Digitized by Google
Digitized by Google
Sieorl des Stiftes Möxstadt.
Digitized by Google
ARCHIV
flir
FRANKFURTS GESCHICHTE
und
KUNST.
T" 1
Neue Folge. /
3-f
Herausgegeben
von dem
Vereine für Geschiebte und Alterthumskunde
zu Frankfurt am Main.
Dritter Band.
Mit Abbildungen.
rKANKH KT a. M.
1 Di Selbst-Verlage des Vereins.
In Commission bei Heinrich Keller.
1865.
Druck von Augutt OtterrUth In Frankfurt n. M.
ZentralMhüothek
Digitized by Google
Inhalt
Seit«
Zur Urgeschichte des Rhein- und Mainlandea. Von Professor Dr. J. Becker 1
Des Kanonicus Job Rohrbach am Bartholomäusstifte Frankfurter Chronik
vom Jahr 1494—1502. Zum erstenmale herausgegeben von Georg Eduard
8teitz, Doctor der Theologie 47
Die Strassen der Frankenfurt Von Dr. Friedrich Schärft Mit einer Karte. 206
Das Recht der hohen Mark, mit besonderer Berücksichtigung der angren-
zenden Seulberg-Erlenbacher Hark. Von Dr. Friedrich Scharff . . . 255
Beiträge zur Geschichte des Collegiatstifts Mörstadt aus dem Frankfurter
Stadtarchive von Dr. L. H. Euler 483
Angelegenheiten der reformirten Gemeinden nach den Protocollen des lutheri-
schen Predigerministeriums. Mitgetheilt von Pfarrer Basse 504
Die Auflösung des Grossherzogthums Frankfurt. Ein geschichtlicher Rück-
blick auf die beiden letzten Monate des Jahres 1813. Von Dr. W. F.
C. Stricker 512
Lorenz Heister geb. im Jahr 1683 zu Frankfurt, gest. 1758 zu Helmstädt
Von Dr. Eduard Heyden 522
Johann Michael von Loen, Goethes Grossoheim. Von Dr. Eduard Heyden . 534
Digitized by Google
<
iD*9*zed by Google
Der Verein für Geschichte and AlterthumBktmde hat bis jetsst folgende
Schriften veröffentlicht:
1) Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst Neue Folge. Band I. IL Mit
Abbildungen. Frankfurt 1860. 1862. (Schliesst sich an das gleichnamige von
der Gesellschaft für Frankfurts Geschichte und Kunst in 8 Heften 1839—1858
herausgegebene Archiv an.)
2) Mitteilungen an die Mitglieder des Vereins Band 1 II. Frankfurt 1860-1864.
Dritter Band Nummer 1, ausgegeben April 1865. Frankfurt
3) Des Canonicus Baldemar von Peterweil Beschreibung der kaiscrl Stadt
Frankfurt am Main aus dem 14. Jahrhundert Urschrift mit Cebers. und
Er). Herausgegeben von Dr. L H. Euler. Frankfurt 1858. (Ist besonderer
Abdruck aus Nr. 1 der Mittheilungen.)
4} Das steinerne Haus und die Familie von Meiern in Frankfurt. Frankfurt 1869.
'Besonderer Abdruck aus Bd. L Nr. 3 der Mittheilungen.)
5) Nenjahrsblatt für 1859. - Dorf und Schloss Rödelheim. Beitrage zu der
Geschichte derselben von Dr. L. H. Euler. Frankfurt 1859. 4".
6) Desgl. für 1860. — Der Frankfurter Chronist A. A. von Lersner, von Dr.
E. Heyden. Frankfurt 1860. 4».
7) Desgl. für 1861. — Die Melanchthons- und Lutherherbergen zu Frankfurt
am Main : Clans Brommen Haus, Lisa's von Rückingen Haus, Wolf Parente's
Haus. Eine Untersuchung zur topograph. Geschichte der alten Reichsstadt
von G. E. Steitz, Doctor der Theologie. Frankfurt 1861. 4°.
8) Desgl. für 1862. — Samuel Thomas von Soemmering, der Heilkunde Doctor,
k. baier. Geheimerath, nach seinem Leben und Wirken geschildert von Dr. med.
W. Stricker. Frankfurt 1862. 4«.
9) Desgl. für 1863. - Drei römische Votivhände aus den Rheinlanden, von Dr.
J. Becker. Frankfurt 186a 4».
10; Desgl. für 1864 und für 1865. Johann David Passavant Ein Lebensbild von
Dr. A. Cornill. Abth. I. II. Frankfurt 1864. 1865. 4«.
H) Die Heddernheimer Votivhand. Eine römische Bronze ans der Dr. Romer
Büchner'schen Sammlung der XX. Versammlung deutscher Philologen, Schul-
männer und Orientslisten zu ehrerb. Begriissung vorgelegt von dem Verein
für Geschichte und Alterthumskunde. Frankfurt 1861. 4°. (Mit dem innern
Digitized by Google
Titel: Die Heddernheimer Bronzehand. Ein Vothrdenkmal des Juppiter Doli-
chenoß mit den übrigen Dolichenus- Denkmälern ans Heddernheim zusammen-
gestellt von Prof. Dr. J. Becker.)
12) Aerzte, Heilanstalten, Geisteskranke im mittelalterlichen Frankfurt a. M. Zwei
Abhandlungen von Dr. 0. L. Kriegk. Der Dr. Senkenberg. Stiftung sur Feier
ihres lOOjähr. Bestehens dargebracht von dem Verein für Geschichte und
Alterthumskunde. Frankfurt 1863. 4».
18) Oertüche Beschreibung der Stadt Frankfurt am Main von Johann Georg
Battonn, gew. geistl. Rath, Custos und Canonicus des St. Bartholomäusstifts.
Aus dessen Nachlass herausgegeben von dem Vereine für Geschichte und
Alterthumskunde durch den zeitigen Director desselben Dr. jur. L. H. Euler.
Heft I. D. III. Frankfurt 1861-1864.
Digitized by Google
Zur Urgeschichte des Rhein- und Nainlandes.
Von Professor Dr. J. Becker.
(vgl. Archir. N.S. I. 8. 1— «&)
Mythologische Namen römisch-keltischer Badeorte
in Gallien.
i Zur Gründung von grösseren und kleineren Städten und Ansied-
hingen gaben bekanntlich schon in uralter Zeit die ihrer wohlthätigen
Wirkungen wegen bei Römern wie Kelten gleich hoch verehrten
und v ergöttlichten Mineralquellen und Heilbäder einen so natürlichen
Anlass *, dass es nicht auffallen kann insbesondere auch in den Reise-
handbüchern des Alterthums, den ltinerarien, einer grossen Menge
von Oertlichkeiten zu begegnen, welche entweder einfach und
schlechthin mit der Bezeichnung Aquae belegt sind, oder letztere
noch durch einen näher erklärenden Beisatz erweitern, der sich
(meist in der Form des Adjektivums) bald auf die Natur der
Heilquellen als calidae, frigidae, amarae oder sonstige Verhältnisse
(vivae, regiae u. a. m.) bezieht, bald auch nur das Volk (Aquae
Allobrogum, Convenarum, Jasae — Jasorum Orelli 508, Plin. N. H.
III, 28) oder den Namen der Stadt nennt, wo sie sich befinden,
wie Statiellac, Lesitanae, Selinuntiae u. a. m. Eine dritte Classe
» Vgl. Plin. N. H. XXXI, 2: urbesque condunt aquae, sicut Pnteolos in
Campania, Statiellas in Liguria, Sextias in Narboncnsi provincia. Ebenso
wurde im Mittelalter eine Reibe von Abteien und Klostern z. B. in Frankreich
an ehedem heiligen Quellen begründet und darnach benannt: vgl. B. M. Lorsch
Geschichte der Balneologie, Hydroposie und Pegologie (Wttrzburg 1863) S. 17,
der S. 68 mit Recht darauf hinweisend sagt: „Wie viele Ortschaften wurden
noch unter römischer Herrschaft nach ihren Heilwässern benannt! Wie viele
tragen noch immer im Namen die Anzeige, dass sie durch Quellen ausgezeich-
net sind! Man denke nur an die Orte, welche Aix, Baden, Bath heissen.
Selbst Grafschaften und ein Königreich sind so benannt. In deutschen Orts-
namen deutet die Endung „ach" auf die Gegenwart von Wasser.4'
1
dieser erklärenden Beisätze zu Aquae erhält weiter durch das nomen
gentilicium, wie Sextiae, Aureliae, Flaviae, Domitianae, eine Beziehung
auf die Namen der ersten Gründer und Stifter von Niederlassungen
bei denselben. Eine vierte Classe dieser Beisätze endlich deutet
entweder auf my thologische Bezüge, wie bei den italischen Aquae
Apollinares, oder ist ihrer Bedeutung nach mehr oder weniger dunkel
und uns unverständlich, wie Aquae Balissae, Labanae, Labodes,
Aravenae, Tatelae, Albulae, Voconac. Die Mehrzahl dieser letztem
nennt das unter dem Namen der Tabula Peutingcriana überkommene
Jtincrarium fast allein nur, und es wird sich weiterhin zeigen, dass
auch grade sie noch einige andere als Aquae bezeichnete Orts-
namen allein überliefert hat, welche in mythologischer Hinsicht-
die bedeutsamsten Einblicke in den Cultus der Heilquellen und Mi-
neralbädcr, namentlich bei den Kelten, gestatten: eine Ueberliefe-
rung, welche die hohe Wichtigkeit der Tab. Peuting. auch von die-
sem bis jetzt noch gar nicht gewürdigten mythologischen Standpunkte
aus aufs Neue darthut. Es findet sich auf dieser Tafel nämlich
ausser jenen adjektivischen Beisätzen zu Aquae eine wenn auch
kleine Anzahl solcher, welche in dem Genitiv eines Substanti vums
bestehen: es sind die Aquae Originis, A. Passeris (Martial VI,
42, 6 = A. Passerianac bei Orelli-Henzen 6634), A. Tauri (Tab.
Peuting. segm. IV. F. ed.Scheyb) und A. Casaris (d. h. wol Caesaris
ebendort segiu. III. F.), deren Beinamen auf verschiedene mehr oder
weniger bekannte Anlässe und Ausgangspunkte zurückweisen, die
hier nicht näher betrachtet werden können. Wichtig und bedeutsam
ist nun aber , dass ausser diesen unzweifelhaft römischen Benen-
nungen eine weitere Anzahl ebenso unzweifelhaft keltischer Bei-
namen von Aquae in den Itinerarien, insbesondere wieder in der
Tab. Peuting., überliefert ist, welche sich als Genetive der Namen
von Gottheiten herausstellen, denen die Heilquellen selbst gewid-
met und heilig waren. Wiewohl nämlich bei einer grossen Anzahl
dieser heilkräftigen Quellen zahlreiche Votivinschriften bezeugen,
dass die Römer bei der dauernden Besitznahme der Keltenländer
ihre Quell- und lleilgottheiteu, wie die Nymphae, Apollo, Aescula-
pius, Hygia und Hercules, an die Stelle der einheimischen setzten,
so haben sich doch letztere — sowohl männliche als weibliche —
vielfach neben und trotz jenen erhalten und in dem Cultus der Sieger
und der Besiegten fortgelebt 2.
2 Vgl. Cic. nat. 1). III. 20: ergo et flunrina et fontes sunt (Iii; Plin. H. N.
XXXI, 2: aquae augent nomerum deoruio nominibus variis.
Digitized by Googl
- 3
A. Männliche Quell-' und Badegottlielten.
Was zunächst die männlichen Quell- und Badegottheiten aul
keltischem Gebiete angeht, bo lassen sich unter ihnen einesteils
solche unterscheiden, wclehe durch eine weitere Verbreitung mehr
oder weniger den Charakter allgemeiner und gemeinsamer
Götter annehmen, anderntheils solche, die, wie es scheint, fast nur
mehr 1 o c a 1 einzelnen bestimmten Quellen und Bädern zukommen.
Zahlreiche inschriftliche Zeugnisse nennen uns diese Gottheiten
entweder immer allein oder abwechselnd theils mit einer homogenen
römischen identifizirt, theils auch ohne diese Zusammenstellung.
Die römische Gottheit aber, welche solchergestalt mit den sowohl
mehr allgemeinen, als auch den besondern localen keltischen Bade-
gottheiten identifizirt zu werden pflegt, ist immer nur eine und die-
selbe, nämlich Apollo. Der Grund dieser Erscheinung liegt nahe.
Schon Caesar (b. g. VI, 17) fand unter den Hauptgottheiten der
Gallier einen vor, welchen er als den vorzugsweisen Heilgott der-
selben charakterisirt uud geradezu so mit dem römischen Apollo
identifizirt, wie er den gallischen Teutates durch Mercurius, den
Esus oder wahrscheinlicher den Camulus durch Mars, den Taranis
durch Juppiter, die Belisaina durch Minerva wiedergibt: in gleicher
Weise entsprach sein Apollo dem keltischen Belenus. Wiewohl
dieser nämlich sowohl als Sonnengott wie als Orakelspender dem
römischen Apollo vergleichbar war und daher auch nach ausdrück-
lichen Zeugnissen der Alten von seinen Verehrern mit diesem iden-
tificirt wurde, so trifft doch auch das bei Caesar vom Apollo bemerkte
(Apollincm morbos depellere) auf ihn genau zu, da auch er, wie alle
übrigen mit Apollo zusammengestellten gallischen Götter, besonders
als ileilgott verehrt erscheint Zwei Inschriften (Grut. p. 73, 3;
44,4) bezeugen nämlich den Belenus als Hcilquellengott (Fons)
und es sind solche ihm geweihte Heilquellen und Tempel ebenso
nachgewiesen, wie es ausgemacht ist, dass man die göttliche Heil-
thätigkeit der mit Apollo identifizirten allgemeinen und localen Gott-
heiten ganz besonders in der mit dem wohlthätigen Einflüsse der
Sonnenwürme verbunden gedachten Einwirkung der heissen und
mineralischen Quellen sich äussern und hervortreten zu sehen glaubte 3.
Es ist daher auch nur dem Zufalle zuzuschreiben, dass einige unter
den localen Badegottheiten der Kelten auf ihren Votivaltären nicht
3 Vgl. Annalen des Vereins fiir Nassauische Alterthumakundo und Geschichts-
forschung IV. S. 365—381 u. Lerach S. 29. 33.
1«
Digitized by Google
I
_ 4 -
mit Apollo zusammengestellt werden: diejenigen unter ihnen, welche
bald ohne, bald mit ihm in den Votivinschriften identifizirt erscheinen,
beweisen vielmehr, dass auch jene vorerwähnten ohne Zweifel gleich-
falls als Apollin es bezeichnet werden konnten und wurden. Hier-
her gehört
1. Der Schutz- und Badegott des alten Lux o vi um, des noch
heute, wie im Alterthume und Mittelalter durch seine warmen Mine-
ralquellen bekannten Luxeuil in der Frauche-Comte, welcher auf den
ihm gewidmeten Votivinschriften Luxovius, Lixovius oder
Li s so vi us genannt, theilweise auf denselben Denkmälern mit einer
Brixia, Briciazu gemeinsamer Verehrung verbunden ist, welche
Göttin man theils zu dem nahen Bache B reue hin, theils zu dem
Dorfe Saint-Br es so n bei Luxeuil in Bezug brachte *. Noch die ersten
christlichen Missionäre fanden dort unter den Trümmern der in den *
Stürmen der Völkerwanderung untergegangenen Badestadt eine
„densitas imaginum lapidcarum" d. h. doch wol eine Menge
noch nicht umgestürzter Götterbilder und Votivaltäre aus der römischen
Zeit vor 5. Weiter gehört hierher
2. der Deus Lixo, der Schutz- und Badegott des gleichfalls
auch heute noch als Badeort bekannten Bagneres-de-Luchon
im südwestlichen Frankreich. Vier dortselbst oder in der Umgegend
gefundene Inschriften bezeugen seine Verehrimg6
3. Von demselben sprachlichen Stamme wie Lixo scheint auch
des Deus Lexis Namen abgeleitet zu sein: er war der Schützer
und Vorsteher der am Eingange des Thaies von Aran in den Pyre-
näen gelegenen „eaux de Lez,a über welche Ed. Barry unter Zu-
sammenstellung der bezüglichen Funde ausführlich gehandelt hat 7 :
ausser mehreren den Nymphae dieser Quellen geweihten Votivaltären
hat sich auch einer mit der Widmung
LEXI
DEO
C.SABI
HORT. F.
gefunden. Ebendahin gehört ferner
♦ Vgl. Orelil 2024. Rainguel description de Luxeuil p. 28. Greppo
Etudes sur les eaux minerales et thermales de ia Qaule (Paris 1846) p 123
not. 2 u. p. 126.
& Vit. SS. Columbani et Agili in den Act. SS. Benedict. II., 12, 13, 317.
vgl. Grimm Myth. I. S. 73. 99.
« Vgl. Greppo a. a. 0. p. 69) n. 12. Du Mege Archeologie pyreneenne
p. 212. Orelli-Hen2en 5897.
* Rev. archeol. 1857 XIII, 2 p. 677- 688.
Digitized by Google
5 -
4. als Hauptschutzgott der Stadt wie ihrer berühmten Quelle
der auch auf Münzen verewigte Deus Nemausus der gallo -römi-
schen Colonia Augusta Nemausus Neptunia Volcamm Arecomicorum,
welche in der Tab. Peuting. segm. I. F. noch mit dem alten, später,
wie es scheint, wieder aufgetauchten Namen Nenniso belegt ist,
heut zu Tage Nim es im südöstlichen Frankreich. Schon Ausonius8
stellt diese Quelle neben die unten zu erwähnende Di von a und den
Patavinischen Aponus, während eine nicht geringe Anzahl grie-
chischer und römischer Votivwidmungen die andauernde Verehrung
ihres Gottes bezeugt9.
5. Schliesslich lässt sich hier noch eine Gottheit Ussubius an-
reihen, welche in einer Votivinschrift aus Mas d'Agenais (Ddp. de
Lot-et-Garonne) tiberliefert ist. Sowohl die Tab. Peuting. segm. I. A.
nennt einen Ort Vesubio, als auch das Itin. Antonini p. 220 ein
Ussubium auf der Strasse von Burdigala nach Argantomagus :
die zulet/t genannte Namensform stimmt genau mit der Inschrift
selbst :
TVTELAE AVG
VSSVBIO.LABRVM
SILVINVS SCI
PIONIS.F.AN
TISTES. D
wobei die Widmung eines labrum durch einen antistes auf einen
Tempel des Gottes und Badgebäude mit Sicherheit schliessen
lässt
Wiewohl alle vorgenannten Badegottheiten, wie schon bemerkt,
nirgends mit Apollo identtäzirt oder zusammengestellt werden, so
kann doch kaum bezweifelt werden, dasB dieses bei der so offen-
kundig vorliegenden Vermischung gallischer und römischer Glaubens-
anschauungen geschehen konnte und sicherlich auch geschehen ist.
Es beweiset dieses die zweite Classe dieser gallischen Badegott-
heiten, welche entweder gleichfalls nur an und für sich mit blossem
Namen genannt oder zur Bezeichnung ihrer göttlichen Vorstandsehaft
mit ihren Heilquellen (Aquae) so verbunden werden, dass letztere
ihnen gradezu zugeschrieben und nach ihnen benannt sind. Es sind
o Nob. urb. XIV. Bordigal. 33 ff.
» Vgl Orelli 1345. 2032. 4220. Reines. 8ynt. inscript. p. 848, 107.
Maffei Mus. Veron. p. CGCCXIII, 8. E. Gerhard'» Archaeolog. Anzeiger 1853.
Nr. 50. 8. 297.
«• Vgl. Memoire» de la societe archeoL du midi de la France I. p. 253-267.
Digitized by Google
dieses Aponus, Neras, Nisineius und Bormo oder Borvo,
nach Welchen die ihnen zugehörigen heilkräftigen Quellen: Aquae
Aponi, Aquae Neri, Aquae Nisineii und Aquae Bormonis genannt
werden. Die zuletzt erwähnte Gottheit Bormo oder Borvo kommt
aber auch ausserdem auf einem ihrer Denkmäler noch als Apollo
Borvo vor, so dass demnach auch ein Rücksckluss auf die übrigen
vorhergenannten Quellgötter bezüglich einer gleichen Identifizirung
mit dem römischen Gotte wol verstattet ist, zumal auch ein bri-
tannischer Deus Maponus gleichfalls weiter als Apollo Maponus
inschriftlich beglaubigt ist, wie sich unten näher zeigen wird.
6. Aponus — Aquae Aponi. Die heissc Schwefelquelle zu
Abano bei Padua (Pataviumr daher Aquae Patavinae, Patavinorura
aquae calidae Plin. N. H. II, 103) war sowohl wegen ihrer heil-
wirkenden, als auch ihrer Weissager isc hen Kraft bis in die
spätesten Zeiten berühmt und wird theils einfach Aponus, thcils
numen Aponi, theils fons oder fontes Aponi, theils endlich
auf sieben Inschriften Aquae Aponi genannt11.
7. Nerus — Aquae Neri. Auch diesen Badeort nennt nur
allein die Tab. Peuting. segm. I. E., jedoch ohne Beisetzung des sonst
bei den Aquae sich findenden viereckigen Gebäudes, auf der Strasse
von Avaricum (Bourges) nach Augustoncmetum (Clermont) zwischen
Mcdiolanum (Chäteau-Mcillant) und Cantilia (Sidon. Apollin. epist.
IV, 13, wol Chantelle-la-Vielle). Sein Namen findet sich zunächst auf
folgendem Bruchstücke eines zu Alichamps gefundenen Meilensteins 12 :
FELICI . A VG . TRIB .P. COS. III
P.P. PROCOS . A V AR . L.X11I
MEDI .XII. NERI . XX V
Demnach hat man diesen Namen auf das noch jetzt durch seine
Quellen, sowie die i. J. 1820 erfolgte Aufdeckung römischer Bade-
substruktionen (Dampfbäder, ähnlich deu zu Aix in Savoyen blosge-
legten), Statuen, Säulen, Kapitelle und anderer architektonischen
Ornamente bekannt gewordene Neris-les Bains im Departement
de l'Allier bezogen, woselbst aueh wie in vielen andern Badeorten
eine Bronzestatuette der Diana 13 gefunden wurde, über welche
" Salotifer Aponus Cassiod. Varr. leett. 2, 39. Suet. Tib. 14. Auson. a.a.O.
Lucan. Phars. VII, 202. Claudian. Idyll. VI. Orelli 1880. Martial. VI. 42, 6.
Orelli 1643. 1644. 2620.3011. MaffeiMus. Veron. p. LXXXIX, l. Murat. p.87,8; 12.
«2 Caylas Recueil d'Antiq. III. p. 371 ff.
13 Vgl. Greppo a. a. 0. p. 45—51. Walckenaer Gcogr. des Gaules I. p. 372.
III. p. 66. d'Anville Notice de Tancienne Gaule p. 77.
Digitized by Google
— 7 -
Gottheit als Vorsteherin von Bfcdcrn unten noch Näheres erwähnt
ist. Mit Unrecht und ohne allen Grund wollte d'Anville in der
Tab. Peuting. Aquae N e r a e lesen, was wenigsten», wie schon G r e p p o
bemerkt, Äqnae Neriae heissen müsste: aber auch andere theil weise
erat in der neueren Zeit ebendort aufgefundene Steinschriften beweisen,
das» der Quellgott Nerus und danach seine Wasser Aquae Neri
Wessen. Ein von Greppo " angeführtes Fragment hat NENNERIO
-OVH— VISSV; eine andere ebendort i. J. 1796 gefundene, jetzt
„dans une petite villa apelle*c les Billoux", einige Minuten von Neris
aufbewahrte Inschrift lautet nach Greppo p. 47:
NVMINIBVS
AVGVSTORVM
ET IVNONIBVS
VICANI
NERIOMAGIENSE8
während de Caumont Bulletin monumental vol. XXI (1855) p. 00
in der letzten Zeile NERIONACENSES bietet, welche adjektivische
Form offenbar auch in dem obenerwähnten Fragmente NENNERIO—
vorliegt: es hat sich also gewiss schon in uralter Zeit bei den dem
Nerus geweihten Mineralquellen eine kleine Ansiedlung (vicus) ge-
bildet, deren einheimische Local Vorsteherinnen, die bekannten galli-
schen Muttergottheiten, Deac Matres oder Matronae, in obiger In-
schrift als Junones romanisirt sind. Weit wichtiger als dieses
Denkmal ist die folgende leider fragmentirte Aufschrift einer Tafel
aus weissem Marmor bei Greppo p. 58:
. . . IINIB . AVG ET NERI_
Sn . EQVES . ER . IIVIR . II
LVCII . IVIIIEQ . ESTRIS . FILII
AS . PORTIO VS . QVIBVS . FONTES
OMNIBVS . SVIS . ORNAMENTIS
weil sie neben den NVMTNA AVGVSTORVM ausdrücklich wiederum
auch das NVMEN NERI, sowie seine fontes, die Säulenhallen des
Badegebäudes und dessen architektonische und statuarische Aus-
schmückungen (ornamenta) erwähnt. Vier Inschriften hegen dem-
nach als sprechende Urkunden des Quell- und Badegottes Nerus
vor und bestätigen evident die Richtigkeit der Ortsbezeichnung
Aquae Neri in der Tab. Peuting.
«♦ Greppo p. 50 nach Barailon Recherche» sur Pancienne ville rotnaine de
Neris (Paris 1806, 8) p. 142 o. 58. NERVS hat sich als Töpfernamen auf Stem-
peln zu London, Paris und Erna gefunden: vgl* Fröhner Insc. terr. coct.
ras. n. 1683—85.
Digitized by Google
8 -
8. Nisineius — Aquae Nisineii. Wie die Aquae Neri,
60 sind auch diese Aquae einzig und allein nur durch die Tab.
Peutiug. segm. I. C. überliefert, woselbst sich, auf der Strasse von
Avaricum (Bourges) nach Augustodunum (Autun), neben dem Namen
auch wieder das mehr erwähnte viereckige Gebäude eingezeichnet
findet: übereinstimmend 15 nimmt man daher Bourbon-Laucy
(Sadne et Loire) als die Aquae Nisineii an; diese können aber
nach Analogie der übrigen Aquae nur von einem Quellgotte NiBi-
neius, nicht von „quelque personnage distingue*" dieses Namens, wie
Greppo meint, ihre Namensbezeichnung empfangen haben. Mit
gleicher Evidenz bezieht man aber« auch darauf die an Constantin
gerichteten Worte des Eumenius panegyr. VI, 22 bezüglich der
„aquae calentesa bei den Aeduern: „miraberis profecto illam quoque
numinis tui sedem et calcntes aqua» sine ullo solis ardontis in-
dicio, quarum nulla tristitia est saporis aut halitus, sed talis haustu
et odore sinceritas, qualis fontium frigidorum." Das numen tu um
ist natürlich Apollo, wie auB Vergleichung von cap. 21 erhellt.
Es lag nahe auch den heutigen Namen der Stadt auf den Namen
des Gottes Niaineius zurückzuführen: d'Anville leitet das l'Anci
von dem Namen Ancellus, Anceau ab, wie er auch bei dem unten
zu erwähnenden Bourbou-l'Archambault auf einen Erchembaldus zu-
rückgelit. Miliin dagegen legt dem Lancy sofort den Namen des
Nisineius zu Grunde, zumal der Namen der Stadt bei älteren
französischen Autoren theils Bourbon nensy, theils Bourbon — Nansy
lautet; auch Greppo will Nansy aus Nisineius entstanden wissen.
Doch dieses Alles bleibt umsomehr blosse Vermuthung, als sicherlich
auch der erste Theil des modernen Namens von dem gleich zu er-
wähnenden Gotte Bonno oder Borvo abgeleitet ist.
'J. Bormo (Borvo) — Apollo Borvo — Aquae Bormonis.
Nicht weniger als 4 Badeorte sind es, au welche sich Namen und
Denkmäler des Gottes Bormo oder Borvo knüpfen. Schon darum
allein müsste seine mythologische Bedeutung als eine allgemeinere,
auf Wasser und Bäder überhaupt bezügliche vermuthet werden, wenn
auch andere diese Vermuthung evident bestätigende Momente nicht
vorlägen. Es begegnet aber der dem Worte zu Grunde liegende
Stamm nicht blos in Ortsnamen vieler zum Theil weit von einander
liegenden Gegenden, sondern es liegt dabei auch in vielen Fällen
eine Beziehung auf W'asser oder wasserreiches Land nahe oder ist
•* Vgl. Valesius Notitia Galliarum p. 104. d'Anville p. 78 Walckenaer I.
p. 372. III. p. 68. Greppo p. 51—59.
Digitized by Google
- 9 -
leicht nachzuweisen. Ganz abgesehen von ßoqßoQos ist den Fran-
zosen noch jetzt la bourbc eine sumpfig- morastische Niederung:
eine Beschaffenheit des Terrains, auf welche sich ohne Zweifel auch
die bei anderer Gelegenheit 16 näher erörterten Localnamcn Borma,
Bormanum, Bormani, Lueus Bormani oder Bormanae, Bor-
mana, Borbitoraagus (Worms in einer wasserreichen Niederung am
Rhein), das heutige Bormcs an der Kflste von Südfrankreich,
sämmtlich im Gebiete des alten Gallien ebenso beziehen, wie die
Aquae Bormiae», das heutige Bormio 18 am Wormser Joch im
Veltlin und das makedonische Worms Bormissus mit dem Grabe
des Euripides in der Umgebung zweier Quellen, endlich vielleicht
auch der von den Nymphen in die Fluthen gezogene und alljährlich
durch feierliches Todtenfest beklagte Mariandynische Wasserheros
Bufftog. Zu allen diesen offenbar von demselben Stamme ausgegan-
genen Local- und Personennamen gesellt sich jetzt auch weiter noch
ein hispanischer Deus Bor man i c us 19, um insbesondere die Zahl
derjenigen Ableitungen zu vervollständigen, welche dem reinkeltischen
Sprachgebiete angehören und zur Genüge bezeugen, dass, wie oben
bemerkt, die Bedeutung auch des Bormo oder Borvo die mehr
allgemeine eines Wassergottes war, die dann wol ihre besondere
Beziehuug auf Mineralquellen und Heilbäder erhielt und den in den
Votivinschriften begegnenden Gott namentlich in seiner Identifizirung
mit Apollo als Badeheilgott erkennen lässt. Die vorerwähnten
vier Badeorte, deren moderne Namen noch auf diese Gottheit zu-
rückweisen, sind nun aber folgende ;
Bourbon l'Archarabault (Allier): wiewohl an diesem Orte
bis jetzt gar keine Votivaltäre des Bormo (Borvo) zu Tage getreten
sind, so hat man doch dort die Ueberreste eines römischen Amphi-
theaters, einer Wasserleitung, Bäder, Ziegeln von der Badeheizung unter
einer, wie es scheint, verschwenderischen Anwendung von Marmor und
Porphyr gefunden. So sicher es aber nur dem Zufalle zuzuschreiben
ist, dass bis jetzt keine Denkmäler jener Gottheit daselbst aufgefun-
den wurden, so sicher hat dennoch dieselbe dem Orte seinen Namen
gegeben. Dafür zeugt der heutige Namen dieses Badeorts nicht
weniger als der mittelalterliche und antike. Sirmond*0 fuhrt aus
•* Vgl. Bonner Jahrb. XXXIII. XXXIV. S. 15 ff.
17 Caaeiodor. Varr. leett. X. 29.
Lersch a. a. 0. S. 166.
•» Vgl. Hübner in den Monatsberichten der K. Akad. der Wiss. zu Berlin
1861 S. 801 f.
*° Sirmond ad Sidon. not. p. 48.
Digitized by Google
— 10
einem alten Chronisten folgende Stelle an: „Aquitamam ingressu»
quacdam oppida et castella manu cepit, in quibus praeeipua fuere
Burbonium, Cantillia, Clarus mons": hier kann sich das Bur-
bonium nur auf unsern Badeort beziehen. Dazu kommt endlich
das wichtige ZeugnisB der Tab. Peuting. segm. I. C. mit ihren
„Aquae Borraonis", eingeschrieben wiederum neben einem vier-
eckigen Gebäude auf der Strasse von Augustodunum (Autun) nach
Avaricum (Bourges) zwischen Suillia oder Sitillia (Thiel) und
Degena (De*eise): einstimmig haben die französischen Archäologen 21
darin Bourbon - l'Archambault erkannt und angenommen. Weiter
gehört hierher
Bourbon-Lancy: in diesem schon oben bei den Aquae
Nisineii besprochenen Badeorte fanden sich drei Votivinschriften,
deren zwei unzweifelhaft Borvoni et Damonae, eine Bormoni
etDamonae gewidmet ist28. Desselben Badegottes Verehrimg
beurkundet ferner auch jetzt noch der N amen von
Bourbonne - les - Bains (Haute Marne), sowie zwei dort-
selbst zu Tage geförderte Votivaltäre, welche Borvoni et Damo-
nae und Dco Apolliui Borvoni et Damonae, demnach also
demselben Götterpaare gewidmet sind 23. Auch diesen Ort wollte
d'Anville2* in einem der mehrerwälmten viereckigen Badegebäude
der Tab. Peuting. segm. II. A. auf der Strasse von Andomatunura
(Langres) nach Tullum (Toul) erkennen , bei welchen kein Na-
men beigeschrieben ist: er vermuthete demnach, dass auch hier
ein Ort Aquae Bormonis d. h. eben das heutige Bourbonne-les-
Bains gewesen sei. Dass zwei Badeorte nach einer Gottheit be-
nannt worden seien, hat bei der allgemeinen Bedeutung des Deua
Bormo nicht allein Nichts auffallendes, sondern wird sich weiter
auch durch ein analoges Beispiel evident bestätigen lassen. Kndlich
ist die Verehrung des Bormo auch durch zwei Inschriften beglaubigt,
welche sich
zu Aix-les-Bains in Savoyen gefunden haben. Die erste
dieser Inschriften ist ungenau zuerst von Albanis de Beaumont2s
also mitgetheilt worden:
" Vgl. Valesius Notit. Gali. p. 104. a. d'Anvillo noticc p. 74. Walckenaer I.
p. 372. III. p. 67. Greppo p. 25—27. L. Renicr anauaire de la soci^tc* des An-
tiquaire« de France, 1850, p. 247.
" Greppo p. 56 u. 57.
" Greppo p. 28 u. 29. Orclli-Hoxizen 5880.
*• Notice p. 75.
« Description des Alpes Grecqaea et Cottienaoe pl. XIX, 9.
Digitized by Google
QVRMIVS
CVIICVS
BONVS.M
etwa» besser von Greppo26:
GVLILIVS
CVRICVS
BOMV.V.S.L.M
zuletzt endlich genauer von Allmer27:
CVLIIIVS
CVTICVS
BORVVSLM
d. h. wol: Gaius Vettiua Cuticus Bormoni uti voverat solvit luben«
merito. Ebenderselbe theilt dann weiter a. u. a. O. p. 7 auch die
zweite dieser Inschriften folgendermassen mit:
M LIC1N RVSO BORM VVSLM
Wiewohl unter diesen sieben Votivinschriften des Bormo oder
Borvo nur eine ist, in welcher, wie oben schon bemerkt, dieser
Gutt mit Apollo identitizirt erscheint, so kann dieses doch ebenso-
wenig auffallen, wie die danebenstehende Thatsache, dass vier die-
ser C^uell- und Badegottheiten immer nur in der Zusammenstellung
mit Apollo begegnen. Dass dieses nur dem Zufalle beizumessen ist,
welcher bis jetzt noch kein inschriftliches Zeugniss an 's Tageslicht
gefördert hat, das diese Götter nur mit ihrem einheimischen Namen
allein aufwiese: daftir zeugen zwei Votivinschriften eines Deus
Maponus, welcher, obgleich Britannien angehörig, doch füglich
hier eingereiht werden darf.
10. Maponus — Apollo Maponus — Aquae Maponi.
Die eine dieser Votivinschriften , zu Armthwaitc in Gumbcrland ge-
funden, ist, neben den Numina Augustorum, in erster Stelle Deo
Mapono, die andere aus Ribchester aber Deo saneto Apollini
Mapono gewidmet: letztere zeigt auf der einen Seite den Apollo
mit der Leier, auf den beiden andern weibliche Gestalten mit Blumen-
körbchen ». Dass aber auch dieser locale Apollo Maponus ein
^uell- und Badegott gewesen, darauf weiset, wenn nicht Alles trügt,
^ Greppo p. 156.
» Sur deux inscriptions votives en Phon neun de la deesse (!!) Bormo, pro-
tectrice, ä l'epoque romaine, des eaux thermales d'Aix en Savoio ot sur l'ety
mologic du mot BOVKBON. Lyon 1859. 8. p. 6.
26 Vgl. Colüngwood Bruce im Archaeological Journal 1855 p. 47. p. 226.
Briunnia liomana ed. Camden-Gough III p. 378. ed. Camden-Öibson II. p.974.
Th. Wrigbt the Celt, the Roman, tbe Saxon p. 263. OrelU-Hensen 5900.
- 12 -
eine in diesem Bezüge unschätzbare Notiz des Geographus Ravennaa 2 9,
welcher unter andern britannischen Oertern auch ein jetzt nicht leicht
mehr näher bestimmbares Maponi auffuhrt, dessen eigenthümliche
Form einen Genitiv vermuthen lässt, bei welchem ein zugehöriger
Nominativ, wie öfter, ausgefallen ist: dieser Nominativ dürfte aber
kaum ein anderes Wort als eben „Aquae* gewesen sein: es wären
demnach auch für Apollo Maponus die nach ihm benannten
Aquac Maponi nachgewiesen.
Was nun aber jene vorerwähnten vier Badegottheiten angeht,
welche auf Inschriften immer nur mit Apollo identifizirt werden,
so sind es Apollo Cobledulitavus, Apollo Grannus, Apollo
Livius und Apollo Toutiorix, von denen der erste dem südwest-
lichen Frankreich, die übrigen den Rheiu- und Mainlanden angehören.
11. Apollo Cobledulitavus: seine Heimath ist das alte Pe-
trueorii, jetzt Perigueux in Südfrankreich; wiewohl man dort
selbst nämlich erst in neuerer Zeit die Substruktionen römischer
Badeanlagen aufdeckte, so war doch deren einstige Existenz be-
reits durch folgende, schon seit längerer Zeit aufgefundene, jetzt „dans
les ruines du chateau de Barriere" aufbewahrte Inschrift beurkundet30:
ET DEO APOLLINI
COBLEDVLITAVO
M . POMPEIVS . C . POMP
SANCTI SACERDOT
ARENSIS . FIL . QVIR . LIB
SACERDOS . ARENSIS
QV1 TEMPLVM DEA .
TVTELAE ET THERMA
PVBL1C . VTRAQ . Ol
VETVSTAE COLLAB
SVA PEOVNIA REST
V.S.L.M
Diese leider fragmentirte Inschrift ist nach Anleitung von Zeile
7. 8. im Anfange DEAE TVTELAE zu ergänzen: eine Gottheit,
deren Verehrung durch zahlreiche Votivinschriften aus dem südwest-
lichen Frankreich dokumentirt ist; ebenso ist Zeile 9 VTRAQ . Ol
wol einfach in VTRAQVE zu verbessern, mit welchem Worte das
templum der Dea Tutela und die thermae publicae zusammen bezeich-
» p. 436, 20 ed. Pinder u. Parthey.
30 Vgl. Revue dea sodetes eavantes 1866. IV. p. 106.
Digitized by Google
- 13 —
net werden; gleicherweise ist in dem angeblichen VETVSTAE von
Zeile 10 die Verbindung von A und T übersehen, da es VETVSTATK
heissen muss. Unerklärlich bleibt der SACERDOS ARENSIS, des-
»en Würde die beiden in der Inschrift genannten Pompejer, Vater
and Sohn, bekleideten; mit Abbe Audi er ne einen sacerdos Marlis
zu verstehen, ist mehr als zweifelhaft. Die thermae publicae aber
beziehen sich offenbar auf Apollo Cobledulitavus, welcher ohne
Zweifel als der Quell- und Badegott deren Schutzgottheit und Vor-
steher war.
12. Apollo Grannus — Aquae Granni. Die Bedeutung die-
ses weitverehrten Heilgottes erhellt zunächst aus einer Nachricht des
CassiusDio31 über die Krankheit des Caracalla, welcher während der-
selben verschiedene Heilgötter ohne Erfolg anrief, darunter auch den
Apollo Grannus: „yaQ 6 AnoUxav 6 rqavvoq ov& 6 Aonlymos ov&' b
läqantq xaintq nolka ftiv ixmioani avxv wpüt}aiva. Zu diesem Zeug-
nisse kommen noch siebzahn meist in Süddeutschland und den Rhein-
landen, einzeln auch in Rom, Siebenbürgen und dem Grabe eines
normannischen Häuptlings am Mälarsee in Schweden aufgefundene
Voü\Whriften«, welche APOLLINI GRANNO gewidmet sind : auf
einigen derselben ist er zugleich mit den NYMPHAE, der HYGIA und
einer gleichfalls keltischen DEA SIRONA zusammengestellt, wodurch
einerseits für ihn selbst auch die Bedeutung als Heilgott und zwar
insbesondere durch Heilquellen bestätigt, andererseits auch das Wesen
»einer zuletzterwähnten göttlichen Begleiterin vermuthungsweise näher
festgestellt werden kann. Schon die bemerkenswerthe Thatsache,
dass die bei weitem grössere Anzahl dieser Votivinschriften das Rhein-
land zum Fundgebiete hat, weiset darauf hin, dass die „Aquac
Granni a ebendort gesucht werden müssen, und man hat daher
längst schon dieselben in den Heilquellen von Aachen mit um so
grösserem Rechte wiedergefunden, als ihr Namen fast unverändert
in derselben Form durch das ganze Mittelalter fortgelebt hat33. Die
reiche Urkundensammlung des Niederrheins von Lacomblet ent-
hält im ersten Bande eine zahlreiche Menge von Dokumenten aus
dem IX. bis XII. Jahrhunderte, unter welchen nur drei in der
Subscription als Ort der Ausstellung „Aquis" schlechthin aufweisen;
eine hat „apud Aquis granum", eine andere „in aquis gra-
3i Lib. LXXVII, 15 vol. II. p. 413 ed. I. Bekker.
" Vgl. Orelli-Henzen Ind. s. v. p. 23.
" Vgl. Vftlesius Notit. Gall. p.28. Eckhart de Apolline Granno in Euchen-
beekeri Analect. Hassiac. Marburg 1728. collect. III. n. XI. p. 220-244. Bimard
diatrib. ad Murat coL 59. Greppo p. 159—161.
Digitized by Google
u _
n ensi palatio", die weitaus grössere Anzahl (16) bietet „Aquis
Grani", theils in einem, theils in zwei Wörtern geschrieben;
ebenso hat auch Einhard in seiner Vita Caroli M., während
eine von F röhner3* mitgetheilte mittelalterliche Hofdichtung
„ad Aqua s Grani" anführt Man ersieht aus allen diesen
Erwähnungen, dass, wenn irgendwo, grade dort sich der römische
Namen „Aquae Granni" lange erhalten hat, wenn auch die Form
Aquis granum (eine an sich ungeheuerliche Wortbildung!) da-
rauf hinweiset, dass die ursprüngliche mythologische Bedeutung uud
Beziehung des „Gran nus" völlig verloren ging, wie auch die Schrei-
bung des „Grani" mit einem N bezeugt. Wie in vielen analogen
Fällen 35 schon im Alterthume geschah, Hess man allroählig den Zu-
satz „Granni" ganz fallen, wonach sodann aus dem übrig bleibenden
„Aquae" das deutsche Aachen und das französische Aix wurde,
welchem letztern sodann theils wol zur Unterscheidung von dem pro-
vencalischen und savoyschen Aix, theils vielleicht auch zur Bezeich-
nung der religiös-kirchlichen Bedeutung der Stadt — und wie zum
Gegensatz gegen den heidnischen „Grannus" — noch das charak-
teristische „la Chapellc" hinzugefügt wurde.
13. Apollo Livius. Demselben Rheingebiete gehört weiter
auch der auf einer Votivinschrift aus Dietkirchen bei Bonn zu Tage
getretene Apollo Livius an36. Der anscheinend römische Beinamen
Livius darf* hier nicht befremden: auch Zeuss37 weiset nach, dass
dieser angeblich römische Namen keltischer Abstammung sei : Plinius
H. N. III, 4 erwähnt eine Stadt Glanum Li vi, ein pagus Livius
findet sich auf einer Inschrift aus Brescia, eine Frau Cracca Livo-
nis filia ist gleichfalls inschriftlich beglaubigt36: lauter unzweifelhaft
keltische Personen- und Ortsnamen. Eckhart39 bezieht den Apollo
Livius auf den zwischen Kaisers werder und Ordingen auf dem
linken Rheinufer liegenden Ort Linne: wiewohl dieses nur Vercnu-
tliung ist, so liegt doch die Annahme sehr nahe, dass Apollo Livius
der göttliche Vorsteher einer der zahlreichen kleineren Mineral- und
Heilquellen Rheinpreussens gewesen ist, welche schon den Römern
bekannt waren.
■** Vgl. Haupt* Zeitschrift f. deutsches Altertlunu. XI. S. IG.
35 Vgl. AnnaJcn des Nassau'schcn Verein» VII, 1. S. 122.
'« Vgl. Hüpsch Epigr. p. 6 n. 12. Orelli 2021.
>» Gram. Celt p. 24.
* Octavio Rossi Le Memoric Bresciane od. Vinaccesi p. 233 n. 16. Murat.
77, 16. Orelli 4901.
39 de Apolline Oranuo a. a. 0. p. 225.
Digitized b
- 15
14. Apollo Toutiorix. Wie die „Aquac Granni" haben
sicherlich auch die heissen Quellen des heutigen Wiesbaden eine
der ersten Stellen unter den von den Römern benutzten Heilquellen
der beiden Germanien eingenommen, und es wäre auffallend, wenn
uns nicht auch über die Localgottheit derselben irgend ein Zeug-
niss überkommen wäre. Bekanntlich erwähnt zuerst Plinius N. H.
XXX 1, 2, 17 die „fontes calidi trans Rhenum" zu „M attiacumin Ger-
mania", welcher Ort 'offenbar mit dem Mama*6v des Ptolcmaeus II,
11,29 und dem heutigen Wiesbaden identisch ist40. Wenn nun auch
Ammianus Marcellinus XXIX, 4 dieselben Quellen „Aquae Mat-
tiacac" nennt, so haben beide Zeugnisse zunächst nur die Benen-
nung der Quellen nach der sie umwohnenden Völkerschaft der Mat-
tiaci im Auge: sowie aber z. B. die Aquae Patavinae als identisch
erkannt wurden mit „ Aquae Aponia, so darf auch wol auf eine
analoge Schutzgottheit fUr die heissen Quellen des alten Mattiacum
geschlossen werden. Und in der That wurde schon i. J. 1784 bei
der Fundamentirung des Gasthauses zum Schützeuhof in Wiesbaden
selbst eine grosse i. J. 1852 von da ins Museum verbrachte Votivinschrift
aufgefunden, welche die Gelübdeerfüllung eines Centurionen der VII.
Legion verewigt, der offenbar in den Heilquellen seine Genesung ge-
funden hatte. Dieser höchst wahrscheinlich zwischen den Jahren 222
bis 235 n. Chr. gestiftete Votivaltar aber ist APOLLINI TOVT10RIG1
geweiht, dem einzigen Apollo, welcher, unseres Wissens, auf den In-
schriften des römischen Nassau begegnet41. Es kann wohl kaum
einem Zweifel unterliegen, dass dieser einzig dastehende Apollo
Toutiorix als Hcilgott und sicherlich als Vorsteher der heilkräfti-
gen Quellen des alten Mattiacum anzusehen ist, welche demnach
auch wol als „Aquae Toutiorigis" bezeichnet worden sein moch-
ten, wiewol ein ausdrückliches Zeugniss darUber nicht vorliegt.
B. Weibliche Quell- um] Badegotlheiten.
Neben diese männlichen Quell- und Badegottheiten der Kelten
stellen sich nun aber auch eine Anzahl weiblicher, ohne dass je-
doch bei diesen eine römische Gottheit nachgewiesen werden kann,
welche mit ihnen so identifizirt worden wäre, wie Apollo mit jenen.
Der Grund dieser Erscheinung liegt ganz nahe: es finden sich näm-
lich fast an allen durch Mineral- und Heilquellen ausgezeichneten
40 Vgl. Annalen a. a. 0. S. 76, 133 f.
« Orelli 2069. Aanalen IV. S. 375 u. 518 n. 48.
16 -
Orten der ehemaligen Nordprovinzen des römischen Reiches vom
Fugse der Pyrenäen bis an den Rhein und die Donau zahlreiche Vo-
tivaltäre der Nyraphae: diese aber waren bei den Römern bekannt-
lich die eigentlichen Vorsteherinnen der Quellen, in welchen sie ver-
ehrt wurden; eine besondere weibliche Gottheit gab es daher bei
ihnen nicht, welche in analoger Weise, wie Apollo mit den männ-
lichen, also mit den weiblichen Quell- und Badegottheiten bei der
Amalgamirung keltischen und römischen Glaubens hätte identifizirt
werden können. Dazu kommt, dass überhaupt auch die nachweis-
liche und mutlimassliche Zahl der weiblichen Gottheiten dieser Art
nur klein ist und sich im Ganzen auf sechs bis sieben beläuft. Voran-
zustellen ist
1. Segesta — Aquae Segestae. Zwei an verschiedenen
Stellen der Tab. Peuting. neben das mehrerwähnte viereckige Ge-
bäude eingezeichnete Namen von Badeorten sind offenbar von einer
und derselben Gottheit abgeleitet, welche gleich dem Bormo und
der unten näher zu besprechenden Sir o na eine allgemeinere
Bedeutung gehabt haben muss. Einerseits nämlich führt die Tab.
Peuting. segm. f. F. einen Ort „Aquae Segete" im Gebiete der
Segusiavi auf, welchen man jetzt gemeinlich in Moind bei Mont-
brison sucht42; andererseits findet sich ebendort segm. I. C. im Ge-
biete der Senones gleichfalls ein Bad „Aquae Segestae u einge-
zeichnet, welches man in Montbouis zwischen Chanllon-sur-Loing
und Montargis wiederzufinden meint49. Es kann keinem Zweifel
unterliegen, dass diese Badegottheit Segesta (denn also ist an
beiden Stellen der Tab. Peuting. zu lesen) gar Nichts mit der römi-
schen Segetia44 oder Seia oder Segesta46 als die zufallige Na-
mensidentität gemein hat, sondern vielmehr als eine einheimische
gallische Göttin anzusehen ist Plinius N. H. III, 5 und 19 erwähnt
Städte des Namens Segesta aus dem Gebiete der Ligurischen Ti-
gulli und der keltischen Carni: in letzterer Stelle ist nämlich Se-
gesta statt der Vulgate Segeste aus dem trefflichen Parisinus A (6796)
ohne Bedenken in den Text aufzunehmen. Dazu kann noch Se-
gestica als Namen einer durch den Zusammenfluss des Savus und
der Colapis gebildeten Insel aus demselben Schriftsteller III, 25, 28
*» Vgl. Forbiger Hdbch. d. a. Geogr. III S. 210. Aug. Beruard description
du pays des Segusiaves, Lyon 1858, p. 94.
43 Greppo p. 71-86.
Vgl. Augustin. Civ. Dei. IV, 8, 26 vol. I. p. 145 ed. Strange.
4* Vgl. Plin. N. H. XVIII, 2.
Digitized by Google
- 17 -
gefügt werden. Der Segeeta reiht Bich zunächst eine britannische
Quell- und Badgottheit an, da bei ihr genau dasselbe Verhältniss ob-
waltet, wie bei dem oben mit aufgeführten britannischen Apollo Ma-
ponus: diese Gottheit ist
2. Sulis — Sulis Minerva — Aquae Sulis. Das Itine-
rarium Antonini 46 fuhrt nämlich einen Ort auf, welcher in der ge-
wöhnlichen Lesung mit „Aquis So Iis" bezeichnet wird. Während
Ptolemaeös47 ihn einfach vdnta d^ü, aquae calidae, nennt, und man
denselben längst in dem heutigen durch seine heissen Quellen, wie
durch seine zahlreichen römischen Alterthümer bekannten Badeort
Bath erkannt hat, stand die unverfälschte Schreibung seines Namens
noch nicht fest. Da unter den Handschriften des Irin. Anton, die
zweite Hand des dem VIII Jahrhunderte angehörigen codex Vindo-
bonensis (L) und der mit ihm eng verwandte Reroensis (I: praefat.
p. XVII), sowie der mit ihm meist Übereinstimmende Vaticanus 1883
(N: praefat p. XX) jedoch „Aquis Sulis" bieten, so ist bereite
von E. Hubner48 auf diese Leseart als die allein richtige hingewie-
sen worden, zumal nun auch die inschriftlichen Zeugnisse die-
selbe evident und Uberraschend bestätigen. Ganz abgesehen davon,
dass, wie Hübner bemerkt, „Aquae Soüs" schon mythologisch ganz
unwahrscheinlich ist (denn die „Aquae Apollinares" bei Vicarello in
Italien können bei der ganz verschiedenen Beziehung des Apollini-
schen bei ihx er Benennung gar nicht verglichen werden) : liegen näm-
lich sechs inschriftliche Votivwidmungen aus Bath vor, von denen
drei einer DEA SVLIS (denn also lautet der Nominativ zu dem
gleichlautenden Genitiv und dem Dativ SVLI dieser Inschriften)
schlechthin, drei andere aber einer DEA SVLIS MINERVA ge-
weiht sind49: der englische Alterthumsforscher Ly sons50 hat daher, wie
Hübner bemerkt, den Namen der Göttin mit den „Aquae Sulis"
zusammengestellt und allerlei etymologische Versuche daran geknüpft.
Dass es dieser nicht bedarf, erhellt aus unserer ganzen Erörterung,
wonach einerseits bei der evidenten Uebereinstimmung der besten
handschriftlichen und inschriftlichen Urkunden über den Namen der
„Aquae Sulis8 ebensowenig Zweifel mehr sein kann, wie anderer-
4S p. 486, 3 ed. Wesseling; p. 233 ed. Pinder u. Parthey.
4» p. 73, 16 ed. Tauchnitz.
Rhein. Mus. f. Philol. N. F. XIV S. 349.
*» Lysons Reüqniae Britannico-Romanae (London 1813. fol.) vol. I. Tab. X,
1, 2, 3, 4; Tab. VI, 6; XIII, 2. Orelli 2052. Orelli-Henaen 5914.
*• Lysons vol. I. p. 9. not. c.
2
Digitized by Google
- 18 -
seita darüber, dass jene ,Aquae" ganz und gar nach Analogie der
meisten vorerwähnten Badeorte ebendiesen ihren Namen von ihrer
einheimischen keltischen Schlitzgottheit erhalten haben. Ganz beson-
ders bemerkenswerth ist nun aber die Identinzirung derselben mit
der römischen Minerva, wie sie in drei Inschriften klar vorliegt
Es würde hier zu weit führen, das Wesen der keltischen Bei isama,
welche die Römer wol zunächst mit ihrer Minerva identifizirten,
sowie anderweitige Identifizirungen keltischer Göttinnen mit ebender-
selben, insbesondere mit Rücksicht auf Caesar b. g. VI, 17, näher
zu erörtern; eine bemerkenswerthe Thatsache dagegen darf nicht
Ubersehen werden, das unzweideutige Zeugniss nämlich, welches da-
rüber vorliegt, dass, bei dem allmähligen Untergange der alten kel-
tischen Götterwelt und dem vollständigen Siege der Götter Roms,
auch in Bath die einheimische Öulis zuletzt ganz und gar der rö-
mischen Minerva gewichen ist, unter deren Schutz sodann alle jene
Heilquellen kamen. Es berichtet nämlich C. Julius Solinus51 bei sei-
ner Beschreibung Britanniens: „Circuitus Britanniae quadragies oc-
ties septuaginta quinque milia (passuum) sunt In quo spatio magna
et multa flumina, fontes calidi opiparo exculti apparatu ad usus
mortalium: quibus fontibus praesul est Minervae numen,
in cuhis aedc perpetui ignes numquam canescunt in favillas, sed ubi
ignis tabuit, vertit in globos saxeos.a Die zuletzt erwähnte Thatsache
von einem ewigen Feuer scheint auch einem Chronisten des 14. Jahr-
hunderts bekannt gewesen zu sein, welcher dasselbe in einen dem
Apollo und der Minerva geheiligten Tempel versetzt5*. Ueberhaupt
dauerte die Bedeutung und Frequenz des Badeorts Bath sicherlich
unter lebendiger Bewahrung der lokalen Traditionen durch das ganze
Mittelalter fort, wie ausser den mannigfachen Restaurationen der dor-
tigen Thermen von geistlicher und weltlicher Seite, sowie den Bad-
besuchen selbst der königlichen Familie68 insbesondere noch ein Be-
richt aus dem Jahre 1671 mit den Worten meldet: „Illuc omnis ge-
neris omnisque conditionis viri foeminaeque, sanitatis, imo delitiarum
causa tota ex Britannia confluunt"64
Auf dieselbe britannische Dea Sulis bezieht sich vielleicht auch
ein auf der Tab. Peuting. segm. 1. A in dem Gebiete der Britannien
» C. Julii Solini polyhistor ed. Salmas. (Plinianae Excrcitt.), Utrecht 1689,
fol. cap. XXII. p. 31.p. 114 f. ed. Tb. Mommsen.
" Lerscb a. a. 0. S. 29.
" Lorsch a. a. 0. S. 161 u. 165.
w Lorsch a. a. 0. S. 204.
Digitized by Google
- 19 -
gegenüber auf der Westküste Frankreich wohnenden Veneti einge-
«eichneter Ort S u 1 i m, welchen d'A n v i 1 1 e « Su 1 i s nennt und Wa 1 c k e-
uaerw nach Hennebon in Morbihau verlegt: ein Ort, der nach Pa-
tiasier57 Mineralquellen enthält ; ob aber auch römische Alterthümer,
ist nicht bekannt Diesen beiden Göttinnen reihen sich am besten
zwei schon genannte göttliche Begleiterinnen des Apollo an.
3. Damona: sowohl auf den beiden zu Bourbonne-les-Bains als
den drei zu Bourbon-Lancy gefundenen Votivaltären des Bormo oder
Borvo ist diese Göttin mit Apollo zu einem Götterpaare verbunden,
so dass wol aus der Natur und dem Wesen ihres (Begleiters auf ihr
eigenes Wesen ein Schluss erlaubt ist, wie dieses auch bei andern
ähnlichen Götterpaaren aus der römisch-keltischen Mythologie nahe-
gelegt ist. Bemerkenswerth ist bei diesen Votivinschriften noch, dass
eine derselben einen C. Damin ius Ferox, civis Lingonus, zum
Stifter hat, dessen Namen so sehr an den der Damona anklingt,
dasa eine Art besonderen Namenspatronatsverhältnisses vorzuliegen
«hebt58. Derselbe Wortstamm liegt übrigens offenbar auch den
keltischen Personennamen Dama, Damo und Damio zu Grunde89.
4. Sirona. Wie Damona mit (Apollo) Bormo oder Borvo, so
ist auch Sirona auf vier der obenerwähnten Votivaltäre des
Apollo Grannus mit diesem zu einem Götterpaare verbunden und
darf desshalb wol ebenfalls als eine wohlthätige Heil- und Quellgott-
heit angesehen werden. Bestätigt wird dieses ganz besonders durch
eine vor nicht langer Zeit in dem obenerwähnten Badeort Luxeuil
(Luxovium) aufgefundene Votivinschrift, welche ebenso wie eine an-
dere von der unten zu erwähnenden Quelle bei Nierst ein, vielleicht
auch eine dritte aus G raube bei Soulosse in Frankreich, nur dem
Apollo allein ohne weitere Beinamen und der Sirona gewidmet ist:
auch diese beiden Fundstätten und diese Zusammenstellung der Si-
rona mit dem römischen Heilgotte kann nur die jener Göttin beige-
legte Bedeutuug bekräftigen. Dass aber, wie auch wol bei der
Damona, diese Bedeutung weniger eine locale, an eine bestimmte
Heilquelle vorzugsweise geknüpfte, sondern vielmehr, wie bei Bormo,
» Notice p. 622.
* Geogr. III. p. 58.
" Manuel dea eaux niinerales de la France p. 557
* Vgl. Orelli-Henzen 5880. Zeitschrift f. d. Alter'thumsw. 1845 S. 56 und
1*1 8. 119 ff.
* Vgt. Wiener Jhrb. 1846. GXV1. Anzbl. S. 59. Stuart Caledonia Romana
t»b V. 5 p. 192. Overbeck Katalog des Bonn. Mus. S. 73 n. 146. Fabrett.
P 465, 96. Bullet, dell' inst. arch. 1848 p. 110. Orelli 1658.
2*
Digitized by Google
- 20 -
eine allgemeinere war; dafür zeugen überdies« noch sieben
weitere Votivinschriften, welche nicht nur der Dea Sirona allein
gewidmet sind, sondern auch durch ihre Auffindung in dem weiten
Gebiete von Bretten in Siebenbürgen bis tief nach Frankreich hinein
zugleich genugsam die weite Verbreitung ihres Cultus und damit
sicherlich auch die allgemeinere Bedeutung ihres Wesens beurkun-
den60. Der Damona und Sirona schliesst sich zunächst an die
5. Divona, jene berühmte Quelle zu Burdigala (Bordeaux),
welche man jetzt in der Quelle von Fondaudege zu sehen glaubt:
bekannt ist das hohe Lob, welches ihr Ausonius gegen Ende des
vierten Jahrhunderts spendet61:
Salve fons ignote ortu, sacer, ahne, perennis,
Vitree, glauce, profunde, sonore, illinis, opace;
Salve urbis genius, medico potabilis haustu,
Divona Celtarum lingua fons addite Divis,
und an Güte Uber die Wasser des Aponus und Nemausus stellt
Burdigala gehörte bekanntlich zu dem Gebiete der Bituriges Vivisci,
während auch die Hauptstadt der Cadurci, das jetzige Cahors, gleich-
falls Divona hiess62. Ausser den vorgenannten Quell- und Badegott-
heiten lassen sich noch einige andere Göttinnen mit fast gleicher
Sicherheit demselben mythologischen Kreise einreihen. Zuvörderst
ist aus diesen
" Vgl. Bonner Jahrb. XX. S. 108 f. XXVII. S. 80-82. Orelli-Henzen Ind.
b. v. p. 38.
«» Clar. nrb. XIV, 29 ff.
81 Vgl. Forbiger a. a. 0. III. S. 165. Chaudruc de Crazannes in Rev ar-
cheol. 1841 p. 165—170. Greppo p. 113 f. Mit Unrecht verlegt Lersch a.a.O.
S. 15 f. die Quelle Divona nach Bagneres-de-Luchon, dessen Badegottheit Lixo
oben von uns nachgewiesen wurde. Zur Divona fons mag hier noch die Ura
fons verglichen werden, welcher ein auf dem rechten Ufer der Vidourle bei
der alten Stadt Ambrusaium im Gardiiepartement gefundener Votivaltar geweiht
ist, der sich jetzt im Museum der Stadt Nimes befindet und in der Mitte der
Vorderseite einen mit der patera libirenden verschleierten Priester zeigt, ober-
und unterhalb dessen die Inschrift
AVGVST
LARIBVS
CVLTORES VRAE
FONTIS
vertheilt ist. Diese Ura fons ist bald auf die Vidourle selbst, bald auf den
Bach Eure, dessen Wasser ehemals mit der Quelle Airan nach Nimes geleitet
waren, bald auf die fontaine d'Urre bei Uzes unweit Nimes gedeutet worden:
vgl. Annales encyclopediques tom. III. (1818) p. 271. Greppo p. 213. Boissieu
Insc. de Lyon p.49 n. XXX11. Comarmond descript. du museelapidaire de Lyon p.351
n.587 pl.lXn.587. Cataloguedumus.d.Nimesp.71.Annal.dell'inst.arch.l853.p.58.
Digitized by Google
- 21
6. Acionna hervorzuheben, welcher die nachfolgende Votivin-
schrift einer quadratischen Platte gewidmet ist, die bei den Ausgra-
bungen der Fontaine de l'Etuve*e zu Fleury unweit Orleans zu Tage
gefördert wurde63:
AVG . ACIONNA E
SACRVM
CAPILLVS ILLIO
MARI.F.PORTICM
CVM SVIS ORNA
MENTIS.V.S.L.M
Uebcreinstiinracnd sehen alle Erklärer dieser Inschrift in der ACI-
ONNA die Göttin der Quelle de l'Etuvtfe selbst : eine Ansicht, welche
insbesondere durch die Vergleichung der einen zu Neris-les-Bains ge-
fundenen und dem NERVS gewidmeten Inschrift eine grosse Stütze
erhält. Beide Inschriften beurkunden die Errichtung einer Säulen-
halle d. h. einer eleganten (cum suis ornamentis) Trink- und Spa-
zierhalle für die Kurgäste um die betreffenden Heilquellen von Sei-
ten genesener und daher gegen die Quellgottheit dankbarer Bade-
gäste; wie zu Neris-les-Bains, so wird demnach also auch hier die
darüber sprechende Votivurkunde der wohlthätigen Gottheit selber
gelten. Wie Acionna darf dann auch wol
7. BlandafÜr die Mineralquellen des auch durch anderwei-
tige Inschriftenfunde 64 bemerkenswerthen Belley (Belicensis vicus)
im Departement de l'Ain als Schutzgöttin und Vorsteherin mit gutem
Grunde vermuthet werden. Es liegt für diese Vermuthung bis jetzt
freilich nur eine einzige im dortigen Präfekturgebäude aufbewahrte
inschriftliche Urkunde vor, welche Greppo p. 182 also mittheilt:
D . BLANDE
CAESIA . RV
FINA . PRO . SA
LVTE . BELLI
RVFIANI . FIL
EX.V
a Vgl. B. Stark Städteleben , Kunst und Altertbum in Frankreich, Jena
1865, 8. S. 613. Mem. et dissert d. 1. soe. d. Antiq. d. France, VII praef.
p. 69 uod XI (1835) p. 291. de Wal Myth. sept. mon. epigr p. 8 n. X. Musee
d'Orleans: explication des tableaux , antiquites etc. Orleans 1851 p. 186.
Greppo p. 267 f.
" Reines. Synt p. 209. CCXVI. CCXVIL Orelli 1898.
Digitized by Google
- 22 —
Zu dem Namen der Göttin, der vielleicht eine Zusammenziehung
aus Belanda ist und damit an den oben erwähnten Belcnus, den
Namen des Belicensis vicus selbst, die gallische Völkerschaft der
Belind i und andere Bildungen ähnlicher Art erinnern würde, lassen
sich aber zunächst der Namen der hispanischen Stadt Blandae bei
Plin. N. H III, 3, sowie ein Helvetier Bland us Vindaluconis filius
bei Mo mm Ben Insc. Helv. 290 vergleichen. Wie Blanda, so dürfte
weiter auch
8. Düna als Quellgöttin in einer von zwei Votivinschriften auf-
zufassen sein, welche, zu Bouhy zwischen St. Amand und Entrains
gefunden, dem MARS BOLVINNVS gewidmet sind65. Während
nämlich dieser Gott einer der zahlreichen gallischen mit dem römi-
schen Mars identifizirten66 Kriegsgötter, zugleich aber als die Local-
gottheit des dem Fundorte Bouhy benachbarten Dorfe Bonlin nicht
zu verkennen ist, wird die mit ihm gepaarte Du na sicherlich als
Vorsteherin der, wie LeBlant hervorhebt, den Römern wohlbekann-
ten Mineralquellen von Bouhy mit allem Rechte anzunehmen
sein Der Düna schliesst sich endlich an
0. Mcduna und 10. Devercana, beide durch einen kleinen
in dem rheinpreussischen Badeort Bertrich gefundenen Votivaltar
beurkundet67 und vielleicht als Vorsteherinnen dortiger Quellen ver-
ehrt :
DEVERCANE
ET MEDVNE
L.TACCITVS
V.S.L.M
Zur Vervollständigung dessen, was bereits oben über diejenigen
römischen und griechischen Gottheiten angedeutet worden ist, welche
noch ausser und neben dem ersten und vorzüglichsten Heilgotte
Apollo bei der im Laufe der Zeiten immer gewaltigem Ueberwucht
des Glaubens der siegreichen Eroberer über die Götterwelt der be-
siegten Kelten an die Stelle der einheimischen Quell- und Badegott-
heiten getreten sind, erscheint es nicht unangemessen, einige Bemer-
kungen über Hercules, Aesculapius und Hygia, sowie ins-
besondere über Diana als Badevorstcherin beizufügen. Mit Recht
« Vgl. de Caumont Ballet, monum. vol. XX (1854) p. 252. Lc Blant In-
sertptions ebrettennes de la Gaule, Paris 1856, 4. I. p.28. Bonner Jahrb. XXIX
XXX. p. 171 f.
« Rhein. Mus. f. Piniol. N. F. XVII. S. 18. A. 7.
«' Bonner Jahrb. XXVIII. 8.109. XXIX XXX. S. 78 -82. n. 170.
Digitized by Google
wird unter diesen Hercules als die personifizirte gewaltige Natur-
kraft sei sie neptunischer oder vulkanischer Art vorangestellt, zumal
sich diese doppelte Art der Naturwirkung grade in der Mineral- und
Heilquelle so offenkundig dokumentirt. Aus diesem Grunde waren
vorzugsweise alle hei äsen Quellen ihm geweiht und nach ihm be-
nannt: seine Tempel erhoben sich allenthalben bei denselben und er
selbst wurde als Hercules salutiier Heilgott wie Apollo 6S. Nicht
minder grade bei den Heilquellen und wiederum insbesondere bei den
warmen verehrt erscheint Aesculapius mit seiner göttlichen Be-
gleiterin Hygia: auch ihre Tempel und Bilder, sowie die ihnen zur
glücklichen Genesung (pro salute) Krkrankter geweihten Votivaltäre
fanden sich bei vielen J I eilquellen durch das Kömerreich 69, so insbe-
sondere auch in unseren Rhein- und Mainlanden, in welchen der
Sauerbrunnen bei Godesberg unweit Bonn gleichfalls als Fundort
einer beiden Gottheiten geweihten Yotivinschrift bekannt ist70. An
Hygia schliessen sich zunächst die in zahlreichen inschriftlichen Ur-
kunden überlieferten Nymphae, Uber welche bereits oben ebenso
wie über die an die Stelle der Dea Sulis getretene britannische
Minerva gesprochen worden ist Ks erübrigt sonach noch Diana
in ihrer besonder!) Beziehung zu Heilwassern einer kurzen Betrach-
tung zu unterziehen und namentlich die wenigen Spuren zusammen-
zustellen, welche auf ihre Verehrung an Mineralquellen Galliens und
vor allem der Rhein- und Mainlande hindeuten. Wie Artemis, so
wurde auch Diana, die göttliche Vorsteherin der Waldgebirge und
der Jagd, bei den Quellen verehrt; gleich dem Sonnen- und Quellen-
heilgott Apollo, wurde wol auch sie als Göttin der Nacht, des in
den Quellen sich spiegelnden Mondes, als Schützerin der dieselben
umgebenden Waldungen in enge religiöse Beziehung zu jenen ge-
bracht71. Schon oben ist der Fund einer Statuette der Diana zu
Neris-les-Bains erwähnt worden: ein ebenso unverkennbares
Zeugnis» ihres nahen Verhältnisses zu den dortigen Quellen, wie zu
L <? o m o n t im Departement de la Meurthe, woselbst sich bei einem
Gehölze eine Quelle findet, welche der localen Tradition nach der
Diana geheiligt gewesen sein soll: eine Ueberlieferung , die sich
evident durch die Auffindung einer Anzahl Medaillen von Blei
tt Vgl. Lersch a. a. 0. 8. 16 u. 230.
«9 Vgl. Lersch 8. 27—29.
70 Steiner cod. inao. Rom. Danub. et Rhen. n. 1006.
" Vgl. Lersch 8. 22. 230.
- 24 -
mit dem Bilde dieser Göttin bestätigt hat7»; es bilden diese
Medaillen eine der zahlreichen Sorten von Heilgaben ex voto, die
man nach erlangter Genesung zum Danke in die Quellen zu werfen
pflegte73. — In gleicher Weise wie in dem innern so treten aber
auch die Spuren dieser Dianenenverehrung bei den Mineralquellen
auch in dem rhein- und mainländischen Gallien hervor. Zunächst ist
hier das römische Bad zu Badenweiler im Schwarzwalde als
Fundstätte von zwei theilweise leider bruchstUcklichen Votiv-
in Schriften zu bezeichnen7*, deren eine einem wohlerhaltenen Votiv-
altare angehört, welcher sich vor der geöffneten Vorderseite der
Mittelhallc (vestibulum), die von den Höfen aus in das einst gross-
artige Badegebäude fuhrt, noch jetzt befindet, ganz charakteristisch
demnach den Eintretenden sogleich die Schutzgöttin und Vorsteherin
der Heilbäder vor Augen stellte: es war dieses Diana Abnoba.
Die Dea Abnoba75 war bekanntlich die göttliche Personification
des Schwarzwaldes *(mons Abnoba), worauB sich einerseits ihre Iden-
tiflzirung mit Diana, andererseits deren Verehrung im römischen
Badenweiler leicht erklärt Die Ausdehnung des Schwarzwaldes
durch das ganze heutige Baden lässt es weiter sehr natürlich finden,
dass dieselbe Diana Abnoba auch in der Hauptstadt desselben, bei
den berühmten Quellen von Baden-Baden, gleichfalls ihre Ver-
ehrung gefunden habe, wie eine im Sommer d. J. 1845 dort zu Tage
geförderte 2" hohe Statuette von Erz genugsam beurkundet, welche
eine Diana und ohne Zweifel eine Diana Abnoba vorstellt, wie
sie eben den Bogen spannt7*. Dieselbe Verdrängung der einheimi-
schen Localgottheit durch Diana liegt ferner auch bei dem rhein-
preussischen Bade Bertrich vor, dessen vermuthliche Vorsteherinnen
Devercana und Meduna oben besprochen worden sind. Ebendort
in der Bonbeuerner Flur, einem Abhänge, an welchem sieh in etwa
30* Länge die Grundmauern eines Gebäudes hinziehen, wurde näm-
lich i. J. 1860 eine V/t' hohe Figur der Diana aus feinem alabaster-
» Vgl Alfred Maury in Rcv. nrcheolog. N. S. I (1860) p. 59 not. 7 nach
Lepage le departement de la Meurthe II. p. 291 f.
» Vgl. über diese Heilgaben (stipes) in Quellen, Flüssen, Seen ausser Lcrsch
S. 43-49. Becker-Marquardt Rom. Alterth. IV S. 157 A. 920.
» Vgl. H. Leibnitz Die römischen Bäder bei Badenweiler im Schwarzwald
Loipzig 1855 S. 11 und Taf. II 6g. 1. Steiner a. a. 0. 845 u 846.
T& Vgl. Orelli 4974. Fickler Die Donauquellen und das Abnobagebirge der
Alten, Carlsruhe 1840, S. 86. A. 58. Fröhner Die groasherzogl. Sammlung
vaterländischer Altcrthümer zu Carlsruhe (1860) S. 16 n 39.
« Vgl. Ph. Kappencgger Aurelia Aqueusis, die Stadt Baden als römische
Niederlassung, Mannheim 1853, S. 21. n. 10, 2.
Digitized by Google
- 25 -
ähnlichem Marmor gefunden, neben welcher die Hindin herlauft,
die von dem an ihr aufspringenden Hunde so eben ereilt wird: die
Göttin, mit dem Köcher auf dem Rücken (der rechte Arm, welcher
den Bogen hielt, fehlt), in dem ärmellosen dorischen Chiton, ist als
rasch dahin eilende Jagd^öttin dargestellt 11 . Da diese Figur der
Göttin, ohne sonderlich feine Ausführung fabrikmässig gearbeitet,
ohne eigentlich künstlerischen Werth ist, in den rheinischen Römer-
ansiedlungen aber Darstellungen der Diana Uberhaupt als selten
bezeichnet werden müssen; so ist ihr Vorkommen in dem kleinen
Römerbad offenbar daher zu erklären, dass die fragliche Figur ohne
Zweifel als Bild der Badevorsteherin auf öffentliche Kosten in irgend
einer gallischen Fabrik bestellt und in der Nähe des Hauptbadege-
bäudes errichtet worden ist. — Eine vierte unzweideutige Spur der
Verehrung der Diana als Badevorstehorin findet sich endlich in
der Vita S. Remacli c. 12, woselbst von einer Wanderung des Hei-
ligen in dieArdennen also berichtet wird: „Warchinnam rivulum
accedit, invenit illic certa indicia loca illa quondam idolatriae misse
maneipata. Erant illic lapides Dianae et id genus portentosis no-
minibus inscripti vel effigies eorum habentes; fontes etiam homi-
num quidem usibus apti, sed gentilismi erroribus polluti atque ob id
etiamnum daemonum infestationi obnoxii." Die „lapides Dianae por-
tentosis nominibus inscripti8 und die „effigies" beziehen sich sowohl
auf Bilder der Diana und anderer römischen Götter, als auch auf
Votivaltäre mit und ohne solche Bilder. Die Diana aber, welche
hier bei den Heilquellen verehrt wurde, war ohne Zweifel die Diana
des Ardennenwaldes (Arduenna) selbst Wie nämlich der oben er-
wähnte Schwarzwald bei den Anwohnern als Dea Abnoba vergött-
licht wurde, so der Ardennerwald als Dea Arduinna, deren Denk-
mäler zum Theil gerade am Rande desselben gefunden wurden78.
Gleich der Abnoba aber wurde auch Arduinna gradezu mit Diana
identifizirt als Dian a Ar du in na und sie ist es, welche in der oben-
erwähnten Stelle der Vita S. Remacli gemeint wird. — Aus dieser
göttlichen Funktion der Diana als Quell- und Badevorsteherin, wie
sie in den vorerwähnten wenigen, aber unzweideutigen Spuren vor-
liegt, erklärt sich denn auch zur Genüge, wie sie nicht blos als eine
Waldgöttin „Diana nemorensisa, sondern gradezu auch als eine
„reg i na audarum" bezeichnet werden konnte, wie es auf einer
Inschrift aus den „Aquae Jasae", dem heutigen Warasdin in
Siebenbürgen, bei Gruter p. XXXIX, 8 geschieht
" Vgl. Bonner Jahrb. XXVIII. S.106 f. XXIX. XXX. S. 78 f.
» Vgl. Bonner Jahrb. XXIX XXX. S. 64— 77.
Digitized by Google
- 26 -
IV.
Rheinlandische Heilbäder und Mineralquellen in
Römerzeiten.
Wiewohl in der voraufgehenden Zusammenstellung der vorzugs-
weise in Gallien und seinen rheinischen Vorlanden verehrten Quell-
und Badegottheiten sowohl keltischen als römischen Glaubens bereits
mehrfache Veranlassung gegeben war, die vornehmsten theilweise
offenbar schon vor der römischen Occupation von den Ureinwohnern
benutzten Heil- und Mineralquellen , sowie die dabei entstandenen
Ansiedlungen zu erwähnen : so dürfte es doch zur allseitigen Vervoll-
ständigung dieses kleinen Beitrages zur Urgeschichte der rheinischen
Bäder nicht unerwünscht sein, auch diejenigen Heilbäder in Kürze
aufzuführen, welche oben keine Erwähnung gefunden haben. Zuvör-
derst — um bei dem Oberrheine zu beginnen — sind hier die bei-
den Baden, sowie das schon berührte Badenweiler nebst dem
elsässischcn Niederbronn voranzustellen.
1. Baden im schweizerischen Canton Aargau war, wie man aus
Tacitus 79 ersieht, ein bei den dortigen ohne Zweifel schon von den
Ureinwohnern viel benutzten Quellen, erwachsener Ort der Helvc-
tier, bei welchen die Römer ein Standlager errichtet hatten, dessen
obligater Tross (canabenses) mit den Einwohnern allmählig (longa
pace) zu einem Städtchen erblühte, das bereits die Formen eines
römischen Municipiums angenommen hatte, als das in den Militärun-
ruhen nach Neroa Tod eingetretene Missverhältniss zwischen den
Helvetiern und dem in Obergermanien command ir enden Caecina letz-
teren veranlasste das Städtchen im J. 72 n. Chr. zu zerstören. Spä-
ter wieder hengeatellt und durch eine der Isis gewidmete Votivin-
schrift aus Wettingen bei Baden als v i c u s A q u e n s i u m beurkundet80,
erlag es ohne Zweifel in den Zeiten des sinkenden Reiches den das
Zehntland überschwemmenden Alamannen und findet sieh selbst 1110
noch in diesem Zustande. In den Jahren 1344 und 1388 wurde es
" Caecina belli avidus proximam quamque oulpam anteqaam poeniteret.
ultum ibat: mota propere castra, vastati agri (Helvetiorum), diroptus longa
pace in modum munieipii exstruetus locus, amoeno salnbriuin
aquarum osa freqaens. Tacit Hist I. c. 67.
* Vgl. Orelli 457. Mominsen Insc. Uelv. 241.
Digitized by Google
- 27 -
wiederholt verwüstet, erhob sich aber dann, wie es acheint, rasch zu
einem Badeorte, in welchem man i. J. 1480 an 3000 Kurgaste zählte.
Ausser obigen und andern Inschriften wurde der längere Aufenthalt
der Römer dortselbst schon ums Jahr 1420 durch bemerkenswerthe
Funde von Erz- und Goldmünzen, Hausgeräthe, Statuetten, Ringen
und Würfeln bezeugt, welche Fundstücke zum grossen Theile als
Heilgaben in den Quellen selbst gefunden wurden81. Würfel be-
ziehen sich dabei bekanntlich auf die den Quellen zugeschriebene
weissagerische Kraft.
2. Badenwoilerim badischen Oberrheinkreis ist schon oben be-
rührt worden. Seine noch jetzt grossartigen Badesubstruktionen ge-
hören zu den besterhaltencn von allen römischen Bädern in Germa-
nien, nehmen eine Fläche von 126 Quadratruthen ein und waren
seit langem ergiebig an verschiedenartigen Fundstücken, wie Löflei-
chen, Glöckchen, Haften, Schnallen, Ohrgehängen, Larapen, Gläsern,
Thonwaaren, die nur zum Theil als Heilgaben (stipes) angesehen
werden können; viele dieser Gegenstände gehörten auch dem Bad-
gebrauche selbst an. Ausser den beiden obenerwähnten Votivaltären
der Diana Abnoba ist weitaus der interessanteste Fund ein silber-
nes Amulottäfolchen mit mystischen Formeln, dergleichen auch
anderwärts in Quellen gefunden wurden und in dieselben unter aber-
gläubischer Anrufung von Dämonen zur Abwehr von Ucbeln, Erhaltung
der Gesundheit oder ähnlichen Zwecken hineingeworfen worden wa-
ren 8>. Dieses Täfelchen gehört der Zeit des sinkenden Reiches an
und dürfte somit die fortdauernde Benutzung dieser Bäder bis ins
4. Jahrhundert bezeugen, womit auch die Reihenfolge der dort zu
Tage geforderten 64 Bronze-, 21 Kupfermünzen nebst mehreren sil-
bernen und einer goldenen Philipps des Macedonicrs zusammentrifft,
Mommsen a. a. 0. 240-244. Lersch S. 26. 47. 129. 148. 107. 172.
82 Schon langst vor der A. 74 erwähnten Schrift von Leibnitz sind dio
Badesubstructionen von Badenwoiler von A. G. Preuschen Denkmäler von alten
phisischen und politischen Rovoluzionen in Deutschland, besonders in Rhein -
Kegenden (Prankf. a.M. 1787. 8) S. 97— 238 und ihre Fundausbeute ausführlich
besprochen worden. Zu dem dort S. 209 ff. eingehend behandelten zehnzciligen
Inhalt des Silberplattchena sind die in den Bädern von Amölie-les-Bains (liev.
archöolog. IV. anneo I. part. 1847. p. 409 — 414. pl. 71. n. 1—8) gefundenen
Bleiblättchen, weiter das Silborpl&ttchcn von Poitiers (Beiträge sur vergleichen-
den Sprachforschung von Kuhn und Schleicher III, 2. S. 170 n. 14- S. 175 u.
212. IV, 1. S. 160 f., sowio die gnostiseben Amuletsteine (Monatsberichte der
Berliner Akademie 1855. Nov. 8.701 f. Rev. archeolog. III. annee. I. part. 1846.
p. 200. H. Monin Monuments des anciens idiomes gaulois, Paris et Besangon
1861, 8. p. 25. 27 f. 182 f.) zu vergleichen.
Digitized by Google
- 28 -
indem sie mit Claudius in der Mitte des ersten Jahrhunderts be-
ginnen und mit Oonstantin dem Qrossen aufhören83. Welchen Na-
men die Ansiedlung bei den wol mehr von den Umwohnern und zu-
gereisten Kurgästen, als von dem römischen Militär benutzten Quellen
gehabt, ist in tiefes Dunkel gehüllt, da nur spärliche inschrifüiche
Urkunden bis jetzt dort zu Tage getreten sind84.
3. B a d e n im badischen Mittelrheinkreise war von uralten Zeiten bis
in unsere Tage der bevorzugte Badeort der eleganten und vornehmen
Welt Wie die Quellen bei Badenweiler, so sind ohne Zweifel auch
die von Baden den Römern bei der Occupation des sog. Zehntlandes
(agri decumates) d. h. des Gebietes zwischen Oberrhein und Ober-
donau85 bekannt und sodann alsbald ebenfalls Anlass zu einer An-
siedlung geworden, deren Anfange sicherlich unter Trajan fallen,
auf den die älteste Steinschrift von Baden zurückweiset86. Diese
Ansiedlung erhielt wie überall in analogen Fällen den Namen
„Aquac" und ist sodann der Mittelpunkt eines jener grössern
Gemeinwesen (respublica, civitas) geworden, welche die Römer durch
ganz Gallien organisirt haben. Besonderer Gönner und Beförderer
scheint dann auch Hadrian gewesen zu sein und unter ihm wol
bildete sich die Badestadt „Aquae" als Hauptort einer auf einer
Inschrift vom Jahre 197 n. Chr. 87 genannten „Respublica Aquen-
sium" heraus, die ihre Blüthe aber, wenn nicht Alles trügt,
unter M. Aurelius Antoninus Caracalla (um 213 n. Chr.) erreichte,
welcher auf seiner Rheinreise offenbar auch dort verweilte und das
von ihm allwärts geförderte Badeleben in neuen Aufschwung brachte.
Von ihm nahm jetzt die ganze Civität, deren Mittelpunkt die Stadt
„Aquae" war, den Beinamen Aurelia an und erscheint demnach
aufsog. Meilenzeigern der vou „Aquae" ausgehenden Hauptstrassc
vom J. 213 — 222 als „Civitas Aurelia Aque nsium"88. Dass
*» Die bezüglichen Münzen von Claudius, Veapasian, Trajan, Hadrian und
den Antoninen s. bei Preuachen S. 187 ff.
" Das C1V1T. VV auf einem Gefässdeckel bei Preuachen S. 183, 14 u. 193
(Steiner 848) kann bei seiner Räthselhaftigkeit nicht in Betracht kommen.
w Vgl. Tacit. Germ c. 29.
«* Vgl. Fröhner a. a. 0. n. 60.
m Fröhner n. 61.
«* Vgl. Fröhner a. a. 0. n. 72. 73. 74. 75. 76. Lersch S. 130. Wie diese
civitaa Aquensinm, ao nahmen sicherlich damals noch andere Orte des Zehnt-
landea den gleichen ehrenden Beinamen von Caracalla an: dahin gehört offen-
bar auch der vicua Aurelina, das römische Oeh ringen in Würtemberg,
wie eine i. J. 1861 dort aufgefundene Steinschrift auad. J.232 n. Chr. dargethan hat:
vgl. Th. Mommsen in E. Gerhards Archäoiog. Anz. 1861. N. 154. 155. S. 230*
Digiti. -^glp
- 29 -
die locale Tradition von dem an die Namen der Kaiser Hadrian
und Caracalla sich knüpfenden Aufschwung der dortigen Bäder
selbst durch das ganze Mittelalter sich erhielt, bezeugt eine Schen-
kungsurkunde aus dem Kloster Weissenburg im Elsass aus dem
Jahre 676, in welcher der König Dagobert II. vergabt: „balnea
illa trans Rhenum in pago Aucicensi sita, quae Antho-
uius et Adrianus quondam imperatores suo opere aedi-
fi caverunt"89. Die meisten Forscher haben hier ohne Zweifel
richtig in dem „Anthonius" den Antoninus Caracalla erkannt90.
Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, dass seit langer Zeit eine
bis in die jüngsten Tage herab fortgehende Aufdeckung zahlreicher
Reste aus dem römischen Baden ein lebendiges Bild der einstigen
Blttthe dieses Badeorts vor Augen stellen. Umfangreiche Mauerreste
und Substruktionen von Bädern und Gebäuden, Grabsteine von
Militär- und Civilpersonen, Legionsziegelstempel, Reliefs, Votivaltäre
und Münzen zeugen noch jetzt von der bürgerlichen und militäri-
schen Bedeutsamkeit des Orts: insbesondere weiset ein dem Gotte
Neptun von einer Schiffergilde (contubernium nautarum) gewidmeter
Altar auf eine Lebhaftigkeit des Handels und Verkehrs auf der Oos,
Murg, Alb und dem Rheine hin, wie sie nur ein blühendes reiches
Leben und seine mannigfachen Bedürfnisse hervorzurufen vermögen
Wie Badenweiler erlag sicherlich auch die in Baden Jahrhunderte
lang blühende Cultur der alles zerstörenden Wuth der anstürmenden
Alamannen, wahrscheinlich schon gegen die Mitte des 3. Jahrhunderts92,
bis die vereinten Bemühungen christlicher Mönche und eines fränki-
schen Königes auch dort die Jahrhunderte hindurch in Trümmern
liegenden Culturstätten einer untergegangenen Welt wieder zu neue-
rer Lebensentfaltung beriefen. Davon zeugt die obenerwähnte Weis-
senburger Schenkungsurkunde, welcher ein weiteres Zeugnis« 98 Uber
die Existenz Badens erst für das 11. Jahrhundert beigefügt werden
kann, wiewohl nicht zu bezweifeln steht, dass auch dieser Badeort,
wie das schweizerische Baden, sich eines grossen Zulaufs während
de» Mittelalters zu erfreuen hatte. Der Namen „Bad derKüngen"
►9 Hon. Boic 31 p. 1. Lerech p. 141. 160. Rappenegger a. a. 0. S. 8 f. IL
90 Vgl. Rappenegger 8. 4.
S1 Rappenegger 8. 12— 26, woselbst die einzelnen Kategorien der Fundstücke
behandelt sind: 8.26-35 sind insbesondere die Inschriften zusammengestellt,
womit Fröbner n. 2-5. 6. 8. 9. 11. 12. 14. 15. 37. 38 41. 42. 48. 60-63. 65. 66
7G. 77. 78. 86-91 zu vergleichen ist
« Lorsch 8- 132 nimmt die Zerstörung gegen 234 n. Chr. an.
93 Vgl. Rappenegger 8. 11.
Digitized by Google
and später im 13. Jahrhundert, unter österreichischer Herrschaft,
„Herzogenbad"*4 wenigstens weiset um so überzeugender darauf
hin, als auch Kaiser Friedrich III. auf einor Reise nach Strasburg
i. J. 1473, sowie sein Sohn Maximilian I. i. J. 1517 dortselbst die
Heilquellen benutzten95. — Zum Oberrhein gehört endlich noch
4. der Salzbrunnen zu Niederbronn im Elsas», dessen Be-
nützung durch die Römer dreihundert in denselben als Heilgabeu
geworfene römische Münzen bezeugen, welche i. J. 1592 aufgefunden
wurden *.
Weit zahlreicher, wenn auch im Ganzen wohl nicht bedeutender
als die Heilbäder am Oberrhein erweisen sich diejenigen Mineral- und
Heilquellen, welche den Römern am Mittel - und Niederrhein bekannt
und in Benutzung genommen wurden. Voranzustellen ist unter diesen
5. die im April 1803 wiederentdeckte Schwefelquelle zu Nier-
stein unweit Oppenheim oberhalb Mainz, bei deren Aufraumung die
römische Fassung derselben, Trümmer von Bauwerken, darunter eine
kleine Säule, ein Becken ron Stein, Statuetten von gebrannter Erde,
nebst 14 Kupfermünzen aus den Jahren 86 bis 267 n. Chr. in der
Quelle selbst gefunden wurden. Üass die meisten dieser letzteren ein
frisches Gepräge aufzeigten und von runden Gypskugeln umgeben
waren, weiset darauf hin, das» sie als U eilgaben (stipes) von Gene-
senen in die Quelle gelegt worden waren. Zugleich bekundet die
Reihenfolge, dass die Quelle wenigstens seit Domitian bis zu der
für das ganze Rheinland so bedeutsamen Wiederherstellung der rö-
mischen Macht am Rhein durch Postumus im Gebrauche war. Zu
allen diesen Urkunden kommt nun aber noch die schon oben er-
wähnte Votivwidmung einer Julia Frontina an Apollo den Quellen-
hcilgutt und seine keltische Begleiterin Sirona, welche Inschrift
dem rheinischen Alterthumsforscher Fr. Lehne Veranlassung gab,
die Quelle selbst als „Sirona bad" zu benennen97. Der in einer
Urkunde Carlomanns v. J. 742 als Neris te in zum erstenmale vor-
kommende Namen des nahen Nierstein gab ihm dabei zugleich
einen Anhalt zu der im Hinblick auf die obenerwähnten doppelten
„Aquae Bormonis" und „Aquae Segestae" ansprechenden
* Vgl. Lerech S. 165, wenn anders Lorsch hierbei nicht Baden-Baden
mit Baden bei Wien verwechselt.
» Vgl. Lorsch 8. 172 u 186.
* Lersch S. 47.
** Vgl. Das Sironabad bei Nierstein n. seine Mineralquelle. Mainz 1827. 8.,
besonders S. 1-13 (Lehne Ges. Sehr. III. 8. 51-68). Lersch 8 48.
Digitized by Google
31 -
Vermuthung, dass der Ort selbst wegen seiner Quelle „Aqua«
Neri*, wie das römische Neris-les- Hains geheissen habe98. Zur Be-
gründung dieser Ansicht bedarf es vor Allem einer genauen sprach-
lichen Untersuchung der Bedeutung des ersten Theils des Namens
„Nierstein". Dieser Mineralquelle reihen sich nun weiter die
Heilquellen und Mineralwasser des Taunus und der angrenzenden
Lande an. Dahin gehört vor allem
6. Wiesbaden, Mattiacum, Aquae Mattiacae, dessen bereits
oben besprochene Quellgotth eit Apollo Toutiorix zur I lin Wei-
sung" auf die Entstehungsgeschichte der Badestadt, des bei ihr von
den Römern errichteten Castells und die Ausbeute der Funde beider
Oertlichkeiten Veranlassung gegeben hat Weit geringer noch als
zu Wiesbaden sind die Ergebnisse der Funde aus der Römerzeit in
der Badestadt
7. Ems, wiewohl die Nähe des vorüberziehenden Pfahlgrabens
(Ihnes imperü transrhenanus), eine an demselben errichtete Wacht-
atation, sowie sonstige antiquarische Funde100 hinter dem Pfarrgar-
ten am Spiess, bei sämmtlichen Neubauten von Dorf-Ems und bei
den 1853 vorgenommenen Kanal - Anlagen der Hauptstrasse die
dauernde Occupation des Orts in Römerzeiten ausser Zweifel stellen.
Zahlreiche Gräber mit ihren gewöhnlichen Beigaben an Thon- und
Glasgefassen, Lampen u. a. m. sind dabei aufgedeckt worden, wozu
endlich im Herbste 1858 auch die erste, leider bruchstückliohe, in-
schriftliche Urkunde über die wahrscheinlich durch eine dort statio-
nirte Militärabtheilung bewirkte Erbauung eines grössern Gebäudes
hinzukam, an welchem letztern der Stein wohl zugleich als Votiv-
tafel zu Ehren des kaiserlichen Hauses, insbesondere für das Wohl
des regierenden Kaisers Septimius Severus und seiner Söhne Cara-
calla und Geta, demnach also im Anfange des dritten Jalirhunderts,
angebracht worden war, welche Zeit überhaupt wol als der Höhe-
punkt der ungestörten Blüthe der rheinischen Bäder in Römerzeiten
angesehen werden kann. Dass es meist nur dem Zufalle oder andern
jetzt unbekannten Ursachen zuzuschreiben ist, wenn die Spuren des
* Vgl. Eckhart comment. de rebus Franciae orientalis. Wirceburgi 1729.
foL Tom. I. lib. XXIH. c. V. p. 891. Dr. Ph. A. F. Walther Das Groaaherzog-
tbum Hessen. Darmatadt 1854. 8. 8. 513. Förstemann Altdeutsches Namenbuch IL
S. 1072 u. Deutsche Ortsnamen. Nordhausen 1863. 8. S. 129, welcher jedoch
Naristagne a. d. J. 823 als die älteste Form des Namens anführt nnd
Neris fein erst a. d. J. 882 beibringt.
* Vgl. A. 40.
t«> Vgl. Annalen VI, 2. 8.343-347. Archiv f. Frankfurts Geschichte u Kunst.
N. F. I (1860). 8. 30-84.
Digitized by Google
32 -
Aufenthaltes der Römer an dem einen Orte bis jetzt zahlreicher und
bedeutsamer zu Tage getreten sind, als an dem andern, dafür legt
weiter unter den Nassau'schen Bädern auch
8. Schlangenbad vollgiltiges Zeugniss ab: obwohl nämlich an
diesem Badeorte unseres Wissens bis jetzt kein antiquarischer Fund
als Urkunde einer Benutzung seiner Quellen durch die Römer ge-
macht worden ist, so hat dennoch die N a tu r forsc h un g im er-
freulichen Bunde mit der Alterthumskunde dort eine in ihrer Art
eben so überraschende wie untrügliche Spur des Gebrauchs der dor-
tigen Heilquellen im Alterthume nachgewiesen. Das Verdienst dieser
schätzbaren Entdeckung gebührt dem Scharfblicke des gelehrten En-
tomologen Hrn. Senator C.II. G. von Heyden zu Frankfurt a. M.,
welcher in den „Jahrbüchern des Vereins für Naturkunde im
Herzogthum Nassau"101 folgende Beobachtungen niedergelegt hat:
„So viel mir bekannt ist, werden die milchwarmen Quellen von
Schlangenbad zuerst 1640 von Merian und 1650 von Winkel-
mann erwähnt, jedoch noch nicht als Badeort. Die drei Mühlen,
welche hier standen, hiessen die warmen Mühlen, der Bach der warme
Bach. Tabernämontanus, der 1581 in seinem Wasserschatz die
Mineralquellen der Niedergrafschaft Katzenelnbogen beschrieb,
scheint sie noch nicht gekannt zu haben. Als der Ort zuerst als
Bad benützt wurde, nannte man ihn das Karlsthaler oder Bärstädter
Bad. Niesen, in seinein Bericht über Schwalbach, nennt schon 1687
Schlangenbad. Die Quellen sollen 1657 einem Dr. Gloxin aus Worms
gehört haben. Landgraf Moritz von Hessen liess hier 1694 die ersten
Gebäude auffuhren. Im Jahre 1817 besuchte ich Schlangenbad, be-
sonders um die daselbst vorkommende Schlange näher kennen zu
lernen, die damals und auch noch später ziemlich allgemein als die
gemeine Natter (Tropidonotus Natrix L.) angenommen wurde. Ich
fand, dass es die gelbliche Natter (Calopeltis flavescens Scop.) ist.
Nau, der die Amphibien der Umgegend von Mainz fleissig beob-
achtete, hat sie trotz der Nähe von Schlangenbad nicht gekannt.
In seinen 1791 erschienenen „Neuen Entdeckungen und Beobachtun-
gen8 beschreibt und bildet er eine angeblich neue Schlange ab, die
er aus Oesterreich erhalten hatte. Es ist dieses ebenfalls Trop. fla-
vescens und er würde sie sicher erwähnt haben, wenn sie ihm auch von
Schlangenbad bekannt gewesen wäre. — Dieselbe Schlange wurde
von einigen Naturforschern als Coluber Aesculapii (verschieden von
der indischen Col. Aesculapii Lin.) beschrieben und ist solche nicht ver-
«o» H. XVI. S. 963-265.
Digitized by Google
- 33 -
schieden von der berühmten Aesculaps- oder Epidaurus Schlange,
welche ab Symbol der wohltätigen Gottheit betrachtet und ab
Attribut des Aesculaps um seinen Stab gewunden ist Zur Zeit, als
Q. Fabius und C. Brutus Consuln waren, herrschte in Korn die Pest,
und wurden, um solche zum Aufhören zu bringen, damals viele
Schlangen von Epidaurus geholt, auf der Tiberinsel ausgesetzt und
daselbst verehrt. Noch jetzt soll daselbst in den Gärten des heiligen
Bartholomäus ihr Bild in Marmor ausgehaueu zu sehen sein. Gegen-
wärtig ist diese Schlange um Rom noch sehr häufig, was wohl in
früheren Zeiten nicht war, da man sonst nicht nöthig gehabt hätte,
sie von Epidaurus zu holen. Die Schlangenbader Schlange gehört
dem südlichen Europa an und war sie in Deutschland nur aus dem
südlichen Tyrol bekannt Ihr ganz vereinzeltes Vorkommen bei
Sclilangcnbad macht es sehr wahrscheinlich, dass die Quellen daselbst
schon von den Römern als Heilquellen benutzt wurden und desshalb
diese Schlange von ihnen dahin gebracht worden ist Begünstigt
durch die steinige Umgebung Schlangeubads hat sich dieselbe so
isolirt von ihrem eigentlichen Vaterlando hier erhalten können. Es
ist nicht unwahrscheinlich, dass die Römer an die ihnen bekannten
Quellen von Wiesbaden ebenfallt) Schlangen eingeführt hatten,
die aber im Laufe der Zeiten daselbst wieder verschwunden sind.
Einige Jahre später habe ich dieselbe Schlange bei Baden-Baden
gefunden, dessen Mineralquellen ebenfalls schon den Römern bekannt
waren.
