »tun  t  an  sollen  die 
obgemelten  zwey  Husere  zum  Alten  frosche  vnnd  zum 
Affen,  gein  e  inande  r  über  ge  1  egen  ,  erst  erben  ,  werden 
vnnd  gefallen  vff  Cunradt  Wißen  zu  lewenstein,  Agne- 
sen  von  Hcngsperg  siner  elichen  hußfrauwen,  vnnsern 
lieben  swager  vnnd  geswyhen  vnnd  swester  vnnd  iren  eli- 
chen libs  erben,  also  das  der  Sargstein  by  dem  Borne  inne  dem  hus 
zum  Alten  frosche,  auch  alle  bencke,  schencke  vnnd  vßziehende 
laden,  so  inne  der  stoben  gein  dem  Borne  über  sin,  dartzu  der  grois 
kleider  schancke  inne  der  Meyn  kammern  genant  zum  Einhorne  mit 
aarapt  dem  keasel  vnnd  allen  blyen  kästen  vnnd  roren  zn  der  Bat- 
stoben dienend  vnabgetan  bliben  vnnd  den  vorbestympten  Onnradcn 
Agneßen  vnnd  iren  elichen  libs  erben  werden  vnd  folgen  sollen,  mit 
geding  vnd  vnnderscheit,  so  das  Iestlebende  vnnder  viins  von  todes 
wegen  abgangen,  der  falle  obgeschriebener  maiß  gescheen  iat  vnnd 
Cunradt,  Agnes  oder  ire  erben  obgemelt  sich  solcher  zweyer  husere 
angenommen  vnnd  vnndertzogen  haben,  alsdann  vnnd  nit  ehe  sollen 
sie  verbonden  vnnd  pflichtig  sin  vßznrichten,  zn  geben  vnnd  zu  be- 
tzalen  Arn  ölten  von  Glauberg,  Otilieu  Brunchin  Bmn  seligen 
dochter,  siner  elichen  hußfrauwen  vnd  iren  erben  ein  male  dryhun- 
dert  gülden  gutter  Franckenfurter  werunge  oder  an  wert  nach  rede- 
liche  achtunge,  inn  maißen  wir  der  genanten  Otilien  inn  vertru* 
wung  der  Ee  vß  besonnder  gonstiger  fruutsebaft  vnnd  mit  gutem 
willen  zu  heymstuer  vnnd  berednus  driihundert  gülden  naeh 
vnnser  beider  abgang  vnnd  nit  ehe  zn  werden  vertrost  vnnd  ver 
spruehen  haben.     Ob  auch  die  gedachten  zwey  husere  zum  Alten 


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-    335  ~ 

frosche  vnnd  zum  Affen  durch  vnglugiliehe  zufalle  oder  von  fuers 
noden,  das  got  versehe,  by  des  lestelebende  leptage  schaden  nemen 
würden,  so  soltc  das  leste  lebende  nymants  davon  enichc  crstatung 
oder  abetrag  zu  tun  nit  pflichtig  sin,  vnnd  ich  Wilhelm  von  Calden- 
berg obgenant  behalte  mir  doch  gantze  mogende  vnnd  macht  diese 
vorgeschrieben  Ordennung,  besetzung  vnnd  bescheit  zu  mvnnern,  zu 
nieren,  zu  andern  einteils  oder  zu  male  abe  zutun,  wann  oder  welche 
zyt  mir  eben  vnnd  fuglich  ist  on  Intrag  des  gedachten  Catherinehill, 
myner  hußfrauwon,  vnnser  erben  vnnd  sust  allermenlichs ,  doch  in 
diesen  vorgeschrieben  Artickeln  mit  beheltenis  vnnd  vnschedelich  dem 
Riehe,  dem  Rate  vnd  der  Stadt  zu  Franckenfurt  an  iren  gunsten, 
gnaden  vnnd  freyheiten.     Hie  by  sint  gewest  die  ersamen  Hern 
Walthcr  von  Swartzenberg,  Daniel  Brommen,  Scheffenc  zu  Francken- 
furt  vnnd  Peter  Herbstein  Radtinan  doselbst,  für  den  wir  obgenanten 
elude  soliche  vnnser  Ordennung,  besetzung  vnd  bescheit  gemacht 
han,  vnd  han  des  zu  orkunde  beidesampt  vnnd  vnnser  iglichs  besonn- 
der  mit   flys  gebeten  die   vorgenanten  Schelfen  vnnd  Ratman  zu 
Franckenfurt,  das  ir  iglicher  sin  eigen  Ingesigel  an  diesen  brieffe 
gehangen  hait,  vnnd  wir  obgenanter  Walther  von  Hwartzenberg,  Da- 
niel Brommen  vnnd  Peter  Herbstein  bekennen  vnns  öffentlichen  inne 
vnnd  mit  diesem  briefc,  das  die  vorgenauten  Wilhelm  vnd  Katherin- 
chen  von  Hengspcrg  sin  elichc  hußfrauwe  ire  ofdennung,  besetzung 
vnnd  bescheit  für  vnns  als  obgeschrieben  steet,  getan  vnnd  erkannt 
haben,  vnd  han  des  zu  orkunde  vnd  bekenntnis  vnnd  vmb  irer  beiden 
flyßigen  bete  vnnd  begerung  willen  vnnser  iglicher  sin  eigen  Inge- 
siegel an  diesen  brieffe  tun  hencken.    Datum  Montags  nechst  nach 
Sant  Marcus  des  heiligen  Evangelisten  tag,  Anno  domini  millesinio 
quadringentesiino  octuagesimo  nono. 