Sicher interessant ist es, dass ich (1819) bei dem ebenso den
Römern schon bekannten Bade Ems eine Schlange — Tropidonotus
tessellatus Laur. — entdeckte, die sonst auch nur dem südlicheren
Europa angehört Ich zweifele nicht, dass sich dieselbe hier auf ge-
eignetem Terrain auch aus den Zeiten der Römer erhalten hat. Bei
ihr ist noch zu bemerken, dass sie vor andern verwandten Arten die
besondere Lebensweise hat, sich gerne längere Zeit im Wasser auf-
zuhalten. Noch jetzt entspringen bei Ems mehrere warme Quellen
im Flussbette der Lahn und findet man hier und in den Abzugs-
gräben der Bäder die Schlange nicht selten. Es wäre hiernach mög-
lich , dass den Römern diese Eigentümlichkeit der Schlange schon
bekannt war, auch dass sie in Rücksicht der verschiedenen Wirkungen
auf die Gesundheit dieser Quellen auch •verschiedene Schlangenarten
an dieselben ausgesetzt haben.
Um das Römerbad Baden weiter im Schwarzwalde, das ich
mehrmals besuchte, konnte ich keine der Gegend eigentümliche
Schlangenart auffinden."
3
Digitized by Google
Vorstehende werthvollen Beobachtungen des Hrn. v. Heyden
constatiren zuvörderst die gewichtige Thatsache, dass Bich bei den
von den Römern benutzten Quellen von Baden-Baden sowohl,
als auch bei Schlangenbad eine Schlangenart findet, welche nur
dem sudlichen Europa angehört und in Deutschland nur aus Sttd-
tyrol bekannt war: es ist dies die sog. Aesculaps- oder Epidaurus-
schlange; weiter sodann, dass anch bei dem den Römern ebenso be-
kannten Bade E m s gleichfalls eine Schlangenart vorkommt, die sonst
auch nur dem südlichen Europa angehört. Es wird an diese That-
sache mit gutem Grunde die Vermuthung geknüpft, dass diese Schlan-
gen von Italien her durch die Römer an diese Quellen eingeführt
worden, demnach sich ehemals auch wol zu Wiesbaden vorgefun-
den haben, daselbst aber im Laufe der Zeit wieder verschwunden
seien. Die Schlange als Symbol dep Acsculap ist zu bekannt, als
dass nicht sofort deren Einführung an die, wie oben bemerkt, auch
unter dem Schutze dieses Heilgottes stehenden Quellen als ein reli-
giöses Moment erkannt werden sollte. Erklärlich ist demnach,
wenn auch seine Begleiterin Hygia1M gleichfalls mit diesem Symhol
ausgestattet erscheint und in der That zeigt auch eine zu Tiberias
in Palästina gefundene Münze Hygia mit der Schlange, auf
einer Anhöhe sitzend, aus welcher mehrere Quellen entspringen103.
Auch der Isis, welche, wie schon oben bemerkt, an Heilbädern ihre
besondern Verehrer fand, war die Schlange heilig104. Nach allem
diesem darf der oben ausgesprochenen Vermuthung, dass dereinst
auch zu Wiesbaden (und wol auch zu Badenweiler und
Aachen) solche südländische Schlangen von den Römern einge-
führt waren, volle Berechtigung zugestanden werden. — Nicht
unerwähnt mag hierbei bleiben, dass auch das germanische
Heidenthum die Schlange mit den Heilquellen in Verbindung
bringt. Grimm D. M. S. 554 sagt darüber: „Das schwedische Volk
schreibt die Kraft einiger Heilquellen weissen Schlangen zu.
1809 strömten Tausende aus llalland und Vestergötland zu dem
wunderthätigeu Helsjö (einem kleinen See unweit Rampegärde) ;
mau erzählte sich, Kinder am Strande das Vieh hütend hätten dieses
101 Vgl. M aerob. Saturn»! . I, 24 : siuwlacria ctAesculapii etSalutis Droco
subiungitur; humana Corpora velut innrmitatia pelJe deposita ail pristinuou re-
virescunt virorem, ut vir esc mit draconcs per annos siuguloa pelle nenectuli»
exuta.
Vgl. Kersch S. 29
«»♦ Vgl. Lerech S. lä u. 20.
Digitized by Google
- 35
Jahr Ober oft eine schöne Jungfrau am Ufer sitzen sehen, sie hielt
in ihrer Hand eine Schlange und wies sie ihnen. Nur alle hundert
Jahre erscheint diese Wasserjungfrau mit der Schlange. Bcxells
Mailand 2, 320. 3, 303." Wie bei den Römern Aesculapius und
Hygia als Vorsteher der Heilquellen mit dem symbolischen Attribute
der Schlange ausgestattet sind, so hier die in der Sage zur Fee
gewordene ursprüngliche altheidnische Quellgottheit. — Den Tau-
nusbädern ist noch anzuschliessen der Mineralbrunnen von:
9. »Schwalheim im kurhessischen Amte Dorheim, eine halbe
Stunde von Bad Nauheim, in dessen Bereiche 1862 ein ansehn-
licher Fund keltischer Münzen gemacht wurde <°5. Dicht an die-
sem Sauerbrunnen ziehen die Spuren des alten Steindannnes , d. h.
der Römerstrasse vorbei und die ungefähr alle IT) .fahre vorgenom-
menen Ausfegungen des Brunnens selber haben jedesmal eine klei-
nere oder grössere Anzahl von römischenMünzen, darunter auch
eine goldene, zu Tage gefördert, welche ohne Zweifel nach und
nach im Laufe der Zeit als Heilgaben (stipes) hineingeworfen wor-
den waren. Im Jahre 1811 fand man fast 30, i. J. 1827 etwa 35,
im September 1831 noch weitere 5 mit den Bildnissen des Vespasian,
Titus, Domitian, Nerva, Trajan , Hadrian und Antoninus Pius'06.
Schon in uralter Zeit suchte und schöpfte man also auch hier, unter
dem wohltlmtigcn Einflüsse der dankbar bedachten Quellgottheit, Ge-
nesung und neues Wohlsein aus dieser „Lebensquelle" der Natur,
wie sie in goldenen Lettern auf schwarzer Marmortafel über dem
Eingänge zum dasigen Kurhause in folgendem Distichon:
Kons vitae saliens gemmas effundit in herbam :
Mergc, puer, pateram, sub pede vita fluit.
genannt wird, welches der bekannte Genosse Barthe*lmy's, der poetische
Panegyriker der napoleonischen Glorie, Mery, bei Gelegenheit einer
Badekur verfasst haben soll. Nicht unerwähnt darf hier auch die
einige Stunden südlich von Nauheim und Schwalheim auf grossher-
zoglich hessischem Gebiete entspringende mineralische Quelle von
10. Vilbel bleiben, an welchem Orte ausser nicht unbeträcht-
lichen Substruktionen von Gebäuden und Badeanlagen auch der
*•» Vgl. Mittheil uugen an die Mitglieder des Vereins für hessische Geschichte
und Landeskunde 1862. Nr. 7 S. 8.
Vgl. Hanauisches Magazin 1.(1778) St. 17. S. WO. Ph. Dieftenbach Ueher
Alterthümer in und um Friedberg, Glessen 1829, S. 8 u. 9. A.** Ders. im Ar-
<hi? für Hess. Gesch. u. Alterth. IV S. 248, 258. Periodische Blätter der
uiittelrheinischen Geschichts- u. Alterthumsvercine iar»f>. Nr. 7. S. 238 f. II.
Lersrh S 47.
3*
Digitized by Google
36 -
prachtvolle, jetzt im Museum zu Darmstadt bewahrte, MoBaikboden zu
Tage gefördert wurde, welcher ohne Zweifel zur Villa eines reichen
Provinzialen gehörte und einen sprechenden Beweis von dem Coni-
fort der Bewohner jener äussersten Gegenden des Romcrreiches ab-
gibt Es berechtigt dieses zu der Annahme 107, dass auch der Ge-
sundbrunnen und eine warme Quelle dortselbst schon in den ältesten
Zeiten den Anlass zu einer Absiedlung gaben, welcher sicherlich um
so mehr die den Alten an sich schon unentbehrlichen Bäder nicht
gefehlt haben werden.
Wie am Mittelrheine, so kannten und benutzten die Römer auch
am Niederrheine alle diejenigen Heilquellen und Mineralwasser,
welche die Neuzeit theilweise erst wieder auffand und dem Hcilge-
brauche zugänglich machte. Es gehören dahin zunächst :
11. Die Säuerlinge am Laacher See, wie verschiedene Bau-
überreste von Quellcinfassungen aus römischer Zeit beurkunden,
welche unter andern bei Burgbrohl gefunden wurden«'8, wie denn
Uberhaupt das in naturwissenschaftlicher wie antiquarischer Hinsicht
gleicher Weise interessante Brohlthal auch bezüglich seiner
Quellen für die römische Zeit bedeutsam ist. Noch i. J. 1862
hat man bei Aushebung der römischen Fundameute des in einein
Seitenthalchcn jenes Thaies gelegenen Heilbrunuens in dcrQuell-
spälte des Felsens, die etwa auf V/t' zugänglich war, gegen 100
meist Kupfer- theilweise auch Bronze- und Silber- Münzen mit
zum Theil noch sehr wohl erhaltenen Umschriften uud Köpfen ge-
funden: diese offenbar als Heilgaben in die Quelle geworfenen Mün-
zen erstrecken sich von den letzten Zeiten der römischen Republik
bis auf Constantin den Grossen 1M. Nicht weit von da entfernt liegt
12. Der Siedinger (Riedinger) Dreis, eine Sauerquelle bei
Gerolstein (Kreis Daun, Regierungsbezirk Trier) in der Eifel, bei
deren Wiederherstellung i. J. 1778 man als sprechende Urkunden
ihrer Benutzung in römischer Zeit 143 römische Münzen grössten-
theils von Maximinus auffand 41°. Eine almliche kleine Mineralquelle
scheint
l0T Vgl. Dr. Bosslor Die Römers tätte bei Vilbel in dem vorgenannten
Archiv. X, 1 Nr. I besonders S. 5 u. 35.
»<* Vgl. Lersch S. 129.
,os Vgl. Job. Freudenberg Das Denkmal des Hercules Saxanua im Krohl
thale, Bonn 1862, S. 3. A. 1. Lersch S. 47.
110 Vgl. J. S. Schannat Eiflia illustrata oder geographische und historische
Beschreibung der Eifel. Aus dem lateinischen Mauuscript übersetzt und mit
Anmerkungen und Zusätzen bereichert von Georg Biirsch. Leipzig 1850 ff. 8
III, 2, 1 S. 40 f. Lerach S 47.
Digitized by Google
37
13. Der Birresborn in der Bürgermeisterei Mürlenbach (Kreis
Prüm, Regierungsbezirk Trier) in geringer Entfernung vom rechten
Ufer der Kyll am Fusse eines Grauwacken-Platcaus zu sein: auch
dort haben die in der Nähe dcB Brunnens aufgefundenen Münzen
bezeugt, dass dieser Born gleichfalls den Römern wol bekannt war
Zu den bedeutenderen Heilbädern der Rhcinlandc aber in römischer,
mittelalterlicher und neuerer Zeit gehört weiter auch
14. Bertlich, gewöhnlich Bertrich, in den 100 Fuss tiefen
Thälern des Uesbaches in der Bürgermeisterei Lützerath (Kreis
Cochem, Regierungsbezirk Trier), an dessen warmen Quellen zu ver-
schiedenen Zeiten die unzweideutigen Spuren der dauernden Be-
nutzung in Römerzeiten zu Tage getreten sind. Bereits i. J. 1843
fand man 20* unter dem jetzigen Boden den alten Römerbru nnen,
welcher 5* breit und V lang in den Felsen gehauen und wenigstens
27' tief ist. Auch entdeckte man in der Nähe dieses Brunnenschachtes
ein altes mit römischen Ziegeln gemauertes, gemeinschaftliches
Bad von etwa 12' im Gevierte, in welchem eine grosse Amphora
lag. Mehrcrcmals hat man überdies» bei Bertrich römische Mün-
zen gefunden, unter andern eine Goldmünze des Vcspasian und eine
Münze ConBtantins des Grossen. Der wiederaufgefundene alte Römer-
brunnen wurde neu gefasst und durch eine wohlgelungene Leitung
der Quellen die Mächtigkeit der Thermen bedeutend verstärkt m.
Weitere Aufdeckungen folgten i. J. 1860 bei Anlage des neuen Bades,
wobei, ausser dem oben besprochenen Votivaltärchen der Devcr-
cana und Meduna und der Marmorfigur der Diana, die 30* lange
Grundmauer eines Gebäudes biosgelegt wurde, auf dessen Mörtelestrich,
ausser Hirschgeweihen (die sich vielleicht auf den Cult der Diana
beziehen), Statuetten von Thon u. a. m., wiederum Münzen von
Hadrian, Commodus, den Antoninen und Valentinian vorgefunden
wurden tl3. Welche Bedeutung diese Thermae ad S. Bertricum oder
Aquac Bertlichianac, wie sie in Urkunden genannt werden, im Mittel-
alter gewannen, davon zeugen die wiederholten Restaurationen des
Erzbischofs Johann von Trier in den Jahren 14f)6 und 1471, sodass
sich dort selbst während des 16. Jahrhunderts ein reges Badeleben
entfaltete. Später kam das Bad in VTergessenhei t, bis es um 1 741 zu neuem
Rufe gelangte, aber erst 28 Jahre später durch die Fürsorge des
letzten Kurfürsten von Trier wiederum so aufblühte, dass sich dar-
"i Vgl. Schaunat III, 2, 1 S. 279 f.
«'» Vgl. Schamiat III. 1, 2 S. 288-291.
Vgl. Bonner Jahrb. XXVIII S. 109.
Digitized by Google
- 38
nach unter französischer , später unter prcussischcr Herrschaft die
Frequenz immer mohr hob Ausser dem schon oben erwähnten
Säuerling bei Godesberg, welcher ebenfalls den Römern bekannt
war, erübrigt schliesslich noch der Thermen von
15. Aachen zu gedenken, dessen Namen „Aquae Granni"
bereits oben auf die Bedeutung seiner Heilquellen in römischer Zeit
hinzuweisen veranlasste. Schon längst hat man dort bei der Kaiser-
quelle die Substruktionen von Bädern mit Hohlziegeln, sowie Mün-
zen aufgefunden116, neuerdings auch bei den im dortigen Münster
nach dem Grabe Karls des Grossen angestellten Nachgrabungen 116.
Paas auch die uahlicgenden Quellen von Burtscheid gleichfalls schon
von den Römern benützt wurden, ist um so wahrscheinlicher, weil
auch eine Leitung für kaltes Wasser dortselbst als ein Römer werk
erkannt wurde117.
V.
Mythologisches zu den Itinerarien.
Ausser den oben erörterten mit „Aquae" gebildeten Ortsnamen
machen sich unter der grossen Menge der in den Itinerarien über-
lieferten Localbezeichnungen verschiedener Art neben der zahlreichen
Classc blosser Eigennamen weiter auch noch andere von ähnlicher
Bildung bemerkbar, welche gleichfalls aus einem lateinischen
Appell ativum nebst zugehörigem Adjektive oder Nominativ oder
Genitiv eines Eigenname nB zusammengesetzt sind. Ganz analog
unsern zahllosen Ortsnamen auf heim, dorf, berg, bürg, markt,
brücken, hafen, gau u. a. m. haben die Appellativa theils eine auf
natürliche Verhältnisse der mannigfachsten Art bezügliche Be-
deutung, wie mons, pons und portus, theils weisen sie auf militä-
rische (castra, eastellum, praetorium, turris) oder bürgerliche
(pagus, vicus, forum) Ansiedlungen hin, theils endlich geben sie sich
als ursprünglich religiöse Mittelpunkte zu erkennen, um welche sich
meistens wol ein bürgerliches Gemeinwesen kleineren oder grösseren
Vgl. Lorsch S. 168.
"* Vgl. Lorsch S. 47 128 A. 129. 141.
Vgl. Bonner Jahrb. XXXIII. XXXIV. 8. 223.
Vgl. Lersch S. 141.
Digitized by Google
I anfangs bildete , dag von ihnen seinen Namen erhielt: hierher ge-
hören die Bezeichnungen als compitum, templum, fanura, lucus.
Für compitum liegt unseres Wissens nur die eine Stelle im It.
Ant. p. 145 der Berliner Ausgabe vor, woselbst ein Ort Compi-
tum aufgeführt ist, welcher ebendort p. 143 mit sub Anagniao
und in der Tab. Peuting. segm. V. E. mit Conpito Anagnino
bezeichnet wird : die Schreibung Conpito lässt vielleicht auch in
der mutatio Conpetu des It Hierosol p. 289 eine ähnliche auf
ein compitum zurückzuführende Ortsbezeichnung vermutheiL Gleiche
Bewandtniss scheint es auch mit den als templum charakterisirten
Namen der Tab. Peuting. zu haben (vgl. Index bei Schcyb p. XI),
bei welchen auf der Tafel selbst überall ein einzelnes Haus, offen-
bar als Andeutung des Tempels eingezeichnet ist: es findet sich so
templum Jovis, Minervac, Veneris, Heren Iis (zweimal) und Augusti.
Von grösserer Bedeutung aber in mythologischer Hinsicht sind die
durch fanum und lucus als heilige Stätten gekennzeichneten Oert-
lichkeiten, insoferne sie zugleich auf ein anderes uichtrömisches
Glaubensgebiet hinüberführen, welches ausserdem hauptsächlich nur
durch inschri f 1 1 i c h e Zeugnisse beurkundet ist. Beide vorerwähnte
Wörter werden bemerkenswerther Weise bei diesen Ortsbezeichnun-
gen entweder in üblicher Art vor ihren zugehörigen Genetiv gesetzt
oder aber sie folgen demselben nach und werden bisweilen sogar
mit demselben zu oinom Worte verbunden.
■
Fanum.
1. Fanum Cocidi. 2. Haevacfanum.
Sowol der Geograph us Raven nas p. 258, 11 und 326, 6 als auch
Guido p. 462, 11 und 505, 4 erwähnen das jetzige Fano in Umbrien,
die Colonia Julia Fanestris, mit der blossen Bezeichnung Fanum,
während die Tab. Peuting. segm. IV. B mit ihrem fano Furtunae (sie)
und die It. Ant. p. 126 und Hierosol. p. 615 mit fano Fortunae
deutlich noch auf die erste Tempelanlage, das uqov tijc Tvjpj<;, hin-
weisen (vgl. F orbiger Hdb. d Geogr. I, 618), deren Namen durch
die analogen Ortsnamen eines fanum Martis (Tab. Peuting. segm. I.
It. Ant p. 387) und ebenso eines fanum Minervac (It Ant. p. 364)
in Gallien bestätigt wird. Es darf daher gewiss auch bei dem von
dem It Ant. p. 80 angeführten fanum Carisi auf der Insel Sar-
dinien in dem zweiten Worte gleichfalls der Namen einer einheimischen
sardiseben Gottheit vermuthet werden, zumal auch die von Forbiger
S. 825 dazu verglichenen Ka^vatoi des Ptolemaeus den nichtrömischen
40 -
Ursprung des Wortes weiter zu beurkunden scheinen Schwieriger
ist die Entscheidung über ein fünftes fanura, das fanum fugitivum in
Umbricn bei Guido p. 419,17, welches das It. Hierosol. p. 613 mu-
tatio fani fugitivi und die Tab. Peuting. segm. IV. F. fano fugitivi
• nennt. Ks scheint demnach der Namen fanum fugitivi gewesen, seinem
Ursprünge nach aber dunkel zu sein, da fugitivi wol nichts mit dem
Namen einer Gottheit zu schaffen hat, wie in den vorhergehenden
Fällen und offenbar auch in den beiden folgenden, welche gleichfalls
wieder nichtrömisdhc d. h. keltische Götternamen als Ausgangs-
punkte von Ortsnamen aufzeigen und damit zugleich auf die alten
Quellen zurückführen , die den bekanntlich oft bis zur Ungeheuer-
lichkeit entstellten Ortsbezeichnungen des Geographus Ravcnnas ganz
unzweideutig zu Grunde liegen. Dieser erwähnt nämlich unter den
zahlreichen theilweise auch von Ptolemaeus aufgeführten Ortsnamen
Britanniens, welche in grader Richtung von Meer zu Meer liegen
sollen, p. 433,4 einen Ort, welchen die Ausgabon Fanoecd i, der
treffliche cod. Parisinus allein (und daher die Berliner Ausgabe)
Fano codi, der Vaticanus und Basiliensis dagegen übereinstimmend
Fanococidi nennen und dieses ist die allein richtige Leseart. Es haben
nämlich schon die beiden englischen Archäologen Roach Smith Col-
lect, antiq. II. p. 201 und Collingwood Bruce the Roman Wall p. 381
edit. II. auf etwa 10 zu ßankshead und Howgill, in deren Nähe man
den besagten Ort des Ravennaten sucht und setzt, wie auch zu Bir-
doswald, Netherby und Blcatarn, meist Orte- an der Britannien quer
durchschneidenden Linie des Antoninischen Wallos, aufgefundene
Votivaltärc hingewiesen, welche einem DEVS OOCIPIVS gewid-
met sind, der auf denselben auch, wie zahlreiche andere keltische
Götter, mit dem römischen Mars identifizirt wird. Fanum Cocidi
(Cocidii) ist also dem obenerwähnten fanum Martis ganz analog und
damit in jenem bisher ganz rätltselhaften Ortsnamen bei dem Raven-
naten ein neues gewichtiges Zeugniss für den Cult dieser britanni-
schen Gottheit gewonnen. Von ähnlicher j\rt ist der zweite Fall.
Unter den auch hier wieder grösstenteils bis zur Unkenntlichkeit
entstellten Locainamen am Niederrhein nennt derRavennatc p. 228,4
einen schon vielfach der historischen Interpretation unterstellten Ort
Coadulfa veris, an dessen Stelle die Tab. Peuting. segm. I. B.u.C.
die beiden Ortsnamen Carvone und Oastra Herculis bietet.
Unmittelbar hinter demselben bringt der Geographus Ravennas weiter
einen Ort Evitano (mit der Variante evitario in dem Basiliensis),
statt dessen die Tab. Peuting. segm. I. B. hinwieder Lev efano auf-
fuhrt. Aus der Vergleichung dieser beiden Namen ersieht man deut-
Digitized by Google
- 41
lieh, dass in dem Texte de» Gcographus bisweilen die Anfangs-
buchstaben der Namen weggefallen sind, andererseits liegt ebenso
klar vor, dass Lcvcfano aus Lcve d. h. Levac oder Laevae und
fano zusammengesetzt ist Die Erwähnung des Orte« Castro Herculis
aber und die Auffindung einer Anzahl einem kelto-römisehcn HER-
OVLES MAGVSANVS gewidmeter Votivaltärc an verschiedenen
Orten Hollands hat daher Alfred Maury (Rev. archcol. 1849. p. 237:
vgl. Beucker de orig. iur. frisic. p. 294) zu der ansprechenden Ver-
muthung Anlass gegeben, dass in beiden Ttinerarien Haevaefano
zu verbessern sei, da ein zu Malburgen in IIolländisch-Geldern zu
Tage geförderter Votivaltar HERCVLI MAOVSANO ET HAEVAK
(Orelli 2005) geweiht ist: eine Textesveränderung der Itinerarien,
welcher in paläographischer Hinsicht kaum ein erhebliches Bedenken
entgegengestellt werden kann. Es wäre demnach nahe bei den Castra
Herculis, welcher Gott dort gewiss leicht zu einer Idcntifizirung mit
dem einheimischen Dcus MAGVSANVS kommen konnte, ein t an um
liaevac d. h. ein seiner göttlichen Begleiterin, der gleichfalls ein-
heimischen, nicht-römischen HAK VA geweihtes Heiligthum nachge-
wiesen, um welches sieh als Mittelpunkt auch eine gleichnamige An-
»icdlung gebildet haben mag.
Lucus.
1. Lucus Bormanae. 2. Poenilucus. 3. Stailueus. 4. Sage-
luc u s.
Denselben mythologischen Ausgangspunkt und Anlass, wie die
mit fanum gebildeten Ortsnamen, haben auch die mit lueiis zusam-
mengesetzten, deren zweiter Thcil meistens der Genitiv cinea Götter-
namens ist; wie dort ein heiliges Gebäude, so gab hier ein heiliger
Hain wol öfter die natürliche Veranlassung zu einer Ansicdlung,
welche sich im Laufe der Zeit zu einem grössern Gemeinwesen er-
weitern mochte. Heilige Haine aber waren dem römischen wie kel-
tischen Cultus gemeinsam und es kann daher auch hier nicht auf-
fallen, lucus mit Namen von Gottheiten aus beiden Mythologiecn zu-
sammengestellt zu sehen. Italien selbst gehören der lucus Feroniae
(Plin. N. II. IUI, 5, 8) und der locus Angitiae an, dessen gleich-
namiger Ort noch in dem heutigen Luco fortlebt (Forbiger S. 642);
auch das süd-italische Lucos der Tab. Peuting. segm. VI. B. gründet
sich sicherlich auf eine gleiche heilige Waldstätto, wenn auch die
Gottheit, welcher dieselbe ursprünglich geweiht war, grade so nicht
Digitized by Google
- 42
mit überliefert ist, wie oben bei dem Ravennaten das blosse Fanum,
statt Fanum Fortunae steht, wie weiter schlechthin Lucus im lt.
Ant. p. 170, It. HierosoL p. 263, Tab. Peuting. segm. II. D. und bei
dem Geogr. Rav. p. 241 (mit den Varianten tueo undtueo) statt lucua
Augusti (Luc en Die in Frankreich: Plin. N. H. III, 4, 5) und eben
«o im It HierosoL p. 203. 204 statt Lucus Augusti (Lugo in Spanien)
gesetzt ist, wobei beiläufig bemerkt sei, dass Lucus Asturum (Asto-
rum: Geogr. Rav. p. 320, 16), jiov*^ 'Aoiovq*'*, einer der kleinen
Orte im Gebiete der hispanischen Astures, deren Haupt- und Natio-
nalheiligthum gewesen zu sein scheint Diese Benennung naheliegen-
der Ansiedlungen nach solchen heiligen Hainen einheimischer Gott-
heiten bezeugt auch der grosse Wald Bouconne im südwestlichen
Frankreich am Fusse der Pyrenäen, an dessen westlichem Saume die
Spuren einer römischen Niederlassung gefunden werden, welche die
locale Ueberlieferung gleichfalls mit dem Namen Bouconne be-
zeichnet; es erwähnt nun aber das It. Hierosol. p. 261, 11 westlich
von Tolosa an der Strasse nach Burdigala unter andern Orten eine
mutatio Bucconis, welchen Ort Bucconae man in dem Flecken
Empeaux und Ile-en-Jourdain erkennen wollte : mit grösserer Wahr-
scheinlichkeit ist aber diese mutatio vielmehr in der obenerwähnten
gleichnamigen römischen Ansiedlung am Rande des Waldes
Bouconne zu suchen. Ganz analog dem italischen lucus Feroniac und
Angitiae ist weiter auf gallischem Gebiete auch der Namen des uloo*
oder vielmehr ^rfyoanj«. lucus Andartae, der britannischen
Siegesgöttin bei Cass. Dio LXII, 2 gebildet und es lassen sich nach
dieser Analogie auch die Namen anderer keltischen Gottheiten fest-
stellen , welche bis jetzt ganz unerkannt in solchen Ortsnamen der
ltinerarien verborgen waren. Es erwähnen nämlich das It. Ant. p.
141. Tab. Peuting. segm. II. F. Geogr. Rav. p. 270, 8; 338 , 4 und
Guido p. 476, U; 512,25 einen liguri sehen Ort, dessen Namen
sie in seinem ersten Theile Lucus im Ganzen übereinstimmend,
mehr oder minder abweichend aber in seinem zweiten Theile über-
liefern: es ist das zwischen Albingaunum und Costa Balenae aufgeführte
Lucus Bormuni. Von den Handschriften des It. Ant. haben nur
der treffliche Parisinus D und der Scorialensis Luco, alle übrigen
Loco; in gleicher Weise weichen von der Vulgatc Bormani der eine
Florentius mit bormoni, der Scorialensis mit bormaci und am
auffallendsten der vorerwähnte Parisinus mit bormaniac ab; die
Tab. Peuting. segin. II. F. hat Luco Borain ni mit offenbarer Vcr-
schrcibuug statt Bormani. Noch weiter ab liegen die Lesearten
des Ravennaten und des Guido. Jener bietet an erster Stelle Luco
Digitized by Google
- 43 -
Vermanis, ebenso auch an zweiter Stelle, woselbst jedoch der Va-
ticanus und Parisinus Loco Germania, die Ausgaben Loco Ber-
manis haben. Die Handschriften des Guido haben an erster Stelle
Loco oder Leco Vermanis oder Vernanis, an zweiter Loco
Germinis. Auffallend ist hierbei, dass während It Ant und Tab.
Peuting. auf ein Bor man i hinführen, bei dem Ravcnnaten und Guido
dieses Wort auf i s ausgeht, was als leicht aus einem i e entstanden,
auf das bormaniae des Parisinus I) zurückweisen würde. Zunächst
ist aber als Nominativ zu Bormani ein Bormanus festzuhalten und
ist liierzu die ganze Reihe theils dem Stamme, theils der ableitenden
Endung nach verwandten und analogen Bildungen zu vergleichen,
welche oben S. 9 zusammengestellt worden sind, unter denen die
beiden letztern dem Bormanus am nächsten kommen und ebenso
wie Lucus Bormani selbst auf eine einzige keltische Gottheit
zuruckzudeuten scheinen, welche entweder ein Deus Bormanus
oder eine Dea Bormana gewesen ist Und in derThat lassen sieh
wol beide nachweisen. Einerseits nämlich hat Hübner 118 zwei
Votivinschriften aus Spanien, demnach also ebenfalls aus einem Kclten-
lande, mitgetheilt, welche einem DEVS BORMANICVS gewidmet
sind und andererseits hat sich, nicht allzufern o von demjenigen Land-
striche Galliens, welchem die Orte Lucus Bormani und das Pli-
nianische Bormani angehören, zu Saint- Vulbas (dep. de l'Ain) eine
Votivara mit folgender Inschrift gefunden 119 :
BORMANAE
AVG SACR
CAPRI
A : TRATINVS
als deren Scbluss ein Fragment gelten darf, das sich in der Mauer
einer Mühle desselben Dorfes befindet:
SABJNIANVS
DSD
Demnach darf wol das LucusBormani auf jenen Gott BORMANVS
oder BORMANICVS bezogen oder, soferne Bormani leicht aus Bor-
manc d. h. Hormanae verschrieben werden konnte, in Lucus Bor-
manae geändert werden, wovon auch der treffliche parisinus D des
"* Vgl. Anrak. Iii.
119 Vgl. Guillemot introduetion a la monograpliio du Bugcy p. 105. Allmor
8ur dem inscriptions votives (vgl. Anrak 27) p. 18. Bonner Jahrb. XXXUI.
XXXIV S. 17.
Digitized by Google
- 44 -
It. Ant. in seinem Bormaniac eine unzweideutige Spur erhalten zu
haben acheint.
Eine ähnliche, schon frühe, wie es scheint, allgemein gewordene
Verderbniss der ursprünglichen Namensform hat auch die Bezeich-
nung der Alpes Poenniae und Alles, was mit derselben zusammen-
hängt, betroffen. Fast tiberall nämlich zeigen die späteren hand-
schriftlichen Quellen und Urkunden eine Entstellung des Poeninus
in das wegen seines Anklangs an Apenninus naheliegende Penn in us,
so dass die Varianten der Handschriften beide Formen untereinander
mischen, wie ein Blick auf Tab. Peuting. III. D; II. C; II. B. und
den Ravcnnaten p. 237 genugsam zeigt Schon längst aber hat '*>
die Uebereinstimraung der besten Handschriften und der Inschriften
dargethan, dass nur Pocninus die allein richtige Forin des Namens
ist, deren Entstellung in Pcoeninus und Puocninus in zwei Inschriften
nur als Schreibfehler anzusehen und ohne alle Bedeutung ist 121. Mit
Recht hebt daher Mommsen a. u. a. O. hervor, dass nach allem
diesem die auch von Zeuss (gr. celt. p. 77. 1)9) noch adoptärto land-
läufige Ableitung von dem gallischen penn ebensowenig stichhaltig
sei, als die von Livius XXI, 38 gemachte Angabe, wonach die vallis
Poenina von der Localgotthcit der Vcragri , dem später mit dem
römischen Juppitcr identifizirten Dcus Poeninus, ihren Namen erhal-
ten habe, aus sprachlichen Gründen angenommen werden könne, da
vielmehr für beide Ableitungen eine gemeinsame Wurzel voraus-
zusetzen sei. Es ist nämlich evident, dass das Attribut Poeninus zu
Alpes, Vallis und dem DEVS der Vcragri 122 nur als eine adjektivische
Ableitung von einer kürzern Wurzel Poen angesehen werden kann.
Diese Wurzel selbst aber hat Mommsen sicherlich ebenso über-
zeugend in dem Namen der rätischen "Alm? Motval bei Ptol. II, 12, 2
in ihrer ursprünglichen Form nachgewiesen , als andererseits scharf-
sinnig auch in dem ganz entstellten Pennelocus der Itinerarien
,JÜ Vgl. Th Mommsen Dio Schweiz in römischor Zeit. (Mittheilungen <ler
Antiq. Ucscllsch in Zürich IX, 2, 1 1S54) S. «. A ti.
«2« Vgl. Strabo III, 6; Ptol. III p. 171 ed. Wilberg; Pliu. N. H. III, 17,
21; Tacit. Hist. I, Gl, 70, 87; IV, 68; Ammian. Maro. XV, 10; Llv. V, 35;
XXI, 38; Zosim. Hist. VI, 3; Grut. p. 37h. tf; Maffei Ver. illustr. VIII p. 335;
Orelli 3888; Mommsen Insc Hclv. p. 7-10; Honncr Jahrb. IX S. Ol und XI
S. 11-14.
Da mehr als 21 auf dem grossen St. I3crnhard aufgefundene Votivin-
schriften den Poeninus als männliche Gottheit beurkunden, so kann des Scr
vius (zu Vergil. Aen. X, 13. vol. I p. 547 ed. Lion) Dea Ponnina nur auf
einem Irrthnme beruhen und ist wol mit Deyks (Bonner Jahrb. XI S. 10) in Dens
Poeninus zu verbessern.
Digitized by Google
- 45 -
vermuthet Dieser Ort, ohne Zweifel das heutige Villeneuve in
Wallis, wird im It Ant p 167 durch die 5 Handschriften DJLNP,
auf deren Uebereinstiramung p. XXXIII der Berliner Ausgabe ein
grosses Gewicht gelegt wird, als Penne locos, durch die übrigen
als Penne locus bezeichnet, während die Tab. Peuting. segm. II.
B. Pennolucos und der Vaticanus nebst dem Parisinus des Raven -
naten p. 237 Pennolocus, der Basiliensis Pennolicus bietet. Das
ftlr die Abschreiber unverständliche, aber in der Tab. Peuting. glück-
lich bewahrte lucos musste, wie man sieht, sich die Aenderung in
das naheliegende locus gefallen lassen, ganz analog der oben er-
wähnten Stelle des Lucus Bormani im It. Ant. p. 141 , woselbst nur
zwei Handschriften luco, alle Übrigen aber loco haben. Es kann
aber kein Zweifel sein, dass in dem lucos der Tab. Peuting nur
eine keltisirte Nominativform statt lucus zu sehen ist, da bekannt-
lich diese Endung os als eine keltische statt der lateinischen us auf
zahlreichen keltischen Münzlegenden sowol als in inschriftlichen Eigen-
namen keltischen Gepräges gewöhnlich ist, somit also auch bei Orts-
namen wird zur Anwendung gekommen sein m. Der erste Theil
dieser mit lucos zusammengesetzten Localbezeichnung aber hat nun
ohne Zweifel dieselbe Wandelung des Poeno oderPoene in Pernio
oder Penne erlitten, wie sie in Penninus aus Poeninus offenbar vorliegt.
Es haben daher Wesseling (zu It. Ant p. 352) und H. Meyer 15M
den Namen dieser römisch -gallischen Station als Poenilucus (Poeui-
lucos) d. h. Hain des Poenus hergestellt: eine uralte einheimische
Gottheit Poenus inuss demnach also auch sprachlich Anlas« und
Ausgang der Benennung gewesen sein, womit das ganze Rhonethal
(vallis), sodann der dazu gehörige Alpcnzug (Alpes Poeninae), end-
lich der auf der Höhe des grossen St. Bernhard verehrte Juppiter
optiinus maximus belegt wurde : wie überall ging auch hier der
Localgott in der Identifizirung mit dem siegreichen Römergotte unter
Dass im Laufe der Zeit und bei der Verdunklung der ursprünglichen
Bedeutung des Wortes sich leicht aus Poenilucos ein Penne — oder
Pennolucos oder locus für den bei dem uralten Haine des Poenus
entstandenen Ort als Namcnsform bilden konnte, liegt auf der Hand :
vielleicht enthält auch das Pennolicus der Baseler Handschrift des
Haveunaten noch eine Spur des ursprünglichen Namens, da es wie
eine Verschreibung aus Pen ni locus oder Penuilucos d. h. Poenilucos
Vgl. Kuhn u. Schleicher Sprachvergl. Beiträge III, 2 8. 181» f.
,J* Die römischen Alpenstraasen iu der Schweiz (Mittheflungen der Antiq
Gesellscfa. in Zürich XUI, 2, 4) S. 120.
Digitized by Google
- 46 -
erscheint Wie fanum, so ist nämlich auch lucus dein Namen der
Gottheit nachgesetzt d. Ii. angehängt worden, so dass sich statt Lucus
Poeni ein Poenilucus, wie oben Haevaefanum, feststellte. Für
diese Art der Namenbildung zeugt vielleicht auch der Ortsnamen
St ai lucus in der Tab. Peuting. segm. IV. C, dessen erster Theil
sich sowol sonst noch in derselben Tab. Peuting. segm. XII. B. , als
auch auf römisch-keltischen Inschriften nachweisen lässt:123
SVGASSIS
HANIVS
. . . DIAE.STAI. F.
. . . SVGASI ET STAIG,
und somit ebenfalls wenigstens auf einen Personennamen STAIVS
zurückweiset, der wol auch als Götternamen vorkam.
Dieselbe Namenbildung mit lucus, aber auch dieselbe Verwech-
selung des Wortes mit locus, scheint endlich auch in einem dritten
Ortsnamen vorzuliegen, welchen das It. Ant. p. 226 Segeloco, p.
228 aber Ageloco nennt: auch der Ravennate bezeichnet offenbar
denselben Ort in gewohnter Entstellung mit Segeloes: aus diesen
Formen dürfte sich ohne Zwang die Verbesserung Segelucus oder
Sagelucus herleiten lassen, sodass Sagaclucus wiederum, wie
üben Haevaefnnum gebildet wäre; ist auch in Britannien selbst (wo-
hin jener Ort gehört) keine DEA SAGA bis jetzt nachgewiesen,
so begegnet eine solche jedoch auf folgender römisch - keltischer Iii-
KL'hrift Spaniens: 1,6
SAGAE
MAVRVS
CAVDI
V.L AS
"s V'ffl. Octavi. Kossi Muiuor. Brest', ed. Vinacceai p. 277 n. 2T>.
Vgl. Ceaii Heriuudez Suuimario de In* Antteiiedades Kouisiia» que hay
en EspaHa, Madrid 1*32, fol. p. 422.
Digitized by Google
I
Des Kiinonicus Job Rohrbach am Bartholomäusstiftc
Frankfurter Chronik
vom Jahre 1494 — 1502.
Zum ersten Male herausgegeben
von
Georg Eduard Steits, Doctor der Theologie.
Einleitung.
In den folgenden Blättern lege ich den Geschichtsfreunden meiner
Vaterstadt das Tagebuch des im Jahre 1502 in jugendlichem Alter
verstorbenen Kanonicus Job Rohrbach vor, in welche« dieser die Er-
eignisse seiner Familie , seiner Freunde und seiner Mitbürger vom
Jahre 1494 bis 1502 eingetrageil und aufgezeichnet hat. Ich habe
bereits von der Wiederauttindune: dieser interessanten Handschrift in
der Einleitung zu der Familienchronik Bernhard Rohrbachs im 2.
Bande der neuen Folge dieses Archives S. 415 Nachricht gegeben
und vor zwei Jahren in den Versammlungen des Frankfurter Ver-
eines für Geschichte und Altcrthumskunde in drei Vorträgen den
reichhaltigen Inhalt derselben entfaltet (Vergl. Frankfurter Patricier-
leben zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, Frankfurter Conver-
sationsblatt 1863 Nr. 4—7. 10-20. 25-28). Was in jenen 9 Jahren
in Scherz und Ernst, in Lieb und Leid die Bürgerschaft bewegte,
tritt uns in diesen fortlaufenden handschriftlichen Aufzeichnungen iu
einer Reihe von Bildern entgegen, die mit naivem Sinne, in leichten
Umrissen absichtslos hingeworfen, uns den Blick in die stillen Kreise
des häuslichen und bürgerlichen Lebens und seiner Sitte eröffnen,
über die man damals nur selten etwas niederschrieb und auch das
Wenige nur als Anhalt für die eigene Erinnerung, nicht um die
Neugierde der künftigen Geschlechter zu befriedigen. Das Büchlein,
in welchem Job 1 73 Blätter mit eigener Hand beschrieben hat, wurde,
in Pergara entumschlag geheftet, in der Familie Rohrbach als ehr-
würdiges Erbstück bis zum Erlöschen des Mannstammes bewahrt;
mit Margaretha, der letzten dieses Geschlechtes, der Gattin Johann
Adolfs von Glauburg, ging es wohl 1579 in den Besitz dieser Familie
■
Digitized by Google
- 48 -
über und wurde von einem Gliede derselben um 1<$6 mit Zusätzen
und Randbemerkungen versehen. Durch welche Umstünde es in die
Hände meines Grossoheims, des Finanzrathes, nachmaligen Schöffen
und Bürgermeisters Georg Steitz, kam, ist mir unbekannt. Von ihm
vererbte es auf seinen Neffen, den Herrn Rath Georg Finger, der es
mir mit gewohnter Liberalität zur Benützung anvertraute und dem
ich dafür jetzt auch öffentlich den herzlichsten Dank aussprechen
darf. Der selige Böhmer, den meine Mittheilungen daraus in dem
Conversationsblatte noch auf seinem schweren Krankenlager im
höchsten Grade fesselten, hatte das Büchlein uie gesehen. Seine
Vermuthung, dass es wohl Fichard gekannt haben dürfte, ist nicht
begründet : dieser würde sonst manche Angaben in seiner Geschlechter-
geschichte (z. B. Uber den Tod Gilbert Holzhausens zum Spangen-
berg, den er irrthümlich erst 1496 setzt) berichtigt und ergänzt haben.
Der Einzige, der es gekannt, aber weder in seinem Werthc gewür-
digt, noch auch eingehend benutzt hat, war der selige Römer. Welche
reiche Quellen und Ströme würden sich erst für die vaterstädtische
Geschichte eröffnen, wenn die Familie Holzbausen ihr Archiv, in
das so viele Archive einzelner Geschlechterfamilien übergegangen
sind, nicht mehr in ängstlicher Zurückhaltung, für die kehl Grund
vorliegt, der Benutzung verschlösse, sondern die Möglichkeit gewährte,
die uuvergesslicheu Verdienste ihrer grossen Ahnen, wie sie es ver-
dienen, zum Gegenstand der Bewunderung für die Nachwelt zu
machen !
Die ältere Geschichte der Familie Rohrbach darf ich hier als
bekannt voraussetzen, da die Familienchronik Bernhards darüber
erschöpfende Nachrichten gibt Ich beschränke mich daher nur auf
die Erinnerung, dass dieselbe durch Konrad Rohrbach, gestorben
1400, nach Frankfurt kam, dass sie durch Handel mit Elsässer
Weinen und durch Heirathen frühzeitig ein bedeutendes Vermögen
und ein ausgedehntes Grundeigeuthum erwarb, dass schon Konrads
beide Enkel Johann (im Jahre 1444) und Heinrich der Alte in den
Rath erkoren, und dass auch die beiden Söhne des letzteren, Heinrich
der Junge und Bernhard, im Laufe des Jahrhunderts die Nachfolger
ihres Vaters auf dessen Rathsitze wurden.
Job oder Hiob Rohrbach, der dritte Sohn Bernhards, der von
seinem Vater die Neigung zur Aufzeichnung städtischer Begeben-
heiten geerbt zu haben scheint, wurde am 27. December 1409 ge-
boren und von dem Kanonicus zu St. Leonhard Wernherus Erbstadt
aus der Taufe gehoben. Die Firmelung empfing er 1477, als er im
achten Jahre stand. Da als sein Firmpathe „Antonius Armigeri, siu
Digitized by Google
49 -
Rector zu St. Bartholome™8 erwähnt wird, so dürfen wir daraus
schliessen, dass er die Stiftsschnle daselbst besucht und in ihr seine
erste wissenschaftliche Bildung empfangen habe. Als sein Vater
Bernhard am <>. December 1482, erst 36 Jahre alt, starb, waren von
dessen neun Kindern nur noch sechs am Leben. Die Wittwe Elgin
Rohrbach war eine Tochter des verstorbenen Schöffen Konrad Holz-
hausen und dessen Ehefrau Engin, einer geborenen Sassen *. Sie
wohnte in dem Wixhäuser (dem heutigen Augsburger) Hof, dessen
östliche und westliche Seite damals noch nicht mit Häusern verbaut
und wie heute zur Strasse eingeengt waren, während das Gebäude
selbst, mit Thurm und Erker stattlich geschmückt, die ganze nörd-
liche Breite des Hofes einnahm und mit seiner Facade nach Süden
schaute. Ausserdem besass sie noch immer das Haus Ehrenfels in
der Schnurgasse und einen grossen Hof auf der Eschenheimergasse
mit mehreren Zinshäusern, über dessen Eingang Bie im Jahre 1496
das Rohrbach 'sehe und Holzhausen'sche Wappen aufrichten Hess.
Auch ein Rohrbach'scher Garten, ohne Zweifel der jüngst verkaufte
grosse Bleichgarten auf der Breitengasse und dem Klapperfeld, wird
von Job häufig erwähnt *.
Von den drei Söhnen trat der jüngste, Konrad, schon am 8. April
1 493 nach eben zurückgelegtem zwölften Lebensjahre eine Reise nach
Augsburg und Venedig an, von der er erst im März 1498, also im
siebzehnten Lebensjahre, zurückkehrte. Die Dauer seiner Abwesen-
heit, seine zarte Jugend und der längere' Aufenthalt in diesen Städten,
welche die grossen Mittelpunkte des Handels zwischen Deutschland
und Italien bildeten, legt die Annahme nahe, dass sich Konrad dem
Kaufmannsstande widmete und dass der Zweck dieser Reise seine
merkantilische Ausbildung war8. Wenige Tage vor Konrads Abreise
war auch der älteste Sohn Bernhard, damals 26 Jahre alt, am 26.
März 1493 nach Italien gezogen *, weilte längere Zeit in Rom und
erreichte erst zwei Jahre später mit Ludwig Holzhausen die Heimath.
Als beide auf dem Rückwege am 20. Mai 1495 eben auf einem Roll-
wagen Worms verlassen wollten, begegnete ihnen, wie es scheint,
von Ungefähr dort Job Rohrbach mit mehreren Frankfurtern, Karl
' Bernhard Rohrbach's Familienchronik §. 94-105 (bes. §. 96); §. 124. Job
Rohrbsch Chronik §. 1.
i Job'» Chronik §. 89 flg. §. 78, 81, 9, 14 etc.
3 Ibid. § 3 u. 87. Dafür spricht auch sein späterer Aufenthalt in Antwer-
pen §. 10.
4.
4
— 50 —
Hynsberg, Ulrich Neuhausen, Bechtold Heller, Johann zum Jungen,
Wolf Blum, dem Sc hulth eisen Ludwig zum Paradies , dem Doctor
Adam Heymbach und Anderen. Sofort kehrten sie mit ihnen in die
Stadt zurück und feierten mehrere Tage lang ein fröhliches Wieder-
sehen. Begleitet von vier Dienern fuhren sie in einem Kollwagen
am 24. Mai, ihrer fünfzehn, nach Oppenheim, von da am 25. zu
Schiffe nach Mainz und mit dem Mainzer Marktschiff, welches bereits
das gewöhnliche Beförderungsmittel für Reisende aller Stände war,
nach Frankfurt5. Schon im Jahre 1496 sehen wir Bernhard das
Ross besteigen zu einer neuen italienischen Reise, die ihn sechs Mo-
nate lang dem Familienkreise fern hält und wiederum bis nach Rom,
von Job schlechthin urbs genannt, führt *. Ueberhaupt ist der Zug
nach Italien eine charakteristische Erscheinung in dem Leben der
reichen Frankfurter jener Zeit Auch von Haman Holzhausen lesen
wir, dass er in seiner Jugend sich dort aufgehalten und für sich und
seinen Reisegenossen Jakob Kühorn einen Ablassbrief erwirkt habe,
der im Jahre 1491 auf die Glieder von Beider Familien ausgedehnt
wurde. Im September 1494 treten abermals drei junge Frankfurter,
Loy Jostenhofer, ein Sohn des Johannes von Rhein und Magister
Wolfgang Heller die Reise nach Italien, und da sie Briefe für Bern-
hard Rohrbach mitnahmen, so scheint es, nach Rom anT. Was sie
dorthin zog, war gewiss nicht blos die Herrlichkeit des Landes , die
noch heute jedem, der es zu sehen das Glück hatte , in frischer Er-
innerung bleibt, sondern zugleich die Sprache , die durch eine allge-
mein bewunderte Literatur vertreten, als ein noth wendiger Besitz Aller
galt, die auf höhere Bildung Anspruch machten. Auch Job, obgleich
wir nicht erfahren, dass er das Land selbst bereiste, hat nichts desto-
weniger diese Sprache erlernt : unter den wenigen Büchern , die er
auf Anlass seiner Anschaffungen und der ihm gewordenen Geschenke
erwähnt, führt er namentlich die sämmtlichen Werke des Francesco
Petrarcha, eine Liebesgabe des befreundeten Dr. Florentius von
Veningen, auf. Uebrigens waren jene Reisen damals noch mit weit
grösseren Gefahren verbunden, als in unseren Tagen und es fehlt
nicht an Beispielen , dass Manche jener Jünglinge die Befriedigung
ihrer Sehnsucht nach der Heimath der Kunst und der wiederaufleben-
den classischen Bildung mit dem Leben büssen mussten: Job selbst
> §. 6. cf. §. 52.
« §. 8.
' §. 5.
Digitized by Google
- 51 -
erzählt uns, dass Wolfgang Heller mit seinem Gefährten Otto Kron-
berger auf der Heimreise im Gebiete von Siena elendiglich ermordet
worden sei. Am 25. August 1495 Hessen der gebeugte Vater Bechthold
Heller und die Brüder des Gemordeten, Jakob, Bechthold der Jün-
gere und Caspar, ihm in der Bartholouiüuskirche die Exequien ver-
anstalten 8.
Die beiden älteren Schweätprn Anna und Afra wurden durch
den Willen der Mutter dem Klosterleben bestimmt Im Jahre 1488,
wo jene vierzehn, diese zwölf Jahre alt war, schloss Elgin mit
Anna Kückerin , Priorin zu den Weissfrauen , einen Vertrag, kraft
dessen ihren beiden Töchtern zwei Pfründen zugesichert und dem
Kloster eine Summe von 250 fl. für jede ausgesetzt wurde, wogegen
es auf ihre Erbschaft Verzicht leistete. 1490 wurde diese Summe für
Anna, 1492 für Afra ausgezahlt nebst 10 fl. für die Kleider jeder.
Sie traten also um diese Zeit ihr Noviziat an9. Schon im Jahre 1488
werden beide in einer dem Convente ausgestellten Ablassbulle ge-
nannt10; den Schleier nahmen sie indessen erst am 6. August 1494
mit vierzehn anderen Jungfrauen H. Anna, damals zwanzig Jahre alt,
überlebte nur um wenige Wochen ihre Einkleidung, sie verschied
am 23. August in dem Kloster ii. Ihre Schwester Afra vertrauerte in
den öden Mauern ihre Jugendzeit unter frommen Uebungen und
kleinlichen weiblichen Handarbeiten; ihrem Bruder Job verfertigte
sie aus Seide einen Zweig mit drei weissgefüllten Knospen, drei
Eicheln, zwei rothgefüllten Blumen und vielen anderen kleinen Blüm-
chen : das wehmüthige Bild eines vertrockneten und verkümmerten
Lebens 13.
Nur die jüngste Tochter Martha war bestimmt, als Gattin und
Mutter das Loos des Weibes in den Freuden und Leiden des Haus-
standes zu tragen. Sie vermählte sich 1495, siebzehn Jahre alt, mit
Karl Hynsberg und die Schilderang der Förmlichkeiten, womit dies
geschah, bildet einen der interessantesten Absehuitte unserer Hand-
schrift1*
Am 11. Mai 149o kamen in dem Klappergarten von Katharina
Holzhausen im Beisein Jobs, Gilbert Holzhausen's und Jakob Neu-
* §. 268.
9 Fichard Geschlechtergeschichte.
«• Lerener I, II, 79.
» §. 72.
»» §. 73.
« §. 7*.
» §. 78-81.
4»
Digitized by Google
- 52 -
hausen's Elgin Rohrbach die Mutter and Karl Hynsberg tiberein, dass
der letztere Martha zur Ehe nehmen solle. Am 16. Mai wurden die
beiden gleichlautenden Exemplare der ehelichen Briefe versiegelt,
von Seiten des Bräutigams durch Doctor Ludwig zum Paradies, Schul-
theiss, mit seinem Amtssiegel, Ort zum Jungen und Konrad Neuhaus ;
von Marthas wegen durch Georg Frosch, Harn an Holzhausen und
Job Rohrbach, der zu dieser Handlung bemerkt: „Und ist das erste
Mal, dass ich gesiegelt habe, denn meiner Schwester zu lieb, Hess
ich das Siegel graben." „Am 18. Mai lud man — erzählt er weiter —
von beiden Seiten Frunde, zu vollenbringen und zu beschliessen die
Ehe zwischen Karlen Hynsberg und Martha Rohrbächerin, myner
Schwester, und hat Karl syne Frunde durch synen Knecht lassen
laden und myne Mutter ihre Frunde von Marthen wegen lassen
laden durch Meister Niclasen Schorrebrant, den man nennt den Arm-
brüster — die Jungfrauen, die nit zu gehören, die lädt man durch
ein Meyd des Morgens. Und sind die Frunde geladen worden von
beyden Seiten des Morgens, also dass man die hat gebeten zu kom-
men zwischen zwölf und ein Uhr zu den BarfÜssern , die Frauen
und Jungfrauen in das Hus myner Mutter. Also ist es auch vollen-
gangen. Und so die Mannen von beiden Seiten zun BarfÜssern ka-
men, schickten sie ein Knecht zu den Frauen ins Haus, Hessen t fra-
gen: „War es den Frauen gelegen, wollten sie kommen." Entboten
ihnen die Frauen: „Es war' ihnen gelegen." Da thet Georg Frosch
ein Abred, also lutend in der Meinung: „Als beredt und betheidingt
wär' zwischen Karlen Hynsburg und Jungfrauwen Marthen ein Ehe,
mit beider Seiten Frunde Rath, Wissen und Willen, die also zu be-
schliessen bat' er sie darby zu sin." Dess sie all' gutwillig waren und
gingen von den BarfÜssern in myner Mutter Hus zu der Brut und
den Frauen und Jungfrauen. Da im Hus thet Georg aber wie vor
ein Abred, nach der nahm Herr Johann Brun (von Brunfels) Jung-
frau Marthen und Karlen und gab sie zusammen zu der heiligen
Ehe ein vierteler Stund nach einer Uhr Nachmittag." Man nannte
diese ganze Handlung den Handschlag oder den Weinkauf. Die
Zahl der Gebotenen von Seiten des Bräutigams, welche den Fami-
lien Heringen, Hynsberg , Marpurg zum Paradies, zum Jungen und
Neuhaus angehörten, betrug 11, die von Seiten der Braut, die Rohr-
bache, Holzhausen, Frosche, Blume, Glauburger und Holzheimer
waren 28; 6 waren als nicht in der Stadt anwesend oder krank
nicht erschienen; die Sassen waren wegen Trauer ausgeblieben, was,
wie Job versichert, nicht als vollgiltiger Entschuldigungsgrund ange-
sehen wurde. Jungfrauen waren vier gebeten. Nach vollzogenem
Digitized by Google
53 -
Handschlag begab sich der Bräutigam auf die Stube des Hauses
Löwenstein und lud die jungen, d. h. unverheiratheten Gesellen,
welche man dort vorfand, zum Nachtmahle: es waren ihrer acht, ein
neunter war von der Mutter der Braut geladen ; ein zehnter, Jo-
hann Brunn, war zugezogen worden, weil er als Priester die Verlo-
bung vollzog. Diese Ordnung stand so unverbrüchlich fest, dass, als
Bernhard Weiss am 18. August, dem Tage des Handschlags, die
jungen Gesellen durch einen Diener von Haus zu Haus zum Nacht-
mahl laden Hess, Job dies als eine Abweichung von der hergebrach-
ten Sitte ausdrücklich tadelt. Der Bräutigam scheint dies selbst ge-
fohlt zu haben, denn am folgenden Tage brachte er nochmals per-
sönlich die Einladung an die jungen Gesellen auf die Stube und
sandte dieselbe auch den Jungfrauen zu und es wurde zum zweiten
Male geschmausst und auf dem Römer getanzt18.
Erst sechs Wochen später fand die kirchliche Bestätigung der
Ehe statt: Karl von Hynsberg wurde am 1. Juli von seinen beiden
Schwägern Bernhard, der unterdessen von seiner ersten Romfahrt
zurückgekehrt war, und Job zur Kirche geleitet, Martha von ihrer
Mutter, von ihrer Schwiegermutter, Gutgen Heringen, und von den
Jungfrauen Anna und Agnes Blum. Nach Job's Darstellung scheint
es, als ob dieses der ganze Hochzeitzug und somit die kirchliche
Trauung derjenige Act gewesen sei , der von Seiten der Verwandten
und Freunde die spärlichste Betheiligung fand. Am 6. Juli folgte
die eigentliche Hochzeit, welche in dem dem ChurfUrsten von Trier
zugehörigen Hof, damals noch der „Monzhof" oder Münzhof genannt,
gefeiert wurde. Die Geladenen aasen und tanzten dort, am Abend
aber geleitete man das junge Paar in die Wohnung der Schwieger-
mutter, den Wixhäuser Hof, wo die Braut in der gemalten Stube,
die sich über dem gewölbten Saale befand, dem Bräutigam beigelegt
wurde. Man bezeichnete dieses Beilager treffend mit den Ausdrücken
apponere sponsam sponso oder consummatio roatrimonii in thoro. Es
war dabei üblich, dass einer der Brautführer ihr den linken Schuh
auszog und ihn dem andern gab. Job, der durch einen Fieberanfall
verhindert gewesen war, dem Hochzeitsschmauss und Tanz beizu-
wohnen, wollte sich wenigstens diese Dienstleistung nicht nehmen
lassen, er hatte sich unter dem Ehebette versteckt, und als seine
Schwester sich diesem näherte, zog er ihr rasch den rechten Schuh
aus, aber Jakob Neuhausen, mit der Sitte genauer bekannt, entklei-
» §. 330.
Digitized by Google
- 54 -
dete sie des linken und überreichte ihn Gilbert Holzhansen : er hatte,
wie Job zufügt, das Richtigere getroffen (et ille rectius me egit).
Dreizehn Tage später, am 19. Juli, wurde Martha Rohrbächerin in
den Hof ihres Eheherrn, den Fodenhof, feierlich geleitet und ibm
übergeben. Man sah es ungern, wenn der Pomp, womit man diese
Hochzeiten ausstattete, irgendwie eingeschränkt wurde. Als im Jahre
1490 Johann Knoblauch nur den engsten Kreis seiner Hausfreunde
zu dieser Vorfeier seines Beilagers zuzog, sah Job darin einen lie-
weis seines übermässigen Geizes *6, und als am 29. October 1498
Dr. Johann Glauburg in seine dritte Ehe mit Margaretha Horngin
trat und den üblichen Hochzeitsschmauss unterlassen wollte, brach-
ten Friedrich von der Filsch, Clas von Rückingen, Ludwig Holt-
hausen und Job Rohrbach ohne sein Wissen einen Pfeifer in sein
Haus und eröffneten dort den Tanz17.
Diese ganze Darstellung zeigt deutlich, dass man zu Ende des
fünfzehnten Jahrhunderts den Abschluss einer Ehe vornehmlich aus
dem Gesichtspunkt eines bürgerlichen Vertrags betrachtete und dabei
die kirchliche Trauung nur als die Bestätigung des bereits vollgilti-
gen Vertrags vor der Kirche ansah. Noch deutlicher ■ trat dies in der
älteren Sitte hervor. Dass der kirchlichen Einsegnung der Ehe
der Handschlag oder der Weinkauf18 vorausging, bei welchem
die Freunde , d. h. die Verwandten des Bräutigams und der
Braut ihre Zustimmung zu der Verchlichung gaben und das
Paar durch einen Anwesenden zusammengegeben wurde , also
die Verlobung im Familienkreise, haben wir bereits bei
der Ehe Karl Hynsberg's mit Martha Rohrbach gesehen. Die-
ses Zusammengeben geschah früher einfach durch ein Familien-
glied. Bernhard Rohrbach der Vater und Elgin Holzhausen wurden
durch den Bruder des Vaters der Braut, durch den Schöffen Jo-
hann von Holz hausen, zusammengegeben (Bernhards Familien-
chronik §. 1(3). Eine wesentliche Veränderung bei dem Handschlag
finden wir zur Zeit Jobs. So oft er fast desselben umständlicher er-
wähnt, werden die Brautleute im Hause der Mutter der Braut durch
einen Kleriker zusammengegeben. Von Johannes Brun, der die-
sen Act bei Jobs Schwester und Karl Hynsberg vollzioht, wird uns
deutlich bemerkt, er sei (obgleich er nicht zu den Verwandten ge-
hörte) eingeladen gewesen, weil er als Priester die Verlobung voll-
i« §. 291.
" §. 257.
» §. 23 u. 106.
Digitized by Google
- 55 -
zogen habe (invitatus, quia despondit iste sacerdos). Gilbrccbt Holz-
bausen und Katbarina Sassen wurden am 16. December 1499 von
Georg Schwarzenberg, Cantor und Canonicus zu St. Barth oloniäi, zu-
sammen gegeben i9. Am 14. October 1498 gibt Job Rohrbach die
Schwester seiner Köchin Agnes, Klgin von Sprendlingen, und Giesaen
Henn im Wixhauser Hof zusammen und bemerkt: „Und ist das die
erste Ehe, die ich gemacht und zusamen geben hab; Gott geb, dass
wohl gerathe! Amen!" Er war kurz vorher Kanonikus geworden 2o.
So wurde allmählig die Verlobung aus einem bürgerlichen Familien-
act zu einem geistlichen Hausact. Dieser Uebergang fällt zwischen
die Jahre 1470 biß 1490. Die eigentliche kirchliche Trauung bestand
in der Erklärung des ehelichen Consenses vor Pfarrer und Zeugen,
die man „priesterliche Benediction" nannte. So heisst es von
Clas Stalburg und Margaretha vom Rhyn, sie hätten am 21. October
149^ in der Kirche ihre Ehe solemnisirt und von dem Stadtpfarrer
Doctor Conrad Ilensel die Benediction empfangen81. Von Gilbrecht
Holzhausen und Krinchen Sassen wird gesagt, sie seien in der Kirche
am 10. Februar 1500 „int h ronis irt" worden M. Auch Job gab im
Jahre 1501 23 seinen Bruder Bernhard und dessen Braut nicht blos
als Verwandter, sondern als Kleriker zusammen.
Eigentliche Hochzeitsgeschenke finden wir hier und da erwähnt.
Als nämlich Dr. Bernhard K Ilhorn sich am 9. November 1500 in
Mainz mit der nachgelassenen Tochter des kurfürstlichen Kanzlers
Georg Hell, genannt Pfeffer, vermählte und, wie es scheint, eine
prächtige Hochzeit veranstaltete , fuhren unter Anderen auch die
Brüder Bernhard und Job mit dem Schiffe des Rathes nach Mainz
hinab, dort lebten sie bis zum 13. November vier Tage herrlich und
in Freuden (Laute, imo lautissime viximus et triumphavimus), dann
schenkte jeder einen Ducaten, den er für einen Gulden nnd neun
Schillinge erstanden hatte. Ebenso schenkte Job dem Gilbrecht
Holzhausen und seiner jungen Ehefrau bei der Hochzeit, am
10. Februar 1500, weil er, wie er Bagt, beiden blutsverwandt war, drei
Gulden ; vorher hatte er, wie er selbst sagt , noch kein Hochzeits-
19 §, 284.
20 §. 107. Nur einmal finden wir §. 261, dass Verlobte nicht durch einen
Kleriker, sondern einen Laien, nämlich Clas Rückingen zusammen gegeben
werden. Denn dass nnter diesem der Vater, nicht der Sobn verstanden werden
muss, geht daraas hervor, dass der Letztere erst viel spater Kleriker wurde.
11 §. 322.
» §. 284. Vergl. über diesen Ausdruck meinen Artikel Inthronisation in
den Supplementen von Herzogs theologischer Realencyclopädie.
" §. 10.
Digitized by Google
- 56 —
geschenk gemacht'4. Indessen ist diese Bemerkung nur von wirk-
lichen Geldgeschenken, nicht von symbolischen Gaben zu verstehen:
so erzählt Job selbst, seine Mutter und sein Bruder Bernhard hät-
ten am 25. Januar 1496 dem städtischen Syndikus Eberhard Rosen-
acker und seiner Neuvermählten, jene einen Goldgulden, dieser ausser
einem Goldgulden auch eine Münze, die man „einen engelisch'4 ge-
nannt, er, Job, dagegen drei Würfel und zwei Nadeln, eine mit
einem grauen , die andere mit einem blauen Faden, geschenkt 2K
Neben den Pathengeschenken , wie Bie nach Bernhards Fami-
lienchronik der Pathe dem Täufling machte, wird zum ersten Male
von Job eine Verehrung desselben an die Wöchnerin erwähnt ; »o
schenkt Goffert von Kleben der Ehefrau des Haman Holzhausen
bei der Taufe ihres Söhnleins Georg fünf Goldgulden **. Die Taufen
wurden damals entweder an dem Tage der Geburt oder an dem
darauf folgenden vollzogen. Ebenso fanden die Beerdigungen meist
schon am Tage nach dem Tode statt
Eigentliche Haussteuern scheinen nur in dem Falle üblich ge-
wesen zu sein, wenn die Eheleute einen eigenen Hausstand gründe-
ten. Dieser Fall trat bei Haman Holzhausen ein. „Am 4. Septem-
ber 1495", berichtet Job, „hat Haman Holzhausen mit samt Margarethen
Froscbin37, seiner Hausfrau (er hatte sich mit dieser schon 1491
vermählt), zum ersten, als einer, der eigen Haus halten will, im
Monzhof, den man auch den Trier'schen Hof nennet, gessen, und
darnach uf den 5. Tag des Septembers haben sie zum ersten drin
geschlafen, also sind sie ganz zu Hus gezogen. Item darnach uff
den 13. Tag des Septembers habent myn Mutter und Krinchen Holz-
huserin zu Spangenberg gekocht und die Kost in Monzhof
getragen und haben den neuen Husluten geschenkt den Mittags-
imbiss, und hat myn Mutter geschenkt ein schön kupfern Kes-
" §. 293. 284.
" §. 308. Die drei Würfel erscheinen auch unter den Gaben, welche der
Pathe dem Täuflinge zu schenken pflegte, in Bernhards Familienchronik §. 95.
" §. 279. Ich habe vennuthet, dass die Abbreviatur bei don Pathenge-
schenken, die in Bernhards Familienchronik aufgeführt werden, III ald th. zu
lesen sei und Turnosen bezeichne (zu §. 95). Es ist aber, wie ich aus Jobs
Handschrift ersehe, wahrscheinlich HI. ald h. zu lesen und demgemäss drei alte
Heller zu verstehen. Diese Gabe neben grösseren Münzen kann wie die drei
Würfel nur symbolisch gemeint Bein.
21 Es ist dies ein Gcdächtnissfehler. Nicht Margarethe, die Gattin Ha-
uian's, — sie war eine Tochter des churmaiozischeu Kanzlers Georg Hell,
gen. Pfeffer, vergl. §. 279 — Bondern Katbarina Wolzhausen zum Spangenberg,
war eine geborne Froschin.
Digitized by Google
- 57
sei, da man Gläser in waschet, kostet ein Gulden vier Schilling, und
ich ein Schindellad, darin standen klein hölzerin Büchslin sieben,
das« sie Species (Spezereicn) darin thun sollen, die in die Küchen
gehören; Krinchcn zu Spangenberg schenkt ein Schleier; Ludwig
Holzhausen, ihr Sohn, schenkt ein Instrument von Messing, da man
die Pfann uffsetzet, kostet 15 Albus; Klgin, ihre Tochter, ein gross
hölzerin Hofschüssel, da man Teller über Tisch einwirft, wenn man
ein Essen uff will heben. Und des Mittags, was wir aasen, schenkt
myn Mutter und Krinchen zu Spangenberg, und aasen da myn
Mutter, myn Bruder Bernhard und ich, Katharin zu Spangenberg,
Ludwig, ihr Sohn, Elgin, ihre Tochter, Herr Johann Brun; des
Nachts lud uns allesamt herwieder Haman uff sine Kosten. So pfle-
get es denen zu geschehen, die ihr eigen Hus halten wollen, und
wann der Mann und die Frau beide, oder eins von ihnen zuvor
nicht geehelicht gewesen ist"*8.
Gastmähler waren damals überhaupt ungemein beliebt und eins
gab nicht selten den Anlass zu einem andern oder gar zu mehreren,
die sich ihm anreihten. Als am 1. Juli 1496 die Herren des Käthes
nach altem Brauch das berühmte Hirschessen abhielten (in welcher
Weise dies geschah , ersieht man aus Jobs classischem Ausdruck :
Bacchanalia cervi peragunt), veranstaltete Clara, Johann Glauburgs
Ehetrau, in dem Hause des Ambrosius Glauburg (weil in dem Gar-
ten ihres Gatten daB Hirschgelag stattfand), ein, wie es scheint, nicht
minder opulentes Mahl, zu welchem auch Job mit seiner Mutter,
seiner Schwester und seinem Schwager geladen war: zwei Tage
wurde in Freuden geschmaust und getrunken und erst am dritten
Tage, dem der Maria Magdalena, wurde zu Oberrad , dessen Patro-
nin sie war, die Gasterei zu Ehren derselben in gleicher Weise ge-
schlossen n. In Frankfurt wurde der 5. Januar, die Vigilie des
Dreikönigs- oder Epiphanienfestes, durch ein Gastmahl verwandter
und engverbundener Familien begangen, bei welchem man durch das
Loos den König für das folgende Mahl bestimmte, das wenige Wo-
chen später veranstaltet werden musste. So erzählt Job : „Am 5. Ja-
nuar 1496 wurde ich am Epiphanienabend in meiner Abwesenheit
im Goldstein durch das Loos zum König gewählt, des Königs Gast-
mahl wurde am 3. Februar begangen" 30. Leider hat er uns nichts
* §. 220.
29 §. 211. Das Datum muss auf Irrthum beruhen; da der Marien Magda
lenentag nämlich auf den 22. Juli fällt, so kann das Hirschessen erst am 20.
Juli stattgefunden haben.
*> §. 225.
Digitized by Google
- 58 -
Näheres über die übliche Form einer Feier berichtet, deren meines
Wissens kein anderer Frankfurter Berichterstatter gedenkt. Es wird
daher Manchem willkommen sein, einige Winke über ihre Begehung
in andern Ländern zu empfangen. Der Dreikönigs tag, mit welchem
die Zwölfte, d. h. die zwölf heiligen Nächte oder Julnächte schlös-
sen und der darum in England the twelfth day oder the twelfth
night heisst, in Deutschland aber der Berchtcntag genannt wurde,
weil an ihm die segnende Göttin Peratha oder Frau Berchta (Frau
Holla) ihren Umzug beendigte, wurde bei allen germanischen Völ-
kern heilig gehalten. Am Vorabende desselben waren in England
Vermummungen üblich, die mancherlei Verwechslungen und Irrun-
gen im Gefolge führten : diese Sitte klingt noch an in dem Titel von
Shakespeare's allerliebstem Lustspiel : twelfnight (der heilige Drei-
königsabend) oder „was ihr wollt". Am Tage selbst wird in Eng-
land noch heute der Königskuchen gespeist, der von bedeutendem
Umfang die Grundlage für ein aus Kandiszucker aufgebautes und
von Conditorfiguren umstelltes gothisches Gebäude abgibt; der für
die königliche Familie bereitete hatte vor einigen Jahren ein Ge-
wicht von einem vollen Centner. Am Abende findet in den Familien
grosse Gesellschaft statt, und es werden durch das Loos der König
und die Königin, sowie die sämmtlichen Aemter des Hofstaates be-
stellt. Zur Zeit der Königin Elisabeth geschah die Königswahl durch
eine in den Kuchen gebacken e schwarze und weisse Bohne; jetzt
in der Regel durch Zettel, und da nach altem Brauche dem Königs-
paare die Pflicht obliegt, die Kosten des Gastmahls zu bestreiten,
so sucht man es so einzurichten, dass diese Loose in die Hände des
Hausherrn und der Hausfrau gespielt werden. In Flandern trägt der
König eine Krone, und so oft er den Becher an den Mund setzt,
ruft jeder Anwesende: der König trinkt! wer es versäumt, wird von
dem Hofnarren mit einem schwarzen Striche im Gesichte gekenn-
zeichnet. An dem Rhein war die Königswahl und das Königsgelag
gleichfalls Sitte; die Wahl geschah durch Zettel, in der Eifel gleich-
falls durch die schwarze und weisse Bohne. Zum Theil haben sich
Ueberreste dieses Brauches noch heute sporadisch erhalten 31 . In
Frankfurt haben ohne Zweifel auch Frauen Theil genommen, da die
Wahl Jobs in dem Goldsteine, der Behausung der verwittweten
Katharina Holzhausen , stattfand; dagegen erscheint es als locale
31 Vergl. Reinsberg- Düringsfeld, das festliche Jahr. Leipzig 1868, zum
Januar.
Digitized by Google
- 59 -
Eigentümlichkeit , dass am Epiphanienabend nur die Königswahl
vollzogen, dagegen des Königs Gastmahl erst mehrere Wochen spä-
ter abgehalten wurde: ftlr das letztere gibt, wie wir vernehmen, Job
den 3. Februar, also den Tag nach Maria Lichtmess, an; beruht
dieses Datum nicht auf einer Zufälligkeit, so würde es auch für un-
sere Gegend als letzte Spur des in manchen Städten Englands frü-
her bestandenen Gebrauches gelten können, die Nachfeier des Christ-
festes bis zur Lichtmess auszudehnen.
Eine andere Sitte bestand darin, dass ein Mann einer Fran
oder eine Frau einem Manne beim Mahle einen Kranz aufsetzte
and dem, welchem dies geschah, die Nöthigung auferlegte, selbst ein
Gastmahl zu halten. War dies ein Unverheirateter oder wenigstens
ein solcher, der keinen eignen Haushalt hatte, so waren ihm darin
Andere behülflich So erzählt Job in einem lateinisch abgefaßten
Berichte aus dem Jahre 1500, wo er bereits Kanonikus zu St. Bar-
tholomäi und Episteler, d. h. Subdiakonus war: ^Aiu 3. Juni hatte
ich Gäste zum Abendmahl; das kam so: am 28. Mai lud Ambrosius
Dietrich, Protonotar des Reichskammergerichts, zum Abendmahl im
Hause Jacobs Neuhaus mehrere Frauen mit ihren Ehemännern und
einigen Andern. Nach gehaltener Mahlzeit setzten scherzend die
Frauen dem Ulrich Neuhaus den Kranz auf, dass er am folgenden
Abend ein Mahl gebe, worauf Ulrich auf die Bitte der Frauen und
weil meine Mutter ihm ihr Haus, ihre Köchin, Holz und das Uebrige
anbot, Alle auf den folgenden Tag einlud ; auch wurde beschlossen,
dass jede Hausfamilie, mochten ihrer Einer oder Mehrere in einem
Hause sein, zwei Maass Weines stellen sollte, und so kamen wir auf
den folgenden Tag in unserem Hause zusammen Ulrich setzte den
Kranz der Ursula Schwarzenbergerb, diese setzte ihn mir, Job, aul
und so lud ich die ganze Gesellschaft zum Abendmahl auf den
3. Juni; ich hatte aber bei diesem Mahle folgende Personen: meine
Mutter Elgin, meinen Bruder Bernhard, Georg Neubaus, Ulrich Neu-
baus, Gilbert Holzhausen, seine Hausfrau Katharina, Katharina, die
Wittwe Gilberts Holzhausen zu Spangenberg, ihren Sohn Ludwig, Ur-
sula Schwarzenbergerin, Ottilia zu Schwanau, Friedrich Faut und seine
Hausfrau Margaretha, Nicolaus Schorrebrant, den man nennt Arm-
brüster, Karl Honsberg, meinen Schwager, mit seiner Ehefrau Martha,
meiner Schwester. Haman Holzhauscn mit seiner Ehefrau Marga-
retha kam nicht, weil er krank war32." Am Schlüsse setzte Job den
Kranz der Katharina zum Spangenberg auf. Es war dies die erste
" §. 221.
Digitized by Google
60 -
Gasterei, die er veranstaltete, und sie bildete ein so wichtiges Ereig-
nis8 in seinem Leben, dass er daran die Reflexion knüpft: auf einen
Mittwoch sei er geboren , an einem Mittwoch sei er in den Besitz
seiner Präbende gekommen, an einem Mittwoch habe er zum ersten.
Male Gäste bewirthet.
Job hat uns aber auch ausführlich belehrt, wie es bei diesem
für ihn so wichtigen Mahle mit den {Speisen bestellt gewesen sei.
Er fügt nämlich hinzu: »Wir gaben diese Gerichte oder Trachten :
zum ersten Erbsen mit Zucker; darnach in jeglich Schüssel vier
junge Hühner und ein Stück Hammelfleisch gedämpft mit Cybeben,
grossen und kleinen Rosinen, Muscaten und Muscatbluuien, darnach
gesottene Scheffen oder Schoten, darnach Gebratenes, je in eine
Schüssel vier junge Hühner, einen Hammelsbug, eine halbe Gans
und frisches Solz, darauf Käse und Kirschen zur Gollaz, am Abend
Käse, Confect, Rettig und zwei Malken, das eine in den Schüsseln,
das andere uss dem Hafen zu trinken* 33.
Diese Berichte haben uns zugleich einen Blick in den Freundes-
kreis der Rohrbach'schen Familie eröffnet und es sei mir gestattet,
einige dieser Verwandten näher hervorzuheben. Die eine ist
Katharine Holzhausen, geborne Sch warzenbergerin , die Wittwe des
Schöffen Johann Holzhausen, die Mutter Hainaus und Gilbrechts,
deren letzterer von Schurg31 als Feind des Klerus bezeichnet wird,
33 Die verschiedenen Gänge des Mahles Warden also nicht sowohl durch
die Gattungen der Speisen , als durch die Art ihrer Zubereitung abgegrenzt,
daher denn dieselben Fleischarten im zweiten und vierten Gange, nur anders
bereitet, wiederkehren. Ebenso unterscheidet mau noch heute im italienischen
Pranzo vier Hauptgerichte: Bollito, fritto, umido und arrosto. Scheffen ist
nach Scbmellers Bayrischem Wörterbuch schwäbischer Name für Schoten. Wer
sich über die Küche deB Mittelalters belehren will, findet reiches Material dazu
in dem von dem literarischen Vereine zu Stuttgart in dem neunten Bande
seiner Bibliothek publicirten: „Buche von guter Speise". Solsz scheint iden-
tisch mit „Salse"; im 34. Recept wird die Bereitung so angegeben: „Nimm
saure Weinbeeren und thue Salbey, zwei Knoblauchshäuptcr und Speck dazu;
stoss es zusammen, drücke es und gieb es für einen guten Salse." Nach Re-
cept 49 sollen die Ingredienzien aus Wein, Honigseim, Ingwer, Pfeffer, Knob-
lauch und Riem bestehen. Die Textesworte: „fyrssess solsa" bei Job Rohrbach
getraue ich mich nicht mit voller Sicherheit zu erklären : wahrscheinlich ist
fyrss provincicller Ausdruck für frisch. Aus Salse sind die Wörter Sauce, Salat
und Sulz (das letztere in Schwaben eine .Fleischgelee) entstanden. „Malk"
scheint mit melken, Milch, zusammenzuhängen und eine ArtCrßme zu bezeich-
nen , daher es ebenso gut aus Schüsseln gegessen . als aus Schalen getrunken
werden konnte. Sämmtliche Speisen wurden stark gewürzt.
3* Anno 1514 die 7 mensis Junii, quae fuit quarta Pentecostes obiit Gilbrecht
Holtsbausen znm Goltstein, osorCleri. Msc. Schurg auf der Stadtbibliothek>
p. 198.
Digitized by Google
- 61 -
während ersterer der thätigste Beförderer des Reformationswerkes
in Frankfurt wurde. Katharina'» Wohnung war der Goldstein am
Eingang der heutigen Buchgasse; in ihm muss eine Kapelle ge-
wesen sein, wenigstens wird in einem Berichte Jobs ein eigner Holz-
hausen'scher Kaplan zum Goldstein erwähnt36. Dieses Haus ging,
wie ich an anderem Orte36 nachgewiesen habe, von Katharina auf
ihren jüngeren Sohn Gilbert und nach dessen Tode 1514 auf seinen
in demselben Jahre geborenen gleichnamigen Sohn zweiter Ehe über,
während dessen Minderjährigkeit es die Wohnung Nesen's und Mi-
cylTs und der erste Sitz der lateinischen Schule gewesen ist Die
andere Katharina oder Krinchen Holzhausen war eine geborne
Frosch, hatte sich am 15. August 1469 mit einem andern Gilbert
Holzhausen verlobt, aber erst 1471 vermählt37; im Jahre 1479 er-
öffnete sie mit ihrem Ehemann ihren eignen Haushalt in dem Hause
zum Spangenberg zunächst der Liebfrauenkirche auf dem Berge;
1494 starb am 25. April ihr Gatte36; sie ist es, die, nach der Auf-
zeichnung des jüngeren Matthias Ritter, Luther im Jahre 1521, als
er auf den Tag nach Worms zog, in seiner Herberge zum Strauss
begrüsste, bewirthete und mit weissagenden Worten ermuthigte3'.
Sie hat noch am 4. August 1523 nach Ausweis ihres Testamentes
gelebt. Ihr älterer Sohn war Ludwig, der jüngere Blasius Holzhau-
sen, von dem Job berichtet, dass er und der junge Gilbert zum
Goldstein ihn am 8. November 1494 nach Mainz zu dem Kanzler
Georg Heller, genannt Pfeffer, geleitet haben, damit er dort seine
Studien betreibe40. Diese Abwesenheit von der Vaterstadt ist der
Grund, warum er in den fröhlichen geselligen Kreisen des Rohrbach-
schen Hauses nicht genannt wird. Im Jahre 1521 war er mit Phi-
lipp Fürstenberg Abgeordneter der Stadt auf dem Wormser Reichs-
tage. Man ersieht zugleich aus diesen Berichten, dass der alte Be-
griff der Freundschaft im Sinne von Verwandtschaft, wie er
noch heute im Munde des Frankfurter Bürgers lebt, damals seine
volle Wahrheit in den socialen Lebensverhältnissen hatte: die Ver-
hältnisse der Freundschaft ruhten meist auf dem Grunde der Ver-
wandtschaft.
» §. 277.
34 Steitz, Luthers- und Melanchtbonaherbergen S. 90 flg.
31 §. 274. Dass Fichard unsere Handschrift nicht gekannt habe, erglebt
sich daraus, dass er in der Geschlechtergeschichte zweifelt, ob diese Vermählung
1469 oder 1471 anzusetzen sei.
3» §. 277.
3> Luthers- und Melanchthonsherbergen S. 16 flg.
§. 16.
Digitized by Google
- 62 -
Sonst rausa das Leben in Frankfurt sich in ziemlich einförmigen
Buhnen bewegt haben und der Kreis der Interessen ein sehr be-
schränkter gewesen sein. Ein Gang nach Hausen um in der Nied
zu fischen , ein Kitt zu dem Amtmann auf den Goldstein oder in
Bonames, wo dann die Nacht fröhlich verprasst und die Schmause-
reien in Frankfurt fortgesetzt wurden, ein Ausflug nach Mainz oder
nach Wiesbaden, eine Badekur daselbst oder in Ems, eine Heise
bis Köln oder Worms, waren Unterbrechungen, welche in das ein-
förmige Alltagsleben einige Mannigfaltigkeit und Abwechslung
brachten. Die Heirathen, die Geburten, die Sterbfälle und Leichen-
begängnisse waren Ereignisse, denen sich vor Allem die Theilnabme
zuwandte und die gleichfalls zu Schmausereien und Gelagen Veran-
lassung gaben. In dem Jahre 1500 wurde es Sitte, dass die Leichen
vornehmer und reicher Bürger unter dem Vortritt des gesammten
Klerus der Pfarrkirche und der Schüler der Stiftsschulen und unter
dem Geläute der Glocken zu Grabe getragen wurden. Früher war
dies nur bei den Bestattungen von Klerikern üblich, bei Laien aber
unerhört gewesen41. Als die Exequien für Arnold Schwarzenberger
drei Tage nach dessen Tod, am 29. October 1500, bei den Carmeli-
tern beendigt waren, versammelte sich der ganze Rath, sämmtliche
Prälaten und Kanoniker des Barth olomäusstiftes und viele andere
Geladenen zum Mittagsmahl in dem Sterbhause und erfüllten die
Stätte der Trauer mit den lauten Klängen der Freude42. Einfacher
vielleicht, aber um so wehmüthiger mag eine andere Todtenfeier
gewesen sein, deren Job gedenkt Lysgin Sassen, die durch seltene
Schönheit und Anmuth ausgezeichnete Tochter Hen Sassens, hatte
sich 1496 mit Johann Frosch verlobt; beider Eltern und Verwandte
waren mit dieser Verbindung einverstanden, aber ein Hindernis«
stand ihnen entgegen; Bräutigam und Braut waren im dritten und
vierten Grad verwandt, die päpstliche Dispensation musste nachge-
sucht werden, sie traf ein, aber bereits hatte ein unheilbares Siech-
thum sich in dem Kerne der zarten Blüthe ausgebildet; rasch schritt
die Krankheit fort und statt des Brautkranzes schmückte die Stirne
der lieblichen Jungfrau die Todtenkrone **. Sie verschied am Oster-
tage 1497. Auch bei Karl Hynsperg und Martha Rohrbach stellte
sich später heraus, dass sie im dritten und vierten Grad verwandt
waren — Fichard hat in seiner Geschlechtergeschichte diese Ver-
§. 286. 306. 326. 88.
« §. 320.
« §. 310.
Digitized by Google
- 63 -
wandtschaft durch eine eigene Tabelle erläutert — aber da die Ehe
in allen Formen rechtsgültig abgeschlossen war, so wurde dieses
lösende Hinderniss durch einen nachträglichen päpstlichen Dispens
gehoben.
Eine dauernde Unterbrechung und Trübung erfuhr im Jahre
1496 die Unbefangenheit und der heitre Frohsinn des bürgerlichen
Lehens durch das erste Auftreten der Syphilis oder der französischen
Krankheit Job Rohrbach ist der Einzige, dem wir darüber eine
Rande verdanken. Er erzählt : „Anno 1496 zur Sommerszeit oder im
Frfiiijahr ist ein ungchört grusslich und erschrockenlich Krankheit
unter die Teutschen von den Walen kommen; die Walen haben sie
krieget von den Franzosen und wird die Krankheit genennet Mal
Franzos und regiert fast in deutschen Landen, noch viel mehr in
ltalia und Francia. Die Krankheit macht den Menschen unsäglich
nngeschaflen [missgestalt | ; welcher sie hat , ist über ganz sin leib
toII schwarz rother Blattern, währt ein Theil [bei den Einen]
ein halb Jahr, den andern dreiviertel, den andern ein ganz Jahr und
nach dem bleiben die Flecken an ihnen zuweilen lange. Ungestalter
Ding hat kein Mensch nie gesehen , von solcher oder dergleichen
Krankheit nie kein Mensch mehr gehört, auch findet kein Arzt da-
Ton nicht geschrieben, ausser so viel man irgend dawider ersann*4."
Auch in Jobs nächster Umgebung entfaltete die Krankheit ihre
furchtbare Wirkungen. Sein Bruder Bernhard wurde im Jahre 1498
in so heftiger Weise von ihr befallen , dass er sich dem mensch-
lichen Anblick und Umgang völlig entzog; er zog sich nämlich am
11. Juli in die Einsamkeit seines Gartens , wahrscheinlich auf dem
Klapperfelde, zurück und rasierte, ohne Zweifel wegen der Ge-
schwüre auf seinem Kopfe, sein Haupthaar am 23. völlig ab. Doch
var das Uebel bei ihm von kürzerer Dauer als bei vielen Andern ;
wn 8. Januar des Jahres 1499 konnte er bereits wieder in sein Haus
zurückkehren46. Was Lersner erzählt: „1497 und 1498 haben die
M §. 172.
*$ §. 9. Es muss übrigens hier ausdrücklich bemerkt werden, dass die Seuche in
ihrem ersten Auftreten epidemisch war und auch ohne unmittelbare Berührung
ansteckte. Wir dürfen daher keineswegs im einzelnen Falle der Ansteckung
»nf sittliche Vergehen sch Hessen, obgleich über diese das Urtheil in jener Zeit,
an weit leichtfertigeres war, als in unseren Tagen. Hutten giebt das siebente
Jahr nach Entstehung der Krankheit, also etwa das Jahr 1500 als die Zeit-
penze an, von welcher an sie nur durch Contagium , namentlich durch ge.
fchlechtüche Berührung sich fortpflanzte, vergl. de Guiaci medieina et morbo
yi c 1. und über die Krankheit überhaupt Strauss, ülr Hutten I, 333 flg.
Digitized by Google
- 64 -
•
Franzosen allhier stark regieret, also dass auch vornehme Personen
damit inficiert gewesen und man die Badstuben zuhalten müssen" **,
ist nur eine Bestätigung des Berichtes von Job, dessen Handsclirift ihm
wahrscheinlich nicht unbekannt gewesen ist. Auch die Notiz über
das Grassiren der Blattern im Jahre 1496 47 bezieht sich , wie ich
glaube, auf dieselbe Krankheit , als deren Symptome Job ja aus-
drücklich ..schwarz rothe Blattern'11 angibt. Uebrigens scheinen die
Mittel der Arzneikunde in jener Zeit noch sehr einfach und be-
schränkt gewesen zu sein: eine Klistier, welche ihm der Apotheker
Jodocus applicirte, ein Syrop und Pulver zum Purgieren, eine Ader-
lass am linken Fusse sind die einzigen, deren Job in seinen man-
niclifachen Krankheiten erwähnt48.
Wir wenden uns von dem häuslichen zum öffentlichen Leben.
Die Mittelpunkte des regsten geselligen Verkehrs bildeten die Trink-
stuben. Bernhard und Job Rohrbach schlössen sich zunächst der
Gesellschaft Lebenstein oder Löwenstein an, welche sich früher im
Hause Limburg zu versammeln pflegte (in welchem in unseren Ta-
gen eine Zeit lang wieder die alte Trinkstube eröffnet war), und seit
dem Jahre 1486 in das Haus Löwenstein rechts vom Römer über-
gesiedelt war. Am 5. Juni 1494 hielt Job seine erste Zeche auf der
Stube und verprasste dort sechs Heller49. Aber da er noch nicht
förmlich eingetreten war und das Gesellenrecht erworben hatte , so
wurde ihm und Konrad zum Jungen um Fastnacht 1495 nur aus-
nahmsweise verstattet, „ihren Pfennig mit den Andern dort zu ver-
zehren", mit dem Bescheid: „Wolle er für die andere Fastnacht Ge-
sellschaft halten, so solle er Geselle werden" 80. Am 19. Februar
des genannten Jahres wurde die Gesellschaft zum Abendessen mit
den Frauen eingeladen und jeder zahlte dabei sechs Albus ; den
Abend beschloss ein Tanz auf der Stube mit Fackeln oder Lichtern M.
Am 26. Februar Dienstag vor Fastnacht wurden bereits die Festlich-
keiten mit einem Nachtessen auf der Stube eröffnet ; am Sonntag
und Montag den 1. und 2. März auch die Frauen zugezogen; am
Dienstag „uff aller Mann Fassnacht" und am Aschermittwoch kam
zu dem Abendessen auch ein Mittagsmahl; nach diesem stachen am
♦« I, II, 32.
4» II, II, 36.
*» §. 21. 25. 70. Vergl. auch Krieffk, Aerzte, Heilanstalten n. Geisteskranke
im mittelalterlichen Frankfurt. 1863.
♦» §. 11.
»o §. 177.
»« §. 176.
Digitized by Google
- 65
Dienstag Jörg Reiss and Niclas von Babenhausen, früher Amtmann
auf dem Goldstein , mit „Kronlin" 52, der erstere behielt den Sieg ;
am Aschermittwoch stachen, als die Frauen aus Glauburg's Garten
zurückkehrten, „vier Reisige mit Kolben", zwei mit Namen Martin
und Eberhard waren Knechte des von Heusenstamm, zwei mit Namen
Weissbrod und Ruttlinger Söldner der Stadt ; Weissbrod fällte zu
mehreren Malen die Heusenstammer Knechte und ..blieb doch hart
sitzen". Hierauf „stachen mit Kroulyn" Konrad zum Jungen und
Konrad Mones. Am Donnerstag nach Aschermittwoch assen die Ge-
sellen allein ohne die Frauen auf der Stube zu Mittag ; es rechneten
die Küchenmeister Clas von Rückingen und Ulrich Neuhausen, des-
gleichen die Weinmeister Johann Holzhejmer und Philipp Weiss ab,
die Kosten betrugen auf jeden der 43 Gesellen drei Gulden; dabei
sprang noch ein Abendessen für Männer und Frauen an demselben
Tage heraus. Frauen mussten nur am Aschermittwoch einen Albus,
Wittfrauen dagegen nach freier Wahl vier Hühner oder vier Schil-
linge geben ; Jungfrauen waren ganz frei ; es waren 28 Frauen und
Jungfrauen, welche „Gesellschaft hielten". Donnerstag Abend assen
Männer und Frauen auf der Stube. Ein Gesellennachtessen, das auf
den Kopf drei Schillinge machte, beschloss am Sonntag Invocavit
die Fassnachtprasserei im Jahre 1495 53. Auch sonst boten Geschenke
an Wildprett einen Anlass zu Gesellenessen; so wurden Männer und
.Frauen am 2. October 1494 eingeladen, weil Ambrosius Glauburg
*2 Eine nähere Erklärung fordern die Ausdrücke „mit kronlyn" und „mit
kolben stecheu". Stechen bezeichnet Oberhaupt im Mittelalter turnieren und
wird vou allen Gattungen der Turnierkämpfe gebraucht . namentlich sofern
dieselben ohne Ernst und zum heitern Spiele dienten. Nach Bttsching's Ritter-
zeit und Ritterwesen I., 168 gebrauchte man bei den Turnieren zweierlei Lau
zen, die spitzen zum sogenannten Scharfrennen oder zum ernstlichen Kampfe,
die stumpfen dagegen, welche von den Kronen, mit denen dieselben oben an
der Spitze versehen waren, „Krönige" genannt wurden, blos zum Scherzapiele.
Die Krone muss demnach ein an der Spitze der Lanze befindliches, etwa ge-
kerbtes Stichblatt gewesen sein. Man vergleiche auch das von Kl über über-
setzte und erläuterte Werk: Das Ritterwesen des Mittelalters von de la Curne
de Sainte-Palaye II, 97. Die bei den Turnieren, den Zweikämpfen und krie-
gerischen Ocfechten üblichen Kolben waren von Holz, und Bind ebensowohl
von dem Morgenstern, einer eisernen mit Stacheln versehenen Kugel an einem
hölzernen Stiele, als von den kleinen metallnen Kolben zu unterscheiden, welche
seepterartig geformt und am Knaufe zierlich durchbrochen, den Rittern mehr
zum Schmuck dienten , zu ernstlichen Kämpfen aber nicht die ausreichende
Stärke hatten. Doch erwähnt unten Job eine clava ferrea, einen eisernen
Streitkolben, als Waffe, die er besessen hat. (§. 49.)
« §. 177.
5
Digitized by Google
- 66 -
drei Hasen, am 27. December, weil derselbe zwei Hasen, und am
10. Februar 1495, weil der Schultheiss Ludwig zum Paradies einen
Hirsch geschenkt hatte54. Noch erhob die Gesellschaft als solche
keinen Anspruch auf Adel: Job bemerkt ausdrücklich, dass die 43
Theilnehmer an der Fastnacht Edele und Andere gewesen seien,
(leberhaupt vereinigten sich die Adeligen mit den Andern im Be-
wußtsein ihres gemeinsamen Bürgerthums, und obgleich nach einer
Notiz Bernhards auf der Pergamentdecke seiner Familienchronik
die Rohrbachc »ich schon im Jahre 1470 einen Adelsbricf erwirkt
hatten , so redet doch Job nur vou seinen Brüdern Bernhard und
Konrad Rohrbach und seiner Mutter „der Rohrbacherin". Noch
1526 schreibt Margaretha llorngin an ihren in Wittenberg studieren-
den Sohn Johanu Glauburger, dass drei um die Hand der Anna
Knoblauch werben, zwei Edelleute und Johann Wolf Rohr-
bach, der Frau Ursula von der grünen Thür Sohn. Job sagt eon-
stant: Hanum oder Gilbrecht Holzhausen, Johannes Glauburger u. s.w.
Solche, die wirklich ritterlichem Gesehlechte angehörten oder aus ihm
stammten, wie die Heusenstamm, Babenhausen und Andere bezeichnet
er meist mit uobilis oder er giebt ihnen, wie dem Clas von Rückingen
und Johann von Holzheim bisweilen das Prädicat „von", obgleich
auch dies kein sicheres Zeichen des Adels ist, wie wir von der Fa-
milie Meiern wissen55. In aller Naivetät erzählt er, dass bei der
Taufe des Clas Stallburger, desselben, den mau später den Reichen
nannte — die Bilder seiner Eltern befinden sich, in Oel gemalt, noch
in der Gallerie des Städel'schen Institutes — am 10. März 1501 der
Schneider Clas von Haffern, — trotz des Wörtleins „von" vor seinem
Namen schwerlich ein Adeliger — Pathe gestanden habe 5<t. Den
Titel „Herr" giebt er in seinen Aufzeichnungen nur den Geistlichen.
Ein ungemein wichtiges Ercigniss war im Jahre 1495 die Er-
öffnung des Reichskammergerichts in Frankfurt. Schon im Monate
September miethete der Rath die Räumlichkeiten dazu in dem Hause
zum Braunfels auf vier Jahre um dreissig Gulden für das Jahr.
Hierauf wurde ein Podium mit Sitzen ftlr den Kammerrichter und
die Beisitzer und eine eigene Bühne für die Procuratoren und Redner
erbaut : dem Richter wurde eine Art Loge mit Fenstern hergerichtet,
die Bänke der Assessoren und Notare mit Tuch ausgeschlagen. Stufen
w §. 173-175.
4* Euler, das steinerne Haus und die Familie von Meiern, Mitteilungen
unseres Vereines B. I. S. 228.
»« §. 322.
Digitized by Google
führten zu dem Podium hinauf. Am 30. September 14ü5 bestieg der
römische König Maximilian die Büiine und verpflichtete den Richter
Graf Kytel Friedrich von Hohenzollern und die Assessoren und No-
tare, so weit sich dieselben bereits in der Stadt befanden ; die, welche
später eintrafen , ebenso die niederen Beamten , legten ihren Eid in
die Hände des Kammerrichters ab. Am 3. November hielt dieser
die erste Sitzung; zu seiner Rechten sasseu diejenigen Assessoren,
welche den Doctorgrad hatten, zu seiner Linken die nicht graduirten
Adeligen (nobiles), unter ihnen nennt Job einen Grafen von Eber-
atein. Nach Eröffnung der Audienz erinnerte der Graf von Zollern
die Procuratoren, dass sie in ihrer Sach waltung nach der zu Worms
ertheilten Instruction zu verfahren hätten, und versprach, dass etwaige
Mängel an derselben im Laufe der Zeit verbessert werden sollten. •
Hierauf trat im Namen der Majestät der königliche Fiscal Dr. En-
gelender als Klüger gegen einen Grafen v Mörs auf. Acht Procura-
toren waren zugegen, zwei Socretärc fUhrten das Protocoll, ein dritter
war bestimmt, den gefällten Richterspruch zu verlesen. Es war dies,
wie Job sagt, die erste Audienz des Kammergerichts, „denn obgleich
der Richter schon mehrere Sitzungen in Worms gehalten hatte, so
waren diese doch, wie mäuniglich bekannt, nur ein Vorspiel und Bild
von dieser1' 57.
Am 2. November 1495 begab sich des römischen Königs Perse-
vant68 nach dem Römer „und hat alle Fehdebriefe vom Römer ab-
genommen, aus Ursache, dass unser Herr, der König, alle Fehden,
die diese Stadt auf das Mal hat, hingelegt hatte" w Für Frankfurt
trog diese Verkündigung des Landfriedens vorerst sehr fühlbare
Folgen. Die Stadt hatte erbitterte Feinde in dem umwohnenden
Raubadel, namentlich in Jost Fruud und den Herren von Hutten,
die ihr Gebiet seit längerer Zeit beunruhigten und schädigten. Im
« §. 111-113.
Jh Persevant von dem französischen poursuivant wurde der Gehülfe nnd
Lehrling des üerolds genannt, und bezeichnete in Frankreich den ersten der
Grade, durch welche JÜngHngo aar Ritterwtirdo geleitet wurden. Die Perse-
vanten begleiteten den Herold und geboten, wenn dieser ausrief, dem Volke
Stillschweigen. Sie lernton von dem Herold die Wappenkunde, trugen Kitter-
helm und Lanze und folgten im Kriege dem Heere, daher der Name Waffen-
persevant. Im Frieden wurden sie auf Kelsen geschickt und besuchten die
Höfe der Grossen, um sich mit den höfischen und ritterlichen Sitten, mit Tur-
nieren und Waffenübungen vertraut zu machen. „Des römischen Königs Per
sevant" bei Job scheint einfach einen Bevollmächtigten aus des Königs Gefolge
oder vielleicht den Herold selbst zu bezeichnen.
» §. 114.
5»
■
— 68 —
März 1493 hatte das „Gemperlyn", die Glocke, welche die Ankunft
von Feinden anzeigte, die Bürger und Söldner aufgerufen, weil solches
Gesindel eine Heerde weggetrieben hatte, obgleich diese nicht Frank
furter Eigenthuin war. Am 8. Januar 1495 steckten sie eine Scheune
in Oberrad in Brand ; am 8. Mai ertönte abermals das „Gemperlyn*,
Jost Frund und die Hutten'schen beabsichtigten einen Raubeinfall in
das städtische Gebiet; Alles eilte so rasch zu den Waffen, daas für
dieses Mal die Feinde die Flucht ergriffen. Am 7. Juni vernahm
man auf's Neue den Schreckensklang; sie hatten diesmal 100 Kühe
der Gemeinde zu Niederrad geraubt und die Hilfe der Stadt kam
zu spät. Am 23. Juli überfielen sie zwei Frankfurter Fischer in der
Nähe von Rurapenheim und misshandelten sie so schwer, daas der
eine als Leiche in die Stadt gebracht wurde, der andere in der Nacht
seinen Geist aufgab. Zwei Tage später raubten sie in Dortelweil
19 Kühe und 27 Pferde sammt ihrem Geschirre. Am 17. August
verbrannten sie Thüren und Planken auf dem Knoblauchs Hof, dem
Gute Wolf Blums. Am 26. August überfallen sie nochmals Dortel-
weil und treiben ausser einigen Pferden viele Kühe, Schweine und
5U0 Schafe fort. Au demselben Tage, an welchem Maximilian den
Kammerrichter, die Assessoren und Notare in Pflicht nahm, ver-
brannten Jost Frund und die Hutten'schen in Bonames acht Häuser,
und wagten es Tags darauf, der Stadt einen Fehdebrief zu übersen-
den. So gross war der Schrecken, den diese Vorgänge verbreiteten,
Jans, als am 4. October eine Mainzische Reiterscbaar in die Nähe der
Stadt kam, man schon die Räuber vor den Thoren zu erblicken
meinte, Sturm läutete und die Bürger bewaffnet hinaus eilten, aber
im Angesichte der vermeintlichen Feinde ihren Irrthum erkannten
und wieder zurückkehrten60. Diesen Belästigungen und Beängstigun-
gen frecher Raubritter setzte wenigstens für Frankfurt der Landfriede
zunächst ein Ziel. Job Rohrbach erwähnt ihrer von diesem Zeit-
punkte an nicht mehr.
Mit der Eröffnung des Reichskammergerichtes traf ein anderes
Ereignis« zusammen, das wenigstens in die Gestaltung des geselligen
Lebens in Frankfurt sehr fühlbar eingriff. Im Monat November 1495
kaufte nämlich ein Mitglied der Gesellschaft auf Löwenstein , Daniel
Bromm, „Schöffe und Rath der Stadt Frankfurt, das Hus Laderam,
gelegen uff dem Eck neben dem Römer gegen dem Hus Limburg
über, mitsamt dem HiiBrath, der vor die Gäst gehört, die in der
w t 137 142.
i
Digitized by Google
Mess darin herberigen, und bezahlte dafür acht und zwanzig hundert
Goldguldenu und zwar von der Wittwe Anna Schule und ihren
beiden Enkeln, Peter und Thomas Sossenheiraer 62, die nach Fichard
schon früher dies ihr Besitzthum dem Rathe zum Kaufe fUr 4000
Gulden angeboten hatten, aber abschlaglich beschieden worden waren,
weil das Haus sich nur mit 100 Gulden verzinste und somit der
Kaufpreis zu hoch gestellt war. Unmittelbar nach vollzogenem An-
kaufe bot Daniel Bromm das Haus Laderam, wie Job ausführlich
berichtet, der StubcngesellBchaft zu Löwenstein zum Kaufe um die
gleiche Summe an ; die Gesellschaft ging darauf ein und beschloss,
dem Daniel Bromm sofort tausend Gulden als Angabe abzutragen»
das übrige aber mit vier Procent bis zur völligen Ablösung zu ver-
zinsen, so dass, so oft sie ihm zweihundert Gulden abzahle, der jähr-
liche Zins sich um acht Gulden verringere. Um diese Summen auf-
zubringen, zahlte jeder Gesolle am Andreastage 1495 zwanzig Gul-
den und wurde weiter festgesetzt, dass die gleiche Summe inskünftige
von jedem Sohn eines Gesellen bei seinem Eintritte als Einstand
entrichtet werden, dagegen jeder, der durch Beweibung Mitglied
werde, dreissig Gulden zahlen solle. Ebenso wurde mit denen, welche
auf dem Hause Gülten stehen hatten — es standen nämlich darauf
15 Gulden - der Vertrag geschlossen, dass dieselben im Laufe der
Zeit mit achtzehn für einen Gulden abgelöst werden sollten €3. Es
ergiebt sich aus dieser Erzählung, dass dor Kauf des Daniel Bromm
wohl schwerlich ein blosser Scheinkauf gewesen ist, wie man jüngst
vermuthet hatM. Auch die weitere Darstellung des Job Rohrbach
zeigt klar, dass die Gesellschaft den Verkauf des Hauses an sie unter
den angegebenen Bedingungen als ein grosses Verdienst Daniel
Bromm's angesehen und ihn als ihren Wohlthäter dankbar verehrt
habe. Ebenso leuchtet ein, dass die Trinkstube auf Laderam nicht
eine neue Gesellschaft, sondern die bisherige „auf Löwenstein* in
sich vereinigt habe, wenn auch die Bedeutung, die sie schon in den
nächsten Jahren erhielt, wesentlich dazu beitragen mochte, ihr neue
Mitglieder von andern Stubengesellschaften zuzuführen. Die Gesell-
schaft übertrug zwar sofort auf ihr neues Eigenthum den Namen des
*' Nach der gewöhnlichen, wie mir scheint, authentischeren Angabe, betrug
der Kaufpreis nur 2600 Gulden.
" Vergl. meine Bemerkungen zu §. 316.
" §. 179.
" Römer - Büchner, Die Entwicklung der Stadt Verfassung und die Bürger
vereine der Stadt Prankfurt am Main, Frankf. 1855 S. 224.
- 70 -
Hauses, in welchem sie sich vor dem Jahre 1486 zu versammeln
pflegte, und nannte es Alt-Limpurg M, gleichwohl kommt dieser Name
bei Job Rohrbach noch nicht vor, dieser nennt nach wie vor Hau»
und Gesellschaft Laderam, und es scheint somit diese Benennung als
die herkömmliche noch längere Zeit sich im Munde der Gesellen und
des Volkes erhalten zu haben.
Das Zusammentreffen dieses Kaufes mit der Eröffnung des Reicha-
kammergerichts in hiesiger Stadt war freilich nur ein zufälliges, aber
für die Gesellschaft von sehr wichtigen Folgen begleitet. Zählten
auch ihre Gesellen zu den angesehensten Familien der Stadt, so war
dies doch, wie die Familienchronik Bernhard Rohrbach's zeigt, nur
ein Vorzug, den sie mit anderen Trinkstuben theilte, wie denn der
Fall nicht selten war, dass man verschiedenen Stubcngesellschaften
zu gleicher Zeit angehörte w. Nach Dr. Römcr's Nachweisen scheinen
mehrere Gesellen der bisherigen Gesellschaft Löwenstein nicht mit
den Uebrigcn nach Laderam übergesiedelt zu sein", dagegen warb
die Gesellschaft neue Genossen und zwar mit solchem Erfolge, das»
Frauenstein 1503 nur noch ein und zwanzig Glieder zählto68. So
hob sich die Gesellschaft auf Laderam oder Alt-Limpurg nun mächtig
über die anderen Vereine empor; die reichsten und angesehensten
Familien dei Stadt vereinigten sich in ihrem Schoosc. Durch da«
Reichskammergericht nahm im Jahre 1495 eine Anzahl hochgestellter
Fremden ihren Wohnsitz in der Stadt: von den Assessoren bestand
die eine Hälfto ans Doctoren beider Rechte, die andere aus Dynasten
und Edeln ; der Karamerrichtcr war ein Reichsfürst ; acht Procura-
toren dienten als Sachwalter; ausserdem werden Protonotarc erwähnt.
Die Meisten derselben scheinen in der erweiterten Gesellschaft auf
Laderam einen willkommenen Mittelpunkt geselliger Vereinigung ge-
sucht und gefunden zu haben. Zwar mussten anfangs die Sitten und
der Rang der Gäste dem Frankfurter Bürgerthum als ein fremdes
Element erscheinen, in dessen Umgebung man sich beengt fühlte:
„im Jahre 149 ". fiel, wie Job erzählt, die Fastnacht auf den 16. Febr.,
es fand an ihr keine Zusainmcnborufung der Gesellschaft oder Stube
statt, es war eine Stille, als wären alle ausgestorben, denn die Hin-
dernisse waren uns die Assessoren und die übrigen adeligen Doctoren,
nebst den Advocatcn und Procuratoren , denn diese waren allzu
65 Römer • Büchner a. a. 0.
ffi B. Rohrbach's Familienchronik §. 106—112
« Römer -Büchner S. 226.
» Römer -Büchner S. 216.
Digitized by Google
- 71
zahlreich gegenwärtig* Aber schon nach einem Jahre waren diese
Schranken der Zurückhaltung gefallen, die getrennten Elemente
hatten sich verschmolzen und die Gesellschaft entfaltete ein reges
und fröhliches Leben. Am31.December 1496 speiste sie zum ersten
Male auf der grossen Stube des Hauses Laderam: Philipp Kaltofen
versieht die Stelle des Wirthes oder des obsonii magister. Am 1.
Januar 1497 folgt ein neues Gastmahl, dem als Wirth Walther Isen-
berg vorsteht Auch Bernhard und Job Rohrbach nehmen zum ers-
ten Male Theil und bekunden ihr Geselleurecht mit den 2t) Denaren,
die sie zu Neujahr dem Stubenknecht Friedrich schenken 70. Ein
neues Mahl einigt am Tago der heiligen Dreikönige nicht blos
die Gesellen, sondern auch Andere: Hans vom Rhyn, der ältere
Bürgermeister, und Ulrich Neuhaus fuhren als Wirthe den Vorsitz :
als Gesellen werden 38 Glieder der Familion Marpurg zum Para-
dies, Heymbach, vom Rheine, Scheidt, Glauburg, Sassen, zum Jungen,
Frosch, Weiss, Stralenberg, Bromm, Mones, Neuhaus, Völker, Reiss,
Ifaane, Sossenheim, Rohrbach, Holzhcim, Uffstoin, Heusenstamm,
MartrorT, Stallburg, Blum aufgeführt; zwei Licentiaten, ein Rosenberg,
ein Frosch, ein Sossenheimer, ein Dyrmayer und der Rathschreiber
Melchior sind als Gäste gegenwärtig, die Gesammtzahl beträgt 47 71.
Schon am 12. Januar erfolgt eine neue Zusammenberufung zum
Abendessen, an dem auch Frauen und Jungfrauen theilnehmen : es
waren im Ganzen achtzig Personen; Küchenmeister waren Johann
Frosch und Ulrich Neuhaus; ausser den genannten Familien finden
wir die Namen Holzhausen, Hynaberg, Humbracht, Ergersheim,
Soh warzen berger, Rückingen, Knoblauch, Fant, Alzey; als Gäste
werden nur der Licentiat Engel von Hotzfeld und der Meister (Ma-
gister?) Bingen von Nördlingen aufgeführt. Da sich unter den aus-
drücklich als Gesellen Aufgeführten die Namen von Mehreren be-
finden, welche wie Johann von Glauburg, Johann von Rückingen,
Johann Frosch, Jakob Weiss und Johann Holzheimer nach Faust s
von Ascbaffcnburg Angabe72 anfangs den Ueberzug nach der neuen
Stube abgelehnt haben sollen, so kann dieser ohnehin nur von We-
nigen versuchte Widerstand nicht von Dauer gewesen sein. Bei
dieser Mahlzeit führten Gilbrecht Holzhausen und Job Rohrbaeh zu-
erst einen Reigen mit Lichtern auf und geleiteten darin auf Bofehl
Jobs Chronik §. 180.
*» §. 181.
" §. 183.
» Körner -Büchner S. 226.
Digitized by Google
- « -
der älteren Gesellen die junge Braut de« Bernhard Weiss zu Daniel
Bromm, um diesen dadurch zu ehren, weil er sich gegen die Gesell-
schaft so freundlich und freigebig benommen und ihr sein Haus zum
kostenden Preise (justo pretio) abgetreten habe. Nach beendigtem
Maltlc erschien auch der Markgraf Jakob von Baden, der als Kam-
merrichtcr an die Stelle Eytel Friedrichs von Hohenzollcrn getreten
war, mit mehreren Assessoren, Procuratoren und Adeligen des Kam-
mergerichts und nahm mit ihnen am Tanze Theil Die Kosten des
Mahles betrugen fünf Schillinge, welche Job von seinem Bruder
Bernhard geschenkt erhielt73.
Mit besonderem Glänze wurden nun die Fastnachtstage des
Jahres 1497 auf Laderam begangen. Die jungen Gesellen, denen
früher gerade in diesen Tagen kein Antheil zustand, wurden schon
am 22. Januar auf die Stube entboten, und es wurde ihnen hier von
dem Schultlieissen Dr. Ludwig zum Paradies eröffnet : „dass ihnen
allen und jeglichen erlaubt sei, uff der Stuben und in der Gesell-
schaft zu sein und um ihr Geld zu zehren, doch seien Bie gebeten
und befohlen, züchtig sich zu halten mit Tanzen und willig mit Essen
vortragen, auch im Tanz sich nit in die Arm umfahen als sonst,
sondern anstatt desselben Armfahens den Frauen die Hand geben
und züchtig neigen." Man sieht, dass der Wahlspruch: „züchtig
fröhlich mit guten Sitten", wie ihn eine alte hölzerne Tafel de»
Hauses Frauenstein aus dem fünfzehnten Jahrhundert bewahrt, da-
mals in den Trinkstuben noch immer als Regel galt. Zu gleicher
Zeit Hess man den Markgrafen Jakob von Baden, alle Beisitzer und
etliche Advocaten und Procuratoren des Kammergerichts wissen, „wie
man eine Gesellschaft halten wolle, wollten sie darby sin, so möge
sie die Gesellschaft fast wohl leiden, dass sie ihr Geld by der Ge-
sellschaft verzehren". Desgleichen liess mau auch Etliche wissen,
„die in der Canzlei sin zur Zit der Gesellschaft". Die Fastnachts-
lustbarkciten wurden mit Nachtimbiss und Tanz am Sonntag Esto-
mihi den 5. Februar eröffnet. Tags darauf, „uff den Montag zu
Unteren (Nach mittags) haben vier Burger ein Gesellenstechen ge-
habt mit Kronlin, mit Namen Conrad zum Jungen, lleilman Stralen-
berg, Conrad Mones und Clas Stalburg". Hierauf erscheinen wieder
zum Nachtmahl alle die, welche zur Gesellschaft gehörten oder ge-
laden waren. Dienstag nach dem gemeinsamen Mittagsmahl fand der
feierliche Umzug sämmtlicher Gesellen uach dem deutschen Haus,
St. Johann und St Antonien statt; da Job ausdrücklich bemerkt,
" §. 185. Zum Folgenden §. 186.
Digitized by Google
73
das* Jakob von Baden und die Assessoren an diesem Umzüge keinen
Antheil genommen, sondern erst zum Nachtmahl und Tanz alle wie-
der gekommen seien, so dürfen wir wohl annehmen, dass sie ausser-
dem die sämmtlichen Fastnachtsergötzungen mit der Gesellschaft gc-
theilt haben; am Aschermittwoch hielten Männer und Frauen den
Mittag und Abend auf der Stube; nach dem Mittagsmahlc wählten
die letzteren nach alter Gewohnheit zwei Küchenmeister zu der grünen
Suppe7*, Clas von Rückingen und llcn Stralenbcrger, beide Wittwer,
dann zogen sie hinaus in Hen Glauburg's Garten ; dorthin kamen der
Markgraf und etliche Beisitzer geritten und verbrachten mit ihnen
den Nachmittag, den Abend aber auf der Stube. Beim Mittagsmahlc
der Männer am Dienstage fand die Uechnungsablage statt ; die Kosten
betrugen auf den Bürger drei, des Rathes Amtleute und andere
Edelleute gaben nur anderthalb, von dem Markgrafen und den übri-
gen Verwandten des Reichskammergerichts nahm man nur je einen
Gulden. Ich bezweifle, ob man mit Grund darauf die Regel anwen-
den konnte : „wer fremden Gästen gegen Geld Zehrung giebt, ist doch
gewiss Wirth* n. Am Donnerstag zu Nacht assen die Gesellen aber
mala mit einander den „Manderkäse ' 76 ; und also hatte, wie Job naiv
zufügt, diese Prasserei ein Ende.
Der einförmige Gang des Alltagslebens wurde auch durch die
Processionen unterbrochen, in welchen man damals das Allerheiligste
" Die grüne Suppe wurde von den Frauen, auf ihre Kosten gestellt und
in einem Garten gegessen. Jede Portion wurde nebst eiuer gesalzenen Bricke
und einem Fläring von einem Paare, wahrscheinlich einem Gesellen und einer
Frao, veraehrt. Vergl. Römer- Büchner, Wohlleben der Gesellsch. Limb. S. 5. —
Hierauf zogen Männer und Frauen in Procession durch die Stadt nach der
Stube.
75 Diese Bemerkung ist nämlich der einzige Gewinn, den Kömer- Büchner
S. 225 Aam- seiner „Entwicklung der Verfassung'* u. s w. aus dem von ihm
eingesehenen Job'schen Manuscripte, das er nach der Glauburgischen Aufschrift:
..M. S. de Stirpe Rorbachiana, Ulatt 79'* citirt, zu ziehen wusste. Seine tenden-
ziöse Antipathie gegen die Gesellschaft Limburg, die trübend durch das reiche
Material seiner verdienstlichen historischen Arbeiten durchzieht, ist übrigens
leicht erklärlich, wenn man die einseitige Bewunderung und Lobpreisung er-
wägt, in der sich der gelehrte Fichard kaum genug zu thun weiss.
» Der Mandelkäse wurde nach dorn erwähnten Buche des Stuttgarter Ver-
eines Ree. 72 aus gestossenen Mandelkernen bereitet, zu denen man Milch goss
und Eier schlug; diesen Teig lioss man erkalten, legte ihn dann auf einen
Teller und bestreute ihn mit Zucker. Der Mandelkäse wurde durch Frauen
bereitet, welche jährlich dazu von der Gesellschaft gewählt wurden. Dazu
Khben die Küchenmeister Fische, die Rrodroeister Brod und Backwerk, die
Lichtmeister Licht Vergl. Römer -Büchner, Wohlleben der Gesellschaft Limburg
Digitized by Google
■
- 74 -
nicht blos durch die Kirchen, sondern auch durch die Strassen der
»Stadt trug Der prachtvolle Aufzug, den man mit allem erdenk-
lichen Glanz ausstattete, die in Sammt und Gold strotzenden Crc-
wänder der ministrirenden Geistlichen, der zahlreiche Klerus der
drei Stifter, die Mönche, Nonnen und geistlichen Ritter in ihren
malerischen Ordenstrachten, die Glieder des Rathes in ihren Mänteln,
machten diese kirchlichen Aufzüge zugleich zu einem Volksfeste und
gewährten ein romantisches Schauspiel, das nicht blos die Andacht
durch das Mysterium, sondern auch die Sinne durch den Wechsel
seiner mannigfachen Gestalten und seiner bunten schillernden Farben
beschäftigte und erregte. Solcher Processionen wurden vornehmlich
drei im Jahre veranstaltet, nämlich am Sonntag Exaudi (am Kirch-
weih tage der Barfüsser), bei welcher stets ein Glied von Bernhard
Rohrbach's des Alten Stamm mit einem vön ihm gewählten Genossen
den das Sacrameut tragenden Priester führte 7H, am Frohnleichnams-
feste und am Tage Maria Magdalenä. Job unterlägst nicht, diese
Processionen in jedem Jahre umständlich zu beschreiben, besonders
wenn er dabei persönlich betheiligt war. Die glänzendste ist die
Frohnleichnarasprocession am 25. Mai 1497 gewesen : Herr Johann
Greifenstein, Dccan zu' St. Bartholomäi, trug das Sacrament, ihn
führten die beiden ältesten Schöffen, Hen Glauburg und Johann vom
Rheine, vier Bürger, unter Urnen Philipp Ugclnheiraer, Georg Roiss
und Job Rohrbach, trugen den Baldachin, den man in Frankfurt
den Kasten nannte; vier andere: Heinrich Weiss, Ortgyn zum
Jungen, Ulrich Neuhaus und Georg Martroff gingen mit brennenden
Kerzen zur Seite ; dem Baldachin folgte unmittelbar der Kammer-
richter Markgraf Jakob von Baden mit sechs Beisitzern und mehre-
ren Procuratoren, an sie schlössen sich der Rath und die Bürger
an 79. Auch solche Feste wurden mit Schmauscreien beschlossen. Am
Abende dieses Tages luden Eberhard von Heusenstamm und seine
Ehefrau Gutgin in ihren Garten vor der Stadt, genannt die Nio-
denau, zum Abendessen Fremde und Einheimische : den Markgrafen
Jakob von Baden, welcher auch hier seines Ranges nicht vergass
(denn er brachte „den Dorliuger* und zwei andere nobile» mit, dass
sie ihm bei Tische dienten), zwei Doctorcn, Georg von Nideck und
.Johannes Pleniger, so wie Vitus von Walrod, goldenen Ritter (d. h.
" Vcrgl. den Abschnitt Cultus §. 190 flg.
*• Vergl. Aber die Stiftung dieser Proccsaion B. Kohrbach 6 Familien-
chronik §. 27
" Jobs Chronik §. 198.
Digitized by Google
75 -
wohl, der die goldnen Sporen beim Ritterschlag empfangen hatte),
alle drei Beisitzer und Edclleute, zwei Reichsschatzmeister, der eine
hiess Goffart von Klchcn, den Oomtliur des deutschen Herrenordens
Pankratius von Rheinstein, einen Procurator des Rcichskammer-
gerichts. Unter diesen bewegen sich Glauburger, vom Rheino,
Knoblauche, Schwarzenberger, Ergersheimer, Holzhäuser, Rohrbachc,
Weisse, sämmtlich Gesellen der Stubengcsellschaft Laderam oder
Limburg, und Job rühmt die opulente Bewirthung der Gäste, zu
deren ehrenvoller Behandlung der Hausherr aufbietet, was er ver-
mag so. Es war dies das Abschicdsfcst für den Markgrafen. Schon
am 12. Mai hatte er die letzto Audienz gehalten ; am 2G. Mai , den
Tag nach Frohnlcichnam, reiste er mit den Assessoren nach Worms,
dem zukünftigen Sitze des Reichskammergerichts Auch in der
Ferne gedachte er in wohlwollender Erinnerung seines Aufenthaltes
iu unseren Mauern und der frohen Stunden, die or auf Laderam zu-
gebracht hatte; noch zwei Jahre später, am 21. Januar 1499, ver-
speisten Männer und Frauen Abends den Hirsch, den Markgraf Jakob
von Baden der Stubcngesellschaft geschenkt hatte 82. Diese blühte
immer sichtlicher auf; während der Fraucnstein auf wenige Gesellen
zusammengeschmolzen war, so zählte die Stube auf Laderam die
meisten Schöffen und Rathsinannen zu Gliedern ihres Vereines; ihre
Gesellen führten den Priester bei den Processioncn , trugen den
Kasten, begleiteten ihn mit Kerzen; an Fastnacht veranstalten sie
öffentliche Aufzüge, Gartenfahrten und Gcsellenstechen; seit dem
Jahre 1500 werden ihre Leichen von dem gesammten Klerus der
Pfarrkirche zu Grabe geleitet; ohne Zweifel trug auch der vertraute
Umgang mit den Verwandten des Rciehskamniergcriehts, mit Reichs-
tursten und Reichsgrafen, dazu bei, ihre Ansprüche zu steigern, das
Verlangen nach Erhöhung ihres Ranges und nach Adelsbriefcn zu
erwecken und ihr Leben mit jenem glänzenden Luxus auszustatten,
zu dem ihr Rcichthum ihnen die Mittel bot, den aber schon in der
ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts ein Theil der Bürger-
schaft mit unverhohlenem Unmuthe betrachtete und bisweilen mit
beissendem Spotte gcisselte. Durch das Aufblühen des römischen
Kechtsstudiuins war der römische Rechtsbegriff des Patriciers in
Deutschland im fünfzehnten Jahrhundert bekanntgeworden und wurde
auf deutsche städtische Verhältnisse angewandt; in Frankfurt wird
*» §. 116.
bl §. 115.
".§. 187.
Digitized by Google
- 76
er nicht Mos durch einheimische Juristen, sondern auch durch die
Doctoren des Reichskammergerichts unter den Gesellen von Laderam
Eingang gefunden haben , und bald erwuchs er zu einer Lieblings-
idee, deren Verwirklichung mit allem Eifer des Ehrgeizes angestrebt
wurde. So bildet sich allmählig aus der Stubengesellschaft zu La-
deram oder Alt-Limpurg ein städtisches Patriciat ; das bürgerliche
Bewusstsein und Wesen, das sie sich als Gesellschaft auf Jjöwenstein
zu bewahren verstanden hatte, wurde ihren Gliedern fremder, und
der Aufwand, zum TheSI auch der Ueberrauth, des Junkerthuma *»3
trat an die Stelle der alten soliden Einfachheit.
Nächst den Processionen boten die Passionsspiele ein zwar sel-
tenes, aber darum um so fesselnderes und noch weit volkstümlicheres
Schauspiel dar, in welchem Scherz und Ernst, kirchlicher Geist und
der Sinn für weltliche Lustbarkeit, wie in dem Volksleben des Mittel-
alters überhaupt, sich in wunderbarer Mischung poetisch durchdrangen.
Wie wir aus den Frankfurter Collectanccn desKanonikuß undCustos
yi Der Name Junkherr kommt bei Job nirgends vor; dagegen nennt sein
Vater Bernhard in der Familienchronik (§. 70) den jüngeren Bürgermeister
„Junkhcrrn-Bürgermeister", den älteren „Schöffen Bürgermeister". Dies ent-
spricht aber nur dem Sprachgebrauch , nach welchem die Glieder der zweiten
Rathsbank Junkherru, d. h. jüngere Herrn imGegensatze zu den älteren Raths-
glicdern , den Schöffen, genannt wurden, und bezeichnet somit einen auf da8
Amt, aber keineswegs auf die Geburt und das Geschlecht gegründeten Rang.
Noch heute nennen die niederen Bediensteten im Römer den jüngeren Bürger-
meister den , jungen Herrn". Diesem deutschen Sprachgebrauche entsprechend
finden wir bei Job Rohrbach die lateinischen Ausdrücke scabinus und domicel-
lus gebraucht. Da nämlich der ältere Bürgermeister aus der Schöffen-, der
jüngere Bürgermeister aus der Rathsbank gewählt wurde , sagt er in seinen
Notizen über die Burgermeisterwahlen stets, jeuer sei tamquam senior oder
tamquam scabinus, dieser tamquam junior oder tamquam dorn ic eil us Bür-
germeister geworden, vergl. §. 120. 121. 123 124. 125. 128 Ebenso heisst es
§ 127 von Jacob Straluubcrger, (iiibrecht Holzhausen und Thomas Mass, sie
seien am 10. Juli 1401) in consilium franckfurdiense et in consulares und zwar
o ran es ut domicelli erwählt worden. Consularis ist also der allgemeine
Begriff, der sich wieder in scabinus. domicellus und vulgaris speeificirt. Dem-
getnass berichtet Job §. 104, als er im Namen seiner sämratlichen Hausgenossen
die Reichsschatzung am 9. April 1107 entrichtet habe, seien zum Empfange
derselben vom Rathc verordnet gewesen, sein Vetter Georg Frosch tamquam
scabinus, sein Vetter Haman Holzhausen ut domicellus und nicht zugegen sei
gewesen Johannes Hechten tamquam de vulgaribus. Es ergiebt sich somit aus
Bernhards und Jobs Chroniken, dass nach Frankfurter Au»druckswei«e domi-
cellus und Junkherr ein Rathsglied zweiter Bank bezeichnete. In anderer
Bedeutung wird uns unten das Wort domicellus in einer älteren Rohrbachischen
Urkunde begegnen.
Digitized by Google
— 77 -
Philipp Schurg am Bartholomäusstifte (f 1601 ) M ersehen, sind solcher
Schauspiele vier, nämlich in den Jahren 1467, 1468, 1498 und 1506
hier aufgeführt worden S5. Das im Jahre 141*8 gegebene, welches
unter der Leitung eines Vicars an der Liebfrauenkirche, Jakob Kol-
messer stattfand, wird von Job Rohrbaeh nach seinem Gegenstaude
und seinem ganzen Verlaufe beschrieben. Es erhellt aus dieser Be-
schreibung, dass es nicht, wie Fichard annahm, von den Schülern
des Bartholomäusstiftes, sondern von einem Vereine von Männern
gegeben wurde, der sich dazu aus Geistlichen und Laien frei gebil-
det hatte. Job erzählt: „Im Jahre 1498 am 4. Juni, dem 2. Pfingst-
tage , wurde hier vor dem Rathhause, dem Römer, auf einer dazu
eigens aufgebauten Bühne ein Schauspiel veranstaltet, an welchem
280 Personen, mit Gewändern und Anderem, wie es sich ziemte,
wohl gekleidet, Theil nahmen. Sie spielten an diesem Tage zuerst
die Aufopferung des einzigen Sohnes Abrahams, die Geschichte der
Susanna, des reichen Mannes und des armen Lazarus und des ver-
lorenen Sohnes. Als dies vorüber war, bekleidete sich Balthasar,
der Pfarrer in Ober-Eschersheim (nach Schurg wohl richtiger : Esch-
bach) mit einem grauen Gewände (denn vorher hatte er den himm-
lischen Vater gegeben) und eröffnete, mit einem Diadem gekrönt, die
Person Christi darstellend, die Passion, deren ganzen Verlauf er im
Spiele durchführte. Er begann mit der Wahl der Apostel. Am f>.
Juni spielte er die Leidensgeschichte bis zur Gefangennehmung im
Garten ; als Gefangener wurde er hierauf durch die Strassen unserer
Stadt gefUhrt. Am 6. Juni, dem Mittwoch und Quatember, wurde
er abermals lange durch die Stadt geführt, und als sie die Bühne
•* Ob Philipp Schurg wirklich der Verfasser dieses Manuscriptes sei, scheint
mir noch einer Untersuchung zu bedürfen. Auf dem Umschlage desselben
kündigt er sich nur als Besitzer des Buches au: possidet tue Pb. Schurg, eine
Thatsacbe, weiche wenigstens zur Zeit noch die Verranthung begünstigt, dass
Schurg die Autorschaft erst einem MissverstSndniss des Verfertigen der Aus-
zugs in der Uffenbachischen Manuscriptensammlung zu danken hahen könne.
Dieser Auszug scheint übrigens nur eine Compilation Schurg "scher und König
»tein'scber Notizen zu sein.
«• M. S. Schurg p. 186 flg. Anno gratiae 1498 fuit ludus passionis Francoforti
*t fuere in illo 265 personae. Saluator dominus Balthasar, parochus in Esch-
bach, Rector D. Joannes Kolmesser. Anno 150G iterum fuit Indus passionis
Francofurti Salvator Wilhelmus S tei n de Cassel, parochus trium
reg am in Sachsenbausen. Rector Dominus Joannes Kolmesser et Dominus
Petrus Seigenstadt, vicarii montis B. Mariae Virginia. Fuerunt personae in
ludo 267. Anno 1467 fuit ludus passionis Francofurti. Salvator Ewaldus Totteti-
feld. Rector Dominus Enolpbus. Anno 1468 foit ludus extremi indicii et Anti-
christi. Rector Joannes Vag.
Digitized by Google
- 78 -
betreten hatten, vor Hannas etc., dann schlugen sie ihn an das Kreuz,
an welchem er beinahe zwei Stunden hing. Am 7. Juni, dem Don-
nerstag nach Pfingsten, trugen sie sein Kreuz mit denen der Räuber
vor das Thor von Haddenhausen. Am 11. Juni luden die Theil-
nehmer am Spiele den ganzen Rath zum Mittagessen ; dieser schenkte
ihnen zwei Ohm Wein und 20 Goldgulden; ebenso bewilligte er
ihnen die Bretter und Balken, woraus die Bühne erbaut wurde, in
grosser Menge, aber unter der Bedingung, dass sie dieselben zurück-
gäben, und das, was daran verdorben oder zerschlagen wäre, be-
zahlten ; auch mehrere andere Bürger und kirchliche Personen luden
sie ein, welche sie dafür beschenkten. Ebenso zahlte jeder Theil-
nehmer am Spiele und jede Person (wohl von den Zuschauern?) der
Gesellschaft anfangs einen Ort, wovon die Zuriistungen zum Spiel
bestritten wurden" 86.
Der vorherrschend kirchliche Charakter dieses Spieles zeigte sich
in einer Nachwirkung desselben : am Magdaleucntag , dem 22. Juli
149X, trug das Sacrament wieder der Dccan Johannes Greifensteiu,
Hen Glauburg und Hans vom Rheine führten ihn; Georg Neuhaus,
Job Rohrbach, Arnold Reysa, Philipps Ugclnhcimcr trugen den Kasten,
Ludwig liolzhausen, Georg Martroff, Heilmann Stralenberg, Ulrich
Neuhaus die Kerzen; diejenigen aber, welche die Passion gespielt
hatten, folgten dem Rathe in der Procession, angekleidet nach dem
Charakter, den sie dargestellt hatten ; den Erlöser stellten diesmal
fünf dar, der eine als Gefangenen , der andere in weissem Kleide,
der dritte trug die Säule, der vierte das Kreuz, der fünfte zeigte ihn
auferstanden, und dieser war es, der während des Spieles selbst alles
wie Jesus gethan und geduldet hatte *7. Dafür, dass Job den Kasten
getragen hatte, gab ihm am 3. Januar 1491) der Bürgermeister Mi-
chael Schwarzenberger statt der zwei alten Bleygen, die er mit seiner
Mühewaltung verdient hatte, drei neue. Mit dem neuen Jahre waren
nämlich die alten mit den zwei „Brachen" (zwei Hunden) und den zwei
Trauben abgeschätzt worden ; die neuen zeigten auf ihrem Gepräge „eine
Kanne sonder Litt oder Deckel", aus der zwei Trauben wachsen und
zu beiden Seiten herabhängen. Das eine gab er seiner Mutter, das
andere seinem Bruder Bernhard, das dritte dem Kanonikus Herrn
Eberhard Becker. Als am 18. Juni 14D9 Johannes Hess in der
Pfarre auf der grossen Orgel, obgleich kaum so viel Claven und
»c §. 214.
w §. 215
y Google
- 79 —
Pfeifen, dass es geschehen konnte, gestimmt waren, den Gesang des
Salve regina begleitete , schenkte auch ihm Job ein Rathsblcygcn **.
Bei der Magdalcnenprocession im Jahre 1497 hatte das Sacra-
ment Nicolaus Kruder, Bischof von Samland, ein Frankfurter Kind,
getragen 89, was ich gerne hier erwähne , theils um das Andenken
eines sonst unbekannten, zu hohen kirchlichen Würden emporge-
stiegenen Bürgersohnes jener Zeit zu erneuern, theils weil solehe
Notizen zum Thoil die Thatsaehc erklären mögen, dass hiesige
Kirchen von auswärtigen, fern wohnenden Bischöfen mit Ablasspri-
vilegien ausgestattet wurden. Audi Frankfurter Laien finden wir in
dem Dienste auswärtiger KirchenfÜrsten, so war Dr. Georg Hell, ge-
nannt Pfeifer, Kanzler des Kurfürsten von Mainz; er nahm ein
trauriges Ende, am 5. August 1498 fiel er im Münzhof dahier in
eine noch nicht völlig ausgebaute Cloakc, und starb bald, nachdem
man ihn herausgezogen hatte90.
Wie gerne man überhaupt aus kirchlichen Handlungen ein
Schauspiel machte, beweist das Gepränge, womit am 19. August 1494
eiue Judentaufe in der Bartholomäikirche vollzogen wurde. Eine
schwäbische Jüdin begehrte freiwillig die Taufe, wie sie behauptete,
von der Jungfrau Maria selbst dazu veranlasst, eine Motivirung, wie
sie bekanntlich bis zu unseren Zeiten in speeifisch römischen Kreisen
wiederkehrt Um diesem Acte eine grössere Feierlichkeit zu geben,
hatte man vor dem Hauptaltare eine Bühne aufgeschlagen und auf
diese das Taufbecken gestellt Die angesehensten Jungfrauen der
Stadt erboten sich zu Pathinnen und geleiteten die Neophytiu in
Procession zur Kirche. Mit ihr bestiegen zwei derselben , Anna
Blumin und Christina Froschin, die Bühne. Nach vollzogener Taufe
stimmte das versammelte Volk den Gesang an : „Nun bitten wir den
beigen Geist". Hierauf führten die Jungfrauen sie wiederum in
feierlichem Aufzuge nach dem Hause des Pfarrers91. Ein anderes
kirchliches Schauspiel, das selbst damals den Verständigen zum An-
stoss gereichte, bereiteten im Jahre 1496 der Frankfurter Gemeinde
die Dominikaner. „Am 3. April nämlich, dem Ostersonntag, predig-
ten, wie Job erzählt, bei den Predigern drei zu gleicher Zeit: der
Lector auf dem Kirchhofe, der Subprior in der Kirche, ein dritter in
dem Kreuzgang (in ambitu) und überschrieen einander so, dass aus
«» §. 216. 217.
8» §. 199.
» §. 266.
»• §. 203.
Digitized by Google
- 80 -
diesen Reden dem Volke keine Erbauung (devotio), sondern nur Ver-
wirrung (confuaio) erwuchs" 9J.
Charakteristisch ist es, dass Job nirgends der Jagd als Be-
schäftigung und Belustigung der höheren Stände, wohl aber neben
dem Reiten, dem Fischfange und dem Stechen mit Krönlein und
Kolben, namentlich der Schiessübungen gedenkt. Die, welche man
später Patricier oder Junker nannte, hatten ihren eigenen Schiessplatz
auf dem heutigen Holzgraben, den man damals noch den Schies*
graben nannte, unmittelbar hinter der Kirche unserer lieben Frauen
auf dem Berge. Eine solche Schiessbelustigung wird uns in sehr an
schaulicher Weise geschildert : „Anno 1496 am 20. Juli sind uff dem
Schiessgraben zwischen den Porten by sant Katheriuen Kirchen nach
Mittag zusammenkommen in einer guten ehrlichen Gesellschaft Dr.
Florentius von Veningen, Katharina Holzhuserin, Haman, ihr Sohu,
und Margret, Hamans Husfrau, Gilbrecht, auch ihr Sohn, Eilchin
Rohrbächerin und ich Job, ihr Sohn, Katherina, Gilbrechts Holzhusen
seliger Gedächtniss Wittwe, Ludwig, ihr Sohn, Karl Honsberg und
Martha, sin Husfrau, min Joben Schwester, Johann Holzheiiner, und
haben des Unterens (Nachmittags) die Gesellen, welche wollten, ge-
schossen, um ziemliche Kleinodien von Zinnwerk; des Nachts hat je
ein Husgesäss zwei Maass Wins bracht, und nach dem Nachtmal
geschossen, Frauen und Mann, wer da wollte, bis um zehne, also
dass drei Licht by das Blatt (die Scheibe) gesteckt worden und eins
vor den Anzeiger, und nach dem Nachtmahl sind dazu kommen Ort
zum Jungen, der jüngere, und Herr Albrecht Prolin, der Hulzhuserin
zu Goldstein Kaplan.'1 Ob dieses Schiessen mit Armbrüsten oder mit
Büchsen stattfand, wird uus mcht berichtet ; doch ist mir das Erstere
wahrscheinlich M. Der Büchsen bediente man sich unzweifelhaft bei
den öffentlichen Schiessen, an welchen Bürger aller Stände und
namentlich auch der Zünfte Theil nahmen. Ueber diese liegen uns
zwei Berichte Jobs vor.
„Arn 13. Novembris 14% hat hie ein Schiessen angefangen mit
der Handbüchse, das hat gewährt drei Tag und sind der Schützen
»» §. 194.
>3 Diese Verrauthung stützt sich theils auf den Umstand, dass Job Rohr-
bach unter seinen Anschaffungen und Geschenken zwar eine Armbrust, aber
nie eine Büchse erwähnt, theils auf die freundliche Mittheilung des Herrn Se-
nators Dr. v. Heyden, der den noch am Anfang dieses Jahrhunderts bestehen-
den Scbieesplatz auf dem Graben in seiner Jugend selbst gesehen und mir
ausdrücklich versichert hat, dass derselbe nuch damals noch ausschliesslich von
den Stahlschützen, d. h. den Armbrustschtttzen, benutzt wurde.
Digitized by Google
— 81 -
106 gewesen und der Kleinod, darumb man geschossen hat, fünf und
zwanzig, mit Namen drei Ochsen, ein schwarzer Hut mit einer sil-
bernen Röhre, vier Ellen schwarzen Schamelot und zwanzig zinner-
ner Kleinod, ab Flaschen, Gläser, Fass, Gelten, Teller, Kannen etc.
Den besten Ochsen gewann Einer heisst Thomas, Büchsenmeisters
Sohn, sitzt bei der Bockenheimer Porten; den andern Ochsen ge-
wann Conrad Neuhaus, min Vetter, den dritten ein Büchsenmeister
Ton Menz ; den Hut mit der silbernen Röhre N. N. Schuhläpper
(Schuhflicker) by Sant Johann, den Schamelot gewann Dyll, ein
Lederverkaufer uff dem Krautmarkt, die Sau gewann Hans Syd,
unser Schmied, und haben die Frankfurter Schützen neunzehn Klein-
heit (Kleinod) unter den fünf und zwanzig und die Hauptkleinod
alle, usgenommen den dritten Ochsen. Und haben sie geschossen uff
dem Fischerfeld in zween Schirm (Scheiben) und die Läng des
Schusses vom Stand an bis zum Schirm ist 336 Ellen: mit einer
Schnur ist es also gemessen worden. Item hatte Schnabels Sohn
eine Pritsch, und welcher Schütze sechs Schüsse nach einander des
Schirmes fehlte, den schlug man mit der Pritschen oder musst vier
Denar geben, and schössen die Schützen zehn Schuss. Auch sind
der Kleinod, zum Ritterschuss verordnet, mit Namen zwei Hüt' und
ein Barret und ein silberner Landsknecht mit einer silbernen Helle-
barten." Im Jahre 1500 fand abermals ein Schiessen mit der Hand-
büchsen auf dem Fischerfelde statt, an welchem siebenzig Männer,
sieben aus Mainz, drei von Oppenheim, einer von Gelnhausen, drei
von Oberrad, alle Uebrigen hiesige Bürger, theilnahmen. Der Rath
hatte dazu den Ochsen und zehn Viertel Wein gegeben. Den Och-
sen trug damals des Rath es Schmied, das damastene Wams ein Fi-
scher davon, den silbernen Becher Bernhard Weiss. Es waren im
Ganzen dreissig Kleinodien, von denen die von Mainz und die von
Oppenheim je eins in ihre Herberge brachten. Die Oberräder ge-
wannen den Hut mit der silbernen Röhre im Ritterschuss. Auf dem
Schiessplatze waren drei Zelte aufgeschlagen, zwei für die Schützen,
das dritte zum Spiel Auch war eine Kegelbahn eingerichtet, auf
welcher „ein Schieb" mit einem Heller, drei mit einem Weisspfennig
bezahlt wurden; sämmtliche Kegelpreise fielen den Frankfurtern zu.
Auch diese Lustbarkeit währte drei Tage94.
Manche Gebräuche des Volkslebens finden wir in Jobs Auf-
zeichnungen zu unserem Bedauern mehr flüchtig angedeutet, als aus-
fuhrlich beschrieben. Der Anfang des Jahres war noch nicht über-
» §. 218. 219.
6
Digitized by Google
einstimmend festgesetzt. Tbeil weise datirte man Neujahr von dem
Christfeste an, und folglich vou dem 25. December, theilweise von
dem Feste der Beschneidung Christi, also von dem 1. Januar. Eine
Differenz konnte sich dabei nur für die Tage ergeben, welche zwischen
diesen beiden Terminen in der Mitte lagen. Job Rohrbach versäumt
darum bei den Daten dieses Zeitabschnittes nie anzugeben, welcher
Anfang gemeint ist ; er sagt : „im Jahr 1497, das Jahr vom Anfang
des Januars beginnend; oder am 30. December 1502, des Jahres An-
fang von dem Geburtsfeste gerechnet" ; im letztem Falle ist also das
Jahr 1501 gemeint95. Das Verwaltungsjahr lief ursprünglich wie
noch im sechzehnten Jahrhundert vom 1. Mai bis zum 1. Mai : an
diesem Tage, wenn er nicht auf einen Sonntag fiel, wurden die
Bürgermeister gewählt und die Aerater im Regimente neu besetzt **.
Die Kathsprotocolle, wie die Stadtrechnungsbücher, fangen von diesem
Termin an. Es war die Zeit der alten germanischen Mai Versamm-
lungen, sowie der feierlichen Gerichtssitzungen, die man Maigedinge
nannte. Auch sonst hatte in dem Leben der germanischen Stämme
der 1. Mai eine grosse Bedeutung Mit ihm beginut die schöne
Sommerzeit, die mau selbst geradezu Mai nannte, in der nicht nur
die Natur zum Leben erwacht und sich in das bunte Festgewand
der Farben kleidet, sondern auch in den menschlichen Herzen Lust
und Liebe sich in frischem jungem Triebe regen. In vielen symbo-
lischen Gebräuchen wurde dies ausgedrückt In manchen Gegenden
wurde am Sonntage Lätare in der Mitfasten der winterliche
Tod ausgetragen, oder auch der Winter verbrannt und der Sommer
singend begrüsst. Am Anfang des Mai's wurden im heidnischen
Norden hohe Feste gefeiert: Gottheiten, in denen sich der Sommer
oder der Frühling persqnificirte , hielten ihren segnenden Umzug.
Am 1. Mai wurde noch bis in die neuere Zeit in England, Frank-
reich, Deutschland und dem seandinavischeu Norden in mancherlei
Weise der Sommersanfang begangen, „der Sommer empfangen ' ; der
Mai wurde festlich eingeholt: dahin gehörte das Maireiten, die Er-
nennung der Maigrafen und Aehnliches; Mayen, d. h. entweder Mai
bäume oder Maibusche, Maizweige und Maisträusse wurden in die
Gemeinden gebracht. Die Maibäume wurden theils an den Haupt-
platz des Ortes, vor die Küche oder das Rathhaus gesetzt, theils
auch in grosserer Anzahl vor andere Häuser, besonders Solcher, die
man auszeichnen wollte, gepflanzt: die Maibusche oder Sträusse hef-
* 8- 71 und § 17. 33. 97. 17».
" f 119 flg
Digitized by Google
- 83 -
tete man vor die Thtiren der Frauen und Jungfrauen M. Die letztere
Sitte bestand in Frankfurt und war besonders unter den Gesellen
der Trinkstuben Üblich. Diese „steckten Mayen und Briefe den
Jungfrauen und Frauen", um deren Gunst sie sich bewarben und denen
sie dadurch ihre Verehrung bezeugen wollten. Die Briefe enthielten ein
Bild mit einer Devise. Lersner erwähnt einige derselben : am 1. Mai
1464 steckte Adolf Knoblauch seiner Verehrten einen Mayen mit der
Devise : „Und ich, wie kann ich offenbar, um den unwiderstehlichen
Zauber ihrer Beize anzudeuten; dieser Gedanke war in dem Bilde
durch einen Mann versinnlicht, der mit einem Siebe Wasser aus einem
Bache zu schöpfen versuchte. Heu Knoblauch fugte zu seinem Mayen
eine Hand, welche ein Gewicht an einer Schnur in einen Brunnen
hinabliees, mit der Umschrift: „Falscher Grund ist myra Herz onkund4*98.
Gegen Ende des Mittelalters fand man diesen poetischen Brauch un-
vereinbar mit der züchtigen Sitte, durch die man die Fröhlichkeit
gemässigt wissen wollte; Job Rohrbach erzählt: „Anno 1495 prima
maji nec poatea (am 1. Mai 1495 und später) hat man keiner Jung
frauen oderWittfrauen oder Frauen uff unser Stoben oder derglichen
May noch Brief gesteckt nach alter Gewohnheit". Aus seinen Be-
merkungen zu den Jahren 1496 und 1497 ersehen wir überdies, dass
man die Mayen nicht nur ,,vor der Jungfrauen und Frauen Thor",
sondern an die HausthUren selbst gesteckt hatte, und dass „soliches
geschehen war von den jungen Gesellen*, also von den Unverheira-
teten •». Eines andern Gebrauches gedenkt er zum Jahre 1494. Am
Tage des Apostel Bartholomäus nämlich legte er den beiden Mägden
seiner Mutter das Loos, und die Köchin Katharina zog sich den
Apostel Matthias, die Hausmagd Margaretha den Thomas 10°. Der
Zweck dieses Loosziehens war ohne Zweifal die Wahl eines Schute-
heiligen. Wie sehr überhaupt selbst gebildete Männer jener Zeit
zum Superstitiösen neigten, zeigt ein Recept, das Job Rohrbach von
einem Bürger zu Speyer, Peter Dradh, empfangen, das ihm der Pro-
tonotar des Kammergerichts, Johannes Storch, aus eigener Erfahrung
als probat empfohlen und er in seinen Aufzeichnungen gewissenhaft
eingetragen hat. Es lautet : „Wenn man brauchbares Bauholz haben
und dasselbe vor Schwamm und Fäulniss bewahren will, so darf es
" Reinsberg-Dttringsfeld, das festliche Jahr. Hai.
* Lersner II, I, 804.
»» §. 222-224.
«oo f. 226.
6»
Digitized by Google
84 -
nur bei abnehmendem Monde und von einem solchen gefallt werden,
der an diesem Tage und der vorhergegangenen Nacht mit keinem
Weibe, auch nicht dem seinigen, Umgang gepflogen hat Willst du
Steine zum Bau deines Hauses setzen, die nicht nässen oder aua-
schwitzen, wie es leicht im Winter und sonst zu geschehen pflegt, so
betrachte genau den Steinbruch und lasse an der Ostseite desselben
graben, besonders wenn die Steine in die Wände der Stuben gefügt
werden sollen. Schlachtest du Schweine, um für das Haus Speck
und im ganzen Jahre Fleisch zu haben, dann thue es bei abnehmen-
dem Mond, damit der Speck und das Fett nicht so reichlich aua-
fliesse, wie es bisweilen zu geschehen pflegt" 1<M.
Im Allgemeinen herrschte noch Einfachheit der Sitte und ehr-
bare Zucht Doch fehlte es auch nicht an mancherlei Unfug und
Muthwillen. Am 12. November 1494 wurden Nachts in der Krämer-
gasse — so nannte man die Strasse, die von St Bartholomäi nach
dem Samstagsberg führt, den heutigen Markt — alle FUsse, d. h.
Hölzer, welche vor den Thüren hingen und mit welchen die Eintre-
tenden zu klopfen pflegten, damit ihnen aufgethan werde, abgerissen
und Uber die Mauern auf den Kirchhof der Dominikaner geworfen.
Auch wurden einige Fenster der Kirche des Predigerklosters einge-
worfen. Die Urheber dieses nächtlichen Unfugs wurden nicht er-
mittelt m. Doch fehlte es auch nicht an schwereren Vergehen und
sie werden mit der ganzen Härte, wie sie der damaligen Rechtspflege
eignete, geahndet. So wurden am 6. April 1496 drei Räuber ver-
brannt, die ausser anderen Verbrechen in Dieburg die Monstranzen
und das Gefüss mit den Hostien gestohlen — einer hatte deren sech-
zehn, der andere weniger verschlungen — mehrere Almosenstöcke ge-
plündert und in Frankfurt bei St Peter einen Mann getödtet, andere
beraubt hatten. Nach Lersner wurden ihnen Infuln auf das Haupt
gesetzt, auf welchen ihre Verbrechen abgebildet waren 103. Ein An-
derer wurde am 1. September 1497 gehenkt, weil er einen Kelch
geraubt, am 16. September 1496 ein Jude verbrannt, weil er
eine Münze beschnitten hatte ,M. Hans Drach wurde wegen Unzucht
an einer Ehefrau und ihrer Schwiegermutter am 7. Januar 1497 ent-
hauptet106. Doch pflegte man die Hinrichtungen von Adeligen der
§. 227.
•02 8- 143.
§. 152. Lersuer II, I, 688.
«" §. 161. 148.
'•» §. 150.
Digitized by Google
- 85 -
Oeffentlichkeit zu entziehen. So wurde Einer (Lersner nennt ihn
Hans Flogel von Babenberg), der wegen Aufrühre (oder wie Lersner
angiebt wegen seiner Mithülfe an der Ermordung von Moschel
Henschin) in der Messe eingezogen worden war, aus Rücksicht auf
seine Eltern am 26. September 1496 Nachts bei geschlossenen Thoren
am Maine enthauptet und auf dem Kirchhof zum heiligen Geist be-
graben 10*. Bisweilen entzog indessen das Asylrecht der Kirchen den
Verbrecher dem Arm der strafenden Gerechtigkeit Als Harnes Sohn
aus Sachsenhausen mit einem Schererknecht mit gewaltsamem Ein-
bruch in das Haus zum Ellenbogen (A. 67) bei den Predigern bei
Nacht gedrungen war und einen daselbst wohnenden Bürger mit
seiner Geliebten misshandelt hatte, fluchtete er mit Tagesanbruch zu
den Barfussern, sein Helfershelfer zu den Antonitern, und so ent-
kamen sie beide 107.
Das Verhältniss zu den Dienstboten war noch ein patriarchalisches
und ungleich enger als in unseren Tagen. Sie nahmen an allen
Freuden und Leiden Theü. Job Rohrbach legt der Köchin und der
Hausmagd seiner Mutter die Loose. Er ist bemüht, in schwierigen
Fallen und Verlegenheiten ihnen mit Rath und That zu helfen. Ihre
Treue wurde durch Legate belohnt. Um so schwerer wurde Untreue
geahndet. Die Köchin Karl HynBberg's wurde wegen Diebstahls auf
den Katharinenthurm gebracht, und weil sie nicht gestehen wollte,
dreimal an einem Tage mit einem Stricke in die Höhe gezogen und
ihre Glieder auseinander gerenkt. Selbst dem harten Sinne der Zeit
musste diese Behandlung anstossig erscheinen. Auf die Fürbitte
zweier Fürsten und dreier Fürstinnen, welche auf der Reise nach
Aachen durch Frankfurt kamen, wird sie der Stadt verwiesen 108.
Auch baulicher Veränderungen gedenkt Job in seinen Tage-
büchern. Im Jahre 1494 wird der Befestigungathurm bei der Mainzer-
pforte bis zum Gct'ängniss abgebrochen, neu aufgebaut und mit weisser
Farbe angestrichen. Auf Peter und Paul im Jahre 1494 schlug der
Blitz in den Bockenheimer Thurm , schädigte den ThUrmcr und
dessen Frau und verbrannte das Gebäude; erst 1496 wurde er auf
dem alten Fundamente neu autgeführt. Im April 1496 wurde der
Rosazoll auf dem Rossmarkt erbaut ; da Job die Lage des Hauses
..uff dem Rossmarkt uff dem Hircz graben1' angiebt, so kann es noch
nicht das spätere sein, welches auf dem Grund des heutigen Zeit-
w« S. 1*6. Lersner a. a. 0. 687.
»« §. 204.
•* §. 147 vgl. §. 117.
Digitized by Google
- 86 —
mann'schen Hauses neben St. Maternus stand. 1496 errichtete der
Rath die Mehlwage auf der Eschenheimer Gasse nahe bei der Pforte
und führte einen neuen Brunnen auf jener auf, wie es scheint, den
ersten in dieser Gegend; er gab dazu nur eine Beisteuer, das übrige
mussten die Nachbaren zahlen. Die interessanteste Mittheilung, die
wir in diesem Punkte erhalten, ist offenbar die folgende: „Anno
1495 im Monat Junii oder kurz zuvor hat der Rath die Krämen von
der Weber Kaufhaus an bis hervor an das Eck der BarfUsser lassen
von neuem anfangen uffzuschlagen und dieselbige Gasse weiterge-
macht und zugegeben, also dass sie von dens elbigen Krämen um
fünf Werkachuhe weiter ist, denn sie vor war und hat man zum
ersten feil gehabt in denselbigcn neuen Krämen in der Herbst-
raess Anno 95". Wir ersehen daraus ganz bestimmt, wann und auf
welchen Anlass der Name dieser Strasse entstanden ist. Da die Öat-
liche Seite derselben mit Häusern verbaut war, so haben wir diese
offenbar beweglichen Krämen auf der Westseite längs der Kirch hof-
mauer der Barfüsser zu suchen. Diese muss darum um ein bedeu-
tendes hinter der Linie der Strasse, welche durch das Kaufhaus der
Weber und die an das Braunfels südlich sich anreihenden Häuser
bezeichnet war, zurückgetreten sein. Die Krämen standen demnach
an der Stelle der heutigen Börse 109.
Nach diesen Mittheilungen über die allgemeinen Lebensverhält-
nisse der alten Reichsstadt und insbesondere über die Sitten und das
Treiben der höheren Stände, stellen wir noch in der Kürze zusam-
men, was Job Rohrbach über sein eigenes Leben darin in der Hand-
schrift niedergelegt hat. Ueber den Gang seiner Bildung erfahren
wir leider gar nichts; nur dass er die ersten Elemente derselben in
der Stiftsschulc zu St. Bartholomäi empfangen habe, konnten wir
aus einer kurzen Notiz seines Vaters Bernhard entnehmen. Dass er
später eine Hochschule besucht habe, wird nicht gesagt ; vermuthen
aber dürfen wir es aus einer Aufzeichnung, welche berichtet, da&s
sich Elgin Rohrbächerin die Ausbildung ihrer Söhne durch Schulen
und Reisen nicht geringe Summen kosten liess. „Im Jahre 1495,
sagt er nämlich 1,ü, am 12. Tag des Monats August schenkte unsere
Mutter nach dem Mittagsmahle meinem Bruder Bernhard und mir
alle Kosten, welche wir in fremden Ländern und im Studiren aufge-
wandt hatten, und ebenso alle Bücher, und zwar mit dem Bedinge,
i°» Vrgl. Bauten und Hänser §. 156. 157. 154. 15b. 155.
"0 §. 22.
Digitized by Google
das« nach Ihrem Tode, den Gottes Gnade noch lange fern halten
möge, diese genannten Ausgaben und Bücher nicht mit in die Thei»
long fallen , sondern vorweg abgezogen , und dann erst das übrige
Vermögen zu gleichen Theilen vertheilt werden solle. Zu grösserer
Gültigkeit hat sie diese Schenkung mit eigener Hand in das Rechen-
buch unseres Vaters eingeschrieben/4 Diese Vermuthung wird noch
durch eine andere Notiz bestätigt. Er bemerkt nämlich Ui, bis zur
Zeit der männlichen Reife und der Gegenwart ihrer abwesenden
Söhne habe Elgiu Rohrbach bei der von ihrem früh verstorbenen
Gatten gestifteten Procession der Minoriten am Exaudisonntage zwei
Männer substituirt, welche den das Sacrament tragenden Priester an
ihrer Statt führen sollten : demgemäss sei er zum erstenmale im
Jahre 1494 in die Ausübung dieses Rechtes eingetreten , was uns
wohl zu dem gesicherten Schlüsse berechtigt, dass ihn bis dahin nicht
bloss seine Jugend — er stand im Jahre 1494 im 25. Lebensjahre —
sondern auch seine Entfernung von der Vaterstadt daran verhin-
dert habe. Von jetzt an hat er hier seinen dauernden Aufenthalt
und schwört am 4. Februar 1496 mit Gilbrecht Ilolzhausen und Hans
Frand den Bürgereid 112. Der lateinischen Sprache war Job voll-
kommen mächtig; aber jenes verderbten Ijateins, wie wir es etwa in
den epistolis obscurorum virorum nachgeahmt finden; von dem Wieder-
«.Twachen der klassischen Studieu giebt seine Schreibart kein Zeugniss.
Er bildet die Casus der Wörter der zweiten Declination öfter nach der
vierten; er gebraucht den indicativ, wo der Conjunctiv stehen müsste;
tein Satzbau entbehrt die gegliederte Perioden bildung, ist überhaupt
mehr deutsch als römisch. Was er eigentlich studirt hat, wird nicht
angedeutet: aus den Rechtsgeschäften, die er seiner Mutter besorgt,
sollte man fast schliessen, dass es die Jurisprudenz gewesen wäre.
In seinen früheren Aufzeichnungen deutet nichts auf die Bestimmung
zum geistlichen Stande und Berufe: was er uns erzählt, spricht für
da« Gegentheil. Im Jahre 1494 nach Ostern schenkt ihm Johann
Kropp im Hause des Johann von Meiern, wahrscheinlich bei einem
fröhlichen Gelage, eine halbe Quart Malvasier mit dem Bedinge, das*
er, sobald er sich verheirathe , eine ganze Quart dagegen
111 §. 190 und 191. Man beachte die Ausdrücke : „post mortem patris us-
qoe ad tempus pubertatis nostrae et praesentiae mater nostra substituit
ättos" etc. und ,,sed quia post obitum patres omnes nos aetate ad eatn rem
minores eramus, ac etiam cum aetas nos ablitauit, absentes eranius
ideoque mater nostra Semper duos . . . nomine noatro elegit" etc.
«" i 12.
- 88 -
setze 113. Am 19. September desselben Jahres erhält er von seiner
Mutter einen Brustharnisch, nebst einem Koller; eine Armbrust und
eine Eisenbrust11* nebst einigen Pfeilen und einem Instrument, um
die Armbrust zu spannen: wie Elgin Rohrbacherin überhaupt ihre
Gaben stets mit einer gewissen Feierlichkeit vor Zeugen zu über-
reichen pflegte, so geschah es auch hier in Gegenwart seiner Schwester
Martha und Gilbert Holzhausen's <15. In demselben Jahre kaufte er
sich einen eisernen Streitkolben, den er „Fusthammer" nennt und
ein langes Messer mit Scheide 116 ; 1495 wird er mit einem langen
Degen beschenkt 117 ; 1496 mit einem zweischneidigen Degen von
mäBsiger Länge und einem weissen gewundenen Griff, einer Gabe
des Kanonikus Ludwig Truchsess zu Mainz 118. Degen pflegten
übrigens noch im sechzehnten Jahrhundert die Kleriker zu tragen11'.
Mit besonderer Vorliebe verweilt er bei der Beschreibung von Klei-
dungsstücken und deren Anschaffung Er erzählt uns, dass sein
Grossvater Heinrich von Engel Fröschen am 14. Mai 1466 eine Horn
fessel für 145 Gulden gekauft und für ihre Reparatur sieben Gulden
gegeben, und dass dieselbe von seiner Mutter an seine Schwester
Martha durch Schenkung übergegangen sei **. Nach Faust von
Aschaftenburg war dieser Schmuck, der mit einer für jene Zeit so
ungeheuren Summe bezahlt wurde, eine Borde von der Breite einer
Hand, aus Sammt oder Guldenstücken gemacht, die an der einen
Schulter befestigt, sich über die Brust bis unter den andern Arm
hinschlang: sie war überdies mit Perlen und blumigen Federn, mit
Silber und vergoldeten Schellen reichlich besetzt und ihr Schall wurde
darum weithin vernommen; daher sagte ein noch im sechzehnten
Jahrhundert gewöhnliches Sprüchwort: „Wo die Herren sein, da
klingeln die Schellen'1 iai. Auch Job liebte eine bunte Kleidung. Bald
'» §. 24.
11 * „Unter das Wams", sagt Klüber a. a. 0. II. luf>, legte man noch ein
Bruststück von Eisenblech, das statt eines Kürasses diente, der den Körper
undurchdringlich machte. Doch hält er es selbst ftir wahrscheinlicher , da*f>
man dieses Bruststück zwischen das Wams und den Panier gelegt habe.
Wahrscheinlich ist dieses die Eisenbrust Job's gewesen.
•» §. 43.
§. 49.
»" §. 4.
»••» §. 54.
Steitz: Cnipius Andronicus, Archiv für Frankfurts Geschichte and
Kunst. Neue Folge, I, 195
■» §. 2.
»» Römer: Wohlleben der Gesellsch. Limburg S. 26.
Digitized by Google
- 89
erscheint er in schwarz gefärbtem barchenten Wams und rothen
Hosen , bald in einem neuen leberfarbenen Mantel, mit einem neuen
Gürtel umgürtet und „einem neuen welsch Säcklin" behängt Eine
besondere Mannigfaltigkeit muss er in seiner Kopfbedeckung gesucht
haben, er erwähnt schwarze, rothe und blutrothe Hute und Barrette
in allen möglichen Farben, venetianische und andere. In jeder Messe
kauft er mehrere beinerne Kämme, einmal werden ihm deren sechs
zum Geschenk gemacht 1W. In der Fastenmess 1495 schenkt ihm
seine Base Clara ein mit Gold und einer goldenen wolkigen Schnur
gesticktes Brusttuch, seine Base Margaretha ein anderes von gelbem
Sammt in. Während alle diese Anschaffungen einen unverkennbaren
Zug der Eitelkeit und Prachtliebe verrathen, macht es dagegen einen
sehr naiven Eindruck, wenn er vom Jahre 1497 berichtet: „am 10.
April hat mir min liebe Mutter an lassen schneiden zehn
Ellen schwarz londisch Tuch, mit Namen fünf Ellen zu einem Kock
und 4*/t Ellen zu einem Mantel und ein halb Elle zu einem Zipfel, uff
dass, ob. Jemands stürbe von unsern Versippten und Verwandten
(davor Gott woll mit Seligkeit einen jeden lang gefristen), dass ich
fürters nit dort" Kleider, als vor oft geschehen ist, entlehnen" iU. Bis
zum Jahre 1499 nimmt er an dem Treiben auf der Trinkstube un-
befangen Antheil, schiesst er auf dem Schiessplatze und lebt, wie ein
anderer junger Mann seines Standes. Als am 1. August 1496 Pfalz-
graf Philipp mit sieben Söhnen, einer Tochter und der Tochter des
Herzogs Georg von Bayern eine Zusammenkunft im deutschen Herren-
haus mit seiner Schwiegermutter, dem Herzog Johann von Sachsen,
dessen Bruder, dem Bisehof von Magdeburg, und einigen Fürstinnen
veranstaltete, wobei mehrere Tage im deutschen Haus und im Trier-
sehen Hof festlich geschmaust und getanzt wurde, hielt Job Rohr-
bach mit drei andern Bürgern auf Befehl des Käthes eine Nacht
und einen Tag auf dem jenseitigen Brückenthurm in Waffen die
Ehrenwache 185. Unter seinen Anschaffungen werden Bücher selten
erwähnt: im Jahre 1495 ein formulare advocatorum und ein Gebct-
büchlein im kleinsten Format, zum Ersatz für ein anderes, das der
Haushund „Fürst" zerrissen hatte iU. Erst von dem Jahre 1497 an
werden Wörterbücher, Predigten des Bruders Robert Charocholi über
■22 Vergl. Anschaffungen und Geschenke Job Kohrbach's. §. 41 flg.
'» §. 49.
§. 58.
'» §. 117. 118.
>" §. 50.
Digitized by Google
- 90
die Sünden und die Heiligen, Schriften über die Decretalien, Gebet-
bücher und auch ein Mainzer Brevier aufgeführt i2T. Von jetzt an
gehen auch die hellen und bunten Farben seiner Kleidung immer
mehr in das Dunkle und zuletzt in Schwarz über i2s. In dem lebens-
frohen Job ist eine unverkennbare Schwenkung nach dem geistlichen
Stande eingetreten. Diesen Wendepunkt scheint gleichfalls das
Reichskammergericht in sein Leben gebracht zu haben. Einer der
Procuratoren desselben, Dr. Florentius von Veningen, trat in sehr
nahe Beziehungen zum Kohrbach'schen Hause 129 ; an ihn schloss
sich vorzugsweise Job an ; die religiöse Richtung des Mannes
scheint schon dadurch angedeutet, dass Job auch ihm ein Exemplar
der Sermonen des Robert Charocholi kauft 13°. Nach der Verlegung-
des Gerichtshofes nach Worms begleiteten ihn am 30. Mai 1497
Jakob Neuhaus, Bernhard und Job Rohrbach bis Höchst 131 ; aber
schon am 19. Juni begiebt sich der letztere zu ihm nach Worms <3*
und scheint dort ununterbrochen bis zum 29. März des folgenden
Jahres geblieben zu sein. Am zweiten Christtag tritt er mit ihm
eine zwölt'tütpge Reise nach Speier und Landau an, wo ihnen überall
von den Spitzen der geistlichen und weltlichen Behörden und Andern
Gastmähler und Schmausereien veranstaltet wurden. Am Tage Jo-
hannis des Evangelisten speisen sie mit dem ganzen Klerus der Ka-
thedrale von Speier, den ganzen Tag der unschuldigen Kindlein
verbringen sie schmausend bei dem Bischof an dessen Hofe 13S.
Wir werden wohl schwerlich irren, wenn wir annehmen, dass dieser
dreivierteljährige Aufenthalt in Worms dazu bestimmt war, ihm die
specielle Appretur zum geistlichen Stande zu geben. Im April und
Juni 1498 finden wir ihn öfter in Mainz, Wonnsund Köln: vielleicht
suchte er irgend ein Pfründe ,34.
Bald darauf eröffnete sich ihm eine solche am Bartholomäusstifto.
Als am 19. August 1498 der Scholaster und Canonikus Johannes
Sommer gestorben war, ernannte am folgenden Tage das Capitel den
Canonikus Eberhard Becker zum Scholaster und Job Rohrbach ein-
*
§. 57. 60. 61.
*» §. 55 flg.
■» §. 28. 29.
"° §. 57.
§. 58.
'» §. 31.
§. 33. 34
§. 35. 37.
Digitized by Google
<timmig zum Canonikus. Nur der Decan Johannes Greifenstein war
seiner Wahl entgegen. Ala sich Job am 30. August im Chore im
superpellicium , dem weissen bis zu den Knieen herabreichenden
Obergewand mit offenen Aermeln, das alle Kleriker tragen, prasen-
tirte, und dem Decan seine Residenz insinuirte, damit er den Tag
anmerke, antwortete dieser : Die Insinuation gelte , soweit sie kann
valeat, in quantum valere potest) ! um seinen Vorbehalt in Beziehung
auf die Rechtsgiltigkeit der Wahl auszudrücken. Als demselben
während der Vesper Johannes Ugelnheimer im Namen des neuen
Canonikus 12 Albus für den üblichen Einstandswein (den vinum ad-
missionis) überreichte, versagte er die Annahme : „gebt sie, wem ihr
wollt; ich werde diesen nimmer für einen Canonikus halten/' Hier-
auf insinuirte Job seine Residenz dem Scholaster und Cantor, die sie
zu notiren versprachen. Trotzdem trug er bei der Procession nach,
der Michaelskapeile am 2. September das Rauchfass und hielt bei
dem Amte die Patene. Am Michaelstag erschien er in seinem
figenen superpellicium ; am 3. October erhielt er die niederen Weihen
in der Kirche des Predigerordens ,35. Dies hielt ihn indessen nicht
ab, mit anderen jungen Freunden am 29. October auf die Hochzeit
des Dr. Johann von Glauburg den Pfeifer zu bringen und dort zu
tanzen 1S* Fichard fand dies so auffallend , dass er in seiner Ge-
schlechtergeschichte daraus schloss, Job könne damals noch nicht
Canonikus gewesen sein; allein man darf das Leben des Mittelalters
nicht nach unserem Maassstab beurtheilen.
Die Residenz, d. h. die Pflicht der Kleriker, sich an dem Orte ihres
Amtes persönlich aufzuhalten, erstreckte sich damals meist nur auf die
ersten sechs Monate ; erst das Concil zu Trient hat die gelockerten Bande
der Ordnung wieder straffer angezogen 137. Sechs Monate nach
seinem Eintritte am lö. März zeigte daher Job dem Kapitel an, dass
seine Residenzpflicht vollständig erfüllt sei und erbat sich nach dem
Vorgange Anderer Dispensation. Da erhob sich der Decan und er-
klärte: er wolle bei diesem Acte nicht zugegen sein, nicht aus Un-
moth gegen den Petenten, der ihm darum nicht zürnen dürfe; er
möge sein Verlangen von denen sich gewähren lassen, die ihn prä-
«» §. 62.
138 §. 257. Fichard'B Bemerkung beweist wiederum, dass er unsere Hand
schrift nicht gekannt hat.
»' Sess. XXIV de reform. o. XII: Kein Kleriker, Canoniker oder Priben-
dar soll über drei Monate von Beiner Kirche entfernt sein.
- 92 -
sentirt hätten; er für seine Person wolle (ilr jetzt ihm nicht hinder-
lich sein. Damit verliess er das Capitel. Die übrigen Capitularen
und der Stadtpfarrer, der bekannte Volksredner Dr. Conrad Hetiael,
erkliirten hierauf die Residenzpflicht ihres neuen Collegen Mir voll-
ständig erledigt und gaben ihm Freiheit, zu gehen, wohin er wolle
Wir ersehen daraus, dass auch die Canoniker des Bartholomäusstiftes
nach den Gewohnheitendesselben nur sechs Monate im Jahre verpflichtet
waren, hier anwesend zu sein ; nach Ablauf dieser Zeit konnton sie
ihren Aufenthalt wählen, wo sie wollten, und auch auswärts die Ein-
künfte ihrer Präbende verzehren. Ordentlicher Weise sollten sie
während dieser Zeit keinen Antheil an den täglichen Distributionen
der Präsenzen haben Es war daher jedenfalls rechtswidrig, dass
Cochläus, der nur zwei Jahre Decan am Liebfrauenstifte gewesen
war, als ihm der Aufenthalt in der Stadt durch seine Angriffe gegen
Luther verleidet wude, am 12. December 1522 mit Notar und Zeugen
vor dem Capitel erschien und nicht nur den Fortbezug seines Decanatge-
h altes und seiner Präbende als Canoniker, sondern auch der täglichen
Distributionen verlangte, „damit er anderswo sicherer leben möcht".
Das Capitel war vollkommen berechtigt, gegen diese Forderung zu pro-
testiren 139. Am 30. März 1499, am Samstag vor Ostern, erhielt Job die
Subdiakonats weihe in der Kathedrale zu Mainz und las in Gegenwart des
Erzbisehofs Berthold die Epistel beim Hochamt Jetzt erst stimmte
der Decan Greifenstein seiner Zulassung zum Capitel zu und instal-
lirte ihn am 5 Mai ,41. Sein bisheriger Widerstand kann sich daher
nur auf die herkömmliche Anschauung gestützt haben, dass ein Laie
nicht Mitglied des Capitels sein dürfe, und dass mindestens der SSub-
diakonat Bedingung zur rechtsgiltigen Aufnahme in dasselbe sei 14>.
Die zwölf Canonikate des Bartholomäusstil ick waren nach den Namen
der Apostel benannt; Job erhielt, wie er selbst sagt, den Cauonikat
des Johannes (es ist demnach ein Irrthum, wenn ihn Fichard
Wetteravia 132 , als Canonikus des Jakobus Zebedäi aufführt) ; am
27. December 1499, dem Tag Johannes des Evangelisten, an welchem
§• 63.
«» M. S. Königatein auf dem Stadtarchiv zu dem 12. Dec. 1522. In dem
Auazuge der Uffenbachiachen Manuscripte auf der Stadtbibliothek p. 80.
«• §. 64.
'♦« §. 65.
»*» Dies wurde auch durch das Tridentinum a a 0. bestätigt: Neminem
etiam deineeps ad digoitatem, canonicatum aut portionem reeipiant, nisl qui
eo ordine aacro . . . ait initiatus, quem illa dignitas, aut canoni
catus aut portio requirit.
Digitized by Google
er vor dreissig Jahren geboren war, trug er zum ersten Male das
Almosen vom Chore aus und erwies sich an diesem Tage als Cano-
nikus dieses Apostels ui. Freilich verknüpfte sich damit nicht sofort
der Entschluss, auch von nun an sich einer apostolischen Lebensweise
zu befleissigen : er lässt sicli noch im Jahre 1500 von Frauen Kränze
aufsetzen, veranstaltet ihnen ein Abendessen und setzt den Kranz
wieder einer anderen auf.
So nahte für ihn die Zeit der letzten Weihen : am letzten Februar
1501, am Sonntage Invocavit, schenkte ihm nach dem Mittagsmahle
»eine Mutter von freien Stücken, ohne Jemand* Angehen oder Drin-
gen, mit berathem Muthe ein grosses Messbuch in rothem Leder ge-
bunden und geschmückt mit Feldern, in welchen die Wappen seiner
Ahnen väterlicher Linie sich befanden, dessgleichen eine Casula d. h.
ein Messgewand von rothem geblümtem Sammt, eine Alba, Stola,
Humerale, Manipulus und Cingulum (es sind dies die leinenen Ge-
wänder, das Schweisstuch und der Gürtel, welche dem Priester unter
Angabe der symbolischen Bedeutung bei der Weihe gereicht werden,
und die er in der Messe trägt). Diese Schenkung geschah in Gegen-
wart der Agnes, der Köchin des Hauses. Unmittelbar darauf fügte
Elgin ein kleines, älteres Messbuch bei. Nach der Vesper setzte sie
ihren älteren Sohn Bernhard von der Schenkung in KenntnisB und
verehrte ihm, um ihn nicht zu verkürzeu, zwei wahrscheinlich künst-
lich gearbeitete Kasten. Am Abend fand ein Familienessen im Hause
Bernhards statt, bei welchem die Mutter öffentlich ihre Schenkung
bekräftigte **♦.
Noch besitzt unsere Stadtbibliothek das Missale, welches Elgin
Rohrbach ihrem Sohne Job geschenkt hat. Es ist schön auf Perga-
ment geschrieben, hat gemalte Initialen und 323 Blätter in Folio.
Es befindet sich noch in der Mitte des hinteren Deckels ein Erzschild
mit dem Rohrbachischen Wappen in Relief: zwei Hände, welche die
Glieder einer Kette von beiden Seiten her umfasst halten. Vier
Erzschilder in den Ecken tragen je zwei in der Diagonale von der
rechten oberen nach der linken unteren Ecke das Rohrbachische, die
beiden anderen das Werstadtische Wappen (im mittleren Querbalken
drei Dreiecke, im oberen Felde zwei aufrecht stehende Linien, jede
oben nach rechts, unten nach links mit einer kürzereu Linie im
spitzen Winkel verbunden, dieselbe Figur einmal im unteren Felde).
«♦J 8. 65.
§. 66.
- 94 —
Auf der vorderen Decke Bind die kleinen Eckschilder dieselben, da
gegen fehlt das grosse Mittelschild, welches wahrscheinlich das Wer
stadtische Wappen darstellte. Entweder hatte Heinrich Rohrbach
der Aeltere , Bernhards Vater, der Gatte Gudegins von Wer-
stadt, dasselbe abschreiben lassen, oder war es eine Gabe seines
kunstliebenden Schwiegervaters Ulrich von Werstadt, der es ftir das
junge Ehepaar bestimmt hatte. Am 14. März 1465 schenkte es
Heinrich Rohrbach seinem damals neunzehn Jahre alten ältesten
Sohne Bernhard vor zwei Zeugen. Die Schenkungsurkunde ist Blatt
321 eingetragen und lautet also :
„Ich Heinrich rorbach der elter, scheffen zu franckfurt, be-
nennen mit dieser myner eygen bantschrifft, daz ich dies
..myn missale von eygem willen gegeben han mym soue
,,bernhart rorbach, vnd han zu gezugenys gebetten die ersa
„men heru niclas masel hart, vicarium zu sant bartholomeus,
,.vnd petrum storczisen, bacularium, myn schriber, daz sie
„hervnder auch in hantschrift geschriben han anno domini
„1465 ady *«* 14 marcij/'
„Et ego nicolaus maselhart de omstat, vicarius ecclesie
sancti Bartholomei protestor propria manu ex expeticione
Domicelli mei iUf heinrici Horbachs 8enioris,scabini francken-
fordensis, superioribus scriptis sie peractis pro vero interftüsse
testimonio
„Et ego petrus storczisen superdictus similiter protestor
manu propria me expeticione domicelli mei henrici Hor-
bachs senioris et scabiui frauckfurdensis superioribus scriptis
sie peractis pro vero interfuisse testimonio."
Folio 113i» ist das Rohrbachische und Holzhausen'sche Wappen ein-
gemalt, was erst nach dieser Schenkung, nachdem Bernhard im Sep-
Ady hier u. Bernh. Familienchronik §. 88. 90. 92 ebenso in Bernhards
italiänischer Notiz bei Job §. 7. ist aas dem Italifinischen : a' di oder addi — in
giorno entlehnt und dient zur Bezeichnung desMonatsdatums: am Tage des u.s. w.
•♦s Schwieriger ist hier der Gebrauch von domicellus zu erklären, weil da
durch der altere Heinrich Rohrbach nicht als Rathsglied der 2. Bank bezeichnet
sein kann, denn er war bereits Schöffe; noch als junger Mann von vornehmer
Geburt (entsprechend dem deutschen Junker), denn er war bereits 55 Jahre
alt. Wahrscheinlich bedeutet es hier nur den angesehenen einflussreichen Mann
Uberhaupt und in der Verbindung domicellus mens speciell den Gönner. Auf
solche Bezeichnungen zumeist bat Ficbard seine hochgespannte Anschauung von
der Abkunft und dem Range der Limburger im Mittelalter basirt, und doch ist
domicellus ein so weitschichtiges und vieldeutiges Wort, dasa es sogar den Be-
griff eines vornehmeren Dieners ausdrücken kann. Vergl. Du Cange s. v.
Digitized by Google
I
- 95 -
tember 1466 seine Ehe mit Elgin Holzhausen vollzogen hatte, ge-
schehen sein kann.
Wir kehren zu Job zurück und begleiten ihn weiter auf seiner
priesterlichen Laufbahn. Am 6. März 1501, am Samstag nach Ascher-
mittwoch, wurde er in der Carmeliterkirche zu Mainz zum Dia-
konus geweiht, las darauf das Evangelium und ministrirte dem Weih •
bischofe beim Hochamte ,l7. Da er am 6. Juni desselben Jahres, am
Dreifaltigkeitsfeste in der Bartholomäuskirche seine erste Messe
{Primiz) sang, so muss er vorher auch die Priesterweihe empfangen
haben, deren Ertheilung er nicht angemerkt hat lW.
Wir lesen von vielen hiesigen Patriciersöhnen, dass sie Canon i-
kate, Cantorien, Scholasterien und Decanate 149 an den hiesigen Stif-
tern erlangten ; nicht selten bekleideten sie mehrere dieser Aemter
gleichzeitig an zwei hiesigen Stiften, oder hier und in Mainz. So
wurde Johann vom Rhein im Jahre 1499 Decan von St. Leonhard
and hielt am 13. October seine Primiz an dieser Stiftskirche, zu der
auch Job eingeladen war154; da Primiz stets die erste Messe bezeich-
net, so ersehen wir, dass er die Priesterweihe sich erst nach seiner
Wahl zum Decan geben Hess, wesshalb auch sein Name in dem
grossen Verzeichnisse von Canonikem zu St Leonhard bei Lersner
(II, II, 185) vor dem Jahre 1499 nicht vorkommt. Mit seinem De-
canate verbindet er in den Jahren 1503 bis 1509 ein Canonikat an
dem Bartholomäusstifte. So lesen wir von Nikiaue Hücker, dass er
nicht nur im v Jahre 1512 Canonikus am hiesigen Bartholomäusstifte
geworden, sondern gleichzeitig Decan des Stiftes der heiligen Petrus
and Alexander zu Aschaffenburg gewesen ist, und doch war er nicht
einmal Priester, denn im Jahre 1514 resignirte er zu Gunsten seines
Bruders Philipp und entsagte noch vor der Priesterweihe dem geist-
lichen Stande. Umgekehrt trat Johann von Rückingen erst als Witt-
wer in den geistlichen Stand und erhielt 1503 den ceremoniellen
§. 67.
>»* §. 69.
•*» Den hiesigen Stiftern stand der Probst zu St. Bartbolomäi vor, der als
ArchidiaconuB des Niedgans, zu welchem Frankfurt gehörte, seine Resideuz zu
Mainz hatte. Unmittelbar wurde jedes Stift durch seinen Decan geleitet ; unter
diesen standen zunächst der Scholas ter oder Scbolasticus , dem die Pflege
der kirchlichen Wissenschaft, und derC^ntor, dem die des kirchlichen Ge-
sanges oblag. Diese vier waren die Prälaten des Stiftes , das zwölf Canoniker
«od eine grosse Anzahl von Vicaren hatte, üeber andere Aemter vergl. man
Helfenstein, Entwicklung des Schulwesens in Fraukfurt.
'M §. 208.
Digitized by Google
- 96 -
Besitz derCantorie zu St. Bartholoraäi m. Diese Züge deuten darauf
hin; dass die geistlichen Pfründen von hiesigen Patriciern als Sine-
kuren betrachtet wurden, in deren Besitze wohl die Meisten, wie es
Job Rohrbach that, das heitere genussreiche Leben ihrer Standesge-
nossen in allen Züchten fortsetzten, die Trinkstuben besuchten und
mit den Frauen ehrbaren Scherz und Kurzweil trieben. Trotzdem
war Job gewiss im Sinne seiner Zeit ein guter katholischer Christ;
führte mit andächtiger Devotion den das Sacrament tragenden Priester
am Exaudisonntage und besuchte mit seiner Mutter das heilige Kreuz
vor den Mauern von Mainz, um ihm seine Verehrung zu erweisen 15Ä.
Wir wenden uns zu den übrigen Gliedern des Geschlechtes.
Noch Mancher derselben ward in den Rath gewählt und hat
dem Gemeinwesen nach dem Vorbilde der Vorfahren gedient. Es
war zunächst Karl Hynsberg vorbehalten, den Glanz dieser
Stellung und ihres Einflusses über die Familie seiner Frau
zu verbreiten. Schon vor seiner Verehelich ung mit Martha Rohr-
bach war er 1487 Rathsglied und 1492 Schöffe geworden.
Am ersten Mai 1498 wurde er als solcher zum älteren, Michael
Schwarzenberger als domiccllus zum jüngeren Bürgermeister gewählt.
Sein Amtsjahr ist durch ein für Frankfurt sehr wichtiges und ein-
greifendes Ereigniss merkwürdig geworden, als dessen Urheber die
öffentliche Meinung ihn damals bezeichnete. Da Job aus nahe lie-
genden Gründen darüber schweigt, ho müssen wir unsere Nachrich-
ten aus einer anderen Quelle, dem mehrfach erwähnten Schurgischen
ManuBcripte, schöpfen. Die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts ist
unheilvoll für die Juden in Deutschland gewesen ; nicht bloss der
Clerus und das Volk, sondern zum Theil auch die Magistrate und die
Fürsten nahmen wider sie Parthei und vereinigten sich zu ihrer
Unterdrückung : fanatische Prediger wie der bekannte Minoritenpater
•Johannes von Capistrano gössen das Oel ihrer wilden Beredsamkeit
in diese Flammen. In Breslau wurden die Juden 1453 eingekerkert,
gefoltert, ihrer Güter beraubt und nach blutigen Hinrichtungen Ein-
zelner in Masse der Stadt verwiesen, weil man sie beschuldigte, ge-
stohlene Hostien gekauft und an ihnen durch Stiche und Ruthen-
streiche ihren Haas gegen Christum gekühlt zu haben, andere schle-
sische Städte folgten diesem Vorgange, dem König Ladislaus seibat
•5' Fichard Wetteravia S. 134. 110. Philipp Hell gen. Pfeffer, der Sohn des
Mainzer Kanzlers vereinigte in »ich die Stellen eines Canonikns zn St. Barthoio
maus und eines Pr&bendarius zu Aschaffenburg §. 205 n. 207.
im §. 80.
Digitized by Google
- 97 -
seine Billigung schenkte, 1453 setzte ihnen Bischof Gottfried von
Würzburg Frist, binnen deren sie sein Stift geräumt haben müssten :
1484 vertrieb Hans von Glogau die Juden seiner Stadt, weil er in
ihnen „einen Schaden des gemeinen Nutzens und ein Verderbniss
armer Leute" erblickte 1M. Dieses Beispiel ging fllr Nürnberg nicht
verloren. Auf Ansuchen des Rathes gebot am 5. Juli 1498 König
Maximilian 1. den dortigen Juden auf Zeit und Ziel, die ihnen der
Rath setzen werde, mit ihrer fahrenden Habe aus der Stadt zu ziehen ;
dem Schultheise aber befahl er Häuser, Synagoge und liegende
Guter der Juden, so wie ihren Leichenhof, ab königliche Gilter in
seinem Namen einzuziehen. Motivirt wird diese Massregel in einem
Schreiben an den Rath damit, „weil die Judenschaft Uber die Anzahl, auf
welche die Stadt gefreit worden sei, sich bedeutend vermehrt, weil die
Bürger durch deren wucherliche Händel und betrügliche Vcrsehreibun-
gen in Schulden gerathen seien, und wenn hierin keine Acnderung
eintrete, noch mehr herabkommen würden, endlich weil mehrere
Personen in ihrer Bosheit von den Juden bestärkt und dadurch Dieb-
stähle und andere böse Händel veranlasst worden Beien" 164. Mögen
auch die Juden allerdings durch ungeheure Wucherziusen eine Plage
für den bedrängten Bürger geworden sein und augenblickliche Ver-
legenheiten nur allzuoft zu seinem völligen Ruin benutzt haben —
mit ihrer Austreibung musste sich zugleich ein Quell rascher Hülf-
leistung verschliessen, der sonst offen stand. Um daher dem armen
Handwerksmann die Möglichkeit zu sichern, gegen billigen Zins auf
Pfand, Bürgschaft und Versicherung jeder Zeit Darlehen zu erhalten,
privilegirte Maximilian die Stadt Nürnberg zur Errichtung von
Wechselbänken iSb. lu demselben Jahre erfolgte die Austreibung aus
der Reichsstadt Nördlingen. Als Thatsache wird nun berichtet, dass
die Reicheren dieser aus Nürnberg Vertriebenen sich 1498 nach Frank-
furt wandten, dass sogar die grosse Synagoge für Deutschland, deren
Sitz früher Nürnberg war, hierher verlegt und dass die Zahl der
Juden in hiesiger Stadt gegen früher ungemein vermehrt wurde. Der
Clerus und die Bürger aber, welche diesen Zuwachs bei der vorhan-
denen Abneigung nur mit Missgunst wahrnahmen, wollten sogar
l» Vcrgl. die interessante Schrift: Schlesische Urkunden zur Geschichte
der Juden im Mittelalter von Dr. L. Oelsner. Wien 1864. S. 35 flg. In Be-
treff Würzburgs auch Wiener, Kegesten zur Geschichte der Juden in Deutschi,
während des Mittelalters. 1862. S. 201.
»»♦ Wiener a. a. 0. 3. 208.
i" Wiener ebenda«. Oelsner S. 9.
7
- 98 —
wissen, dass angesehene Senat. nglieder nach ihnen Boten gesandt und
sie förmlich zur UeberBiedlung nach Frankfurt aufgefordert, ja man
bezichtigte geradezu den jüngeren Bürgermeister Karl Hynsberg, das«
er unter Begünstigung und Beistand von Seiten des Hans vom Rheine,
eines der ältesten Schöffen, dies heimlich in das Werk gesetzt habe.
Diese Anklagen des Volksmundes müssen doch mehr als blosses
Gerücht gewesen sein : wenigstens trat der Stadtpfarrer Dr. Conrad
Honsel öffentlich gegen die beiden Schöffen auf und strafte sie von
der Kanzel mit einer donnernden Philippica; er wurde deshalb von
ihnen bei dem Kapitel belangt, wahrscheinlich ohne Erfolg 16€.
»6 M. S. Schurg p. 233 seq. : „Anno 1498 favore et licentia Maximilian!
regia Romanorum Norimbergenses expulerunt Judaeos, ex his ditiores Judaei,
ibidem expulsi, venernnt Francofnrtum et Francofurti facta est depost maior
Synagoga in tota Alemannia, quae prins fnit Norimbergae. Collegerunt sie
Francofurtum plures Judaeos, quam prius habuerunt, dicebatur, quod majores
ex senat u Francofurtensi misissent nuncios ad Judaeos expulsos veniendi ad se.
Nota: Consules tum temporis Francofurti fuerunt Carolus Hinßbergk et Michael
Schwartzenberger. Dicebatur, quod dictus Carolus Hinßbergk boc subordi-
naverit cum favore et adiutorio D. Joannis vom Rhein senioris, Scabini. Nota
bene: Plebanus dominus doctor Conrad Hensel concionatus fuit publice contra
praedictos duos, videlicet Joannem vom Rhein et Carolum, quare conquereban-
tur coram Capitulo. Eodem anno ex ci vi täte Nortlingcnsi expulsi sunt." Es
ist demnach unrichtig, wenn Kirchner I, 453 meint, neben Karl von Hinsberg
sei der älteste Schöffe Schwarzenberger Urheber des Planes gewesen. Michael
Schwarzenberger war damals überdies nicht Schöffe, sondern domicellns , sonst
hätte er nicht jüngerer Bürgermeister sein können, üeber Conrad Hensel1«
Tod bat das M. S. Schurg S. 198 die Notiz: „Anno 1505 quarta ante dominicam
Palmarum vitam cum morte commutavit dominus Conradus Hensel de Cassel in
Hassia, sacrae Theologiae Doctor et parochus ecclesiae S. Bartholomaei."
Leisner sagt von ihm II, A. 205: „Da er verlangte, man sollte ihm alle Glocken
läuten, giebt er gegen Abend unter dem Läuten seinen Geist auf;' er ist ein
rechter Prophet seines Vaterlandes gewesen und hat viele bevorstehende Ge-
fahren geweissagt, mit ihm sind alle Zünfte zur Leiche gegangen, so sonsten
niemals geschehen." Seit dem Anfange des vorigen Jahrhunderts ist Conrad
Hensel unter die Vorläufer der Reformation gerechnet worden. Namentlich
weiss es der Pfarrer Diefenbach dahier in seinem „bekehrten Juden" S. 117. Anm.
zu rühmen , er habe mit seinen christeifrigen Predigten die Gemüther in Frank-
furt zur nachmaligen willigen Aufnahme des Evangeliums disponirt und er-
bietet sich dafür den urkundlichen Beweis beizubringen. Diese Urkunden sind
ohne Zweifel die Aufzeichnungen des Decan zu St. Bartholomaei Job. Latomus,
welcher selbst von glaubwürdigen Leuten gehört haben will, Conrad Hensel
habe viel Widriges, was hiesiger Stadt und der Pfaffheit begegnen würde,
vorausgesagt. In welchem Sinne er dies getban, ersieht man aus den Aensse-
rungen, die ihm Latomus in den Mund legt: „von dem Stuhle, auf welchem ich
jetzt stehe, werden Ketzer predigen, hier, hier werden sie stehen in grauen
Röcken, glaubet ihnen nicht!" (vergl. Ritter ev. Denkmal p. 14). Abge-
Digitized by Google
- 99 -
Nach Ablauf seines Amtsjahres unternahm Karl Honsberg in
städtischen Geschäften am 3. Mai 1499 eine Reise nach der schwär
bigchen Reichsstadt Ueberlingen am Bodensee. Mehrere seiner Ver-
wandten und Freunde, unter ihnen Job, gaben ihm zu Pferde das
Geleite bis zum Hirscbsprung. Die Frauen, nämlich seine Mutter
und seine Gattin, Elgin Rohrbach und Michael Schwarzenberger's
Ehefrau geleiteten ihn im Wagen «T. Ueberhaupt bildete der Hirsch-
sprung, der im Walde durch zwei Steinsäulen bezeichnet war, die
Grenze, bis zu welcher man die nach Süden Reisenden geleitete:
hier hatten auch drei Jahre früher Karl Hynsberg, Gilbrecht Holz-
hausen und Job von Bernhard Rohrbach, als dieser seine zweite
Romfahrt antrat, Abschied genommen 1M.
Im folgenden Jahre wurde Karl Hynsberg durch den am 16.
December 1500 erfolgten Tod seiner Mutter Guttgin Heringen Erbe
des Fürstenecks und wurde nun nach der Sitte der Zeit „Karl Hyns-
berg zum Ftirsteneck0 genannt. Charakteristisch ist, dass Job be-
merkt, sie habe zwei Söhne Wigand und Karl hinterlassen 1M, während
er doch selbst 1W noch einen dritten Sohn Johann aufiuhrt, der nach
Fichard erst 1504 gestorben ist. Der Grund liegt darin, dass dieser in
Wahnsinn verfallen war. Job erzählt1«1: „Im Jahre 1497 am 5. März,
dem Sonntag Lätare erhielt Johann Hynsberg nach einem Zank und
Ungebührlichkeiten, die er im Hause sich erlaubt hatte, zu Hause
nrit vollem Rechte Ohrfeigen, hierauf wurde er nach der Vesper auf
dem Markt vor dem Römer ergriffen und öffentlich durch die Diener
des Rathes in das Gefängniss zum heiligen Geistfhospitale] gebracht
Am sechsten Mai desselben Jahres wurde er aus dem Gefängniss be-
freit und entlassen. Hierauf wird er im Januar des folgenden Jahres
wieder im Gefängniss eingesperrt, worin er noch jetzt sitzt". Diese
sehen davon, dass Joh. Latomus, der von 1551 hier Costos, von 1561— 98 Dechant
war, doch den Ereignissen zn ferne stand, als daas er aus mündlicher Ueber-
lieferung mehr als Sagen berichten konnte, so bewebt auch das, was er mit-
t heilt, mehr gegen, als für den reformatorischen Sinn Conrad Honsels, und be-
zeugt, dass er die grosse kirchliche Umwälzung des XVI. Jahrhunderts, wenn
er sie erlebt hätte, mehr für ein Unheil , als für ein Glück , gehalten haben
wurde.
«» §. 84.
,w §. 8.
i» §. 86.
««• §. 80.
'«« S. 85.
7*
Digitized by Google
— 100 — *
Darstellung macht den Eindruck, als ob, der Wahnsfynsanfall am
5. März 1497 der erste gewesen sei ; es scheint daher auf einem Irr-
thum zu beruhen, wenn Fichard in der Geschlechtergeschichte1'2 dieses
Ereigniss schon in den Anfang der 80er Jahre und die Erledigung
Johann Hynsberg's aus dem Kerker in das Jahr 1488 verlegt. Mit
Jobs Bericht stimmt auch, dass nach Fichard 1498 Guttgin Hynsberg
ihren geisteskranken Sohn in das Hospital zum heiligen Geist ein-
kaufte und dass ihm Vormünder gesetzt wurden. Er war nun für
die Welt und seine Familie bereits lebend abgestorben.
Im Jahre 1501 am 14. Januar Abends nach vier Uhr gab Job
Rohrbach seinen älteren Bruder Bernhard (dieser war damals vier-
unddreissig Jahre alt) und Ursula, die Tochter Johannes von Moln-
heim oder Meiern, die nachgelassene Wittwe Walther Schwarzen-
bergs, im Hause der Braut, es hiess Eisfeld (Buchgasse J. 204), und
im Kreise der beiderseitigen Verwandten ehelich zusammen. An
demselben Tage waren die Urkunden der Ausstattung, die instru-
menta dotaüa, besiegelt worden. Am 6. Februar fand die kirchliche
Bestätigung der Ehe, am 10. Februar das Beilager, am 11. die Hoch-
zeit statt. Sein Bruder Conrad weilte noch seit der Rückkehr aus
Italien in den Niederlanden, in Antwerpen ,63.
Es war der letzte Freudenschimmer, der um diese Zeit über dem
Wixhauser Hofe aufging. Am 19. December, am vierten Advents-
sonntage des Jahres 1500 verschied Elgin Rohrbächerin mit dem
letzten Glockenschlag der Mitternacht 1M. Job fühlte sich von der
Krankheit seiner „einzigen und gütigsten Mutter" so tief erschüttert,
dass er bald darauf einen stechenden Schmerz in der linken Seite
empfand. Der Sitte der Zeit gemäss suchte er sich durch einen
Aderlass am Fusse zwischen der grossen und zweiten Zehe zu helfen ;
er nennt es seine erste Blutentziehung; ein Glauburger fügt 1636
hinzu : „es war auch die letzte, wie ja bei der Aenderung der Natur
in dem fortgeschrittenen Alter Jeden grosse Gefahren zu umschweben
pflegen; dieser Job starb am 15. Mai 1502" 165. Er stand im drei-
unddreissigsten Jahre und war nur ein Jahr Priester gewesen.
Lersner bemerkt *«« : „1504 (1. 1502) stiftet Job Rohrbach in das St.
Bartholomäistift einen ganzen Ornat uff den hohen Altar, ist ein
im Familie Hynsberg.
§. 10.
§. 70.
*" §. 71.
•« II, 202 flg.
Digitized by Google
- 101 -
gülden Stüde in grün mit seiner Zugehör und einen Barth olomäum
mit Perlen künstlich gestickt, item noch einen ganzen Ornat zu dem
hohen Altar, ist auch ein gülden Stück in weiss mit allem Zugehör;
item ein roth und ein schwarz sammet Messgewand; item ein Mess-
bucli, beschlagen und inwendig figuriret mit Rohrbach's Wappen, item
einen Kelch, wieget zwei Mark Silber und 12V« Loth, verguldet, item
zwei silberne Messkannen, wiegen zwei Mark 21/* Loth", und noch
andere Sachen mehr. Nach Fichard vermachte er dem Stifte ausser-
dem 500, seiner Magd Agnes 100, seinem Knechte Martin 40 Gulden,
seinen Brüdern Bernhard und Conrad das Haus, „da er, Job, inne
gesessen, der Wixhauser Uof genannt". Seine Schwester Martha be-
dachte er nach Fichard nur mit einem überguldeten Kopf (Kelch).
Im Jahr 1504 reversirte sich das Stift über den Empfang sämmtlicher
Vermachtnisse. Conrad , sein jüngster Bruder, scheint schwächlich
gewesen zu sein, da er schon im Jahre 1502, in seinem einundzwan-
zigsten Jahre, seine letztwillige Verfügung traf; et starb 1510 unver-
heiratet. In seinem Testamente wird die Schwester Afra im Weiss-
frauenkloster zum letzten Male erwähnt Karl Hynsberg war dreimal
verheirathet gewesen, in erster Ehe 1485 mit Elgin Weiss von Lim-
burg, in zweiter 1490 mit Agnes Neuhaus, in dritter 1495 mit Martha
Rohrbach ; nur die erste Ehe war kinderlos ; aus der zweiten stammte
Ulrich, der Stammhalter des Geschlechts und eine Tochter Margaretha.