Die  Aufschriii  lautet:  Dieß  ist  der  besaß  als  vuß  myn  swager  Wyl- 
helm  von  Caldenberg  gesaszt  bat  das  Hüft  zum  alten  Frosch  vnd  das 
Huß  zum  Affen  gen  diesem  Huße  über  zum  alten  Froscb.  —  Nach  der  Ab- 
schrift, welche  Hr.  Pfarrer  Dr.  Steitz  von  dem  Originale  genommen. 

XX. 

1529.  (19.  Janaar.)  Tauschbrief  über  einen  Zins  auf  dem  Hause 

zum  alten  Frosch. 

Wir  der  Rath  zw  Franckennfurt  bekennen  öffentlich  vnnd  thun 
kunt  aller  menniglich  mit  diesem  brief,  das  vor  vnns  erschienen  sein 
(Jon rat  Weiss  vnnser  mitscheffeu  vnnd  Ratgesell   von  sein  vnd 


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—   336  - 


vonn  wegen  Philipsenn  Wissen  vnsers  Ratgesellenn  seines  bruders, 
sodan  Contz  Gütz  vnnser  burger,  vnnd  Mathis  Schlickart  als  anwalt 
der  wirdigenn  vnd  andechtigenn  Abbetissin  vnnd  des  gantzen  conuen- 
tes  des  jungfrauwenclosters  zw  Padcshawscn  n  laut  eines  gewalt- 
briefs  der  vor  vnns  verlesen  wardt  vnd  erkanten  sich  offenberlichen, 
das  sie  die  vorgenante  Weissen  gebrudere  vnd  die  .Tungfrawen  zw 
Padcshawscn  sich  eins  kaufs  vnd  wechseis  mit  willen  vnd  wissen  des 
benanten  anwalts  vnd  Contz  Götzen  vereinigt  haben,  also  das  Mathis 
der  anwalt  die  funftenhalben  gülden  gelts,  so  die  Jungfrawen  zw 
Padeshawsen  auf  dem  haus  zum  frosch  genant  zum  äffen 
auf  Sanct  Martinus  des  heilligen  bischofs  tage  fallend  gehabt  haben, 
inen  den  Weissen  zugestellt  vnd  vbergeben,  auch  daruf  lutherlich  vnnd 
gentzlich  vertziehenn  hat.  Dagegen  gedachter  Conrat  Weiss  den  be- 
nanten Jungfrawcn  Funftenhalben  gülden  geltz  jerlicher  ewige*  gul- 
tenn,  so  er  jerlichs  auf  dem  gclthausB,  da  Contz  Götz  innwonet, 
fallend  gehabt,  zugestellt,  vnd  vbergeben,  doch  das  dicselbigen  nun 
hienfuro  ablosig  sein  sollen,  vnd  hat  auch  darauf  lutherlich  vnd  gentz- 
lich vertzichen,  also  das  die  bemelten  Jungfrawcn  soliche  funftenhal- 
ben gülden  gelts  auf  dem  gelthawss  nun  hienfuro  zw  ieder  zeit,  so 
die  fellig  sein,  aufhebenn,  innemen  vnd  damit  thun  vnd  lassen  sollen 
vnd  mögen  als  mit  anderen  iren  cigenn  gutteren  on  Intrag  sein  Con- 
rad Weissen,  seiner  erben  vnd  sunst  allermenniglichs.  Des  zu  Ur- 
kunde haben  wir  vnnser  Stcdc  Inngesicgel  vmb  der  benanten  Weissen 
gebrudere  vnd  Mathis  Schlickarts  als  anwalt  der  gedachten  Abbatissin 
vnnd  Conucnt  zu  Padeshawsen  bethe  willenn  an  diesen  brief  thun 
henckenn.  Datum  auf  Dinstag  nach  Anthony.  Anno  domini  mille- 
simo  quingentesimo  vigesimo  nono. 

Nach  der  Abschrift,  welche  Hr.  Pfarrer  Dr.  Steiti  von  dem  Original  (je- 
nomraen. 


■ 

Druckfehler. 

P.  lt,  Z.25  t.  o.  statt  Manereinganjre*  Hei  ManernmiranKes 

»   24,  ►  10  v.  o.     ►   Zimmer  lie«  Zinnen. 

►  24,  »  13  v.  o.     •   hinter  liea  hinten. 

►  24,  •  17  v  o.     »   TierccklK««  Iii»  viel  eckiges. 

•  89,   »   4  v.  o.     ►   andere  lie«  an  andern. 

»   46,   »   7  v.  o.    *   Staat* re gel  lies  M  aa  ire<jel. 

►  W»,    »26  v.  o.     »   hcaehafti*cn  llei  bcachid  Igen. 
»   67,   »   2  v.  o.     •    wat  lies  Wat. 

•  132,   ►  1.1  t  n.     ►   Helfenberg;  liea  Reifen  at ein 
»138,  •>  6  v.  u.    »   DreWorf  liea  Dridorf. 


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