Martha Rohrbach starb 1514; von ihren fünf Kindern Uberlebte sie
nur Ortwin, der Geistlicher wurde (was ich zur Berichtigung einer
ungenauen Angabe im Archive unseres Vereins, Neue Folge II. 415
bemerke). Bernhard folgte seiner Schwester Martha schon im fol-
genden Jahre am 21. November; er erreichte unter seinen sämmt-
lichen Geschwistern allein daB Alter von 48 Jahren. Auch pflanzte
er allein mit seiner Gattin Ursula Meiern das Rohrbach'sche Geschlecht
fort Er war 1510 in den Rath gekommen und 1511 Schöffe ge-
worden. Seine Gemahlin überlebte :ihn um mehrere Jahre. Beach-
tenswerte ist ihr am 22. März 1524 errichtetes Testament, weil es
durch die darin angeordnete Stiftung von Seelenmessen noch den
gut katholischen Glauben in der ersten Sturm- und Drangperiode der
reformatorischen Bewegung verräth.
So harmlos lebte man noch unter den grossen Erschütterungen
der Zeit dahin und so fest schien, bei aller Theilnahme, die man ihnen
widmete, das Alte begründet, dass man den grossen Umschwung
nicht ahnete, den schon die nächsten Jahre in alle bestehenden Ver-
hältnisse bringen sollten. Und doch haben wir uns, wie schon ange-
deutet wurde, mit dieser Darstellung in einem Kreise bewegt, aus
Digitized by Google
welchem die Reformation in Frankfurt hervorgegangen ist; jene
heitere, gesellige Katharina Holzhausen zum Spangenberg war es,
die am 14. April 1521 den kühnen Mönch auf seiner Reise nach
Worms mit zwei Maas Malvasier erquickt und ihm die Hände ge-
küsst hat, die sich erinnerte, von ihren Eltern vernommen zu haben,
es werde Einer erstehen, der den Immunitäten des Papstes wider-
sprechen werde, und deren heisser Wunsch es war, Bruder Martin
möge der Geweissagte sein ; Ha man Holzhausen ist der thätigste Be-
förderer der Reformation geworden und auch die jüngeren Rohrbache
wandten sich später dem neuen Glauben zu. Wie sollen wir es be-
greifen, dass keine Aeusserung Jobs uns etwas errathen lässt , was
dieser reformatorischen Stimmung günstig erscheint und für sie
Zeugniss giebt? Ich glaube, man geht zu weit, wenn man schon damals
eine bestimmte Form positiver evangelischer Ueberzeugung
bei diesen Personen und in ihren Kreisen voraussetzt. Alle waren
gut katholisch gesinnt und überzeugt; aber daraus folgt nicht, dass
man auch mit den Ansprüchen der Hierarchie und des Clerus sich
einverstanden fühlte : je mehr man sich in frommer Unbefangenheit
mit den Lehren und Uebungen der Kirche einig wusBte, weil man
überhaupt über sie nicht grübelte, um so drückender konnte man
jene Anmassungen empfinden, um so entschiedener ihnen entgegen-
treten, um so zuversichtlicher auf eine Reformation der Kirche an
Haupt und Gliedern nach dieser Seite hin, der praktischen, hoffen.
Dass dies die Stimmung jener Kreise war, ersehen wir schon daraus,
dass ein Glied desselben, nämlich Gilbrecht Holzhausen zum Gold-
Stein im Schurgiachen Manuscripte den Namen osor Cleri fuhrt Der-
selbe Name wird früher dem am 22. Mai 1499 verstorbenen Henn
oder Johann Glauburg beigelegt ,67. Ohne Zweifel werden Karl
Hynsberg und Johann vom Rheine, die Begünstiger der Juden, die
von Conrad Hensel als solche Öffentlich Bekämpften und seine An-
kläger vor dem Capitel, nebst manchem Andern 168 unter dieselbe
'« S. 199. Anno 1499 die 22 Maji [vergl. Jobs Chronik §. 259] obüt Henno
de Glauburgk, scabinus Francofordiensis, osor Cleri.
168 Unter die Feinde des Clerus wird auch Clas Rückingen, der Vater
Lisas Rückingen, der hospita Melanchthon's, gehört haben. In der Urkunde
Nro. 504 des Leonhardaarehiv klagt am Dienstag nach Kiliani (am 10. Juli)
1509 der Scholaster zu St Leonhard, Nicolaus Kuhn, „wie daa sich begeben
hatte, das nechten" [gestern] „zu obents nach dem salve zwischen sieben u.
achten ich stunde uff dem Heyne by dem erwirdigen herrn Friederich zum
Wedel, euere rats genossen und elter meister", [Friedrich von Altzey, Licentiat,
1490 Rsthsgeselle u. Schöffe vom 1 Mai 1506 bis 1509 älterer Bürgermeister]
Digitized by Googl
103 -
Kategorie gestellt worden sein. So dürfte sich erklären, dass Katha-
rina Holzhausen zum Spangenberg die zukünftige Reformation von
dem kühnen Protest Luther's gegen die Immunitäten de«
Papstes erwartet
Noch einmal wendet sich unsere Darstellung zu dem Rohrbach
sehen Geachlechte. Bernhard hinterliess zwei Söhne. Johann Wolf
geb. 1506, und Friedrich geb. 1508. Bei dem älteren fällt uns der
doppelte Vorname auf, das erste Beispiel in der Gescblechtergeschichte
Frankfurts. Kr bewarb sich um Anna Knoblauch und seine Mutter
Ursula, welche diese Parthie begünstigte, hatte als Brautwerber Phi-
lipp Fürstenberg ersehen. Aber es sollte hier das alte Sprüchwort
wahr werden : „Wer das Glück hat, führt die Braut heim", Johann
Wolf musste hinter einem begünstigten Nebenbuhler Dr. Johann
Glauburger zurücktreten, dessen Bewerbung selbst Philipp Fürsten-
berg im Stillen wärmer unterstützt zu haben scheint i69. Er wusste
sich für diese Zurückweisung dadurch zu entschädigen, dass er noch in
demselben Jahre 1526 seine Hand der Margaretha Reyss reichte.
Das eheliche Glück beider war von kurzer Dauer. Am 27. Juli fuhr
der junge Ehemann mit seinem Schwiegervater und Schwager auf dem
Frühschiff nach Mainz, fiel aus Ungeschick oder, wie Königstein anzu-
deuten scheint, durch allzartes Schicklichkeitsgefühl bei Kostheim in den
Main und ertrank 17°. Sein Bruder Friedrich heirathete 1528 Katharina
Knoblauch, und nach deren Tod 1543 Stephanie Hynsberg. Er kam
1535 in den Rath, bekleidete 1539 das jüngere Bürgermeisteramt,
„hart äff dein ufer oder Staden" [Gestade] „ist komen hintervertig Claas Rückin-
gen ratsman, als ob er nicht by sinnen gewest, mich mit sampt herr Friedrichen
gewaltiglieh in den Main stossen wollen u. auch bynahe geschehen, güchaam
wir übeltheter weren, die dag also verschuldet betten, onaogesehen priester-
licher wirde und fryheit, auch stand u. ere des frommen erbaren man'B Fried-
rich'« zum Wedel; darnach mit wehrhaftiger hand sin degen gefasst, mit viel
bösen muotwilligen vorwenden, untuglichen scheltworten übergeben [verrftthe-
risch angegriffen] und angefallen." Er sagt später auch, Claa habe „geschlagen
in einer fry Stadt und am Strom des wassers fryheit gebrochen".
Fichard's Archiv II. 12ti. Die Angabe Margaretha Horngin's, dass er
damals „nit mehr denn 19 iar alt" gewesen sei, beruht demnach auf Unkunde-
Er stand im 22. Lebensjahre.
»» Königstein : „Anno 1527 den 27 Julij, im frweschiff ist Johau wolf, genant
Korbar, im abefaren vff das schiff gestigen, sein notturft zuthun, vndvß schick*
lichbeit in den Meyn nit weit von Costem gestürzt vnd also ertrunken , got
wolle der sei g. vnd barmhertzig sein etc. Sein swiger vnd b wager vnder
ander Erbar lewde sein auch im schiff gewest, aber nimand hat kunnen
helffen.
Digitized by Google
- 10* -
wurde 1542 Schöff und starb am 4. Decembcr 1553. Aus seiner
ersten Ehe (die zweite war kinderlos) überlebten ihn zwei Kinder,
Heinrich, geb 153., und Ursula. Die letztere, geb. 1534, heirathete
1550 Jeremias Bromm, Claus' jüngeren Bruder, später 1565 Hans
Hector von Holzhausen, sie starb 1580. Ihr älterer Bruder Heinrich,
der 1567 die jüngere Schwester seiner Stiefmutter, Anna Hynsberg, ge.
ehelicht hatte, kam 1566 in den Rath und mit ihm erlosch am 18. Februar
1570 der Kohrbach 'sehe Mannstamm. Denn von seinen drei Kindern
waren die älteste Katharine (geb. 1561) und der jüngste Johann
Hector (geb. 1566) vor dem Vater jung gestorben; nur die mittlere
Tochter Margarethe (geb. 1563) überlebte den Vater; sie heirathete
1579 Johann Adolf von Glauburg, starb aber schon 1597 34 Jahre
alt, die letzte ihres Geschlechtes, das zwei Jahrhundertc in Frankfurt
geblüht hatte.
Mit diesen Bemerkungen, durch welche wir die schlichten Berichte
des treuherzigen Job ergänzen, scheiden wir — gewiss nicht ohne ein Ge-
fühl stillen Dankes — von einem Manne, der, einer der wenigen unter
seinen Zeitgenossen, es der Mühe werth erachtet hat, seine einfachen Er-
lebnisse in der Vaterstadt aufzuzeichnen und dadurch, ohne es zu wissen
und zu beabsichtigen, sie nicht blos den künftigen Geschlechtern
überliefert , sondern ihnen überdies einen Blick in Verhältnisse auf-
gethan hat, die nur selten von gleichzeitigen Schriftstellern berührt
werden.
Noch bin ich den Lesern Rechenschaft über die Grundsätze
schuldig, die mich bei der Bearbeitung des Textes geleitet haben.
Da die Handschrift ein Tagebuch ist, so ist in ihr die chronologische
Reihenfolge der Notizen strenge eingehalten. Die Beibehaltung dieser
Ordnung wäre für den Herausgeber allerdings sehr bequem gewesen,
aber gewiss nicht für den Leser. Dieser würde so das Zusammen-
gehörige getrennt, das Fremde verbunden, die Leetüre ermüdend,
den Gebrauch erschwert gefunden haben. Ich habe mich daher nach
längerem Bedenken doch dazu entschlossen, die sachliche Anordnung
der einzelnen Notizen vorzuziehen. So sind vier grössere Theile
entstanden : der erste enthält die Rohrbach 'sehe Familienchronik, der
zweite die städtische Chronik, der dritte die Sittenchronik, der vierte
die allgemeine F amilienehronik ; die drei ersten Theile zerfallen wieder
in eine Reihe kleinerer Abschnitte, der letzte Theil ist alphabetisch
Digitized by Google
— 105 —
geordnet. ' Jede einzelne Notiz int zur Erleichterung der Citation
paragraphirt und das Blatt der Handschrift angegeben. Ueberall
sind Remissivnoten beigefügt, welche auf das Vorkommen desselben
Namens und derselben Sache in anderen Theilen hinweisen. Beson-
ders Hess es sich der Herausgeber angelegen sein, den letzten Tlicil .
mit solchen Remissivnoten reichlich auszustatten. Ueberall ist be-
merkt, wo in der Chronik der Name eines Gliedes Frankfurter Fa-
milien vorkommt. In verwickeiteren Fällen sind die Verwandtschafts-
grade nachgewiesen. Dieser Theil, den ich Geschlechterchronik
nennen möchte, wenn damals dieser Begriff", mit dem sieh die politische
Bevorrechtigung so eng verknüpft, schon »o bestimmt nachgewiesen .
werden könnte, wird namentlich zur Vervollständigung und theil-
weisen Berichtigung von Fichard's Gesehlecbtcrgeschiehte viele Bei-
träge bieten; ich erinnere beispielshalber an Johann Frosch zum
Burggrafen und Johann Frosch zum Aßen [Fichard: im Sandhof],
die Fichard so eonfundirt hat, dass er die zweite Hausfrau des letz-
teren, Rylgin Voclkcr, und die Kinder dieser Ehe dem ersteren zu-
schreibt. Denn hier muss, wie ich glaube, das Zcugniss des Zeitge-
nossen Job unbedingt entscheiden, zumal er mit beiden verwandt
war und alle Nebenumstände dieser Verehelichung und der ihr fol-
genden Kindtaufen auf das genaueste angiebt Ich habe anfangs
lange geschwankt, ob ich die ganze Chronik oder nur das Wichtigere
aus ihr herausgeben sollte; nicht blos der Wunsch einsichtsvoller
Freunde, sondern auch die eigene Ueberzeugung entschied für das
letztere. Dem Interesse der Dilettanten könnte eine Auswahl ge-
nügen: das der exaeten Geschichtsforschung forderte unbedingt das
Oanze. Die Orthographie und selbst die Sprachfehler sind strenge
beibehalten, nur hier und da ist in Klammern auf das Richtige hin-
gewiesen. Die Handschrift ist gut, aber mit vielen Abbreviaturen,
geschrieben. Die Entzifferung der letzteren hatte oft grosse Schwie-
rigkeiten und selbst geübte Leser von Handschriften wussten keinen
Rath: nur fortgesetzte Uebuug und Vergleichung konnte allmälig
die Hindernisse überwinden. In sehr wenigen zweifelhaften
Fällen rausste der Herausgeber sich für das Wahrscheinlichere
entscheiden nnd hat dies durch ein eingeschaltetes Frage-
zeichen angedeutet. Möge die viele Mühe, die er sich gegeben hat*
um das Werk durch seine Bearbeitung dem Gebrauche zugänglicher
zu machen, nicht ohne Frucht für die eingehendere Kenntniss unserer
reichsstädtischen Vorzeit bleiben 1
Digitized by Google
Text
L Familie Rohrbach.
1. Bernhard und Elgin Rohrbach.
§. 1. [toi. 10J Anno 1466 vicesima prima ianuarii sponsalia con-
traxerunt pater meus Bernhardus Rorbach et Eylchin, mater
mea, filia Conradi hulczhusens et Anne Sachsen, deinde decima nona
septembris bcnedictionem matrimonii in facie ecclesie receperunt, de-
post vicesima secunda septembris consumarunt matrimonium in nup-
tiis et tlioro.
Nativitates nostras in quodam alio libro scripsi.
[cf. B. Rohrbach's Familienchronik §. 103— 105|.
§. 2. [fol. 1 lj Hoc de manu patris : Emit auus meus den horn-
fessel, quem mater mea dedit marth$, pro 145 fl. Eum reformare fecit,
pro quo dedit fl. 7. Emit autem ab Engel froschen anno 1466 die
17 maii.
[Elgin's Tod §. 70.]
2. Bernhard Rohrbach.
§. 3. [fol. 1] Anno 1493 vicesima sexta marcij abiit bernhar-
dus frater meus. Eodem anno postea, octava die Apprilis, abiit frater
meus Conrad us et erat prima sua abitio. Rediit bernhardus anno
1495 die 25 maij et ludwicus hulczhusen cum eo una rursus.
Bernhardus sexta maij abiit ad Italiam anno 96. Rediit Bernhardus
septima octobris anno 96. [§. 8.]
§. 4. [fol. 5 1 Anno 1494 die 3» Augusti solui ego iob rorbach
Conrado biescher, famulo doctoris iohannis gleubergers, ex
parte matris XVII fl. auri, IX alb. in ecclesia S. bartholomei ante*
horologium, quos ipse aeeeptavit ex parte domini petri queych,
propositi in markstat, qui queych mutuauit eosdem fratri bernhardo
Senis, iuxta condicionem quitancie, quam dictus Conradus biescher
Digitized by Google
matri ex parte queych presentauit. Actum die tricessima Augusti.
Si erres, vide obligationem fratris, quam ipse pro eisdem queych dedit,
que plane informabit te.
§. 5. [fol. 8] Anno 1494 sedecima novembris arripuerunt iter
versus ytaliam Loy iostenhoffer senior, filius iohannis ryn, no-
mine , magister wolffgangus heller [§. 268] etc., cui tradidi
literas matemas et ipsis colligata erat obligatio Alexandripellen-
dorffs, quam simul ipsi commisi, vt fratri differret
§. 6 [fol. 25] Anno 1495 die vicesima maij itter arripuimus vna
simul versus wormatiam doctor ludwicus Scultetus, karolus hensperg,
aflinis meus, vdalricus nuhusen etego, et die 21. maij wormatiam veni-
muB et ingressu ciuitatis inueni fratrem meum Bemhardum et ludwi
com hulczhusen, qui nouiter venerunt italia, in quadriga, vulgo que
dicitur Rollwage, volentes ire franckfurdiam, qui ob complacentiara
mei de quadriga descenderunt et manserunt mecum wormatie vsque
ad 24 diem mensis. Eo cnim die prandio pcracto conduximus quadri-
gam, que Rollwagen vulgo dicitur, et in ea sederunt quindecim nostre
ciuitatis franckf. incolc vel fiüi : doctor adam heymbach , Iohan zum
jungen, karolus henspurg, Bernhardus rorbach, Job rorbach, Ludwi-
cus hulczbusen, Bechtoldus heller junior, vdalricus nuhuß, Gerhardus
xur Kan, .... morsfeit, wolf blum et quatuor famuli. Et in qua-
driga iuimus usque ad oppenheyra de wormatia, 25 die mane
nauigauimus in naui de oppenheym vsque ad maguntiam et cum
peruenimus maguntiam, inuenimus nauem forensem, quam ingressi
franckfurdiam nauigauimus.
§. 7. [fol. 27. Nota raarginalis Bernhardi manu exarata] Adi XI
del detto mese io beruh ardo cascai a Maganza a santo Victore in
tal modo, che non credette tornare alla pristina sanita, e fu in casa
del decano, cive di raißwigo *, di Silberberg. [Juni 1495]
§. 8. [fol. 55] Anno domini 1496 maij sexta die abiit Bernhardus
germanus meus ad vrbem eratque dies veneris, et eo equum ascen-
dente, vndecima »onuit hora. Habuit comitem vsque ad horneck do-
minum florentium de veningen, vtriusq. juris doctorem, cum famulo.
Conduximus cum nos tres vsque ad saltum cerui, qui duobus erectis
lapidibus signatus, karolus hynsberg, affinis noster, Gylbertus hulcz-
busen, cognatus noster, et ego pariter. Rediit septima octobris anno,
quo supra.
1 miswigo, vielleicht Meuswick, im Stift Lüttich im westphälischen Kreise
telegen.
§. 9. [fol. 117] Vndecima Julij Anno 1498 germanus [am Rande:
Bernhard um Horbach] cepit habitare in solitudine ortus [1. liortij; ob
morbuin Gallorum, quem patiebatur, vicesiraa tertia mensis eiusdem
abrasit crines capitis cadein de causa. Redijt in doinum deinde in
anno 1499 octaua ianuarij.
3. Ehe Bernhard Rohrbach'».
§. 10. [fol. 163] Anno domini 1501 deeima quarta januarij , et
erat die» iouis, vespere post quartam horam parura, ego Job Horbach
coniunxi matrimonial! ter per verba de presenti Bernhardum Horbach
germanum meuin, natum ex Bernhardo rorbach pie, memorie et
Eylljgyn) hultzhuseryn , et vrsulain, relictam quondam waltlieri
Seh wartzen bergers, natam vero ex ioliane de molnheym et gretgyn
dorfelderin pie memoria Acta in domo, E lß feit nuneupata, preaen-
tibus matre mea, sorore, Michaele Öchwartzenbergere et Katherine
illius legittimc, iacobi et georgii ncuhul>en, iohane de molnheym et
gretgyn sue uxoris, jacobus heller, kryngyn uxor. Hij fuere preaentes
inytioni matrimonij. Ad cenum auperuenit etMilchior, scriba ciuitatis.
Non affuit karolus affinis, quia lugebat matrem. Conradua frater
erat antwerpie. Eodem die dotalia instrumenta inter eos etc. fuere
sigillata sex sigillis, quorum vnura meum est.
Eodem anno sexta febniarij et die beate dorothee Virginia, et
pro illo anno extitit dies sabathi ante dominicam aeptuagesimam,
ratihabitio et solemnizatio matiimonij supradicti habita est in fatie
ecclesie. Eodem anno, deeima vero febniarij, primum aimul condor-
mierunt, et erat dies Mereurij post dominicam septuagosirac. Altera,
que dies iouis erat, dies nuptiarum babitus est cum amicis etc.
4. Job Rohrbach.
») Lebenscreignissc im Allgemeinen.
§. 11. [fol. 1] Anno 1494 in die seti bonifacii, quo est dies quinta
Junii, primam peregi czecham in stuba mea ezu lebenstein et solvi
VI h.
§. 12. [fol 1] Anno 1494 post pascam donavit mihi Johannes
Knopp mediam quartam malmaseti ea condieione, ut cum ducerem
uxorem legitimam, solverem quartam integram. Actum franckfordie
in domo Johannis de molnheym
Digitized by Googl
§. 13. [fol. 2] Secunda die junii in anno 1494 equitavimus ad
bonmesB et in societate erant , videlicet niater mea, sororque et
Jacobus et Udalricus nuhusen et heynricus de Andernacli et ego cum
duobus soldatis, cenauimus in Castro, tenebat enim locum officialis
Johann holczheimer in dicta ciuitate et Castro. Tercia antem die
junii omnes rediebamus, supervenerunt autem Gorg reyss et Gorg
matroff, qui eadem die mane equitarunt usque ad bonmess et in re-
deundo tennerunt societatera nobis.
§. 14. ffol. 3] Anno 1494 die Junii undecima equitavi cum
nobili nicolao de babenhusen ad Castrum zum goltsteyn, nec ego in
dicto castro antea fui (tenebat enim locum officialis in dicto castro,
quia pater suus, henn de babenhusen, longo tempore in eo fuit officialis
et mortuo patre prefatus uicolaus ad tempus vicem officialis funge-
batur), et ibidem noctem in gaudio peregi. Altera die, que erat dies
XII Junii, redii cum prefato nicolao et Anna matre sua, et
pransi sunt cum matre. Prandio peracto in navicula parva omnes
infra scripti descendimus cum Anna et filio ejus, nicolao de baben-
husen, ad dictum Castrum zum goltsteyn, videlicet Eylchin rorbecherin
et ego iob et soror mea martha et mergin uxor junghens, vicini
nostri, et consurapsimus noctem ibidem in gaudio. Tredecima autem
die Junii omnes supra nominati redibamus et adduxinius luchelin de
haczsteyn, uxorem heyncz kryegen, et raansiinus in orto [horto] nocte
illa et altera die usque post sextam horam post meridiem, quia tunc
reversi sunt nicolaus cum matre ad Castrum zum goltsteyn et nos
alii ad domum.
§. 15. [fol. 8] Anno 1494 decima quarta nouembris for ich zu
nacht myt vlrich nuhussen off syn schieden.
§. 16. [fol. 9] Anno 1494 decima octaua nouembris in naui des-
cendimus Gylbertus hulczhuseu et ego iob, adduximus nobiscum
Blasium de hulczhuseu ad maguntiam ad domum Georgii helle,
Sigilliferi episcopi maguntini, vbi gratia studii est. Et est primus
exitus sui de franckfurdia.
§. 17. [foL 20] Anno 1495 secunda maij Katherina hulczhuserin
et mater mea iuerunt ad Wisbaden, dehinc 5»* maij Gylbertus et ego
descendimus maguntiam et conuenerunt prefate ad nos in domo d.
heynrici de sylberberg, vbi omnes hospitati eramus. 6«* maij mater
intrauit maguntiam et ego vna etc. et emit mihi VI vlnas panni,
leberfarb pro vj fl., 7""* maij rediuimus omnes simul. Ex iam dicto
panno confecta est vestis, que vulgari nostra hasack [cf. §. 191]
- HO -
appellatur , subducta pellicula , vulgo merderkeln* dicta , quam
veatem indui die nathiitatia Christi, anno 1495, annum ab initio
ianuarij inchoando.
§. 18. [fol. 26] Anno 1495 penultima maij descendi maguntiam
ex parte nostre familie ad primitias domini alberti brollyn 3;
inuitauerat enim omnes noa, sed nec mater, [g. necj frater, nec soror
interesse poterant, descenditque mecum Katherina hulczhuserin, Agnes
yrgeschameryn, Gylbertua hulczhusen, fiKus Katherine, qui omnes
aderant priiuitiis, et cantauit priniitias die vltima maij, que tunc erat
dominica exaudi, in eboro ferreo in eccleaia maiori magunti§ et pro-
pinaui ipsi duoe fl. ex parte matris, fratris et mei. Debinc secunda
junij mane Eatherina hulczh userin et Agnes yrgeschamerin mane de
maguntia iuerunt ad wisbaden et ego redii franckfurdiam. Bedierunt
autem domina Katherina, relicta iohannia hulczhusens, et Agnes
yrgeschameryn de termis wissbaden franckfurdiam vltima die Junij.
§. 19. [fol. 27 J Anno 1495 tertia Junij solatij causa iuimus pis-
catum ad husen, videlicet mater mea, Bernhardus, frater ineus, niartha,
soror mea, ego iob, Katherina hulczhuserin, relicta Gylberti, ludwi-
cub filiua eius, hamandus hulzhusen, margareta uxor sua, Jacobus
nuhusen et Magareta, uxor friderici faut, et ibi peregimus diem in
gaudio et nocte rediuimus circa horam aextam, nec febres terciane
arripuerunt me, qui et Semper altero die frigora et calores sustuiui
septies, vsque destruxeruntque ac exhauserunt vires meas omni-
modo; tarnen de gratis dei dereliquerunt me febres die deeima sexta
Junij, sed rehabui et durarunt itterum vsque ....
§. 20. [fol. 27] Anno 1495 aexta Junij descenderunt in naui
mater mea, frater meus bernhardus, martha aorror mea, katherina,
relicta Gylberti hulczhuaens, ludwicus filius suus , Margreta, hamandi
hulczhuaens vxor, karolus henspurg; aic namque mulierea iuerunt ad
wiabaden pro aolatio katherine hulczhuserin, viri vero expectarunt
mulieres maguntiam. Duodecima die Junij redierunt mater, frater,
aoror et karolus henspurg, eo quod ego infirmabur, et ludwicus hulcz-
husen venit cum ipsis, sed rursus deacendit Ceteri manserunt maguntia
penes cancellariam.
[Bernhard fallt in Mainz. §. 7]
§. 21. [fol. 27] Anno 1495 die tredeeima junij sumpsi primam
clisteriam ex persuasione doctoria iodoci medici et dedit
* Köl, köle, Halatheil beim Pelzwerk.
3 Spater Kaplan von Katharina Holzhaosen in ihrem Hause zum Goldstein
vergl. §. 217.
Digitized by Google
- m -
mihi eam iodocua appotecarius. Antea ullam habui, nec recepi
temporibus vite mee.
§. 22. [fol. 33] Anno 1495 die duodecima mensis Augusti pran-
dio peracto raater donauit Bernharde germano meo et mihi omnes
expensas, quas consumpsimus in partibun alienis et studijs, item
et libroa, eaque condicione donauit, ut preeipue hec habeamua adeo,
quod in diuisione bonorum poat mortem matris (quam deus sua gratia
cum salute longa velit perseruare,) expenBe et libri predicti non veniant
imponenda cum aliis rebus, sed preeipue hec capere debeamus, dehinc
ad equalea portiones cum aliis admitti. Et ut valeat donatio, sua manu
inscripsit in librum reddituum patris hanc donationem.
§. 23. [fol. 35] Anno 1495 quarta septembris hatt Hartmann....
der Bcherrer, Elsen .... der kochmeytt zum goltsteyn die Ehe ge-
lobett vnd verheyssen vnd den winkauff gedruncken. Dehinc
nuptie habite sunt zu lympurg 19octobris, et interfuere genitrix mea,
soror martha et frater bernhardus et ego, anno, quo supra.
§. 24. [fol. 49] Anno domini bisextili 1496 die quarta februarij
iurauünua vna simul ciuilitatem, hoc est iuramentum ciuium franck-
fordensium, videlicet GylbertuB hulczhusen, ego iob rorbach, hans
frunt, filius heyncz fruntt. Prestitit nobis iuramentum Jacobus geych.
Actum ym Romer yn der rechenmeyster Stoben. Soluit quilibet II 15
pro intitulatione. Prefatus hans frunt obijt in anno 1497, die . . .
§. 25. [fol. 54] Anno 1496 die 19 Apprilis ineepi bibere Siro-
pium tempore eo, cum ibam ad lectum dormitum, etocto bibi ordine
post octo dies et 26 die prefati mensis aeeepi pulueres in vino mane
hora quarta, que purgarunt ventrem et quatuor sedes operabantur.
§. 26. [fol. 55J Anno 1496 duodecima maij, eoque die colebatur
festum gloriose ascensionis in celum Jesu Christi redemptoris, suseepi
infantem de fönte baptismatis, quem secundum meum nomen nominaui,
Job videlicet , primumque meum est, retro namque alium de bap
tismatis fönte non eleuaul Nomen genitoris infantuli .... genitrieb
vero nomen est kryn, soror gissen he ns, laboratoria nostri, legitima
uxor prefati genitoria.
§. 27. [foL 56] Anno 1496 die 18 maij mater, ego et Ludwicus
hulezhuaen iuimua ad wisbaden, deinde 25 maij de wisbaden iui ego
ad costem [Koatheim], volena ibidem ad naueni forenaem, sed nequiui
ob Talidis8imum ventum flantem et ea nocte quieui maguntie ibidem-
que amisi canera nostrum moezschelgyn, aicque 26 redij franckfurdiam.
Rediit de wisbaden ad franckfurdiam genitrix 28 maij. Rutbub die trice-
stmaOUbertus hulczhusen et ego pariter de franckfurdia iuimua ad wis-
baden ad matrem »uam et rediebamus noa pariter cum matre vltima maij.
Digitized by Google
§. 28. [foL 56] Anno 1496 die 20 junij cum doctore Florentio
Licentiatus georgius schrottlyn et ego iuimus mane iii naui mogun-
tiam et maguutie currum conduximus eodem die et vehebamur ad
wormatiam, et die 25 junij vehebamur de wormatia ad spiram; ibidem
maiiBiraus vsque ad 25 junij ; co enim die de spira vehebamur ad
maguntiam, 26 junij ascendimus mane in naui franckfurdiam
[Job Rohrbach hält in Sachsenhausen mehreren anwesenden
Fürsten 15 Stunden lang Ehrenwache. §. 118.]
§. 29. [fol. 61] Anno 1496 quarta Augusti dominus doctor Floren-
tius de veningen et ego vna profecti sumus maguntiam, quinta Augusti
de maguntia ad wormatiam, sexta Augusti ascendimus ad spiram,
durauimus ibidem vlique ad diem nonam Augusti. Ea namque die
iuimus ad oppidum Landawc, quod distat a spira railiaribus quatuor;
moram ibi egimus vsque ad sedecimam Augusti, qua nunc reversi
sumus ad Spiram. Iilic mansiraus vsque ad vicesimam primam Augusti.
Fadem die ad wormatiam venimus, vicesima secunda augusti
rediebamus maguntiam, ibidem moram egimus vsque ad vicesimam
quintam Augusti, illa namque die rediuiraus franckfurdiam.
§. 30. [fol. 88] Anno 1497 die secunda maij iuimus pariter
gemtrix et ego vna cum katherina, relicta gilberti hulczhusens, et
Ludwicus hulczhusen, katherine filius ad wisbaden ibique visitauimus
katherinam, rclictam iohannis hulczhusen, quc infirmabatur. Duraui-
mus ibidem vsque ad quintam maij. Ea namque die maguntiam veni-
mus. Sexta maij mater et ego pro deuotioue visitauimus sanctam
crucem extra muros maguntinos. Septima maij et dorainica post ascen-
sionis rediebamus mater et ego franckfurdiam. Alii manserunt cum
vxore cancellarij, doctoris pcffer.
§. 31. [fol. 91] Anno 1497 die tricesima maij nobilis vir doctor
florentius de veningen, Iuditij camerc celeberrimus Advocatus, abiit
deque franckfurdia transtulit se cum libris atque omni suppelectili
wormatiam. Cum eo descendimus in naui nos tres, Iacobus neuhusen,
Bernhardus Horbach et ego Job, frater suus, usque ad hoest, de boest
pedestres rediimus franckfordiam. Eodem die indui nigram simplicem
tunicam, cuius mentio habetur fol. 87 [§. 58]. Eodem die prima cerasa
comedi pro illo anno.
§. 32. |fol. 93] Anno 1497 decima nona junij exiui franckfurdiam
et veni eo die wormatiam, ibidem intraui habitationem domini florentij,
V. I. doctoris ac ex suis progenitoribus nobilis.
§. 33. [fol. 104] Anno domini 1497.annum ab exordio Januarij
inchoando, ipsa die Steffani prothomartiria, que est 26 decembris,
ascendi cum nobili V. I. doctore, domino florentio de veningen, spiram,
Digitized by Googl
- 113
die Johanis evangeliste pransi sumus in cetu omnium clericorum maioris
ecclesie spirensis, intereratque et dominus episcopus ea die; cQnauimus
com episcopo in sua curia die inocentum tota; cum Petro drach fuimus
29 decembris nocte inuitati a consulibua spirensibus. Tricesima de-
cembris ascendimus ad landauwe, 31 eiusdem pransi sumus ibidem
cum sculteto. . . . Depost secunda ianuarij anuo 1498 a consulibus
inuitati comparuimus et in prandio et in cena. Tertia januarij rursus
iuimus ad spiram, ibidemque mansimus usque in quintam diem eius-
dem, in quo rediuimus wormatiam.
§. 34. [fol. 93] Anno 1498 vicesima nona martij exiui wormatiam
et tricesima eiusdem, que erat tunc veneris post letare, redij franck-
furdiam.
35. [fol. 113J Anno 141*8 die 19 apprilis et quinta pasce. des-
cendi maguntiam, 2ü ascendi wormatiam, vicesima prima descendi
a wormatia maguntiam, 23 descendi in naui de maguntia et 24 eius-
dem mensis venimus Bemhardus et ego pariter coloniam, ibidem ego
mansi vsque ad vndecimam maij illius supra dicti anni, illa die Iacobus
neuhusen et ego ascendimus usque ad wyntcr, 12 die ad cappel,
14 ad bacheracb, 15 versus maguntiam, sedecima maij ego solus
ascendi wormatiam, de wormatia descendi 24 maij vna cum domino
Florentio de veningen maguntiam, et erat pro tunc dies ascensionis
domini, 26 maij de maguntia solus ascendi franckfurdiam.
§. 36. [fol. 116] Anno 1498 die 16 junij iuimus genitrix et ego
et Katherina, relicta uxor Gilberti hulczhusens in spangenberg, vna
cum aliis ad hanawe, vbi in [17] eiusdem mensis dominus Caspar. . . .,
filius sculteti, ibidem suas primitias seu primum suum diuinum cele-
brauit, ad quod vocati eramus. Inuitauit nos dominus plo-
banus in steynheim. Ibidem die 18 fere tota fuimus, nisi quod noctu
regressi fuimus ad hanawe. Decima nona sumus reuersi mensis eius-
dem. [Dieser Plebanus zu Steinheim ist Niemand anders als der
bekannte Johannes de Jndagine.]
§. 37. [fol. 117] Anno 1498 prima julij iui maguntiam, secunda
ascendi wurmatiam, ibidem duraui vsque ad nonam julij , qua redij
moguntiam, decima autem franckfurdiam.
§. 38. [fol. 127] Vicesima nona octobris nuptie habit«? et consu-
mate inter zu nasawe et Katherinam, filiam Eberharts des
motters [§. 39], ad quas vocati fuimus mater egoque et comparui-
mus. Actum die supradicto, anno 1498. [cf. §. 39 ].
§. 39. [fol. 144] Anno 1499 vicesima octaua augusti et die
mercurij per suseeptionem infantis, quem secundum nomen meuin,
iob videlicet, vocaui, compater sum factus Casparis de nasawe et
8
Digitized by Google
- 414 -
Katherine, filie. Eberhardi des sackdregers, vxoris dicti Casparis, et
is in ordine est secundus, quem suscepi.
[Job tanzt auf der Hochzeit des Dr. Joh Glauburg als Cano-
nicua §. 257.]
[Job'a Gastmahl 1500 §. 221.]
§. 40. [fol. 155] Job zag, meus patrinus. Anno domini 1500 die
21. junij, que exstitit dominica infra octauam corporis Christi, de
fönte baptismatis suscepi infantera, quem secundura meum nomen,
videlicet Job, vocaui, filium Hanß krehers, eyna sporers, et £113, vxoris
sue, et is per ordinem est tertius, quem auscepimua etc. Mortuus est
intra dies puerperij infans.
b) Anschaffungen und Geschenke Job Rohrbach's.
§. 41. | fol. 4] Anno dßi 1490 in die S. Laurencij indui primuro
lambasium pictum, w"r den thobin, coloris morgensgrauwe una cum
caligis eiusdem coloris.
§. 42. [fol. 6] Anno 1494 quarta aeptembris indui nigras caligas
ad antiquum lambasium nigrum.
§. 43. [fol. 6] Anno 1494 xix aeptembris donauit mihi mater
loricam, colerium lorice, balistarn vnd eyn ysaen bruat, cum aliquibua
telia et inatrumento, quo baliata tenditur, presentibus Gilberte hulcz-
huaen et aorore mea Martha.
§. 44. [fol. 7] Anno 1494 nona nouembria thett ich eyn schwarcz
gefyrne8t barchen wameß zu mynen rotten hossen.
§. 45. [fol. 8] Anno 1494 duodecima nouembria poat meridiem
in domo zum goltateyn donauit mihi Gylbertua hulczhuaen ymagines
pictaa duaa, quarum quelibet habet formam vite et mortia. Mas
caput tenet vite et corpua mortuum; e contrario ymago femine, et sunt
picta super pannum, pannuB autem bituminatua et affixus est ad
afferulaa. Donum comitiase de atolberg.
§. 46. [fol. 15] Anno 1495 decima nona februarij thet ich eynen
neuwen leberfarben mantell vmb vnd eyn neuwen gyrttell vnd eyn
neuwen welsch secklin hing ich by mich.
§. 47. [fol. 17] Anno 1495 tertia marcij indui caligas, wulgo
roaet, una cum lambasio.
§. 48. [fol. 18] Anno 1494 in nundinis quadragesimalibus emi
cultrum longum sandalie manubro pro i fl. iii alb., item clauam fer-
reain, eyn fusthamer pro xi alb., item duoa pileoB, nigrum et rubeum,
Digitized by Google
- 115 -
pro quindecim albia, item duo byrreta aPhilKppo vgelnheymer, rubeum
videlicet et sanguineum, emi pro xl ß franckf.
49. [fol. 18] Anno 1495 yn der fasten meß hab ich mir kaufft
eyn esser vor viii alb., item hat myr myn waU Clar eyn brostuch
gestyckt myt golt vnd eyn gülden wolckicht schnor daruff geschenckt,
kost ii gld. minus i ort Item myn wa£ Margret geschenckt eyn gel
samett brostuch. Item Erben tagel hat myr geschenckt eyn langen
thegen, item vi beyner kern.
[Geschenk von Elgin an Job in Mainz. Mai 1495. §. 17.]
§. 50. [fol. 36] Empta et donata in nundinis autumnalibus
anno 1495.
Eyn schwarczen hutt kauft ich vor vii alb.
Eyn vocabularium Catholicon pro i fl. iiii alb.
Item formulare advocatorum et procuratorum et orationale in
forma minima pro fl Vnum orationale laniendo rupit
cauis noster füi*st.
§. 51. [fol. 53] In nundinis quadragesimalibus anno 1496 emi
byretum nigrum venetianum pro xiiü alb. in vigilia annuntiationis
beate Marie.
Die 29 martij emi iij ulnas velon Rosetten färbe, ulnam pro
ii fl- iii summa 5 fl. 18 0. De prefata summa donauit mihi mater
iii fl ; indui vii junü anno supra.
Item nigrum byretum donauit mihi Katherina hulczhuserin zum
goltatein uecunda apprilis, que erat vigilia pascatis.
Vnum pater noster de corallo, cui sunt viginti corrali numero et
duo argentei et deaurati kneyff, et est de optimo corallo, donauit mihi
Margreta cognata zum thorn, [§. 244], die 15 apprilis eo die celebra-
batur festum Corone et Lancee.
§. 52. [fol. 54] Anno 1496 vicesima sexta apprilis perfectus est
annulus per Danielem .... aurifabrum, in quo est lapis impositus,
cui insculpta sunt arma mea, suppositis veris coloribus armorum,
pro quibus conficiendis exsoluit germanus meus Bernhardus rorbach
rotne duos ducatos largiter, donoqne dedit mihi; pro factura annuli
ducatum unum exsoluit et hunc donauit, item magnam partem auri
donauit, ex quo auro annulus formatus est
§. 53. [foL 61] Anno 1496 secunda augusti donaui domino doc-
tori Florentio de Venningen aleam paratam cum asseribus. Pro alea
dedi aureum, pro tabulis sex ß , pro ferramento, quibus clauditur et
aperitur, 5 albos.
8*
— 116 -
§. 54. [foL 62] In nundinis autumnalibus anno 1496
emit mihi mater pectinem coraenm pro xiii den.;
duos pectines corneos emi pro 26 den.;
eyphum de ligno fraxino, wulgariter eschenhulcz, pro
6 ß. emi;
pro tabula lignea, in qua scribitur, 20 den.;
pro iii pectinibus ligneis 6 alb.;
pro pileo nigro 7 alb..
Franeiscum petrarcham in omnibus operibus die 16 septembris
donauit mihi doctor Florentius de veningen.
Eyn thegen myt eym wissen gewunden hefft ist lang, vnd doch
nyt zu fyll, kaufft vor 24 alb., vnd schnyt zu beyden sytten, donaoit
illum frater D. Laurentio truchses, canonico maioris ecclesie mogun-
tinensis, etc. act. 22 martij et mercurij post palmarum anno 1497.
§. 55. [fol. <38] Anno 1496 vicesima sexta uouembris emit mihi
gcnitrix vi vlnas panni eyner tunckelen färb oder rauchfarb, vlnam
pro 22 l\ Emit ab Hartmudo gryff, curauitque mihi subduci nigri«
pellibus induique eam primum quarta decembris, que est dies »acre
Barbare virginis.
§. 56. [fol. 73] Anno 1497 secunda ianuarij donaui aliam Käthe-
rine hulczhuseryn zum goltstcyn, pro qua solui 6 alb.; asseres, que
in ea sunt, donauit mihi mater. Donaui insuper vnum paruura col-
tellum, quorum quatuor habui de colonia, pro quibus solui 22 alb.
§. 57. [fol. 84] In nundinis quadragesimalibus anno 1497
duos pectines emi pro 7 alb., eyn eser* pro 9 alb.;
sex [vier?] Elen schwarczen meylendeschen samet kaufft myn bru-
der vnd zweyen zu wamessen, die Ell vor ii gülden iiii ß, fach
in summa xiii fl. Emptura 20 martij et die lune post palma-
rum: indui diploidem factam ex veloto prenotato, die 21 maij,
beate dominica trinitatis Anno 1497.
6 alb. vor zwen stcynen krug zu lougen ultima martij.
2 kleyn bettbüchlin kosten vi alb. yn zu bynden vnd funff alb.
rohe, unum dedi germano Bernhardo.
Sermones fratris Roberti charocholi, duas partes, de peccatis
videlicet et de sanctis, pro quibus solui 16 & Et pro ligatura
eius iiii alb., itterum emi partera de sanctis pro octo quam
dedi doctori Florentio de veningen.
§. 58. [fol. 87] Anno 1497 die decima apprilis hat mir myn
liebe mutter an lassen schniden x eilen schwarcz londeach tuch, mitt
— -*
♦ Eser = Beutel.
Google
namen v eilen zu eym rock vnd iiiij elen zu eym mantell vnd eyn
halb eil zu eynem zyppffel, vff das, ob yemants storb von vnseren
voreipten vnd gewanten, da vor gott wol mitt selligkeyt eyn jeden
lang gefliesten, das ich furters nit dorff kleyder, als vor offt gesche-
hen ist [dorff] cntlehenen. Soluit pro vlua decem et octo solidos et
qoatuor obulos, suma autem decem vlnarum septem fl. sedecim ß iiii h.
Tonicam induj die tricesima maij anno supra.
§ 59. [fol. 100 1 Anno 1497 decima octaua septembris misit frater
wurraatiam mihi scriptorum magnum cum variis capsulum, pro quo
soluit x alb. Depost 23 misit mihi idem frater optimum rubcum du-
plum biretum Scharlach, item pcctiuem corneum cum receptaculo suo,
factum [facto] de corrio.
§. 60. [fol. 112] Anno 1498 die 5ta apprilis emi spcculatorem in
impressura ipsius Baptist? de tortis cum additionibus do. Andree, pro
ligatura illius dedi ii alb. et pro corpore libri seu libro ipso 4 fl.
§. 61. [fol. 119) In nundinis autumnalibus anno 1498.
Emi practicam ferrariensis, Tractatura clausularum, Summam
Gottfredi super tit decretalium pro ii fl. et in unum volumen
feci illigari.
Breviarium maguntinum, impressum venetiis, ligatum pro i fl.
Vocabularium, vbi theutonicum latino prcponitur, et vocabu-
larium doctoris Jodoci etc. pro 8 alb. et in unum feci ligarl
Eyn lideren brun kleyn wezschen oder aser pro 8 alb.
[Elgin Horbach schenkt ihrem Sohn Job das Familienmissale
und die priesterliche Kleidung. §. 66.]
c) Job Rohrbach* Canonikat und Weihen.
§. 62. [fol. 120] Anno 1498 vicesima Augusti dominus Johannes
wimer, canonicus et scolasticus hic in ecclesia sua diui Bartholome!
sepultus est, obiit autem 19 eiusdcm; domini autem de capitulo con-
corditer mc ad praebendam elegerunt, solo domino Johanne gryffen-
stein obstrepente, illiusque possessionem mihi traddiderunt vicesima
augusti iam memorati sub completorio, et erat dies mercurii, sicque
die mercurii natus, die mercurii praebendam adeptus. Deinde domi-
nus Eberhardus becker scolastriam obtinuit. Ego primum chorum
ingressus induto superpelitio die veneris et ultima augusti post nouam
boram de die iusinuaviquc residentiam decano, ut diem notarct, qui
rcspondit: valeat, in quantum valcre potest. Sub vesperis vero die illa
obtulit sibi dominus Johannes ugelnheimer xü albos pro vino admis-
sioiÜB, quoß accipere renuit, dicendo: cos dandos, cui vellent, me pro
canonico minime reputaret; hac de causa motu» residentiam tone
inchoatam et scolastico et cantori ittidem insinuavi, ät diem et horam
notarentj qui et polliciti mihi sunt. Depost dominica et secunda sep-
tembris anno, quo supra, primum ivi in processione ad sanetum
Michaclem in aspersione aque benedicte, in vigilia natiuitatis Marie
et die ipsa portavi thuribulum et tenui patenam sub officio. Super-
peiitium proprium novum primum indui ipso die ac die Michael
archangeli supradicto anno. Die raercurii post Michael et tertia
octobris suseepi hic (apud fratres predicatores in capella chori ibi-
dem, que sita est in latere dextro, dum vertea ante altare fatiem)
ordinem aecolitatus. Secunda decembris et prima dominica aduentus
anno, quo supra, indui primum cappam nigram, que more ecclesiarum
hic solet differri tempore aduentus, septuagesime et quadragesime etc.
[Bernhard Rohrbach tanzt auf der Hochzeit Dr. Johanns von
Glauburg und der Margaretha Horngin am 29. October desselben
Jahres §. 257.]
§. 63. [fol. 120] Anno domini 1499 die veneria post domin icam
letare, que erat dies xv martii, insinuaui dominis de capitulo capituli
congregati [fol. 121] residentiam meam completam fore et me porro
relaxari ad ambulandum etc. more aliorum petii. Cum hoc iam pre-
tendebam, decanus cum intellexit, de capitulo surrexit et abiit dicendo
intra hoßtinm [ostium] capituli ad me, se non velle interesse huic
actui, non in despectum meum, quare Uli succensere non deberem,
sed debere me petere ab hiis, qui me presentarunt, que intenderem;
non se mihi esse molestum, sed se contentari ait b presenti in
persona mea, nec quitquam [quidquara] contra me velle
machinarl Quibus dictis ad ceteros dominps capitulares vocatus, ubi
petii, uti supra dixi, me ab oncre residentie relaxare, ex quo com-
pleverim more ecclesiae, qui me abire parum iubebant dehberando
se; habita deliberatione, me revocarunt, et dominus plebanus nomine
capitularium respondit, completam meam residentiam fore et dominos
pro sufficiente eam diiudicasse, ideoque se me ab hoc die liberasse etc.
QuibuB pro hoc cgi grates immortales. Fuerunt autem hij, quiapproba-
runt residentiam meam pro sufficiente, dominus Eberhardus becker,
scolastieuß, dominus Georgius Schwarzenberg, cantor, doctor Conra-
dus hensell, plebanus, dominus Erhardus dincickhe)*mer et dominus
Johannes ugelnheimer, hij erant capituli congregati et petioni meae
annuerunt, dominus wilnawe, alias ruwenheimer, uon erat, quia tunc
non exibat doinum; dominus Heimanus ytzBtein erat maguntie, vbi
comparuit in causa quadam ut produetua testis.
Digitized by Googl
— 119 -
§. 64. ffol. 121] Anno domini 1499 penultima martü et sabatho
ante pasce ordinatus in metropolitana ecclesia sum in subdiaconum,
ubi etiam legi sub officio epistolam, presente in eboro domino
Archiepiscopo maguntino Bertholdo etc., ac ministravi eo tunc ad
officium ac corpus domini sumpsi satisfaciendo pasce.
§. 65. [/ol. 121] Anno 1499 vicesima quinta maji, que erat
aabatbum post pentecosten et dies S. Vrbani, [fol. 122] reeeptus sum
in capitulura, consentiente decano, qui et me inBtallavit Et illo eodem
die in vesperis inchoavi officium meum imponendo in vesperis etc.
Et die sequenti, quando celebrabatur festum sanetissime trinitatis, in
matun'nis et secundis vesperis imponendo, legendo lectionem etc.,
et fuit primum meum; in missa vero ministraui, legi epistolam et hec
prima, quam franckfurdie legi. Suscepi etiam illo die prima« presen-
tias, videlicet novem h., pro djacono habui d. Heymanum de ytzsteyn,
canonicum ofifitiura vero celebrabat decanus Johannes de gryffenstein.
Anno 99 in die nativitatis b. Marie ministrauit ad offitium mecum d.
Nicolaus schell, vicarius, qui legit euangelium, ego vero canonicam
epistolam; contigit ex eo, quia ego ordinem dyaconatus non habui.
Anno 1500 die 28 [27] decembris et die veneris, calculando annum
a nativitate christi, ipsa die diui Johannis apostoli et euangelistc gestiui
primum publice a choro almusium in honorc Jhesu christi ac predicti
diui Johannis, in cuius die sum natus, qui et mihi sortc apostolus
obuenit, et quia canonici munus apostolorum representat, ego mc illo
die ut canonicum exhibui [supple: ejus], cuius fraor sepius intercessione.
§. 66. [fol 167] Anno döi 1501 dominica invoeavit et ultima
februarij, prandio iam acto, Genitrix sua sponte, non rogata, nec vllo
instante, sed animo deliberato, donauit magnum missale scriptum et in
loci» conuenientibus notatum, subduetum rubco corrio et decoratum
monilibus, in quibus arma progenitorum nostrorum ex linca paterna
formata; item casulam rubcam von rottem geblümten Samat cum
alba, stola, manipulo, humerale, cingulo; hac die et anno, quo supra,
donauit mihi, ut premittitur. Actum presente Agnete, coque nostre
|coqua nostraj. Eodem die paulo post donauit et Missale aliud anti-
quum et minoris quantitatis alio; illo die post vesperas retulit Bern-
hardo fratri donationem suam mihi, vt premittitur supra, factam a sc
et donauit Uli duas cistas illo tunc. Eodem die, quo supra, cenavimus
mater, ego, Carolus, Martha in domo Bemhardi fratris et Vrsule et
ibi publice mater omnibus in cena retulit supradictam donationem a
se, ut premittitur in me factam etc.
§. 67. (fol. 122] Anno 1501 sexta martij et sabbatho quatuor
temporum post cinerum fui ordinatus in dyaconum maguntic ad car-
Digitized by Google
melitaB, ibi contuiuo legi euangelium et ministraui ad officium episcopo,
qui ordiiies contulit.
§. 68. [fol. 122] Anno 1501 die vicesima maij, que erat dies
gloriose ascensionis Jhcsu christi in celum, legi franckfurdie euange-
lium pro primo, Johane gryffensteyn celebrante offitium et domino
Nicoiao hugonis legentc epistolam.
§. 69. [foL 122] Anno 1501 sexta junij, que tunc erat sacra-
tissime trinitatis, hic in ecclesia diui Bartholomei apostoli cecini pri-
mam meam missam de festo predicto et habui pro adstante dominum
Johanem gryffensteyn, decanum eiusdem ecclesie, et pro ministrantibus
dominum Heymandum ytzsteyn canonicum et dominum Nicolaum schell
vicarium, detulique per cireuitum ecclesie in processione caput saneti
Bartholomei et touui secundas vesperas eiusdem diei vice decani, sieque
compleui opus seu ofiitium sacerdotij, divina annuente gratia, precor
autem conditorem, vt hoc primum meum offitium vna cum reliqnis
futuris benigne pieque suseipiat, vt mihi omnibusque et vniversis con-
ducat in vitam et gaudium cternum. Amen.
d) Tod der Elgin Rohrbach.
§. 70. [fol. 171] Anno domini 1501 die deeima nona decembris,
que exstitit eo tunc quarta dominica aduentus, domina Eylchin, relicta
Bernhardi rorbachs, patris mei, primogenita vero ex Conrado hultz-
husen et Anne sachssen, post graues languores domino suo reddidit
spiritum corde et mente quicta, mca unica atque amantissima genitrix,
quam suseipere in synum suc gratie dignetur omnipotens, pius et
prupitius deus, intime oro; obijt autem dicta mca genitrix memorato
anno et die, precise post duodeeimum iam tactura in nocte. [cf. Bern-
hards Familienchronik. §. 124.]
e) Letzte Krankheit Job Rohrbach'e.
§.71. [foL 17?] Anno domini a natiuitatc auspicando 1502
minui sanguinem in vena ea, que in sinistro pede inter magnam
pedicam et eam, que Uli proximior adheret; suseepi enim (ob terro-
rem infirmitatis matris mee et mortem) dolorem latcris sinistri vehe-
mentem, qui per minutionem illam mitigatus est. Actum anno supra-
dicto die tricesima decembris, et hec minutio est prima.
[Alia manus subseripsit: et ultima. 1636.
Ut solent in provectioris aetatis alteratione
omnem magna coraitari pericula.
Job hie moritur 1602. 15 Maij.]
Digitized by Googl
5. Anna und Afra Rohrbach.
§. 72. [fol. 4] Anno 1494 scxta augusti velamina sunt imposita
religiosis sponsis xvi, Ann? et Affre, sororibus meis. 'Actum zu den
wissenfrauwen yn der Kirchen.
§. 73- [fol. 4] Anno 1494 in vigilia Bartholome^ que est 23 dies
augu*ti, mane circa horam terciam Anni rorbecherin, virgo, soror
mea, obdormiuit in domino franckfurdie apud virgines zun wissen
frauwen, de quarum nuniero et ipsa erat, cuius anime propitiari
diguetur miscricordissimus deus. Exequie quoad diem primum celc-
brate sunt die Bartholoinei cum vigiliis, altera die missa. Actum zun
wissen frauwen. Dies repctitionis excquiarum cum vigiliis xxviii au-
gusti et cum missa xxix peractus est iu prcfata ecclcsia.
§. 74. [fol. 9] Anno 1494 vicesima sccunda nouembris gab mir
myn Schwester Affra zun wissen ffrauweu eyn zwyg, gemacht von
*yden, hatt drij wißgefolt ackeleyen, drij eychlin vnd sust zwo roitt-
gefolt blumen niyt fyll anderen kleinen blumchin.
6. Martha Rohrbach.
§. 75. [fol 7| Anno 1494 vndeeima octobris Martha rorbecherin,
soror mea, e sacro fönte baptismatis leuauit infantem Gissenhenn,
quam nomine suo, videlicet Martha, nuneupauit. Mortua est infans.
Non eo minus vertun est, eo quod deletum sit. [Die Notiz ist nämlich,
wie öfter, im Manuscripte ausgestrichen.]
7. Karl Hynsberg.
§. 76. [fol. 3] Anno 1494 duodeeima julii natus Vdalricus hens-
perg ex Karolo hensperg et Agnete neuhuserin. Hanc nativitatem
retulit mihi Vdalricus neuhusen, dicti infantis compater.
§. 77. (fol 5J Amio 1494 septima septembris obiit Agnes nuhusen,
uxor Karoli henspergs.
8. Karl Hynsberg's Ehe mit Martha Rohrbach.
§. 78. [fol. 21] Anno 1495 die undeeima maij yn dem klapper-
garten Katherine, relicte Johanis hulczhusen, concluserunt et consen-
serunt mater et Karolus henspurg, ut videlicct Karolus duceret in
uxorem Martham, sororem meam, presentibus ibidem Jacobo neu-
heuser, Gilberto hulczhusen et me.
§. 79. [fol. 21 j Anno 1495 die 16 maij, eratquc dies saturni, synt vor-
sieglet worden zwen elichs brieff glichludent, antreffen Karlen hens-
purg vnd Martha rorbecherin, myner schwester, vnd von Karies wegen
hatt versieglett doctor Ludwig zum paradiß, schulteyß etc myt synes
ambcz siegell, Ortt zum jungen vnd Conratt nuhuß, von Martha we-
gen haben vorsiglet Gorg frosch, Haman hulczhusen vnd ich, Job
rorbach, yr bruder, vnd ist das erstmall, das ich gesiglet hab, den
myner schwester zu lieb ließ ich das Biegel graben.
§.80. [fol.21] Anno 1495 die 18 mensismaij, cratque dies lune, hatt
man von beydcr syttcn frund geladen zu follen bringen vnd zu bcschlies-
sen die ehe zwischen Karlen henspurg vnd Martlia rorbecherin myner
schwester, vnd hatt Karlen syn frund durch syn knccht lassen laden
vnd myn mutter yr frund von Martha wegen lassen laden durch
meysterNiclassen schorrebrant, den man nent den armbruster — die
jungfrawen, die nyt zu gehören, die ledt man durch eyn meyt des
morgents — vnd synt die frund geladen worden von beyden sytten
des morgencz, also das man die man von beyden sytten hatt gepetten
zu komen zwischen XII vnd cyner uwer zu barfusscn, die frawen
vnd jnngfrawcn yn das hu!3 myner mutter. Also ist ens auch folien-
gangen. Vnd so die man von beyden sytten zu barfusscn koment,
schickten sie eyn [fol. 22] knecht zu den frawen yns huß, liessend
fragen: wer ens den frawen gelegent, woltent sie komen. Entbottent
ynen die frawen : ens wer en gelegen. Da thet Gorg frosch eyn
abred also luttent yn der meynuug : Alß beredt vnd betteydingt wer
zwischen Karlen henspurg vnd jungfrawe Marth en eyn ehe, mytt
beyder sytten frund radt, wissen vnd willen die also zu beschossen,
pett er sie dar by zu syn. Des sie al guttwillig waren vnd gyngen
von den barfusscr yn myner mutter huß zu der brudt vnd den frawen
vnd jungfrawen. Da ym huß thett Gorg aber wie for eyn abredt;
nach der nam her Johann brun jungfraw Marthen vnd Karlen vnd
gab sie zu samen zu der heyligen ehe vnd war eyn sollich fyrteller
stund nach eyner uwer nachmyttag.
Diß hie nach geschrieben synt die frund, die von Karlen hens-
purgs vnd Martha rorbecherin wegen gebeden worden zu komen zu
dem winckauff ader hantschlag, vnd wo eyn solich o bystett, die
koment nyt Vnd zum ersten von karlens sytten :
Guttgyn heringen, Karies mutter.
Digitized by Googl
123 —
Karlen, der brudgamer, \
o Wigrint(noneratincivitate) > henspurg, gebruder.
Johan '
Doctor Ludwig zum paradiß, schultheys,
Asyn heryngen, gyn husfrawe.
Ort zum jungen.
Kryngyn heringen, syn husfrawe, Karies anfrawc.
[fol. 23] Conratt nuhuß 1
Margrett, gyn husfrawe, > gebruder.
Virich nuhuß J
Von Martha wegen wurden gebetten :
Ey Ichin rorbeclierin, Marthas mutter,
Martha rorbecherin,
Job rorbach,
Be hart / rorbach wurden nyt gebetten, den sie waren nyt
tt ( ZU ^ranc^^ur* (era* namque Bernhardt in via ex-
1 eundi italiam, Conradus vero erat venetns).
Katherin hulczhuserin zu goltsteyn.
Haman
Margret, syn husfrawe,
Gylbrecht
o Kryngin zu Spangenberg in- } hulczhuser.
firma erat,
o Eylchin, yr tochter,
Margrett zum thorn
Gorg
Gorg, syn sun,
o Wickerward nyt gebetten, den!
er war nytt yn der stadt,
Enchin, i . ,
Magret, j dochter'
Wolff
Enchin, i
Agnes, i syn dochter
Lysz, \
o Mylchar, syn sun, ward nyt ge-l
betten, den er war auch nyt'
hie.
frösch.
blüm.
Digitized by Google
- 124 -
o Hen 1
o Kryngyn, syn husfrawe, i gachg)
° J^J^y11 T j^j n0Q veniebaut allegabant
o Kryngyn / ' ...
■» . causam luctus, sed causa lila
o Luwig, svn sun, war nyt ge-l ,
, ? " j .1 non excusat plene.
laden, den er war nyt zu 1 1
franckfurt. /
o [fol. 24] Doctor Jobann glauburg non erat in civitate.
Johann von holtzheymer.
Katbcryn, die alt rorbeehcrin. [§. 87]
Die jungft'rawen, die nyt zu gehörten vnd doch geladen warent:
ICristyn froschin zum burgreffen,
Kryngyn stralnbergcryn,
Kryngyn dyrmeyenn,
Kryngyn humbrechtin.
Die jungen gesellen, die lud Karlen alle, nach dem der hant-
schlag geschehen war, welche anders uff der stoben den selbigen tag
waren, vnd koment zum nachtmall, die hernach geschrieben :
Jacob t t n
Gorg \ noDuP, gebruder.
Georg martroff.
Johann hau.
Ambrosius glauburg.
Conrat zum jungen.
Philipps ogelnheymer.
Bernhart wyß.
philipps von stocken, nobilis, inuitatus per matrem et ille le-
gittimus est.
her Johann brun, inuitatus, quia despondit iste sacerdos.
§ 81. [fol 28] Solemnizatio matrimonii Karoli et Martha.
Anno 14Dö prima die julii, que est vigilia visitacionis b. Marie,
post horam octavam raane in facie ecclesie solemnizatum est matri-
monium Karoli henspürgs et Marthe, germane mec. Et cum Karolo
ad ecclesiam iuimus frater meus Bernhardus et ego et non alius, cum
sororc inater nostra, soerus sua una cum Anna et Agnete, filiabus
Wolf bllimes. Deinde sexta julii eodem anno, quo supra, nuptie acte
sunt, ita videlicct : vocati ad nuptias, ederunt, biberunt ac trepudiarunt
in curia dfli archipresulis treuerensis, vulgo monezhoff dicta.
spousa vero sponso est apposita in domo wixhuserhoff publice
nuneupata, in camera picta, sita super testudinem. Ego autem nuptiis
Digitized by Google
penitus non interfui, febribus prepeditus, sed cum sponsaapponebatur
sponso, ego occultatus sub lectu [fol. 29] extraxi dextrum calceum,
Jacobus nuhusen me prevenit extrahendo sinistrum et ille rectiua
me egit, cum tum dedit Gylberto hulezhusen.
§. 82. [fol. 29J Anno 1495 decima nonajulii Martha rorbecherin,
soror nostra, traducta est ad curiam Karoli henspurga, mariti sui, der
foden h o ff nuncupata[mj.
9. Kinder dieser Ehe.
§. 83. [fol. 69) Anno 1496 in die diue Barbare virginis, que est
qoarta dies decembris, natus est ex Karolo henBpurg et Martha, sorore
mea, Ludwicus, primogenitus maxime Marthe, habuit namque Caro-
lus antea duas vxores. Quinta decembris baptismate renatus est. E
fönte baptismatis suscepit infantulum Ludwicus de paradiso, iuris
vtriusque doctor ac miles huius opidique scultetus. Deinde anno
1497 die 16 octobris peperit Carolum, de quo latius in chartalOl;
obijt [fol. KU : Anno 1497 die sedecima octobris natus est secundo-
genitus Caroli et Marthe sororis infra XII et primam horas de die;
vocatus patris sui nomine videlicet Carolus hjTisperg. Infantis com-
pater Dyß hengyn. Arbitror infantem 17 eiusdem baptizatum, me
tunc wormatie existente. Mortuus est infana.] Anno 1499 decima
quinta junij genuit filiura, quem et Karolum noininauit, vide in 141.
[fol. 141 : Anno 1499 sabatho et decima quinta junij cx Karolo hens-
perg Martha, soror mea, genuit filium suum Karolum ante horam duo-
decimam de die , qui baptizatus die dominica sequenti. Compater
infantis est Michel schwartzenberg, et is iu genitura tertiua est filius
Marthe in ordine; obiit paulo post.J Anno 1500 peperit Ort 13 iunij,
de quo in charta 154. [fol. 154: Anno 1500, anno iubileo et bisextili,
peperit Martha, soror mea, ex Karolo hynaberg quartum filium trede-
cima iunij, qui baptizatus die sequenti, que erat dominica trinitatis.
Nomen nati estOrtt; compater estOrtt zum iungen senior et viduus,
in octobri obiit eodem anno.]
10. Städtische Dienste Karl Hynsberg's.
Wahl zum älteren Bürgermeister §. 124.
§. 84. [foL 138J Anno 1499 in die inuentionis sancte crucis et
tertia maij Karolus -hynsperg, affinis meus, arripuit itter ad oberlingen,
raisBus a consilio, quem plures comitati sunt vsque ad Saltum
- 126 -
cerui, inter quos etiam ego cum illia pariter equitaui super equum
Jacobi neuhusen, magistri ciuium. Mulieres etiam curru vehebantur,
videlicet mater Karoli et vxor sua, mater raea et vxor Michael
Schwarzenbergs.
11. Wahnsinn von Johann Hynsberg, Karls Bruder.
§. 85. [fol. 83] Anno 1497 quinta martij et dorainica L«?tare
Iohann hynttberg post altercationem et insolentias in domo habi-
tas alapas in domo iustissime accepit, deinde post vesperas in foro
ante pretorium apprehensus, publice per pedellos magistratuum ductus
in carcem sancti Spiritus, depost decima sexta maij eodem anno de
carcere laxatus et emissus est Depost vero sequenti anno in mense
Januarij itterum carceri includitur, in quo nunc residet, actum me
existente wormatie [cf. §. 33. 34.].
12. Tod der Guttgyn Hynsberg, Karls Mutter.
§. 86. [fol. 160] Anno 1500 sedecima decembris obijt honesta
Guttgyn heryngen, relicta karoli hynßbergs. Reliquit filios duos,
Wigandum videlicet et Carolum sororium nostruin, et Annam, vxorein
quondam domini Johannis reiß, aduocati huius oppidi.
13. Conrad Rohrbach.
§. 87. [Nicht numerirtes Vorblatt] Anno 1493 octava aprill
abiit primum Conradus, frater meus, de franckfurdia ad Augustam,
de Augusta Venetias, de Venetiis rediit franckfurdiam in anno 1498
in mense martij. Ibidem duravit usque diem octavatn junii anni jam
dicti. £a die adduxit eum secum Ludwicus martroff ad Alemaniam
Bassam.
[Conrad weilt zu Antwerpen §. 10.]
14. Tod der Katharina, Heinrich Rohrbach's Wittwe,
Jobs Tante.
§. 88. [fol. 157] Katherina Rorbechin. Anno 1500 sexta octobris
ac die martis noctu vndecima hora vel circa eam obijt Katherina,
relicta Henrici rorbachs, patrui mei, et septima eiusdem mensis ae-
pulta est in ecclesia nostra comitatumque funus fuit cum sacerdotibns
ac scolaribus etc. [cf. Bernhards Familienchronik §. 86 seq.]
15. Grundbesitz der Familie Rohrbach.
§. 89. [foL 5] Anno 1494 xxviii augusti locauit mater Celaria
in domo Ernfelß duo illa contigua Wolff brente pro v fl. ad
annum iiii,,ID, incipiet autein annus currere ipso die Mihael proximi
venturi, locauit autem certis condicionibus, de quibus ipsa nouit.
§. 90. [foL 34] Anno 1495 in mense augusti hat die mutter die
zwen herd zu ernfelß myt schyffersteyn lassen beseczen vnd gancz
neuwe machen, auch eyn neuwe blanck lassen machen im Esch-
heimerhoff vff der lynckten sytten, alß man zu hoff yn gett, fahct
daselbst neben dem stall anvndstoat an reckklessen scheuwer, auch
hatt sie die spicher ym hoff lassen bynden, wo ens noitt ist gewest.
[Eodem anno die 16 mensis nouembris hat myn mutter zwen neuwe
steynstock vor den keller zu Ernfels lassen machen, not. margin.]
§. 91. [fol. 35] Anno 1495 die 3 septeinbris ist eyn gancz
neu wer offe ußgemacht vnd bereydt worden yn der grossen stoben.
§. 92. [fol. 50] Anno dnj 1496 in die cathedre beati Petri, erat-
qne tunc dies lune post dominicam inuocauit, feci annectere stubelle
raee seram cum duabus clavibus [duabus], pro hijs solui octo ß.
§.,93. [fol. 59] Anno 1496 hat myn liebe mutter den hoffyn
der Escheymergassen ynwendig vnd vßwendig vnd desglichen
die spicher vnd stel, scheuwer vnd yn allen zynßhuseren darby
lassen bynden, machen, kleyben, wedderbarten, estrichen, vßgenomen
das hynderst zynßhuß im gesslyn, das also onreyn ward gehalten
durch die daryn wonnend, das man dar vmb nyt mocht das selbig
hui* myt estrich beschlagen; sust syn die andern zwey hußlin myt-
sampt dem hoff gancz vßbereyt, auch zwen ganzer neuwer offen
gemacht, eyner yn die stoben des huß, das ym hoff lyt, der ander
yn das huß zwischeym hoff vnd dem eck ; auch den hoff ynwendig
vnd vUwendig, vor vnd [suppl. die] zynßhusser, wo sie czur gassen
zu gan, lassen wissen vnd malen, auch forn an hoff myns vatter
seligen vnd yr wappen lassen mallen, dar uor gab sie viü ß, vnd ist
der hoff gancz vßbereyt worden, wie obstet, die vicesima octaua
julij anno, quo supra.
§. 94. [fol. 64] Anno 1496 prima octobris duplicate value circa
fenestras anterioris partis maioris stube erecte ac perfecte sunt Eodem
anno, antea videlicet quam value erigebantur, stuba magna et aula, que
128 -
precise ante stubam est, wulgariter der ern, dealbate et coloribiiB
variis, vt vides, colorate sunt.
§. 95. [fol. 85] Anno 1497 in martio et apprili hat myn mutter
lassen das dach heben ober dem stall ynn vnserera huß vnd etlich
neuwe balcken vnd suellen darunter lasseu ziehen.
16. Besitz und Vermögensverhältnisse derFamilie Rohr-
bach im Allgemeinen.
§. 96. [fol. 3] Anno 1494 die junii xv tradidit mater binas sigil-
lätas litteras Nicoiao armbruster, unas super iiii morgen et
xxxvii rudon bratorum [pratorum], »ecundas impignoratas pro vi flo-
renis, videlicet caveant de xii achtel vel malder siliginis, sed sunt
impignoratae, quousque de littcris aliis caventes [caventibus?] de sex
florenis mater prouideatur [provideat]. Item habuit et antea diu litteras
caventes desuper iij flor.
§. 97. [fol. 8] [Anno 1494 duodeeima novembrisj. Item hat myn
mutter Gylbrechte die schnydbanck geluwten.
§. 98. [fol. 45] Anno 1495 die tricesiraa decembris, an u um ab
initio ianuarij inchoando, solui ex parte matris exaetionem,
quam domini de consulatu imposuerunt eodem anno et solui novein
aureos et duodeeim solidos, et vi d. pro xviii 15 census, quem censum
soluit magistcr iohannitarum, et hij restituent eosdem vi d. Haue
solutionem feci in stubella vff dem romer sederuntq. ex parte con-
sulatus, qui hanc exaetionem a nie reeeperunt, Cristianus fo Icker,
tanquin scabinus, Johann zum iungen, tanquain domicellus
et Scheffer hen senior, vt vnus ex plebeijs, et tan-
quam scriptor. Jn alia stubella, in qua picti sunt prineipes Becundum
ordinem, sederunt Ortt zum iungen, tanquam scabinus
Eisdem, dempto quod non erat CriBtianus foleker eodem in
loco, et eandem quantitatem videlicet viiij fl. 17 h. ex parte matris
solui. Actum anno domini 1496 die decembris vicesima [1. tricesima].
§. 99. [fol. 53] Anno 1496 die octaua hab ich possesion ent-
phangen von wegen myner mutter von dem schultheyssen vnd schef-
fen zu kaldebach by bonmeß vber die x achtel korngiüte, die myn
mutter kaufft hatt vor hundert gülden vmb Cuncz schwalbach iuxta
litteras, quarum initium 151: Joh. Cuncz von Bchwalbach vnd ich
Else etc. et finis litterarum est: Geben nach christi vnsers herren
geburt dusent vierhundert nunzig vnd sechs iar vff fritag nehst noch
vuser lieben frawen tag zu latin genant anuntiationis. Aderat ibi
Digitized by Google
— 129 -
Waltherus de fisch born, priraua officialia in bonmeU, quem et acul-
tetua et acabini et venditor rogarunt pro sigülo et venditoria vxor,
preaente me et Nicoiao achorrebrant, vulgo Niclaa armbru-
ster genannt, qui ob eorum precea aigilluin auum appendit
§. 100. [tbl. 63] Anno 1496 ö. aeptembria aigillaui octo quitan-
tiaa matri. Prima x fl. sub titulo reemptionia in geylnhuaen; aecunda
xiü fl. coutinebat ad vitam matri»; tertia xx fl. aub titulo reemptionia
in vlma; quarta xiü fl. ad vitam matris in norenberg; quinta xiü fl.
ad vitam meam, olim etiam ad vitam Anne aorororia, in erfordia;
»exta xiiii fl. aub titulo reemptionia in erfurdia; aeptima xiü fl. ad
vitam Bernhardi fratria in erfurdia; octaua x fl. 8ub titulo reemptionia
in hochheym. Fratri mco aigillaui vnam quitantiam auper 8 fl. ad
ritam auam et matria in erfurdia. Anno 1498 aigillaui decem quitau-
tiaa matri, fratri duaa.
§. 101. [fol. 66] Anno 1496 hab ich eyn gewalczbrieff versiegelt
zu vorzyhen5 vff zwen morgen ackera vnd fünf fyrtell raynner
iiü rüden, gelegen ynn der bockenheymer termyni, die myn mutter
vor ym iar 1490 verkauffit hatt Claaaen mertcllern vnd Heu ym
hoff, der iunfirawen zu wyaaen frawen lantaydell, vnd hatt[en] die buwe-
cen keyn genügen dran, aie werent dan noch gewonheytyr8 gerichtcz
gewert. Darvmb gaben Bernhart, myn bruder, vnd Martha, rayu
achweater, myr eyn gewalczbrieff von yrcr zweyher wegen zu vorzy-
hen ; alao bracht ich diaaen gewalczbrieff vor daa siezen gericht zu
bockenheym, den liesaen aie zu vnd darnach vorzieh ich von wegen
myna brudera vnd achweater vnd mynet wegen. Alao wurden wir vi*
dem laut von gerichcz wegen druü geaetzt vnd die obgenanten bue-
ren dryngeaeezt vnd den gewalczbrieff wolt myr daa gericht nyt
widder geben. Actum anno 1496 die octaua nouembria. Von myna
bruder Conracz wegen könnt ich nyt vorzyhen, den er waa zu
Venedig.
§. 102. [tbl. 69] Anno 1496 die viceaima decembria aolui exae-
tionem ex parte matria, videlicet nouem flor. duodeeim l>. et vi h.,
dominia de conaulatu traddidique Johanni zum jungen et Schef-
fer benu et aderat «eriptor Johannca achncglin. Cristianua fol-
cker debebat adesse, aed uon erat. Actum in prima stubella veraua
gradus vff dem Romer, vide supra in anno 95. [§. 98.] Die 30 de-
cembria tandundem [1. tantundemj ex parte matris.
§. 103. [fol. 84] Anno 1497 deeima quarta martij aigillaui matri
octo quitantias, primam de x fl. titulo reemptionia in ciuitate geylu-
» verzichteu.
9
•
— 130 —
Imsen, secundam xx fl. sub titulo reeraptionis vlme, tertiam xiü fl.
ad vitara matris norrenberge, quartam de x fl. rediraendis in villa
hocheym, quintam xiü fl. ad vitam matris argentine, sextam xiü fl.
iid vitam meam et Anne sororis, nunc defuncte, erfurdie, septimam
de xiü fl. redimendis erfordie, octauam xiü fl. ad vitam fratri« Bern-
Ii ardi erfurdie. Fratri sigillaui vnam de octo fl. ad vitara suam et matris.
Anno 1498 ipsa die Petri et Pauli sigillaui matri quitantias 8 de
20 fl. sub titulo reemptionis, quos praestant vlmenses, debitos autern
ipso die natiuitatis Johannis baptiste.
Dum vero ego wurmatie fueram, sigillauit frater Bernbardns
quedam, que nescio, attamen alias nihil preter quitantias.
§. 104. ffol. 86 j Anno 1497 die uona appril solui ex parte
matris, fratris Bemhardi, Boler hens, Agnes, coque nostre, et All,
Cuncz flecken tochter von sprcnlingen, in solutionem regii exactio
nis iuxta decretum a tota vniversali congregatione iraperij worniati«-
ordinatum, videlicet in anno 1495, videlicet quilibet in bonis haben«
quingenta soluat medium aureum renensem, habens mille soluit aureum.
et si vltra mille millia habcret, non tarnen prestaret nisi aureum,
habentes vero minus quingentis vel etiam nihil habentes, vt famuli
et famule alüque, dummodo etatera quindecim annorum habeant
soluit queque persona vicesimam quartam partem fl. renensis.
Sicque ego die prefata pro me solui 1 fl. , pro reliquis quatuor per-
Ronis iiii 1> monet? franckfurdensis. Hij |?] autem ordinati erant a
consulatu pro colligenda dicta exactione (xeorgius froscli, affinis
meus, tamquam scabinus, Hamandus hulczhusen, cognatu»
meus, vt domicellus, et quum solui ego, eo tunc non erat preaens
Bechten iohannes, tamquam de vulgaribus. Et quidem aderat
scriptor Johannes schneglin. Hecquc prima est solutio, quam nos
pretati soluimus, sie- enim soluetur ad quindecennium iuxta ordina-
tionem supra dictam. [Spätere Notiz:] Sed depost nünime practica-
tum, eo quod peeunie hec non vertebantur in publicum profec-
tum etc.
Dienstboten im Rohrbach'schen Hause.
§. liß. |fol. G9| Anno 149C die deeima nona octobris hennanus
de Liech locauit operas suas matri, die vero 17 decembris abijt de
vuluntate matris.
(Diebstahl einer Magd des Hynsbergischen Hauses §. 147.]
§. 1(X>. [toi. 1 IT | Sedecima julij anno 1498 Hensell juuenis
noster, filius Cremer hens, abijt de domo nostra, non petita venia
Digitized by Google
et insalutato hospite, adeo, quo se contulerit, ignoremus ; nec quitquam
abstulit, sed vestibus exiguis, non etiam indutus caligis, sed camisia,
toga, pallio et capotro indutus abijt.
§. 107. [fol. 124] Anno 1498 decima quarta octobris ist mir
stompfflichen anbracht durch Eylchin von sprendelingen, wie sie sich
filhcht ongeuerlich mit Worten vorlauffen mag haben gegen Giessen
henn [cf. §. 26 u. 75] , die Ee berurn, doch glaub sie nit, das schaden
bring, oder wie dem allen hab sie eyn ring von im genomen vnd
besorg sich vß syner red, sie hab mer vnd witter geredt, dan sie
vonueynet Darumb so er sie haben woll, woll sie im gefolgig syn etc.
Uff das hab ich noch irem brudcr vnd ires bruders schwer [swßher]
(geschickt vnd den bruder gegen ir widder vertragen, der den fast
on willig war, das sie von solichem handel im noch vnß keyn wissen
gethan hat, noch dem giessen heu befoln [foL 125] syn frund mit
im zu bringen; hat er also bracht sin vater Cunczen zinghen vnd
hansen siner Schwester man, myn geuatter. Da sie also by
ein ander qwamen , noch filen furhaiten vnd nach Gelegenheit irrer
beider ist nichts witter beschlossen worden, dan das eyn kuntschafft
abgeredt ist worden noch gewohnheit disser stat zwischen innen, wo
sie Kind gepur, die will auch dergemelt giessen henn, [suppl. der] zwo
dochter von der furderigen frawen hett, vnd das, so ens eyn erbar ratt
hie verwilliget vnd zugeb, sust so ens nit zugelassen durch den ratt
wurd, sal ens noch gemeynen rechten vnd gewonheitt gehalten wer-
den. Noch dieser abredung byn ich vud zinghen von frunden Eyl-
chin das also zu eroffnen verordenet wordeu, das ich auch also in
myner mutter kochen gethan hab in by wesen des icz genanten zing-
hens vnd der gedachten Eylchins Schwester, vnser meyt AgneUeu
[§. 104], vnd eyner frawen. Als aber solichs gescheen war, begerten
die frund, das der hantschlag geschee, vnd hatten mich, Jop, das
ich sie zusamen geb, das ich den also gethan hab vff den obgemel-
ten tag vmb drij wuer [Uhr] noch mittag. Actum hec omnia in domo
nostra, der wixhuser hoff genant, in presentia pr^dictorum, item
et Jacobi nehusen, viri consularis, et meister Niclaß armbruster,
quos specialiter ego huic cause, vt 'Interessent, vocaui; mater etiam
huic actui pro tunc interfuit. Vnd das die erste Ehe, die ich gemacht
vnd zu sam geben hab, got geb, das wolgerat Amen.
§. 106. [fol. 126] Barbara, Hanl* kneyffen, doliatoris ac incole
opidi huius, et Eliten filia, introijt domura nostram ad famulandum
genitrici als eyn vndermeyt, 24 octobria anno 1498. Abijt de post,
kathedra Petri, anno 99.
9*
II. Frankfurter Sachen.
1. Zeitgeschichtliches.
§. 109. [fol. 3] Anno 1494 die junij 14 wormatienses iurarunt
fidelitatem serenisaimo regi Maximiliano etc. solutique sunt a ditione
palantini, si est, vt fertur.
§. 110. [fol. 73] Anno 1497 prima ianuarij, vt arbitror, obiit
generosus comes Johannes de ysenberg, frater comiti» Ludwici de
ysenberg, dominus in budyngen.
2. Das Reichskammergericht in Frankfurt.
§. 111. [fol. 38 J Anno 1495 in mense septembre consules franck-
furdenses aulam ad caraeram in domo zu brunfels conduxerunt qua-
tuor annis ea lege, vt pro quolibet anno 30 fl. exsoluerent pro
mercede, et si intra prefatos anno» renuntiarent conductioni, tunc
ydificata manebunt dominis domus et censum pro temporis rata soluere
tenentur. Hac conuentione habita, mox macliina et sedes cum scamnis
construuntur pro iudice camerc regalis et assessoribus. Stacio etiam
propria pro procuratoribus seu oratoribus causarum ordinatur. Et
fenestris ornatur deinde iudicis tribunal et asscssorum et tabellionum
scamna pannis decorantur. Novus ascensus ad aulam per gradus
struitur. Hec aula sie expedita iudici regalis iudicii et suis assessori-
bus est deputata, in qua audit causas et sententias profert. Anno
1495 vltima septembris ascendit Serenissimus [fol. 39] Maximillia-
nus, romanorum rex, aulam et iuramenta a generoso domino, do-
mino Yttell Friderich de zolert comite, tamquam iudice aeeepit
et ab Omnibus assessoribus aduocatis procuratoribus et tabellionibus
sieque prefati omnes regi in propria persona assistenti iurarunt et [?]
verum in hijs, qui tunc aderant, hij vero, qui neglexerunt vel non
aderant, depost iudici iuramenta prestiterunt.
Digitized by Google
133 —
§. 112. Deinde tercia die nouembriß anno, quo supra, genero-
sus dominus comes de zoler iudex aulam asccndit et iuramenta
prestitit quibusdam aasessoribus et uni ex tabellionibus, qui antea non
iurarunt, dehinc in suara sedem sedit et assessores partim ad dexteram
locauit, et hi erant doctorea, partim ad sinistram et hij nobile» erant,
uon tarnen doctores, eratque unus ex nobilibus comes dictus
de Ebersteyn. Cumque sedebant, mandauit iudex procuratoribus , ut
causas iuxta normam ipsis traditam wormatie agitarent, et si in ea
emergeret quis defectus, emendaretur per eum successu temporis.
Et primam doctor engelender, fiscalis regia, agitabat causam
ex parte regie maiestatis tanquam actoris aduersum comitem
de mörß. Et in hac prima audientia sedebat iudex prefatus cum quin-
que doctoribus in dextra et comes de ebersteyn cum tribus
nobilibus in sinistra iudicis. Item aderant duo scriptores, qui acta,
quae aguntur in iuditio, scribebant, quorum vnus Johanes starck,
alter Ambrosius dietherich appellatur, et hij duo secretarij dicuntur.
AliuH etiam erat scriptor, qui instrumenta legebat publice. Erat et quar-
tus et iste specialis erat scriptor iudicis. Item erat et pedellus. Item
aderant octo procuratores seu oratores causarum. Et hec fuit prima
cessio iudicis seu prima audientia camere regalis; licet wormatie
sepius audientiam dederit, tarnen revera non nisi ymago hujus fuit,
ut omnibus patet. Hoc acto, ex camera, que, adhpret aule prefat?,
stuba formatur, ornatur [fol. 40] fenestris et scamnis etc. et in ea
causas et sententias tractant.
§. 113. Anno 1495 27 die nouembris prestitit comes Yttell
Friderich, iudex regalis iuditij camere, iuramenta Jacobo leyer et
Cunz schryner tamquam cursoribus, qui iurarunt die, quo supra.
Anno 1495 die secunda nouembris doctor Bernhardus scheflerlyn
prestitit iuramentura assessoris, et iurauit quidam nuntius eodem die.
§. 114. Secunda nouembris Anno 1495 hatt des romischen
konigs perseuant alle phede bricfF von romer abgenomen vß vrsach,
das vnser her der konig alle phede, die disse statt vff das mall hat,
hingelacht hatt
§. 115. [fol. 88] Anno 1497 duodeeima maij marchio Iacobus
. ... de baden, Iudex iuditij camert? vna cum aBsessoribus vltimam
prebuerunt audientiam. Ex eo enim die iuditium camere translatum
est a franckfurdia wormatiam.
§. 116. [fol. 90] Eodem die [sc. corporis christi et vicesima
quinta maij anno 1497] inuitavit Eberhardus de busestheym et
G-uttgyn, uxor sua, ad cenam ad ortum, quem habet extra muros,
dictus nydennawe, videlicet marchionem lacobum de baden supradic-
Digitized by Google
- 134 -
tum (qui secum habuit den dorlinger et duou alios nobile« sibi ser-
uientcs ad tabulam), doctorem [fol. 91 1 de nideck, Iohannem pleniger,
Vitum de walrod, equitem auratum, omnes hij assessores iuditij
camere nobilesque, scliaczmeyrter imperij, comendatorem
domus dominorum theutonicorum, nomine Pancratius de rynstein,
GofTartde klehen, auch schaczmeyster, Fridericum von fylsch, capi-
taneum franckfurdensem, doctorum Valentinum cum Mar-
gareta sua legittima, iuditij camere procuratores, Henn glauburg,
Ciaram uxor[em] suam, Hans von ryn, Syflart knobelach, Ceciliam,
uxorem suam, Vrsulam, relicta[m) Walten schwarczenberg's , Agne-
tem, relictam Hertuani yrgerscheym's, Otiliam, relictam Arnoldi
glauburgs, Katherinam, relictam Gilberti hulczhusens, Ludwicum hulcz-
husen, dicte katherino filium, Elchin, relictam Bernhardi rorbachs,
Bernhardum et Job rorbach, nati dicte Eylchins, Margretam, uxorem
Hamandi hulczhusen, Fronicam, legittimam Iacobi wissen, Fridericum
[Georgium] flach, Annam, uxorem eius, officialem zum goltsteyn, Ag-
netem, virginem et filiam Steffashans. Hos omnes prcfatus Eberhar-
dus laute honorifice admodum cibauit ac tractauit. Deindc die vicesima
sexta maij abiit marchio cum aliquibus assessoribus wormatiam.
3. Fremde Fürsten in Frankfurt.
§. 117. ffol. 60] Anno 1496 prima augusti aduenit franckfur-
diam illustris dominus Philippus palatinus cum filüs septem et filia
vna ac cum filio ducis Georgii de Bauaria. Aduencrunt etiam epis-
copus medburgensis, nomine ac ejus frater Johannes, dux
de Saxonia; cum Ulis aducitur mater vxoris palatini prefati cum
duabus alijs prineipissis. Et leti cum triumpho conuiuia eclebrabant,
trepudiando in domo dominorum theutonicorum et in domo dorn in i
treuerensis episcopi. Tercia augusti abierunt.
§. 1 18. [fol. 6: »] Anno 96 prima die augusti Johann kreutter macella-
rius, vt vnus de consilio, egoJob rorbach, Jost kronberger, Jobann
klopphcym, nos quatuor ex mandato dominorum de consilio ob aducn-
tum prineipum supra scriptorum armati ascendimus hora secunda
post meridiem pro custodia seu vigilia noctis et diei facienda turrim
supra pontem, quo propinquior est domo dominorum theutonicorum,
wulgo der neuwe brocken thorn genant. Moram in ca feeimus vsque
in secundam augusti, tunc manc hora quinta descendimus.
Digitized by Google
4. Raths- und Bürgermeisterwahlen.
§. 119. [fol. 1| Anno 1493 secunda maji Hamandus de hultz-
husen et Siffridus klobelach assumpti sunt in consilium franck-
fordie.
§. 120. [fol. 20) Anno 1495 prima maij electi sunt de consilio
franckf. in magistros ciuium Johann glauburg, tamquam scabi-
nus et senior, et Claß rockingen, tanquam junior, et precedenti
anno fuerunt daniel brom, tamquam scabinus, et Johann zum
iungen.
§. 121. [fol. 55 J Anno domini 1496 prima die maij in magistros
ciuium sunt electi Johannes de ryn, vt senior, et Conradua
schy tt.
§. 122. [fol. 87] Anno 1497 in die marci euangeliste, que est
25 apprillis assumpti sunt in consulares Wolff blum senior, affinis
meus, Johann hann, Claß stalburg.
§. 123. [fol. 88] Anno domini 1497 prima maij et die lune,
rogationis ebdomade, in magistros ciuium sunt electi Fridericus de
Alczen, licentiatus juris, tamquam scabinus, etllcynricus de
rynn, vt domicellus.,
§. 124. [fol. 114] Anno 1498 prima maij in magistros ciuium
franckfurdic electi sunt Karo Ins hynsperg, vt scabinus, et
Michael schwarezenberg, vt domicellus, hij duo antca nunquam
prefuere ofHtio tali.
§. 125. [fol. 138] Anno 1499 prima maij electi in magistros
ciuium Örtt zum jungen scabinus et Jacobus neuhusen, vt
domicellus.
§. 126. [fol. 141] Anno 1499 nona iulij duo hij, videlicet Con-
radsehytt et Hamandus hulczhusen, in scabinos franckfurdenses
sunt electi.
§. 127. [fol. 141 1 Anno 1499 sedeciraa julij aeeepti sunt in con-
silium franckf. et in consulares ercati Jacobus stralnberg, nondum
vxoratus, Gilbcrtus hulczhusen viduus etThomaß maP vxorem
Habens, omnes vt domicelli.
§. 128. [fol. 152] Anno domini 1500, qui erat jubileus et bisex-
tilis, prima die maij in magistros ciuium sunt electi Cristianus
foleker, vt scabinus, et Wolff blumc iuiiior, tamquam domicellus.
Ncc quisquam illorum prefuit retro illi officio.
4
- 136 -
-
5. Amtleute.
§. 120. ffol. 2] Anno 1494 in mense junii vel paulo ante electus
est Georgius flach in officialem zu goltateyn per dominos de con-
stilatu franckfordie.
§. 130. [fol. 2] Anno 1494 in mense augusti electus per dominos
de consilio franckf. Walterus Hachborn in officialem zu bonmess
ingressusque est officium circa featum Michael eodem anno.
§. 131. ffol. 169] Anno domini 1501 vicesima nona apprilis
Georgiua flach, nobilis et officialis consulatus hic zum goltateyn circa
maganum, sepultus est hic apud minores et, vt arbitror, die prece-
denti reddidit domino spiritum.
§. 132. ffol. 169J Anno 1501 in mense maij electus est a con-
sulatu Johann hulczheymer, cognatus meus, in officialem zum goltateyn
in Iocum Georgij flach hic suprascripti.
f Johann Holzheimer, früher Amtmann zu Bonames, §. 13. SO. 177.
183. 186. Nicolaus von Babenhausen, früher Amtmann zu Goldstein,
§. 14. §. 177. Erban Tagel, officialis in Erlenbach, §.48. 334.]
6. Städtische Hauptleutc.
§. 133. [fol. 155] Anno dominj 1500 die 14 julij aducitur huc
ad habitandura et exercendum officium capitanei nobilis Johann mor,
Capitaneus nouitcr assumptus in locum Friderici de fylsch, qui
ob inflrroitatein cessit, et dictus Johann mor in illius locum assumptus.
§. 134. ffol. 171] Fridericus de fylsch, olim capitaneus huius
oppidi, obijt vicesima sexta septembris anno 1501, relicta vxore et
nullis liberis. |cf. § 116. Friederich von der Fylsch §. 257. Jobann
Mohr §. 290.]
7. Richter.
-
§. 135. [fol. 54] Anno 1496 vicesima sexta aprilis Gerlacb
zur alten wagen ist eyn oberster richter worden.
§. 136. [fol. 88] Anno 1497 nona maij hat man drihen richtern
gerufft vor den sitzend Ratt vnd yn die steb oder stecken genomen
mitt namen Gypcl hennen vnd iSehaffmans vlrichen vnd Hartmutten
Restituti sunt ad ofricia die vicesima tertia maij anno, quo
supra.
Digitized by Google
137 —
8. Räuber und Feinde.
§. 137. [fol. 14] Anno 1495 decima octaua ianuarü succenderunt
hoste« horreum yn rad sagittando ignea tela.
§. 138. fol. 18] Anno 1495 decima die apprilis vnus hic com-
bustus est, qui et latro, de nostria adversariis.
§. 139. [fol. 20] Anno 1495 octava maij fama de hostibus seu
latruneulis, videlicet die hutteschen vnd Jost frundt etc. cum coheren-
tibus, orta est, quod adessent et damnum seu predam arripere pre-
tenderent ideoque pulsata est campana, que wulgo est gemperlyn
nuneupata, ad cuius sonitum omnes ad Höstes fugandoa et sc defen-
dendos currunt et cueurrerunt, et tum de gratia dei nihil lucri
habere latro n es poterant, nec a nostris aliquis aduersariorum captus,
vel visus, nisi a paucis. Item in anno antca 93 pulsata est prefata
campana gemperlyn in marcio, eo quod ribaldi spoliarunt quendam
pastorem sua grege ouium; licet pastor nec oves, ut fama fuit, ad
iurisdictionem franckfurdiensium pertinebat, nihüominus tarnen oues
retinebant et vendebant.
§. 140. [fol. 27] Anno 1495 septima junij, erat dies penthecostes,
vndeeima hora ante meiidiem pulsabatur campana wulgo Gern perlin
eo, quod latrones noBtre civitatis, videlicet die hutteschen et jost
frund etc., centum rapuerunt vaccas, que fuerunt rusticorum yn
nyder rad, sed tarde nimis rescitum est et tarde nimis persecuti sunt
nostri latrones.
§. 141. [fol. 3^j Anno H95 die 23 julii latrones Jost frund vnd
die butteschen cum reliquis miseris modis et multiplieibus vulneribus
necarunt duos piscatores circa rumpenheyin, unum tot vulneribus
repleuerunt, vt mortuus ad ciuitatem traduetus est, alter semianimis
in noetc spiritum tradidit. Dehinc videlicet 25 julii supra dicti rapue-
runt 19 vaccas, 27 equos et equaa vna cum eorum iumentis czu
durckelwyll. Item deinde 26 augusti prefati latrones vaccas, porcos
(equos paueos) et quingentos oues rapuerunt zu durckellwill. Item
ultima septembris combusserunt tecta octo in bonmeß sagittando tela
ignea et hij, qui sagittas emiserunt, die sequenti per literas hostilita-
tem indixerunt Act. anno 1495.
§. 141. | toi. 34 1 Anno 1495 die 17 Augusti latrones Jost frundt
cum suis combuserunt sepes et hostia vff dem knobellachs hoff, que
curia est Wolff blumens, filii quondam Gcorgii blumens. Actum in
noetc.
§. 142. [fol. 37] Anno 1495 die 4 octobris pulsata est campana
Gemperlyn vulgo dicta, eo quod visus est exercitus, videlicet Tom-
Digitized by Google
hanrud [?], magister curie archiepiscopi moguntinensis, cum militibus,
equestribus, ideoque sunt arbitrati homines esse de latronibus, qui
predari cuperent, et armati exierunt, sed cum sentiebant eos non
fuisse, rcuersi gunt in pace.
9. Nächtlicher Unfug.
§. 143. ffoL 8J Anno 1494 duodecima noucmbris in noctc in
vicu institorum omnia manubria , pcdcs vel ligna pendcntia ante
hostiam, quc pulsare solcnt volentea ingredi, abscißa sunt et proiccta
supra cymiterium predicatorum et rupte sunt alique fenestrc iaculis
in ecclesia predicatorum, ncc scitur, quis fccerit.
10 Strafen.
§. 144. [fol. 4] Anno 1494 die 22 augusti suspensus est hic
vnus.
§. 145. (fol. 6] Anno 1494 die 26 septcmbris dccapitatus est
vnus, ob sedicionem factam in nundinis, noctu poru'a clausis circa
maganum sepultusquc in ccclesia sancti spiritus ob honorem paren-
tum suorum. Erat de babcnbcrg.
§. 146. [fol. 6J Anno 1494 prima octobris suspensus est rusticus
hic de prunhcym.
fCombustio aduersarii §. 138]
§. 147. [fol. 57) Anno 1496 die nona julij margreta ,
coqua Karoli henspurgis affinis et sororis Marths, traducta est in
carcerera turris sancte katherine ob varia et magna furta, qu? sub-
traxit domino et domine suis prefatis, licet addixerit seu promiserit
fidelera ipsis famulatum etc., uti solent promitterc famule, fuitquc
tribus vicibus vna die tracta seu extensa per laqueum. Emissa autcm
de carcerc die 29 julij ea conditionc, ut franckfurdiam nunquam
reuertatur. Precabantur pro ea principes duo, priucipisse tres, qui
casu peregrinando ad aquisgranam per hanc ciuitatem [exjproßcis-
ccbantur. [cf. §. 117.]
§. 148. [fol. 63J Anno 1496 die 16 septcmbris cromatus est iudeus
quidara eo, quod monotam abscindendo falsifioauit.
§. 149. [fol. 69J Anno 1496 die sedccima dcccmbris quedam
mulier per iusticiam virgis cesa per ciuitatem.
§. 150. [fol. 78 1 Anno 1497 vicesima septima ianuarij gladio
punitus Hans drach, eo quod stuprum et inccstum perpctrauit, cogno-
Digitized by Googl
ait et vxorem et socrum. L. si quis adulter ad 1. jul. de adalt. Et
com eo dactus für, qui suspensus est patibulo.
§. 151. [fol. 100] Anno 1497 prima scptcmbris suspensus est
quidam, qui furatus calicem in nauique forensi apprehensus [s. est].
§. 152. ffol. 112] Anno 1498 sexta aprilis et veneris post judica
tres insignes latrones combusti hic, qui licet Omnibus sceleribus fue-
rint dediti, tarnen preeipue in dominico corpore deliquerunt, furati
namque in diepurg monstrantias ac vas ipsum, in quo continebantur
consecrate hostie; vnus ex eis xvi consecratas h Ostias deuorauit, alter
paulo minus. Preterea plura gazophilatia spoliarunt et hic ad sanetum
Petrum homines trucidarunt, alios spoliarunt.
11. Bauten und Häuser.
§. 153. [fol. 6] Anno 1494 ruperunt muros turris acialis iuxta
portam maguntinara usque ad carcerem et de nouo ineeperunt <?di-
6care eam ineipiendo super carcerem et redegerunt eum in formam,
in qua nunc est, et perfecta est in mense septembri et dealbata
depost.
§. 154. [fol. 19] Anno 1495 in apprili haben die herren vom
rad das zolhuß vffgeschlagcn, daryn man furters sali den zol .von
pherden nemen vnd vffheben vnd stet das selb huß vff dem Roß-
marckt vff dem hyrezgraben by hanß Schmyden huß.
§. 155. [fol. 28] Anno 1495 in mense junij vel paulo ante hatt
der ratt die krem von der wober Kauffhucz an byß her für an das
eck der barfusser lassen von neu wen anfallen vff zu schlagen vnd
die selbige gasse wytter gemacht vnd zu gegeben, also das sie vor
den selbigen kremen vmb funff werck schuch wytter ist, den sie for
war, vnd hatt zum ersten feyll gehabt yn den selbigen newen
kremen yn der herbstmess anno 95.
§. 156. [fol. 1] Anno 1494 in die Petri et Pauli apostolorum hatt
der thoncr yn bockenheymer thorn geschlagen vnd man vnd frawe,
die daruff wonten, geleczigct, doch sterben sie nit daruon, vnd das
gebewe zur bruchen vnd vorbrent. Diß ist geschehen des morgens
zur sexten stund. Uff die selbige zitt war Kryngen hulczhuserin vnd
Gilbrecht yr sun vnd myn mutter Eylchin rorbechcr vnd ich Job zu
Emps ym bad vnd vff santPetter vnd Paulus abent war eyn mechtig
groß ongewitter des obencz vnd fillen kyssel, die grosten ab zillich
huner Eyer, die kleynen alle als duben eyer.
- 140 -
[Wiederholte Erzählung foL 4: Anno 1494 in die Petri et Pauli
apostolorum hat der thonner in bockenheymer thorn geschalagen vnd
die frauwe heftiglig vorbrent vnd den man auch, doch syn sie myt
dem leben dar von komen vnd haitt das gebeuwe, was von
holtzwerg gemacht, all* zurbrochen vnd zurspalten.]
§. 157. [fol. 72] Anno 149J super fundamentum, quod prius erat,
est edificata turris, wulgo der bockenheymer thorn, et in formam
redacta eam, ut cernis.
§. 158. [fol. 72] Anno 1496 hatt der Ratt zu franckfurt eyn
raelwag vff gericht yn der Escheymer gassen nah by der porten.
Mer hat man auch cyn newen bron da uffgefurt, daran hatt der Ratt
eyn steheuwer geben, das vberig haben die nachbar vnd die darumb
wonnend müssen beczallen, vnd hat myn mutter von yren hoff myt
Bampt den zynshüßlin gelegen yn der obgemelten Eschenheymer gassen
musen zallen.
§. 159. [fol. 83] Anno 1497 prima martij cecidit turris vff dem
klobelachshoff extra portas. Antea struetura erat satis fortis, circum-
dueta, fossata et aquis 6 diruptaque funditus reparari non potest, nisi
de nouo edificetur [cf. §. 141].
§. 160. [fol. 149] Anno 1500 tertia februarij ipsaque die beati
ßlasii reparatum scu renouatum est superiori parti sue patibulum hic.
12. Rathsverordnung wegen der Ratten.
§. 161. |fol. 135] Anno 1499 undeeima apprilis ist hie angefan-
gen von den» Ratts geheiß, das man eyn yden menschen, der ein
totte ratzen bringt vff die brücken zwischen eilff vnd zwolffen, der
selbig hatt cyn Ii., den im den einer gibt, der darzu verordent ist,
die Ratzen zu entphangen, vnd nympt die selbigen vnd hewt inen die
schwentz abc vnd worfft sie als bald inn meyn.
13. Naturereignisse.
§. 162. [fol. 4] Anno domini 1494 mesis omniura frugum est
collecta et in horreum tradueta. videlicet siliginis, tritici et auene etc.
ante mensem augusti.
h Ein Wort wie raunita scheint ausgefallen.
— 141 —
§. 163. [fol. 4] Anno 1494 in die S. Jacobi habebantur raeemi,
adeo quod vendebantar aliqui.
§. 164. [fol. 14] Anno 1495 tonitmit die decima H vndecima
ianaarij.
§. 165. [fol. 37] Anno 1495 ym September vnd ym october
haben die hangen dorn widder geblüwet, also das man funden hat
roitt vnd wiss gefolt vnd vngefolt haün rossen, item mergen droppen
blumlin, item haben fyll bäum wyder blütt gehabt, item fyll korn
blumen vnd ander.
§. 166. [fol. 54] Anno 1496 die octava apprilis, que erat sexta
post diem pasche, synt ob sechs hundert gutter wolgemester schwyn
zu franckfurt feyl gewest vnd hat eyn gutt schwyn vor eyn gülden
kaufft, das man vor drien iaren nyt woll vmb drij gülden hett konden
kauffen, vnd menig fart darnach hatt ufT die fritag vnd sust schwyn
feylt gehabt vnd haben fill lud sie kaufft vnd gestochen, glich als
man sunst plegt zu winterzitt zu thuu.
§. 167. [fol. 55 ad Calendas maias anni 1496] lllo etiam tem-
pore moganus et rehnus [adeo] exereuerunt, adeo vt aiebant homines
se eo tempore anni non meminisse equalem illorum fluminum abun-
dantiam; manauit moganus durch die farport et per plures alias
portas.
§. 168. [fol. 73] Anno 1497 synt vberschwencklich vnd eyn
grosse menge krawen oder kreheu gewest, die da angefangen haben
ym iar 1496 vnd ym iar 1497 vorgangen, oder ym iar 1497 ist eyn
mechtige große geschwoorm der kofleryn gewest.
§. 169. [foL 73] Anno 1497 synt fyll huner suchtig an der grossen
kranckheyt vnd auch fill dar an gestorben, maxime vernali estualique
tempore.
§. 170. [fol. 75.] Anno 1497 octaua ianuarij alluvio magani ex-
creuit, ita vt ascendit vltra schansteyn vsque ad domum Ruperti
mones, adeo quod aliquibus diebus intranit per omnes portas, claude-
banturque porte omnes preter portam saneti Spiritus, quo nocte vna
non claudebatur. Et ob eius exerescentiam dimissa sunt diuina in
ecclesia diui leonhardi vsque in duodeeimam ianuarij, nec poterant
naues a maguntia ascendere per dies aliquott. Duodecima porte re~
serabantur. Nec hijs diebus operari poterant mollitores ; celaria
varia ac plura repleta aquis. Rursusque exereuerunt et moganus et
Rhenus ac omnia fluuia in hac regione effecta maiora, quam antea,
adeo vt rethr o in sedeci m annis non fuere flumina abundantiora.
xviii ianuarij moganus se extendebat plene vsque ad ccclesie introi-
Digitized by Google
tum, vbi per gradus ingreditar. Denno etiam diuina obmissa die xv
ianuarij vsque ad 22 eiusdem mensis.
§. 171.* [fol. 171] Anno 1501 in die nicolaj noctn iufra nonani
et decimam horas flante vento valido tonitrua valida audita sunt,
fulgura vlna grandinesque cecidere. De tonitruo vide etiam supra
fo. 14 f§. 164].
14. Französische Krankheit
§. 172. [fol. 5C] Anno 1496 tempore estatis et verne [verno] ist
eyn ongehort gruiHich vnd erschrockenlich kranckheyt vnder die
theuschen von den walen kernen, die walen haben sie krieget von den
franezosen vnd wyrt diß krankheit genent mall franezoß, vnd
regirt fast in deutschen landen, noch fyll mer in italia vnd frantia.
Die kranckheyt macht den menschen onseglich ongeschaffen ; welcher
sie hatt, ist vber gancs sin lipp foll schwarcz rotter blätteren; wert,
eyn teyllen eyn halb iar, den anderen drij firteill, den anderen eyn
gancz iar vnd noch dem belibent die flecken an ynen etwen lang.
Ongestalter ding hatt keyn mensch nie gesehen; von solicher oder
derglichen kranckheytt nie keyn mensch mer gehört, auch fint keyn
arezet da von nicht geschrieben, den als fill , als man nient (?) dar
widder tracht
{Bernhard Rohrbach wird 1498 von der Krankheit befalleu §.9].
15. Gesellschaft Löwenstein.
§. 173. [fol. 6] Anno 1494 secunda octobris donauit Ambrosius
glauburg tres lepores societati stube nostre et ob hoc facta est
conuocatio virorum et mulierum, tenueruntque conuiuium et concena-
runt et coreas duxerunt Actum hic zu lebensteyn.
§. 174. [fol. 9] Anno 1494 die 27 decembris donauit Ambrosius
gleuburg duos lepores societati nostre in lebensteyn ideoque
conuocati aunt et viri et mulieres ad cenam et ego tunc pro primo
cenaui in dicta societate.
§. 175. [fol. 15] Anno 1495 deeima februarij doctor Ludwicus de
paradiso, scultetus huius opidi, donauit societati nostre zu lebensteyn
ceruum et preeipue mulieribus ideoque facta conuocatio et virorum
et mulierum ad cenara, pro simbolo soluit unus iiii 1>.
§. 176. [fol. 16] Anno 1495 deeima nona februarij conuocata
est societas zu lebensteyn, etiam mulierum, ad cenara et soluit unus
vi alb. et tunc primum trepudium cum tedis etc.
Digitized by Googl
— 143 —
§. 177. ffol. 16 1 Anno 1495 die 24 februarij liatt Johan holcz-
heymer myr vinb die geschelschafft zu lebensteyn gebetten, das sie
myr woltten vorgunden die fasnacht myn phenig myt yn zu vorzeren.
Also liabcn sie myrs vorgundet myt solichein vnderscbeytt: wol ich
fuitters andere fasnacht gesellschaflft halten, so sol ich gesell werden;
das erstemal haben sie myr vnd Conratt zum jungen dißmall nach-
gelassen. Vnd darnach uff den 26 tag februarij hatt zum nachtmall
die geselschafft angefangen. Darnach uff den sontag zu nacht, inon-
dag zu nacht, das ist der erst vnd der zweyt dag ym raercz ossent
man vnd frawen vff der stoben vnd darnach vff den iii vnd iiii tag
des merczes ossent beyd man vnd frawen morgens vnd abentz vff
der stoben vnd vff den dynstag, uff aller man fasnacht, stochen
myt kronlyn Gorg reyß, Niclaii von babenhusen vnd behylt
Gorg, vnd vff den eschermyttwoch stochen iiii Reysigc myt kolben,
zwen mit namen Martins vnd Eberharcz von hussesteyn knecht vnd
zwen vnser soldner myt namen wisbroitt vnd ruttlinger vnd behylten
die soldner, also das wissbroitt die hussesteyheymer knecht zu dicker-
mall feit vnd er doch hart blyb siezen. Vnd das geschach noch dem
die frawen widder kamen vli gleuburgs garten. Item do disse vffge-
horten, stochen myt kronlyn Courat zum jungen vnd Conrat mones.
Darnach vff den donerstag zu myttag ossent die gesellen älleyn vff
der stoben vnd rechentten die kochenmeyster Claß von rockyngen
vnd Virich nuhul> vnd die wynmeyster Johan von holczheymer,
Philipp wil>, vnd bcczalt der man iii gld. Vnd vff den donerstag zu
nacht, das ist der v tag ym mercz, ossent man vnd ffol. 17 1 frauwen
vff der stoben vnd ward das selb obent mall yn die forderigen mal
gerechnet vnd warent xi.iii gesellen, so edel vnd andere, die
beczalten; frawen vnd junffrawen, die gelten nichcz, den vff den
eschermyttwoch zum vnderen galt eyn i alb , vnd vor drij huner
gaben t die wyttfrauwen iiii ß oder mogent huner dar vor geben nach
yrem willen ; junffrawen gebeut gar nichcz, vnd wareji frawen vnd
junffrawen, die geselschafft hylten xxviii. Darnach vff inuocauit, das
ist der eycht tag ym mercz ossent wyr zu nacht vff der stoben,
gult der man iii 1>.
§. 178. [fol. 38J Anno 1495 die octava octobris Cristianus foleker
prodouauit duus lepores societati nostre ideoque et viri et mulieres
cuuuocati sunt ad eenam et pauce aderant mulieres, virgo vero nulla.
Digitized by Google
— 144 —
16. Gesellschaft Limburg.
§. 179. [fol. 41] Anno 1495 in mense nouembri hatt Daniel
brora, sch'effen vnd Ratt der stadt franckfurtt, kaufft das hul>
laderem genant, gelegen vff dem Eck neben dem Romer geygen
dem hußlymburg vber, da iczunt zur zytt Heyrt wyl> yn wont
vmb , hatt vor das hul$ laderem mytt sampt dem hui>-
ratt, der vor die gest gehört, die yu der meß dar yn herberigen,
bezalt eycht vnd zwenczig hundert golt gülden. Nach dem selbigen
kauff hatt der obgenant Daniel brom der geselschafft vnser Stoben
das obgenant miß laderara angemutt zu kauffen vmb das obgeraelt
gelt, als er ens kauflft hatt, das hatt die geselschafft zu grossen danck
angenomen vnd habent vorordenet vnd gemacht, das iedcr gesel, der
vff die selbige zytt gesel sy, oder die, die noch nyt gesellen syn.
doch von rechtem vnd mytt recht nytt mögen der geselschafft vor-
wißt werden, als die syntt, die von geburt daruff hören, sollen geben
zwenczig gülden, des die gesellen alsampt wyllig gewest synt Vnd
darnach vff sant Andreas tag nach alter gewonheyt haben die ges-
sellen, die daczumall gesell gewest svnt, vff der stoben gessen vnd
eyn iglicher beczalt xx glden nach dem Vortrag, dens sie yngangen
waren vnd darczu i gülden als von wegen des stoben zyus. Also
hatt die geselschafft von den gesellen, die vff solich zytt hie waren,
vnd vi* den bocksen der geselschafft dusent gülden dem vorgenanteu
Daniel bromen beczalt, von der vberigen som, sali man ym ierlich zu
gulde iiii gülden von hundert geben [suppl. fort: biß zur] ablosung;
vnd als offt die geselschafft ii hundert gülden bringt, will er ym
viii gülden ablassen lassen, als lang byß die gancz somc abgelost
[fol. 42] wyrdt. Vff den iczgeriuten sant Andreas dag synt zu buw-
meystern des huß laderam gemacht Hans vom ryn, Daniel
broin, Gorg frosch, vnd zu stoben lneysteru synt gemacht Jo-
hann frosch zum äffen, Johann zum jungen vnd Con-
ratt sehytt Item welcher gesell durch bewybung vf die stoben
kompt, der vor nyt von gepurt daruff gehört, der selbige sali geben
drissig gülden. Sust eyner, der von gepurt daruff gehört, gypt nyt
mer den zwenczig. Auch gypt das obgemelt huß ladaruni xv glden
ewiger golt czu zynß, haben vor williget zu ablosung vnd gybt man
eynem vor eyn gülden abzulösen xxviii gülden.
§. 180. [fol. 50] Anno dnj bisextili 1496 erat dies deeima sex tu
februarij vltima carnisbreuii et non fuit vlla conuocatio noatre soeie-
tatis seu stube, veluti onmes mortui fuissemus, sed impedimento nobis
Digitized by Google
- 145 -
fuerunt assessores camer? iuditii ceterique doctores nobiles et
aduocati et procuratores, hij namque aderant nimis copioai.
§.181. ffol. 42] Anno 1496 vltima decembria primum societas obsoni-
tauit in magna atuba domus ladarum. Obsonij magister, wulgariter
der wyrt vff der atoben, fuit Philippus kaltoffen, nec ego die
illa inter obsonantes fui, latuit namque me, quod ea die in ea domo
obaonium fuerat inceptum. Anno 1497 incipiendo annum a pri-
mordio ianuarij Bernhardus rorbach, germanus meus,
[suppl. : et ego] primum interfuimus obsonio in prefata domo,
(obsonii magister erat Walter ysenberg) donauitque mihi ger-
manus quinque h. tum, cum soluebatur pro obsonio; quilibet etiam
nostrum donauit xx den. Friderico .... nostre societatia
famulo, sie namque moria est, vt quilibet, maxime aoeii,
dent famulo societatia die circumeisionis xx den. Et hoc primum ego
donaueram. Anno 1497 ipsa die epiphani$ conuiuium primum habi-
tum in nostra atuba, de quo clariua in anno 1497 (§. 183).
§. 182. [fol 73] Ladarum. Anno 1497 prima die ianuarij
primum frater et ego ivimua ad ladarum, de quo latius vide
aupra in anno 95, ubi de emptione domua ladarum habetur, in fol.
[41. § 179.]
§. 183. [fol. 74] Ladarum. Anno 1497 in die ephiphanie
primum in noua atuba cenauimua omnea infraacripti, non more aoeie-
tatis, sed conuiuium habuimua, in quod omnea pariter admisai aiue
de corpore societatis siue non. Huic CQne prepositi erant Hans vom
ryn, ciuium magister, etVdalricus neuhusen, quos solemus magistros
coquine appellare. Erant autem cenantes doctor Ludwicus de
paradiao, scultetus, doctor Adam heymbach, aduocatus,
Hans vom ryn, ciuium magister, et Conradus sehyt,
8uua sodalis, doctor Johan et Hen glauburg, Hen saU,
Ortt, Johann, Conrat et Ortt zum jungen, Georg,
Johann et Johann frosch, Bernhart, Philipps,
Heynrich wiU, Jacob, Heylman stralnberg, Daniel
brom, Conrat monel*, Virich neuhuß, Cristian
foleker, Johan reyß, Johan han, Thomas sos-
senheymer, Bernhart, Job rorbach, Johan von
hulczheymer, Symon vffateiner, Eberhart von
huaeaaheym, Georg martroff, Ludwig marpurg,
ClalS atalburg, Wolff etWolff blum. Supra acripti aunt
de aoeietate vel iua ipaia competit. Engel von hoczfelt,
Licentiatua, Georgius artulf, licentiatus
rosenberg> Hen frosch, den man nennt froschelgyn,
10
Digitized by Google
- 146 -
Pctter goascnheymer, Hans blura, Mylchior de»
rattes schriber, Hans dyrmeyer, hijs non competit ius socie-
tatis. Summa 47.
§. 184. ffoL 75] Anno 1497 octaua ianuarij, si iuste memini,
admissi sunt in societatem nostre stub(?Wolff blura iunior et Lud-
wicus martroff, soluit quilibet pro iure societatis trigiuta fl. et
fl. tres eo, quod vxorati sunt. Hcynricus wil* admissus in societa-
tem tertia februarij. Eodem die obijt Margreta, relicta Heynrici
ergeschemmers.
§. 185. [foL 76] La dar um. Anno domini 1497 duodecima
ianuarij conuocata est societas nostra ad cenam et viri et mulieres,
nec admissi alii, quibus non corapetebat ius aliquod in societate,
duobus demptis. Erant autem infra scripti in cena presentes nec
ordine debito subnotantur, seilicet, prout memorie inciderunt, collegi*.
Et hec cena prima erat, in quam conueniebant more societatis vere;
antea in noua stuba non fuerant nmjieres.
(1) Ludwicus de paradiso, scultetus, (2) doctor Johan-
nes glauburg, (3) Johan glauburg, (4) Ilamandus,
(5) Margreta, uxor sua, (6) Gylbertus, (7) Ludwicus
hulczhuser, (8) Eliseus, (9) Barbara, sua uxor,
(10) Bernhardus, (11) Anna, sponsa sua, (12) Philippus,
(13) Katherina, uxor eius, (14) Jacobus, (15) Fronica,
uxor sua, omnes wyssen; (16) lohan, (17) Cristyn, uxor
sua, (18) Gorg, (19) Johann, (20) Lysgyn, sponsa sua,
omnes frosch, (21) Ortt, (22) Johann, (23) Margret,
uxor sua, (24) Conrat, (25) Ortgyn, omnes jungen,
(26) Karlen henspurg, (27) Michel schwarczenbe rg,
(28) Kryngyn, eius uxor, (29) Hans von ryn, senior
magister ciuium, (30) Kryngyn uxor, (31) Conrat,
(32) Margret, uxor sua, (33) Jacob, (34) Ulrich, om-
nes neuhuser, (35) Johan, (36) Agatha, uxor sua, (37) Clai*,
omnes rockyngen, (38) Syffart klobellach, (39) Ceci-
cilia, uxor sua, (40) Hen saß, (41) Cristian folcker,
(42) Johan reytf, (43) Crystyngyn, sua uxor, (44) Johan
hulczheyraer, (45) Bernhart, (46) Job rorbach, (47)Lud-
wig martroff, (48) Enchyn uxor, (49) Johann han, (50)
Katherina, uxor sua, (51) Daniel, (52) Hans brom, (53)
Gretgyn, uxor sua, (54) Wolff blum, (55) Kryngyn, uxor
sua, (56)doctor (57) Adam heymbach [56 u. 57 eine Person], (58)
Anna,uxoreius, (59) Eberhart vonhuseBcheym, (60)Guttgyn,
uxor sua, (61) Conrat schytt, ciuiuramagister iunior, (62)Mar-
U7 -
gret, uxor sua, (63) Friderich faut, (64) Margret, uxor
sua, (65) Friderich von alczen, (66) Conrat mone«, (67)
Claß stallburg, (68) Gorg martroff. (69) Engel von hocz-
felt, (70) hingen, meister von norlyngen, hij
honoris gratia admissi in c?na, nnllum namque ius socie-
tatis competit ipsis. Que sequuntnr vidue erant: (71) Agnes
wisse zu [fol. 77] Lebensteyn , (72) Ey Ichin rorbechin, myn
mutter, (73) Katherina hulczseryn, relicta Gylperti huczhusens,
(74)Otylia glauburgerin, (75)Vrsula sch wartzenbergeryn,
(76) Agnes ergeschcmeryn. Virgines, que adhuc nulli adhere-^
bant, due tantum: (77) Kryngyn humbrechtin, (78) Kryngin
Rassen. (79) Thomas sossenheynier, (80) Grettgyn, uxor sua. Huic
cene prefecti sunt, vt coquine preessent, Johanfrosch et Virich
nuhuß. Gylbertus hulczhusen et ego eramus primi, qui
cum cereis correas duximus et ex iussu seniorum trade-
bamus Annam, sponsam Bernhardi wiss, Danieli brom et
hec prima correa in ea stuba et hec correa iusta conside-
ratione Danieli brom tradita ipsi, [supple: quod] raagni-
ficum et humanum se exhibuit erga societatem, domum
namque iusto pretio traddidit societati etc., vt supra
mentio habita. Post cenam aduenit marchio Iacobus de baden,
iudex iuditii camere regii [regiae?] maiestatis, et cum eo aliqui ex
assessoribus, procuratoribus et nobilibus et trepudiabant vna nobiscum.
Item quinque solidos soluit unus pro ccna, hos quinque solidos donauit
mihi germanus Bernhard üb ob memoriam, quia prima ccna.
§. 186. [fol. 79] Ladarum. Anno 1497 hatt man eyn öffent-
lich geselschafft gehalten vif der newen stoben vor faßnacht vnd ist
die erst geselschafft, die man gehalten hatt vif der neuwen stoben,
vnd für hin hatt man vorbotten vff die stoben alle junge gesellen,
die etwan gerechtikeyt yn der geselsehafll haben, vnd synt die jungen
gesellen also ersehynen myt namen vff den 22 tag des ianuarij vnd
hatt da selbst doctor Ludwig vom paradiß, schultheyU, von
wegen der geselschaffl disse meynung zu den iungen gessellen geredt,
das den iungen gesellen allen vnd iglichen erlaubt sy vnd laub haben
sollen vff der stoben vnd in der geselschafft zu syn vnd vmb yr
geld zu zeren (das aust nyt gewonlich ist, den noch ordenung gunt
man eym nyt mer dan eyn gesellschafft zu halten, dan er gessel
wyrt), dar by auch gebetten vnd befollen, zuchtig sich zu halten
myt danezen vnd willig myt essen vortragen, auch ym dancz sich
nyt yn die arm vmbfahen als sust, sunder an stat des selben arm-
fahens den frauwen die hend geben vnd zuchtig neygen. Diss ist
10*
Digitized by Google
— 148 —
also geschehen. Auch hatt die geselschafft margraffen Iacoben, zu
den zytten kamer richter, vnseren genedigen herren, vnd alle bysitzer
vnd ettlich aduocaten vnd procuratores des kamer gericlitz lassen
wißsen, wie man eyn geselschafft halten woll, wollent sie dar by gyn,
so möge sie die geselschafft fast woll liden, das sie yr gelt by der
geselschafft vorzeren ; des glichen hat mans auch ettlich lassen wissen,
die yn der canczelly syn zu der zytt der geselschafft. Darnach vff
vnser frauwen tag purifficationis ist loczell faßnacbt gewest, daramh
hatt die geselschafft nyt yren anhab gehabt als von alter vnser
frauwen zu eren vnd [hatt] vff den sontag estomihi, que est quinta
februarij , hat sie angefangen vnd vff denselben obent zum ersten des
nachtz ymbB da gessen vnd ffol. 80J öffentlich hie vnden gedanczt
Vff den montag darnach zu vnderen haben fier burger eyn gesellen
stechen gehabt myt kronlyn, myt namen Conrat zum jungen,
Heimen [Heylmanj stralnberg, Conratt moneß vnd Claß stal-
berg, noch dem syn widder zum nachtmall erschynen alle die, die
zur ge[sel]schafft gehören oder geladen waren. Vff den dynstag ist die
geselschafft zu myttag auch by eyn ander gewest Glich alß sie zu
mittag gessen hatten, syn sie vmb gangen noch alter gewonheyt zum
theuschen huß, zu sant Iohans vnd zu sant Anthonien vnd ist der
fürst margraff lacob von baden kamerrichter nyt mytt gangen, noch
keyner von assessoribus oder bysiczeren, darnach zum nacht mall
syn sie alle zu seinen komen vnd zum dancz; desglichen den escher-
myttwoch zu myttags vnd obents vff den eschermittwoch noch myt-
tag haben die frauwen noch olter gewonheyt zwen kochen meyster
gemacht zu der grünen Soppen myt namen C laß von rockyngen
vnd Hen stralnberger, beyd sampt widwer, darnach synt sie hynuß
yn Hen gleuburgs garten gangen, da die geschelschafft hin vß kam,
bald darnach kam der fürst myt sampt ettlichen bysiczern zu ynen
geryten vnd war by ynen, darnach rytten sie widder heym vnd gyng
die geselschafft auch heym vnd kamen zum nachtmal widder zusa-
men. Vff donerstag zu mittag ossent die mannen eynig vff der stoben
vnd beschlossent die rechenschafft vnd namen von dem margkgrafien
nyt mer den i gld. vnd desglichen von bisiczern vnd allen dennen,
die dem kamergericht vorwandt waren, gab keyner mer den i gld.,
[fol. 81J schenckt der margkraff der geschelschafft eyn hirsch vnd
eyn rehe, des Rattes amptlude vnd Ander Edellude gaben eyner ij guld.,
eyn burger iii gld., darnach vff den gßt. dornstag zu nacht ossent sie aber
by eynander den manderkeß vnd vorzert eyner Vnd also hatt
disse brasseryhe eyn ende. Disser geselschafft kochenmeyster sint
gewest lacob neuhuß, Iohann han, wynmeyster vnd broitt-
- 149 -
meyster synt gewest Iohan froach, sponsus Lyßgens, vndConrat
neuhuß.
By diaer geselachafft synt nyt gewest myn mutter, myn b rü-
der Bernhart vnd ich, noch myn schwager, noch myn Schwe-
ster; auch Ha man hulzhusen vnd Margret, syn frawe, noch
Gylbrecht, syn bruder, noch Katherina, yr mutter, die war auch
kranck, noch auch Katherina hulczhuseryn zum spangenberg,
noch yr sun Ludwig hulczhusen, vßgenomen uff den sontag inuo-
cauit zu nacht ist Schwager Karlen hynsberg und Martha, myn
Schwester, by der geselachaflt gewest, vnd hat vns vi* der geselschafft
gehalten Margretten zum thorn dott, die wir als den truerrenteu.
§. 187. [fol. 132] Anno 1499 21 ianuarij hoben man vnd frauwen
vff der stoben gessen zu nacht, eo quod marchio Iacobus de baden,
iudex Regalis iuditij camere, donanit societati ceruum et soluit vnus
G alb. Ego aderam, non mater, neque frater.
17. Cultus.
§. 188. [fol. 2J Item secunda junii celebrabatur hic missa in
omnibus ecclesiis pro conservatione fructuura et conciuitatis et pro
defensione hostium anno 1494.
§. 189. [fol. 7 ad iii novembris 1494J Eodem die agebatur in
ecclesia commemoratio an i mar um fidelium, que commeraoratio trans-
lata est in terciam diem nouembris, oo quod dominica dies se-
cunda erat.
[Ueber die Stiftung der Rathsmcsse §. 250. Fam. Frosch.]
§. 190 [fol. 12] Anno 1494 [1. 1493] deciraa nona maii cecide-
bat dedicatio ecclesie. fratrum minorum franckfurdie. Semper enim
secundum cursum temporis in dominica exaudi, que est sexta post
pasca, agitur dedicatio in prefata ecclesia. Et tunc ante inchoationem
summe misse defertur venerabile corpus Christi extra ad plateaa
circumeundo monasterium et omnes fratres ferunt reliquias etc.
Et fundauit pater iuxta literas hec clare fantea, et fratribus meis ac
mihi ineumbit duetio sacerdotis deferentis sacrum et ego Job prefato
anno et die, vt hic supra mentio habetur, duxi et Hamandum hulcz-
husen in sodalcm asaumpsi. Et post mortem patris ego primus fui,
qni ex fratribus meis duxerat; tempore enim intermedio, videlicet post
mortem patris vsque ad tempus pubertatis nostre et presentie mater
nostra substituit duos, qui vicem nostram adimplerent. Et in anno
1494 dedicatio fratrum minorum cecidebat in xviii diem maii et duxi
Digitized by Google
- 150 -
ego sacerdotem et Jacobus nuhusen, quem mihi in sotium assumpsi,
nec enim tum affuerunt fratres.
[Ueber diese Stiftung vergleiche: Familienchronik Bernhard
Rohrbacha §, 27. Der Sonntag Exaudi fiel übrigens nicht im Jahre
1494, sondern 1493 auf den 19. Mai, es ist daher statt 1494 zu lesen
1493, wie auch aus der wiederholten Beschreibung der Proceasion
von 1493 hervorgeht:]
§. 191. [p. 25J Anno 1493 decima nona maij et in dedicatione
templi minorum duxi ego primum sacerdotem deferentem corpus
Christi in processione, que habetur ante missam summam. Assumpsi
mihi in sodalem, qui mecum duxit, Hamandum hulczhusen.
Processio [1. processionis] , que fit in dedicatione ecclesiae fratrum
minorum, et maxime quod diflertur corpus dominicum, fundator fuit
pater meus Bernhardus rorbach, ipse namque suis pecuniis ini-
petravit a papa fratribus, vt possent differre [corpusj domini per
circuitum, inque memoriam huius preservavit sibi, dum vixit, nobbquc
filiis suis, vt ius ducendi haberemus, sed quia post obitum patria
omnes nos ctate ad eam rem minores eramus, ac etiam cum etas nos
ablitauit(?), absentes eramus, ideoque raater nostra Semper duos, quos
voluit, nomine nostro elegit, qui offitium in hoc nostrum expleverunt.
Et die et anno prefato ego primus inter fratres duxi, eo quod
Bernhardus existebat in italia eo tunc, Conradus vero f rater
minor annis erat. Competit autem ius ducendi duobus scnioribus ex
nobis iuxta litteras. [fol 26J Anno 1494 decima octaua maij in dedi-
catione fratrum minorum, ego pariter cum Jacobo neuhusen
duxi sacerdotem ferentem corpus redemptoris. Anno 1495 dominica
exaudi, que tunc fuit vltima maij, erat dedicatio ecclesie minorum,
et tunc duxit Bernhardus, frater meus, (et adiuuantem assumpsit
Karolum henspurg, affinem nostrum,) sacerdotem, qui fert do-
mini corpus, et hoc ex morc, qui uobis incumbit ; et primum fuit, quod
frater duxcrit, ego tarnen antea duxi, ipso Semper absente. Anno
1496 ego Job vna cum prefato Karolo duximus sacerdotem. Anno
1497 Bernhardus, frater meus, cum Karolo henspurg duxit sacerdotem
in dedicatione minorum. [fol. 88: Anno 1497 septima maij in dedica-
tione minorum duxit Bernhardus rorbacb, frater meus, Bacordoteni
deferentem corpus dominicum. Assumpsit Karolum hensburg in
socium, quia ego non aderam.J Anno 1498 maij 27 erat dedicatio
fratrum minorum et duxerunt frater Bernhardus etKarolus, tunc
magist er ciuium [§.124], sacerdotem iuxta morem. [fol. 114:
Anno domini 1498 vicesima septima maij et dominica exaudi in de-
dicatione ecclesie fratrum minorum franckfurdie frater meus Bern-
Digitized by Google
- 151 -
hardns assumpsit Karolam hynsperg, tunc magistrum ciuium,
in sotium et duxerunt sacerdotem, qui ibidem in processione detulit
corpus domini. Hec enim dedicatio nostra est de iure iuxta litteras.]
Anno 1499 xii maij et dominica exaudi cgo cum Jacobo neuhuß,
magistro ciuium pro tunc [§. 125J, duximua sacerdotem de-
ferentem eucharistiam. [fol. 139 : Anno 1499 duodecima maij et do-
minica exaudi in aolennitate dedicationis eccleaie minorum duxi ego
vna cum Jacobo neuhuaen, tunc magiato ciuium, eum,
qui inde ex institutione genitoria mei detulit in processione corpus
domini, induique eo die ex panno nigro tunicam simplicem, de illo
eodem panno induit Jacob us prefatus eyn h aBack.] Anno
1500 vltima maij Bernhardus, frater meus, vna cum Georgio neuhuaen
duxerunt sacerdotem, de quo in 152. [fol. 152: Anno 1500 vltima
maij in dedicatione minorum duxerunt sacerdotem gestantem corpus
domini frater meus Bernhardus et Georgius neuhusun.]
§. 192. [fol. 32] Anno 1495 in die beate Mari? Magdalene
Johannes griffensteyn, decanua S. Bartholomei, detulit cor-
pus dominicum, Johann glauburg etOrtt zum iungen
in locum Johannis von ryn duxerunt decanum , Bernhart wyß,
Georg nouhuß, Philippus ogelnheymer, Jacob wyß
portarunt den casten. Vdalricus nuhuaen, Georg
matroff, Gylbcrtua hulczhuaen, Heynricua wyß facea
gestabant.
§. 193. [fol. 43] Anno 1495 ordinatum est per sereniasimum
Maximillianum Romanorum regem ac per archipreaulem maguntinura,
Bertholdum de henberg etc. et per alio8, vt in omnibua cathedrali-
bua, collegiatis parochialibusve ecclesiis et monaaterija per totum
imperium in omnibua dioceaibu8 et locia, qui aub imperio aunt, vt
ad quadriennium aingulia menaibua miaaa rogationia decantetur
in initio cuiualibot raonaia pro impetranda (a magnipotenti deo) raiaeri-
cordia et peccatorum venia pro aalute et victoria, vt auo iuamine
[iuvamine] hoatibua fidei et imperij reaiatere valeamus criatianaque
religio vt augmentotur imperiumq. aimul amplificetur. Et omnibua
deuote intereaaentibua xl dies indulgentiarum tribuuntur. [fol. 44]
Hec mfeaa rogationia eat franckfurdie primitua cantata die nona de-
cembria anno 1495 et aingulia menaibu8 continuata U8que in annum
1499, vbi ultima obaeruata fuit quarta nouembria. Celebratur autem
miaaa hoc ordine. Ante misaam flexia genibus cantatur antiphona:
nCognoacimu8, doraine, quod" etc. cum verau et collecta pro pecca-
tb. Dchinc septem psalmi penitentiales leguntur usque ad litahiam,
litaniaque inchoatur voce altiori cantabiturque per cireuitum ecclesi§,
Digitized by Google
— 152 —
precedente quodam, qui crucem defort ante scholares (ubi sunt) et
clerum. Hijs finitis in choro cantatur antiphona: „Alma redemptoris
mater" etc. cum versu et collecta de beata virgine. Hij8 sie actis ad
missam venitur, cuius initium est: „si iniquitates", collecte: „Parce
domine", „Omnipotens sempitcrae deus". Hec due collecte. leguntnr
sub prima conclusione [?]. Alie tres collecte, videlicet: „quaesumus,
omnipotens deus, ut famulus tuus rex", „deus, a quo saneta desideriau,
„deus, qui non mortem peccatoris", leguntur sub secunda conclusione.
Epistola Hierieme prophete: „Si iniquitates nostre contendant" Gra-
duale: „Propitius osto peccatis". Alleluja: „ostende nobis, domine*.
Tractus post lxx [septuagesimara]: „Domine, non secundum peccatau.
Ewangelium: „Amen, amen dico vobis, quivis dixerit huic monti*.
Offertorium: „sicut in holocausto". Post eleuationem flexis genibus
cantatur antiphona: „Media vita in morte", versus et collecta pro
peccatis. Commune: „Amen dico vobis, quidquid orantes". Finita
uiissa proceditur cum processione ad altare beat<? virginis et cantatur
flexi» genibus antiphona: „Salve regina8 cum versu et collecta. Tan-
dem cum ad chorum reuersi sunt, cantatur antiphona: „O Martine,
o piea, versus et collecta vel loco illius antiphone cantantur antiphona
de patrouo ecclesie illius. II?c roissa tali rittu et ordine suprascripto
primitus franckfordie est decantata die nona decembris anno 1495.
[cf. §. 200.J
§. 194. [fol. 53] Anno 1496 die 3* apprilis, erat dies sanet*
pasche, tres apud fratres pr^dicatores predicabant : lector in cymiterio,
subprior in ecclesia, tercius in ambitu, adeoque se inuicem clamoribus
[se] impediebant, ut parua ex hijs sermonibus populo generabatur
deuotio, sed confusio potius.
§. 195. [fol. 54] Anno 1496 in die saneti Marci ewangeliste.
clerus non ibat ad villam rad, sed mansit in sachssenhussen ob pluuiam,
que die integra durabat
§. 196. [fol. 56] Anno 1496 in mense maij erecta primum est
tabula summi altaris in choro fratrum predicatorum.
§. 197. [fol. 58] Anno 1496 in die beate Marie Magdalene de-
canus Johannes in processione gestabat corpus doraini, Jobann
glauburg et Hans vom ryn eum duxerunt, Jacob wiß, Gorg
neuhuß, Conrad mones, Diether . . . von Bassenhussen por-
tabant den kästen; Gylbertus hulczhusen, Ludwicus hulcz-
husen, lieylman stralnberg, Conrat zum jungen ferebant
cereas.
§. 198. [fol. 90] Anno 1497 ipso die corporis Christi et vicosima
quinta maij deferebat corpus dfiilohannes gryffensteyn, decanus
Digitized by Google
— 153 —
dioi Bartholom^ francofurdiensis. Aasistebant docano cum ducendo
Henn glauburg et Iohannes vom ryn, seniores scabini,
quatuor autem ferebant struem, que super uacraraentum defer-
tur, nostro ydiomate der käst genant, videlicet Philippus
ogelnheymer, Gorg reyß, Ditther et ego lob ror-
bach, et primum est, quod ego gestabam den kästen, quatuor alij
deferebant tedas scu cercas, videlicet Heynrich wiß, Ortgyn
zum jungen, Vlrieh neuhusen vnd Gorg martroff. Comita-
bantur sacramentum a retro Marchio lacobus de baden , iuditij
camerc iudex, cum co sex assessores, item aduocatus iuditij camer?,
Doctor Florentius de veningen, aliquique procuratores. Post hos ibant
consules opidi huius, deinde wulgares etc.
§ 199. [toi. 95| Nicolaus kruder episcopus Sambicnsis
et filius franckfurdensis. Anno 1497 die 22 iulij ipsa die diu?
Magdalena Nicolaus kruder, episcopus Sambiensis, filius oppidi franck-
furdensis, detulit Corpus dominicum in proecssione, que ea die agitur
ex voto. Bemhardus, frater meus, Iorg neuhuß, Conrat moneß et
Dither humeris scu scapulis suis [gestaverunt] den kästen et prima
est fratris gestio illa prefata. Eram tunc "wormatie.
[Maria-Magdalenen-Procession 1498, begleitet von den Theilneh-
mern an dem Passionsspiel §. 2I5J.
§. 200. [fol. 137] Bede Meß. Anno 1499 vicesima quarta ap-
prillis decantata est in omnibus collegiatis ecclesijs et monasterijs
missa pacis. Et in ecclesia parochiali nostra hoc modo processum est :
primum cantata antiphona: „Cognoscimus domine, quod peccauimustt;
deinde lecti submissa voce vii psalmi litaniaque alta voce per duos
decantabatur. Cantando eam facta est processio et cireuitus per totum
eimitcrium. In ea ibant primum scolarcs, deinde persone ecclesie,
demum totum consilium seu omnes consulares viri vna cum capitaneo,
aduocato medicoque etc., qui omnes durarunt vsque in finem offltij
misse. ' Antca etiam quam inchoaretur offitiura summum, cantata an-
tiphona: „Alma redemptoris" cum collecta; introitus : „Da pacem"; habita
cleuatione, cantata antiphona : „Media vitaa cum collecta. Finito offltio
misse^ cantata fuit antiphona: „Salue rcginaa cum collecta [fol. 1381.
Steterunt consules in dextro latere chori, ingrediendo chorum scabini
et pretores, in superioribus sedibus seu stallis alij, in inferioribus
persone. vero omnes ecclesie honoris gratia cedebant consulibus et in
latere sinistro manebant. Deinde eodem anno 22 maij ob exhorta-
tionem domini Bcrtholdi archiepiscopi eque et per omnia decantata
est missa, vt supra , et . sequebantur itterum omnes consulares
[ff. §. 193].
Digitized by Google
§. 201. [fol. 142] Anno 1499 in die dine Marie Magdalene do-
minus Johannes gryffensteyn detulit corpus Christi. Ducebant eum
Johannes vom ryn et Ort zum jungen. Den kästen deferebant
Gorg neuhui*, Engil langstorff, Arnolt reyß, Philipps
vgelnheymer. Deferebant die fackeln Sebastianus Schmitt,
Conrat zum Jungen.
§. 202. [fol. 156| Bede Meß. Anno dominj 1600 vltiraa augusti
decantata est missa pro pactis ad instar eins, que supra notatur
charta 137 [§. 200], nisi quod in ea nunc consules in latere cantoris
steterunt supra in latere decani etc.
18. Judentaufe.
§. 203. [fol. 5] Anno 1494 deeima nona augusti baptizata est
hic Judea ex partibus sueuie, que, vt ait, ex instinetu Marie virginis
proprio motu baptizari petüt, et nomen ipsi est impositum Katherina
etinter plures compatrices duxerunt eam due virgines, Annabluinyn,
filia Wolfgangi blums, affinis mei, et Cristina froschin, filia Jo-
hannis frosch, que prefate virgines steterunt in latere super machinam,
quando baptizabatur, erat enim machina construeta ante aram parochia-
lcm et peluis super posita, in qua steterat baptizanda. Cetcre autem
compatrices non ascenderunt machinam, et, ea baptizata, cecinit popu-
lus: „Nun byden wyr den beigen geyst"! Et postea eduxerunt eam
prefate virgineB in processione (sicuti et intrauerat ecclesiam) ad
domum plebani.
19. Asylrecht der Klöster.
§. 204. [fol. 89] Anno 1497 deeima maij in noete hatt hamei*
sun .... zu sosenhusen eyn thor geweltiglich vffgetretten an eynem
huselin by dem büß, zum Einbogen genant, by den predigern vnd
hatt gewont eyn burger von aschaffenburg, der liic reyff feyll hatt,
genent vnd hatt der gemelt burger eyn frawe zu aschaffen-
burg. Aber hameß sun hatt dissen burger gewont vmb des, das er
by ym lygen fant syn hör . . . des wagners dochter von sassenhusen.
Darum b dratt er die dor vff vnd hywe den burger vnd schlug die
hör by eynander ym beth. Vnd hatt hanies sun eyn scherrer
knecht . . . . by ym yn disser thatt Des morgens licfY hames sun
vff die friheytt yn's barfusscr kloster vnd der scherrer kneclit zusant
Anthonij vnd synt beyd daruonkomen.
Digitized by Googl
— 155 —
20. Cleriker.
§. 205. [foL 5ö] Anno domini 1496 duodeoima maij expirauit
deuotus Hartmandua moliatoris, canonicua sancti Bartholomei.
Canonicatum obtinuit Philippus de hello, alias peffer dictus.
§. 206. [fol. 62] Anno 1496 vltima augusti dominus Niclaus
wißbecker exspirauit, quieratscolasticus sancti Bartholomei. Scolasteriam
obtinuit Joannes sumer, canonicus sancti Bartholomei, quod sibi
contulit generosus dominus .... de nassawe comes, prepositus diui
Bartholomei [cf. §. 62.].
§. 207. [fol. 99] Anno 1497 Carolus [1. Philippus] de helle,
filius doctoris Georgii, vulgo peffer cognominatus, obtinuit prebendam
in ascbaffenburg per mortem cuiusdam reyff, qui obiit vltima augusti.
Hec scripsit frater, quum wormatie eram7.
§. 208. [fol. 145J Anno 1499 die tredecima octobris J oh an es
vom ryn, filius Johanis vomryn et decanus sancti Leonhardi,
suas celebrauit primitias in dicta ecelesia S. Leonhardi, ad quos ego
fueram inuitatus.
§. 209. [fol. 160] Anno domini 1500 tertia decembris obijt do-
minus Georgius schwartzenberger, cantor et canonicus ecclesie sancti
Bartholomei franckfurdie. cf. §. 63. 327.
[Johannes Greifenstein, decanus sancti Bartholomaei, §. 62 seq., 192.
197. 201. 215.
Eberhardus Becker, scholasticus sancti Bartholomaei, §. 62. §. 63.
ConradusHensel, doctor theologiae, canonicus sancti Bartholomaei
et plcbanus, §. 63.
Johannes Ugelheimer, canonicus sancti Bartholomaei, §. 62. 63.
Erhardus Dincickheymer, canonicus sancti Bartholomaei, §. 63.
Johannes Wilnau, canonicus sancti Bartholomaei, §. (.3.
Hcimannus Itzstein, canonicus sancti Bartholomaei, §.63. 65. 69.
Nicolaus Schell, vicarius sancti Bartholomaei, §. 65.
Nicolaus Hugonis, clericus sancti Bartholomaei, §. 68.
Hcinricus Stößel, vicarius sancti Bartholomaei, §. 236.
Nicolaus Kruder, episcopus Sambiensis et filiusfranckfurdensi8,§.l99.
Johann Bruno, sacerdos §. 80.
Albertus Brollyn, capellanus Katharinac Holzhausen zum Gold-
stein, §. 18. 217.]
— - * ~ —
' Am Rande hat Job „Karolus" ausgestrichen vnd dafür „Phillipus" ge-
setzt. Es unterliegt demnach keinem Zweifel, dass der Inhaber jener Praebende
und der Canonikus zu St. Bartholomaei eine Person und Sohn des Kanzlers
Ueorg Helle, gen. Pfeffer, war.
Digitized by Google
III. Sitten.
1. Das jährliche Hirschessen des Raths.
§. 210. [fol. 31 j Anno 1495 die tredccima julij domini de con-
silio comederunt cenmm in domo Johannis gleuburg iuxta morem
eorum, vti singulis annis faciunt.
§. 211. [fol. 57] Anno 1496 die 1 juljj domini de consulatu
conuiuium cerui peragebant Et Clara, vxor Johannis de glau-
burg, inuitauit plures in domum Ambrosii glauburg (consulares enim
sunt in domo Johannis glauburgs, cum bachanalia cerui peragunt),
qui ad triduum ederunt ac biberunt in gaudioque triduum hoc con-
sumpserc, iueruntque tercia die ad villam rad causa solatii et quod
dies diue Margrete agebatur, quc iJlic patrona colitur. Inter alias
aderant mater, soror, affinis et ego, frater in italia erat [§. 8] soluit-
que genitrix pro se et me pro hoc triduo xx ß.
§. 212. ffol. 93] Anno 1497 decima nona junij domini consoles
franckfurdenses bachanalia cerui peragebant
§. 213. (fol. 117] Anno 1498 vicesima junij consulares franck-
furdenses conuiuium cerui iuxta morem agebant
2. Passion sspieL
§. 214. [fol. 115] Anno 1498, quarta junij et sccunda penthe-
costes, hic ante pretorium, quod dicitur der romer, supra machinam,
que ob hoc constructa fuerat, ludus habitus, in quo erant 280 per-
sone bene ornate cum vestibus ac similibus, quQ decebant; luserant
autem eo die primum sacrificium uuici filii Abraam, historiam Susanne,
divitis et pauperis Lazari, item filii pcrditionis, quibus actis Balthazar,
plcbanus in obem Escherscheym, induit se tunica grisea
Digitized by Google
— 157
(antea enim peraonam patria in drais representabat) , ac dyademitate
coronatus, personam Christi aimulana paaaionem domini aggrediena,
que causam omnem dedit ludo. Eam incipiebat ab electione apoato-
iornm. Die quinta junij luaerat pasaionem, usque dum captus fuerat
in ortu fhorto], aub illa captura ducebatur per nostraa vicua ciuitatia,
Sexta jtmij et roercurij et quatuor temporum ad longum per ciuita-
tem traducebatur, anteaquam aacerenderent inachinam, cumque
machinam aacendiaaent, adAnnam eo die etc. ducebatur et cruci ap-
pendebant eum, in qua pendebat fere ad duaa hör«. Sexta [lege:
aeptima] junij et jouia poat penthecoaten exportarunt crucem una
cum crucibua latronum extra portam aaxenhuaen. Undecima junij
hij, qui de ludo erant, inuitarunt totum conaulatum ad prandium, qui
donarunt Ulis duas araaa vini et 20 aureoa, item conceaaerantillia aaaerea et
ligna in magna copia valde, ex quibua machina conatruebatur, ea
tarnen lege, vt redderent, et que deatruerentur aeu cederentur, aolue-
rent; preterea plurea alioa ciuea et eccleaiaatica8 peraonaa inuitabant,
qui et Ulis, qui de ludo erant, propinabant. Item omnia, qui de ludo
erat, et quelibet persona aingulariter dedit primo societati [fol. 116]
eyn ort, de qua pecunia, quo ludum concernebant, parabantur.
§. 215. [fol. 118] In die diueMagdalene anno 1498 in proceaaione
corpus domini detulit Iohanea gryffenatein, decanus ecclesie
S. Bartholomei; Hen glauburg et Hans vom ryn duxerunt
eundem, Gorg neuhus, lob rorbacb, Arnold reyaz,
Philipps vgelnheimer geatabant den kästen, et antea in feato
Magdalena non gestaui; Ludwick hulczhusen, Gorg mar-
troff, Heylman straln b erg, Virich neuhus portabant cereas;
hij autem, qui luaerant paaaionem, vt habetur aupra 115 aequebantur
conaularea in proceaaione, induti aeu veatiti more eorum, niai quod
quinque representabant aalvatorem, vnua captivum, alter in veate
alba, tertius columnam ferebat, quartus crucem, quintus resurrectio-
nem representans, et b erat, qui, dum ludebatur, omnia Jheau more
similitudinarie geaaerat ac patiebatur.
3. Rath ableygen.
§. 216. [fol. 132] Anno 1499 tercia januarij dedit mihi magi-
ster ciuium Michel achwarczenberg pro duobua Bleygin, die ich
vordynt hat vif den tag Marie Magdalena, do ich den kaaten drug,
vta. 118 [§.215], vor diezwey gabermirdreuder neuwen bleygin vnd
waren die ersten, die ich gesehen hab; gap ich der mutter eyna,
Digitized by Google
- 158 —
Bernharten, mynbruder, das ander, her Eberharten becker da.«
dritt zu neu wen iar vnd hat der selbigen [keynes| keyns mer gesehen
oder gehat A tempore natiuitatis Christi anno illo hic notato defece-
runt die alten bleygin mit den zweyen brachen vnd mit den zweyen
drüben vnd die neu wen haben die gestalt, das vß eyner kannen
sunder eyn lytt oder deckel wachsen zwen drüben, hengend vff bey-
den sytten [cf. Lersner I, 458].
§. 217. ffol. 141 J Anno 1499 decima octaua junij zum erstmall
vff der grossen vrgeln in der phar durch Johannes hessen, des vor-
sprechen Hans hessen sun, eyn saluc gespilt worden vnd gesungen
vnd waren kum als fill claues vnd pyfFen gestympt, das eß bescheen
mocht Schanckt ich hierumb dem selbigen Iohannes eyn rats blygen,
die will das fer) zum ersten zum salue gespilt hat etc.
4. Schiessen.
§. 217. [fol. 58] Anno 1496 die julij vicesima vff dem schyss
graben zwyschen den porten by sant katherinen kyrchen noch myttag
synt zusamen komen yn eyner gutten erlichen gesellschafft doctor
Florentius von veningen, Katherina hulczhuserin , Hamen, yr sun,
vnd Margret, Hamens husfrawe, Gylbrecht, auch yr sun, Eylchin
rorbecherin vnd ich lob, yr sun, Katherina, Oylbrechtcz hulczhusen
seliger gedechtniss wyttwen, Ludwig, yr sun, Karlen henspurg vnd
Martha, syn husfrawe, myn loben Schwester, Johan holczheymer,
vnd haben des underens die gesellen geschossen, welche wollten, vmb
zymlich kleynet von zinwerg; des nachte« hatt ye eyn huszgeseß
II maß wyns bracht, vnd nach dem nachtraall geschossen frawen vnd
man, wer da wolt, byß vmb zehne, also das III Hecht by das blatt
gesteckt worden vnd eyns farn anzeyger, vnd noch dem nacht mall
synt darczu komen Ort zum hingen, der junger, vnd her Albrecht
prolin |§. 18], der hulczhuserin zu goltstein kappellan.
§. 218. [fol. 67] Anno 1496 tredecima nouembris hat hie eyn
schyesscn angefangen mytder hantbocksen; das hatt gewert dry tag
vnd synt der schuczen hundert vnd eycht gewesen vnd der kleynet,
darumb man geschossen hatt, funff vnd zwenczig, myt namen drij
ochsen, eyn schwarczer hudt myt eyner sylberen roren, iiii clen
sch wäre zen schamelott, vnd zwenczig zinnener kleynet als fl eschen,
gieß, faß, gelten, byren [?J, teil er, kannen etc. Den besten ochsen
gewan eyner heyst Thomas, bossenmeysters sun, syezt by der bocken-
hevmer porten, den andern ochsen gewan Conrad nuhuß, myn vetter,
den drytten eyn bossenmeister von mencz, den hut mit der silbernen
roren schuchlepper by sant iohann, den schamelott zum
wamea gewann dyll eyn ledder verkaufter vff dem krutt marckt,
die suwe [Sau] gewan Hans syd, vnser schmyt, vnd habent die franck-
furter schüczen nünczehen kleynheyt vnder den funff vnd zwen-
czigen vnd die beubt kleynet all, vßgenomen den drytten ochBen.
Vnd baben sie geschossen vff dem fyscherfelt yn zwen schyrm vnd
die leng des schuß vom stand an byß yn schyrm ist 336 clen, myt
eyner schnor ist cns also gemessen worden. Item hat Schnabels sun
eyn brieczsch, vnd welcher schütz sechs schus nach eyn ander des
schyrms feit, dem schlug man der briczschen; item welcher
nyt by die schüczen gehört vnd gyng vber das gebleng, dem schlug
man der briczschen oder must iiii den. geben, vnd schössen die
schüczen zehen schul*. Auch synt der kleynet zum rytter achuß ver-
ordenet myt namen zwen hud' vnd eyn byrett vnd eyn silberen
lanczknecht myt eyner silberen hellenbarten.
§. 219. [fol. 157] Anno 1500 ist eyn schissen mitt der hant-
bocksen hie gehalten worden vff dem fiescherfeld zu zweyen achyr-
men vnd synt siebentzig schützen gewesseil, der synt vii von mentz,
dry von oppenheym, vier von gelnhusen, dry von rad, die anderen
synt alle franckfurter gewessen vnd hat man zehen schul* gethon,
synt vnder den schützen nor zwen, die sex schul* zu meisten gehabt
haben, mitt namen meister Ludwig, des rata Schmitt, hat den ochsen
der das best war, behat [behalten ?] vnd fiescher das damasten
wams, Bernhart weil* eyn silberen becher, vnd synt ettwan mit allen
kleyneten, so mitt dem ritter schuß vnd sust, drysaig kleynett ge-
wessen, des hat der ratt hie den ochsen zu vor geben vnd den
schützen auch x firtell wyns geschenckt, in die herberig habent die
[fol. 158] von oppenheym eyn kleynet gewan, die von mentz eyns
vnd die su, die von rad eyn hutt mitter eyner silberen rorn im
ritter schul*, die andern kleynet syn alle von franckfurtern gewannen.
Dar by ist eyn kegelban gewesen vmb ertlich kleynet, haben die von
franckfurt auch gewanen (alweg dry sehyb vmb 1 h. vnd in eym
weißphening gab man eym dry sehyb zu), vnd waren dry zeit
vff geschlagen vff dem fischerfeit by helligen stock , ir zwey vor die
schützen, im drytten spilt man vnd hat das schissen dry tag gewert.
— 160 -
5. Erstes Gastmahl im eigenen Hausstande.
§. 220. [fol. 35] 1495 die quarta septembris hatt Haman hulcz-
husen myt sampt Margretten froschin 9, syner husfrauwen, zum ersten,
ali> eyner der eygen hnß halten wyll, ym monczhoff, den man auch
den trierssen hoff nennet, gessen vnd darnach vff den funfften dag
des Septembers haben sye zum ersten dyn geschlaffen, also aynt sie
gancz zu huß geczogen. Item darnach uff den xüi tag des Septem-
bers habent myn mutter vnd Kryngen hulczhuseryn zu spangenberg
gekocht vnd die kost yn monczhoff getragen vnd haben den newhen
hußlutten geschenckt das myttag ombß, vnd hatt myn mutter ge-
schenckt eyn schon koppfferen kessel, da man glesser yn weschet,
kost 1 fl. iiiiß vel alb., vnd ich eyn schyndell lad, da yn stunden kleyn
hulczeryn bochßlyn vii, das sie species 9 dar yn thun sollen , die yn
die kochen gehören, Kryngyn zu spangenberg schanckt eyn Schleyer.
Ludwig hulczhusen, yr sun, schanckt eyn Instrument, von myssen 16
gemacht, da man die phan uff seezet, kost xv alb., Eylchyn, yr dochter,
eyn groß holczeryn hoff schussel, da man deller vber diesch yn
worfft, wenn man eyn essen uff will heben. Vnd des myttags was
myr assent, schanckt myn mutter vnd Kryngyn zu spangenberg,
vnd assent da myn mutter, myn bruder Bemhart vnd ich, Katheryn
zu spangenberg, Ludwig yr sun, Eylchin yr tochter, her Johann
brun; |fol. 36] des nachtes lud uns alsampt herwidder Haman uff syn
kosten. Et solitum est fieri hijs, qui primum proprias ineipiunt fa-
cere in domo expensas, et cum et maritus et uxor ambo, vel alter
ex eis antea non fuerunt copulati.
6. Job Rohrbach's Gastmahl mit Speisezettel.
§. 221. [fol. 153] Anno domini 1500 tertia junij habui hospites
in cena, vt infra, quod sie contigit. Vicesima octaua maij Ambrosius
dietherich, prothonotarius iuditij caniere, inuitauit ad cenam in dorauni
Jacobi neuhuli certas mulieres cum maritis et alijs quibusdam* Acta
cena, jocando mulieres imposuere sertum Vdalrico neuhuU, vt daret
cenam die sequenti, quod preeibus mulierum 11 et eo, quod genitrix
* Helle. Vrgl. Einleitung Anw. 27. Margarethens Mutter war eine geborene
Frosch.
» Species = Gewürz, Specerei.
10 Messe = Bronze. Das Messing ist erst 1553 durch Erasmus Ebner er-
funden.
«« Ein Wort scheint zu fehlen, vielleicht aeeepit.
161 -
Uli domum, coquam, ligna etc. obtulit, ipse Vdalricus oranes sie inui-
tavit ad diera sequentem; placuit etiam, vt quelibet familia domus,
aiue vu us vel plures in vna domo forent, afferrent ii maß wynß, sieque
ad diera sequentem comienimus eo pacto, vt supra, in domum nostram.
Vdalricus vero sertuin imposuit VrsulQ schwartzenbergeryn , ipsa
Vrsula mihi Job sertum dedit sieque inuitaui omnes et omnem hanc
societatem ad cenam ad tertiana diem junij, que erat dies mercurij
post dominicam exaudi; habui autem in cena sequentes personas :
Ey Ichin matrem, Bernhardum fratrem, Georgium neuhuß, Jacobus
frater suus inuitatus, sed quod sumpserat medicinam, non comparuit,
Vdalricum neuhuß, Gilbertum hultzhuscn, Katherinam, suam legittiniam,
Katherinam, relictam Gilberti hultzhusens zu spangenberg, Ludwicum
filium ipsius, Vrsulam schwartzenbergeryn, Otüiam zu schwanawe,
Fridericuro faut, Margretam vxorem suam, Nicolaum schorrebrant,
wulgo armbruster, Hamandus hultz[hujsen cum uxore Magreta vo-
catus erat, sed quod infirmus ipse, non comparuit etiam uxor; item
Karolum hynspurg affinem cum Martha, uxore sua, sororc nostra,
sieque considera te mercurij natum, mercurij prebendam adeptum,
mercurij primum hic hospites habuisse meis impensis. Vnd gaben disse
gericht oder trachten : zum ersten erpffern mit zock er, darnach in
iglich schußeil iiii jung huncr vnd eyn stock heymell fleysch gedempfft
mit cybeben, resyn groß vnd kleyn, muscaten vnd muscat blumen,
darnach gesotten scheffen oder schotten, darnach gebrottes ye in
eyn schussel iiii junger huncr, eyn hamelsbuck, eyn halb ganß vnd
fyrsseß solß darbey, daraffter keß vnd kyrsen zur collatz, am obent
keß, confeckt, rettich vnd zwey malckum, das eyn in der schusseln,
das ander vß dem haffen zu drincken. Sertum ego imposui Kathe-
riue zu spangenberg.
• 7. Meyenstecken.
§. 222. [fol. 20 1 Anno 1495 prima maij nec postea hat man
keyner jungfrawen oder wittfrawen oder frawen vffvnser stoben oder
der glichen mey noch briff gesteckt nach alter gewonheytt.
§. 223. [fol. 55] Eodem die [anno domiui 1496 prima die maijj
nil per adolescentes affixum foribus est, ut antiquitus moris erat.
§. 224. [fol. 88] Anno 1497 hat man keyn mey, alsvnser altern
ym gebruch gehabt, vor der jungfrawen vnd frawen thor uff den
ersten tag ym mey [suppl. gesteckt]. Solichs ist von den jungen
gesellen nyt geschehen vff Philippi vnd Jacobi.
11
Digitized by Google
- 162
8. Kölligswahl am Kpiphanie nabend.
§. 225. [fol. 47] Anno 1496 5t* januarij [per sortem] zum golt-
stein in vigilia epiphanie sum electus per sortem in regem, me ab-
sente. Regia conuiuium obseruatum est tertia februarij.
9. Superstitionen.
§. 220. [fol 5J Anno 1494 in die Bartholomei apostoli Katherina,
coqua matris, etMargreta, alia famula, sorte elegerunt apostolos, ine
sortem ponente, et obtinuit Katherina Mathiam, alia Thomam.
§. 227. [fol. 11 1J Cum secanda sunt ligna edificiis vtilia vtque
ab corrosione et putrefactione diutius conseruentur, monenda duo sunt,
primo vt in decrescentia hin? secentur, aduertendumque est, vt a
nullo secentur, qui habuerit nocte precedente vel die ea rem cum mu-
liere, etiam uxore sua. Preterea cum lapides ponere velis in partes
[parietes?] domus, ne humectentur de se seu sudent, vt frequenter
lapides hyerais tempore et alio solent, sie prouidendum, vt consideres
fodinam lapidicine et fodere eures in ea parte, que est ad solis ortum,
hoc inaxime animadvertendum propter lapides ad stubas aptandos.
Cum porcos necas, vt pro domo lar [lardum?] vel carnes porcinas
per annum habeas, necandi sunt in lune decrescentia, eo tunc lar
[lardum ?J vel pinguedo non tarn effluet, vti contingere frequenter
cernimus.
Hec retulit et pro uero asseruit Petrus drach, ciuis spirensis,
conürmauit Johannes storch, prothonotarius iuditii camere, qui se
horum experientiara habuisse et probasse affinnat. Actum wormatie
die 18 martij et dominica oculi anno 1498.
Digitized by Google
IV. Frankfurter Familien
Alzey.
[Friedrich von Alzen. §. 123. 181).
Friederich, Dietherich und Agnes von Alzey. §. 301.
Agnes von Alzen, Peter Raissen und in zweiter Ehe Bertholds
von Babenhausen Hausfrau. §. 328. |
Artenberg.
[Margret», filia Heinrici de Artenberg, scriptori» ciuitatis, roarita
Bernhardi Weiss. §. 327. 330.
Fichard schreibt Ortenberg.]
Babenhausen.
|Niclas von Babenhausen, Biehe Amtleute.
Berthold von Babenhausen (Babenheim) und Hausfrau Agnes
von Alzen. §. 328. J
Blarock.
§. 228. [fol. 15] Anno 1495 in februario Johannes blarock nup-
tias celebrauit cum Beatrice de oppenheym, soror est ibidem
hospitis zur kanue et soror uxoris Arnoldi Schwarzenbergs, cf.
§. 320.
[Anna, Peter Blarock -s Hausfrau, §. 234. Sie war eine geborne
Ritter. ]
Blum.
§. 229. [fol. 11] Anno 1476 die 28 nouembris contraxerunt spon-
nalia Wölfl* blum et Lysa, filia. Conradi hulczhusens; nuptias habuerunt
in die Scolastice virginis anno 1477.
§. 230. [fol. 31] Anno 1495 prima die julij post meridiem obüt
Balthazar blum, frater Milchart et affinis mei Wolf blum, reliquit
11*
— 16* -
vxorem Buara Katherinam bodneryn absque liberis, sepultua autem
apud carmelitas. Deinde eodem anno nona nouembria nuptias con-
Huinmauit cum Johanne han [cf. §. 2'>1).
§. 231/ [fol. 37 1 Anno 1495 die 21 aeptembria maneinuentua in
curia habitacionia aue M y 1 c h a r blum, frater Wolffeu, morte subitanea
mortuua, cuiua animc deus propicietur, res horribiliB humania!
§. 232. [fol. 49J Anno 149(5 die nona februarij aponsalia con-
traxerunt Wölfl" blum iunior, filius Georgii blum pie inemorie, et
Katherina virgo, filia Alberti dyrraeyera pie memorie Solemnizatum
dehinc in facie eccleaic niatrimonium est die tercia iunij, depost
aponsa eat aponso appoaita die quinta iunij; aexta iunij
pompa nuptiarum eat aecuta. Acta omnia anno, quo aupra.
[Wfolf Blum, Lisa Holzhausen a Ehemann §. 6. 8a 122. 183. 185.
Seine Kinder: 1) Melchior §. 80. 2) Engin §. 80 (Ludwig
MatroflFa Ehefrau §. 294. 295.) 3) Agnes §. K). 4) Lyse (Elisa-
beth) §. 80.
Seine Geachwiater : 1 ) Katharina (Bechthold Heller's des Ael-
teren Hausfrau).
2) Agnes, Peter Ugelnheiraer's Ehefrau §.326.
3) Georg.
4) Melchior.
5) Balthasar, Catharinen Bodnerin (Fichard
Budtnerin) Ehemann, sie in zweiter Ehe
an Johann Ilaane verheirathet §. 261.
Georg Blum'a Kinder :
1) Wolf Blum iunior (§. 128. 141. 183. 184. 185. 216)
und Kringcn Dyrmcyer aeine Hausfrau (§.185.232).
2) Hans Blum.
Wolf Blum f 1471.
1) Katharina, 2) Agnes, 3) Georg, 4) Melchior, 5)BaltLasar, 6) Wolf,
v*rb. an v«-: h. »n
Bccuthold Ilelier. IVfctr I tfilolieii.nr.
verh. An vcrh. an
Katbarina Iiu.1tn.-r. Li*a
HoUlian- eii
Wolf Blum iunior, Hana lilum.
vcrh. an Kau. Dlernu yer.
I I I " I
l)Melchior, 2)Anna, 3)Agnes, 4)Elisabeth.j
Lu«iw ig
Martroff*
Ehefrau.
Digitized by Google
— 165
B reidonba eh.
[ Friedrich von Breydenbach und seine Hausfrau Margretha § 256. |
Brom m.
§. 233. |fol. 61 J Anno 1496 die decima sexta augusti natus est
Petrus brom ex Hansen bromen et Grettgyn eius legitima. Sic
mihi retulit Hans brom.
§. 234. ffol. 100] Anno 1497 secunda septembris ex Johanne
brom ac Grettgyn, eius legittimc, uataAnna, tertia eiusdem bap-
tizata. Comater Anna, vxor Petter blarock's, Hcc ex scriptis
fratris, cum eo tunc worraatie eram.
§. 235. [Schedula inter fol. 117 et 118J Prima vel secunda julij
[1498] peperit Gretgyn brumin gemellas, vnam mortuam, alteram
vivam, quc baptizata fuerat secunda julij. Comater yd die nesciam.
§. 236. [fol. 144] Heyn rieh brom. Anno 1499 vicesima tertia
septembris baptizatus est Ilcynricus, filius Johannis brumen et Mar-
gret? [darübergeschrieben: Grettgyn], vxoris eius. Compater est
dominus Heynricus Stotel 1, vicarius ccclcsie. nostre.
§. 237. [fol. 167] Anno 1501 septima martij obijt Daniel
brom, scabinus, vittricus Clatf Stalberg's et frater Johannis
brom m.
[Daniel Bromm §. 120. 179. 183. 185. 302.
Hans Bromm und seine Hausfrau Grettgyn §. 185.
Hans und Daniel Bromm waren nach Fiehard Brüder; der
Erstcre vermählt mit Margaretha Tcgen [Degenerin], der
Wittwe Jacob Brunn's, siehe §. 239.]
Brun.
§. 238. |fol. 15] Anno 1495 vicesima quarta ianuarij Kather i na
gleuburgcrin, relicta Iacobi brun, mater Katherine, uxorisllenn
sassen, [cf. §. 234] obiit; reliquit dictara filiam et nepotem, Jacobum
brun, ex filio suo Jacobo, ante cam olim defuneto; sepulta hic ad
minores
§. 239. [fol. 170) Jacobus, filius quondam Jacob bruns et
Gretgyn degneryn, cuius maritus secundus nunc est Hans brum,
contraxit matrimonium cum Katherina , virgine et sorore predietc
Magdalene [Geuch cf. §. 307]. Actum eodem die [12 augusti] et
anno [1501], quo supra de Heinrico von ryn agitur [§ 307]. Anno
•upradicto videlicet 1501 ratificatum in fatie ecclesie est matrimonium
Digitized by Google
- 166 —
supradictorum videlicet 18 noucmbris, nuptie autem habite 22 nouem-
bris anno, quo supra.
[Jobann Brun, Priester, §. 80.
Lisgyn Brunnin, Hans Glisround's Hausfrau, §. 2GO.
Katbarina Brunn, Henn Sassen Hausfrau, §. 284.
Johann Brun, der Canonikus, uud Lisgin Brun, Ehefrau des
Johann Glismund, gehören zwei älteren Linien an. Die jüngere
Linie gestaltet sich so:
Jacob Brun (statt dessen hat Fichard Henne Brunn)
und Katharina von Glauburg.
i i
Jacob Brun Katharina Brun
und Margaretha Degenin [ Tegen | vorheirathet an Henn Sassen.
Jacob Brun
Katharina Geuch.|
Dem er.
[Anna, filia Henna Demer's, alias dicti Stockems Henn, et Bar-
barae Leningen, marita sccunda Bernhardi Weiss (Anna Stockheimin):
§. 331. 332. Fichard hält sie (bei „Bernhard Weiss") für eine Tier-
meyer, was sicher auf einem Irrthum beruht, zumal er bei „Tier-
meyer" keine Anna aufführt, die mit Bernhard Weiss vermählt ge-
wesen wäre.]
Diermeyer. [Fichard: Tiermeyer.]
|Kryngin Dyrmeyerin §. 80, Wolf Blum's Ehefrau §. 232.
Hans Dyrmeyer §. 183.
Agnes Dyrmeyerin, Hert Eyersheimers und in zweiter Ehe
Jacob Kühorn's Ehefrau, gen. Agnes zum Mohren, §. 292.]
Diernstein.
§. 210. [fol. 14] Anno 1495 die 18 ianuarij Philippus dyrm-
stein celebrauit nuptias cum Gretta, filia Gofferen beckers.
§. 241. [fol. 96] Anno 1497 die decima nona julij Heynricus
dyrmsteyn contraxit sponsalia cum Margreta, filia Heynrici,
des kellers von aßnheym vel maMeym. Nuptias depost ce-
lebrauit 19 ianuarij Anno 1498,
Digitized by Google
[Heinrich Dicrnstein war Philipps Oheim. Als Ehefrau des
Letzteren giebt Fichard Margaretha von Omstadt (Umstadt?) an.]
■
Engeländer.
§. 242. ffol. 92] Anno 1497 duodeeima junij nuptias celebrabant
Jacob us engelender, wulgo dictus guldenleb, viduus, et Margreta,
filia Eberhard i m otters. Ad has nuptias inter ceteros fueramus
et vocati nos, videlicet mater, frater et ogo.
[Doctor Engeländer, fiscalis regius beim Reichskammergericht,
§. 112. Margreta, älteste Tochter Johann Engeländer's, gen.
Guldenleb, §. 325. §. 38 u. 39 wird Eberhard, der Motter oder
der Sackträger, erwähnt; sollte dieser derselbe sein mit Eberhard
Motter, dem Schwiegervater von Doctor Engeländer ?J
Ergersheim.
§. 243. [fol. 11.] Anno 1476 in die Barnabc apostoli despon-
ßatus Henricus ergerschh ey mer cum Margreta, filia Johannis
hulczhuscn de prima sua uxorc, nuptie exindc secut» in die saneti
Hlasii, anno 1477.
§. 244. ffol. 78J Anno 1497 die tertia februarij, eratque dies
veneris, paululum poat duodeeimam horam in meridie exspirauit M a r
gretha hulczhuseryn, vulgo dicta zum thorn, relicta Heynrici
yrgescheymers, cognata singularisquc benefactrix mea, dum vixit,
vtque collocetur intra electorum numerum, sincera mente deum precor.
Quarta februarij tradita est sepulturc. Sepulta est precise ante eam
ebori ianuam, que sita est inter altare sanete. crucis, quod est plebani,
et scrinium dominici corporis [cf. §. 184J.
§. 245. [fol. 11] Anno 1494 vndeeima februarii vf allerman fafl-
nacht obiit Ileyrtwinus yrgescheyraer, illius progeniei vltimus.
(Agnes Dirmeyerin, gen. zum Mohren, Hertwin's Wittwe, §. 18.
116. 185. Jacob Ktihorn's Ehefrau §. 293.
Margaretha Ergersheimerin, Heinrichs Wittwe, §. 51. 80. 279.
Hertwein und Heinrich Ergersheimer gehören verschiedenen
Linien an.
Der letztere, der Ehemann Margarethen Holzhauserin zum Thorn
(§. 244), starb 1484. Mit dem orsteren erlosch 1494 das Ge-
schlecht der Ergersheimer.]
- 168
Eysenberg:
§. 246. [fol. 100] Anno 1497 decima nona septembris Elsgyn,
vxor Walteri ysenberg's, peperit gemellos, qiü et de post mortui sunt
infantes, me wurmatie existente.
[Walter Eysenberg §. 180.]
Faut.
§. 247. [fol. 54J Anno 1496 die s optima apprilis peperit Mar-
greta, uxor Friderici fantt, filium suum Johannem, qui statirn
postca, die videlicet x apprilis, obijt. Etsi deletum, attamen verum est.
[Fridericus Faut und seine Hausfrau Margaretha §. 19. 185
und 221.]
Von der Filsch,
f Friederich von der Filsch, siehe „Stadtische Hauptleute u
§• 133 %.]•
Flach.
[Georg Flach, Amtmann zu Goldstein, siehe „Amtleute", §. 129.
§. 116. 290. 304. 331.
Bei Lersner führt er den Namen Georg Flach von Schwarzenberg.
Seine Gemahlin Anna Voclkerin, verwittwetc Knoblauch (§.291).
§. 116. 301. 331.]
Freund.
[Hans Freund, Heinz Freunds Sohn, § 24.]
Frosch.
§. 248. [fol. 10] Anno 1474 penultima februarii desponsatus
Gorg frosch et Anna, filia Conradi hulczhusens, nuptias dein pere-
gerunt feria secunda post Symonis et Jude apostolorum eodem anno.
§. 249. [fol. 11] Anno 1491 die 27 aprilis obiit Anna, axor
Georgii frosch, et soror genitricis me<j, begraben bi dem ewigen
Hecht.
§. 250. [fol. 11] Anno 1493 die prima maij obiit Wiek er us
frosch, frater Georgii et Johannis frosch, fundauit duaa missa?
celebrandas die martis et iouis singulis ebdomadis, vt finitQ sint, ante
quam domini de consilio ingrediantur consilium, in ecelesia beati
Nicolaij et salve omni nocte decantandum in eadem ecelesia.
Digitized by Google
— 169 -
§. 251. [fol. 11] Anno 1493 decima octaua augusti obiit Fri-
dericus romanus imperator ,s in castro opidi hucz. Sepultus in
ecclesia beati Stephani viene.
§. 252. [fol. 18J Anno 1495 die 5. apprilis, que erat dominica
iudica, sepulta est apud carmelitas Katherina, uxor Johannis
Frosch zum äffen, et habuit ante iam dictum Johannem in maritum
Wilbelmum, rulgo zum äffen cognominatum.
§. 253. [fol. 111] Anno 1498 die nona martij Cristina, uxor
Johannis froach, illius videlicet, qui moram agit in habitatione
ea wulgo zum burgreffen dicta, expirauit. Erat pro tunc dies veneria
post inuocauit Actum, cum ego eram wurmatie.
§. 254. [fol. 140] Anno 1499 vicesima prima maij sponsalia
sunt contracta inter Johannem frosch, wulgo dictum Johann
trosch zum äffen, viduum, et Rylgen virgine, filia Cristiani folckers.
Et erat dies martis post penthecosten anni supra dicti, vbi celebra-
batur dedicatio ad 8. Leonhardi. Nuptie de post habite sunt 26 augusti
anno illo, quo supra. Primogenita corum nata est, vt infra 154. [fol.
154: Anno 1500 sedeciraa junij nata est ex Johanne frosch, dictus
zum äffen, et Rylgyn, sccundc vxoris buq, Eiß [Rylgin], que ex illo
matrimonio primogenita existit . Baptizata autem decima octaua
eodem mensc et die corporis Cristi. Comater infantis est Elß, vidua
zum Kranch et infantis proauia materna. (Am Rand ist als Name
des Rindes: Rylgyn froschin angegeben.)] Secundogenitus eorum
natus est infra 169. [fol. 169: Anno domini 1501 prima augusti bap-
tizatus est filius Johannis frosch et Rylgyn, cuius nomen est, vt arbi-
tror, Cristianus. Compater infantis est Cristianus folcker, dicte Ryl-
gyn pater. Et obijt paulo post.)
Erste Linie.
[Engel Frosch §. 2. Seine Tochter Elisabeth, Dr. Heils
gen. Pfeffer, Ehefrau. §. 2*J5.
Katharine Fröschin, seine Tochter, Gilbert Holzhausen 's
Ehefrau, Ludwigs und Blasius Mutter, siehe Holzhausen.
12 Diese fremde Notiz fand darum hier ihre Stelle, weil die abbrevierten Wörter
rom. ip'r, an sich undeutlich und in ciuem Worte geschrieben, durch eine
spätere Hand noch so alterirt wurden, dass sie nur raniger gelesen werden
konnten. Dass die Notiz in einer Reihe von Familiennach rieh ton der
Frosch u. Holzhausen steht, begünstigte diese Auffassung. Erst bei der Revi-
sion des Druckes hat eine nochmalige genaue Untersuchung der Handschrift
mit dem Vergrösserungsglase die ursprüngliche Schrift wieder glücklich fest-
gestellt.
Digitized by Google
- 170
Zweite Linie.
Henne Frosch, den man nennet Fröschelgin, §. 183.
Joh. Frosch zum Affen [Fichard: im SandhofJ §. 122» l&L
185. m
Seine erste Frau Katharina [Fichard: von Hengsberg], Wittwe
Wilhelms zum Affen [Fichard: von Caldenburg] §. 253»
Lisgin Sassen, seine Braut, §. 185. lftfi. 310.
Seine zweite Frau Reilgen Völcker und die Kinder dieser Ehe
Keilgen (irrthümüch Eis) und Christian (Fichard schreibt die Frau
und Kinder irrthümüch (vgl. §. 254) dem Johann Frosch zum
Burggrafen zu).
Dritte Linie.
Wicker Frosch. [Fichard.]
Seine Kinder: 1} Reilgen, Wicker Knoblauchs Hausfrau, §. 27*J.
2] Wicker Frosch §. 250.
Guttgin Stephan im Saalhof, seine und in zweiter
Ehe Eberhard's von Heusenstamm Hausfrau :
§. 2121
3) Johann Frosch zum Burggrafen §. 183. 185. 304.
Christina Degenerin [TegenJ seine Hausfrau
§. 185. 301,
Christina Froschin ihre Tochter §. 203., Johann
Baissen Hausfrau §. 304.
4) Georg Frosch §. TSL 80. 1ÜL 139. 183, 185.
24*. 304.
Anna Holzhauserin, seine Hausfrau, §. 248. 2VJ.
Ihre Kinder Georg und Wicker, Engin und
Margret §. 80»
ed by Google
I
- ili -
e
u
ö
jS
o 3
d p^Pn
O
©
d «- * bc — a> ~
fc£U3 EH ' - ~
Ö
•3
7tT (9 *
Ja 2
Sc»
c
c c -
« as d
a
es
es
•5
<o
u
cd
bC
u
es
-8
. f
-1H S 5° so
es
- 3* fl'i
fcdQ .
S J2 -
1 aä
. a _q >r-
Q
• —
0>
d
o
+*
OD
W
"io
d~
v
d
rt
"8
'S
d
.3
- 00
•c
ü
d
a>
__hp
'S
Digitized by Google
G an tz.
[Anna Gantzin, Bechthold Heller's des Jüngeren Hausfrau.
§• 267]
Gelthuß.
[Katharina Gelthuserin, Tochter Heinrich Gelthusen zu Oppen-
heim wohnend, Ehefrau Adolf Knoblauch'». §. 291. |
Geuch.
§. 255. [fol. 144] Anno 1499 vicesima septima septembris obijt
Agneß wcißyn, vxor Iacobi geychen, relicto seu superstite marito
vna cum filiabus duabus.
[Jacob Geuch §. 24. Agnes Weissin, seine Hausfrau §. 307. Mag-
dalena, Jacob Geuch's und Agnes Weissin Tochter, Heinrichs vom
Rheine Hausfrau. §. 307.]
Glauburg.
[Das dreitägige Gastmahl der Clara Glauburg. §. 211.|
§. 256. [fol. 103] Anno 1497 die 4U nouembris contraxit spon-
salia doctor Johannes glauburg cum Katharina virgine, filia nobili
Friderici de breydenbach et Magrete. (Habuit autem dictus Johannes
glauburg olim in vxorem Katherinam, relictam Heynrici wiß). Deinde
8V» nouembris benedictionem matrimonij in ecelesia suseeperunt et
die illa fuit sponsa sponso apposita, mc wormatie existente, et unica
modo nocte coneubuerunt simul. A prima nocte, qua apposita sponsa
fuit, egrotare cepit sponsa, quQ et obiit mortem in die beate Kathe-
rine, que est 25 mensis prefati anno, quo supra. Omnia supra scripta
contigerunt, me wormatie existente. Pater prefatc Katherine obijt,
vt audiui, die precedentc ante diem filie mortis.
§. 257. [fol. 127J Eodem die et anno [29 octobris 1498] doctor
Johann glauburg suas consumavit nuptias cum Margreta
[Eine weit spätere Hand füllte die Lücke aus: „Horngin"] devrbo (soll
wohl bedeuten : OrbJ virgine, que tertia nunc illius vxor est, ctquia noluit
obscruare conuiuia nuptiarum solito more, Friderich von der fylsch,
Claß von ruckingeri, Ludwigk hulczhusen et ego adduximus sine
suo scitu fistulatorem et trepudiauimus in domo sua.
§ 258. [fol. 170] Anno domini 1501 secunda augusti baptizata
est Kungundis, filia doctoris lohannis glauburgs ex tertia sua
vxore, de cuius matrimonio contracto cum illa tertia non [? cf. supra]
constat ex hoc libro. Eam infantulam suseepit de baptismo En gyn,
virgo et filia quondam Arnoldi schwartzenbergers et Kathe-
rine hodie viuentis.
Digitized by Googl
— 173 -
§. 259. [fol. 139] Anno 1499 vicesima aecunda maij et quarta
feria post penthecosten obijt Henn glauburg. Reliquit vxorem
nomine Ciaram sine liberis.
[Katharina Glauburgerin, Jacob jFichard: Heime] Bruns
Hausfrau. §. 238.
Henne [oder Johann] Glauburg §.116. 183. 215. 186. 198.
259. — 120. 185. 192. 197. 198. 210. 211. Clara [Fichard: Kemmerer
von Fuld] seine Gemahlin. §. 116. 211. 259.
Gudula Glauburg, Ehefrau [Ficlmrd: seit 1464] Arnold Holzhausen's.
Dr. Johann Glauburg §. 4. 80. 183. 185, oben 256 und 257.
1. Gemahlin Katharina Weiss §. 256.
2. „ Katharina von Breydenbach §. 256.
3. „ Margareta Horngin von Orb §. 257, in zweiter Ehe
verheirathet an Wicker Frosch.
Ottilia [Brunnin], Wittwe Arnold Glauburgs §. 116. 186. 221.
Ambrosius Glauburg §. 80. 173. 174.
Erste Linie.
Johann Glauburg
zu Rüstenberg.
Arnold Glauburg
zu Schwanau f 1495.
Ottilia Brun
von Brunfels.
Henne Glauburg
zu Lichtenstein 1461.
Kunigund Holz-
hausen.
Dr. Johann Glauburg^
zu Lichtenstein 1510.
1) Katharina Weiss zu Limburg.
2) Katharina von Breydenbach.
3) Margaretha Horng.
Sein Bruder
Arnold Glauburg
zum rothen Mündlein.
I
Henne Glauburg
zum
rothen Mündlein
f 1469.
Ambrosius Glauburg,
berühmter Turnierer.
Richard Glauburg.
Katharina Glau-
burg, heirathct
Jacob Brun von
Brunfels.
Zweite Linie.
Geschwister :
Henne Glauburg
im Nürnberger Hof.
GudulaGlauburg,
Hausfrau
Arnolds von Holz-
hausen.
Henne Glauburg im
Nürnberger Hof f 1499.
2. Ehe: Clara Kem-
merer.
Digitized by Google
174 -
G 1 i s m u n d.
§. 2G0. |fol. 95] Anno 1497 julij 12 mane benedictionem matri-
monij in fatie ecclesie susceperunt Hans glismundt et Lysgyn, vidua
zu weytflin, ex Stirpe cyn brunin. Tredecima julij festiuitatem nup-
tiarum consummarunt. Eram ego tuuc wormatie.
Grünberger.
(Stephan Grünberger vnd «eine Hausfrau Margreta Grusserin,
Thomas Ugelnheiraer gelassene Wittwe. §. 296.J
Haane oder Hayne.
§. 261. [fol. 37J Anno 1495 die 27 septembris hatt Johann han
vnd Katheryn bodenern, [s. so] ettwan Baltaßar blumen husirawe
was [§. 230], zu der heyligen ee gegriffen vnd die eynander gelobt
vnd hatt sie Clal> von rockingen zu samen geben vnd darnach
9 nouerabris haben sie hochzytt gehabt.
[Johann Haane §. 80. 122. 183. 185. 186. Katharina, seine Haus-
frau, §. 185.]
Heimbach.
§. 262. [fol. 40] Anno Doraini 1495 octaua nouembris natuB est
Nicolaus, filius doctoris Adam de heymbach, aduocati franckfurdensis,
et Anna sigwyn, eius vxore. De fönte sacro leuauit eum Nicolaus de
rockingen, protunc magister ciuium franckf.
§. 203. [fol. 113] Anno 1498 decima quarta apprilis nata Kathe-
rina, filia doctoris Ade de heymbach et Anne, eius vxoris. 15 eiusdem
et ipsa die pasce baptizata et a Katherina virgine, filia Clal* hum-
brechts, de fönte baptismatis suscepta
§. 204. [fol. 155] Anno 1500 die mercurij et quinta augusti
sepulta est apud minores Anna, vxor doctoris Ade de heymbach,
aduocati hic.
[Dr. Adam von Heymbach §. 6. 183. 185. Anna, seine Haus-
frau 185.]
Hell, genannt Pfeffer.
§. 265. [fol. 10] Anno 1474 23 octobris Georgius de hele, alias
peffer, doctor iuris, sponsalia contraxit cum Elizabeth, filia Engel
froschen, nuptias habuerunt feria secunda et crastina sancti Britii
episcopi. Eodem die fuit sponsus Johannes vom ryn.
Digitized by Google
§. 266. [fol. 119] Georgius pfeffer doctor. Anno 1498 quinta
augnsti cecidit in noua cloaca, nondum plene extructa, in curia
domini treuerensis, wulgo der monczhoff genant, insignis vir Georgius
de [de Hell. In margine Dr. Georg Pfeffer] vtriuaque iuria
doctor, reuerendissimi archipresulis maguntini cancellarius, qui mox,
cum extrahebatur, obijt, cuius anime miaerere dignetur Jesus,
filiua dei.
[Kanzler Hell gen. Pfeffer §. 16. Seine Hauafrau §. 30. 293.
Margreta, ihre Tochter, Haman Horhausens Hauafrau, §. 220. 279.
Elisabeth, ihre Tochter, Dr. Bernhard Ktihorn'a Hauafrau, §. 293.
Philipp Hell, gen. Pfeffer, Canonicus zu St. Bartholomäus §. 205,
Präbendariua zu Aachaffenburg §. 207.]
Heller.
§. 267. [fol. 3] Anno 1494 tredecima julii obiit Anna Ganczin,
uxor Bechtholdi hellera iunioria.
§. 268. [fol. 34] Anno 1495 die 25 auguati exequie Wolff hellera
(filii Bechtoldi hellera ac frater Jacobi, Bechtoldi et Caapari hellera)
celebrate aunt in ecclesia aancti Bartholomei, qui Wolff vna cum
Ottone cronberger, comite auo, miaere necatua eat in terra
Senenaium, cum tendebat ire de ytalia ad alemanniam. [cf. §. 5.]
§. 269. [fol. 146] Anno domini 1499 decima nouembria aepultua
fuerat senior Bechtolt heller, relictia vxore et tribua filiis
Jacobo, Bechtolto et Caspare.
[Katharina, Bechthold Heller'a dea Aelteren Wittwe, §. 294.
Kinder: Jacob Heller und seine Hausfrau Kringen | v. Meiern]
§. 10. cf. §. 296.
Bechthold Heller junior. (§. 6.)
Ehefrau: Anua Ganz. §. 267.
Caspar Heller. §. 268.
Wolf Heller. ($. 268.)
Agnes Heller, Heinrichs von Rheine Ehefrau, §. 306.]
Heringen.
§. 270. [fol. 102] Anno 1497 die 28 octobris, ipso die Simonis
et Jude apoatolorum, post primara horam de die obijt Anna heringeu,
relicta Wigandi herings, auia matema Caroli hensperg, affinis mei.
Eram tum wormatie.
[Katharina Heringen, Orten zum Jungen des Aelteren Haus-
frau. §. 287.]
- 176 -
Heusenstamm.
§. 271. [fol. 7] Anno 1494 nobilis Martinus de husseatheym,
eques auratus, celebrauit nuptias cum Elsen von brendeln, filia Eber-
hardi de brendel, tercia die nouembris.
§. 272. [fol. 14] Anno 1495 Eberhardus de huasesthevm
nobilista nuptias consummauit cum Guttigin yra Baihoff, 61ia Ste-
phens heim, relicta quondam Wickerj froschen, acte 20 die ianuarij
Et iam dictus Wicker frosch despondit eam in die Johannis euange-
liste anno 1466, celebrarunt nuptias in die Nicodemidis raartyris
anno 1467.
[Das Gastmahl Eberiiards von Heusenstamm und seiner Ge
mahlin Guttgin, zur Ehre des abgehenden Reichskammerrichters
Markgrafen Jacob von Baden, §. 116.
Brüder: Martin und Eberhard von Heusenstamm §. 177.
Eberhard von Heusenstamm §. 183. 185.
Guttgyn Stephan, seine Hausfrau §. 185. 291.]
Familie Holtzhausen.
§. 273. [fol. 10] Anno 1464 die tricesima ianuarii Johann
hulczhusen secundam duxit uxorem, videlicet Kather in am, flliam
Johan Schwarzenbergs, dehinc nuptie acte sunt die, quo supra.
§. 274. [fol. 10] Anno 1469 dominica ante assumptionem b.
Marie sponsalia contraxerunt Gylbertus liulczhuscn et Käthe-
rina froschin, nuptie dehinc celebrate sunt die undecima februarij
anno 1471, proprias deinde inceperunt expensas in domo zum spau-
genberg quarta post Vrbani anno 1478.
[cf. Tod der Anna frosch, geb. Holzhauserin. §. 249.]
§. 275. [fol. 11] Anno 1491 vicesima secunda maij, eratque dies
penthecostes, obiit Anna, relicta Conradi hulczhusens, auia mea et
mater genitricis, begraben by dem ewigen licht.
§. 276. [fol. 1] Anno 1473 die 13 juuii, que erat tunc temporo
dominica trinitatis, natus est Ludovicus hulczhusen.
§. 277. [fol. 2] Anno 1494 in die saneti Marci evangeliste, que
est 25 april obiit cognatus meus Gylbertus hulczhusen. [fol. 52:
Eodem anno videlicet 1494 die 25 apprilis, que est dies, qua
agitur festivitas Marci ewangeliste, obiit Gylbertus hulczhusen,
sepultus in sacello beati Michael in loco suorum progenitorum in
choro.]
| Blasius Holz hauten begiebt sicli zum Studium nach Mainz
1494 §. 16.]
§. 278. [fol. 4] Anno 1494 venerunt Sophia et Barbara de mar-
purg 22 die augusti et manserunt penes Ka therm am hulczhuserin
zum goltstein viü ebdomades unoque die.
§. 279. [fol. 14] Anno 1495 vicesima secunda ianuarij nata est
Katherina secundagcnita II am an di hulczhusen's et Margrete, filie
Georgii hell, alias pfeffer, canccllarii episcopi maguntini. E sacro fönte
leuauit eam Katherina, relicta Gylberti hulczhusens. Nata est autem
infra deeimam et vndeuimam horam diei ea die, qua supra, et hora
vespertina baptizata est eadem die, qua supra. Et habet sororem, que
est priraagenita predicti Hamandi, nomine Margreta, que paulo vitro
annum Katherinam exsuperat in etate. Anno 1496 quarta augusti
nata est Dorothea, tertiagenita prefati Hamandi etc. Mortua est
Dorothea intra annum. Etsi deletum, tarnen verum est. [fol. 61. Anno
1496 quarta augusti nata est ex Hamando hulczhusen et Margreta,
sua legittima, Dorothea, quam ex fönte sacro leuauit relicta vidua
Heynrici yrgcschemer's. Dcfunctaest. Etsi deletum tarnen verum est.]
Anno 1498 natus Georgius prima augusti, de quo in char. 119.
(fol. 119. Anno 1498 prima augusti mane quinta hora natus est
Georgius, filius Hamandi hulczhusen et Magrete eius vxoris. Js pri-
mu« eorum filius, antea enim iilias proerearunt Baptusatus est dictus
Georgius secunda augusti; coiupater infantiB nobilis Goffert de
klehen, qui donauit quinque aureos puerpere. Mortuus est infra an-
num]. [fol. 151] Anno 1500 die martis post reminiscere et vicesima
quarta martij, hora, vt arbitror, vndeeima de die natus est Amandus,
filius Amandi hulczhusens et Margrete vxoris sue. Baptizatus in die
annuntiationis virginis gloriose. Compater est comendator domus
theutonicorum hic, cuius nomen est, vt arbitror, Reynhardus de neu-
husen. Mortuus est sub nutrice in iunio illo anno. [fol. 171] Rylgyn,
tilia Amandi hulczhusens et Margrete, nata est die lune et sexta
septembris, baptizata autem die nativitatis beate Marie, comater Rylgyn,
vxor Wickeri knobellauch's, anno 1501. Mortua est infra puerperium.
[Haman von Holzhausen wird 2. Mai 1493 Rathsmann §. 119,
gründet seinen gesonderten Hausstand 4. Sept. 1495 §. 220 und wird
Schöffe 9. Juli 1499 §. 126 ]
§ 280. [fol. 62] Anno domini 1496 vicesima secunda septembris
Katherina hulczhuserin zum goltsteyn in stuba sua tradidit ducentos
aureos mutuo domino Heynrico sy Iberberg, preposito in monasterio mey-
felt etc., quos ipsemet numerauit, in numerando mater mea traxit Actum
vt supra, presentibus ibidem matre mea, Gylberto hulczhusen, filio pre-
fate Katherine et me Job rorbach. Quos cum aeeepit predictus Heyn-
ricus etc. in naui forensi descendit Gylbertus, et ego cum ipso pariter,
12
■
- 178 -
traddiditqüe Gylberto obligationia litteräa, quibus pro ducentis obli-
gauit ae et fratrem auum, Hans von ailberberg, dicte Katherine et
heredibua suis, quod clariua patet in dicta obligatione aigillata ambo-
nun sigillis et domlni Heynrici et fratris sui Hansen, ambo de syl-
berberg. Rediebamus Gylbertus et ego 25 septembris.
§: 281. [fol. 97 j Anno 1497 die tertia auguati Gilbertus hnlcz-
husen (cognatus meus), filius Johannis hulczhusen et Katherine, eins
uxore, que est eyn schwarczenbergerin ex suis parentibus, contraxit
sponsalia in oppenheym cum Clara storapffin. Depost eodem anno
vicesima prima nouembris matrimonium quo ad thorum consumauit
franckfurdie, non vocatis nec sponsionis nec condormitionis cognatis
etc., nisi admodumpaucis; que de post mortua est in menae maij anno
1498, videlicet aexta die iam dicti mensis et anni.
§/282. [fol. 108J Anno 1498 die tertia januarij mane circa de-
cimam horam spiritum domino reddidit Katherina, relicta Johan-
nis hulczhusen, cognata mea. Corpus in suorum maiorum loco sepul-
tum est, videlicet in sacello diui Mihaelis. Delatum autem corpus
sepultare est 4U videlicet ianuarij , cuiua anime propitiari dignetur
omnipotena deua. Actum, me wormatie existente. Hec autem ex scrip-
tis Jacobi neuhuaen habui. Duoa reliquit filioa vxoratoa, Hamandum
et Gilbertum.
§. 28a [fol. 108] Anno 1498 decima ianuarij expirauit Gtade,
vxor Arnoldi hulczhucen. Sic enim ex fratris acriptia habui, me wor-
matie moram agente. [Fichard giebt irrthümlich an, aie wäre nach
1500 erat gestorben.]
§. 284. [fol. 146] Anno domini 1499 aedecima decembris spon-
salia contraxerunt Gilbertus hulczhuaen viduua et Katherina
virgo, filia Henn aachaen et Katherine brun, illius Henn
legittime. Coniunxit eos dominus Georgiua achwartzenberger, cantor
et canonicus eccleaie aancti Bartholomen Juncti autem sunt paultun
post primam horam de die in domo brunfelß et nuptie deinde secute
sunt decima februarij anno 1500. [fol. 149 J Anno 1500 decima februarij
Gilbertus hulczhusen et Katherina aachaen celebrarunt nuptias. Mane
cum celebri processione ad ecclesiam [ierunt], vbi sunt inthro-
nizati, deinde dies nuptiarum et coniunctio thori in curia treuerensi
acte et habite sunt Egoque, quia vtrique mihi sanguine iuncti, pro-
pinaui trea fl. Et inter pares ipai primi erant, quibus in nuptin?
donaui.
[Einer der wunderbarsten Missgriffe ist Fichard mit dieser zwei-
ten Ehe des Gilbrecht Holzhausen begegnet und beweist schlagend,
daas er unser Manuacript nicht gekannt hat Er fuhrt nämlich Holz-
el by Google
- 179 —
hausen U. 3 nur zwei Ehen des Gilbrecht zum Goldstein mit Clara
Stumpf von Dettingen 1499 und mit Dorothea Schanz 1512 auf, und
bemerkt dazu: ,.Einige Genealogien geben diesem Gilbrecht die
Katrine von Sassen, die Andere seinem Oheim Gilbrecht [zu Span-
genberg] zugeben, zur dritten (?!) Frau, welches unmöglich ist, da
Dorothea ihu überlebte.'4 Noch kühner verfahrt seine Kritik in die-
sem Punkte bei Gilbrecht zu Spangenberg. Er sagt R. 3: „Mehrere
Stammbäume berichten, dass Gilbrecht in zweiter Ehe mit Katharina
Sassen verheirathet gewesen. Das Ganze ist eine Verwechslung [sie!]
mit Anna von Sassen, der Frau von Conrad IlolzJhausen und diese
aueeblicüe Katrine eilstirte nie." Sie hat dennoch existirt und sich
auf Gastmählern und Hochzeiten (§.80. §.221) ihrer Existenz erfreut;
Job selbst hat sie gesehen und mit ihr gespeist bei dem Gastmahl,
das er in seinem Hause gab; sie hat sich auch mit Gilbrecht Holz-
hausen, freilich nicht mit dem, welcher zu Spangenberg, sondern
mit dem, welcher im Goldstein sass, nicht in dritter, wohl aber in
zweiter Ehe vermählt Dass Fichard unser Mauuscript nicht gekannt,
ersehen wir ferner aus seiner Nachricht über den Tod Gilbrechts
zu Spangenberg. Job giebt zweimal bestimmt als Todestag den
25. April 1494 an. Fichard berichtet zunächst, ein Wappenschild in
der Michaelskapelle setze denselben in das Jahr 1434. (Wahrschein-
lich war nur die Zahl 9 undeutlich geworden , so dass sie wie 3 aus-
sah.) Dann sagt er: nach einer Familiennotiz falle Bein Todestag auf
den 8. November; zuletzt entscheidet er sich für das Jahr 1496.
Arnold HolzhauBen und seine Ehefrau Gudula Glauburg
§. 283.
Conrad Holzhausen und seine Ehefrau Anna Sassen.
Kinder: Elgin Holzhausen, Ehefrau von Bernhard Horbach
dem Vater, §. 1.
Anna Holzhausen, Ehefrau von Georg Frosch,
§. 248. 249.
Lise Holzhausen, Ehefrau von Wolf Blum, §. 229.
Gilbert Holzhausen zum Spangenberg (f 1494 §.276)
und seine Gemahlin (Wittwe) Katharina (Fröschin)
zum Spangenberg: §. 19. 20. 30. 36. 116. 185. 186.
217. 220. 221.
Kinder: Ludwig Holzhausen: §. 3. 6. 19. 20. 30. 116. Ifc5.
186. 197. 215. 217. 220. 221. 257.
Elgin Holzhausen §. 80. 220.
Blasius Holzhauseu §. 16.
12*
Digitized by Google
- 180 -
Johann Holthausen zum Goldstein und
A. Margaretha im Steinhaus.
Tochter: Margaretha Holzhausen zum Thorn, Ehe-
frau Heinrich von Ergersheim, §. 51. 80. 184. 244.
B. 2** Ehefrau Johann's: Katharine von Schwar-
zenberg zum Goldstein: §. 17. 18. 30. 51. 56. 80.
217. 279. 282.
Söhne: 1) Haman Holzhausen: §. 19. 79. 80. 104. 119. 185.
186. 190. 191. 217. 221.
Ehefrau Margaretha Hell: §. 20. 80. 11G. 185. 217.
221. Kinder siehe oben §. 278.
2) Gilbrecht zum Goldstein: §. 8. 18. 24. 27. 45. 80.
127. 185. 186. 192. 197. 217. 221.
1«* Ehefrau 1497 Clara Stumpf [Fich. von Dettingen]
§. 28a f 149a
2» Ehefrau 1499 Anna Sassen §. 284. cf. §. 221.
(c£ §. 80.)
31" Ehefrau 1512 Dorothea Schantz, vergl. Steitz,
Luther'a und Melanchthon's Herbergen 31 *.]
2 Die daselbst auf Fichard gestützte Angabe, dass dieses die zweite Ebe
Gilbrecht b gewesen sei, musa demnach berichtigt worden; es war die dritte.
Digitized by Google
bc
hl
©
1
s £
9:3
1'
bO
u
•»-> ©
jd^o es
_ 9
3 cS
• 3 hi
3 ,© <D
r ©
_ u
3
»
E
JS.gS
+» KS >
,£J 2 r-t
O | g
d
. hl
a
©
CO
hi *
o
w
■ _2 h,
ht
3
a
0)
3
«S
"2^ - 3
O-fliZi 3
h, a 3
<j - o
ä
3
1-1 o
.3
©
« bo
<3 hl
©
©
a « cj
^ t-i
pq © o
©
OB ?3
«M CS ö
o
©
hi
** ©
-2s
- N c - * |
0 OOMQ
— 3 ofl ©
1 W
«
5 o © a
ca hi >■
Z O . »
.bx^.2 £
hl _ ©
CO a a bß
Digitized by Google
- 182
Holzheimer.
[Johann Holzheimer, siehe Amtleute, §. 132.J
Humbrecht.
§. 285. [fol. 171] Margreta, vxor Claß humbrecbt's, obijt vicesima
quin ta septembris, relicto dicto suo marito et filiis et filiabus, anno 1501.
[Kryngin Humbrechtin, Jungfrau, §. 80. 185. 263. Tochter Clas
Humbrecht's und Gretgin Foid, dritte Hausfrau von Bernhard
Weiss, §. 333.
Margaretha Humbrechtin, Ehefrau Conrad Scheid's, §. 311.]
Claus Humbrecht.
Greda, Foid von Monsberg.
Margaretha Katharina Humbrecht,
Humbrecht, Ehefrau von Bernhard Weiss.
Ehefrau Conrad Scheid's.
Inckus zu Schwasau.
[Familie starb 1482 aus. Ottilia zu Schwanau §. 221. ist die
Ehefrau Arnold Glauburger's zu Schwanau, geb. Brun.)
Jöstenhöfer.
§. 285. [fol. 15ö] Anno 1500 sexta augusti Katherina vgelnhevmerin,
uxor Loy iostenhoffers, sepulta est hic in ecclesia parochiali et
delatum est funus ad ecclesiam, precedentibus personia ecclesie nostre
et scolaribua et hoc primum in oo inceptuin, antea enim inauditum,
quod clerus nostre ecclesie precesserit funus laici.
[Loy Jöstenhöfer §. 5.]
Zum Jungen.
§. 287. (fol. 142 1 Anno 1499 vltima julij Katherina heringen,
vxor Orten zum iungen senioris, obijt, eo magistro ciuium existente,
null ob relictos habens. Erat Ortt illo anno magister ciuium senior.
[Ort zum Jungen §. 79. 80. 83. 98. 125. 183. 185. 201.
Kryngin Heringen, seine Hausfrau, Guda Hynsberg's Schwes-
ter, §. 80.
Johann zum Jungen §. 6. 98. 102. 120. 179. 183. 185.
Conrad zum Jungen §. 80. 177. 183. Itf5. 186. 197. 201.
Ortgyn zum Jungen §. 185. 198.
Gretgin zum Jungen, mater Conradi et Ortgyns zum Jungen,
§. 328.]
Digitized by Google
- 183 -
Brüder:
Ort zum Jungen — Heinrich zum Jungen — Johann zum Jungen
t 1519 (zum Korb) f 1483
Katharina Heringen Margaretha Reiss.
seine Hausfrau Marg. Glauburg.
t 1499. j
I . I
Conrad zum Jungen Ort[gin] zum Junge n.
*
Kaltofen.
[Philipp Kaltofen §, 180.]
Ketsch.
§. 288. [fol. 55 Anno domini prima die maij] Ködern die Jung
henn von kelsch f vicinus noster, fatum exsoluit, reliquit uxorom
nomine Mergen et filias, videlicet Morgen, Dorotheam et Kathcrinam,
et filium, cuius nomen Jodocus.
Kemmerer von Fulda.
§. 289. [fol. 10] Anno domini 1464 in die Dorothe Virginia des-
ponsati Hen kemmerer vnd Eisgin [cf. Bernhards Familien-
chronik, §. 61], nuptias habuerunt 4 junij zum hingen frosch, eodero
anno.
Knoblauch.
§. 290. [fol. 3] Anno 1494 prima augusti mane natus est Georg
clobellacb, filius Siffridi clobcllach et Gecilie vxorissue, et compater
eius erat Georgius Flach, [fol. 37 J Anno 1495 die 24 septembris
natus est Wickerus klobellach, filius Syffridi klobellach et Cecilie ....
vxoris sue. Compater infantis est Wickerus klobellach, maritus Ryle
froschin. [fol. 83] Anno 1497 secunda martij hora quarta post meri-
diem natus Sifiridus klobellach ex Siffrido klobellach et Cecilia vxore
eius, tertia autem februarij [raartii ?] baptizatüs. Compater infantis domi-
nus Bernhardus schefferlyn, doctor et iuditij camere venerabilis assessor.
[fol. 145] Anno 1499 in prineipio octobris, vt arbitror, natus est
Pancratius , filius Syffridi knobellauch et Cecilie, eius legittime. In-
fantis compater est Pancratius de rynsteyn, comendator domus tbeu-
tonicorum hic. [fol. 1Gb] Anno domini 1501 vicesima quinta apprillis
et dominica misericordia domini baptizatüs Johannes, natuS ex Siffrido
knobellauch et Cecilie, eius legittime. Infantuli compater est Johannes
mor, huius oppidi capitaneus.
[Sifried Knoblauch und seine liaufrau Caecilia §. 116. 185.
Sifried Knoblauch §. 119.]
Digitized by Google
- 18* -
§. 291. ffol. 57] Anno 1496 die deeima septima julij Johannes
klobellach, filius Adolffi klobellach's pie memorie et Anne folekerin,
contraxit sponsalia de presenti com Katherina gelthnserin , filia
Heynrici gelthuß felicis memorie, morantis, dum vixit, in oppenherm
et Actaym wasserhuß, zum goltsteyn genant, extra muros.
Deinde deeima nouerabris spire se ipsum sponse se apposuit: non
conuocatis aliis, nisi qui quottidianj erant in domo Wickeri klobellach's,
abundantem suam auaritiam notiorem facere voluit Regula, eorum
primogenita, nata est 22 augusti, de quaplenius in 99. Obiit [fol 99:
Rylchin klobellachin. Anno 1497 22 augusti, que est vigilia Bartho-
lome!, nata est primogenita Johannis klobellach's et Katherine. spire,
nomine Regula. Comater infantis estRylgin, uxor Wickert klobellach's.
Sic esse factum retulit mihi prefatus Johannes klobellach wormatie
prima septembris anno supra. Mortua nondum habens annnm Re-
gula.] Eberhardus de mense octobri natus in 127. [fol. 127 : Anno
1498 de mense octobri natus Eberhardus (et, vt arbitror, 25 illius
mensis baptizatus), filius Johannis klobellach's et Katherine, eius uxoris,
[Hlius] ; compater infantis Eberhardus de hussesthem.) [fol. 150] Anno
1501 deeima nona februarij ex Johanne knobellach peperit Katherina
filium, nomine [fol. 170] Anno 1501 infra octauam assump-
tionis nata est Grettgyn ex Johanne klobellach et Katherine, cius
vxore.
[Rylgin Froschin, Wicker Knoblauch's Hausfrau, §. 279. Siehe
Frosch. Wicker Knoblauch gehörte einer anderen Linie an, als die
folgenden :
Adolf Knoblauch f i486.
Anna Völckerin,
heirathet in zweiter Ehe Georg Flach.
Seifried. Johannes.
Caecilia Zäch Katherine Golthaus
ausEslingen. aus Oppenheim.]
Kühorn.
§. 292. [fol. 154] Anno 1500 deeima junij et die mercurij post
penthecosten contraxerunt matrimonium per verba de presenti Jaco-
bus kuhorn viduus, doctor et cancellaris [cancellarius] prmeipis
palentini electoris, et Agnes dyrmeyern, vidua relicta Hert
yrgeschemers, que solita fuit a populo Agnes zum roorn nunenpari
propter domum, quam inhabitat. Deinde eodem anno quinta augusti,
Digitized by Google
— 185 -
que erat dies mercurij, solemnizatio matrimonij in fatie
ecclesie et consumatio in thoro secuta est et habita.
§. 293. [fol. 159] Anno domini 1500 nona nouembris nuptie
celebrate snnt maguntie inter doctorem Bernhard kuhorn, Jacobi
kuhorn de stnckgardia filins, et Elisabeth, filia quondam doctoris
Georgij hei, alias pefFer, cancellarij archipresulis maguntini, dum
vixit, et Elisabeth froschin, genitricis dicte sponse, que nunc viuit.
Ad nuptias illaa dcscendimua octaua nouembris ad maguntiam in
naui consu latus, hic [huc] rediebamus tredecima eiusdem mensis
anno, quosupra, et laute, ymo lautissime viximus ac triumphauimus ;
propinaui ducatum, pro quo solui 1 fl. 9 ß. Tantundem propinauit et
frater mens Bernhardus rorbach. Laurentius eorum primogenitus
natus est, de quo infra fol. 170.
[fol. 170. Anno 1501 in yigilia vel die laurentij natus est
primogenitus maguntie doctoris Bernhardi kuhorn et Elisabeth
sue legitime, nomine Laurentius; hunc suscepit de baptismo
nobilis Laurentius truchseß, canonicus maioris ecclesie
tine etc.]
Brüder.
Jacob Walther, gen. Kuhorn,
der Aeltere,
wohnt in Stuttgard.
Bern
lar
Jacob Walther, gen. Kuhorn,
J. U. D.
Procurator zu Mainz.
Agnes Diermeyer (Tiermeyer)
zum Mohren,
Wittwe von Hert Ergersheiraer.
J. U. D. in Mainz.
Elisabeth Hell.
Langsdorf.
[Engil Langsdorf §. 201.]
Marpurg zum Paradies.
[Ludwig zum Paradies, Dr., goldner Ritter uud Schultheiß, §. 6.
79. 80. 83. 175. 183. 185. 186. 294. 334.
Elsbeth (Asyn) Heringen, seine Hausfrau, §. 80. 294.
Ludwig Marpurg, §. 183, kann nur Ludwig Martroff von
Marpurg [§. 294], der Erbe des Hauses zum Paradies gewe-
Digitized by Google
- 186 -
sen »ein, da Ludwig zum Paradies in dem Verzeichnisse
der Limburger §. 183 an der Spitze genannt, Ludwig Mar-
purg aber unmittelbar nach Georg Martroff aufgeführt
wird.]
Martorff.
§. 294. [fol. 50] Anno domini bisextili 1496 die decima quinta
febmarij, qu? tunc penultima carnisbreuij erat, Ludwicus mar-
troff, filius Johannis martroff, ex una, ex parte alia Anna virgo,
senior filia Wolff blumens et Lyßgin's hulczhuseryn, contraxerunt
sponsalia et preter morem nostrum non adductus ad
stubam est sponsus, allegabant rogationes pugnantes
ad placitum [?]. Solennizatum dehinc est matrimonium in
facie ecclesie nona die junij, que pro tunc erat octaua corporis
Christi. Nuptie de post secute die tredecima junij anno, quo supra.
Tandem procreatus est ex ipsis Ludwicus, primogenitus eorum,
de quo in folio 93; obiit infans. [fol. 93: Anno 1497 decima septima
junij ex Ludwico martroff et Anne [1. Anna] blumin, eins legittime
[L legitima], natus est Ludwicus, primogenitus eorum, decima octaua
junij fönte baptismatis rcnatus. Compater infantis est Ludwicus de
paradiso, doctor ac eques auratus, franckfurdensium scultetus. Mor-
tuus est paueo tempore post prefatus infans]. Secundagenita,
Elsbeth nomine, nata est vltima junij in anno 98, clarius infra 117.
[fol. 117: Anno 1498 vltima junij nata est secundagenita Ludwici
martroff [am Rande: Elisabeth martroff] et prima julij baptizata.
Commater infantis est Elßbeth [sonst auch Asyn genannt §.80], uxor
Ludwici de paradiso, sculteti huius oppidi, qu$ vocauit infantem
nomine suo, quQ de post obijt, anteaquam habuerit etatem
15 dierum.] Johannes natus est 14 octobris anno 99 et quartus
[1. tertiusl in ordinc geniture, quacre in charta 145. [fol. 145: Anno
14i'9 decima quarta octobris mane quinta hora vel circa natus est
Johannes ex Ludwico martroff et Anne. [1. Anna], eins uxorc. Sus-
cepit de baptismate infantem concanonicus Johannes vgelnheymer.
Obiit infans.] Katherina nata est anno 1500 decima decembris, de
qua vide in 1G0. [fol. 160; Kryngyn martroff. Anno domini die
decima decembris, decima hora vel quasi post cenam, et erat
diesiouis, genuit Anna, uxor Ludwici Martroff s, filiam suam Katherinam
nomine. Gomater infantis est Katherina, relicta senioris Bechtoldi hellers].
§. 295 [fol. 168] Anno domini 1501 decima die apprilis, que
erat vigilia pasc«? obijt Anna, vxor Ludwici martrons et senior filia
senioris Wolff blumens. Reliquit maritum suum filiamque nondum
annum habentem nomine Katherinam superstites.
Digitized by Google
- 187 -
JLudwig Martroff §. 184 und 185. (§. 183 cf. „Marpurg zum
Paradies" und unsere Bemerkung daselbst)
Engin, seine Hausfrau, §. 185.
Georg Martroff §. 13. 80. 183. 185. 193. 198. 215.
Georg und Ludwig Martroff waren Vettern.]
Meiern.
§. 296. [foL 65] Anno domini 1496 die decima septima ootobris
sponsio matrimonij contracta est inter Johannem de molnheym
(habuit autem antea duas vxores) et Margretam virginem, filiam
quondam Thome ogelnheymers etMarg^ete grussern, nunc vxor Stephani
grünbergers, vittericus prefate virginisMargrete sponse. Solemnizatiimln
facie ecclesie decima septima nouembris. Nuptie deinde celebrate faere
dievicesima seeunda nouembris, eratquedies marus; non enim poterat
consumari die lune ob festum presentationis virginis Marie. Ex illis
natus est Ogir 15 junij anno 1499; vide in charta 140. [fol. 140:
Anno 1499 decima quinta junij et die Sabbathi genuit Grettgyn,
vxor Johannis molnheym, suum primogenitum filium, cuius nomen
Ogyr, baptizatus decima sexta iunij; compatcr infantis est Jacobus
heller. Primogenitum dizi quoad Gretgyn; Johann molnheym enim
ante eam duas vxores habuit] [fol. 168] Anno domini 1501 die veneria
post dominicam quasimodogeniti natus ex Johanne de molnheym et
Margreta, vxoresua, Jacobus estque secundus in ordine geniture ex
illorum prefatorum matrimonio. Sequenti die e fontc baptismatis sus-
cepit infantulum Jacobus neuhusen.
[Ursula de Meiern, uxor Walteri de Schwarzenberg, §. 317.]
Johann von Meiern (Molnheim).
Gretgen Dorfelder.
Johann von Meiern. Katharina von Meiern. Ursula von Meiern.
Margaretha Jacob Heller. 1) Walter v. Schwar-
Ugelnheimer. ^ zenberg.
2) Bernhard Rorbach
der Jüngere.
Mohr.
[Johannes Mohr, städtischer Hauptmann, siehe unter dieser
Ueberschrift: §. 133.J
Digitized by Google
- 188 -
§. 297. [foL 96J Anno 1497 die vicesima tertia julij Ruprecht
moneß viduus nuptias peregit cum quadam vidua, si recte memini,
de fulda, nomine etc. Nuptias deinde celebrauit vicesima nona januarij
anno 1498.
§. 298. ffol. 102] Anno 1497 tredecima nouembris Conradus
mones celebrauit nuptias cum Eylchin »tomein , obiit autem dicta
Eylchin die 23 junij anno 1500.
[Conrad Monis §. 177. 183. 185. 186. 197. 199.
Ruprecht und Conrad Monis sind Vettern.]
Neuhausen.
§. 299. [fol. 10] Anno 1464 Jacobus nnhusen et Kongundis,
filia Walten schwarczenbergs senioris, desponsati sunt in die beati
Xysti, nuptie secute in profesto Galli eodem anno.
§. 300. [fol. 18] Anno 1495 iii. apprillis reuersi sunt de pere-
grinatione Jacobus nnhusen, Johannes molnheym et famulus eorum
Heynricus de Andernach, cum antea iter peregrinationis arripnerunt
in anno 1494 die xxiii junii, que est vigilia Johannis baptiste.
§.301. [fol. 51] Anno 1496 die 5umartij vocauit nos Jacobus
neuhuser inter ceteros eius amicos, vidclicet Bernhardum rorbach
et me Job, fratrem Bernhardi, vt adessemus, cum sententia esset
ferenda. Comparuimus cum ceteris suis cognatis et amicis in stuba
consulatus et audiuimus sententiam, in qua adiudicabantur Jacobo et
Georgio neuhuser germanis noningenti quinquaginta floreni, dandos
[1. dandi] per heredes Katherine wissen, nec tantum in predicta
summa, verum et in expensis sunt condcmnati dicti heredes. Hec sie
acta esse certo scio et aderat, vt predixi, frater meus et plures alij.
Heredes vero appellarunt, hij autem erant heredes vel saltem preten-
debant se heredes esse: Johannes I an eck, tanquam vna stirps, Helesus
wiß, tanquam secunda stirps, Fridericus, Dithericus et Agnes germani
et germane de Altzen, tanquam tertia stirps.
§.302. [fol. 83] Anno 1497 quinta martij nata, vt arbitror,
baptizata naraque est ea die, Margreta neuhuserin, filia Conradi neu-
heusers et Margrete vxoro [L uxoris] eius. Commater infantis Margreta
. . . . vxor doctoris Valcntini durnckheym, iuditij camere procurator.
Mortua est, anteaquam fuit trium mensium.
[fol. 112] Anno 1498 tertia apprilis nata est Agnes, filia Conradi
neuhusen et Margrete, sue legittime vxoris. 4U eiusdem baptizata et
de fönte baptismatis suseepta per Agnetem relictam Hans schmidden.
Digitized by Google
— 189
[fol. 143:] Anno 1499 die vieesmia secunda augusti baptizatus Geor-
gius neuhuß, filius Conradi neuhaß et Margrete, sue legittime.
Infantis compater est Georgius ncuhuß zum fraß. Infans obijt pauco
tempore post, supra dictus Georgius. [fol. 157] Anno 1500 tertia
octobris Daniel, filius Conradi ncuhuß et Margrete eins legittime,
est baptizatus. Compater infantis Daniel bromm.
[Jacob Neuhausen §. 13. 35. 79. 80. 81. 107. 125. 186. 186.
190. 191. 221. 296.
Georg Neuhausen, sein Bruder, §. SO. 191. 192. 197. 199. 201.
215. 221. [zum Frass] 327.
Conrad Neuhausen §. 79. 80. 186. 186. Margret seine Haus-
frau §. 80 und 185.
Ulrich Neuhausen §. 6. 13. 15. 80. 177. 183. 185. 192. 198.
215. 221.
Conrad zum Neuen Haus
zum Frass.
Jacob zum Frass f 1493. Ulrich zum Frass.
Kunigunde Schwarzenberger
. _l_
Jaco b zum Frass,
kinderlos.
Georg
zum Frass,
ehelos.
Raias.
§. 303. [fol. 36] Anno 1495 die 14 septembris obiit Ortt reylS,
pater Johannis, Georgij etc. et Margrette reysen et aliorum con-
fratrum.
§. 304. [fol. 51] Anno domini bisextüi 1496 die sexta martij
Johannes reyß scabinus (filius quoudain pie memorie Ort Reysen
et Kongundis hyllebrant), contraxit sponsalia cum Cristina virgine
(fiha Johannis froschen et Cristine degeneryn morantium in domo
zum burggreffen nuneupata). Eratque dominica occuli in qoadrage-
sima, cum sponsalia contrahebantur ideoque non vocati sunt ad cenam
nisi proximi tantum. Depost die vicesima iunij benedictionem matri-
monij in ecclesia reeeperunt mane sub matutinis. Eodem die nuptias
celebrabant et apposita sponsa sponso est anno, quo supra.
I l
Conrad Ulrich Neuhaus.]
zum Feuerfunken.
Margaretha
Silberborn.
Digitized by Google
- 190 -
Depoat in anno 1497 die juuij vndecima nata est Anna eorum pri-
mogenita, de qua clarius in folio 92. [fol. 92: Anno 1497 vndecima
iunij et die dominica nata ex Jobanne reyß et Cristina froschin, legit-
tima sua, primogenita eorum, nomine Anna. Baptizata duodecinia
iunij. Commater infantule est Enchin, vxor Georgii flach, officiali*
znm goltsteyn eis moganum extra rauroa.J Deinde in anno 1498 natns
Johannes, qui et mortuus est, vide in charta 129. [fol. 129: Anno
1498 vicesima secunda nouembris circa mediam vel in media noctis
natu» est ex Johanne reyß et Cristina, eius uxore, Johannes, qui
baptizatus 23 eiusdem et ab Johanne frosch, patre Cristine, de bap-
tismo suseeptus. Obiit infra mensem.] Geuuit Wickerum tertia maij
anno 1500, de quo vide in charta 152. [fol. 152: Anno 1ÖOO tertia
maij natus est ex Johanne reyl* et Cristine [Cristina], eiuB Iegittimv
[legitima], Wickerus, qui baptizatus est 4U eiusdein mensis, et is in
ordine geniture suorum parentum est quartus [tertius]. Ipsius infantü
compater est Georgius frosch senior.)
[Johannes Raiss§. 86. 183. 185. Chrystingin,seineHausfrau,§. 185.
Georg Raiss §. 13. 177. 198.
Arnold Raiss §. 201. 215.
Margreta Raiss, Tochter Peters Raiss und Agnes von Alzey,
Heinrich Weissen Hausfrau, §. 328.
Anna Hynsberg, relicta Johannis Raiss, aduocati quondaw
huius oppidi, §. 86.
Heintz Raitf.
I
I I
Clesechin RaiU. Orth Rai U.
I I
Peter. Johann, Johann. Georg, Arnold, Margaretha.
Agnes J. U. D. Christina ledig. ledig,
von Alzey. AnnaHyns- Froschiii.
berg.
Margaretha
Heinr. Weiss
v. Limpurg.
Rheine.
§. 305. [fol. 48 J Anno 1496 nona die ianuarij sepulta est in
ecclesia fratrum pr<?dicatoruni franckfordie Agnes (filia Bechtoldi
Digitized by Google
- 191 -
beller'B senioris), uxor Heynrici de ryn, reliquit superstites Septem
liberos.
§. 306. [foL 156] Anno 15C0 in die Laurentij raartiris obijt Ka-
therina, filia Stheffans hen, uxor autem Johanis von ryn senioris, pr.o
tunc scabini hic, et comitatum est funus, vt hic proximum supra
[§. 286] in fnnore uxoris Loy iostenhoffer's est notatum, nisi quod
hic pulsabantur campane, quod obmissum fuerat in superiore funere.
§. 307. [fol. 170] Henricus, filius Johannis von ryns et
defuncte Katherine ex familia Steffens henn, contraxit matrimonium
cum Magdalena, virgine et filia Jacobi gey chen viventis etAgneß
wyssen pie memorie. Actum die ioius et 12 augusti anno 1501.
Eodem anno ratificatum est dictum matrimonium in fatie ecclesie
tredecima nouembris ; nuptie vero habite sunt 15 nouembris anno
supra dicto.
[Johannes de Rheine §. 5. 116. 121. 179. 183. 185. 192. 197. 198.
201. 215. 2ß5.
Kryngin, seine Hausfrau, §. 185.
Johannes vom Rheine, sein Sohn, Dechant zu St Leonhard, §.20K
Engin, Johanns vom Rheine, des Aelteren Tochter, §. 208.
Heinrich vom Rheine, des älteren Johann Bruder, §. 123.
Margaretha vom Rheine, Heinrichs Tochter, Claus Stallburger's
Hausfrau, §. 322.
Johannes vom Rhein, Decau zu St. Leonhard, §. 208.
Heinrich vom Rheine
I
Heinrich vom Rheine f 1509 Hans vom Rheine
zum Wolkenberg. zum gülden Kopf.
Agnes Heller. Katharina Steffan.
| . J r
Margaretha. Johann z. Rh. Heinrichz.Rh. Anna.
C 1 a u s S ta 1 1- Deehant z. St. Leonh. zum Mohren,
burger. Magdalena Geuch.|
■
Rosenacker. 4
§. 808. | toi. 48] Anno 1496 decima quarta ianuarij Eberhardus
ro Benacker de wertheym, sindicus dorainorum de conaüio franck-
furdensi, contraxit sponsalia cum Otylia, filie [I. filia] quondam
Caspar behemers et Margretc, matre vivente tunc Dehinc nuptie
Digitized by Google
- 192 -
secuta die vicesiraa quinta eodem anno et menae. Ego Job ror-
bach prefatam Otyliani aponaam ad cccleaiam dusi, vna
cum Casparo, fratre aponae, nocte adueniente aponsam
aponao appoaui. Ante iam dictam aponaam nullam duxi
ad eccleaiam, nec ad thorum aliquam praeter illara aponao
appoaui. Propinauit mater aureuin, frater Bernhardus
aurcum et monetam, que eyn engelisch dicitur, ego autem
trea taxillos, duas acuB, vnam cum filo glauco, aliam cum
filo blawe.
Rückingen.
[Claa Rukingen §. 120. 133. 177. 185. 186. 257. 261. 262. älterer
Bruder.
Johann Rückingen und Agatha, Beine Hausfrau, §.185. jüngerer
Bruder.]
' Saa8en.
§. 309. [fol. 10J Anno 1471 dccima ianuarii contracta aunt
aponaalia inter Henn aaaaen et Katherinam, filiam Johann brunnen,
nuptie autem babite in craatina aancti Blaaii eodcm anno.
§. 310. [fol. 85] Lyagyn aachain. Anno 1497 in die aacro
pasche, que erat viceaima aexta martij expirauit Liagyn sachsvn, virgo
venuata, cognata raea, filia Hen aachacn et Kringyna, eiua uxore. Et
retro in anno 1496 conuentio amicabilia facta et concepta de futuru
matrimonio contrahendo inter ipaam iam dictam virginem et Johannem
froach, viduum, wulgo dictum Johan froach zum Affen, et placuit hec
conuentio ipaia videlicet Johanni froach et Lyagyn virgini et pareati-
bua auia, nondum autem contraxerant nec verbo nec facto, eo quod
tercio et quarto gradu cognationia cognati erant, quapropter diapen-
satio papalia requirebatur, cumque iam impetrata erat diapenaatio et
iam aderat, infirmitaa Virginia impediebat contrahendum matrimonium.
Tandem raora Virginia omnem conuentionem et contractum interemit
et in nihilum reduxit Jnhumata in eccleaia minorum in loco 8uarum
p r og e nitricum.
[Hen Saasen §. 80. 183. 185. 284. 309. Katharina, aeine Haus-
frau, §. 80. 284. 309.
Aelteate Tochter EUaabeth (Liagin) §. 80. 185. 186. , Braut Jo-
hannea Froach«n zum Affen §. 310.
Zweite Tochter Katharina (Klingen) §. *0. 185., aeit 10. Februar
1500 verheirathet an Gilbert Holzhauaen zum Goldsteüi ; ihre
Existenz von Fichard mit Unrecht bezweifelt, §.284 u. Anm.
öohn Ludwig §. 80.].
Digitized by Google
- 193 -
Scheid.
§. 311. [fol. 82] Anno 1497 decima nona februarij baptizata est,
arbitrorqne eam ea etiam die natam, Margreta, filia Conradi schytts, eo
tunc iunior existentis magister chrium, et Margrets humbrechten.
Suacepit de baptismo infantulam Margreta, relicta et mater
Conradi et Ort zum iungen.
[Conrad Scheid §. 121. 126. 179. 183. 186.
Margreta Humbrecht, »eine Hausfrau, §. 185.
Die Pathin war Margaretha Glauburgerin, Wittwe Heinrichs
zum Jungen, vrgl. zu §. 287.]
Schmied.
§. 312. [fol. 15] Anno 1495 secunda februarij natus est Reyn-
hardus schmyd ex Johanne schmydt et Agnete wissen, eius uxore.
§. 313. [fol. 52] Anno 1496 die xiii raartij obiit Hans schmyt,
reliquit uxorem Agnetem cum sex liberis, omnes adhuc in puppillari
State; sepultus in parochiali eccleaia sancti Bartholome^ etfratersuus
Sebastianus schmytt obiit in anno 1494 die 19 apprilis.
§. 314. [foL 134] Anno 1499 decima quinta februarij et sexta
post dominicam estomihi obijt Agucs vidua, quondam vxor Johannis
schmydt, 16. mensis illius inhumata in parochia.
[Stephan Schmied von Miltenberg hatte zwei Söhne :
1) Sebastian Schmied f 1494 Dessen Sohn Sebastian
Schmied wird §. 201 erwähnt.
2) Hans Schmied f 1496 (§. 313). Seine Gattin Agnes (§.302
und 314) war eine Weiss von Limburg zum Rebstock
(§. 312). Ihr Sohn war Reinhard Schmied (§. 212)].
Schöfferhenn.
§. 315. [fol. 1J Prima die junij [1494?] sponsalia contraxerunt
Scheffer henn iunior etAnna de hanauwe, relicta Konstens hentzen,
que moratur in domo vocata czu der winreben, sita ex opposito a
latere domus czu spangenberg iuxta ecclesiam bcate virginis.
[Schöfferhenn §. 93. 102. Lersner fuhrt H, II, 143 u. 147 im
liathsverzeichnisse auf: Johann von Ostheim, gen. Schöfferhenn,
Wollen weber, erwählt 1461, gestorben 1501,. und Johann von Ost-
heim, erwählt 1494. Wahrscheinlich ist der letztere unter dem Na-
men Scheflerhenn junior gemeint, während jener, vielleicht der Vater»
als senior zu denken ist Nach den Briefen des Cochlaeus nahm der
jüngere Schöfferhenn sich 1520 dessen freundlich in Frankfurt an.]
13
Digitized by Google
- 194 -
Schule.
§. 316. [fol. 144] Anna zum yssenmenger, auia Petri et
Thome sossenheymer ex linea materna, obijt vicesima octaua septem-
bris [1499].
[Die erwähnte Anna ist des Peter Schule zu Laderam Hausfrau.
Die Tochter dieses Paares, Katharina Schule, hatte Peter Sossenheimer
geheirathet und war die Mutter der Brüder Peter und Thomas Sossen-
heimer. Im Jahre 1495 verkauften Anna, Peter Schulen seel. Wittwe,
Peter und Thomas Sossenheimer, Margaretha [Weissin von Limburg]
vxor, dieser Anna Diechtern [Enkel] und Snorche, das Haus Laderam
um 2600 ti. an Daniel Bromm. So Fichard in der Geschlechterge-
schichte (Familie Sossenheimer und Schule). Derselbe fuhrt ferner
aus der Originalurkunde an, dass Anna zu Laderam in ihrem am
Marien-Magdalenentag 1495 errichteten Testamente ihren Diechter
Peter Sossenheimer zum einzigen Erben eingesetzt habe, weil
dessen Bruder Thomas „zu seinen Veränderungen sonst ein merg-
liches über ihre Kräfte erhoben habe*. Wenn Fichard daraus
schliesst, daas Anna zum Laderam noch um 1495 gelebt haben müsse,
so ersehen wir aus obiger Notiz', daas sie erst am 28. September
1499 gestorben ist und nach Verkauf des Hauses Laderam im Hause
zum Eisenmenger (neue Krame K. 103) gewohnt hat]
Schwarzenberg.
§. 317. [fol. 3] Anno 1494 die 25 julij obüt Walterus de
swarczenburg hora undecima diei. Reliquit uxorem Vrsulam de
niolnheym cum filia Vrsula nomine [eine spätere Hand schrieb dazu:
que relicta nupsit Bernhardo de rorbach. Cf. §. 10].
§. 318. [fol. 9J Anno a uatiuitate Christi 1495 in die Johannis
ewangeliste, vt opinor, nata est Margreta, filia Arnoldi schwarczen-
burg's et Katherine .... de oppenheym.
§. 319. [foL 9] Anno 1496 in die Johannis ewangeliste est bap-
tizata, et certo scio credoque etiam eo die natam fuisse, Beatrix,
prefatorum etiam filia. [fol. 71 : Anno 1496 annum ab initio ianuarij
inchoando Beatrix, filia Arnoldi Schwarzenbergs et Katherine,
baptizata est in die Johannis euangeliste, eodem die eam fuisse natam
arbitror. Commater infautis est niater Symonis vffstenners.]
§. 320. [fol. 158] Anno 1500 vicesima sexta octobris obijt Ar-
noldus seh w artzenberg inane. Reliquit uxorem Kathen naru . ...
de oppenheym, tilias tres, Ann am .... Beatricem. Vicesima nona
mensis illius prima dies exequiarum apud carmelitas fuit obseruata.
Digitized by Google
- 195 -
Ad exequias et prandium fuerunt omnes canonici et prelati ecclesie
H. Bartholom?!, item omnes viri coiisiliarij inuitati et complures alij.
[Walther Schwarzenberg der Aeltere (Hausfrau Anna Holz-
hausen. Fichard).
Seine Kinder: 1) Walther Schwarzenberg §. 317. Hausfrau Ur-
sula von Meiern §. 10. 116. 185. 221. 317., in
zweiter Ehe vermählt mit Bernhard Rohrbach
dem Jüngeren, §. 10. Tochter erster Ehe Ur-
sula §. 317.
2) Georg Schwarzenberg, Canonicus zu St. Bar-
thol., §. 209. 327.
3) Kunigunde Schwarzenberg, Jacob Neuhausen's
Ehefrau, §. 299.
4) Anna Schwarzenberg, Henne Weissen zu Lim-
burg Ehefrau, §. 328.
5) Arnold Schwarzenberg, 3teEhe mit Katharina
Ritter (Fichard) aus Oppenheim. Hinterlassene
Töchter: Anna (§.258), Elisabeth [nach Fichard,
Job Rohrbach: Margaretha], Beatrix §. 320.
6) Michael Schwarzenberg §. 10. 83. 124. 185. 216.
Kringen (Martroff, Fichard), seine Hausfrau,
§. 10. 185.J
Sossenheim.
§. 321. [fol. 123J Anno 1498 obijt Gretgyn, vxor Thome sossen-
heimer's, soror autemHert, Bernhardi et Agnes wisen, die sexta
septembria, vt arbitror ; corpus sepulturc traditum est septima eiusdem
mensis et hoc certum.
[Thomas Sossenheimer §. 183. 185. vergl. Schule §. 316. Seine
Ehefrau gehörte zum Zweig der Weiss von Limpurg zum Rebstock,
siehe Weiss.]
Stallburger.
§. 322. [fol. 143] Anno 1499 die sexta augusti Claß stalberg
contraxit Bponsalia cum Margreta uirgine , filia Heynrici vom ryn.
Eodem anno die 21 octobris et vndeeim milliuin virginum habite sunt
nuptie. Solemniter et in apto ordine et decorate processerunt ad
ecclesiam ibidemque solemnizarunt matrimonium ac benedictionem a
plebano doctore Conrado hensell suseeperunt Primogenitus eorum
Claß nomine natus sedeeima martij anno 1501. [fol. 167 : Anno do-
uiini [1501] sedeeima martij, que erat dies martis post dominicam oculi
13*
Digitized by Google
■
— 196 —
natns est Claß, filius et primogenitus Claß stalbergs et Margret vom
ryn, quem de fönte baptismatis suscepit Claß vom haffeni sartor
die sequenti, videlicet decima »optima martij.]
[Clas Stallburger §. 122. 183. 186. 186.]
Stocken.
| Philipps von stocken, nobilis, §. 80.J
Steffan.
[Henn Steffan (Steflanshenn, Steffashans) §. 116.
Guttgin, im Saalhof, Stephans Henn Tochter, Wicker Fröschen
Wittwe, Eberhard's von Heusenstamm Ehefrau, cf. zu §. 254 und
§. 272. §. 116.
Katharina, Steffana Henn Tochter, Ehefrau Johanns vom Rheine,
§. 307. Fichard nennt Henn Steffen : Werner steffanshenn von Bin-
gen, muss übrigens zugeben, dass der Name Werner ihm nur einmal
begegnet ist und sich möglicherweise auf eine ganz andere Person
bezieht. Steffanshenn ist übrigens eine Abkürzung für Henne,
Stcffan'a Sohn. Dass solche Abkürzungen bei Leuten bürgerlichen
►Standes damals ganz üblich waren, wusste Fichard sehr wohl, aber
anstatt daraus zu folgern, dass auch diese eingewanderte Familie wohl
bürgerlicher Herkunft sei, sucht er zu zeigen, dass dieselbe Abkürzung
auch bei Vornehmen sich ausnahmsweise finde. Wie hätte er auch
zugeben dürfen, dass die Steffan von Cronstetten ursprünglich Bür-
gerliche gewesen seien! Der Name von Cronstetten rührt übrigen«
erst aus dem 16. Jahrhundert her.J
Storck.
§. 323. [foL 6| Anno 1494 die xxx augusti hora quinta post
meridiem Margereta, uxor Joannis storck, maguntie geminas peperit
filias, quarum una Fronica, alia Clara nuneupata; mortue sunt.
Stralenberg.
§. 324. [fol. 143] Anno 1499 die duodeeima augusti contraxitHen
stralnberg viduus sponsalia cum Agnete [Eine spätere Hand
füllt die Lücke aus : Steffin] virgine. Eodera anno quarta nouembris
solemniter processionaliterque iuerunt ad ecclesiam solemnizando ma-
trimonium nocteque illa consumarunt nuptiasue celebrarunt Felicitas
eorum filia nata est, vt in folio 166. [fol. 166: Anno 1501 vicesima
ianuarij nata est Felicitas, primogenita Hen stralnbergs et Agnetis.. ..
ex illo matrimonio, quia Hen stralnberg primus aliam habuit vxoremj.
Digitized by Google
- 197 -
[Heimo Stralenberger §. 186, in zweiter Ehe vermählt mit Agnes
Steffen, §. 324.
Hert Stralenberger f 1485, Bein Oheim.
Hert's Kinder: Jacob §. 127 u. 183.; Katbarina, Simon Uffsteiner's
Hausfrau, §. 325, und Heilmann §. 183. 186. 197. 215.]
TageL
[Erban Tagel, Amtmann zu Erlenbach, siehe Amtleute. §. 129
bis 132.]
Tegen.
[Gretgyn Degnerin [Tegen], Jacob Brun's, in zweiter Ehe Hans
Brommen Hausfrau, §. 239.
Christina Degenerin, Johann Fröschen zum Burggrafen Hausfrau,
§. 253. 304.]
Tiermeyer, siehe Diermeyer.
Uffstein.
§. 325. [foL 60] Anno 1496 secunda augusti Symon vffstenner
sponsalia contraxit cum Katherina de stralnberg virgine, filia Hert
stralnbergs felicis memoria et Gretgin. Appositi sunt simul in thorum
tredeeima nouembris, dehinc deeima quarta nouembris secute nuptie
anno, quo supra. Primogenita eorum nata est quarta nouembris Ma-
gret a nomine anno 1497, de quo in 103. [fol. 103: Anno 1497 die
4U nouembris nata est Margreta, primogenita Simonis vffstenders et
Margrets (?), legittime su$. Commater infantis est Margreta senior
filia Iohannis engelenders, vulgo dictus guldenleb.] Elßgen, secunda
eorum filia, nata est in anno 1499 12 junij, vide in charta 140.
[fol. 140: Anno 1499 in mense iunij et, si iuste memini,
vi eiusdem mensis genuit Grettgyn(?), vxor Symonis vfistenner's,
Elfgin et hec secundagenita illorum.] Enchin tertia eorum filia nata
est anno 1501 de mense februarij, de quo infra charta 166. [fol. 166:
Anno 1501 deeima die februarij baptizata est Enchin uffstennern,
filia Symonis et Gretgyn (?). Comater infantis est Enchin, virgo
et filia Johannis vom ryn senioris, et est hec in ordine geniture
tertia.]
[Simon Uffstemer §. 183. Die Mutter Simon Uffsteiner's §.319 hiess
Guda (unbekannt aus welcher Familie) und sein Vater Jacob (Fi-
chard) Seine Gemahlin Katharina Stralenbcrg wird in den obigen
üeburtanotizen überall irrthttmlich Gretgen genannt. — Siehe
Stralenberg.]
Digitized by Google
Ugelnheimer.
§. 326. [fol. 156) Anno domini 1500 tricesima auguati sepulta
est Agnneß blumin, relicta vgelnheymers , et per sacerdotes
et scolares ecclesie nostre fonus comitatum, vt supra de alijs etc.
[cf. §. 286. 306.]
[Philippus Ugelnheimer. §. 49. 80. 192. 198. 201. 215.
Johannes Cgeluheimer, Canonicum zu St Bartholomaei, §. 62.
63. 294.
Katharina Ugelnh eimerin, Loy Jostenhöfe r's Ehefrau, §. 286.
Thomas Ugelnheimer und Margreta G russern, seine Hausfrau:
ihre Tochter Margreta Ugelnheimerin, Johann 's von Mo In-
heim Hausfrau, §. 296.
Peter Ugelnheimer,
heir. 1439 Agnes Blume (§. 326),
f 1463.
I
I ) I I I
Peter Philipp Johannes Katharina Thomas
Uffeln- Ugelnheimer. Ugelnheimer, Ugelnheimer, Ugelnheimer,
heimer, Canonicum heir. 1475 heir. 1474
Handels- St Barthol. Loy Josten- Greda Grusser,
mann zu hofer. gen. Schöffer.
Margaretha,
heir. 1496
Johann v. Meiern.]
Voelcker.
(Christian Voelcker §. 98. 178. 183. 185. 254.
Rylgin, Christian Voelcker's Tochter, Johann Fröschen zum
Affen Hausfrau, §. 254.
Anna Voelckerin, heir. Adolf Knoblauch und in zweiter Ehe
Georg Flach, §. 291 und Georg Flach]
Weiss von Limpurg, Rullmännischer Zweig.
Jacobus Weiss.
§. 327. [fol 32] Anno 1495 in die beati Jacobi apostoli, que est
25. dies julij, natus est ex Jacobo wiß etFronica demonchen,
eins vxore, Georgius wiß, eorum primogenitus, et leuauit de fönte
Digitized by Googl
- 199 -
sacro eum Georgius neuhuß. Mortuus est. Etsi deletum, non tarnen
eo minus verum, [fol 64] Anno 1496 die sedecima septembris natus
est Jobann wiß exJacobo wyß et Fronica .... de monchen, vxore
eins. [fol. 109] Anno 1498 vicesima secunda januarij natus est Geor-
gia, filius Jacobi wiß et Feronice, eius legitime, 23. eiusdem baptiza-
tus, compater Georgius schwarezenberg, cantor et canonicus coile-
giate ecelesie diui Bartholomei franckfurdie. |foL 133] Anno 1499
27. februarij baptizatus Heinricus infana, filius Jacobi weiß et Feronice
eius vxoris. Suscepit infantem de fönte baptismatis Heinricus de ar-
tenberg, scriba ciuitatis. [fol. 166] Anno domini 1501 in vigilia Ma-
thie , que erat dies martis ante dominicam inuocauit et vicesima ter-
tia februarij, baptizata est Fronica, tilia Jacobi wiß, que precedente
nocte nata, et Fronice, eius legittime.
Jacob Weiss, §. 185. 192. 197.
Fronica, seine Hausfrau, §. 116. 185.
[Wer die Fronica .... von München gewesen sei, ist nicht
mit Bestimmtheit auszumitteln. Fichard vermuthet: Veronica
Buchmüller.]
Heinrich Weiss.
§. 328. [fol. 70] Anno 1496 deeima nona, vt arbitror, mensis
decembris Heynricus wiß (filius quondam Hans wyssen et Anne
schwarczbergeryn) contraxit sponsalia cum Margreta reyssen,
filia quondam Peter reyssen et Agnetis de alezen, que hodie vivit
habetque secundum maritum nomine Bechtoldus de babenheym
nobilista. Acta hec sunt sponsalia in Algessheym. Deinde anno 1497
sedecima ianuarij et solemnizatio matrimonij in fatie ecelesie et nup-
tiarum pompe habite sunt.
[fol. 123] Anno 1498 de mense septembri die natus
est Fridericus, filius Heinrici weißen et Margrets, vxoris sue. De
fönte baptismatis suscepit eum Fridericus de altzey, licentiatus. [fol.
150] Anno 1500 deeima quarta februarij genita est Grettgyn, filia
Heinrici weiß et Margrete, eius legittime, baptizata die sequenti;
comater est Grettgyn zum jungen, mater Conradi et Ortgyn's zum
jungen [cf. zu §. 287].
[Heinrich Weiss, Jacobs Bruder, §. 183. 184. 192. 198.J
Elisäus Weiss (§. 185), der vorigen Oheim.
§. 329. [fol. 100]. Anno 1497 die 22. septembris obiit Eliüäus
wiß. Reliquit Barbaram , eius vxorem, ac filios tres, Gonradum,
Digitized by Google
Johannem et Elisaeum. Anno 1497 die 28. septembris obiit Conradus
wiß, prefatorum proxime supra filius.
[Barbara, des Elisaeus' Hausfrau, §. 185.J
Rullmännischer Zweig der Weiss von Limpurg.
Henne (§. 328).
Anna von Schwarzenberg.
Sein Bruder Elisaeus.
Barbara.
I
Heinrich
zur
Landskron.
Margaretha
Riess.
Johannes,
(kennt
Fichard
nicht).
Elisaeus.
Jacob Heinrich Conrad.
zum
Gishubel.
Veronika
[Buchmüller?J
von München.
Eine andere Linie dieses Zweiges bildet: Lötz Weiss zu From-
melin, vermählt 1437 mit Elsa von Werstadt (Bernh. Familienchronik
§. 74). Ihre Tochter war Katbarina, in erster Ehe vermählt 1459
mit Heinrich Weiss zu Wissen, in zweiter Ehe 1481 mit Doctor
Joh. von Glauburg. Sie stirbt 1491 kinderlos. Ihr erster Mann, Hein-
rich Weiss zum Wissen, gehörte zum Werneuchen Zweig der Weiss
von Limpurg. Vrgl. §. 256.
Bernhard Weiss.
Erste Ehe mit Margaretha von Artenberg.
§. 330. [fol. 34] Anno 1495 die 18. augusti Bernhardus wiß,
frater Hert wissen, contraxit sponsalia cum Margreta, filia Heynerici
de artenberg, scriptoris ciuitatis et Et per famulum
inuitarunt hostiatim adolescentes ad cenam, quod alias
non est solitum, sed solitum est, cum sponsuB accedit
stubam, hoB, quos tunc vidit ibidem, ipse in persona
inuitat, sie fecit Karolus affinis meus. Et trepudiarunt
super pretorium, vulgariter vff dem romer. Die sequenti, videlicet die
19, sponsus inuitauit iuuenes, qui erant in stuba, ad cenam et similiter
virgines itterum ad cenam vocate sunt, et trepudiarunt ac in gaudio
diem istum peregerunt. Et matrimonium depost die octaua octobris
in facie ecclesie solemnizatum est et demum nuptiarum solemnitas
secuta die 12. octobris. Acte vff dem romer anno supra dicto 1495
vnd hatt keyn vndern frawen geladen. Heynricus wiß, primogenihis
eorum, natus est 24 julij anno 1496, inortuus est [cf. fol 58: Anno
1496 die 24 julij natus est Heynricus wiß, primogenitus Bernhardi
wiß et Margret? artenberg. Mortuus est, deinde tradidit spiritum ipsa
Digitized by Google
— 201 -
Margret», maCer iam dicti infantis, die 28. augusti, anno vt supra.
Hoc verum est, quanquam dcletura est) [foL 62:] Anno 1496 vicesima
octaua augusti Margreta, vxor Bernhardi wiß et filia Heynriei de
Ortenberg, scriptoris ciuitatis, exsoluit debitum naturae.
m
Zweite Ehe mit Anna Demcr.
[Fichard giebt irrthümlich Anna Tiermeyer an, vergl.
Demer.j
§. 331. [fol. 75] Anno 1497 decima ianuarij publicata sunt spon-
salia Bernhardi wiß vidui et Anne, Virginia et filie Henn demerB,
alias dicti Stockems henn, et Barbarc lcningen. Omnia enim acta
sunt, vti solent fieri, cum sponsalia contrahuntur; eo enim die conuo-
cati cognati simulque cenarunt et trepudiarunt. Sponsio autem matri-
monij est antea in aduentu celebrata. Eodem anno quinta iunij nup-
tie habite sunt; apposita sponsa sponso in thorum. [fol. 92J Anno
1497 quinta junij nuptias celebrauit Bernhardus wiß et Anna, filia
Henn demers, alias vulgo dictus Stockemshen, vide supra fol. 75.
Eodem die nuptias celebrauit filius ym eychner hoff cum qua-
dam de spira virgine. Anna, primogcnita Bernhardi wiß etc., nata est,
vide in charta 110. [fol. 110: Anno 1498 quarta martij nata Anna,
primogenita Bernhardi wiß ex matrimonio eo vidclicet, quod habet
cum Anna, filia Henn demers, vulgo Stockems henn, vti clarius patet
supra charta 34. 75. 92. [§. 330. 331]. Comater infantis Anna, vxor
Georgii flachen, offitialis zum goltsteyn. Actum, me existente wurma-
tic.] fol. 135. Anno 1499 in mense martij, die videlicet nata
est filia Bernhardi weiß et AnnQ, illius vxoris.
§. 332. [fol. 141] Anno, quo supra, [1499] die tredeeima julij
sepulta fuit Anna stockheymmyn, secunda vxor Bernhardi weiß. Reli-
quit filiam infantulam.
Dritte Ehe mit Katharina Hurabrecht
§. 333. [fol. 165] Anno domini 1501 Bernhardus weiß tertio
contraxit matrimonium cum virgine Katherina [in marg. KryngynJ,
filia Claß humbrechts ot Grettgyn foeden, die iouis et 28 ianuarij
anno, vt supra. De eodem vide supra charta 34 et 75. Condor-
miuerunt vero decima octaua februarij anno, quo supra.
Zweig der Weiss von Limpurg zum Bebstock.
Reinhard Weiss. Sein Bruder Heinrich zum Kranch .
Agnes. Hert. Margaretha. Bernhard. Agnes Elisabeth.
Job. Thomas 1) Margareta Weiss. Carl von
Schmidt. SosBen- von Jacob Hynsberg.
beimer. Artenberg. Geuch.
2) Anna Denier.
3) Katherina
Humbracht.
Von diesen werden erwähnt:
Agnes, Joh. Schmidten Ehefrau, §. 312. 314. 321.
Hert §. 321. 330.
Margaretha §. 321.
Bernhard §. 80. 183. 185. 192. 219. 321. Anna, seine Braut,
§. 185. Seine drei Ehefrauen §. 330- 333.
Agnes Weissin, Jacob Geuch's Ehefrau, §. 255.J
-
Philipp Weiss.
§. 334. [fol. 16] Anno 1495 die 26 februarij natus est Conradus
wiß ex Philippo wiß et Elgin vxore. Et eum de sacro fönte leuauit
Conradus wiß, frater Philippi. Mortuus est. [fol. 61] Anno 1496 de-
eima sexta augusti baptizata est Fronica, filia Philippi wiß et Fronice
[1. Elgin], 8uc legittime. [fol. 100] Anno 1497 vicesima quarta septem-
bris vxor Philippi wiß peperit tili um nomine Erbau, quem de bap-
tismo suseepit Erban tageil, officialis in Irrlenbach 25. eiusdem.
Ludwicus eorum filius natus 4l* nouembris anno 98 in 128 [foL 128:
Anno 1498 quarta nouembris et dominica die natus ex Philippo weiß
et eius uxore Ludwicus, quem suseepit de baptismate doctor
Ludwicus de paradiso, scultetus hie] [fol. 150] Katherina, filia Phi-
lippi weiß, nata est, vt arbitror, de mense martij, videlicet die
anno 1500.
Philipp Weiss §. 177. 183. 185.
Katharina seine Hausfrau §. 185.]
Philipp Weiss (nach Fichard: mit dem einen Auge) gehört
einer anderen Linie des Rebstock'schen Zweiges der Weiss von Lim-
purg an. Er war ein Sohn Conrad'» zu Löwenstein und seiner
Gemahlin Agnes von Hengsberg. (Agnes Weissin zu Loewenstein
Wittwe §. 185.) Der Name seiner Gattin ist nicht zu ermitteln. Job
nennt sie oben bald Elgin, bald Fronica, bald Katharina, bald Iässt er
Digitized by Googl
- 203 -
ihren Namen aus. Ihren Zunamen kennt er nicht Fichard will wissen, er
sei in erster Ehe mit Veronika (unbekannten Geschlechtes), seit 1510 mit
Elisabeth Schwarzenberger verheirathet gewesen. Doch ist er selbst
geneigt, eine Verwechslung mit Veronika aus München, der Frau
Jacob'», anzunehmen, und bemerkt, dass die Genealogien zu Anfang
des XVI. Jahrhunderts oft verworren und dunkel seien. Am leichte-
sten konnten Verwirrungen bei einer so vielvcrzweigten Familie,
wie den Weiss von Limpurg eintreten. 14J
14 Der Herausgeber bemerkt hui Schlüsse, dass der im Manuscripte schwan-
kende Gebrauch der grossen Buchstaben bei Vor und Gcschlechtanaraen nur
bis zu §. 30 des Textes beibehalten, von da aber noch während der Revision
des Druckes nach einer Testen auf die Schreibart jener Zeit gegründeten Regel
geordnet worden ist.
Berichtigungen.
S. 61. Z. 13 von oben ist statt 1479 zu leson 1478. Vergl. §. 274.
S. 124. Z. 7 von oben: „Kryngin horingen, syn busfrawe, Karies anfrawe."
Die ersten Worte bilden im Manuscripte bis husfrawe eiue Zeile; Karies an
frawe steht am Schlüsse der folgenden Zeile und ist irrthümlich als Appo-
sition zu dem Vorigen gezogen worden : Job bat nämlich wie öfter den Raum
zur Ausfüllung des Namens frei gelassen, der ihm beim Schreiben nicht gegen-
wärtig war. Karl Hjnsperg's Ahnfrau hiess nach §• 270 Aunu und war die
Wittwe Wigand Beringen's ; sie starb am 28. October 1497 ; ihre Töchter waren
Guttgin Beringen, vermählt an Karl Bynsberg den Vater, unseres Karl Byns-
berg's Mutter (f 1500, 16. Dec. §. 86), und die obenerwähnte Kringin Beringen,
vermählt mit Ort zum Jungen, den Aelteren, die mithin Karls Tante war
(t 31. Juli 1499, §. 287.)-
Digitized by Google
s
f
hlechtes.
1. Jost.
geb. 8. Aug. 1404.
t nach drei Wochen
(B. §. 57).
2.*
M.62).
geb. V. §• 62).
Rathsc
Schöff«
f 22. •
a) 19.
Hei
(B.
b) 7. 1
Joh
7. Adolf.
geb. 16. Juli 1413.
t nach 7 Wochen (B.§.
8. Gele.
geb. 20. Oct. 1414.
t unverändert (B. §. 64).
Jungen Frosch, oder Eisgin.
geb. 6. April 1432 (B. §. 76). J (B. §. 80).
F^thsmann 23. April 1467, sagt §. 81).
fiithssitz auf 1. Mai 1475 (B. §.;is8 zum Wedel.
1 13. Mai 1481 (B. §. 93). 1461 (B. §. 80).
15. Jan. 1459 Katherine, Joh. LeyJonradGarä(B.§.81).
mann's Tochter, Jacob Geu
Wittwe (B. 86).
t 6. October 1500 (J. §. 88).
6. Bernhard, der Alt«, inn
Hör.
geb. 11. Februar 1446 (B. §. 82).
Rathsmann 23. Jan. 1476 (B. §. 113).
f 6. Dec. 1482 (B. §. 124).
19. Sept. 1466 Elgin, Conrads von
Holzhausen Tochter,
t 19. Dec. 1501 (J. §. 70).
1. Aim. 2. Job I.
reb.ll.0ct 1459. geb. 12. April
t 31. Mira 1461
(B. §. 88).
1461.
f 8 Juni 1461
(B. §. 89).
-una IL
.2. Aug
474
§. 99).
7. Afra.
geb. 19. Dec.
1476.
(B. §. 100).
len den Schleier zu den
senfrauen 6. Aug. 1494
(J. §. 72).
Aug. 1494 (J. 73).
9. Conrad zum Wix-
Hof.
8. Martha.
geb. 30. Juli
1478 (B.§. 101). geb. 6. April 1481
t 1514. (B. §. 102).
1. Juli 1495 Aufenthalt in Augs-
Carl Hynsberg bürg u. Venedig 1493
(J. §. 81). bis 1498, in Nieder-
deutschland seit 1498,
1501 in Antwerpen
(J. §. 10 u. §. 87).
f 1610 unverheiratet
. 1
Digitized by Google
■
1
1
I
I
<
Digitized by Google
Die Strassen der Prankenfurt.
Von Dr. Friedrich SchariT
(Mit einer Karte.)
Unter demselben Blau, Ober dem nämlichen Orfin
Wandeln die nahen und wandeln vereint die fernen Geschlechter.
Schiller.
Vor wenigen Jahren noch begann man die Geschichte unseres
Landes mit den Nachrichten, welche die Römer über dasselbe unB
hinterlassen. Was über diese Mittheilungen hinausreichte lag in
dunkler Nacht Erst die Neuzeit hat Mittel und Wege aufgesucht
diese Dunkelheit mehr und mehr aufzuhellen. Die Beschaffenheit
der Bodenverhältnisse musste ebensowol dazu dienen, wie die Er-
zeugnisse des menschlichen Fleisses, welche von dem aufmerksamen
Beobachter an's Tageslicht gezogen wurden. Bis auf den Grund der
Sumpfe und der Seen erstreckte sich die emsige Forschung, und so
ist allmälig dem überraschten Blick eine neue Welt entstanden, ein
Volk, das sein Dasein fristet, und mit Annehmlichkeiten zu umgeben
sucht, ohne die Bearbeitung der Metalle zu kennen. Aus der Zu-
sammenstellung solcher Gegenstände mit den Bodenverhältnissen,
unter welchen sie begraben waren, hat man die Gewissheit erlangt,
dass die Anwesenheit der Körner in Deutachland als eine spätere und
jUngere Zeit zu betrachten ist, dass vor derselben eine, wenn auch
bescheidene Cultur vorhanden gewesen. Von den Römern mag die-
selbe verachtet und ausser Berücksichtigung geblieben sein; für uns
aber ist sie von hohem Interesse.
Wenn wir die Bodenverhältnisse unserer Gegend beachten, sc»
kann darüber gar kein Zweifel bleiben, dass der Main in vorgeschicht-
licher Zeit weit höher geflossen, wie jetzt Wir finden seine Ge-
schiebe, den schwarzen Kieselschiefcr des Fichtelgebirgs, den rothen
Sandstein von Miltenberg, den Gneis von Aschaffenburg weit oben
um den Sachsenhäuserberg her, auf dem Kesselbruch bis nach
— 206 -
Isenburg hin. Unterhalb des Sachsenhäuserbergs, westlich , hatten
die Gerölle sich hoch aufgelagert, sie bilden noch jetzt vom Forst-
hause über die Helle im Schwanheimerwaldc bis nach der Schweden-
schanze hin, und weiter, einen steilen Wall, welcher nach dem Main-
thale abfällt. Von den Quellen und Bächen, z.B. der Königsbach, ist
er allmälig ausgespült, der Sand hinabgeführt worden.1 Auch auf
der rechten Mainseite finden wir den unterhalb der Bergerhöhe und
dem Bornheimer Galgenberge abgelagerten Mainsand über den gau-
zen Röderberg hin, zum Theil in tiefen Gruben. Auch hier ist er
von Quellen und Gewässern an verschiedenen Stellen hinabgetrageu
worden nach der jetzigen Mainebene, hauptsächlich dies von den
Bornheimerquellen , zwischen dem Buchwald und dem Altenberge
hinab nach dem Bruch.
Es mag eine lange, lange Zeit dahingegangen sein, bis der Main
in der Höhe floss, in welcher jetzt die Seehofquellen liegen. Bei der
Fassung dieser Quellen fand man Spuren des thierischen Lebens
aus jener Zeit. In der Schlucht, welche durch diese Quellen aus-
geschwemmt worden, hatten die Gewässer sog. vorweltliche Thiere
gelandet, im Sande und Schlamm begraben.
In noch jüngeren Zeiten durchzog der Main, tiefer im Thal, ein
sumpfreiches Land; sein Lauf war ein wechselnder, ein mannichfach
verzweigter. Südwärts bog bei Mühlheim ein Arm ab, zog in der
Richtung der Klingewiese nach der Kuhmühle bei Bürgel, wo er sich
mit dem Hauptstrom wieder vereinigte. Auf der damaligen Insel
findet sich noch jetzt der Entensee und der Altmainweg, welche
Mainarme andeuten. Hochwasser haben diese Gegend öfter schon
an die alten Bodenverhältnisse erinnert. Aehnlich so war da« Thal
bei Sachsenhausen beschaffen; auch hier tritt der Main bei 16 oder
18 Fuss Höhe in die alten versumpften Mainesarrae; dies war zuletzt
der Fall am 7. Februar 1862. Ein breiter Strom zog von der Ger-
bermühle, ein anderer zweigte etwas weiter oben von dem Haupt
Auas ab; hie und da mit einander verbunden, flössen sie nahe an
Oberrad vorüber und vereinigten sich am Fusse des Mühlbergs. Die
ganze Mainebene vom Mühlberg bis hinüber zum Bornheimer* und
Röderberg war, fast ohne Unterbrechung, überfluthet. Das Wasser
bespülte die Oberräder Chaussee, überzog die Wiesen und Gärten.
Nur die alte Strasse, welche von Sachsenhausen nach dem Hainer-
' Vergl. die Mittheilong über die Gerölle des untern Mainlaufs im Nottz-
blstt des Mittelrheinischen Oeol. Verein» 1862. Nr 2.
Digitized by Google
- 207 -
weg führte, ebenso die neuere erhöhte Chausee lagen trocken, weiter
unten , beim Apothekerhof, traf man wieder auf Waager im alten
Mainarm. Dieses alte Mainbett fuhrt über die Wiesen beim Riedhof
nach dem hohen Steg, und ist wieder bemerklich vom Sandhof nach
Niederrad, bis zum Rothenhamm hin. Am unter enMaine zeigen sich
noch andere alte, jetzt versandete Flussarme bei Schwanheim und
bei Rüssclsheim. Schwerlich war es der ganze Main, welcher vor
Zeiten dort südlich abbog, es war nur ein Arm.
Auch auf der rechten Mainseite flössen nicht wenige Mainarme
von dem Hauptstrome ab. Von der Braubach her zog ein solcher
der Bergerhöh entlang bei Bischofsheim und Seckbach vorUber,
bedeckte die Wiesen zwischen dem Röderberg und Riederspiss 2 und
verband sich mit dem Hauptstrom über die Hanauerchaussee hin.
Diese bezeichnet noch jetzt die höchsten Punkte, welche als Inseln
aus den Hochgewässern heraustreten. Bei dem Brückchen in der
Nähe des Hanauer Bahnhofs hatte dieser Mainarm bei dem Wasser-
stand im Februar 1862 noch 60 bis 80 Fuss Breite. Er vereinigte
sich weiterhin mit dem Hauptstrom, Uberfluthete so das Fischerfeld,
zweigte wieder ab nach dem Rechneigraben und war im Innern der
Stadt in der Richtung des alten Mainarmes, oder der grossen An-
tauche, bis zum Hirschgraben hin zu verfolgen. Zum letztenmale
wahrscheinlich hat im Jahre 1784 dieser grosse Mainarm wirklich
geströmt Damals brach er durch die Braubach über die Niederung
herein, kam plötzlich nach BischofBheim hergeschossen. Auch diese
Maininsel war nochmals von einem zweiten Mainarm durchzogen,
welcher oberhalb Fechenheim nach den Riederhöfen floss. Unterhalb
Frankfurt ist auf der rechten Mainseite noch eine ganzo Zahl von
Flussarmen zu bezeichnen, die über die Wiesen der Kettenhöfe,
durch das Hellerhöferfeld und Gutleuthöfer Geländ zogen. Sie bildeten
Sümpfe zwischen dem Maine und der Nidda. Der Wald reichte bis zur
feuchten Niederung herab; mochten die Gewässer in der wärmeren
Jahreszeit mehr abgelaufen sein, so boten die Sümpfe und Torf-
moore weder einen Platz zu Wohnungen, noch festen Grund zu
Strassen. Es war am ganzen Untermain kaum eine Stelle zu finden,
wo zu allen Zeiten ein Uebergang über den Main zu bewerkstelligen
gewesen. Entweder auf dem einen Ufer, oder auf dem andern, oder
auf beiden war morastige Niederung.
Auch der stolze Rhein war damals noch unzugänglich. Wie vie-
ler Jahrtausende bedurfte es, bis er Sand und Schlamm genug herab-
» Der „Riederspiss" ragte als „Spitze" ans den Gewässero.
Digitized by Google
I
— 208 -
geführt und sich ein angemessene« Bett geschaffen. Blicken wir heut
zu Tage von der Höhe bei Altstätten hinab, so sehen wir die vielen
Ortschaften des oberen Rheinthals an den Fuss der Berge ange-
schmiegt, während das weite, grüne, vielfach noch versumpfte Flach-
land kaum ein Häuschen aufzuweisen hat Das Rheinthal zwischen
Odenwald und der Haardt ist zwar viel mehr schon angebaut, aber
auch da bemerken wir in der Ebene zahlreiche Wiesengründe lang-
gestreckt, in Schlangenwindungen das Rheinthal durchziehen; sie
verzweigen sich, verschwinden und kehren wieder. Man hatwol die-
ses tiefer gelegene Land als das ehemalige Bett des Neckars gedeu-
tet, so wird z. B. eine Gegend bei Crumstadt noch bezeichnet ; mög-
lich aber bleibt es doch, dass der Rhein selbst hier in vielfacher
Verzweigung sein Wasser dahingewälzt, dass es langer Zeiten be-
durfte bis die Rheinarme aus Fluss und Sumpf zu Wiesen, all mal ig
selbst zuAeckern umgewandelt worden sind3. Als der Taunusabhaiig
bereits einer gewissen Cultur sich erfreute, herrschte südlich der
Nidda bis zum Odenwald und der Haardt hinüber noch die Wildnis
und das Wild. Noch heut zu Tag staut der Rhein bei Hochfluthen von
5 bis 6 Meter den über Trebur und Wallerstädten eingedeichten
Schwarzbach an, und überschwemmt die breite, zwischen den Deichen
liegende Niederung von Ginsheim bis Gross-Gerau4.
Es mag nicht ganz unwichtig sein, der alten Gränzen der Drei-
Eich hier zu gedenken Diese umfasste das ganze Sumpf land zwischen
Rhein, Main und Nidda. Der Main zog auf der Strecke von Nidda
bis zur Braubach bei Hochstadt, inmitten des Wildbanns der Drei-
Eich. Von Vilbel, auf der Nidda-Brücke, ging die Gränze über die
Höhe nach der Braubach bei Hochstadt B, dem Maine hinauf bis
Ostheim, am Odenwalde westwärts über den Otzberg6, der Modau
3 Vergl. Kriegk, Beschr. der Umgegend v. Frankf. im Archiv f. Frankf.
Gesch. u. K. 1 Heft S. 24. 25.
♦ Vergl. R. Ludwig in dem Beiworte zur geologischen Specialkarte des
Grossh. Hessen, Section Darmstadt
» Es war dies eine willkQhrliche Abgränznng, keine natürliche. Der alte
Weg zieht jetzt nicht mehr durch „Hochholz". Getraide bedeckt die ganze
Breite der Höhe, zum Theil auch, südlich der „hohen Strasse", die Mulde des
früher tief ausgefahrenen Weges selbst Weiter östlich zieht eine „Landwehr1*
io der Richtung nach Niederdorfelden und auch ein „Eselsweg". Es scheint
diese Abgrenzung älter zu sein, als der auf dem linken Niddaufer liegende
Theil von Vilbel ; sie schneidet diese Ansiedelung mitten durch.
« „Mitten über den Thurm zu Odiaberg" heisst es in einer alten Abschrift
dos Drey-Eicher Weisthums. (Mglb. A. Nr. 48. V. modo C. C.)
Digitized by Google
209
herab nach Stockstadt am Rheine, diesem hinab zur Mainesrotindung.
Das Wichtigste und Wesentlichste in der Drei -Eich war der Wild-
bann, nicht die Bodencultur. So ist es erklärlich, dass der grösste
Theil dieser Strecke in historischen Zeiten dem Könige zugehörte,
dass Kirchen und Adel darin frühe die Herrschaft und reichen Be-
sitz errangen, während in dem Marken land nördlich der Nidda die
Sitte und das Recht des Urbewohners, der zuerst den Wald umge-
rodet und das Land urbar gemacht hatte, in weit höherem Ansehen
blieb, und nur ganz allmälig und langsam durch List und Gewalt
unterdrückt werden konnte. Um den Taunus hielten die Dorfbewoh-
ner Flur und Wald als ihr Eigenthum, sie machten dies geltend
noch in späteren Zeiten.
Pfahlbauten sind bis jetzt mehr in den Sumpfen und Seen des
nördlichen und des südlichen Deutschlands gefunden worden ; ich habe
solche bis jetzt vergeblich in unserer Gegend , bei Biscbofeheim , bei
Seckbach gesucht. Es ist wahrscheinlich, dass die grosse Verschie-
denheit des Wasserstandes in Flüssen sich weniger zu derartigen
Bauten geeignet hat.
Man hat an verschiedenen Orten des Mainthals in alten Grab-
hügeln Menachenknochen gefunden; die Kunstgegenstände, welche
ihnen beigegeben waren, beweisen, dass sie aus verschiedenen, meist
verhältnissmässig späteren Zeiten stammen. Die Hügel am Taunus,
z. B. bei Stedten, waren wol früher aufgeworfen als die im Frank
ftirter Stadtwalde. Es ist natürlich dass sie nur im Walde sich vor-
finden, denn einestheils wurde für solche Begräbnissstätten nicht das
Tiefland, die Wiesen ausgewählt, sondern der hochgelegene trocknere
Boden des Waldes; anderntheils sind sie zerstört worden, überall
wo der Pflug hindrang, so an den Heidengräben bei Oberursel, so
auch bei der Babenhäuserstrasse als vor einigen Jahren der Wald
daselbst gefällt und nach neueren Principien angelegt wurde. Im
Jahre 1036* wurden andere altdeutsche Grabhügel im Diatrict Königs-
haide geöffnet Nach dem darüber aufgenommenen Protocoll des
Herrn Dr. Jung' fand mau ein Skelett mit dem Gesicht nach unten
gekehrt, dabei Holzkohlen und einen kupferneu Ring; drei bis vier
Schuh tiefer ein zweites Skelett mit dem ersteren kreuzweise liegend,
aber auf dem Rücken.
Es ist leider nicht mehr möglich, eine Uebersicht herzustellen
über die in unserer Gegend vorgefundenen Grabstätten. Die meisten
» Frankf. Jahrbücher VII. 1836. S. 263.
14
Digitized by Google
>
... 210 -
<
sind geöffnet worden ohne Plan und Sorgfalt; die Gegenstände
welche man darin fand, sind herausgenommen und zum grösaten
Theil verschleudert; der Nachweis woher die Reste stammen, ist
meist verloren gegangen und nicht mehr zu ersetzen 8.
Wie das Wasser in den Sümpfen die Ansiedlungen der Bleu
scheu verhinderte, ebenso gesucht war es in seinem lebendigen Lauf.
Es bot Speise in den Fischen, Trank in den klaren Fluthen. Die
Bäche welche von den Bergen herabeilten, zogen durch Wälder,
welche das Material zu den Wohnungen und zu Wärme gaben, und
eine reiche Jagdbeute. An dem Fusse der Berge befeuchtete es die
Wiesen, fanden sich gar noch Salzquellen und heilende Thermen in
der Nähe, wie bei Soden oder Wiesbaden, so war dem Menschen
das Nöthigste geboten. Nicht die Bergkuppen, sondern die Quellen
waren frühe benannt, sie luden den vorüberziehenden Wanderer zur
Rast, sie erquickten täglich den Hirten mit der Heerde. Nach der
Quelle wurde dann erst der anliegende Berg im Taunus bezeichnet;
an dem Hasselborn liegt der Hasselberg, mehr nur eine Bergseite
als ein wirklicher Berg; am Sangeborn erhebt sich ein Hügel, der
Sangeberg, und am Klingenborn, an der Klingenruh vorüber, zog
der Weg nach der Höhe des Klingenbergs. Der Name Dalbesberg
kommt in Urkunden nicht vor, es findet sich statt dessen stets die
Bezeichnung: Masebörnerberg, vom Maassborn oder Mäusborn, der
gegen Norden hervorquillt9. Weiter abwärts, wo die klaren frischen
Bäche aus dem Gebirge heraustreten, siedelten sich die ältesten Be-
wohner des Landes an.
* Es fehlt ans ein Museum, in welchem die Erinnerungen, welche aus der
Vorzeit uns erhalten sind, aufbewahrt werden könnten. Sie gehören nicht in
den Raritütcnkasten einer Bibliothek oder in die Gelasse des Römers; sie wer-
den dort nimmer die nöthige Pflege und Bearbeitung finden können. Wer
unsere Vorzeit studiren will, muas sich nach Mainz oder Wiesbaden wenden.
Ist Frankfurt zu arm, ein Museum seiner merkwürdigen Vorzeit zu gründen?
In Köln hat ein patriotischer Bürger durch würdige Herrichtung einer solchen
Stätte sich selbst ein ehrendes Denkmal gesetzt. Man tröstet damit, dass, wenn
einmal die eine oder andere öffentliche Anstalt verlegt würde, sich dort wol
einige Säle für den Zweck finden sollten. Indessen sind neuerdings wieder bei
Aufhebung der Zünfte die interessantesten Gegenstände, weil ein solches Mu-
seum fehlt, verschleudert worden. (Vergl. Dr. Römer, Beiträge Nr. 40 auf 8. 56.»
» Leider sind jetzt die schönen Quellen des Taunus zum grossen Theil ver-
sumpft, wenn sie nicht, wie der Buchborn, der Drcimühlenborn und der Sange-
born, an einem betretenen Pfade liegen. Ks entfernt jetzt Niemand das wuchernde
Moos und das fallende Laub, Niemand sorgt für diese vergessenen Wohlthüter
der Gegend, Ihre Namen verklingen, wie die der alten Wege und Plätze.
Digitized by Google
— 211 -
Die Ortschaften wurden — wie in dem früheren Aufsatz: „Die
hohe Mark im Taunus", bereits angedeutet Worden — meist nach der
Bach genannt, wie die Berge nach der Quelle. Gerade solche Namen
scheinen die ältesten Ortsnamen der ganzen Umgegend zu sein:
Erlenbach, Eschbach, Schwalbach, Sulzbach, Kalbach oder Kalte-
bach, Seckbach. Die meisten dieser Ortschaften boten noch vor
wenigen Jahren das ächte Bild einer Taunusortschaft dar: die Häu-
ser der Bach entlang mit ihrem Gehöfte, von Obstbäumen beschattet;
zu beiden Seiten der vielfach überbrückten Bach ein Fahrweg,
an welchem Erlenbäume und Rüstern. Häuser, Bach und Bäume
bildeten zusammen ein Ganzes, das grüne Laub verband das Ganze
zu einem freundlichen Bilde.
Ebenso bedeutend, vielfaeh aber erst später entstanden, scheinen
andere Ortschaften gewesen zu sein, welche als Städte bezeichnet
sind, wie Stedten, Heckstadt, Ockstadt, Stierstadt; von geringerer
Bedeutung und späteren Ursprungs aber die Ortschaften, deren
Namen mit „hausen" oder „heim", oder mit „hof" zusammengesetzt
sind. Diese mögen in der Regel nach einem Erbauer oder Inwohner
genannt worden sein, wie Eschers-hcim, Ecken-heim, Heuchols-heim,
Contzen-heim, Willkomms-hausen. Es scheinen diese „städte" keines-
wegs bedeutender gewesen zu sein, wie die nach den Bächen benannten
Niederlassungen; sie sind auch in der äusseren Erscheinung nicht
von diesen im Wesentlichen zu unterscheiden, so z. B. Stierstadt von
Steinbach. Stedten (zu den statten, oder auf den statten) hatte, wie
andere Niederlassungen, ein Mittel-Stedten und Nieder-Stedten ; es
liegt — wie die anderen Ortschaften des Taunus — der Bach ent-
lang, unterhalb des höher gestellten Kirchleins. Im Laufe der Zeit
haben sich die bedeutenderen Ansiedlungeu weiter ausgedehnt; es
wurden die Zweigdörfer mit der Bezeichnung ober-, mittel- und
nieder- näher bestimmt. Die Absiedlungen zogen vom Fuss der Höhe
an den Bächen abwärts, nach der allmälig entsumpften Ebene. Von
den drei Ursell — nach der Schcllbach benannt — hat Ober-Ursell
stets den ersten Rang eingenommen; ebenso ist Ober-Erlenbach älter
als Nieder-Erlenbach. In ersterem sind die Hofraithen von der Bach
nach der Anhöhe hinauf dicht zusammengedrängt; die Kirche oben,
weithin sichtbar, ist von einem alten Mauerring umgeben, ähnlich
wie in anderen sehr alten Niederlassungen unserer Gegend, z. B. in
Hochstadt. Nieder-Erlenbach aber, an breite Strassen gebaut, besteht
zu grossem Theil aus adlichen oder herrschaftlichen Höfen. Ersteres
ist auf dem Boden erwachsen , letzteres ist angelegt; es erhielt erst
14*
Digitized by Google
- 212 —
im Jahre 1376 einen Schultheiasen und Schöffen10. Bei andern gleich-
benannten Dörfern mag es sehwer sein Vermuthungen über ein
höheres Alter zu begründen. Es finden sich am südlichen Taunus-
abhang zwei Holzhausen, das eine später auch Burg-Holzhaus« n
genannt " , das andere Dornholzhausen oder Dorreholzhausen,
frühe schon verlassen, ausgegangen.
Alle Anzeichen sprechen dafür, dass im mittleren Deutschland
der südliche Abfall des Taunus mit am frühesten bewohnt wurde:
wir finden aber in anderen benachbarten Gegenden die Art und
Weise der Ansiedluugen durchaus übereinstimmend mit denen des
Taunus. Auch im Odenwalde sind es wol die ältesten Wohn platze,
welclie am Fusae des Höhenzuges, da wo die klaren Bäche aus dem-
selben hervortreten, sich an diese anschmiegen: Alsbach, Bickenbach,
Auerbach, Lantenbach, Hemsbach, Sulzbach und weiterhin Rohrbach,
im Innern des Odenwaldes Erbach, Elsbach, Ellenbach, Erlenbach,
Crumbach, Brombach, Wallbach, Lützelbach, Assbach, Kehlnbach.
Ebenso liegen an der Haart, auf der linken Seite des Rheins:
Musbach, Hambach, Eschbach u. a.; übereinstimmend hiermit mögen
auch die Verhältnisse des Spessharts bezeichnet werden; auf der
" Urkunde auf Pergament mit 2 Siegeln von Wachs, Mglb. E 42. Nr. 2
„Wir Karl von Gottes Guaden Römischer Kaiser zu allen Zyten merer des
Rychs und Königzu Beheym, bekennen und tun kunt oflfenlich mit diessem brieffe
allen den die yne sohent oder hören lesen, wenn wir dem Dorffe zu Nydern
Erleobach by nnfi und des Ryches Stadt zu frankenfurt uff dem Meyne ge-
legen, Do Inoe grosser gebrest gewcat ist und noch ist, das nicht Schultheißen
und Scheffen, do bißher gewest sin, Des haben wir mit wole bedachtem mnte
rechter wissen und sunderlichen Gnaden, den Burgermeistern den Scheffen und
Rate der egenanten Stadt zu franckenfurt, unser und des Rychs lieben ge-
truwcn , die gnade getan, und tun mit crafft diess brieffs , das sie forter mer
Schultheissen und Scheffen doselbs zu Nydern Erlebach setzen sullen und mo
gen als dicke des noit ist, uff dasJdermanne gerichfs recht do widderfare und
das die egenanten von Franckenfurt In dem vorgenanten Dorffe und ge richte,
tun und lassen, brechen und buseen mögen und sullen zu allem Jren nutze und
dinste wer sie daran hindere oder widerspreche Jn Dheinenweiss der ist ver-
fallen mit fnnffzig marg lodiges goldes, Das halb Jn unft und Des Rychs Cam-
mer, und das andere teile der egenanten Stadt zu franckenfurt werden und
gefallen sal (mit Urkunde diß brieffs versiegelt mit unser Kaiserlichem mateatadt
Jngesiegele, geben zu Franckenfurt uff dem Meyne nach Christus geburte
Drytzehcnhundert Jare darnach in dem sechs und siebentzigsten Jare an sant
Johannes Dage des H. Teuffers etc.
11 Dies llolzhansen, wol jflnger als das benachbarte Ober-Erlenbach , ist
eine der wenigen Ortschaften, welche an der uralten Mainzerstrasse nach Butz-
bach (Weinstrasse) gelegen sind. Diese überschreitet hier die Erlenbach, windet
sich an dem Östlichen Ufer hinan, und zieht bei der Kirche nordwärts. Die
Wobnstätten sind vielleicht jünger als die Strasse.
— 213 -
Höhe die alten Ortschaften (des dunklen Spessharts) nach der
Quelle benannt, wie Rohrbrunn und Roasbrunn; weiter abwärts nach
der Bach bezeichnet: Frömmersbach, Krausenbach, Bessenbach,
Gailbach, Morsbach, Feebenbach und Röllbach. Unterhalb Soden
liegt auch dort ein Sulzbach, und Aschaff erinnert an Walluff
(Waldau). Die Aschaff (Aschen- oder Eschen-awe) gab wieder ver-
schiedenen Ansiedlungen einen Namen, wie Waldaschaff, Mainaschafl
und — wol viel später — auch Aschaffenburg; ebenso findet sich
auch ein Ober-, Mittel- und Nieder-, wie bei Gersprenz, bei Ostern,
bei Keinsbach und bei Kinzig <a.
Der Verkehr der Anwohner der Höhen war in jenen alten Zei-
ten wol kein ganz unbedeutender, wir finden häufig die Ortsnamen
hier und dort ganz gleichlautend: so ein Heuclielsheimerfcld bei
Homburg, ein Heuchelheim bei Echzell, ein anderes bei Hadamar,
noch eins bei Worms und eins bei Giessen, ein Hochelheim bei
Gross- Linden und bei Nassau; um den Taunus her liegen vier oder
fünf Ilolzhausen, ein Eschbach liegt bei Homburg und bei Nastädten,
ein Aschbach im Odenwald, ein Kalten- Esch bach bei Usingen, ein
Schwalbach bei Cronberg, und Langen-Schwalbach auf der Nordseite
des Taunus; ein Steten bei Ober-Ursel, ein zweites bei Runkel.
Auch in der Bezeichnung der Bäche selbst fällt diese Wiederholung
auf, wie der Name Criftel, mit den Ortschaften Cröftel, Okriftel am
Maine, und ähnlich Cröftelbach, CrafVSolms an der Solms, welche
bei Braunfels vorüberfliesst. Auch für den Odenwald Hessen solche
Zusammenstellungen leicht sich auffinden, z. B. in den verschiedenen
Erlenbach und Laudenbach oder Lauterbach.
Wenn wir diese Art und Weise der ersten Ansiedlungen berück-
sichtigen, können wir die ältesten Verkehrsstrassen unserer Gegend
nicht in der süd-nördlichen Richtung aufsuchen. Weniger der Main,
als wol die Sümpfe des Maines unterbrachen diese Richtung; die
Taunusbewohner verkehrten über die Höhe und entlang derselben
von einer Ansiedlung zur andern ; sie gelangten so nach Wiesbaden
i* Eigentümlich ist die Benennung von Amorbach, wie die Sage geht
nach dem Heiligen Amor benannt. Die Kapelle dieses Heiligen liegt aber
nicht im Hauptthal, sondern in einem kleinen Seitentbälchen, über einer uralten,
als heilig bezeichneten Quelle. Manches lässt darauf schliessen, dass der Heilige
selbst nach dem Thal benannt worden, in welchem er vorzugsweise wirkte.
Wir finden in anderen Germanischen Landestheilen mehrfach den Namen Ammer,
so im Eisaas Ammerschwier und der Ammergau iu Baiern, auch ein Wüst- Amor-
bach bei Umstadt. Im J. 714 soll die Capelle von dem h.Pirminius gegründet,
die Abtei Amorbach erst i. J. 734 gebaut worden sein. Vergl. über die Quelle :
Decker, die Quellen im Odenwald, Archiv für heas. Gesch. VII. S. 186.
Digitized by Google
I
- 214 -
und Mainz, von dort nach der Haart; ostwärts nach dem Spesa-
hart, von diesem nach dem Odenwald. Wahrscheinlich war bei
Mainz « wo die Hügel am meisten nach dem Rheine vortraten , die
älteste Ueberfahrt über diesen Theil des Flusses. Oberhalb und un-
terhalb wehrten Sümpfe.
Die Orte welche denUcbergang über einen Bach, einen Sumpf,
einen Fluss anzeigen, sind für die vorhistorische Zeit von grosser
Wichtigkeit. Sic weisen auf die Wege und VerkehrBstrassen Hin,
deren die damals Lebenden sich bedienten. Bei kleineren Flüssen
zogen die Wege nach Brücken, bei breiteren nach Furten. Brugg
im Aargau verdankt seine Entstehung der tiefen und schmalen Rinne,
welche die Aar daselbst in die Felsen eingeschnitten; Baumstämme
reichten hinüber bis zum andern Ufer. Bei Osnabrück treten die
Hügel, welche das Thal derllaase begrenzen, enger zusammen; hier
war es leichter den Sumpf und den Bach zu überbrücken.
Der Main mit seinen Hochwassern und dem mächtig drängen-
den Eisgänge duldete keine kunstlos errichtete Holzbrücken, bei ihm
vorzugsweise finden wir die Furten. Es sind dies breite, ruhige
Stelleu des Flusses, bei welchen man bequem zum Ufer des Flusses
gelangen, und ruhig und gefahrlos über denselben fahren konnte.
Es ist von Batton die Vermuthung ausgesprochen worden, dass
bei Frankfurt eine seichte Stelle des Maines gewesen, an welcher
die Heere leichter durch den Fluss geführt werden konnten. Am
Fahrthore sei eine Furt für Nachen gewesen, ein seichterer Ueber-
gang aber am Lconhardsthorc. Fichard bemerkt dazu, dass an der
Furt in Saeliscnhauscn keine Häuser gestanden, desshalb Sachsen-
hausen wol jünger als Frankfurt, nach der Herstellung einer Brücke
erbaut worden. Auch Kirchner — Geschichte der Stadt Frankfurt —
beschreibt eine Furt als eine „seichte Stelle des Flusses" um „schaa-
renweisea überzugehen. Allein bereits Dr. Kriegk — im Archiv N. F.
1. S. 81 — bezieht die Bezeichnung „Furt" nicht auf die Seicht-
heit einer Flussstclle, sondern auf die Gangbarkeit, Durchfahrbarkcit
derselben, der U ebergang über den Fluss habe daselbst hergestellt
werden können.
13 Auch in diesem Namen finden wir, ähnlich wie in den Ansiedelungen an
den Bächen des Taunus, den Flussnamen wieder, vielleicht Mainsiel oder Maines
Knde. Mainz erhob sich dicht am Ufer des Rheines, die Römer bauten — wol
erat später — oben anf don Höhen. Aus Mainz oder Moinz ist Mojrunz ge-
bildet worden, nicht umgekehrt Zu vergl. Kriegk im Archiv L S. 86.
Digitized by Google
- 215 -
Wir finden am Maine verschiedene Orte als Furten bezeichnet:
Krankfurt, Lengfurt, Ochsenfurt, Schweinfurt, Hassfurt Diese mögen
zum Theil localen Bedürfnissen ihre Entstehung verdanken; da die
HauBthiere in jenen Zeiten, fast noch mehr wie heut zu Tag auf den
Alpen, eine der wichtigsten Bedingungen des menschlichen Lebens
waren , ist es ganz natürlich , dass eine Reihe von Ortsnamen auf
dieselben hinweisst, wie Schwanheim (sonst Schweinheim), Säulberg,
Ockstadt, Stierstadt. Andere der genannten Furten haben aber dem
Strassenverkehr gedient, wie Lengfurt und vielleicht auch Trennfurt.
Das letztere liegt an einer sanften Abdachung des Odenwaldes, in
unseren Tagen mehrere Minuten vom Main entfernt; es ist nicht
einmal mehr eine regelmässige Ueberfahrt daselbst Diese befindet
sich weiter abwärts, bei Klingenberg. Früher mag es anders gewesen
sein, denn der reissende Strom bei Klingenberg war gewiss kein Platz
zu einer alten Furt Als die Stadt sich hob, zog sie die Furt
an sich.
Oedc war das Land zwischen dem Rhein und dem Bornheimer
■»
Berg, wahrscheinlich hat in jenen alten Tagen die spätere Dreieich
einen Ucbergang Uber den Main nicht geboten. Es fehlten die Ort-
schaften eben so wol, wie die Verbindungswege. Erst musstc das
Niddathal angebaut werden, gleichzeitig vielleicht das Kinzigthal und
der mittlere Mainlauf, viel später stieg dann der Pflug auch in das
untere Mainthal herab u.
Wir besitzen aus jenen Zeiten noch Denkmäler, welche uns
nicht unwesentlichen Nachweis bieten. Es sind dies die Ringwälle,
deren bereits in dem frühereu Aufsätze „die hohe Mark im Taunus'4
gedacht worden ist. Der Gestalt und Anlage nach zu urth eilen, so
sind die Ringwällc des Taunus, insbesondere die des Altkönigs und
die Altenhöfe wol die ältesten. Offenbar war es die ^Jatur selbst,
welche die Anwohner der Höhe auf den Gedanken brachte, in dieser
Weise sich eine Zufluchtsstätte zu schaffen, bei feindlichen Einfällen
das Notwendigste bergen zu können. In der geraden Richtung vom
Altkönig nach dem Hirtzberg liegt eine ganze Reihe von Berggipfeln
auf denen zusammengebrochene Felsmassen den Anblick von Ring-
wällen darbieten: die weisse Mauer, der Lindenberg, der Bleibes-
kopf uud der Marmorstein. Diese Felstrümmer und Rossein sind zum
Theil wirklich ab Ringwälle bezeichnet und aufgeführt worden ,G,
>* Vergt. Kriegk, Frankf. Bürgerswiste, S. 236 ff.
«s So z. B. in der schönen Arbeit Uber Kingwälle von Dr. Knapp, (Archiv
f. hess. Gesch. II.), bei welcher nur zu bedauern ist, dass der Autor allzuviel
- 216 -
doch ist nur der Altkönig mit wenigen andern ausgewählt, ein Ring-
wall hergestellt und vollendet worden. Bei den übrigen fehlt der
Zusammenhang des Schutzwalls ebensowol, wie die Beziehung zu
den daran hin, oder hineinführenden Wegen.
Grosse Uebereinstimmung mit den Felsmasscn des Taunus bieten
die Porphyrfelsen des Schwarzwaldes bei Baden-Baden. Dieser Punct
war, wie Wiesbaden und Soden am Taunus, wol lange vor dem
Eindringen der Römer bekannt und bewohnt Der Berggipfel des
heutigen Schlossberga, der Batter, hätte nur geringer Nachhülfe
bedurft, um zu einem gewaltigen Schutzwalle umgewandelt zu wer-
den. Die wenigen wallähnlichen Spuren über den „Rasseln" des
nordwestlichen Abhangs, schmal und ohne Zusammenhang, lassen
aber nicht auf menschliche Thätigkeit schliessen.
Ganz anders finden wir es im Spesshart, im Odenwald und an
der Haart, wo das Gestein zwar weniger in Rossein und in Fels-
massen zusammenbricht, wo aber, wie im Kinzigthal in der Gegend
von Orb, dann bei Klingenberg, bei Miltenberg am Main und bei
Dürkheim a. d. Haart die Ringwälle uns andeuten, welche in alten
Zeiten die bewohntesten Stellen des Landes, und wo die Verkehrs-
wege gewesen. Bei allen diesen letzteren Ringwällen, ebenso wie auf
dem Goldgrubenberg im Taunus, hat weniger die Natur dem Men-
schen geholfen, mehr die Kunst. Sie scheinen aus den Römerzeiten
oder aus den darauf folgenden zu stammen. Der ganze Gipfel eine*
Berges ist umschlossen, ein Raum gross genug, nicht nur die ganze
Bevölkerung einer oder mehrerer Ortschaften aufzunehmen, sondern
auch dem Vieh derselben für eine Zeitlang Weide zu bieten Eine
Quelle habe ich nirgends in solchen Ringwällen gefunden ,T, jhe
liegen weiter unten im Walde, der ja mit zur Vertheidigung ver-
wendet wurdje. Den Ringwall selbst, bei einer längeren Belagerung,
zu vertheidigen , wird bei den meisten unmöglich gewesen sein, da
der Wall auf dem Schlossberg bei Bürgstadt z. B. über eine halbe
Stunde im Umfange hat
auf fremde Augen sich verlassen. Auch 0. Schudt, Homburg v. d.U. und seine
Umgebung, 1854, spricht von der Heidenmauer auf dem Lindenberge, von dem
Ringwall auf dem Blcibeskopf.
»fi Eine Vertiefung auf der westlichen Seite der Altenbnrg bei Cassel an
der Bieber soll zuweilen Wasser enthalten ; ich habe darin keins vorgefunden.
Von Hadamar wird berichtet , dass sich in dem Kingwall der Dornburg ein
Wasser stets mit einer Tiefe von 1'/, Fuss erhalten »olle. Auch vom Ahkonig
hat man Derartiges fälschlich behaupten wollen. Das wäre aber noch keine
Quelle,
Digitized by Google
- 217 -
Alle diese Ringwälle sind so ziemlich nach demselben System
angelegt; sie umfassen den Gipfel bis zum steileren Abfalle hin; auf
der Seite, wo der Gipfel eben sich ausdehnt, ist das Werk durch
höheren Wall und durch Graben verstärkt Daselbst ist gewöhnlich
der Eingang. Auf dem Kreinberg, oberhalb Miltenberg, ist derselbe
ziemlich gut erhalten, er führt über grosse Steinplatten, auf welchen
Wagengeleise tiefe Furchen eingeschnitten haben. Wahrscheinlich
mit Bäumen wurde er verrammelt; von einem Thore findet sich
keinerlei Spur. Der innere Wall, wenn ein solcher vorhanden, hat
gewöhnlich gar keinen Eingang. Diese Sandsteinwälle Schemen
nicht mit Holzwerk verbunden gewesen zu sein. Sie sind viel steiler
als die flach zusammengebrochenen älteren Taunuswerke; zunächst
des Eingangs auf dem Kreinberg ist der obere Theil des Walles
kaum zwei Schritte breit Eben so ist es auf der „Schanze" bei
Klingenberg, wol einem der jüngsten aber auch der kleinsten Stein -
wälle Der Weg dahin führt anfangs auf der Nordseite des Berges
aufwärts, wendet sich um die östliche Seite, zieht an der tiefen
Schlucht hin, und biegt von Süden her gegen den SteinwalL Hier
auf der Eingangsseite sind drei Wälle mit Gräben, einer dicht hinter
<lcm andern; von dem obersten aus kann man über alle drei hinsehen,
s. Fig. 1 und 2
o.t
Abhang gegen den Main.
Klingenberg, Durchschnitt der Wälle, westtlich vom Eingang
— 218 -
Die Steinwälle der Heidenmauer bei Dürkheim gleichen sehr
denen auf dem Goldgruben berg des Taunus; sie sind fast durch-
gängig von grosser Mächtigkeit, besonders auf der flacheren Nord-
uud Nordweeteeite , mehr zusammengesunken als die Wälle von
Klingenberg oder von Cassel an der Bieber. Sie fallen noch steil ab
nach Aussen , verflachen nach Innen ; etwa in der Mitte sind sie ver-
tieft, als wenn auch hier ein doppelter Steinwall die Zufluchtsstätte
umgeben hätte, s. Fig. 3.
Durchschnitt des Kingwalls bei Dürkheim.
Wir sind genöthigt für Zeiträume, die wir noch jetzt die Urzeit
nennen, Gewicht auf alle diese an und für sich unbedeutenden That-
sachen zu legen, weil es eben fast die einzigen Ueberreste mensch-
licher Thätigkeit sind, die unmittelbar aus jener entlegenen Zeit zu
uns reden. Sie verstärken die Wahrscheinlichkeit, dass in jenen
Zeiten schon eine Stammesverwandtschaft der Bewohner am Mittel-
rhein und Main, und eine enge Verbindung bestanden; weiter dass
gerade die bezeichneten Gegenden nicht nur die bevölkertaten ge-
wesen, sondern auch den feindlichen Heereszügen am meisten aus-
gesetzt. Von einer Bestimmung zur Gottesverehrung kann — bei
diesen jüngeren Ringwällen wenigstens — nicht die Rede sein 17 ; ab-
gesehen von der Bauweise, so fühlt heut zu Tag kaum einer der
Nachkommen je das Bedürfnis» auf die Höhe hinaufzusteigen, es sei
denn, dass das Geschäft oder der Holzbedarf ihn dahin rufe.
Einen wichtigen Abschnitt in der Geschichte unseres Lande*
bildet das Eindringen und die Herrschaft der Römer. Das ganze
Ixiben des Volkes erhielt dadurch einen weiteren Gesichtskreis und
eine wesentliche Umgestaltung, wenn auch die Verhältnisse und die
Bedürfnisse, welche die ersten Ansiedlungen hervorgerufen und be-
günstigt hatten, grösstenteils bestehen blieben, später wieder in den
Vordergrund traten. Die Römer, wie jetzt die Engländer in Indien,
» In einem, aus meiner Feder stammenden, ganz oder theilweise in ver-
schiedene Zeitschriften übergegangenen Aufsatze : „Uhland auf den Rin^wällcn
des Altkönigs1' ist die Ansicht Uhland's mitgethcilt: es seien die Steinringe
uralte Umwallungcn eines heiligen Hains, weil in denselben eine Quelle nicht
vorhanden. Dieser Ansicht vermag man bei genauer Durchforschung einer
grösseren Anzahl von Kingwällen kaum noch zuzustimmen.
Digitized by Google
- 219 -
die Russen am Caucasus, die Franzosen in Africa, suchten ihre
Herrschaft zu erweitern , nicht um die Völker zu beglücken , sie mit
den Segnungen der Cultur bekannt zu machen, nicht um Sumpfe
auszutrocknen, das Land dem Pfluge zu gewinnen, sondern um die
gewonnenen Länder zu nutzen 18. Sic haben die besten und cultivir-
testen Länder am liebsten genommen und am hartnäckigsten verthei-
tigt; den Pfahlgraben haben sie weithin um die Wetterau gezogen.
Es ist daher die Thatsache nicht unwichtig, dass die Römer ihre
Hauptniederlassung in unserer Gegend unmittelbar auf einer Anhöhe
an der Nidda gegründet haben. Dies mit Anderem beweist uns, dass
das Niddathal bei dem Eindringen der Römer bereits angebaut und
bewohnt gewesen. Die Römerstrasse von Mainz führte in gerader
Linie nach Praunheim, durch diesen Ort dann hinauf nach dem
V1CUS I10VU8. Der Aufenthalt der Römer in hiesiger Gegend dauerte
aber durch mehrere Jahrhunderte , und während so langer Zeit mag
Manches eine Umänderung erlitten haben, manche Strecke der
Cultur gewonnen worden sein.
Es ist nicht so leicht, die Strassen der Römer von den Wegen
der Landesbewohner überall zu scheiden. Die Römer mögen diese
Wege wol überall benutzt haben, wo sie filr ihre Zwecke gentigten.
Stets hatten sie das eine Ziel — die Festigung ihrer Herrschaft.
Die Römerstrassen führen alle nach den Anlagen, welche zur Unter-
drückung des Landes erbaut waren: die Strassen der Einwohner
aber führen von Dorf zu Dorf, auf das Feld, in den Wald, nach
ihren Zufluchtsstätten. Die Römerstrassen gleichen in der Anlage
unseren Eisenbahnen; nicht ftlr den Augenblick gefunden und nur
allmälig vervollkommnet, sondern für Jahrhunderte angelegt Mit der
Herrschaft der Römer hört auch die Bedeutung der Römerstrassen
auf, sie sind vergessen, von Wald überdeckt, vom .Pfluge zerrissen,
der Steinunterlage beraubt, kaum noch vom Vieh betreten. In unserer
Gegend finden wir ihre Strassen vom Rheine nach dem vicus novus
fuhren, der Hauptbefestigung; von da nach den Castellen des Taunus
— den Zwingburgen — und weiter nach Norden; ostwärts nach
Bonames und der Wetterau, nach Bergen und Aschaflenburg.
Die Strassen der Landesbewohner waren nicht nur naturwüchs-
iger, sondern auch schmäler als die Römerstrassen; dies besonders
in den Bergen, weniger vielleicht in sandigem Flachlandc. Die Rö-
mer — wie auch die Russen im Caucasus — hatten besonderes In-
"- Anderer Ansicht ist Hofrath Steiner.
Digitized by Google
- 220 -
teresse, die undurchdringlichen Waldungen, die Zuflucht der Landes-
bewohner, durch breite Strassen zu öffnen, zugänglich zu machen.
Wie auf der Nordsoite des Altkönigs ein Römischer „Pflasterweg*
nach dem Feldbergcastelle zieht, so wurde ein anderer als „Pflaster-
weg" mir genannt auf dem südlichen Fuss, etwa in der Richtung toid
Eichelberg nach dem oberen Ende der Falkensteiner Wiesen , also
ebenfalls nach dem Feldbergcastell zu. Dieser ist kein ursprünglicher
Waldweg, sondern schnurgerade angelegt, gleichmässig 12 Schritte
breit und auf beiden Seiten, von einem Mäuerchen eingefasst. Der
Römerweg weiter unten beim Stationshause von Weisskirchen war
16 Schuh breit, aufs Regelmassigste und Sorgfaltigste gebaut, mit
Steinplatten unterlegt, zur Seite mit Pfaden für Fussgänger und
mit Grübchen versehen.
Man hat darauf hingewiesen, dass der Marsch der Römer vor-
zugsweise auf den Wasserscheiden, den Höhenrücken stattgefunden,
zugleich aber mit Grund die Frage aufgeworfen, ob die Römer diese
Hochstrassen und Rennwege erst eröffnet haben?19 Diese Bevor-
zugung der Höhen war keine Besonderheit der Römer, sie lag in
den Verhältnissen, in dem damaligen Zustande des Landes. Es iässt
sich im Ganzen annehmen, dass die ausgedehnteren Verkehrsweg»
verhältnissmässig älter sind, je höher sie auf den Gebirgen hinführen
Die Schwierigkeiten, welche dort zu überwinden, waren geringer,
als diejenigen , welche in jenen alten Zeiten die Ebenen boten. Je
mehr die Sümpfe schwanden, desto mehr zogen sich die Wege von
den Bergen herab in's Thal Der Rennpfad auf dem Taunus zieht
nicht gleichmässig mit dem Pfahlgraben, er war gewiss schon vor-
handen als die Römer den letzteren anlegten. Er zieht am südlichen
Abhänge des Feldberges hin, der Pfahlgraben nördlich. In der Nahe
des Mückenborns, jenseits der Höhe, zieht eine „hohe Strasse" nord-
wärts, die weder mit dem Pfahlgraben, noch mit einem der daran
liegenden Caatelle in Verbindung steht Dies ist sonst bei Römer-
strassen im oestlichen Taunus der Fall, entweder ziehen sie nach
dem Feldbergcastell oder nach der Saalburg. Der Rennpfad auf dem
Taunus hat nur die für einen einzigen Wagen erforderliche Breite.
Viel breiter ist die alte Strasse auf dein Hunarück und die auf dem
Thüringerwalde. Aber die Vorbindung zwischen Coblenz und Mainz
auf der Höhe hat sich mehr und mehr grossartig gesteigert, wahrend
19 Vergl. Untersuchung über die Kriegführung der Römer gegen die Dem
K. F. in Ztschr. d. V. s. E. d. Rhein. Geschichte, II. 3 Hft J863
Digitized by Google
die Strasse vom Rheine nach der Wetterau schon zu der Römer
Zeiten — wenn nicht schon früher — in die Ebene herabverlegt
war, und am Fusse der Berge hinzog.
Vom vicus novus nach dem Mainthale herüber scheint keine
directe Römerstrasse angelegt worden zu sein. Es zog vom Nidda-
übergang bei Heddernheim der Weg hinauf nach Eschersheim und
weiter nach Berkersheim, Bergen und Vilbel80, nicht aber nach der
Frankenfurt In dieser letzteren Richtung entstand vom Niddaübergang
aus ein Fusspfad, er gehörte zuletzt zu den verbotenen Wegen und
ist jetzt von der Eisenbahn ganz beseitigt. Es sprechen wol That-
sachen dafür, dass die Römer die Frankenfurt kannten, selbst Strassen
dahin benutzten oder bauten, aber mehr noch deuten darauf hin,
dass diese Furt damals noch keine Wichtigkeit hatte. Bis auf den
heutigen Tag heisst der kleine Main oberhalb der Sachsenhäuser
Brücke der „bahles" oder pales21. Dies würde nicht schwer auf das
palus der Römer, Sumpf, zurückzuführen sein, also auf dasjenige,
was in damaliger Zeit wirklich sich an der fraglichen Stelle befun-
den haben mag. Zu beachten bleibt auch, dass man vor einigen
Jahrzehnten in der Fahrgasse beim Graben eines Canals, etwa
16 Fuss tief, auf ein altes Pflaster stiess. Leider ist dasselbe nicht
sorgfältig untersucht worden; Hufeisen fand man dabei, grosse und
kleine, solche von denen man vermuthet, dass Esel oder Maulthiere
sie getragen. „Eselspfade" bringt man vielfach in Zusammenstellung
mit den Römern, so den Eselspfad von Miltenberg nach der Kinzig
über den Spesshart, einen andern von Eschersheim nach Vilbel.
-Weit wichtiger sind die Thatsachen welche dafür sprechen,
dass zur Römerzeit die Frankenfurt noch ohne Bedeutung gewesen.
Sie beziehen sich theils auf die damalige Verkehrsrichtung in demMaiu-
lande, theils auf den gewerblichen Betrieb in den Römerniederlassungen.
Die wichtigste Strasse welche vor und zu der Römer Zeiten von
Süden nach Norden zog, führte uicht wie jetzt am Odenwalde hin,
durch die Rheinebene, sondern auf dem Gebirgsrücken. Die Befest-
igungen, welche zur Seite der Strasse, von Schlossau nach Obern-
» Vergl. u a. den Auft>ntz von Schmidt, Annal. des Nassauer Vereins,
ti Bd. 1 Hft., über d. Pfalgraben.
21 Nach genauerer Ermittelung oberhalb der zwei Brückenbogen auf der
Kachscnhänser Reite. Dort badeten Mb zu Anfai g dieses Jahrhunderts die
Juden. Bei Eisgängen hört man noch den Ausruf: „Woss dar bales woilt"
1 wühlt). Ganz ähnlich heisst noch heute ein Weidtcht südlich von Offenbach:
im Salig, der Weg dabei: der Saligweg.
borg aufgefunden worden sind, zeigen uns welch grosses Gewichi
die Römer auf den ungestörten Besitz dieser Strasse legten. Caatelk
reichten sich von Station zu Station die Hand 22,\und sie waren, wie
aus den unternommenen Ausgrabungen , kürzlich noch bei Schlossau.
zu ersehen ist, nicht viel schwächer als die Saalburg am Pfahlgraben
des Taunus. Sie waren aber nur zum Schutze der Strasse bestimmt,
denn die Reicbsgränze, der befestigte Pfahlgraben lief in fast gleicher
Richtung mehrere Stunden weiter östlich bei Freudenberg von Sü
den Uber den Spesshart nordwärts. Diese Hauptstrasse stieg bei
Obernburg von den Bergen nach dem Mainthale herab; führte weiter
nach Aschaifenburg, wo sie mit der von Mainz auf dem rechten
Mainufer ziehenden Strasse zusammentraf. Wol legen die vielen
Römischen Gegenstände, welche z. B. in Stockstadt, in Diepurg und
in Seligenstadt gefunden worden sind, Zeugniss dafür ab , dass auch
im Maintlial Wohnsitze der Römer gestanden oder entstanden, aber
gerade an der Frankenfurt sind solche Gegenstände nicht, oder doch
so äusserst spärlich aufgefunden worden, dass auf eine langjährige
Benutzung derselben durch die Römer nicht zu sch Hessen ist. Diese
Meister der Kriegskunst würden eine wichtige Furt nicht ohne Be
festigung, etwa auf der Höhe der damaligen Maininsel — jetzt auf
dem Markt — gelassen haben, und solche könnte nicht spurlos ver-
schwunden sein.
Wenn wir von dem Maine nach dem Thale der Nidda uns hin-
über wenden, so sind daselbst zuerst wieder die Uebergangsstellen
in's Auge zu fassen. An der Nidda gab es drei Stellen, die wol in
sehr alter Zeit schon als Uebergangspunkte benutzt worden sind:
Rödelheim, Bonames und Vilbel23. Die Römer kannten sie, benutzten
sie, schwerlich aber sind die Ansiedlungen Römische. Nur Einwohner
des Landes bauten in den Niederungen, der Fluss diente ihnen zum
Unterhalt des Lebens, die Ucberfahrt bot ihnen Erwerb. Die Römer
mieden stets die Tiefe und das Flussthal, wie bei den Strassen, so
bei der Anlage von Wohnungen. Ihr vicus novus lag hoch, erst das
neuere Heddernheim ist unten an die Strasse, in die feuchte Niede-
« Vergl. Steiner, Gesch. u. Top. des Maingebiets und Spessarts. 8. 104
13 Auch Nied oder Nidda, am Ausfluss der Nidda, mag eine sehr alte Nie-
derlassung der Eingehomen sein , allein ein bedeutender Flussübergaug war.
der Sümpfe des Mainthaies wegen, hier schwerlich. Die Körner mögen das
hochgelegene Höchst und den Aasgang des Niddathaies bewacht haben , allen
es führte keine abzweigeudo Steinstra&se nach Höchst, und es führt noch beut
zu Tag keine Strasse von Höchst südwärts nach der Drei-Eich.
Digitized by Google
- 223 -
rang gestellt. Am wenigsten, oder auch erat am spätesten benutzt
war unter den gensnnten Furten wol Rödelheim (Riedelheim); es
lag auf dem rechten Niddaufer, die eigentümliche Bauweise mancher
alten Häuser auf Erderhöhungen lässt vielleicht noch auf die frühere
sumpfige Beschaffenheit des Bodens schliessen. Auch das linke Fluss-
ufer war und ist noch sumpfig ; doch mag die Anlage des Mühlcanals
und der Brückenbau manches geändert haben. Von der Römischen
Mainzer-, jetzt Elisabethenstrasse , acheint kein Zweig nach diesem
Uebergang abgegangen zu sein; aber von Rödelheim zog oberhalb
der Wiesen hin nach den basaltischen Höhen von Bockenheim eine
alte Strasse; sie hält weiterhin ostwärts fast die Wasserscheide ein,
theilt sich am Heiligenstuek nach Vilbel und nach Bergen. Von Rö-
delheim nach der Frankenfurt führte und fuhrt bis auf den heutigen
Tag nur ein Fusspfad.
Weit mehr als Rödelheim, scheint Bonames von den Römern
benutzt worden zu sein; hier ist selbst der Name durchaus verschie-
den von allen andern Taunusortschaften; nur etwa Vilbel hat einen
gleich fremdartigen Anklang. Eine Römerstrasse führt nördlich von
Bonames nach der Wetterau, eine zweite führt von Westen herein,
oder wenigstens nach . der nördlichen Mauer hin. Der Platz einer
Römischen Befestigung war wol oben auf dem Saalhof, die Burg in
der sumpfigen Tiefe war uicht Römisch2*. Wie der Name, so sind
auch die Verhältnisse von Bonames ganz eigeuthümliclie. Die Gränze
der Gemarkung von Kalbach zieht dicht an Bonames vorüber und
reicht bis zur Nidda. Während diese fast überall den Genossen
der Hohen -Mark eine Gränze war, sie von der Drei- Eich schied,
liegt der grösste Theil der Bonameser Gemarkung jenseits auf dem
südlichen Ufer. Dies südliche Ufer wurde aber nicht bewohnt, war •
auch nicht Mark- berechtigt, wie ein Streit aus dem sechszehnten
Jahrhundert über den Kohlenbedarf der Mühle oder des Kupfer-
schmieds am Mühlgraben es genauer verhandelt So scheint es als
ob Bonames nicht wie die andern Taunusortschaften aus den Boden-
verhältnissen erwachsen, sondern dass es gleichsam eingepfropft wor-
den sei. Alles weisst hierbei auf die Römer hin, selbst der Umstand,
dass die BouaracBcr Bürger waren, keine Bauern. Auch von Bona-
mes zog in gerader, directer Linie keine Strasse nach der Franken-
furt.
Vilbel scheint, wie Bonames, einen Römischen Namen zu tragen.
Die jüngste Ansieht der Gelehrten geht zwar dahin, dass Vilbel nicht
Vergl. Dr. Kömer-bücbuer in diesem Archiv N. F. II. S. 182.
Digitized by Google
- 224 -
von villa bella den Namen habe, dass es vielmehr „Weidendorf*
bedeute28. Ich halte trotzdem am Alten fest Für die Germanischen
Dorfnamen der Umgegend bedarf es keiner gelehrten Deutung, sie
sind alle noch jetzt leicht verständlich. Mochten die Lateinischen
Schreiber den Namen verketzern, er .kam doch wieder in natürlicher
Gestalt zum Vorschein. Nur Bonames und Vilbel machen, wie be-
merkt, eine Ausnahrae, sie sind fremden Ursprungs, wie aevel (aquse
bellae) die schönen Quellen am Ufer der Nidda zwischen Praunheim
und Hausen, bei welchen eine Römische Wasserleitung aufgefunden
worden ist**.
Auch bei Vilbel walten, wie bei Bonames, ganz eigentümliche
Verhältnisse. Vor allem ist hier die ganz unverhältnissmässige Längen-
ausdehnung in's Auge zu fassen. Sie kann gar keinen Zweifel
darüber lassen, dass hier verschiedene Interessen zusammengewirkt,
wie dies auch stets bei andern, ähnlich in die Länge gezogenen
Städten, wie Miltenberg, Heidelberg, Bornheim oder Bockenheim
der Fall gewesen. Auch Heidelberg zieht sich von der alten Neckar
fürt bis über die Burg hinaus, so Vilbel von der Niddafurt bis zur
Römischen Villa, die in der Nähe des jetzigen Bahnhofs lag. Die
ersten Wohnungen lagen wol oben auf dem rechten Flussufer, bei
der Brücke. Nach dieser oder nach der Furt führen die Strassen:
nördlich die von Friedberg, südlich die von Bergen und von der
hohen Strasse. Bei der Brücke traten die trocknen Ufer am nächsten
zusammen, die Strasse wandte sich auf dem nördlichen Ufer sogleich
der Anhöhe zu. In der Nähe der Brücke liegen die bedeutenden
Steinbrüche; sie scheinen Veranlassung zu einer Vergröaserung
Vilbels gewesen zu sein, und zwar ostwärts bis zur Kirche. Diese Theile
dehnten sich später weiter aus nach der Kömischen Villa bin.
Der fremdartige, vielleicht, wie das Pompejanum bei Aschaffenburg,
drollig klingende Name der Römischen Anlage mag allmälig dem
Gesammtorte geblieben sein
Die Steinbrüche von Vilbel weisen uns auf einige gewerbliche
Verhältnisse, welche durch die Römer in hiesiger Gegend begründet
wurden, oder in Aufschwung kamen. Dass dieser Aufschwung über-
haupt ein bedeutender gewesen, geht schon aus den vielen Strassen
anlagen hervor, welche von dem vicus novus nach allen Richtungen
15 Archiv f. Hess. Gesch. X. 1.
2* Kaum giebt es einen andern Ortsnamen, der so verschieden geschrieben
vorkommt, wie Vilbel, Villbyl, Vilvil, Velvil. Viel mehr hat Bonames, Hone
mesa den Namen gleich behalten.
zogen. Neuerdings ist bei Weiskirchen das Profil der Strasse offen
gelegt worden, welche von dieser Römischen Niederlassung nach dem
Feldbergcastell gefuhrt wurde, so dass kein Zweifel mehr über die
Bedeutung dieser Hohle sein kann. Sie wird jetzt ausgefüllt, die
Aecker werden geebnet; die Steinunterlage ist zum grossen Theile
herausgebrochen, einzelne Steine zeigen noch, dass die Römer den
alten Steinbruch von Mamolsheim dazu benutzt hatten. Bei Nieder-
Ursel weudet sich diese Strasse etwas ostwärts nach diesem Dorfe
hin, welches dazumal wol schon vorhanden war; sie schwenkt
wieder südlich ab, theilt sich in zwei Arme, deren einer nach dem
vicus novus zog, der andere nach dem Niddaübergang bei Heddern-
heim. An dieser Stelle hat sich eine Ortschaft zur Seite der Strasse
angebaut; Heddernheim ist in die Erbschaft der Römer eingetreten.
Bei Nieder-Ursel zogen mehrere der alten Strassen vorüber: die
Hessenstrasse, vom vicus novus nach dem Norden, führte östlich
vorbei nach der Höhe, die sie bei der Saalburg überschritt (sie
ist in den letzten Jahren fast ganz ausgebrochen und geebnet wor-
den, nur wenige Reste sind noch übrig); eine Mainzerstrasse durch
Eschborn*7 nach Butzbach überschritt eine Viertelstunde oberhalb
Nieder-Ursel die Bach. Sie ist jetzt ebenfalls unterbrochen und durch-
pflügt; endlich ist noch der Crutzenstrasse zu gedenken, jetzt Kreu-
zerstrasse. An dieser Strasse soll eine Quelle hervorgesprudelt sein,
als des Bonifacius Leiche daselbst geruht; mit anderen Worten: das
Trauergeleite ruhte an einer Quelle. Eine solche findet sich etwa
auf der Hälfte des Weges, wo die Gemarkungen von Kalbach und
Nieder-Ursel zusammenstossen. Angeblich hat man dort Mauersteine
aufgefunden, allein aus dem Gedächtniss der Landbewohner ist jede
Erinnerung an eine Kirche geschwunden. Nicht weit davon stand ein
Hochgericht. Andere Strassen bei Bonames sind schon erwähnt worden.
Wenn wir im Winter über die kahlen Felder hingehen, da wo
sonst die Strassen des Römerortes sich ausdehnten, finden wir ausser
lT In der Heimgereite von Eschborn soll — nach Vogel — die älteste
Kirche der Umgegend gestanden haben. Schwerlich war dies Tidenheini eine
von Eschborn getrennte Ortschaft, oder Eschborn war doch älter als diese
Kirche. Der Name Tldenheim ist Jetzt auch in den Flurbüchern nicht mehr zu
finden. Nach der Angabe von Börgermeister Kuntz sollen unter dem Dtstricte
Feld Weingärten, auf den Haneckern (Hainäekern) Basalt- und Ziegelsteine im
Boden gefunden werden. Dort habe möglicherweise eine kleine Kirche oder
Kapelle gestanden. Ueber dieser Stelle ist der Streitplatz, wo angeblich im
Jahre 1389 die von Cronberg heimkehrenden Frankfurter ereilt und geschlagen
wurden.
15
- 226 -
den zahllosen Ziegelbrocken und den Rollstückchen der Taunusab
hänge zwei Steinarten besonders, welche zum Bau der Röraermaueru
verwendet worden sind: einmal den Basalt von Eschersheim, dami
aber auch das Todtliegende von Vilbel, selbst Stücke versteinerten
Holzes aus demselben. Man kann aus den zum Theil stark verwitter-
ten Steinen nachweisen, dass zu jener Zeit schon in Vilbel die gros-
sen Steinbrüche in Betrieb standen, welche heute noch benutzt wer-
den oder noch erkennbar sind. Es beweist dies, dass zu jener Zeit
ein anderer Transport und Verkehr auf der Nidda gewesen sein
muBS, als in unseren Tagen. Statt der Mühlen, die jetzt durch Wehre
das seichtere Wasser aufstauen, sah man zahlreiche Schiffe und Aus-
ladeplätze. Neben den Basaltstücken von Eschersheim und dem Todt-
liegenden von Vilbel finden sich auf dem Heidenfelde bei Heddernheim
auch Kalksteine, wahrscheinlich vom Bornbeimerberge; daneben
grössere und kleinere Bruchstücke von Handmühlen , welche aus
dem Rheinischen Basalte von Nieder-Mendig stammen; durch die Ein-
schlüsse (Hauyn) Bind sie von den Eschersheimern wol zu unter-
scheiden. Auch Schiefersteine finden sich ziemlich zahlreich, zum
Theil haben sie noch lVi Schuh im Gevierte; dem Anscheine nach
stammen sie nicht aus dem benachbarten, schieferreichen Taunus,
sondern aus Tagesbauten von Caub, sie sind nicht so lein, wie die
Schiefer, welche wir jetzt aus den tiefen Gruben von dort erhalten.
Die Anwesenheit aller dieser Steine zeigt uns, wie Handel und Verkehr
in jenen Zeiten sich schon lebhaft entwickelt hatten.
Von der ganzen grossartigen Anlage, welche die Römer in ihrem
vicus novus geschaffen, ist jetzt keine Mauer mehr sichtbar, die
Strassen sind verschwunden, bis auf den einen Weg, welcher die
Umfassungsmauer umzog. Der Grimm der Germanen hat nur Trüm-
merhaufen an der Stelle der Kriegerwohnungen übrig gelassen.
Während langer Jahrhunderte wurde von hier das Material zu den
ärmlichen Hütten der benachbarten Ortschaften entnommen. So erat
konnte das gereinigte Feld wieder dem Saatkorn geöffnet werden
Der Wind brausst frei über die Aecker, die jetzt der Pflug durch-
furchet. Zwischen den letzten ungezählten Bröckeben und Splittern
einer untergegangenen Zwangsherrschaft sprosstdie grüne Saat freudig
empor! Kein Bericht der Römer meldet, wie die Vertreibung ge-
schehen, auch die Namen Derer, welche damals geblutet, sind nicht
verzeichnet; aber auf die gebrochenen Mauern der Zwingburg sollten
unsere Lehrer die Jugend hinfÜhrenjährlich, wenn der Winter entweicht!
- 227 -
Es folgt nach den Römern eine lange Zeit, aus welcher uns kaum
Thatsachen aufbewahrt Bind. Die gewaltigen Heeresztige, welche wir
unter dem Namen der Völkerwanderung begreifen, können dem Main thal
und den Taunusbewohnern nicht fremd geblieben sein. Wir wissen
aber nicht, ob sie die vorhandene, unter der Römerherrschaft nach
dem eignen Berichte ihrer Schriftsteller verdorbene Bevölkerung ver-
pflunzt und ausgerottet, oder ob diese neu gekräftigt worden. Nach
manchen Anzeigen war wol das letztere der Fall. Viele der alten
Weisthümer, so der hohen Mark, der Bibrauer Mark und, anderer,
heben hervor, dass Wald, Wasser, Weide den Märkern „zu recht-
lichem eigen0 sei, dass die Märker sie von Niemanden zu Lehen er-
halten. In der Bibrauer Mark wird geweiset, dass der Herr von
Falkenstein nur ein gewählter, kein geborner Vogt sei. Das spricht
für Ureinwohner, die selbst den Wald gerodet, nicht filr Eroberer.
Vielleicht stammen, wie bereits bemerkt, aus diesen Zeiten die
späteren Ringwälle, auf dem Goldgrubenberge, von Dürkheim, von
Klingenberg und aus der Gegend von Orb. Doch haben wir nicht
überall in einer kunstfertigeren Ausführung ein entscheidendes Merk-
mal darüber. Auf dem höchsten Gipfel des Krainberges oberhalb
Miltenberg liegen, von zwei Germanischen Ringwällen umschlossen,
Spuren welche den Aufenthalt der Römer an dieser Stelle nach-
weisen, Steininschriften, Mauern, Bildwerke und Anderes28.
Wahrscheinlich ist es, dass während der Zeit der Römerherrschaft
man anfing, die Drei-Kich mehr zu bebauen. Auch hier, wie am Tau-
nusabhang, finden sich einige Ortschaften, welche gleichen Namen
haben wie die Bach, welcher sie angebaut sind. Bieber, (Ober-) Roda,
tSernbdt, Egelsbach, Kelsterbach, Ofenbach (noch 1493 Ouenbach
geschrieben). Andere, besonders am Abhang des Odenwaldes, tra-
gen die Bezeichnung einer Stadt: Stockstadt, Langstadt, Kleestadt,
Umstadt, Ramstadt, Eberstadt, Pfungstadt, Crumstadt Sie zeichnen
fast die Grenze der Drei-Eich vor; von Stockstadt am Main bis zu
Stockstadt am Rhein reichen sie Bich die Hand. Eine jüngere Zeit
ist in den Ortschaften angedeutet, welche von Behausungen der ersten
** Steiner. Maingeb. u. Spess. S. 264. hält diese Germanische Wehr für
alter als die Komische Befestigung. Auch hier sprechen wir, im Interesse der
Eigen thumer ebensowol, wie im Interesse der Erforschung unserer ältesten Ge-
schichte die Bitte aus, alle solche Ringwälle, namentlich aber die ältesten, wie
den auf dem Altkönig, vorerst nicht zu verändern, nicht zu durchbrechen, keine
Wirthshäuser darin oder daraus zu erbauen. Zu solchen finden sich stets in
der Nachbarschaft geeignete Plätze genug I
15»
Digitized by Google
- 228 -
Ansiedler den Namen auch später beibehalten haben. Im Innern der
Drei-Eich ist dieses Vorkommen das zahlreichste: Obertshausen,
Froschhausen, Hainliausen, Zellhausen, Messenhausen, Eppertshausen,
Güntershaiisen, Hergertshausen, Harpertshausen, Buben- (Baben)-
hausen, Harreshausen, und mehr westlich: Wixhausen, Erzhausen,
Schneppenhausen, Gräfenhausen, weit seltener sind die Bezeich-
nungen nach dem Hof wie Dilshofen und Sickenhofen. Das
Weisthum der Drei-Eich von d. J. 1338 zeigt uns dass damals, und
wol auch .schon viel früher die Drei-Eich in Marken abgetbeilt war.
Wahrscheinlich älter als diese mit „Hausa und „Hof" zusammenge-
setzten Ortsnamen sind andere mit der angehängten Endigung „heimu,
fast alle unmittelbar auf dem Main- und Rheinufer angelegt: Ostheiro,
Welzheim, Auheim, Steinheim, Dietesheim, Muhlheim, Griesheim,
Schwein- (Schwan)heim , Rüseelsheim, Raunheim, Bischofsheim,
Ginnsheim, Bauschheim, Altheim, Geinsheim, und das jetzt verschwun-
dene Pfopfenheim. Fast gleichzeitig mit „heim14 scheinen Dorfschaf-
ten mit der Endigung „ingen" entstanden zu sein. Solche finden sich
aber weit seltener und scheinen ebenso wie die wenigen als „Weilir"
bezeichneten Ortschaften des Taunus, Petterweil, Dortel- (Türkei- oder
auch Dürkel-)weil und Hinterweil, einem Volksstamm zuzuschreiben
sein, der nur vorübergehend sich in dieser Gegend aufgehalten hat
Einmal nur ist ein solcher Name auf der Nordseite des Taunus auf-
zufinden, Usingen, welches an der Usa liegt, nicht aber mehr nach
dieser als Usa oder Usbacli bezeichnet ist Am südlichen Abhang
des Taunus liegt oder lag Dillingen, Weiterhin an der Kinzig Rückin-
gen, in der Drei-Eich am Fusse des Odenwaldes Sprendlingen, am
Maine Sindlingen und weiter östlich Mainfellingen und Dettingen
Ganz spät noch entstehen Ortschaften, die deutlich von einer
mehr fortgeschrittenen Cultur uns Zeugnis» geben, oder welche auf
die Fränkische Zeit hinweisen wie KönigBstedten zur Seite des fremd-
artig klingenden Trebur. Urprach 30 erhob sich mitten in den "Wäl-
dern, ebenso Ober- und Nieder-Rode am versumpften Mainesarm
bei der Frankenfurt; weiter Erfelden, Worfelden und Meerfelden.
"» Förstemanu, deutsche Ortsnamen, 1868, findet die Namen auf „Weiler'
als Repräsentanten des Deutschen Südwestens, mehr gewaltsam als organisch
fortgeschrittene Namenbildung. Die Endigung auf ringen" und „nngeu* bezeichnet
er als Thflringcnschen (JcUrauch.
In dem fJfllt- u. Rentengcfall VcrzeichniBS der Drey-Eich aus dem Jahr«
l.W ist Urprach aufgeführt, weil es „DorrTgclt" zu zahlen habe.
— 229 —
Durch diese letzteren der Feldcultur geweihten Ortschaften zog die
Geleitestrasse.
Zum Schlüsse ist hier noch der Bornlieimerberg zu betrachten, der
grosscntheila noch zur Drei-Eich gehörte. In der Gegend von Aschaf-
fenburg scheint die rechte Mainseite vor der linken bewohnt worden
zu sein. Gross-Welzheim, Gross-Krotzenburg, Gross-Auheim liegen
auf der rechten Mainseite, Klein Welzheim , Klein Krotzenburg und
Klein- Auheim sind später gegenüber auf der linken Mainseite als Zweig-
dörfer entstanden. Beim Bornheimcrberg finden sich nur wenige
Spuren, welche andeuten, dass einzelne Plätze in verhältnissmäsig alte
Zeiten hinaufreichen. Bornheim selbst ist, wie Eschborn, nach der
Quelle benannt ; aber letzteres wird, wie die alten Taunusortschaften,
ebenso wie die Quelle oder die Bach selbst bezeichnet; Bornheim
leitet seine Bezeichnung nur von dor Quelle her. Bei einem
Vergleich mit den altern Taunusortschaften kann kein Zweifel darüber
sein, dass Bornheim viel jünger ist als diese, z. B. als Obererlenbach
oder Obemrsel, oder Steinbach. Von dem ganzen Gericht des Born-
heimerbergs sind nur Offenbach, Nidda und Seckbach 31 ebenso wie
die Bach genannt, Bergen nach seiner Lage, oder auch nach der Rö-
mischen Befestigung. Fast alle andern Ortschaften sind als Heimath
einer bestimmten Person, meist wol des ersten Ansiedlers, bezeichnet:
Eschersheim, Berkersheim, Bischofsheim, Bockenheim, Bräungesheim,
Enkheim, Fechenheim, Ginheim, Griessheini, Massenheim.
In Bornheim sind drei Theile wol zu unterscheiden. Einmal der
obere Theil um die Kirche gelegen, welcher wol als der älteste zu
betrachten ist. Weiter als zweiter Theil das Römerfeld, westlich von der
Güntersburg, etwa 10 Minuten von der Bornheimerkirche. Näher
bei dieser, auf dem Rabenwingert M, hat man bei dem Legen der
Wasserleitung eine Römische Begräbnissstätte gefunden. Dieser Rö-
mische Theil ist vertilgt und von der Erde verschwunden; Dr. Römer
hat in seinen Beiträgen zur Geschichte der Stadt Frankfurt (1853)
31 Der älteste Theil von Seckbach ist wol der nordöstliche an der Seck-
bach (Sackbach?); abwärts, nach dem Bruche hin, stand ein Eichwald. Durch
Wald und Sumpf war der Ort vortrefflich geschützt; Quellen waren imUeber-
flusfl vorhamlpn. Die Gemarkung von Seckbach ist wo) abgerundet, sie reicht
weit gegen Bergen und Vilbel hin, und Uber dem Bruch lag wieder ein Wald.
Westlich am Bornheimcrberg zieht vom Sulzenschla^ ein Wiescnthalchen nach
dem Bruch herab, die Weide darauf steht gemeinschaftlich Seckbach und Born-
heim zu, aber der Grund und Boden gehört ersterem.
" Noch jetzt darf in diesen, längst ausgerodeten Wingert nicht gefahren
werden.
Digitized by Google
— 230 —
auf Seite 79 ff werthvolle Mittheilungen darüber gemacht Er hält
dafür, dass das Monuinentum Trajani an dieser Stelle gestanden. M.
Uns kann diese Untersuchung hier nicht weiter beschäftigen ; die Trüm-
mer, welche wir von der Römerherrschaft noch vorfinden, sollen nur
dazu beitragen, Nachweis über den Zustand der Eingebornen uns zu
geben. — Noch ist ein dritter Theil von Bornheim zu betrachten; es
ist dies der untere, an der Strasse nach Bergen, lang hinge-
streckt, und wol erst entstanden als der Verkehr zwischen der Fran-
kenfurt und Bergen und weiter ostwärts bedeutender wurde.
Wenn wir die beiden ersten, die ältesten Theile von BornhciiTi
zusammenstellen, so finden wir dass die Strassen, so weit sie jetzt
noch vorlianden oder offen gelegt sind, für ein höheres Alter der
Deutschen Niederlassung zu sprechen scheinen. Der alte Pfad welcher
von Frankfurt unter der Güntersburg vortiberführt, zieht nach dem
ältesten Theile von Bornheim, der Vogelgesanggasse und der Kirche.
Auch die Strasse nach Seckbach und nach Bergen ist keine Römische,
so wenig wie die noch jetzt in nördlicher Richtung ziehenden Wege.
Von dein Germanischen Bornheim führt nordwestlich der Weg nach
der Friedbergerwarte und nach Bonames, nördlich der Weg nach
Vilbel. Dieser letztere Weg heisst der Prcungesheimerweg, zieht mehr
auf der Hohe hin und ist wol der ältere. Er fuhrt etwa 5 Minuten
östlich der Friedbergerwarte vorüber und wurde noch in sehr später
Zeit auch von Frankfurt aus benutzt. Es bog von dieser Warte her,
der Landwehr entlang, die Frankfurterstrasse nach diesem altern Wege
herüber. Jetzt ist diese Frankfurter Strasse etwas anders gelegt,
allein sie fallt noch immer unter einem stumpfen Winkel in die Born-
heim-Vilbeler Richtung. Auch dieser alte Weg von Bornheun nach
Vilbel gehört jetzt zu den verbotenen: er soll „eigentlich* nicht
begangen werden, aber es ist die Gewann eine Grenze. Nicht nur
das Verbot, auch die Poesie, die über solchen verbotenen Wegen
schwebt, giebt ihnen einen eigentümlichen Reiz. Bei dem Heiligen-
stock lenkte die hohe Strasse zwischen Rödelheim und Vilbel ab nach
Bergen. Dieser Ort scheint für die Römer wichtiger gewesen zu sein
als Boraheim. Seine Lage stimmt mit der des vicus novus in vielem
iiberein. Die Berger Strasse nach Vilbel führt auf der Höhe und
scheint Römischen Ursprungs zu Bein, nach Osten führt ebenfalls
eine „hohe Strasse"; an den Fuss des Berges, beim Uebergang
über den Sumpf, schmiegt sich das Deutche Enkheim, wie an der
» Vergl. noch Frankf. Jahrb. 1836. VIII. S. 251. Historisch antiquarisches
von Dr. Römer.
Digitized by Google
1
- 231 -
Nidda da» jüngere Heddernheim; endlich ist Bergen der Hauptort des
Bornheimerberges geworden, während die« ursprünglich doch gewiss
Bornheim war M. Auch mit Bonames bieten die Verhältnisse von
Bergen manche Vergleichungspunkte.
Noch ist des Weges zu gedenken, welcher von Bornheim süd-
westlich nach der Frankenfurt zieht; dabei sind aber die Bodenver-
hältnisse zu berücksichtigen. Die vielen Quellen de.» Bornheimerberges
haben ihren Abfluss zum Theil nach Osten, nach dem Röderberg
hin, sie schwemmten dort allmälig den Sand herab nach dem Metzger-
bruch, und rissen selbst zwischen dem Scheidswald und dem Buch-
wald durch das Kalkgestein eine Schlucht Von der Wasserscheide
des Berges, auf welcher das Römische Lager gestanden, rie-
selten andere Quellen nach Südwesten gegen die Frankenfurt hin.
Ihnen verdanken die ersten Ansiedler die schönen Wiesen und Wei-
den, welche bis zum Jahre 1864 noch als Bornheimerhaide bestanden.
Sie waren wol neben den Quellen eine hauptsächliche Veranlassung
zur Ansiedlung auf dem Bornheiuier Berge. Die Bornheimer haben
sie auch beharrlich sich erhalten, als später sie dem aufblühenden
Frankfurt fast bis an das Thor reichten. Sie sind den Frankfurtern stets
sehr unbequem gewesen; die Landwehr bog sich um diese Wiesen
her. Weiter abwärts, beim Hermes oder Hermannsbrunnen bildeten
die Gewässer einen Sumpf, dessen alter Abfluss nach dem Maine
jetzt kaum noch zu ermitteln sein möchte. (Battonn II. S. 178 weist
auf den Klkenbach hin, der tiber's Klapperfeld nach der Prediger-
gasse geflossen.) Die Landwehr durchschnitt auf der südwestlichen
Gränze der Bornheimerhaide zwei Wege; der nördlichere kommt
von dem ältesten Theil Bornheims herab, er zog in gerader Linie
an der Stelle vorüber, wo General von Auerswald ermordet worden
ist An dieser Stelle aber hat ihn die Landwehr seitwärts gedrängt,
und mühsam, ungeschickt, im Zickzack sucht er jetzt die alte Rich-
tung nach dem Friedbergerthore und der Vilbelerstrassc einzuhalten.
Der südlichere Weg ist die alte Bergerstrasse, an welcher der jüngste
Theil von Bornheim sich angebaut Er zog in gerader Linie durch
die Landwehr, über dem llermessumpfe her, ebenfalls nach der Vil-
belergasse. Bei dem Gasthause zum Pfau vereinigten sich beide
Wege, zogen so nach der alten Eckenheimerstrasse, und bogen auf
dieser — jetzt bei der Peterskirche — südwärts nach der Franken-
^ üeber die weiteren Verhältnisse von Bergen vergl. Usener, Ritterburgen
8. 3 ff. Auch Steiner, Maingebiet, 8. 151.
Digitized by Google
furt, oder vielleicht auch Uber dio Schäfergasse und Gelnhäusergassc
nach dem ältesten Thcile der Stadt.
Wir können nicht umhin dem Römcflagcr bei Bornheim noch
unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Wir suchen es auf, indem wir
den Weg von Bornheim oberhalb der Güntersburg nach Westen
betreten; am Ende der Mauer th eilt sich dieser Weg, der nördliche
Zweig steigt etwas nordwestlich, und hält dann die frühere Richtung
wieder ein, der südliche läuft als wenig betretener Pfad südwestlich
Uber die Accker, dann nimmt auch dieser wieder die frühere Rich-
tung auf. Die Wege laufen so parallel; sie zeigen die einstige nörd-
liche und südliche Bcgränzung des römischen Lagers. Im vorigen
Jahrhundert waren die Gräben noch sichtbar, jetzt sind sie ausge-
glichen, aber ein kleiuer Abhang ist geblieben. Von dem südlichen
wie von dem nördlichen Thorc des Lagers liefen, wie es den An-
schein hat, Strassen aus; die eine nordwärts gegen die Höhe der
Fricdbcrger Warte, in welcher Gegend sie auf die Strasse nach
Bonames und nach Vilbel traf; südwärts aber eine zweite gegen die
Frankenfurt. Dieser Weg, ebenso wie der nördliche, dient jetzt nur
noch der Feldcultur, er zieht in gerader Richtung auf der Wasser-
scheide durch den „Eichwald", biegt aber weiterhin jetzt ostwärts
nach Bornheim ab. Anscheinend zog dieser Weg nach dem südlichen
Theil der Bornheimerhaide, vielleicht auf die Bergerstrasse; Anlage
wie Schicksal sprechen dafür, dass Römer diesen Weg hergestellt
Mit dem Abzug der Römer verkümmerte er, aber die älteren
Strassen der Einwohner blieben benutzt
Den Trümmern und der Begrenzung nach zu urtheilen bat hier
nur ein sehr untergeordnetes befestigtes Lager, und dies nur verhalt-
nissmässig kurz und in später Zeit bestanden. Während bei dem
vicus novus der ganze Boden mit Resten gleichsam erfüllt ist, müssen
sie hier aufgesucht werden.
Es scheint dass der Hermessumpf eine ganz gerade Richtung
des Weges von der Frankenfurt nach Bornheim verhinderte. Wrir
können eine spätere Verbindung Uber die Allerhciligengassc und
Breitengassc, also des Ost-Endes von Frankfurt, mit dem jüngeren
Bornheim verfolgen; sie führt über den „Sand weg", meidet ebenso
den Hermessumpf, wie die Sümpfe des Fischerfelds. Dieser Weg
scheint die alte Bergerstrasse beeinträchtigt und theilweise entbehr-
lich gemacht zu haben ; die letztere wurde nach dem Rand der Born-
heimerhaide hin gedrängt, zog dann über den Sandweg, und wurde
weiterhin ganz zur Landwehr verwendet Sie reicht jetzt nicht mehr
bis zum BrÜckchen, auf welchem sich die Strassen wieder vereinig-
Digitized by Googl
- 233
ten. Die nördlichere dieser Strassen ist die Gelnhäuserstrasse; es ist
die Fahrstraase oder Güterstrasse nach dem nördlichen und mittleren
Theil von Frankfurt, andererseits nach Bergen und Gelnhausen. Bei
der Nachtweide durchsog sie den eisernen Schlag und die Landwehr,
hinter Seckbach führte sie durch die Wingerte nach Bergen hinauf.
Es ist schwierig aufzusuchen, zu welcher Zeit wol eine Strasse
nach Hanau in der Ebene geführt worden sei. Wie in der Fahrgasse
bei der Mehlwaage etwa 16 Fuss tief ein alter Steinweg zu Tage
gekommen ist, so fanden sich bei Canalisirung des Metzgerbruches
dicht bei dem Brückchcn der Planauerchaussee, tief unter dem Moor-
grund grössere und kleinere alte Hufeisen und Pferdeknochen. Ks
war dies die Stelle, wo der alte nördliche MaineBarm am schmälsten
war, und den leichtesten Uebergang darbot Die Strasse welche von
der Frankenfurt auf den Bornheiracrberg zog, zweigte am Fusse
desselben östlich nach Hanau oder nach Kesselstadt ab. Sie über-
brückte hier wol den Metzgerbruch und zog auf der höchsten Erhe-
bung des Flachlandes dahin. Noch jetzt bezeichnet die Chaussee die
Richtung dieses Weges. Einzelne Pferde mögen von der mangel-
haften Holzbrücke gestürzt, oder durch das Eis gebrochen sein; ihre
Eisen, ihre Knochen fanden sich mehr als 10 Fuss tief unter der
jetzigen Oberfläche des Bodens , von Torf überdeckt. Nach den Aus-
sagen sachverständiger Männer sind diese Hufeisen von sehr guter
Arbeit, von schön geschwungener Form, vordere wie hintere Eisen.
Einige sind mit Stollen, eine Falz ist bemerklich und Nagelköpfe;
ein grösseres Eisen, wie sie jetzt bei kranken oder zu schonenden
Pferdehufen angewendet werden. So finden wir in diesen Besten, welche
wol aus den ältesten Zeiten der Frankenfurt stammen, die Gewerbe
bereits auf einer gewissen Höhe.
In dem Vorstehenden ist mehrfach des störenden Einflusses ge-
dacht worden, welchen äussere Verhältnisse im Laufe der Zeiten auf
die Richtung der Strassen ausgeübt haben. Es giebt kaum etwas
zäheres, unverwüstlicheres als die Richtung einer Strasse. Ein Bei-
spiel liegt uns in der alten Eckenheimerstrasse vor, welche von der
Höhe herabsteigend unterhalb des Friedhofs nach zwei Richtungen
sich abzweigte, nach dem östlichen Theile von Frankfurt und nach
dem nördlichen. Durch die Ackerbesitzer ist der letztere Weg mehr
und mehr bedrängt worden, allein die Wanderer hielten stets an der
geraden Richtung fest. Auf dem Plane welchen Thomas im Jahre
1790 verfertigt hat, ist diese Richtung noch angedeutet Neuerdings
brachten es die Grundbesitzer dahin, ein Verbot des alten Weges zu
erwirken. An einem Sonntag Morgen war ein Stock aufgerichtet mit
Digitized by Google
- 234 -
der Warnung; zwei Feldschützen standen zur Bekräftigung daneben,
wiesen die Leute rechts ab, nach der Chaussee. Diese machten laut
ihrem Unmuthe Luft, beriefen sich auf das Recht des Publikums,
aber keiner hatte Lust, zur Wahrung desselben die Gerichte anzuge-
hen. Ganz im Stillen jedoch bildete sich in kurzer Zeit ein neuer
Weg neben dem alten verbotenen, und wird nun gerade so begangen,
wie sonst der alte —
Zweierlei Dinge haben weit störender auf die Richtung der
Strassen der Frankenfurt eigenwirkt, als ein blosses Verbot. Einmal
die Umschliessung der Stadt selbst mit Mauern und Gräben, dann die
Herstellung der Landwehr in weiterer Entfernung von der Stadt
Die Sicherheit verlangte eine Beschränkung der Anzahl der Pforten
und Thore; so war im Innern der Stadt eine Hemmung oder Er-
schwerung des Verkehrs herbeigeführt worden bei der Bornheimer-
pforte für den Ausgang gegen Osten, bei der Hasengasse und bei
dem Liebfrauenberge für den Ausgang nach Norden. Mit der soge-
nannten zweiten Stadterweiterung wurde der Verkehr mit Born heim
ebenso in der Richtung der Breiteugasse und dem Sandweg durch-
schnitten, wie auf der Bergerstrasse; weiter die Eckenheimerstrasse
bei der Altgasse, und der Weg von der Brücke nach Eschersheim
bei der Schliiuniauer. Sachsenhausen wurde geschlossen bei der Op-
penheimerpforte und am Thiergarten. Die Landwehr hat den öst-
lich, nach Seckbach über den Berg führenden Weg bei dem
Seheidswald abgeschnitten 35 ; sie zog auf der Gränze der Feldmark
nach der Bergerstrasse, welche sie, wie angeführt, theil weise zerstörte,
lief um den untern Theil der Bornhcimcrhaide und durchschnitt da-
selbst zwei BornheimerWege. An dem östlichen Zugange Bornheims
war ein Fallthor angebracht; die Landwehr begann wieder am nord-
östlichen Ausgang beim Adlersweg, zog nach dem Seckbacher- oder
Sulzen-Schlag, von wo sie jetzt noch in der nordwestlichen Richtung
verfolgt werden kanu; sie durchschnitt hier den Weg von Bornheim
nach Vilbel und nach Eckenheim. Weiterhin zwang sie die Wege
nach Praunheim und nach Ginnheim über den Ginnheimer Steg, und '
durchschnitt den Wellerpfad nach Preungesheim.
Wie die Verkehrsverhältnisse auf dem rechten Ufer des Maines
andeuten, dass die Frankenfurt den Römern ohne besondere Bedeu-
tung gewesen, so auch die Strassen auf der linken Seite des Flusses.
>» An dem Abhang des Borges daselbst ist auf alten Plänen auch ein
Jndenkirchhof verzeichnet.
— 235 -
Auch hier führen die ältesten Strassen hoch über der sumpfreichen
Ebene. Ein solcher Weg ist der Bischofsweg, der vielleicht oder
wahrscheinlich bereits zu der Römer Zeit von Mainz nach Aschaffen-
burg führte. Er zieht hoch oben an der Frankenfurt vorüber. Von
dem Königslacher Bronnen im Wäldchen beim Forsthause lenkt er
«ach Südosten, überschreitet die Königsbach bei der schwarzen
Steinkaute auf den zwei Brückchen, führt dann dem Lärchesberg3*
hinauf, südlich der Warte vorüber. Diesen Weg ritten später die
Mainzer Bischöfe, wenn sie Aschaffenburg besuchten87.
Eine spätere Zeit ist angedeutet in dem Wege, welcher von
der Königsbach, oberhalb dem Ried oder Sumpf in dem der Riedhof
liegt, am Fusse des Sachsenhäuser Berges ostwärts zum Hainerweg
fahrt. Zu dieser Zeit war die Frankenfurt benutzt, die Wege ziehen
jetzt nach ihr hin, selbst die „alte Strasse", welche südlich bei Ober-
rad vorüber, von Offenbach nach dem Seehof und weiter über den
Mühlberg führt. Mit diesen beiden Strassen leiten alle von Süden
kommenden Wege nach einem Puncte, an welchem der Uebergang
über den Sachsenhäuser Mainesarm bewerkstelligt wurde. Die Rich-
tung dieser Strassen bezeichnet für das untere Mainland eine neue
Zeit und eine neue Cultur, und der Name der Furt daselbst zeigt
uns an, wem diese Zeit gehörte!
Die Richtung aller nach der Frankenfurt ziehenden Strassen
lässt keinen Zweifel dagegen aufkommen, dass auf der rechten
►Seite des Maines der Landungsplatz der Furt an der Stelle gewesen,
wo jetzt in Frankfurt die Fischergasse und die Fahrgasse nach dem
Maine führen. Mag die Stelle jetzt durchaus umgewandelt sein , er-
höht, tiberbaut — dorthin führten in den ältesten Zeiten schon die
Strassen. Oestlich dieser Stelle, auf dem Fischerfeld, zog Niederung
und Sumpf weit in's Land hinein, nordwestlich, auf der alten Main-
insel, siedelte sich der älteste Stadttheil an; von der Furt durch die
Fwchcrgasse aufwärts nach dem Dome und weiterhin auf dem Markt
war die eigentliche Niederlassung „bei der Frankenfurt"38.
Es scheint dass eigentlich nicht die Fahrgasse, sondern die
Fischergasse die älteste Strasseurichtung bei der Frankenfurt be-
" Der Name ist sehr verschieden in den Urkunden und auf den alten
Karten geschrieben, z. B. Lechlingsberg. Es stand Nadelholz darauf.
" Vergl. den älteren Aufsatz: Die Wege des Frankfurter Waldes, abge-
druckt im Frankf. Conv. -Blatt. 1861. Nr. 115 ff.
* Noch 1465 beisst es in einem kaiserlichen Schreiben : Unser und des
Reichs statt zu Frankfurt auf dem Msyne. Vergl. oben 8. 212 Note.
Digitized by Google
- 236
zeichnet. Der Weg von der Fischerpforte nach der Höhe der Main-
Insel, dein Markte, führte wol auf der Wasserscheide hin, ist aber
allmälig durch spätere Bauten, z. B. beim Pergaraeuterplätzehen fast
unkenntlich geworden. Auf der Höhe selbst hat der Bau des Doms
und der Friedhof jede sichere Spur der Strassen verwischt ; bei dieser
höchsten Stelle schied der Weg, welcher durch die Borngasao nord-
wärts über d*«n Mainesarm führte, von der StrasBC, welche die Rich-
tung der ältesten Niederlassung oder Ansiedelung bezeichnet, von dem
Markte, dem höchsten Rücken der Main-Insel. Wahrscheinlich war
gerade in der Boragassc der versumpfte Mainarm am leichtesten zu
überschreiten, oder es veranlasste der Born, dass hier der Weg sich
bildete. Dieser Born lag jenseits des Grabens, am Fusse der An-
höhe, welche nach dem Bornheimerberg hinaufzog, wahrscheinlich
haben hier bei dieser Quelle die Strassen nach Norden sich getheilt,
es liegt aber für diese Vermuthung jetzt nur die entferntere Richtung
der Strassen noch vor, in nächster Nähe hat der Hof der Johanniter
die nordöstlich ziehenden Strassen verwischt, s. lig.
Der obere Theil der Fahrgasse ist nach dieser Quelle gerichtet;
ebenso die Lindl leimergasse und die Geinhäusergasse, deren weiterer
Verlauf in der Schäfergasse und in Bornheim sich vorfindet. Der
kürzeste Weg nach Eschersheim zog durch den Trier'schen Hof;
als zeitweise die königliche Münze diesen Platz eingenommen,
mag die Steingassc als Ilauptstrasse gedient haben. Sehr zu be-
achten bleibt hier die Mittheilung Battonn's, dass die Schnurgasse
eine grössere Breite gehabt, und dass, wie vor anderen Thoren der
Digitized by Google
- 237 -
Stadt, ein Pfuhl anch bei der Gelnhänsergasse gelegen, b. Heft III.
S. 3. 4. 24.
Da in den letzten Tagen dies dritte lieft von Battonn's örtlicher
Beschreibung der Stadt Frankfurt, mit den v. Fichard'Bchen Zusätzen
veröffentlicht worden ist, so konnten diese trefflichen Mittheilungen
bei dieser vorliegenden Arbeit noch benutzt werden. Es gehen diese
ausgezeichneten Forscher davon nus, dass Frankfurt seine Entstehung
den Königen verdanke, dass der Römerberg mit der Sala der Platz
gewesen, um welchen her die übrigen Theile der Stadt sich angelegt.
Zu gleichem Resultate ist die vorliegende Arbeit nicht gelangt; die
Aufschlüsse, welche die Strassen der Stadt uns geben, scheinen viel-
mehr alle dahin zu deuten, dass Frankfurt in seiner oberen Altstadt
schon vor den Königen bestanden, dass erst der untere Theil der
Altstadt, d. h. die um den Saalhof und die Leonhardskirche gelegenen
Strassen, eine Schöpfung der königlichen Nahe gewesen. Die zwischen
dem Markte und dem Saalhof hinziehenden Gh'sschen geben ein
deutliches Bild dieser verschiedenen Entstehung, s fig.
Die Gässchen der östlichen Altstadt ziehen nach dem Markt,
insbesondere nach dem Hühnennarkt, der westliche Theil aber ist.
nach dem Saalhof oder nach einem Eingänge desselben, da wo jetzt
die Bendergasse ist, gerichtet.
Demnach wäre nicht der Römerberg der Hauptplatz der ältesten
Niederlassung gewesen, Bondcrn der Hühnermarkt oder Friedhof.
Sehr mit Grund wol hat Battonn gerade an dieser Stelle die älteste
Kirche Frankfurts gesucht, (s. 3. Hft 135) und Fichard in d. Wet-
teravia S. 12. diese Vermuthung unterstützt Für ihre Ansicht spricht
noch der Grund, dass in alten Zeiten die Kirchen au den Haupt-
Htrassen erbaut wurden, der Lärm des Verkehrs brachte noch keine
Digitized by Google
Störung. An der bezeichneten Stelle zog nicht nur die Hauptstrasse
vorüber, sondern es mündeten auch zwei Seitenstrassen, die Lange-
schirn und der Tuchgaden. Diese sind nicht auf den Platz selbst
gerichtet, sondern auf das Eckhaus Lit L. Nr. 144, zum Schlegel.
Auf dieser Stelle hat , vielleicht die Kirche oder Kapelle in den ältes-
ten Zeiten gestanden, der steigende Verkehr hat sie verscheucht.
Fichard macht (Battonn, 3. S. 193) aufmerksam, wie blühend hier der
Handel, wie gross das Gedränge an dieser Stelle gewesen sein müsse.
Das sprechendste Zeugniss darüber giebt uns noch heute das gegen-
überliegende Haus Lit M. Nr. 190, zum neuen rothen Haus, das auf
Säulen ruht. Es schwebt Uber der Strasse, hat von dieser keinen
Eingang, aus dem Nachbarhause Nr. 191 fuhrt der Zugang hinein.
Welch ein Gewühl mag hier gewesen sein, welch ein Gedränge in den
engen Strassen. Der Markt — sonst die Kramgasse, unter den Kremen —
bezeichnet, wie bereits bemerkt, die Wasserscheide der Frankfurter
Maininsel; auf dieser Hauptstrasse standen die wichtigsten Gebäude der
Stadt, östlich die Hauptkirche (St Salvator) auf dem Kreuzungspunkte
mit der Eschersheimer Strassenrichtung ; das Rathhaus daneben ; weiter-
hin beim Freihofe und den Tuchgaden das Kaufhaus. Der Brunnen wel-
cher auf der höchsten Stelle des Hühnermarktes steht, der Friedhofborn,
ist ein vielleicht erst in verhältnissinässig späten Zeiten gegrabener;
eine Quelle ist er nicht, wie ohne Zweifel der alte Born in der Born-
gasse es war. Gegen Norden lallt die frühere Maininsel hier ziem-
lich steil ab, so dass die alte Marienkapelle wol nicht auf der Nord-
seite des Friedhofs gelegen war. Auf dem Abhang nach dem Main-
arm lagen grössere Gehöfte oder Gärten, sie sind heut zu Tage
noch in dem Haynerhofe, dem Keppelerhöfchen, dem Rebstock, dem
Lämmchen, dem Numbergerhofe aufzufinden. Nur eine Strasse bil-
dete sich noch auf diesem nördlichen Abhang: hinter dem Lämmcheti.
Jetzt reicht diese Strasse bis zum Hühnermarkt, es ist nicht unwahr-
scheinlich dass sie früher weiter gegen Osten gereicht (Vergl.
Battonn, 3. Hft. 142 sub kl. Seligeneck.)
So ist die Altstadt in der Richtung und dem Verlaufe des Mark-
tes angedeutet Auffallend verengt sich dieser an seinem Ende beim
steinernen Hause, wo mehrere Strassen sich vereinigen. Wie an ver-
schiedenen andern Stellen eine solche Verengung ein ehemaliges
Thor andeutet, so wol auch hier. Auf dem Samstagsberg fiel die
Maininsel ab nach einer Mulde, deren westliche Seite jetzt der Rö-
merberg bildet. Ueber diese Mulde hin zog der Weg von dem Markte
westwärts nach der Wedelgasse, er hielt sich auf der Höhe (hinter
dem Römer) längs des Mainarmes. Zur Zeit Karls des Grossen mag
— 239 -
dieser Stadttheil noch nicht bebaut gewesen sein; er ist weit geräum-
iger angelegt als die eigentliche Altstadt oder Oberstadt Die Kö-
nigspaläste waren Wasserburgen, sie lagen hinter Wassergräben in
der sumpfigen Niederung des Flusses; der Saalhof am unteren Ende
der angedeuteten Mulde, gerade in dem Wasserablauf; der andere
Palast etwas weiter mainabwärts. Wol nicht der besseren Rundsicht
wegen traten sie vor die Uferlinie heraus, sondern weil sie im
Wasser lagen 39. Vom Markte aus zog sich ein sehr bemerkenswer-
ther Strassenfächer nach der Sala herab, von beiden Königspalästen
aber zogen breite Strassen über den Mainarm hinüber und nach dem
nordlich ziehenden Eschersheimer Wege, von dem Saalliof. die neue
Kräine, von der Leonhardskirche die Buchgasse mit dem Kornmarkt.
Der erstere Palast, der Saalhof, scheint der bedeutendere gewesen
zu sein; nach ihm sieht eine grössere Zahl von Strassen, selbst das
linke Mainufer beachtet nur diesen Palast40.
Viel schwieriger als auf dem rechten Mainufer bleibt der Ab-
fahrts- oder Landeplatz auf der linken Mainseite, in Sacbsenhausen,
zu bestimmen. Die Richtung der Strasse welche, von Süden kom-
mend, den Sachsenhäuser Bruch überschreitet, bleibt weiterhin die-
selbe auf dem »Steinweg;' ; sie führt nach dem Affenthor, durch die
Paradiesgasse nach dem Mainufer. In unseren Tagen finden wir da-
selbst keinen Ausgang nach dem Flusse, allein der spätere Bau der
Brücke hat manche Bedürfnisse umgestaltet Wir müssen uns vor-
erst noch Brücke und Stadtmauer, Mühl wehre, in's Flussbett vor-
gerückte Steinschanzen und das dahinter angeschwemmte Land mit
den heutigen Bleichen wegdenken, wir werden dann mit ziemlicher
Sicherheit die Paradiesgasse und den Stadttheil, welcher östlich der-
selben von der kleinen und der grossen Rittergasse umschlossen ist,
als den ältesten Theil Sachsenhausens bezeichnen können. Die abge-
rundete Form desselben finden wir in dem Kern mehrerer alten
Ortschaften des Taunus ähnlich vor. Hier mochte, wie drüben an
der Fischergasse, der Fluss die Wohnungen fast erreichen. Zur Seite
des Gässchens bei des Francken Hof zeigt ein Strich in der Mauer
die Wasserhöhe von 1784 etwa 4 Schuh über dem Strassenpflaster.
Eine solche Wasserhöhe rauss also schon zur Zeit der ersten Ansied-
inngen in Sachsenhausen eine nicht gewöhnliche gewesen sein.
Vergl. Krieg von Hochfelden, die ältesten Bauwerke im Saalliof. Archiv
f. Frankf. Gesoh. u Kunst. III. Heft. S. 1.
♦o Vergl. Battonn, Besohr. d. St. Frankf. I S. 25.
Digitized by Google
Wir können noch jetzt leicht beobachten wie bei steigendem
Hochwasser zuerst der unterhalb der Brücke gelegene Theil Ton
Sachsenhausen tiberschwemmt wird , dann tritt das Gewässer bei dem
Deutschen Hause in den oberen Theil, weiter durch die Antauche in
die Rittergasse; langsam nur steigt es in der Paradiesgasse, die
nicht unbedeutenden Fall hat. Hier scheint der alte Landungsplatz
der Furt gesucht werden zu müssen, da wo jetzt die Stadtmauer
mit dem einen Hirtenthurm, oder wo der Frankensteiner Hof steht
Auf dem Plan von 1552 ist daselbst eine Pforte.
Fichard « hält die Brückenstrasse für den ältesten Theil von
Sachsenhausen. Allein diese Strasse hat nicht das Kennzeichen der
alten Strassen, welche immer in geradester Richtung auf ihr Ziel
gehen. Sie hält die südliche Richtung nur kurz ein, stösst sehr bald
auf die Dreikönigstrasse und deren Verlängerung, die Elisabethen-
gasse; in diese letztere biegt man ein, fast unter einem rechten
Winkel, gelangt so nach der Paradiesgasse; auf dieser erst geht es
wieder südwärts dem Steinwege zu.
Viel älter als die Brückenstrasse scheint der Weg zu sein, in
welchen sie einmündet, die Dreikönigstrasse, weiterhin Elisabethen-
gasse genannt. Dieser Weg trifft etwa in der Gegend des Ulrichstei-
nes auf den Main, au welcher Stelle noch auf dem Plane von 15öS?
eine Ueberfahrt angegeben ist. Sie ging nach der Fahrpforte oder
dem Saalhof, und war bedingt durch das Vorhandensein des Königa-
palastes; sie ist jünger als dieser. Die Strasse zieht auf dem linken
Maiuufer von der Ueberfahrt ostwärts nach der Paradiesgasse und
demUebergang des Sachsenhäuser Bruches; es bot sich kein näherer
Weg dar um nach dein Süden zu gelangen. Sie mag in ihrem unte-
ren Theile lange unbebaut geblieben sein, denn noch jetzt wird dieser
untere Theil als Dreikönig „Strasse" bezeichnet, der obere als „Eli-
sabethen jjgasse". Diese Namen selbst sind wol aus verhältnisamässig
später Zeit; die Elisabethencapelle wurde von den Deutschen Herren
auf der Südseite dieses Weges, am Ende der Brückenstrasse errich-
tet Der Platz wo sie stand, ist erst im Anfange dieses Jahrhunderts
zur Verlängerung der Brückenstrasse verwendet worden.
Man weiss nicht genau, zu welcher Zeit die Brücke nach Sach-
senhausen gebaut worden ist; es bestand damals gewiss schon der
obere, dicht gedrängte Theil von Sachsenhausen, ebenso die Drei-
königstrasse, oder vielmehr der Weg von der Königsfurt nach dem
Steinweg über den Sachsenhäuser Bruch. Der Ort mag damals noch
Vergl. Battonn, Orth Beschr. d. Stadt Frkf. I. 8. 22€.
sehr klein gewesen sein, er hatte wol keine Kirche. Als die Brücke,
vielleicht um das Jahr tausend, hergestellt wurde, war Platz genug
vorbanden, es bildete sich eine sehr breite Strasse, auf welcher die
Brück enarbeiter, Zimmerleute und Schmiede behaglich arbeiten
konnten. Es ist die breiteste Strasse der Altstadt, obgleich sie bei
dem Bau des Deutschen Hauses von ihrer Breite verloren haben mag.
Auffallend ist es dass gerade in dem mittleren Theile von Sach-
senhausen, zunächst der Brücke, grosse Besitzungen sich erhalten
haben. Es lagen daselbst die Wohnungen der Ministerialen, während
die kleinen Absiedlungen der Gewerbtreibenden, östlich bei der Para-
diesgasse, und westlich dem Maine entlang bis zur unteren Ueber-
fahrt bei dem Königspalaste sich erhoben hatten. Auch hier scheinen
zwei verschiedene Veranlassungen der langen Streckung des
ursprünglichen Dorfes Sachsenhausen zu Grunde gelegen zu haben,
einmal die Frankenfurt, dann die Nähe der Königsburg und die
Ueberfahrt daselbst.
Von der Brücke mainabwärts bis zur alten Ueberfahrt bei dem
Königspalaste bildete sich allmälig eine Gasse, jetzt die Löhergasse.
Sie stammt wol aus dem Zeitraum zwischen dem Bau des Königs-
palastes und dem Brückenbau, und war gewiss immer vorzugsweise
von Gewerbsleuten bewohnt, welche an oder auf dem Flusse ihre
Nahrung fanden. Als im Jahre 1338 — 40 in Sachsenhausen eine
Kirche gestiftet wurde, fand sie ihren Platz auf der Südseite dieser
Strasse. Die Bewohner von Sachsenhausen wanderten am Ruhetage
nicht hinauf, zur höchsten Stelle der Gegend — wie man sonst wol
in älteren Ortschaften des Mainthaies die Kirche zu stellen pflegte —
sie gingen hinab, oder sie fuhren in Kähnen zur Kirche, wenn
Ueberschwemmungen eingetreten waren. Die Kirche, der Geistliche
und der Schullehrer ist dem Unterquartier immer geblieben, das
Oberquartier aber hatte die zwei weltlichen Hirten.
Es drängt sich hier die Erinnerung an eine Sage auf, nach
welcher Sachsenhausen von Sachsen erbaut worden sein soll. Dass
dies unter Carl dem Grossen geschehen sei, ist mehrfach und von
ausgezeichneten Forschern bezweifelt worden *2. Es mag erlaubt
sein , auch diese Frage hier zu berühren.
Bekannt ist die grosse Verschiedenheit der Bewohner Sachsen-
hausens von den Frankfurtern. Sie zeigt sich in Sprache, in Sitten
und Gewohnheiten, und selbst in der Rechtsanschauung w. Allein
« So z. B. von Fiohard, in Battonn I. S. 227.
♦3 Vergl, Kirchner I. 8. 20.
16
Digitized by Google
242
eine solche Verschiedenheit ist keineswegs gerade in einem Stamm
unterschied zu suchen, sie entwickelt sich ebensowol aus verschie-
dener Gewerbsthätigkeit. Während der Handel den Frankfurter
unablässig veranlasste, mit den verschiedensten Menschen in Be-
rührung zu treten, lebte der feldbautreibende Sachsenhäuser abge-
schlossen und einförmig für sich hin44.
Weit wesentlicher scheint die Verschiedenheit des oberen und
des unteren Quartieres in Hachsenhausen zu sein. Jetzt wird der
Theil oberhalb der Brücke vorzugsweise von Gärtnern bewohnt,
unterhalb wohnen mehr Fischer und Gerber, doch haben auch diese
zum Theil schöne Güter, Baumwachs und Weinwachs. Früher mag
dies anders gewesen sein; als die Carolinger längst dahin gegangen,
war noch die Umgegend von Sachsenhausen Wald und Sumpf, der
Wald deckte noch den Sachsenhäuser Berg, er reichte bis zum
Main. Die Sachsenhäuser hatten ihre Nahrung auf dem Maine;
Ober-Reusen hicssen die Bewohner des oberen Theils, Unter-Reusen
die andern. Beide waren also Fischer. Sie hatten als solche keinen
besondern Zunftverband, sie bildeten eine gemeinschaftliche Zunft
mit den Frankfurter Fischern, hatten aber eine besondere Zunft-
stube.
Anders ist es mit den Gärtnern, die sich wol allmälig ihr Feld
urbar machten, und den Feldbau zu ihrer Nahrung betrieben; sie
waren nie zünftig und auch nicht rathsföhig; sie blieben Weingärt-
ner bis sie spät, erst im Jahre 1843, nach langem Processiren und
Bitten, zu einer besonderen Genossenschaft zusammentreten durften.
Als 20 Jahre später alle Zunftscbranken fielen, zählten sie über
200 Meister, die Frankfurter Gärtnerzunft kaum deren 50.
Die Ober-Reusen und die Unter-Reusen ohne gerade in Feind
schaft zu leben, haben sich doch stets gemieden, sie kamen nicht leicht
zum Wein zusammen; alte Familien, wie die Rumbier, die Frey-
eisen, die Schenk sind immer in ihrem Quartier verblieben; ein sel-
tener Fall ist es, wenn einzelne Familienglied er wegziehen.
Sollte diese Abneigung auf Stammesverschiedenheit und auf
sehr alte Zeiten zurückzufuhren sein? Auch dies möchte stark zu
bezweifeln sein. Wrenn Carl der Grosse Sachsen nach dem Franken-
" Neuere Reisebeschreibungen heben das fürchterliche Fluchen und Schwören
der Sachscuhiiuscr alB eine besondere Eigentümlichkeit hervor. Dies war nicht
immer so. Als im Jahr 1532 ein Diener des Amtmanns im Hain vor dem
Schlag bei der Holen (Quirinspforte) Bauern, weil sie unberechtigt Holz nach
Frankfurt führten, anhielt, entsetzten sich die Zeugen aus Sachsen hausen aber
sein lästerliche« Fluchen. Acta Mglb. A. 46. Tom. IX. S. 44 sqq..
.gle
lande verpflanzt hat, so musste er ihnen auch Ländereien geben,
auf denen sie leben konnten. Solche waren aber in Sachsenhausen
damals nicht vorhanden, selbst der Fischfang war nicht mehr frei.
Einzelne Familien mögen sich im unteren Theile von Sachaenhausen
angebaut haben, sie mögen selbst allraälig dem Dorfe den Namen
gegeben haben, aber dass eine Sachsische Colonie Sachsenhausen ge-
gründet habe, dafür liegt gar keine Wahrscheinlichkeit vor. — Es
scheint dass die Bezeichnung „hausen" eine kleine Ansiedlung an-
deute; solche Ortschaften sind vielfach wieder ausgegangen, so Wil-
kommshausen, Hausen bei Oberursel, VeltmershauBen am Feldberg.
Andere derartige Ortschaften sind aber gediehen, wie Geilenhausen,
Baben- (Buben-) hausen, Holzhausen. Alle Ortsnamen unserer Gegend
beziehen sich entweder auf ihre Lage, wie HochBtadt, Ostheim, oder
auf Gegenstände der Landwirthschaft und der Waldcultur, wie Stier-
stadt, Seulberg, Lindheim, Heckstadt, Eschenhahn, Rodheim, Meer-
felden, oder aber, wie wol am meisten, auf die Person, den Bewoh-
ner, wie Sossenheim, Eckenheim, Ruppertshain und die meisten mit
„hausen* zusammengesetzte Namen. So mag es sich auch mit Sach-
senhausen verhalten, dem entweder ein oder mehrere des Namens
oder — was wol dasselbe ist — des Stammes der Sachsen ihren
Namen gegeben haben*.
An den Brückenbau knüpft sich wol die Entstehung der Fahr-
nisse; sie läuft weit tiefer als der Markt, am östlichen Saume der
Maininsel, über dem Fischerfelde hin. In unseren Tagen macht sich
das Bedürfniss mehrerer Brücken geltend, zugleich aber die Schwie-
rigkeit die passende Stelle zu finden, welche nicht allzuviele Interes-
sen verletzt, möglichst viele berücksichtigt So hat man wol auch
zu der Carolinger Zeit die Brücke nahe an die Furt gelegt, zugleich
aber eine neue Strasse geschaffen, welche nicht gehindert von den
bestehenden kleinen Verhältnissen , breiter dahinzog und erst beim
Johanniterhof in die alte nach Norden führende Strasse mündet.
Das in der Tiefe der Fahrgasse aufgefundene Pflaster dürfte dann
kaum Römischen Ursprungs gewesen sein.
Weit mehr bebaut als der nördliche Abhang war die Maininsel
auf dem Abfall gegen Süden, wo die Bendergasse in gleicher Rich-
tung mit der Hauptstrasse zog, nach Erbauung der Königspaläste
4» Gewiss unrichtig aber ißt es, wenn der Name Sachsenhausen auf „an-
sässig" bezogen wird, wie im „Elsass", denn so würde das Wort „hausen" nur
"
- 244 -
auch die Saalgasse, welche von diesen nach der Furt, oder auch
nach der Fahrgasse führte. Bei dem Eingang in den Saalhof verengte
sich die Saalgasse; sie erhielt in westlicher Richtung eine Verlänge-
rung nach dem andern Königspalast, in der Mainzergaase. Die
Bendergasse aher hlieb auf die obere Altstadt beschränkt, es war
keine Veranlassung fttr eine Ausdehnung nach der unteren Altstadt
vorhanden.
Als eine nördliche Stadterweiterung — gewöhnlich als „ersteu
bezeichnet — über den Mainarm erfolgte, hatte sich wol schon jen-
seits eine Strassenanlage vorbereitet, die Schnurgasse, in dem Namen
ebenso wie in der Veranlassung ganz übereinstimmend mit der Zeil,
welche die zweite oder eigentlich die dritte Stadterweiterung andeu-
tet Battonn giebt sich grosse Mühe im dritten Hefte nachzuweisen,
wie eigentlich Schnurrgasse müsse gesprochen und geschrieben wer-
den, allein er selbst macht zugleich darauf aufmerksam, dass diese
Gasse vor Zeiten so breit als die Zeil gewesen, dass also da*
Schnurren der Räder drinnen in den Häusern nicht so störend ge-
wesen sein möge. Das Volk fragt nicht die Gelehrten, wie es schrei-
ben und sprechen solle, es spricht so wie die Väter gesprochen.
Kur drei Gassen führten aus der Altstadt hinüber nach der
damaligen Neustadt, die Fahrgasse westlich, die Borngaase mehr in
der Mitte, die neue Krame westlich. Dies mochte dem BcdUrfniss
nicht genügen, so dass die NeugasBe noch geschaffen wurde. Viel-
leicht wurde zu diesem Zwecke der Friedhof auf dem Markte dem
Verkehr geopfert. Wie wichtig die Neugasse gewesen, das zeigen
die vielen Sackgässchen, welche in sie münden. Die Höfe auf dem
nördlichen Abhang der Maininsel hinderten die Verbindung; in eig-
nem Interesse öffneten sich dem Durchgang der Rebstock und der
Nürnbergerhof , aber nur bei Tage. Jetzt wurde auch die Vertiefung
des alten Mainarmes bebaut, besonders von Gewerben welche Wasser
brauchten, wie Färbereien und Badstuben. Nur ein grösserer Hof
bildete sich zwischen dem Mainarm und der Schnurgasse, der Hot
des Johanniterordens. Er hat wol, wie bemerkt, die verschiedenen
abzweigenden Strassen, vom Born nordwärts, beschränkt; es blieb nur
die Borngasse, bis zu welcher der Hof hin reichte.
Für den Höhenrücken des neuumschlossenen Stadttheils ist die
Döngesgasse zu halten, mit dem Liebfrauenberg. Auch sie hatte an
diesem Kreuzungspunkte eine Kirche. In ähnlicher Weise wie die
Döngesgasse zur Schnurgasse sich verhält, scheint auch die Vilbeler-
gasse bei der Peterskirche vorUber nach dem Eschenheimerthore eine
Verlängerung gehabt zu haben, anders liease sich das plötslich«
245 —
Umbiegen der Schäfergasse (der Fortsetzung der Gelnhäusergasse)
beim alten Kirchhof kaum erklären.
Es mag hier des Unterschiedes in der Bezeichnung von Gassen
und von Strassen gedacht werden, welchen Herr Dr. Finger richtig
gedeutet hat Erstere bezeichnen die auf beiden Seiten dicht ange-
bauten, mit Häuser besetzten Wege der Altstadt, Strassen finden
sich nur in der Neustadt; sie sind unvollständig bebaut gewesen. Aber
auch hier werden die alten Wege, die Allerheiligengasse und Brei-
tengasse, die Vilbelergasse und Hammelsgasse, die Altgasse und
Schäfergasse, die Eschenheimergasse, in der Bezeichnung selbst als
wol bebaut geschildert
Wenn schon bei der ersten nördlichen Stadterweiterung es sich
zeigte, wie schwer geeignete Verbindungsmittel geschaffen wurden,
so dies noch weit mehr bei der zweiten nach dem Jahre 1333. Auch
diesmal waren es nur die zwei alten Wege, welche zu Strassenver-
bindungen der Altstadt und der Neustadt verwendet wurden, die
Fahrgasse nach der Friedbergergasse und die Borngasse mit der
Hasengasse nach der Schiimmenmauer, jetzt Stiftsstrasse. Ausser
diesen hatte, bis vor wenigen Jahren, die Zeil keine Verbindung mit
der Döngesgasse.
Nicht nur für die Frankenfurt, auch für das ganze Land zwi-
schen Rhein, Main und Odenwald ist die Zeit der Franken von der
höchsten Bedeutung geworden. Zur Röraerzeit befand sich die Haupt-
strasse welche vom mittleren Rheine nach Osten zog, auf der rech-
ten Mainseite. Zur Zeit der Fränkischen Könige wurde das linke
Mainufer das betretnero. Die Fahr über den Rhein bei Weissenau
nächst Mainz wurde ein Reichslchen, die Befestigung bei Rüssels-
heim und bei Kelsterbach wurden strategisch wichtige Puncte. Glän-
zende Reichs Versammlungen werden jetzt auf dem linken Mainufer,
zwischen Rhein und Main gehalten, zahlreiche Güterwagen ziehen
zwischen den aufblühenden Reichsstädten dabin.
Die Carolinger hatten auf der Mainspitzc einen Königssitz zu
Trebur oder Treber **. Es war die Nähe von Worms, Oppenheim
und Mainz, der vortreffliche Boden, die reichen Wiesen und der
nahe Forst, welche für die Anlage dieser, an der kleinen Schwarz-
bach gelegenen Villa entschieden. Ringsum eine freundliche Aussicht,
** Aach dieser Name klingt fremdartig, man hat ihn mit Trier in Verbin*
dung gebracht, an eine Pflanzstätte der Trevirer gedacht Vergl. Dilthey,
Völkerstämme am Mittelrhein, Hess. Archiv V. 3. Hft.
Digitized by Google
— 246 —
begrenzt durch die Hügel jenseits des Rheins, durch den Taunus,
den Odenwald. Unter den Fränkischen Kaisern wurden häufig die
Grossen des Reichs nach Trebur berufen. Von den drei Kirchen,
die sich daselbst erhoben, ist jetzt nur noch eine einzige übrig, auf
den Grundmauern der St. Laurenzienkirche erbaut. Alle übrige
Herrlichkeit, Kirchen und Palast sind fast spurlos verschwunden. Man
kennt nicht mehr die Stelle, wo der Kaiserpalast gestanden*7. Tre-
bur und Königstedten sind reiche Bauerndörfer geworden, aber die
alten Strassen haben sich erhalten. Südöstlich über Geinsheim geht
der Weg nach der Rheinfurt bei Oppenhehn, die alte, hochgelegene
„Hosterstrasse1' findet sich da noch; nordöstlich zieht, über König-
stedten, der Weg nach der Frankenfurt Dieser Weg ist nooh auf
:ilten Karten als Königstedter Strasse bezeichnet. Er führt von die-
sem Orte nach den Gondt- oder Gundhöfen, von da unweit dem
Vier-Herrentische oder dem Vier-Herrenstein vorüber nach dem
Königslacher Bronn beim Frankfurter Forsthaus. Mir ist in unsern
Tagen noch von Hasslocher Waldarbeitern diese Strasse als „Aschaf-
fenburgerstrasse" bezeichnet worden, auch in der Hessischen Gene-
ralstabskarte ist sie so aufgeführt; wahrscheinlich ist sie älter als
Frankfurt
Für diese Strasse nach Südwesten entstand, in verhältnissmässig
wol späteren Zeiten, ein Uebergang Uber den ehemaligen Sachsen-
häuser Mainesarm, die Oppenheimerstrasse; sie führte zum Oppen-
heimerthore, durch ein schmales Gässchcn in Sachsenhausen nach
der Dreikönigstrasse und der Brücke: es ist kein alter, mit der
Frankenfurt aufgewachsener Weg; der Festungsgraben schnitt später
die Strasse entzwei48, das Landpförtchcn am ITlrichstcine wurde
erweitert, dass die Wagen durch das Schaumainthor gelangen konn-
ten, aber der grosse Verkehr ging doch durch das Affenthor.
Von dem Schaumainthore aus führte durch Buschwerk und Wie-
sen nur ein Fusspfad nach dem Sandhof und nach Niederrad. Er
überschritt die Königsbach , hier auch Riedbach genannt, unweit des
Sandhofs auf dem hohen Steg, an der Stelle, wo der alte Main eaarm
durch herabgeführten Sand hoch überdeckt ist. Bis zum heutigen
Tag muss dieser Pfad und dieser Steg dem an manchen Tagen so
unendlich gesteigerten Verkehr genügen. Aber dafür sehen wir auch
an jedem schönen Abend, unbelästigt von dem Staub der Carossen,
« Vergl. Bcnkard, die Reichspaläste zu Tribnr etc.
♦* Erat im Jahre 1864 ist die Verbindung wiederhergestellt worden.
— 2*7 —
so viele Schaaren glücklicher Men sehen auf diesem Pfade durch das
wogende Korn nach dem Walde ziehen.
Oberrad*9 mag älter »ein als Niederrad, das mehr noch in der
feuchten Niederung lag ; beide aber sind , wie wol nicht zu be-
zweifeln sein mag, weit jünger als Frankfurt. Es waren
gewiss ärmliche Rodeplätzo, sie hatten fast keine Ländereien. Es
mögen nur wenige Wohnungen gewesen sein, die unterhalb der alten
Strasse nach Offenbach bei den Quellen in der Nähe der Kirche
aufgebaut wurden. Die Bewohner trieben ihr Vieh in den Frank-
furter Wald, der Viehweg bildete das Ende des Dorfes. Im vier-
zehnten Jahrhundert theilte sich Oberrad mit Sachsenhausen in den
Waldboden, der bis zur Landwehr hin urbar gemacht wurde. Wol
der Streitigkeit wegen über den Wiltbann begünstigte der Frank-
furter Rath dieses Roden. Der neue Berg ist bis auf unsere Zeit
grossentheils mit Reben bepflanzt; diese Cultur hat die Eigentüm-
lichkeit, dass sie, wie in Sicilien, gegen Norden gelagert ist. Die
Sachsenhäuser theilten mit den Oberrädern den Waldboden durch
eine faBt ganz gerade Linie, welche die Gränze der Oberräder Ter-
bildet ».
Es führte nach Oberrad, als es am BergeBabhange sich erhob,
ein Fahrweg von der Quirinspforte ostwärts am Fusse des
neuen Berges hin. Der alte Weg auf der Höhe wurde nach und
nach verlassen. Aber die neue Strasse reichte nur bis Oberrad, dort
bogen die Güterwagen nach dem Viehweg ab, und gelangten mit
Vorspann mühsam auf die alte Strasse, welche Bie weiter ostwärts
verfolgten. Dies ging so bis in das neunzehnte Jahrhundert hinein.
Auf der Höhe ist jetzt diese Strasse von den anliegenden Grundbe-
sitzern eingeschränkt, sie ragt auf und zeigt dass sie die höchsten
Stellen auf dem Berge benutzt. Weiterhin, da wo sie von dem Käs-
berg oder Kessberg nach Offenbach durch eine Hohle herabführt,
gibt sie uns noch getreu das Bild einer alten Strasse.
49 Oberrad hiess sonst Ober Rode, von roden, ebenso Nieder Rode. Die
Wortbildung ist hier verschieden von Ober Roden an der Rodau oder am Ro-
deubach; dies wurde Ober Roda geschrieben.
" Noch zweimal bat Oberrad Stocke des Frankfurter Waldes für den Feld-
bau eingeräumt erhalten, den Kessberg und den Teller. Später haben die
Frankfurter ihren grössten Schatz, den Frankfurter Wald gegeo alle Anforde-
rungen beharrlich gewahrt. Erst unseren Tagen blieb das früher Undenkbare
vorbehalten, dass Abgeordneten der Frankfurter Ortschaften es gestattet wurde,
mitzustimmen über die Verwendung des Frankfurter Waldes.
Digitized by Google
Wie nach Niederrad, bo führte auch nach Oberrad ein Fuas-
pfad vom Thiergarten in Sachsenhausen durch die "Wiesen, über die
versumpften Mainesarme. Die Wiesen und Felder waren zeitweise
nicht gangbar; als die Umgegend von Sachsenhausen bereits ange
baut war, störte noch der alte Mainesarm die Cultur ; an ihm wen-
dete der Pflug, wie noch heut zu Tag die Furchen. Die vereinzelte
Baumgruppe steht auf der alten Insel zwischen den Mainesarmen*1.
Wir wenden uns zu der südlichen Strasse welche nach dem
Hain führte, heute noch der Haynerweg. In der kürzesten Richtung
führte sie von der Affenpforte über den Sachsenhäuser Mainesann,
übersehritt ihn auf schmalem Damme, der leicht durch einen Schlag
gesperrt werden konnte **, und zog gerade aus den Berg hinauf. Bei
dieser Stelle zweigten die jüngeren Strassen ab, rechts zuerst für
den Güterverkehr eine bequemere Fahrstrasse, an welcher die Warte
erbaut wurde; dann nach Westen die nach Mainz und nach Oppen-
heim unten am Fusse des Sachsenhäuserberges hinführende Strasse;
nach Südosten die Strasse nach Ditzenbach und nach Heusenstamm ;
ostwärts die alte Strasse nach Offenbach, endlich am Fusse des
Mühlberges die jüngere Strasse nach Oberrad.
Der alte Haynerpfad war vorzugsweise wol von Fussgängern
und von Heitern benutzt, für Wagen war er zu steil. Diese zogen
gemächlicher der Anhöhe hinauf auf der Strasse, die weiterhin als
der „breite Sandweg14 bezeichnet wurde, sie überschritt südlich der
Sausteige die Königsbach auf dem Saudbrückchen (jetzt beim Men-
dclsohnsplatzc) ; den Kesselbrueh umgehend, gelangte man in die
alte Weilen-Ruh M, nach Sprendlingen und nach Langen. Eis
liegt noch ein grosses Dunkel über der Geschichte der Drei-Eich;
nicht einmal über den Ursprung des Namens besteht eine Nachricht
oder eine Sage. Dicht vor dem Thorc von Dreieichenhain, wo die
»i Auf einer solchen früheren Insel ist auch Rischofsheim bei Bergen ange-
baut. Dass die Ansiedelung nicht auf der rechten Seite des Mainarmes, am
gesünderen Bergesabhang geschehen, dafür lässt sich kaum ein anderer Grand
angeben, als dass dies bessere Lawl schon seinen Eigenthümer hatte. Um das
Knde des vorigen Jahrhunderts erst betrieb es der tüchtige Amtmann Uscner
in Bergen, dass auch der Sumpf getheilt und zu Wiesen umgeschaffen wurde.
« Vergl. Kriegk, Bürgerzwistc S. 260 und Anm. 141. - Der Namo Quirius-
pforte w urde wol von einem der Pförtner entlehnt, es findet sich auch die
Bezeichnung „Molen Porte" von der hohen Kadmühle. cf. Acte Mglb. A. 46
modo CC. Tom. IX.
41 Auch der Weilen Bug. Weil hiess die jetzt fast vertrocknete Bach bei
YBenburg. Kuh, auch in der hohen Mark öfter statt Rüg, Rüge, Gericht.
Digitized by Google
- 249 -
Wege nach Langen und nach Sprendlingen sich scheiden, sollen sie
gestanden haben. Tn dem dicken runden Thurm der Burg hat man
hoch oben einen Römischen Grabstein eingemauert gefunden. Jetzt
steht er unten, an die Kirche angelehnt. Schwerlich hatten die
Römer in diesem Sumpfe sich angebaut Nach einer Mittheilung
von Pfarrer Nebel 54 stiess man kürzlich beim Graben eines Brun-
nens in der Haupstrasse des Ortes auf ein zweites Pflaster, weiter
abwärts auf ein drittes, und etwa acht Fuss tief auf einen Rost von
Eichenstfimmen. Das passte vortrefflich zu einer Burg des Mittel-
alters, aber für einen Römischen Feldherrn hätte doch eine solche
Station fern von der Strasse, in abgelegener Wildniss und im Sumpfe
keine Bedeutung gehabt.
Die deutschen Burgen haben im Ganzen wenig verändernd
auf den Strassenverkehr eingewirkt. Eis waren entweder hochge-
legene Felsen dafür ausersehen, wie Cronberg, Nüringen, Homburg
(Hoe'nberg oder Hohenburg), oder aber sumpfige Stellen, bei welchen
die Sicherheit hinter Wassergräben gesucht wurde, dies bei den vielen
Burgen in der Niederung des Mainthaies, dann bei der Güntersburg,
der Schnepfenburg u. a. m. Diese letzteren waren von geringerer
Bedeutung, sie sind meist zu Höfen herabgesunken, oder ganz ver-
schwunden, wie die Burg der von Buchen oder von Praunheim. An
die erstere aber knüpften sich vielfach jüngere Ansiedelungen,
welchen nicht Ackerbau, sondern allein die Burg Veranlassung war;
sie schmiegen sich an diese an. Homburg scheint ursprünglich gar
keine Gemarkung gehabt zu haben, erst in neuester Zeit soll die
Kirdorfer Gemarkungsgränze aus der Stadt hinaus verlegt worden
sein. Benachbarte Dörfer und Höfe, wie Heuchelsheim, Dorn-
bolzhausen, Niederstedten, schlössen sich dem begünstigteren Orte
an ; indem sie verödeten, wuchs dieser. Aber bis auf die heutige
Stunde führt von der Frankenfurt oder von Bonames kein directer
Fahrweg nach Homburg. Die lange Meile hat nie ordentlich Platz
greifen können.
Es hat jede Zeit ein Denkmal auf oder in den Strassen unserer
Gegend hinterlassen. Als die Waldenser ihres Glaubens wegen ver-
folgt, aus ihren Thälern geflohen, wurde ihnen gestattet, in Walddorf
und in Neu-Ysenburg sich anzusiedeln. Die Ysenburger fanden später
Beschäftigung in Niederrad, sie zogen täglich durch den Wald da-
hin, den Weg, der noch heute der Wälschen Weg heisst ; früher war
»♦ Archiv f. bess. Geschichte 9. Bd. 3. Hft.
Digitized by Google
- 250 -
er als „WälschdorfferWeg" bezeichnet Ergeht nicht gerade aus nach
Sprendlingen, sondern nach dem erst spät gegründeten Neu-Ysenburg.
An dem Niederräder Fusspfad, auf der Anschwemmung welche
die Königsbach über den Bruch oder das Ried herabgeführt, hatte
der Deutsche Orden den Sandhof erbaut Ihm war vom Kaiser die
sumpfige Niederung westlich von Sachsenhausen geschenkt worden.
Die Holzhecke daneben wurde der Stadt überlassen. Streitig-
keiten über den Schaftrieb währten lange Zeit, andere knüpften sich
daran. Der Bau einer Festung sei gegen die Privilegien der Stadt,
um den Graben sei keine Mauer zu gestatten, nur ein schlechter
Rohrgraben sei aufzuwerfen. Auf dem Sandhof, nordwärts, hatte
der Orden einen grossen Schafstall erbaut, von da zogen täglich die
Schafe in den Wald. Durch einen Vertrag wurde ihr Weg be-
stimmt. Zwei Reihen von Marksteinen, auf der einen Seite mit F,
auf der andern mit dem Kreuze bezeichnet, erinnern
die Grenze der Holzhecke und der deutschherrlichen Berechtigung.
Bei dem Försteracker steht der Scbäferstein No. 1, bei der
Mainzerstrasse No. 4; im Walde ist noch ein Graben zu erkennen,
welcher die Richtung nach dem Königslacher Bronn einhält. Er
zeigt uns die grosse Breite der damaligen Strasse. Beim Nieder-
räder Bruch, am Gartenzaun des Forsthauses, steht No. 11. Von da
wandte sich der Zug südlich, nach dem Hohlweg und dem Ysen-
burger Loog, wo der Stein No. 37, westlich der Main-Neckarbahn,
etwa eine Ruthe nördlich vom Grenzgraben, den Schluss bildet
Weiter östlich ziehen sie zurück nach der Königswiese.
Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde für den Wald
eine bessere Bewirtschaftung eingeführt. Die vielen Wege welche
ohne Ordnung durch den Wald liefen, wurden beschränkt, gerade
Strassen gebaut. Am 28. Mai 1729 war unfern der Königslache der
Grundstein zu einem Oberforthause gelegt worden; dort wurde die
Mainzerstrasse vortibergeftthrt, nachdem sie sonst bis zu den Schäfer-
steinen „wüstes Land aus puren Strassen bestehend" gewesen. Ihre
Breite wurde auf 80 Schuh ermässigt. Im Jahre 1728 war bereits
die „neue Darmstädterstrasse" über Ysenburg abgesteckt, ebenso die
neue Mehrfelder Strasse, „so Ihre Durchlaucht der Herr Landgraff
von Darmstadt mit eigner hoher Hand abgesteckt und durchhauen
lassen". Die „neue Schnaidt* vom Sandhof nach dem Oberforsthause
wurde im Jahre 1754 gehauen ; um dieselbe Zeit auch eine Schnaidt
vom Oberforsthausc nach dem Weylcr-Ruhe Forsthaus bei Neu-
Ysenburg. Auch der Ricdhöfer Weg nach Niederrad wurde in eine
gerade Linie gemacht.
Mit den Deutschen Kaisern sanken auch die Schöpfungen ihrer
Zeit, die Reichsstädte verloren ihre Bedeutung, mit ihnen verstummte
das geräuschvolle Leben auf den Strassen die dahin führten. Worms
und Oppenheim sind den Frankfurtern jetzt fast unbekannte Städte,
und auch die Treburer sind fremd geworden in der verwandten
Stadt Die reichen Bauern von llassloch, Trebur und Königstedten
fahren einmal des Jahres , im Herbste, nach Frankfurt, um ihr Kraut
auf den Markt zu bringen; sie gelten dort flu* Gerauer Bauern.
Aber die alten Wege haben sich doch erhalten. Als man sich bemühte
im Anfang des vorigen Jahrhunders die vielen Wege, welche den
Wald durchzogen, zu beseitigen, andere einzuschränken, so nament-
lich die Mainzerstrasse „auf der Königshaide wüstes Land aus puren
»Strassen bestehend", glaubte man dies durch einen blossen Erlas»
bewerkstelligen zu können. Aus einem Plan, den teutschherrischen
Schaftrieb betreffend, ergiebt es sich wie weit man dies beabsich-
tigte. Es ist darauf noch verzeichnet: der alte Welschdorffer Weg
von Niederrad nach Ysenburg „so dermalen abgeschafft"; die alte,
breite „nun abgeschaffte Sandstrasse", „der Tränkweg ist abgeschaflt",
„die Zwergstrasse ist abgeschafft", die Kreuz- oder Königstedter-
strasse „ist abgeschafft", der Diebsweg am Lieferstein vorüber, wo
die Gefangenen sonsten abgeliefert worden65, „ist nun abgeschafft",
die Gundtbofferstrasse „ist abgeschafft" — und alle diese alten
Strassen bestehen noch bis auf den heutigen Tag, und gerade diese
alten, gewundenen Waldwege, wie der Wälschenweg, diese Pfade
voll wunderbarer Romantik, geben unserm Walde den grössten Reiz.
Wie gerne entbehrten wir daneben die drohenden neumodischen
Parkanlagen.
Auch auf der Oppenheimerstrasse, der Geleitstrasse Uber Mehr-
felden, nahm der Verkehr ab, es blieb aber das Geleit mit allem
Unwesen. Bei der Königsbach, am Schlag, wurde es überliefert mit
den lüderlichen Dirnen, die zur Messe zogen; nach ihnen wurde die
Königsbach selbst, vom Austritt aus dem Walde an, die Jungfern-
oder Frauenbach genannt, zuletzt erhielt sich der Name: Luderbach.
Im Jahre 1788 wurde wegen Regulirung und Chaussirung dieser
Strasse zwischen den betheiligten Regierungen eine Vereinbarung
getroffen; sie sollte vom Apothekerhofe am Riedhof und Forsthaus
vorüber in gerader Linie nach der Gehspitz8* geführt werden; die
« Vergl. Grimm, Rechts-Alterth. S. 874.
sc Gehspitz — such Göhspitz — wol von jäh, weil daselbst der Wald und
die Gränze sich ausspitzte. So lag anoh eine Schenke an der westlichen Seite
von Eschborn auf der Gehspitz, dicht an der alten Königsteiner Strasse.
- 252 -
alte Geleitstrasse , an der Ziegelhütte vorüber, sollte eingehen, das
Ueberlieferungsmal versetzt, auch die unter einem Zelte bei dem
Schlag am Schaf hof 57 von Seiten der Reichsstadt Frankfurt gege-
bene Collation furter auf dem Riedhof gegeben werden. Die neue
Strasse wurde bis auf die Gränzc beendigt und befahren, das Geleit
aber noch lange auf der, bald ungangbaren, alten Strasse aufge-
führt, weil die Form des Recesses fürstlich Ysenburgischer Seits
beanstandet worden war.
Mit dem Deutschen Reiche brachen diese Formen ohne Leben
zusammen. Die Sonderstellung der Territorialherren trat jetzt noch
entschiedener hervor; die Strassen wurden möglichst nach den Resi-
denzen geleitet; die Chaussee nach Oppenheim ist unvollendet ge-
blieben.
Wie in der Fahrgasse schon längst die Spuren der Strasse zur
Frankenfurt tiberdeckt sind, so werden nun bald auch auf der Sach-
seiihauserseite die Neubauten vor dem Affenthor die letzten Reste
dieser Strasse verschwinden raachen. Tief unter der neuen Mühl-
bruchstrasse sind sie jetzt noch auf einer kleinen Strecke zu erkennen,
einige Schuh erhaben über dem sumpfigen Grunde, von Mäuerchen
gestützt oder getragen. Im Jahre 1807 waren Verhandlungen über
Erweiterungen dieses Weges und über Reparatur. Die Mauer am
Frankenstein'schen Grundstücke hin war schadhaft, von „Staatspoli-
zei wegen" wurde Wiederherstellung angeordnet58. Zufolge des Be-
richtes von Stadtbaumeister Hess lag der Steinweg um Vieles höher
als die beiderseits daran stossenden Gärten. In diese herab führten
von dem Pflaster Abzugsdohlen für das Regenwasser. Die Mauer,
so hiess es, gehöre dem Eigcnthümer, dieser habe aber servitus
oneris ferendi, müsse wegen Verstärkung der Mauern Land von
seinem Grundstücke hergeben. Herr von Frankenstein wollte wol
Land zur Erweiterung hergeben, aber die Kosten der Mauer, welche
auf fl. 295 angeschlagen waren, wollte er der Stadt überlassen. Es
wurde damals von Breiterlegung und Anlage einer Chaussee statt
des schmalen Stein wegs, der Kosten wegen, abstrahirt. Im Jahre
1810 kam die Erweiterung der Landstrasse wieder in Anregung.
Diese sei bei dem Jassoy 'sehen Garten so eng, dass nicht zwei Wagen
sich ausweichen könnten. Der Dircctorialrath Guiolette erstattete
desshalb Bericht Die ganze Gegend gewinne jetzt bei Abtragung
« Die wenigen alten Mauerreste ohnfern der Ziegelhätte stammen wol von
diesem Schafhofe.
» Vergl. Acta üglb. A. 21. Nr. 3.
-
Digitized by Google
der Festungswerke eine andere Gestalt; es möchten die Kosten aus
der Demolitionscasse genommen werden. Wenn mit den Besitzern
eine Verständigung nicht zu Stande käme, so würden dieselben
schuldig sein „der Strenge nach" die „verkäufliche Abtretung selbst
um den Taxationspreis" sich gefallen zu lassen.
Es wurde in dem genannten Jahre die neue Chaussee westlich
von der alten Strasse aufgeschüttet, und so über den früheren Sach-
senhäuser Mainesarm geführt Der alte Steinweg wurde entbehrlich.
Die Pyramide an der Quirinspforte verschwand 5».
Es hat jetzt wieder eine neue Zeit begonnen. Im Anfang dieses
Jahrhunderts ist die Strasse nach dem Rheine wieder auf die rechte
Mainseite verlegt worden. Aber die alten Steinstraasen gentigen nicht
mehr, Eisenstrassen verbreiten ihr Netz mit wunderbarer Schnellig-
keit Als zuerst es galt Frankfurt mit dem Rheine auf diese Weiße
m Verbindung zu setzen, wirkte die Stadt selbst dahin, dass die
neue Eisenstrasse auf die rechte Mainseite gelegt werde. Andere
Interessen haben auch für das linke Mainesufer eine zweite Eisen-
strasse entstehen lassen; so sehen wir jetzt beide Ufer zugleich dem
Bedürfnisse unserer Zeit dienstbar. Und wie ein Ufer nicht mehr
genügte, so hat auch die alte Furt nicht mehr den neueren Forde-
rungen entsprochen, eine zweite Brücke musste erbaut werden. Sie
war noch nicht vollendet, als am 18. September 1848 das erste Deut-
sche Parlament in der Paulskirche sich bedroht sah. Hessische Ar-
tillerie, welche die alte Brücke gesperrt fand, rückte auf demEisen-
babndamm nach der neuen , wo man beschäftigt war Bohlen auf die
Eisenschienen zu legen, denUebergang zu erleichtern. Als dies dem
Zwecke nicht entsprach, commandirte Hauptmann Becker ein Marsch !
und die Kanonen rasselten hinüber. So wurde die neue Verbindungs-
strasse eingeweiht
Wir leben jetzt in einer grossen Zeit. Allerwärts regt sich das
Streben das zu vollenden, was frühere Jahrhunderte Schönes und
Gutes begonnen. Der Wust wird entfernt, den eine traurige Ver-
gangenheit angesammelt. Es bewegt sich wieder der Krahnen, der
so lange auf den Thürraen ein unverstandenes Mahnzeichen war;
Baumaterialien hebt er hinauf das Herrlichste zur Vollendung zu
59 Im Jahre 1764 wollte der eburmainzische Beamte von Steinheim, der die
längst abgerissene Quirinspforte nicht fand, das Geleit bis an das Sachsen-
häuserthor führen. Es entstand darüber eine grosse Aufregung. Vor der
Wahl Leopolds wurde darauf, im Jahre 1790, eine etwa 8 Fuss hohe steinerne
Pyramide mit Inschrift: „Quirinspforte" errichtet.
— 25* —
bringen«0. Die Frankenfurt die in kriegerischen Zeiten dem Krieger
diente , sie belebte sich später im friedlichen Verkehr der
Stammesgenossen, sie bildete das Band, das den Norden mit dem
Süden verknüpfte. Den Anwohnern war vorzugsweise die schöne
Aufgabe geworden dies Band fester zu schlingen, den Gedanken
des grossen Kaisers zu höherer Vollendung zu bringen. Mit der Er-
füllung dieser Aufgabe wuchs ihre Bedeutung und ihr Glück. Von
dem Rheine wurde die Wahl und die Krönung des Reichsoberhaupts
nach der Frankenfurt verlegt, und nocli jetzt hat das Co 1 legi uro,
welches bestimmt ist die Theile des deutschen Reichs zusammenzu-
halten, hier seinen Sitz. Es mag darum nicht unpassend sein in
unsern Tagen an die Bedeutung der Frankenfurt und an die Auf-
gabe der Anwohner zu erinnern.
Im December 1864.
(0 Tn Frankfurt zwar ist man vielfach der Ansicht, unvollendet sei der
Pfarrthurm schöner!
Das Recht in der hohen Mark,
mit besonderer Berücksichtigung der angrenzenden Seulberg- Erlenbaeher etc. Mark.
Von Dr. Friedrich Scharff.
Einen Wald doch kenn' Ich droben
Kauschend mit den grünen Kronen,
Stämme brüderlich verwoben,
Wo das alte Rocht mag wohnen.
Manche auf Bein Rauschen merken
Und ein neu Geschlecht wird starken
Dieser Wald zu deutschen Werken.
Eiohendorff.
In einem früheren Aufsatze 1 ist versucht worden eine Uebersicht
zu geben, welcher Art die Verhältnisse der hohen Mark im Taunus
gewesen, wie sie sich entwickelt, wie sie nach eingerissenen Miss-
bräuchen zur Th eilung hingeführt. Die Thatsachen, zum grösseren
Theile einzelnen Akten des Homburger Archivs entnommen, waren
nur fragmentarisch zusammengestellt. Seitdem sind die Akten des
Frankfurter Archivs mit danken b werther Freundlichkeit mir eben-
falls zur Einsicht gestattet worden9; ich fand mich dadurch veran-
lasst noch eine besondere Aufmerksamkeit den rechtlichen Verhält-
nissen dieser Mark zu schenken und sie, soviel als möglich, zusammen-
zustellen mit den Einrichtungen der Seulberg- Erlenbacher etc. Mark.
Die Begriffe von dem Recht der Märker, der Befugniss des Wald-
i Archiv für Frankf. Gesch. u. K. II. S. 318.
> Eine Bemerkung von Jacob Grimm in der Vorrede zum 4. Bande der
WeisthUmer, eine weitere auf S. 326 des trefflichen Werks Uber die Gau- und
Markverfassung in Deutschland, von Thudichum, zeigen unB, wie sparsam noch
dem Gelehrten die Brosamen zugemessen sind, aus denen er die Wissenschaft
fortzubilden hat, und wiesehr die Bereitwilligkeit anzuerkennen ist, mit welcher
derzeit das Frankfurter historische Arohiv auch einem grösseren Kreise zu-
gänglich gemacht wird.
— 256 -
potten, von der Stellang der Regierungen den Märkern sowohl gegen-
über wie dem Waldpotten, hier in dem Herzen Deutschlands zur
freiesten Darlegung gekommen, werden auch weiterhin mit Interesse
verfolgt werden. Sie werden nur in geschichtlicher Entwickelung
vorzuführen sein, da das Recht in den verschiedenen Zeiten ein sehr
verschiedenes gewesen, man auch hier verstanden Unrecht zu Recht
zu machen. Die staatlichen Verhältnisse unseres Vaterlandes, welche
gerade jetzt wieder zu ordnen und festzustellen Bind, weisen uns be-
sonders auf die Zeiten zurück, in welchen die Gemeinde- und Marken-
verhältnisse sich gestaltet, auf die Menschen und Gewalten welche
dabei mitgewirkt, auf die Sitten und Gewohnheiten welche treue
Liebe und ängstliche Fürsorge ausgebildet, auf die Umwandlung
welche Trägheit und Mangel an Selbstvertrauen und an einträchtiger
Opferbereitwilligkeit gebracht. Wir wollen beginnen mit dem Zu-
stande, wie nach Ausweis der ältesten Urkunden die Rechtsverhält-
nisse der hohen Mark beschaffen gewesen, dann Ubergehen zu dem
Kampfe welchen sie mit List und Gewalt zu bestehen hatten, endlich
den Zustand vor Augen legen, in welchen die Märker nach ihrem
Unterliegen gerathen waren. Es soll Uberall der Wortlaut des
Frankfurter Archivs, wo es zweckmässig scheint auch die Schreib-
weise, möglichst beibehalten werden.
Nirgends findet sich die geringste Andeutung, dass das Land
am Fusse der Höhe je den Ansiedlern oder den Ortschaften ge-
schenkt oder Uberwiesen worden ; alles deutet vielmehr darauf hin,
dass das Recht derselben auf das erste Ausroden, auf die erste Be-
sitzergreifung zurückzuführen sei. Und wie das Fruchtland, so er-
warben die ersten Ansiedler den Wald, sie benutzten ihn als AI1-
raeinde s. Da er gross genug war, wurde auch den später hinzu-
kommenden Ortschaften der Mitgenuss leicht gewährt. Es ist glaub-
lich dass die sämmtlichen Waldungen des Taunus oder der Höhe
zu der Römer Zeiten allen umliegenden Ortschaften als Gemeingut
gehörten *. Die Abtheilung in kleinere Markgenossenschaften fand
wol erst später durch die Merovinger oder durch Karl den Grossen
statt; die Hohemark ist nur der Rest, wol auch war sie der Kern
der früheren Höhemark. Ihre Gränzen fallen westlich, wenigstens
3 Vergl. Curti, Beleuchtung der Ansprache des Klosters Pfävers auf sämtut-
liche Wälder und Allmeinden der Gemeinde Vättis. St. Gallen 1831.
♦ J. Grimm bat in den Rechts-Alterthümern S. 495 in der Note die Ansicht
ausgesprochen , dass schon zu des Tacitus Zeiten unter den Deutschen festes
und geregeltes Grundeigenthum gegolten.
Digitized by Google
- 257 -
theilweiae, mit dem Römerwege vom vicus novus nach dem Feld-
bergacaatell zusammen, östlich aber mit dem weit älteren Wege
vom Taunusübergang bei der Saalburg nach Seulberg oder Esch-
bach. Auf dieser Seite scheint der Römerweg vom vicus novus nach
der Saalbarg wenig benutzt und neben den älteren, naturwüchsigen
Wegen einerseits nach Seulberg und Obereschbach, andererseits nach
Stedten sehr bald in Vergessenheit gekommen zu sein. Er bewal-
dete sich allmählig. Auch gegen Norden bildete der Pfalgraben
auf kleineren Strecken eine Gränze. Die Schwierigkeiten welche
einer zweiten Tbeilung im Anfange dieses Jahrhunderts nach dem
Verfall der Markeinrichtungen sich noch entgegenstellten, sprechen
dafür, dass die erste Theilung eine erzwungene gewesen, durch Ge-
walt herbeigeführt, nicht durch freie Bestimmung. Es war mit dem
Schwert durchgehauen worden, nicht war eine durch irgend ein Be-
dürfnis!* als wünschenswertli erkannte Scheidung erfolgt. Stciubach
blieb markberechtigt ebenso in der Cronberger Mark, wie in der
Hohen Mark; Niedererlenbach in der Hohen Mark zugleich in der
' Erlenbacher Mark; Köppern in dieser letztgenannten und in der
Rodheimer Mark. Mancher Streit ist daraus erwachsen.
Einen Nachweis über das hohe Alter der Hohen Mark liefert
die Bestimmung welche den Hegwald „auff der Strassen1' betrifft.
Im Weisthum von 1401 heisst es darüber : „Hauwet aber eyn Wal-
pode in der gebückten Hegemarg, so sol der lantman nit bussen, ob
er daraffter auch darjnne heuweta Bestimmter bezeichnet das In-
strument von 1484 diese Hege. „Item hauwet jemandt und thut
Schaden in der gebickten Hege auff der Strassen, und wird geiilget,
der ist dem Waltbotten mit zehen Gulden zu Peen verfallen, und soll
ein Waltbott auch selber kein Schaden darinn thun. Wo er aber
das tliät, soll er dem Landtmann bussen." Wo waren diese Strassen ?
Es geben darüber spätere Verbandlungen Auskunft; es waren dies
die alten Strassen von Stedten nach dem Weil- und Usathale und
von Eschbach nach Wehrheim. Wie alle alten Strassen des Taunus,
welche einen wichtigen Zugang oder Uebergang bildeten, zur Ver-
teidigung mit einem Gebück auf beiden Seiten versehen waren, so
auch diese. War die Strasse durch einen Verhau geschlossen, oder
wie wir jetzt sagen verbarricadirt, so wehrte das Gebuck dem wei-
teren Vordringen der Feinde zur Seite der Strasse. Dies war dess-
halb unter einen besondern Schutz gestellt und ebensowol der Wald-
pott wie die Märker bei Beschädigung mit einer Strafe bedroht5.
» Die gleiche Strafe von zehn Gulden finden wir im Rheingau wieder, auch
dort war das Gehen oder Kriechen durch das Gebück, ja das blosse Abschnei-
17
Digitized by Google
— 258 -
Indem aber die Bedeutung des GebUcks Bich verlor, schwand auch
das VerständnisB des betreffenden Gesetzes. Der Waldpott nahm die
Hege an den Strassen als sein Eigen in Anspruch, die Märker glaub-
. ten ihm nur gewisse Rechte daran zugestehen zu müssen; Streitig-
keiten entstanden Uber die Gränzen des Bezirks, wie der Gerecht-
same. Anstatt die ganze, zwecklos gewordene Verfugung aufzuheben,
berief man sich immer noch auf das Herkommen dessen Absicht man
schon um das Jahr 1400 nicht mehr verstand.
Oberursel. Es scheint Oberursel in früheren Zeiten der wich-
tigste Punct an der Höhe gewesen zu sein. Vielleicht war es seine
Lage, welche dasselbe zum Vereinigungsort der MarkgenosBen ge-
macht Dies Vorrecht ihm zu entreissen ist dem später aufstrebenden
Homburg bis in die letzten Zeiten der Genossenschaft nicht gelungen.
Wäre die Einsetzung des Waldpotten ein Werk der Märker gewe-
sen , so würde der Sitz des Schirmherrn bald der natürliche Ort der
Zusammenkunft der Beschirmten geworden sein. Aber so lange, so
weit die Geschichte der Mark verfolgt werden kann, zeigt sie uns
einen Kampf des Schirmherrn und der Beschirmten, ein starres
Festhalten der Märker an ihrem alten Herkommen, ein stets sich
gleich bleibendes Misstrauen derselben gegen den Obristen Mark er
und Waldpotten.
Ein Vorzugsrecht oder eine besondere Pflicht, vielleicht aus der-
selben Veranlassung, könnte für Oberursel aufgeführt werden , die
Pflicht den Wald zu löschen, wenn er zu brennen anging. Das war
im Art. 12 des Instruments von 1484 vorgesehen und als die Urseller
in dem Streite über die Wiesen an der Hünenburg zu Ausmär kern
erklärt werden sollten, protestirten sie im Jahre 1592 gegen die Aus-
schliessung, und die Märker stimmten ihnen bei: es seien „in der
Marckordnung etliche Articul so die Urseller insonderheit berühren,
also dass sie die Marek leschen uff den Fall darin entstandener
Feuersbrunst" ; dies hätte bei der Ausschliessung geändert werden
müssen. (Mglb. E. 29. L)
Die Hohe Mark ist wol auch „Urseller Marek0 oder „Homburger
Marek" genannt worden. Die letztere Bezeichnung liebte der Wald-
pott und seine Beamten, die Märker aber widerstrebten. Auf dem
Märkerding vom 22 Mai 1583 legte Jost Vestenborger, der Keller
von Homburg, eine neue Ordnung „der Homburger Marek" vor, ob
den einer Spiessgerte verpönt. Vcrgl. Bodraann, Rheingauer Altertbümer
II. S. 319.
die Märker dieselbe annehmen wollten. Diese wiesen sie von der
Hand, weil sie ein gut alt Instrument hätten. Als drei Jahre später
die gleiche Anforderung wieder gestellt worden, bemerkten sie „die-
weil ein zeitlich hero der Oberste Waltpott ein Herr der Mark,
und die Höhe Marek die Homburger Marek benannt wöll werden;
wofern dann das dem Eygenthumb und der Märcker riecht unab-
brüchlich verstanden würde, weren sie damit zufrieden. Im Fall aber
künftiglich etwas anders daraus erzwungen werden solt, piotestirten
sie gegen solche Namen und wüssten die nit anzunehmen oder zu
approbiren". Dagegen behaupteten dio hessischen Gesandten „eswere
die Marek vor Alters die Hornberger Marek genennet worden, bei
dem Namen solle es auch hinforter billig vcrpleiben". Der Märker
Ausschuss aber erwiderte mit anderra darauf „so viel die neue Be-
nennung berühre, were der AusBchuss zufrieden das die Mark die
Höhe Mark (wie vor Alters) und nicht die Homberger oder Urseller
Mark mit neuem Namen genannt würde.0
Umfang der Hohen Mark. Gewiss unifasste ursprünglich
die Höhe Mark das ganze Gebiet von der Nidda bis auf die Höhe
hin, zur Weil und vielleicht zur Usa. Wenn allmälig auch das Frucht-
feld mehr und mehr getheilt und abgegränzt wurde, so blieb doch
der alte Begriff der Gesammt-Mark bestehen 6, Märker war der Be-
wohner dieser Mark, er hatte das Kocht an der gemeinsamen Be-
natzung des ungetrennt gebliebenen Markwalds Theil zu nehmen.
Dieser Wald wurde dann vorzüglich verstanden unter der Hohen
Mark , er war durch einen Graben , die Landwehr, abgeschnitten von
dem Felde, zugänglioh nur auf Strassen, welche durch einen „Schlag0
gesperrt werden konnten. Ein solcher Schlag wird namentlich aufge-
führt im Häuserfeld bei Oberursel und bei Oberstedten. Durch Ein-
rodung wurde im Verlauf der Jahre noch manche Strecke Waldes
auch jenseits der Landwehr der Gemeinheit entzogen.
Die Bezeichnung selbst „die Höhe Marek" weist darauf hin,
dass, wie bereits bemerkt, diese Mark vor Zeiten die ganze Höhe,
oder den Taunus, umfasst habe, dass erst im Laufe der Zeiten ein-
zelne Bezirke davon, westlich und östlich, sind abgeschnitten wor-
den. Die Hohe Mark blieb immer noch die bedeutendste, sie behielt
auch den alten Sammelplatz der Märker, die Aue vor Oberursel,
und in ihr ist der alte Geist wol am längsten lebendig geblieben.
« üeber die Herleitmig dos Wortes „Mark" 8. Grimm, Rechtsalterthümer
S. 494 ff.
17*
Dies zeigt sich schon wenn wir sie mit der Seulberger-, Erlenbacher-
etc. Mark zusammenstellen. Schon der Name legt uns hier bei der
letzteren, ebenso wie der Versammlungsort, vor Augen, dass diese
Genossenschaft willkürlich gebildet worden ist, wo nicht gewaltsam.
Sie hatte keinen natürlichen Mittelpunct, die dazu berechtigten Ort-
schaften waren alle von ziemlich gleicher Geltung, Seulberg, Ober-
und Nieder -Erlenbach, Petterweil, Holtzhausen und Köppern. Nur
letzteres, welches jenseits der, die Grenze der Mark bildenden Köp-
pernerbach gelegen ist, auch bei der Rodheimer Mark betheiligt
war, trat oinigermassen zurück. Das meiste Gewicht scheint in älte-
ren Zeiten in Ober -Erlenbach gelegen zu haben. Als Ort für das
Märkergeding war ein Platz auf freiem Felde, auf der Mainzerstrasse,
bestimmt, so ziemlich in der Mitte zwischen den Ortschaften, allen
gleich günstig, oder gleich ungünstig gelegen Kein Baum, keinerlei
Vorrichtung schützte hier den Märker bei Wind und Wetter. Als im
Jahre 1539 Diether Gewend, der Keller zu Homburg, die Seulberger
zu sich auf einen besonderen Ort nahm, haben die andern Märker
„nit nachfolgen wollen, und sich alsobald ein Irrthumb des Platzes
uff welchem man Merckergeding zu halten pflegt erhoben". Es behaup-
teten die andern Ortschaften „uff dem Platz und breiten Wege dar-
auf sie stunden, welches der Menzer Wege genannt, were das Mer-
ckergeding gehalten worden von Alters her". Man- verglich sich
dass die ehesten Mercker sollten auf den Platz treten, wo das Mer-
ckergeding von Alters her gehalten were worden. Dies geschah:
es war ein Graben vor kurzem dahin gemacht worden. — (Mglb. E.
30. II b. 173.) — Nach dem offen Instrument von 1486 ist die Ver-
sammlung gewest „uff eym flecken Züschen Sulburg, Hultzhusen
und Obern Erlebach da man das Merckerding über die Irlenbacher
Margk gewonlichen pfleget zu halten". In dem Abscheit von 1488
heisst es: „uff der weyde bij Obern Erlebacha. Dann wieder im
Jahre 1498 ist „man abermals uff dem flecken ober Obern-Erlebach
am Merckergeding gewest". (Mglb. E. 30. No. 2.) —
Auch die Wiesen waren allmälig der hohen Mark entfremdet
worden, wenn auch einige, so namentlich die Schreierwiese, bis zur
Theilung dabei verblieben. Allem eigentümlicher Weise blieben die
auf den Wiesen stehenden Waldbäume Eigenthum der Märker. Es
fand hierüber am 26. Juni 1595 eine Verhandlung zu Homburg statt;
es wurde vorgelegt, dass Kilian Kühn, ein Bürger von Oberursell
einen Eichenstamm in seiner Wiesen an der Hünerborgk, in der
Höhe Mark gelegen, abgehauen und heimgeführt; ist von Phil. Wolfis,
Märkermeister umgefragt worden, ob nicht solcher Stamm den sämmt-
Digitized by Googl
— 261 —
-
liehen Märkera zustehe. Die Urseller behaupteten solche Stamm ge-
hörten denjenigen, dessen die Wiesen eigenthümlich wären, diesel-
bigen könnten selbiger Stämme ihres gefallens sich gebrauchen. Da
aber aus dem Steinbuch und aus der Markordnung zu ersehen, dass
alle Stämme, so in Wiesen innerhalb der Mark gefunden werden
den sämmtlichen Märkern eigenthümlich zustehen, als haben sämmt-
liche Märker (exceptis Ursullanis) gedachten Kilian Kühn wegen
frevels zur Ruhe (Rüge) und straff verwiesen. Man nahm keinen
Anstand so in eigner Sache zu entscheiden.
Wie bei der Hohen Mark Homburg den Namen, der Homburger
Marek gerne eingeführt hätte, so liebten es die Homburger Beamten
die benachbarte Mark nach Seulberg, welches zur Homburger Herr-
schaft gehörte, zu benennen. Die Beamten von Frankfurt zogen
ihrerseits die Bezeichnung „Erlenbacher Marek" vor7, die Märker
selbst aber, da sie alle Ortschaften nicht wol nennen konnten, sagten
stets: Die Seulberger-, Erlenbacher- etc. Marek. Dies etc. fehlt
in den älteren Documenten fast nie. Die Ortschaften hielten darauf
dass die Gleichberechtigung gewahrt bliebe8. Die Unzweckmässig-
keit des Platzes auf dem das Märkerding gehalten wurde, trug wol
dazu bei, dass in dieser Mark frühe schon Vorsammlungen der
Ortsvorstände, der Markhäupter, zugelassen wurden, bei welchen die
Markordnung berathen, diese dem Märkerding später nur zur Be-
stätigung vorgelegt wurde. Diese Vorversammlungen der Markhäup-
ter fanden abwechselnd bei einem der Wirthe statt, doch wol am
meisten in Ober -Erlenbach. So finden wir sie im Jahr 1590 auf
Donnerstag nach Oculi zu Ober-Erlenbach in Joh. Beckers Wirths-
behausung. Die Schultheissen und Märckermeister erschienen dort
und haben sich mit dem Homburger Anwalt allda »bequemlicher
Gelegenheit halben, (weil sonsten dem Instrument oder Weissthumb
nach die Marek .... auf derAuwe in der Lohe zwischen Seulberg
und Erlenbach, genant Maintzer Bisthumb bestellet und versehen
werden sollte) einer gewissen Weise und Ordnung erregter Margk
zum besten untereinander vereiniget, verglichen" .... Im darauf
folgenden Jahr 1591 war die Vorversammlung wieder zu Ober-
4
' Id den Protocollen oder Berichten ist dies indess ebensowol auf Ober-
Erlenbaob, wie auf Nieder-Erlenbach bezogen. Im Jahre 1539 heisst es : Bericht
Aber die Sewelberger und obern Irlebecher Gemark; im Jahr 1541 aber „Mark-
Oeding der Sewlnburger fdder Nidderlrlenbecher gemarck".
« Bei Gelegenheit der Beschwerden gegen den Waldpotten wird im Jahre
1GU6 anch die Bezeichnung: Nidder-Erlenbach und Holtzhauaer Mark gebraucht
Digitized by Google
- 262 -
Erfenbach; im Protocoll findet sich die Entschuldigung, dass nach
dem Instrument zwar die Zusammenkunft in der Lohe zwischen
Seulberg und Erlenbach auf der Awe genannt Maintzer Biesthumb
statt haben solle, „aber von wegen der Ungclegenheit des Orts, auch
des unbeständigen rauwen zeittig furgefallnen ungewitterß alterß
her woll angeordnet worden, daß man den Donnerstag zuvor in der
Marckflecken einem zusamenkommen und sich einer gewissen Ord-
nung (welche nachmals auf dem Merckergeding an gewöhnlicher
Mahlstatt publiciret worden) vorglichen hat0. Im Jahre 1592 kommen
die Markhäupter in Petterweil auf dem Rathhause zusammen, 1593
und 1596 erscheint der Ausschuss wieder zu Ober-Erl enpach in Joh.
Beckers Würts Behausung auf der ober hinder stuben gegen der
bache; 1596 zu Petterweill in der gemeinen Hcrbcrg, 1599 wieder
zu Ober-Erlenbach in der Herberg zum weissen Ross in der oberen
Stube; 1602 zu Köpffern in Jost Schweitzers Gastli alters Behausung;
16<)3 zu Köpffern in Conrad Lorey Schultheissen, Behausung. —
(Mglb. E. 30. III.) 9 —
Urkundliche Quellen. — Die Akten welche uns über die
Hohe- und über die Seulberg- Erlcnbachcr- etc. Mark aufbewahrt
sind, gewähren uns vielleicht einen tieferen Blick in die vorgeschicht-
lichen Zeiten derselben, als die wenigen, zum Thcil räthselhaften
Aeusserungen , welche Römische Schriftsteller uns darüber hinter-
lassen. Wir finden, abgesehen von der Römischen Herrschaft in die-
sem Lande, nicht eine einzige Andeutung, dass die Verhältnisse da-
selbst je eine durchgreifende Aenderung erlitten , weder einen
herrschenden Stamm noch einen besiegten, keine Sage von einer
allgemeinen Aus- oder Einwanderung. Das Volk ist aus dem Boden
in allen seinen VerhiUtnisscn erwachsen und mit ihm verwachsen.
Es scheint dass eine, von allen zur Hohen Mark Betheiligtcn
als maassgebend anerkannte ProtocollfÜhrung, eine urkundliche Fest-
stellung der Verhandlungen und Beschlüsse, in den älteren Zeiten
wenigstens, nicht angeordnet war. Die ältesten vorhandenen Auf-
zeichnungen über die Märkerdingo, aus dem Anfange des 15. Jahr-
hunderts, wenn sie im Wesentlichen auch dasselbe berichten, sind in
'•> Es mag nicht überflüssig sein hier auf andere, ähnliche Verhältnisse hin-
zudeuten. Als nach den kirchlichen Spaltungen Appenzell Innerroden von
Ausserroden sich trennte, behielt erste res den alte* Landsgemeindeplatz im
Dorfe selbst bei , dos letztere wechselte aber nun ab mit einer Laudsgemeinde
in Huntwyl und in Trogen.
Digitized by Google
der Fassung oft ganz verschieden. Die Abgeschickten der Herrschaf-
ten haben wol jedesmal, oder doch gewöhnlich, einen solchen Bericht
eingereicht, nicht immer war er unterzeichnet 10. Der gemein Märkcr,
der lantman, liebte nicht die schriftliche Feststellung der Verhält-
nisse, für ihn zeichnete Niemand ein Protocoll auf. Bei vielen Ge-
legenheiten tritt sein Widerwille vor dem sich fest binden in ge-
schriebenem Wort deutlich zu Tage, er verlangt dass man aus
lebendigen, unparteiischen Zeugen" das Recht darthue. Nur in
seltenen Fällen, so z. B. bei Gelegenheit der Weisung von 1484,
haben die Märker selbst „eine Verzettelung0 überreichen lassen.
In späteren Zeiten hatten freilich auch die gem. Märker ein beson-
deres Archiv in Oberursel, und im Jahre 1782 wurde sogar beantragt,
dass jedesmal den Markschultheissen der Hauptortschaften die Ab-
schriften der abgehaltenen Protocolle ausgefertigt würden". (Mglb.
E. 31. II. 169.)
Der Waldpott seinerseits hatte nicht nur ein Archiv, sondern
wusste es auch sehr gut zu verwenden ; doch sind regelmässige Pro-
tocolle wol erst nach Einführung des Markschreibers üblich gewor-
den. Ein Buch in l^uart mit dem Titel „Hocher Marek Protocoll, ahnge-
fango Anno 1600" geht bis zum Jahre 1700. Wahrscheinlich sind
deren noch mehre in dem Homburger Archiv. Gar nicht selten berief
sich der Waldpott auf frühere Beschlüsse, deren sich der gemein
Märker nicht mehr erinnert, oder deren Existenz er geradezu be-
streitet. Besonders gilt dies von dem unheilvollen Beschluss des
Jahres 1547. In solchen Fällen wandte sich der Märker wol an
seine Herrschaft, die dann „Zettel und Instrumente" vorbrachte.
Bei Gelegenheit der Aufstellung von Beschwerden und Gegen-
beschwerden i. J. 1702—1703 bemerkte man Ilomburgischcrseits :
es sei auf dem Märkergedingsabschied de anno 1547 dem Herrn
Obrist Waldbotton erlaubt worden „auf der Strasse" zu hauen. Die
Märkcr entgegneten: es sei ihnen unbekannt, dass in anno 1547
io in Mglb. E. 29. III. S. 150 findet sich der Bericht des Schultheisscn B.
llildebrandt zu Bonames aus dem Jahre 1595 zugleich mit der Instruction des
Raths. Mitglieder des Raths selbst erhielten zu wichtigeren Verhandlungen
wol eine Vollmacht mit, nie aber eine schriftliche Instruction.
" Dies war bei der Seulb. Erlenbtcher etc. Mark schon längst geschehen.
In der Markordnung von 1588 Art 22 wurdo festgesetzt, es solle jedem Mut k
Hecken, damit der Ordnung naohgelebet werde, „uff begehr zur Noth Copey
daraus uiityetheilet werden1'. Johannen Zaugus, zu der Zeit Markschreiher, be-
sorgte diese Abschriften mit Eifer, sie wurden besonders bezahlt. Auf der
Abschrift von 1602 ist der Lohn bemerkt: Taxa 7 Patzen von 4 Bogen.
wegen der Strasse etwas verglichen sein solle, so dem alten Mark
Instrumente entgegen war, vielmehr sei damals der Strasse mit
keinem einigen Wort gedacht worden; es liege dem Obristen Herrn
Waldbotten ob „durch Producirung gedachten Abschieds in forma
authentica* sein Vorgeben darzuthun.
Bei besonders wichtigen Gelegenheiten wurde ein kaiserlicher
Notar, ein Offenschreiber, requirirt und ein Instrument über den Vor-
gang aufgenommen. Es war dies der Fall bei dem Märkergeding
von 1484, auf Mittwochen nach St Margarethen gehalten. Dies In-
strument genoss zu allen späteren Zeiten das höchste Ansehen, ja
Verehrung; es wurde zu verschiedenen Zeiten wieder abgedruckt,
um die späteren Nachkommen mit seinen Satzungen bekannter zu
machen « Zusätze wurden für erlaubt gehalten, allein Abänderungen
nur wenige und mit Widerstreben vorgenommen, selbst Bestimmun-
gen die längst aus der Uebung gekommen, wurden nicht aufgehoben.
Das Märkerding von 1484 auf Mittwochen nach St. Margaretha ge-
halten, war ein ungewöhnlich feierliches, der Walpott selbst war er-
schienen mit seinen SchultheisBen und Käthen, auch der dreien Herr-
schaften, der Stadt Frankfurt und der Ritterschaft von Reiffenberg
Amtleut, Käthen, Rathsmann und Sendbotten, und eine grosse Menge
Schultheisscn, Märker, Hübner und Landleute. Als das Märkerding
geheget, hiess der Waldpott die Schultheissen sie sollten die ungehor-
samen Märker, die ausgeblieben, rügen. Dann wurde auf Begehren
des Waldpotten während einer Zeitdauer von etwa acht Stunden des
Waltpotten Herrlichkeit und der Marek Rechte ge weiset, und zwar
mit Zugrundelegung einer „Verzettelung" in welcher die Puncte,
Über welche zu weisen, verzeichnet standen. Die Verhandlungen
wurden durch zwei Offenschreiber niedergeschrieben, und diese beide
namens der drei Herrschaften, der Stadt Frankfurt und der
Ritterschaft von Reiffenberg, auch von etlichen Schultheissen
al» von der Märker wegen ersucht ihnen zu ewiger Gedächt-
niss darüber zu machen eins oder mehr offen Teutsch Instru-
mente. Auch der zugezogenen Instrumentszeugen waren un-
13 Abtruck deß Jenigen Instruments Welches Aber die Hohe Marek umbden
Fcldtberg bero im Jahr Christi 1484 den 14 Jnlij an ff der Anwe vor Obern
Vrsel durch darinn vermeldte offeoe Keys. Notarios vffgeriebtet etc. Von
Nevem getruckt im Jahr MDCXXX1I. s. Mglb. E. 29. —
Instrument daB ist Gescbicbtbuch und schrifftliche Versicherung welcher-
gestalt die Marek in der Höhe, umb den Feldbergk hero, . . . uffgericht ist
worden. Abermals gedruckt zu Giessen bei J. D. Hampeln MDCL1II.
s. Ebendas. —
Digitized by Googl
— 265 —
gewöhnlich viele vom Adel, aus den Gewerken und Geistliche von
St. Bartholomens und zu Unser lieben Frauen-Berg zu Frankfurt,
die Pfarrherrn zu Pfraumheim und zu Obern Eschbach, endlich noch
.ander viel mehr Umbständer, die alle zu glaublichen Zeugen hier-
über geheischen und gebeten" worden.
Im Jahre 1662 wandten sich die Mainzer Dörfer klagend an ihre
Obrigkeit: der Waldpott habe durch Bergknappen hin und wieder
graben lassen „welches anfänglich nicht sonderlich attendiret, hoffend
es würde sich dies von selbst legen"; jetzt aber viel Gehölz veröset,
viel Eisenstein herausgegraben, und verlautet dass eine Schmelz an-
geleget werden solle. Dies sei den Rechten der Märker zuwider.
Sie baten churfürstl. Gnaden möge sich ihrer annehmen, ihnen sagen
wie sie sich zu verhalten, damit sie bei dem Instrument das „zwischen
dem obersten Waltbott und Märckern heilsamlich uffgericht worden,
und uf welchem der ganzen hohen Marek Grundfeste gleichsam be-
ruhet« ruhig verbleiben möchten (Mglb. E. 29. V. 8. 34.)
Bei Gelegenheit der Ueberreichung von Beschwerden im Jahre
1702/3 heisst es in der Beantwortung der Gegenerklärung: das
Mark-Instrument so . . . anno 1484 aufgerichtet, auch hernachmals
durch öffentlichen Track a' 1586 publiciret, a° 1663 zu Giessen nach-
getruckt worden und auf pergament geschrieben im Originali annoch
vorhanden sei, müsste die basis sein wornach man sich bei Streitig-
keiten zu richten habe ; nach diesem müsse ein jus venandi privativum
bestritten werden; wider das Markinstrument könne keine Observanz
angefahrt werden, auch ein Vergleich sei nicht gültig „es wäre dann,
da*s solcher mit Consens aller derjenigen gemacht worden wäre, in
deren Beisein das Instrument aufgerichtet worden und welche dabei
gar merklich interessirt sind."
Das Instrument von 1484 wurde, durch Vertrag festgestellt, für
alle Zeiten gültig angesehen, oder wenigstens solange bis ein ein-
müthiger Beschlusa, vertragsmässig wieder Abänderungen treffen
würde. Ein solcher fand im Jahre 1547 statt. Zehn Jahre früher
wurde über die vom Ausschuss aufgestellten neuen Artikel abge-
stimmt, es hiess bei einigen : und „also eyn Jar langkh zu halten
ptieben". Im Jahr 1547 wurden auf einem besonders berufenen
u Die wenigen Notizen weiche Kirchner auf 8. 476. 477. in der Geschichte
der Stadt Frankfurt a. M. Aber die Hohe und die Seulb. Erlenbacher etc. Mark
giebt, scheinen weniger auf Quellenstudium als auf Mittheilangen anderer
Schriftsteller zn beruhen.
Digitized by Google
- 266 -
Märkerding die vom Ausschuss vorgeschlagene Abänderung, betreffend
die Verbrechen des Waldpotten, angenommen. Es hiess im Instru-
ment : „So der Waldpott verbricht sölt der Märker oder lantman ob
der darnach auch verbreche nit büssen". Mancher Unordnung die
daraus entstanden, vorzubeugen wurde „eyntrechtig beschlossen", dass
der „gemeyn mercker und lantman sich verbrechung des Waltpottens
nichts zu bchelffen oder zu weigern haben" sollen. Am Schlüsse
heisst es dann, dass diese Bestellung bis zu dem nächsten Mercker-
geding zu halten, doch mit diesem Geding und fürworten dass das In-
strument . . . soll in allen andern Artikeln und Puncten seines
Inhalts bei seinen Kräften und Würden bleiben und denselbigen
hiermit nichts benommen oder abgezogen sein, in kein Wege, sonder
Gefarde. Im Jahre 1560 heisst es dann weiter, es solle die Ordnung
im Jar 1547 durch die gesandten des obersten Waltpoten und die
gemeynen Merker uffgericht „auch fllrter gehalten und dero gelebt
werden." Auch im folgenden Jahre 1551 wurde beschlossen : diese
hernachbemelte Artikel dero etliche hiebevor im 47. 49. und 50 Jaren
ufgericht in diesem laufenden Jar auch zu halten, bis auf ein andern
künftigen Merckergcdingtag.
Wenn es sehr wol erklärlich ist warum der Hohe-Märker so fest
an seinem Instrument hing, so ist dies weniger begreiflich in der
Seulb. Erlenbachcr etc. Mark, in welcher das Instrument, errichtet
Anno 1493, ein fast ebonso grosses Ansehen genoss. Es wurde da-
selbst ein feierliches Märkergeding abgehalten, weil zuvor bei dem
Streit über Wahl und Bestätigung der Märkermeister die Rechte des
Waldpotten ganz in Frage gestellt, und die Mark gemeinsam von
den Herrschaften und dem gemeinen Märker bestellt worden war.
Darum war es zwar natürlich dass gerade die Rechte des Waldpotten
besonders in's Auge gefasst und zuerst geweiset worden sind, aber
weniger ist es zu begreifen dass die Märker sich dabei beruhigten,
al» ihre Rechte kaum nur angedeutet worden waren. Die drei
ersten Artikel hatten sich mit der Person des Waldpotten und seiner
Befugniss den Wiltpan zuzuthun und zu jagen befasst, im vierten
handelt es sich um die Ausmärker, welche, in der Mark betreten,
dem oberen Waltpoten gen Iloinburg der Strafe wegen geliefert
werden sollen; endlich heisst es noch, so der Wiltpan zugethan wird,
wer dann durch sein eigen Gewalt in der Mark jagt, den mögt der
Obcrwaltpot nach seinem Gefallen strafen. Darnach war der Wild-
bann zugethan worden, und es heisst: „und wiewol andre stück
halben not war weither zu sagen und zu weissen, so wolt doch der
Anwalt meines gu Hr. von Hanau dasclbe umb kürz willen dißxnals
267 —
ruhen lassen, doch ohnschedlich und unvorgreiflich hernachmals deren
seines Herrn und Oberwaltpotten Rechte. Der Anwald fordert dann
den Notar auf Uber das was er gehört Instrument zu machen.
Es war hiermit allerdings der Streit beendigt, aber nur zum
Vortheil des Waldbotten war dies urkundlich festgestellt worden,
und selbst aus dem Nachsatz hat nur dieser Vortheil gezogen; der
Anwald legte es später so aus, als ob seinem Herrn noch weitere
Rechte zu weisen gewesen, dies der Kürze wegen nicht ge-
schehen sei.
Auffallend ist es, dass über die Errichtung dieses Instruments
in den Frankfurter Akten nichts zu finden ist Nachdem Uber das
Märkergeding anno 1492 berichtet, dass nämlich Ervin Dügcl, Amt-
mann zu Nicder-Erlenbach zu einem Märkermeister wieder uffge-
nommen und widder durch bcde Parthieen wie obgemelt* beeidiget
worden, heisst es weiter: „Nota. In anno XCiii und XCiiii ist Gise
der bereiter allein uff bestallung der marg gewest und ob die Zyt
von Instrumenten oder etwas Näwerung gehandelt sy, ist kein rela-
tion gescheen."
Im Jahre 1507 begehret auf dem Märkerding der Kellner „die
Herrlichkeit seines gn. Herrn zu weisen", dies ist aber nicht ge-
schehen, „diewcil das Instrument damals nit bei der Hand und der
gemein Merckerman die Herrlichkeit zu wysen unbedacht gewest ist,
ist solches gütlich uffgeschlagen worden bis uff ein andern tag".
Später auf dem Märkerding 1526 bitten die Märker das Instru-
ment verlesen zu lasen, was das auswyse dem wollen sie gern
nachkommen. „Der Schulthciss von Homberg geantwortet: der Kel-
ler sei ein neue zukommend Man, des Instruments halben nit wissend
gehabt, es lieg aber in seines gn. Herrn Canzley und sei des gemein
Merkerman des Falls unvorgrifflich. Sollichs hatt sich der gemein
Man settigen lassen."
Als im Jahre 1552 für die Seulberg- Erlenbacher Mark eine
neue Ordnung auf ein Jahr aufgerichtet wurde, ist am Schlüsse
bemerkt worden, dass diese Artikel der Mark zu gutem gehört, ge-
stellt, angenommen und bewilligt worden, doch dem Instrument in
alle Wege unschädlich. Im Jahre 1588 wurde sogar beschlossen,
ilass die Markermcister jährlich auf dem Markgeding das Instrument
lesen lassen, damit gemeiner Mercker dessen Inhalt desto besser
fassen könne. Als einige Jahre später, es war im Jahre 1595, dio
Märker bedachten, wie im Instrument gesagt sei, der Waldpott solle
auf Sonntag Mitfasten, Lätare genant, auf die Aue kommen und
daselbst mit Rath der Märker die Mark bestellen, das« aber die
Digitized by Google
- 268 -
Markordnung stets vorher schon durch die Häupter berathen und
vereinbart würde, hoben sie hervor, dass es mit fürgehender Pro-
testation geschehe, dieweü solche von Alters mit gutem vorbedach-
ten Willen introducirte Zusammenkunft „dem heytercn Buchstaben
in dem Instrument etwas zuwider", es solle dies aber Sr. f. Gn. an
ihrer Gerechtigkeit ohnabbrtichlich sein. Mglb. E. 80. IV. [11].
In späteren Zeiten wurden auch bei Umgängen der Mark ge-
wöhnlich Notare zugezogen, manchmal mehrere. Zu dem Umgang
von 1710 bemerkt der Notar dass er requirirt worden sei seines
gnädigen Herrn „gerechtsame in Acht zu nehmen, auf dass seinem
gn. Herrn nichts präjudicirliches bei diesem Umgang vorgenommen
werden möge". Auch die Märker haben es zu der Zeit öfter für
nützlich gehalten einen Notar zuzuziehen damit derselbe feierlichst
gegen Neuerungen protestire und ihnen eine beglaubigte Urkunde
einhändigen möchte. Zu dem Märkerding von 1660, Mittwoch nach
dem alten Pfingstfest wurde von dem Schultheissen der 5 Haupt-
flecken ein Notar requirirt. Er erschien zuvor in der Behausung des
Stadtschreibers zu Obcrursell; dort erklärten Märkermeister und
Schultheissen es haben Iro furstLGn. als obrister Waldbott sich zeits
etlichen Jahren anmasslich unterstanden den Märkern die beschwer-
liche Servitut aufzubürden, dass sie ihren Hunden, wenn sie die-
selben mit sich in die Mark nehmen wollten Knütteln anhenken
sollten. Wiewol sie nun oftmals hiergegen bei Märkerdingen prote-
stirt, sei bei Schliessung der Märkerdinge stets wieder erwähnt und
Ahndung gedrohet worden. Wollten dagegen förmlichst protestirt
haben. Als nun auch bei diesem Märkerding wieder der Anwalt ver-
boten Hunde ohne Prügel in die Mark gehen zu lassen , mit Bedro-
hung dass widrigenfalls dieselben todt geschossen würden, sind die
Schultheissen der Hauptmarkflecken abgetreten und haben sich ent-
schlossen der Protestation den Fortgang zu lassen; worauf der No-
tar mit den Zeugen alsbald in den Kreis getreten und gegen diese
Zumuthung im Namen sämmtlicher Märker aufs beste protestirt und
alle rechtliche Mittel reservirt. Der Anwalt liess diese Protestation
in ihrem Werth oder Unwerth beruhen. — (Mglb. E. 29. V. S. 26.)
p
Die Märker. Wenn von der Hohen Mark berichtet wird,
ist vor Allem der Märker selbst zu gedenken. Die Hohe Mark war
den Märkern rechtlich eigen Es musste derjenige welcher die Mark-
wälde benutzen wollte in der Mark angesessen und begütert sein.
Auf dem Märkerding von 1438 trat Emerich von Reiffenberg auf,
erzählt wie dass der Müller zu Eschersheim die Mühle verkauft und
Digitized by Google
- 269 -
ver&URsert habe, sich gleichwol der Mark gebrauche, hätte auch
Eicheln darin gelesen, das doch nicht sein solle. Darauf ersähe
Henne zu Eschersheim und bekannte dass er die Mühle verkauft
und sich der geäussert habo, er hätte aber noch nicht Währschaft
gethan, und vor dem Märkerding uffgegeben, wie gewohnlich sei,
hoffte darum dass er daran nit übel sondern recht gethan, und
wolle sich auch der Mark gebrauchen, so lange er die Mühle noch
nit uffgegeben habe. — (Mglb. E. 29. 2.) —
In der Markordnung vom 22. Mai 1594 heisst es unter 44: die
Markmeister sollen die Förster überwachen, und die Ausmärker,
auch welche nicht eigen Rauch in der Mark halten von der Mark
abhalten. - (Mglb. E. 29. V.) —
Ebenso bestimmt die Seulberger, Erlenbacher etc. Markordnung
von 1588, es solle kein Märker, so in der Mark nicht eigen Rauch
halte, einiger Gerechtigkeit sich darin unterfahen und zu gebrauchen
zugelassen werden. Es bestimmt dies die Markordnung von 1593
sub 12. genauer: es solle derjenige, so eine Behaussung und Hofe-
reith in der Markflecken einem oder mehr hat (ungeachtet er die-
selbige nicht selber bewohnen thete) dem Ausmärker nit allerdings
gleich geachtet, sondern ihm und seinem Mundbauer zu Erhaltung
der Bauten nach Gelegenheit und Notturft Holz gegeben werden.
Auch in dieser Mark heisst es, dass Rittern, Edelleuten und Pastoren
„in der Mark gesessen, die darin eigen Rauch halten", erlaubt sein
solle zu jagen, wenn der Waltbott vorher gejagt
Bereits auf dem Märkerding 1549 war vor Ursel beschlossen
worden, dass dem Cronburgerhof zu Obern Hexstat, dieweil der ver-
fallen und abgangen sei, soll kein brauch oder beholzung in der
Mark gestattet sondern die Hofleute, so das Geländ bestanden, für
Ausmärker gepfend werden, bis der Hof wieder erbaut und bewohnet
wird, alsdan soll demselbigen Hofman zugelassen sein, mit eim halben
Wagen in Wald zu fahren gleich einem andern Märker, laut des
Instruments. — (Mglb. E. 29. H* S. 136.) — Im Jahre 1777 und in
den letzten Zeiten der hohen Mark werden stets 3 Oberhöchstetter
Märker genannt „welche das volle Nachbarrecht in der hohen Mark
gemessen0, Kopp, Eberhard und Hildmann.
Von Praunheim wird später, im Jahre 1777 gesagt: es sei da-
selbt ein Freihof, die sogen. Augustusburg dermalen nur von zwei
Gartenknecht bewohnt; darauf aber wegen der verfallenen Burg
selbsten die dritte Feuerstätte hafte. Es folgen in der Aufstellung
noch mehrere Höfe und Mühlen mit dem Zusätze: weilen solche in
hiesigen territory liegen so haben die Bewohner dieser Höfe das
Digitized by Google
— 270 -
Recht sich in der hohen Mark zu beholzen, wie die Unterthanen
seithero gehabt. (Mglb. E. 31. I. 350 ff.)
Dass in dem Streit des Frankfurter Raths mit den Märkern wegen
der Mühle zu Bonames die letzteren unter anderm auch entgegenhiel-
ten: der Kesseler zu Bonemesa wäre ein knecht und kein Märker,
wird besser an anderer Stelle zu berühren sein; die Irrungen über
die Berechtigung des Burgsitzes zu Niedern -Erlenbach sind aber
hier schon zu erwähnen. In dem Protocoll des Markauaschuases d.
d. Seulberg 27. Martii 160ti heisst es: Im Namen des obersten
Herrn und Waldpotten hiesse Sr. furstl. Gn. Kellner zu Homburg,
Eckhardt Ellnberger, die Märkermeister und diejenig zu der Mark
gehörig, sitzen; dabei Johann Adolff Keller wegen eine« Erb. Raths
zu Frankfurt und dessen Burgsesses zu Nieder-Erlenbach sich auch
des Beisitzes anmassen wollen , es hat aber der Marker solliche« nicht
zugelassen, sondern für eine Neuerung angezogen. Der Geschickte
des Raths bezog sich auf das Instrument, darinnen klärlich zu be-
finden, dass E.E. Raths zu Frankfurt Amtman zu Nieder-Erlenbach
nit allein Märkermeister gewesen, sondern auch jederzeit den Beisitz
gehabt. Darauf erwiderten die Märker, dass das Mark-Instrument
ihnen genüge, man möge es ablesen, der Oberst Waldbott wolle sie
darin schützen, zumal da die Burg Nieder-Erlenbach seit 50 und
mehr Jahren kein exercitium gehabt, und nichts hergebracht, deas-
wegen man auch dcroselben keiner Gerechtigkeit als einem gemei-
nen Märker in der Mark geständig, vielweniger einem E. Rath der
Stadt Frankfurt Der Abgesandte des Raths protestirte. Der Märker
Hess es darbei, der gewesene Amtmann und Märckermeister sei nur
als Zeuge beim Instrument genannt, er wolle dem „so eygen Rauch
in der Burg Nieder-Erlenbach halte'4 nochmals für einen Märker und
weiter nicht erkennen. — (Mglb. E. 30. 4.)
In noch spätere Zeit fallt das Memorial des Schöffen Hieronymus
von Glauburg, welcher am 12. Januar 1781 um ein Vorschreiben
an den Landgrafen von Hessen-Homburg als Obersten Waldbotteu
ersuchte; er habe das zu Nieder-Erlenbach gelegene v. Hundheimi-
sche Freigut käuflich an sich gebracht; bei dem Märker Convent sei
einer aufgetreten, habe angegeben, dass der gewesene von Hund-
heimische Hof nicht mehr stände, ihm kein Markrecht mehr zukäme,
nnd demgemäss sei ein Beschluss gefasst, Holzzettel ihm vom Mark-
meister verweigert worden. Er bemerkte dazu, er habe das uralte
Haus, Scheuer und Stallung abgerissen und in dem ihm gehörigen,
vordersten Burghof gesonderte Scheuer und Stallungen erbaut. Es
könne dem Mark-Convent nichts daran liegen ob diese Wirthschafts-
— 271 —
gcbäude an einem Ende des Ort» oder an dem andern liegen. Nie-
derstedten, Hattstein, Hinterweil und der Münchhof bei Niederursel
hätten auch ihre Markgerechtsame behalten. Auf die Eingabe wurde
im Senat beschlossen : dass man in optima forma hierunter willfahren
solle. Auf die Mittheilung des „Mit Rathsfreunds und älteren Schöffen«
wurde dann dem fiirstL Anwalte aufgegeben, bei dem Mark-Convent
dahin zu sehen, dass die Beschwerde untersucht und nichts wider-
rechtlich zu des Herrn Schöffen Bekränkung verfüget werde. Es
mag schwierig gewesen sein zu der Zeit noch zu bestimmen, was
rechtlich, was widerrechtlich bei solcher Frage sei, nachdem der
Waldpott selbst eingewanderte Fremdlinge in Dornholzhausen und
Friedrichsdorf auf Markboden angesiedelt, und dem Widerspruche
der Märker mit Erfolg entgegengetreten war!
Eigentümlich war das Verhältniss von Vilbel. Ursprünglich
gehörte wol nur der älteste, nördliche Theil zur Hohen Mark. Diese
Scheidung verwischte sich aber allmälig. Auf dem Märkertag von
1401 wird desshalb angefragt ob Vilbel ganz zur Hohen Mark gehöre?
Es wurde darauf beschlossen: Der landmann wille sich beraden obe
die von Vilwil eyns teyls oder zu male mercker sin stillen oder nit,
doch so sin sie bisher verbodet worden M.
Es giebt nur MSrker und Ausmärker; die ersteren sind die
Eigentümer des Bodens, der Mark und ihrer Nutzungen, schädi-
gen sie die Markwälde, so schädigen sie ebensowohl die Genossen,
wie auch sich selbst Nicht von dem Waldpott werden sie gerichtet,
sie werden nur gerüget, und von den Genossen bestraft. Anders
verhält es sich bei den Ausmärkern, zum Theil in der Mark sess-
hafte Gewerbtreibende, Köhler und Eulner oder Häfner, welche
kein Eigentums- oder sonstiges Recht zu beanspruchen haben; wenn
diese in der Mark freveln, so werden sie nach Homburg eingetrieben.
Eine Andeutung über Hörigkeit oder über Vollbürger findet sich
in den Akten der Hohen Mark nicht, der Leibeignen wird nur in
den letzten Zeiten vor der Theilung gedacht Nur die Märker wer-
den erwähnt und Ausmärker.
Unter den Markern ist wieder zu scheiden, der gemein Märker
oder lantman, dann die Edelleute und Priester, endlich der Obriste
Märker und Waldbott. In den ersten lag wol ursprünglich das
meiste Gewicht und die entscheidende Gewalt, der Waldbott erhielt
von ihnen seine Rechte und seine Herrlichkeit geweiset. Zuweilen
» Mglb. E. 29. II" 8. 4.
Digitized by Google
- 272 -
werden die Eigentümer einer ganzen Hube, die Hubner, noch
besonders betont, es heisst dann lautman und Hübner. Der Klein-
bauern, der Einspeniger, der Eynläuftigen wird nur in den Mark-
ordnungen gedacht bei Gelegenheit der Holznutzungen, oder bei Ge-
legenheit des Streits mit den Ackerleuten wegen des „Furdripp"
(Vortriebs) auf der Weide und in den Stuppeln. — (Mglb. E. 29.
IIb 25. -
Das Weisen der Rechte des Waltbotten war nicht eine
leere Form, wir finden noch im 15. Jahrhundert überraschende Auf-
schlüsse in dieser Beziehung. Auf Mittwoch nach St Margaretha
anno 1445 war der Edle Jungher Gotfrid von Eppenstein bei Ursel
auf der Auwe, liess ihm da — also auf einem gebotenen Märker-
ding — weisen seine Rechte und Herrlichkeit über die Mark. Er liess
Artikel fragen die gemeinen Märker, und diese begehren dass der
Jungher ihnen diese Fragen und Artikel wolle geben, sich uff solche
Weisunge zu bedenken und zu besprechen, bis auf ein anderes volle
Merkerding, darzu sie sein Gnaden bescheiden würde. Bei diesen
Fragen stand oben an: 1) Wie fern und wie weit des Waltpoten
Wiltpan ginge. Es folgte dann 2) die Frage: Wenn sein Gn. den
Wiltpan verbode, und wer das brechete was der darum verloren
hätte? Es wird weiter unten dieser Weisungen noch besonders
Erwähnung geschehen.
Ueber die Namen oder Familien der Taunusbewohner bieten
für die späteren Zeiten die Tbeilungsacten reichen Stoff, für frühere
Jahrhunderte rinden sich besonders die Unterschriften von Schult-
heisscn und Gerichtsschöffen auf den Markordnungen, dann die
Namen der Zeugen bei Feststellung rechtlicher Verhältnisse, sowie
der Märker, welche bei den Umgängen der Mark sich betheiligten.
Auf den Märkerdingen tritt nur selten der Einzelne redend oder
handelnd auf, mehr die Ortschaft oder der gesammte Umstand. Die
Namen der Märker sind entweder von den Gewerben oder dem Amt
hergenommen, mit welchen der zu Benennende sich wahrscheinlich
befasste, so in Stierstadt: Müller, Aumüller, Schmidt, Messerschmidt,
Schreiber, Schneider, Kohler, Zentgraf; in Bommersheim: Koch, Eul-
ler, Bender; in Kalbach und Harheim Fischer, Keller, Krämer, Schä-
fer, Spentler, Dreher; in Steinbach: Hirth; in Reiffenberg: Wald-
schmitt, Wagner, Meier; in Heddernheim: Ziegler, Kessler, Koehler,
Hammerschmid; oder es sind die Bezeichnungen von Eigenschaften
oder Eigentümlichkeiten entnommen , die meisten einsylbig und vor-
zugsweise nur in einer Ortschaft eingebürgert; oder es weisen auch
die Namen auf einen früheren Wohnort hin, so in Kalbach: Dien),
Digitized by Google
- 273 -
Kuhn, Kopf, Kilp, Stöhr, Stamm; in Harheim: Bockenheimer, Breu-
burger; in Kirdorf: Oden wäller, Währheim, Ostumer, Birckenfeld,
Wisskirch; in Oberheckstadt: Kopp, Beul, Schaub, Haub; Ramels-
berger; in Bonames: Flamm, Ripps, Reusa, Burck, Momberger, Neu-
hof; in Nieder-Erlenbach : Bien, Boch, Heil, Fritz, Horn, Kahn,
Jann, Helm, Klos, Fix, Lanz, Heim, Pfeil, Reitz, Roth; in Dortel-
weil: Räch, Schuch, Mutz, Kitz, Mohr, Knott, Scharch, Becht, Gelf;
In Niederursel: Greiff, Schmarr, Dietz, Kraft, Gröla, Stark; in Öber-
Eschbach: Mauas, Best, Kling, Gull, Genth, Manns, Knorr, Porth;
in Nieder-Eschbach : Jost, Loos, Lötz, Wahl, Schwenk, Winkler,
Durnauer. In Massenheim : Hess, Clees, Grimm, Pietz, Maul; in
Reiffenberg: Brück, Sturm; Usingen
Ziemlich verschiedene Namen sind in Vilbel, das an der grossen
Heers trasae gelegen weniger Abgeschiedenheit und Eigentümlich-
keit behalten: Fauerbach, Marburger, Wenderoth, Schickendanz,
Vömel, Uphoff, Seybold.
Die mancherlei Lateinischen oder fremdartigen Namen stammen
wol fast ohne Ausnahme von Pfarrern oder Schullehrern : Galenza in
Bommersheim, Cornely in Kalbach, Battonn und Quirin in Harheim,
Hieronymi in Stierstadt, Molitor in Kirdorf, Gaffka und Schul-
meister Alberti in Arnoldshain , Henrici und Sutor in Ober-Escbbach,
Laupus und Debus in Nieder-Eschbach. Am meisten Römische Na-
men finden sich in Heddernheim, so Filius, Fabritius, Justus, Majus,
Jacobi, Krusius, Pauli; doch sind dies schwerlich Nachklänge aus
dem benachbarten vicus novus.
Der Name Brendel, welcher einem adlichen Geechlechte von
Seulberg und Homburg angehörte, findet sich später und bis auf den
heutigen Tag in Reiffenberg, Schmitten und Arnoldshain; auch in
Köppern soll er noch vorkommen.
Ganz verschieden sind natürlich die Namen in Dornholzhausen
und Friedrichsdorf: Gallet, Cherigaut, Arnoud, Bouches, Pastre les
heritiers, Berthalot, Garnier, Vallon, Rousseau, Micol, Balli, Bezar,
Lagneau, darunter nur wenige Deutsche. Am mannigfaltigsten aber
sind die Namen in Homburg, wo Regierung und Hof viele fremde
Familien herbeigezogen, später dann auch die Französische Ein-
wanderung einen neuen Stadttheil erbaut hat.
* ■
Wenn auch der gemeine Märkermann „für sich selbst" auf den
Märkertagcn erschien — Mglb. E. 29. IP S. 173 — so handelte und
stimmte er doch stets nur als Einwohner einer der zur Mark berech-
tigten Ortschaften; der gemein lantman trat in Haufen zusammen,
Digitized by Google
und in dieser Weise erfolgte durch einen der Aelteeten oder durch
den Schultheissen der Ausspruch oder die Abstimmung der Ortschaft.
Nach der ältesten vorhandenen Urkunde der hohen Mark vom
13. April 1401 rief bei dem gebotenen Märkerding der Schreier „die
Dorffe" auf. Es waren „die Ortschaften hergeboden". (Mglb. E. 29.
IIb S. 3.) Es wurde einmüthiglich geweiset: dass die Mark der xxviii
Derffer „mind oder meh" den Märkern rechtlich eignen sei. Es wur-
den damals nur aufgerufen: Branbach, Hornszhem (wahrscheinlich
Arnsheim) Wilen, Obersteden, Dornholczhusen , Kirchdorff, Obern
Espach, Nidern Espach, Nydern Erlebach, Massenheym, VUwil, Hor-
heim, Bonemese, liedernheim, Caldebach,NydernUrsel, Bomerszheim,
Nydern Steden, Mitteln Steden, Nydern Bomberszheym, Mitteln Ursel,
Husenn. Einige z. B. Stierstadt fehlen, vielleicht weil der Schultheiss
in seiner Eigenschaft als Märkermeister zugegen war. —
Auf dem Märkertag, St. Katharinen 1401 werden aufgerufen:
Obern-Steden, Nydern-Steden, Dorreholczhusen, Kirchdorff, Gontzen-
heym, Obern Espach, Nydern Espach, MasBenheim, Vilwil, Horeheim,
Bonemese, Caldebach, Escherheym, Hedernheim, Prumheym, Nydern
Ursel, Wissenkirchen, Stierstat, Branbach, des jungen Francken hoff
zu Heckstat, Obernursel, Gattenhofen, Riffemberg, Hatzstein, Arn-
stoyn (Arnshain), Forderwilen, Hinderwilen, Mitteln Ursel, Nidern
Bomersheim. Ueber das gebotne Märkerding auf St Catharina 1438
finden sich in dem Frankfurter Archiv zwei Urkunden (Mglb. E. 29.
II. S. 93 und II" ) von denen die letztere, wahrscheinlich eine spä-
tere Abschrift, einige Dörfer weggelassen. Die erstere ruft deren 31
auf: Obern Steden, Nydern Steden, Dornholczhusen, Kirchdorff,
Guntzenheim, Obern-Eschbach, Nydern-Eschbach, Nydern Erlebach,
Massenheim, Vilwil, Harheym, Bonemese, Caldebach, Escherheim «
i* Eschersheim selbst gehörte nicht zur hohen Hark, es liegt südlich der
Nidda, das Ansrufen kann sich nur auf die Mühle und des Abts Hof beziehen.
Von der Mühle wird aus dem Jahre 1567 angegeben, dass die Hanauiscben ge-
beten umb 26 stamm Holz zu Erhaltung der Müllen. Darauf heisst es: Dieweil
im Instrument stehet dass die Müll mit eym halben Wagen „in die Mark ge-
hörig sei", sind ihnen uff diesmal 10 stemm erlaubt, die mögen sie mit eim
ganzen Wagen beim führen, aber sust zum Brennholz sich „der Mark gebrau-
chen mit eym halben Wagen". (Mglb. E. 29. III. S. 40.) — Von dem Abtshofe
wird im Jahre 1603 bemerkt, der Marker habe den Bescheid gegeben dass der
Herr Graf zu Hanau für sich kein Märkor, dem Hofe zu Eschersheim aber sei
man seiner Gerechtigkeit geständig, und zufrieden das« „der Inhaber und Be
sitzer solches Hofes, dem Instrument gemäß, sein Brennholz durch seine eigne
Fuhr ausführe", wo aber der Hofe kein eigen Fuhr hette, alsdann durch einen
- 275 —
die molc zu Escherheim, des Apts hoff zu Eschersheim, Hedernheim,
Prumheim, Nydern Ursel, Wissenkirchen, Stirstat, Branhach, des
jungen Francken hoff zu Hexstat, Obernursel, Gattenhofen, Riffem-
berg, Hatzstein, Arnstein, Forderwilen, Hinderwilen, Mitteln Ursel,
Nydern Bomersheim. Auch hierunter fehlen noch Homburg, Dürckel-
weil, Steinbach, der Mönchhof bei Nieder-Ursel und die Waldschinidt,
jetzt Schmitten bei Arnoldshain, welche alle im Jahre 1484 aufge-
rufen werden. Offenbar geschah das Aufrufen nicht nach einem ge-
schriebenen Verzeichniss, sondern aus dem Gedächtniss des Schreiers
indem er sich im Kreise umsah. Der Schultheiss von Homburg be-
fand sich wol gewöhnlich im Gefolge des Waldpotten oder des An-
walds, andere Schultheisse mochten zwei oder mehr, besonders aus-
gegangene Ortschaften vertreten. Es gibt hierüber das hohe Mark-
Protocoll von 1660 — 1700, welches im Homburger Archive sich be-
findet, manche belehrende Auskunft. Bei der Märkermeister Wahl im
Jahre 1660 wurden aufgerufen und stimmten: Homberg, Obersteden,
Niedersteden ,Ä, Gontzenheim, Ober Esbach, Kirdorff, Nieder Esbach,
Nieder Erlenbach , Dorckelweil , Vielbel , Harheim , Bonames,
Oalbach, Mühl und Abtsboff zu Eschersheim, Hetternheim, Pfraum-
beim, Niederursell , Steinbach, Weiskirch, Oberhexstatt 3 Haus,
Stierstatt und Bomerscheim, Oberursell, Reiffenbcrg, Hattstein und
Arnoldsheim, Waldschmitt, Forderweil. Hinderweil und Brombach
stimmen nicht. Es waren 30 Dörfer und Höfe, welche als stimmbe-
rechtigt aufgeführt werden. Aus dem Protocoll von 1661 geht hervor
das» Mühl und Abtshoff zu Eschersheim mit 2 Stimmen zählen; zu-
sammen sind es in diesem Jahr wieder 30 Stimmen, bei Hinderweil
und Brombach steht eine 0. Im Jahre 1662 sind 29 Stimmen zuge-
gen, Brombach abfuit, Hatzstein desgl. Im Jahre 1665 sind es 31
„andern Märker" dasselbige uff die Wittag au zuführen Macht haben soll; doch
ohn Uebermaaß und daas das Holz auf dem Hofe selbst verbraucht werde.
(Mglb. E. 29. IV. S. 84.) Bei den Vorbereitungen zur Theilung der hohen Mark
stellt Amtmann Usener zu Bergen Bescheinigung aus, dass in dem zum hochf.
Hess. Hanauischen Amt Bornheimerberg gehörige Ort Esohersheim die daselbstige
Mühl und der sogen. Abt- modo v. Wetzersche Hof mit drei Wohnungen zur
hohen Mark berechtigt sei.
'* Es ist die Angabo dass Niedersteden im 30jährigen Kriege verwüstet
worden, (s. den Aufsatz: die hohe Mark 3. 340,) zu berichtigen; es soll später
durch Feuer zeretört worden sein. Noch jetzt führt ein besonderer Weg nach
dem Kirchhof von Niederstedten bei Homburg, es liegt derselbe etwas erhaben
über der Wiese, eine alte Linde überschattet den Platz. „Leute die es nicht
verstehen, meinen es sei hier wüste; aber im Sommer, wenn die Sonne brennt,
kommt der Hirt mit den Schafen gezogen, da pflegen sie der Ruhe".
18»
Digitized by Google
— 276 —
welche stimmen; 1674 wieder nur 29, Schmitten, Eeiffenberg and
Arnoldßhain fehlen, weil sie der Kohlen wegen Satisfaction thun
sollen, dagegen ist die Weihl, Brombach, Hattstein und „die Sorgu
anwesend ,T. Hattstein erschien also damals unter den gemeinen
Märkern, während Arnoldshain fehlt. Aber bereits auf dem Märker-
ding von 1563 fragen die 2 Stämme von Rjffenbergk und Hattsteyn
an, warum die Märker ihre Unterthanen „die Ryffenbergischen und
Arnßhainer" aus der Mark geschlossen; sodann bittet im Jahre 1676
der „Hattsteinisch Schultheiss zu Arnoldshain" dieses — Arnoldshain —
als ohnvertheilte Ilattstein'sche und Reiffenbergische Unterthanen bei
ihrem Markrecht zu lassen 18. Demnach scheint es dass das Dorf
Hattstein damals schon nicht mehr bestanden, bereits ein verrotteter
Burgflecken war; oder dass ein solches Dorf Uberhaupt nie bestan-
den habe; es ist desshalb schwer zu erklären, wie bei den Bera-
thungen im Jahre 1773, ob die hohe Mark nach Köpfen oder nach
Ortschaften zu th eilen sei, eine Uebersicht vorgelegt werden konnte,
in welcher unter den Bassenheim'schen Ortschaften Reiffeuberg mit
80 Köpfen oder Märkern, Hattstein mit 50, Arnoldshain mit 80 an-
gegeben steht. — Bei den Conferenzen im Jahre 1777 wurde bemerkt,
dass Niedersteden durch einen Homburger Rathsherrn vertreten sei,
in ähnlicher Weise der Mönchhof und Hinterweil, auch der Schult-
heiss von Hattstein werde noch aufgerufen. Mglb. E. 31. I. S. 165.
Weiterhin folgen genauere Verhältnisse aus jedem einzelnen Orte.
Es findet sich darin verzeichnet bei Reiffenberg: das Schloss Hatt-
stein, sammt dem daselbst liegenden herrschaftlichen Gute; die herr-
schaftliche Mühl bei Hattstein, mit dem dabei liegenden Gut; der
Zainhammer mit dem daran liegenden herrschaftlichen Gut. Bewoh-
ner eines Dorfs Hattstein werden aber nicht aufgeführt. Andere
mark berechtigte Ortschaften und Höfe haben sich wahrscheinlich
an benachbarte Dörfer angeschlossen, so Wilkommshausen , Dorn-
holzhausen, Gattenhofen, Dillingen u. a. m. Den Namen Gatten-
hofen oder Gottenhofen trägt noch jetzt eine Mühle zwischen Stier-
stadt und Oberursel; wahrscheinlich ist es von Gozzo oder Gotfrit
herzuleiten ; es soll sich mit Oberursel vereinigt haben. Nördlich von
diesem, am Fusse des Goldgrubenbergs lag auch die Ortschaft
" Auf dem Märkerding von 1663 legen „die Waldschmid von der Sorg und
Hundtatall1 eine Schrift vor, und in der Waldordnung von 1594 hebst es:
70) endlich ist denen uf der Sorge lauth des alten Vertrags kein Reiser oder
Holz kolen zu brennen gestatt worden.
>* Vergl. dieses Archiv IL S. 342.
Digitized by Google
277
Hausen, welche im Jahre 1401 als bethciligt zur Mark noch auf-
gerufen worden ist. Anf dem Markerding von 1438 wird noch Nid-
dernsteden aufgeführt, Gottenhofen, Mittel Ursel, Niddern Bommers-
heym, aber nicht mehr Hansen. Bei Gelegenheit des Streites Uber
die Hunerburgkswiese bei dem Endenpfaell, übergeben die Urseller
eine Beßchwerdeaehrift in welcher sie unter anderm auch anführen,
dass die Hessischen Beamten zu Homberg in Beziehung der Höh-
mark den ganzen Häuser Grund anno 1586 abgegangen, auch von
den Merck ern Erklärung abnothigen wollen, dass solcher ganze Wie-
sengrund und stattlich Forellenbach auch zu der Mark und nit
Urseller Gerichtsbarkeit gehörig weren. Dagegen betten etlich alter
Merker Einwendung gemacht Ueber dies abgegangen Epsteinisch
oder Königsteinisch Dorff Hausen befinde sich in dem alten Ursel-
ler Gerichtsbuch verzeichnet, das bemelte Häusser Gericht sei in
anno 1455 durch die gnedige Jungherrn gen Ursell transferirt wor-
den. Es werde noch ein alter Gültbrief aufbewahret, welcher vor
Schultheis* und »Schöffen des Gerichts zu Haussen in anno 1400 über
Häusser Gerichtsgüter gemacht Desshalb würden noch die Na-
men des Häusser Hains und Landwebren gebraucht, des Häus-
ser Feldes, der oberen und unteren Häusserwiesengründe , des
Häusserweges, -steges, des Wilthauses, Newenhauses, der Ep-
steiner Wiesen, die noch ein Waltschreier in seinem Gebrauche
habe. Ihre Vorfahren hätten noch den Ort der Heuserpfan-
nen, Schmitten und gefeile uff solche schmidt und mühlen vorge-
zeigt, wie das auch noch zu sehen; und begriffen des Häusser-
bezirks Güter über 400 Morgen Acker, Wiesen, gestreueb, Wüstung,
Geboltz und auch die obberürte schöne Forellenbach welche alle-
sampt dem Dorff Hausen königsteinscher Obrigkeit allein zustendig
gewesen. Bei den Umgängen der Höhmark wird stets dieses Dorf
angeführt, es heisst z. B. im Umgang von 1586: an derselbigen
Wiesen hinauf bis an den Heuser fort (pfort, pfad?) den Heuserfort
hinaus under der Schreyerwiesen hin, und fortan zwischen dem
Heuserhayn und dem Veit den Weg an der Landtwehr hinaus;
fortan an die Strassen da vor Zeyten ein schlag gestanden, der
Heuserschlag genannt
Mittelursel schloss sich an Weisskirchen und an Niederursel an,
das Gericht wurde durch Schultheissen und Schöffen dieser beiden
Ortschaften abwechselnd versehen.
In der Nähe des jetzigen Dorfes Friedrichsdorf, südlich von
demselben, lag Dillingen; der Name kommt noch vor im Umgang
der Seulberger Mark von 1539 zu welcher Zeit der Ort selbst bereits
untergegangen ist Es heisst daselbst: „sie gingen die Landgewer,
die von Dollingen uff da» Sewelbergfeld geht*. Diclit dabei lag die
Brendelsburg, welche dem, beiSewelberg ansässigen, meist in Hom-
burg wohnhaften adeligen Geschlechte der Brendel zugehörte; viel-
leicht gehörte diesem Geschlechte auch die weiter nordwärts damals
im Wald gelegene Schneppenburg. Höchst wahrscheinlich hat sich
Dillingen mitSewelberg verbunden, welches vordem ein Schaf- oder
Schweinhof gewesen.
Bei Gelegenheit der Streitigkeiten zwischen den Märkern und
dem Waldpoten wegen des neuen Dorfes oberhalb Seulberg, wurde
auch des untergegangnen Dülingeh gedacht, Der Waldpot brachte
vor: an selbigem Ort sei ein adeliger Hof und dabei das Dorf Dil-
lingen gelegen gewesen, welches vor diesem den von Brendell zu-
gehöret, von welchen es auf die von Harffen gekommen; von diesen
habe es der landgraf gekauft; so habe er diesen Ort nebet dem
Dannen-Wald „ woselbst in vorigen Zeiten das Dorf Willkomms-
hausen, von welchem auch noch ein Haus abgebrochen, und nach
Seulberg, da es noch stehet, transportirt worden, begeben". Die neuen
Ansiedler hätten die Wüsteneien wieder zu fruchtbaren Aeckern ge-
macht, und sich darauf der Markgerechtigkeit „gleich ihren Vor-
fahren und vorigen Besitzern der Dörffer Dilliugen und Willkomms-
hausen , auch des adlichen Hof» der von Harffen mit Fug und Recht
bedient". Es haben ihnen aber „diese uralte Gerechtigkeit" einige
Märker disputiren wollen, ebenso wie in der hohen Mark wegen
Dornholzhausen die Märker anfangs sich opponiren wollen.
Hierüber wird weiter unten noch einiges nachzutragen sein. Das
jetzige Dillingen ist erst nach Theilung der Mark auf früherem Wald-
boden nördlich von Friedsichsdorf erbaut worden.
Noch findet sich eine ausgegangene Ortschaft auf dem nördlichen
Abhang des grossen Feldbergs, vielleicht ein Gehöfte, Volperhausen
oder Vellmerhausen. Jetzt ist sie spurlos verschwunden. In dem
Protocoll über den Umgang vom Jahre 1539 wird angeführt, dass
die Märker gegangen „bis an den Feldberg gegen Reiffenberg und
den Pfiugatbrunnen bei Volperhausen; daselbst hat sich zwischen
den Geordneten der Gemeinde von Reiffenberg an einem, und den
übrigen Märkern am andern Theil ein Zwiespalt des Gangs zuge-
tragen". Letztere wollten nach dem grossen und kleinen Bettstein
gehen. Aus andern Umzugsprotocollen ist zu ersehen, dass die Grenze
der Mark vom Pfiugstbrunnen östlich von Oberreiffenberg auf einen
Stein lief bei Vcltmerhausen; in denselben heisst es weiter: „noch
ein Stein bei Vcltmerhausen, item noch ein Stein uff Veltmerhausen
Digitized by Googl
- 279 -
obendig dem Weg naher Hatzstein ; noch ein Stein uff Veltmer hau-
sen vor dem Wald, fortan noch ein Stein zwischen der Mark und
Veltmerhausen, stehet in einer Ecken; noch ein Stein uff Veltmer-
hausen am Dieleberg, liegt Umb". Im Protocoll des Umgangs von
1609 heisst es: anVettmarshausen so zur Mark gehörig. Der 8** Stein
stehet auf der Haide vor Volmarshausen ; der .11" Stein in einer
Eck allda Veldmarßhausen wendet Es waren um diesen Bezirk
von Veitmarshausen eine ganze Reihe von Grenz -Steinen am nörd-
lichen Abhang des grossen Feldberges hin. In spätem Umgangen
wird dieser Ort Vollmarszhausen geschrieben. Es ist glaublich dass
auch diese, wahrscheinlich verkümmerte Ansiedelung nach dem ersten
Besitzer genannt worden.
Die Frauen. Es ist sehr zn bedauern, wenn es auch sehr
natürlich ist, dass die Akten der hohen Marek der Frauen und ihrer
Wirksamkeit zu gedenken, keine oder fast keine Gelegenheit haben.
In den gesammten Schriften welche die Hohe- und die Seulberger etc.
Marek betreffen, werden uns nur zwei Frauen genannt und über ihr
Wirken uns Mittheilung gemacht. Einmal ist dies Margaretha Elisa-
betha, Landgräfin und Waldbottin, welche am Ende des 30jährigen
Krieges als Vormünderin die Erlasse unterzeichnet, dann aber noch
die wackere Schultheissin von Stierstadt welche im Jahr 1765 bei Ab-
wesenheit ihres Mannes einer wüthenden Rotte allein sich entgegen-
stellt, gefährdeten Förstern Schutz in ihrer Wohnung gewährt und
muthig die Verfolger bedroht
Der Adel und die Schlössen. Neben den „Dorffen* wurde
in den älteren Zeiten immer oder oft auch der „Schlössen" gedacht.
Im Jahre 1536 werden aus den 4 Schlössen als Homberg, Obernursell,
Reiffenberg und Bonemesa aus jedem ein Mann genommen, den Holz-
bedarf zu untersuchen. Auf dem Märkerding im darauf folgenden
Jahre ist „nach altem Gebrauch durch den Schreyer den Schlössen,
Flecken, Dorffen und Orten in die Margk gehörig8, gerufenworden ;
ebenso in die Egidii anno 1538 „allen Schlössen, Flecken und Dorffen0.
Auf dem Märkerding von 1517 erhob sich Streit darüber ob der
Rath von Frankfurt das Recht habe Pfäl zu hauen, das Schloss, die
Brück, das Wehr zu Bonamesa zu versehen. Die Frankfurter Ge-
schickten erklärten es wären zwar Pfäl aus der Mark nach Bonamesa
geftirt, daselbst „im sloß und sunst, doch nit über der brück8 benutzt
worden; auch der gnädige Herr von Königstein hab' in der Mark
merklichen Schaden gehauep, hab' Pfalwerk zu Befestigung des
Fleckens Oberursel verbauet Es seien allein 4 Flecken nemlich
Digitized by Google
- 280 —
Ryffemberg, Hoemberg vor der Hoe, Oberursel und Bonamese in
die Mark gehörig, darzu gemeine Märker in Vehden und andern
nöthen vor andern Flecken Zuflucht haben, darum auch billig sollich
Flecken vor andern zu befestigen. Die Büß sei desshalb auch dem
gnädigen Herrn von Königstein erlassen worden, das Gleiche ver-
hoffen desshalb die Geschickten des Raths für Bonamese. Die Mir-
ker stellen ihrerseits nur in Abrede dass das aus der Mark genom-
mene Holz zum Brückenbau verwendet werde; sie beschweren sich
dass sie grössere Zollerleichterung auf der Brücken von Bonamese und
Hausen gehabt, der Zoll sei erhöht worden. Schliesslich aber wird
dem Schultheissen von Bonames doch gestattet etwa gehauene Pfäl
in der Mark zu holen, bis zum nächsten Märkerding aber nicht weiter
zu hauen. — Mglb. E. 29. IIb S. 103.
Diese „Schlössen und Flecken" haben bereits im 16. Jahrhundert
einen Vorrang vor den übrigen Ortschaften eingenommen, besonders
wol desshalb weil in ihnen die verschiedenen Regierungen der zur
Mark gehörigen Ortschaften eine Vertretung fanden. Sie bildeten
den Ausschuss der in mancherlei Weise eine Thätigkeit entwickelte,
namentlich im Rechtsprechen und in der Verwaltung der Mark. In
älteren Zeiten gehörten dazu Homburg, Oberursell, Bonamesa, Reif-
fenberg, Hatstein und Pfraumheim; aber bereits im Jahre 1594 sollen
die Märkermeistcr vor dem Waldbotten und den fünf Hauptflecken
Rechnung thun. Hatstein wird von da an nicht mehr unter den be-
vorzugten Ortschaften genannt. Noch im Jahre 1545 als die Märker
Eingriffe des Waldbotten in ihre Gerechtsame befürchteten, hatten
sich die Solmsischen, Hanauischen, Frankfurtischen, dann Juncker
Friedrich von Reiffenberg und der von Hatstein mit einander ver-
glichen, und einen Tag zu Frankfurt im Predigerkloster angesetzt,
daselbst zu handeln wie sie das Instrument wollen helfen h and t haben.
„Und seind die nachfolgend Dorffer und Flecken zum Ausschuss ghen
Homburg verordnet: Homburg, Obernursell, Bonamesa, Reiffenberg,
Hatstein und Pfraumheima 19.
Es kann hier nicht daran gedacht werden Verzeichnisse und
genealogische Aufzeichnungen des Adels in der hohen Mark zu
geben, das würde dieser Arbeit sehr ferne liegen; es soll nur das
Verhältnis* des Adels zum gemeinen Märker berührt werden.
Einen bestimmt ausgesprochenen Vorzug in der Nutzung der
Mark vor dem gemeinen Märker hatten die Edelleute in älteren Zei-
>» Vergl. über den Untergang der Burg Hatstein : Usoner, Ritterburgen
S. 180, u. ff.
- 281 -
»
ton nicht Es wurde aber doch eine gewisse Rücksicht auf sie ge-
nommen, um so natürlicher als gerade der Adel die Vorkämpfer
lieferte, wenn es galt den Anmassungen des Walpotten entgegenzu-
treten. Aua den Edelen wurden auch meist die Schultheissen be-
stellt, entweder aus dem Adel der Mark selbst, oder der Umgegend.
Ansässige, in der Mark gegudete Edelleute sollten vor andern zu
M&rkermeister gewählt werden. So finden wir im Jahre 1401 Henne
Clemm von Hoenberg und Heinrich von Beldersheim, 1546 Georg
von Bellerßheym Amtmann zu Nidern Jrlebach, 1578 Philipe Wolff
von Ffraunheim Amptmann zu Königstein, derselbe im Jahr 1595
als Markermeister. Ausser diesen kommen noch vor: 1401 einSifridt
von Stierstadt, Fritzchen Clemm und Damen von Prumheim, die
Franken von Hexstat, Henne von Delckelnheim, Wilh. von Bommers-
heim, Jacob von Cronberg, Balthasar von Eschbach, Jon. von Bus-
seck, u. a. m.
Besonders sind es, neben den Brendel von Homburg, die Junker
von Reiffenberg und von Hatstein welche in Stämmen auftreten,
ähnlich wie der gemein Märker in Ortschaften. So heisst es dass
1545 zugegen gewesen von wegen des Stamms Brendel, Johann
Brendel der ältere von Homberg d. h. Boichs Burggraf zu Fridberg,
Joh. Brendel der jüngere von Homberg, von wegen der Stämme
Ryffenberg und Hattsteyn erscheinen aber Pfarrer und Schultheiss.
Ebenso auch 1541 waren erschienen anstatt des obersten Walpoden
der ehrenvest Christoff von Hatstein, Amtman zu Königstein, dann
Conrat von Hatstein, Ritter, Vitzthumb zu Mainz von wegen des
Hang Hatstein, und Johan von Reiffenbergk von wegen des Haus.
Noch im Jahr 16()7 erschien ein Daniel Brendel und Joh. Eittel
Brendel von Homburg, der Schultheiss zu Erlebach und der Ritt-
meister von Homburg Brendel werden zu Märkermeistern erwählt
Im Jahre 1578 heisst es, nachdem die Geschickten der Herrschaften
aufgezählt worden, letzlich waren erschienen »beneben den gemeinen
Märkern Johann Brendel von Homburg und Burckhardt Engelbrecht
von Hattetein als Mitmerker".
Wir finden diese beiden Reiffenberg und Hatstein bald unter
denen vom Adel aufgeführt, bald unter den Herrschaften. Als der
Keller von Homburg 1541 einen Ausschuss bestellen wollte „sind ihm*
die gemelten Herrschaften Solms, Eisenburgk, Frankfurt, Hatzstein
und die Unterthanen in die Red gefallen".
Die Hatsteiner und die RehTenberger abgeschieden von der übri-
gen Welt haben sich auch nicht viel um deren Anforderungen be-
kümmert. Im 15. und 16. Jahrhundert fehlte es nicht an Besch wer-
Digitized by Google
- 282 -
den der Märker gegen dieselben ; so auf Mitwoch nächst nach dem
b. Pfingsttug 1484 eine Beschwerde gegen die von Riffemberg die
etlich in der Marg gefangen und gepfändet haben. Im Jahre 1491
abermals ein Märkerding gehalten wegen der Irrung mit den von
Riffemberg „den abgezogen Walt" betreffend. Zugegen waren die
Abgeordneten von wegen Hanau, Solms, Königstein, Frankfurt, dann
J. von Cronberg wegen Nidern Heckstat (?), Marqwart von Hatstein
von wegen des Schloss Hatstein, Gilbrecht von wegen des Schloss
Riffonberg. Sie beschliessen einen Umgang wieder zu halten, und
„sy jede herschaft ufs getrost sie künnen kommen und erschinen",
auch die Jungen allenthalben mitnemen, darmit der Umbgang im
Gedechtniss bliebe. Im Jahr 1600 baten die Reiffenberger um Hegung
des Schartterwaldts, die Märkermeister erwiderten : die Reiffenberger
theten den mehrsten schaden, und sonderlich die uff Reiffenberg ge-
legenen Soldaten.
Die Brendel, welche besonders bei Seulburg begütert gewesen,
sollen zuletzt im untern Schloss zu Homburg gewohnt haben, 1630
oder 1636 ausgestorben sein. Die Wolff von Pfraumheim *° erscheinen
noch um das Jahr 1600 auf den Märkerdingen, so 1600 Philips Wolff
von Pfraumheim. Er scheint aber keine vorragende Stellung dabei
mehr eingenommen zu haben. Als man ihn nicht zum Ausschuss
berief, sagte er, dass er mit darunter gehöre „wolle sich untermen-
gen, wie maußdreck undern Pfeffer'1. Er beschwert sich dass man
die Adelspersonen nicht zum gemeinen Zechen ziehe. Georg Bren-
dell von Hoenburgk affirmirt, dass solches also herkommen und billig
geschehe. Im Jahre zuvor aber heisst es von Phil. Wolff von Praun-
heim es sei uff sein Ansuchen an sein gesetzten büßen der 8 fl.
zwei fl. nachgelassen.
Der Walpode hatte sich nur von dem Landman oder dem ge-
mein Märker seine Rechte und Herrlichkeiten weisen zu lassen ;
Strafen mochten „ der walpode und der lantmanu mildigen, aber bei
der Wahl der Märkermeister waren die Edelleute in mancher Be-
ziehung bevorrechtet: „Wen die Edellute und der lantman uff St
Kathrinentag zu Markermeistern kiesen, den hat der Walpode zu
bestedigen*. So geschah es im Jahre 1401. Auf dem Märkergeding
von 1438 gingen die Edelleute beiseite und auch der lantman, und
besprachen sich und wählten die Märkermeister. Der lantman ge-
dachte auf Anstiften des Kellners von Homburg dreie zu wählen da-
w Vergl. Uber dieses Geschlecht, Dr. Euler im Pftr. Archiv fttr Gesch. 6
Ilft. 8. 110.
Digitized by Google
- 283 -
mit die Mark besser bestellt würde, die Edeln aber wählten zwei
„Hennen von Delekenheym hie diese syt de boe und Cunen von
Riffen berg hinsit der hoe", und raeinten dass man es bei den zweien
lieöB bleiben, wie es von altem Herkommen wäre, und hiessen die
Landleute hinter sich treten und darauf besprechen. Als sie sich be-
sprochen hatten „erzählte der Schultheiss zu (fehlt der Name des Orts)
von der Landleute wegen wie sie meinten dass die Edeln es als gerne
gut sähen als sie, und wollten es auch bei den zweien lassen bleiben,
wie die Edeln gekoren betten." — Mglb. E. II. S. 93.
Nach dem Weisthum von 1484 soll man kiesen zu Märkermeis-
tern aus den Edeln die in der Mark gemessen undgegut seien. Mag
man der nicht haben, so soll man kiesen aus den Priestern, mag man
auch der nicht han soll man kiesen aus den lantmannen die furnemsten
und nützigsten.
Noch im Jahre 1541 traten die Edeln „so von Jre Person selbst
wegen, vom Adel zugegen" zugleich mit den Herrschaften gegen die
Gesandten des Waldpotten auf, begehrten zu wissen ob dieser der
Gemark merklichen Schaden gethan mit Abhauen von Eichenbäumen
aus welchen viel tausend Zaunstecken gemacht die Ir0 Gnaden ausser
der Mark verbraucht; solche Büge hätten sie in den Rügezetteln
nicht verlesen hören, ob solches mit Wissen des gemein Märkers
oder der Märkermeister bescheen, ob sein Gnaden auch solchen
Schaden verbüsset? Wenige Jahre nachher aber stimmen auch die
Brendel, die Herren von Bommersheim, von Praumheym, wie die von
Reiffenberg und von Hatstein den unheilvollen Beschlüssen bei, welche
das alte Recht der Mark vernichten halfen.
Damals schwand das Ansehen der Edelleute. Auf Mitwoch nach
Pfingsten 1563 begehren die zween Stämme von Reiffenbergk und
Hattstevn Anzeig, warum die Märker ihre Unterthanen die Reiffen-
bergischen und Arnßhainer aus der Mark geschlossen; zum andern
warum nicht die Märkermeister aus dem Adel gewehlet würden ; zum
Dritten aus was Ursachen ihnen gewehret wöll werden Säuhecken
im Wald zu machen? Der Amtmann von Epsteyn erbietet sich zum
Versuch die Irrungen in Güte beizulegen, dagegen die zween stamm
„dieweil die andern gahnErben nit vorhanden" wollen sich in keine
gütliche Verhandlung einlassen. Die Märker ihrerseits heben hervor
wie die Reiffenberger die Ausschliessung verdient; sie bemerken
dann : es sei im Instrument geordnet dass Merkerroeister vom Adel,
in der Mark gesessen, sollen gewählet werden, „Inen sey aber auch
ufgelegt; sie sollen zytlich in den Walt ryten und zusehen, dass die
Forster Jres dienstes flyssig und treulich warten; Dwyl aber solches
Digitized by Google
von etlichen unterlassen und auch im Instrument versehen, wo man
solche Personen vom Adel nit haben möge, soll man von Priestern
oder von andern redlichen Märkern nehmen, so hab man etliche Jar
her redliche Personen aus den Merkern gewehlet die der Mark zum
treulichsten sollen fürstehen. Es heisst weiterhin zur dritten Be-
schwerde : „soviel die sewhecken belangt, hab der öberst Waltpot die
Vorjagt in der Höhmark, laut des Instruments, demnach mögen die
Merk er auch jagen; zu solcher jaget mög der Waltpott Hecken lassen
machen, sust wissen die Mercker nit dass Jemant andres hecken hab
zumachen. Wan eyn jeder merker synts gefallens wöll hecken machen,
so hetten sie des Walts nit genug". Mglb. E. 29. III. — * Nicht lange
nachher, im Jahre 1578 bringen die Beamten des Waltboten vor,
dass etliche Märker, sonderlich aber die vom Adel sich des Wild-
schiessens gebrauchen, dazu eigne Schützen halten sollen, welches
dem Instrument zuwider sei, sie hätten sich des Schiessens in der
Mark gänzlich zu enthalten.
Im Anfange des 17. Jahrhunderts (1602) übergaben die wenigen
noch vorhandenen adelichen Mitmärker den beiden Märkermeistern
und den gemeinen Märkern Besch werungspuncte. (Mglb. E. 29. IV.
S. 26.) Das Instrument bestimme, dass aus den adelichen Mitmerkern
oder geistlich, da man derselben haben könne, Märkermeister zu er-
wählen seien, dass sie auch zu den Berathschlagungen gemeiner Mark
gezogen werden sollen; etliche Jahre hero seien aber dem zuwider
nicht allein gemeine Personen zu Märkermeistern erwählet, sondern
auch der adliche Märker von gemeiner Beratschlagung gänzlich
ausgeschlossen worden. Sie begehrten dass jederzeit aus den adlichen
Märkern einer zum Meister erwählet werde ; dass auch die jährlichen
Rechnungen zur Prüfung den adlichen und andern Mitmärkern vor-
gelegt werden. Sie machen Vorschlag wie Ersparnisse durchgeführt
werden könnten, die Aufsicht im Walde geschärft Darauf beschließt
aber der Märker: die vom Adel würden sich dem Instrument gemäss
zu verhalten wissen, sie seien mit dem Ausschusse zu Rath gegangen,
ausser den Versammlungen hätten nur die Hauptflecken zu deliberiren.
Die Rechnung abzuhören stehe allein bei dem obersten Waldpotten
und den Hauptflecken. Burghard Engelbert von Hatstein habe wol
etwas in Vorrath gebracht, andere vom Adel aber hätten den Vor-
rath nit gehäutet sondern durchbringen lassen. Den Recess betreffend
hätte der Märker lieber nichts wünschen mögen, als dass Philip«
\Yolt't von Praunheim, der Caspar Jockel succedirt, dero Zeit ein
schärferes Aufsehen gehabt, die Rechnung so liederlich nicht appro-
birt oder unterschrieben, sondern die Recessscliuldon ausgeti
hätte. Endlich sei in dem Instrument nichts zu finden, das» die vom
Adel mit der Beholzigung und Eintreibung ihrer Schweine zur
Mästung vor andern Märkern berechtiget, sie lassend bei solchem
Herkommen billich verbleiben da die vom Adel in Markbeschwerung
mehr nit dann andere gemeine Märker contribuiren.
Ah auf dem Theidigungstagc am 28. Juni 1603 der Kellner zu
Vilbel sein Begehren wiederholt, dass von der Schwein rügen abge-
standen werde, erkennt der Märker „den Besitzer des Hauses Vilbell
für einen Märker, und Niemandes weitter" und weisst ihren Besitzer
auf das Instrument und die Markordnung „zuversichtlich, er sich
daran begnüge und keine Neuerung veranlassen, auch der verwirk-
ten Bußen halben sich mit ihm aller gebür abfinden werde, damit
nicht Noth sei andere zulässige Mittel gegen ihn an die Hand zu
nehmen.0
Von weit geringerer Bedeutung als in der hohen Mark war der
Adel in der Seulburger, Erlenbacher etc. Mark; doch auch hier
hatte er gewisse durch sein Auftreten und Benehmen bedingte Ehren-
vorrechte. Bei den Streitigkeiten über die Märkermeister Wahl
erklärten die gemein Märker im Jahre 1482 sei auch ein alt Herkom-
men, wann ein Märkermeister sein Amt aufgestabet habe, were der
ein Edelman in der Mark der darum bäte, den sollen die Mark er
darzu uffnemen, were aber kein Edelman der darum bitten wollte,
were dann ein Pastor in der Mark der darum bäte, solle ihm gelas-
sen werden. Die Fassung ist hier eine andere wie in der hohen Mark :
einem Edelmann der um das abgegebene Amt wieder bittet, dem
soll die Bitte nicht abgeschlagen werden81.
In der Markordnung von 1588 ist bestimmt dass Sontags nur
grün Holz, Freitags nur dürr Holz gehauen werden solle, jedoch den
Burgsessen und Herrenhäusern hiermit nichts gewisses vorgeschrie-
ben werde „dann dieselbe uff gewieße tag nit gebandt sein sollen".
Im Jahre 1591 ist dann beigefügt, dass jeder nur einmal des TageB
fahren dürfe, wer ausserhalb der Wittage „under dem schein der Bürge
Holz bei sich in seinen Hoff führe" solle gestraft werden. Schon im
Jahre 1599 findet sich aber: soviel die Burgsesse anlangen thut ist
" Gewöhnlich sind es nnr die unteren Beamten welche um ihr Amt bitten,
die Förster, der Schreier, wie heut zu Tage noch in der Schweiz der Weibel
und der Landschroiber. Die obersten Markbeamten werden, in den späteren
Zeiten wenigstens, ohne dass sie desshalb bitten, gewählet. So noch jetzt auch
in der Schweiz die Landammanner welche von andern in Vorschlag gebracht
werden.
- 286 -
beschlossen daas der Ober Herr Waldpott uf gewisse Tage nicht ge-
bandet, noch ihme Maaß und Ziel fürgeschrieben sein solle ; aber die
Petterweiler Borg soll ihr Holz „wie vor Alters auf die vier fron-
fasten lassen ausführen, und weiter zu thun nicht macht haben, bey
der straffe in gemeinden Verbrechern geordnet, so oft einer darüber
mißhandlen und bedretten wirdt*. 1601 wird festgesetzt: „Waß dan
die Nieder-Erlenbacher etc. bürge so anjetzo durch des Pfarher do-
Belbsten besessen wird, und welchem man auf eine sonderliche Gerech-
tigkeit von deswegen im Walde zuzueignen sich ahnmaßlich unter-
stehen will, anlangend deroselbigen und ihrem Besitzer gestehet man
weiter nicht als sonsten einem geroeinen landman und Marker, und
soll keinem mehr als einmal uf obangeregte Wittage zufahren erlau-
bet sein." Mglb. E. 30. III.
Als sich die Betroffenen beschwert, bemerkt die Waldordnung
des Jahres 1602 : „ob nuhn woll der Graff zu Sollmß uf seines ver-
storbenen Kölners zu Petterweill anregen, wie auch die Statt Franck-
furth gegen diese Verordnung des Burgholzes protestiren und ein
vermaint Hehrpringen anziehen ließen, mit Begehren sie darbei ange-
baut pleiben zu lassen. Dieweil aber der Wald in kurzen Jahren
sehr abgenommen, und war deswegen dem Mark er soviel ata etwa
bishero beschehen nit mehr verstattet sondern abgebrochen worden,
und dann die beide angeregte Burgsesse vermöge des Instruments
mehre Gerechtigkeit als ein ander Märcker nit hergebracht ; zu dem
auch die Nieder Erlebächer bürg bei Menschen gedenken in 50 und
mehr Jahren kein exercitium gehabt, noch sich dessen mit fugen und
gutem gewiesen rühmen kann, so ist ihnen ihr begehren rund abge-
schlagen , auch die vermeinte protestationea auf ihrem unwertb und
es bey dieser Ordnung gelassen werdenn." Ein ganzer Band (Mglb.
E. 42. No. 33.) umfaß st alleiu den Streit über diese behauptete Ge-
rechtigkeit aus den Jahren 1601 — 1605. Dr. Schacher stellt den Satz
auf, die Beholzungsgerechtigkeit sei durch non usum nicht erloschen,
es handle eich nicht um servitus in re aliena, sondern um jus
in re propria, das condominium in der Mark. Nach der Ordnung
von 1598 sei die Burg an gewisso Tage nicht gebunden, das könnten
die Märker nicht willkührlich abändern. Weitere Verhandlun-
gen wegen der Burgsitze und der ungebanten Beholzigungsge-
rechtigkeit folgen im Jahre 1607 auf dem Rathhause zu Seulberg.
Der Rath hatte dazu Johann Adolph Keller, Schöffen und des
Raths, sowie den Syndicus D. Casp. Schacher gesandt; die M&r-
kermeister und der Aussei) uss der aämmtlichen Dorfschaften Seul-
berger Mark hatten einen Beistand in der Person des D. Andres
- 287 —
Conßen Ton Fridberg zugezogen. Nachdem die Solms'schen ihre
Gewalt überreicht, zeigen sie an, dass ihr gn. Herr beim Reichahof-
rath rechtlichen Process ausgebracht, wollten dieselben Protestirt haben,
das» durch diese gütliche Handlung der Klage nicht abgesagt sei.
Diese wird articulirt verlesen: 1) von des Dorfs Peterweil Gelegen-
heit, 2) dass dasselb Ysenburg und Solms mit aller Gerechtigkeit
eigentümlich zustendig sei. 3) Von Gelegenheit der Seulberg und Erle-
bacher Mark. 4) Dass Solms darin die Beholzigungsgerechtigkeit und
5) selbige für sich , seine Keller und das Burghaus herbracht habe ;
Gj und selbiges ohn einige Verbannung. 7) hettens Merker nie gefoch-
ten, 8) hette ihnen auch keine Contradiction gebüret, 9) Beien zwar
etwa Waldordnungen gemacht worden, 10) dabei der gemein Märker
gebaut, 11) ausgenommen die Burgsitz, 12) conseq. seien dieselben
in ihrem Besitze des Unbans gelassen worden, 13) doch haben sie
sich gegen Umstand und Keller zu turbiren, 14) dieselbe Pferde
und Wagen abgepfandt, 15) einen Burgmeister von Petterweil ge-
fangen, 16) den Petterweiler ihre Schwein ausgetrieben, 17) es hette
sich aber Solms nit wollen tegliluiren oder verdrängen lassen sondern
seinen Besitz continuirt, 18) Mercker wollten aber noch nit abstehen,
bitte deshalb dasselbe im Besitz zu schützen. Die Märker namen
nach Verlesung der Schrift ihren Abtritt und bedachten. Sie erwie-
dern dass früher ein jeder Märker nach Belieben beholziget, später
»ei wegen Holzmangel Wittage gesezet worden. „Sollte Solms gegeu
solche Ordnung gehandelt haben, so sei es dann geschehen und dai -
gegen auch gepfendt worden." Anch die andern Artikel werden in
Abrede gestellt oder gedeutet. Die Frankfurter Abgeordneten, wel-
chen auch das Recht in dem Ausschuss zu sitzen bestritten worden 92 f
hatten sich entfernt. Sie erfuhren nachher durch den Schultheiss zu
Nieder-Erlenbach , dass die Märker sogleich nach ' der Frankfurter
Geordneten Abscheidt ein ander Sprach angefangen , der Burgk Pe-
terweil und sonst keinem Burgsitz eine ungebante Gerechtigkeit
einräumen wollten, doch so dass die Herrschaft solches nit als eine
ewige Gerechtigkeit habe, sondern dass solches nur aus gutem Wil-
len geschehe , und die von Solms an die jährlichen Waldordnungen
gebunden sein sollten. Er, der Schultheiss habe ex parte Senatus
widersprochen, es gäbe dies nur Veranlassung zu ewigem Gezänk.
Mglb. E. 30. 4.
21 Auf dem Ausschusstage am 25. Mai 1604 zu Sealberg hatte der gem.
Märker begehrt, der Abgesandte des Raths möge anders nicht, denn als
„beistand des dorffs Nid. Erlenbach" der Session beiwohnen.
Digitized by Google
- 288 -
Im Jahre 1698 verkaufte der Frankfurter Rath die Nieder-Erlen-
bacber Burg mit dem dazu gehörenden Gelände an den Herrn von
Glauburg, (Mglb. £. 43. No. 1 und 6.) Der Schultheis Job. Tob.
Lampe rt bescheinigt am 16. Sept 1789, dass die Gemeinde Nieder-
Erlenbach nicht nur seit dem Jahre 1759, in welchem Jahr er da*
Schultheisaen-Amt angetreten, sondern bereits viele vorherige Jahre,
denen hochadlichen Besitzern der Burg aus der hohen Mark jährlich
sechs Wagen Holz, jeden Wagen mit 4 Stück Vieh bespannt, zur
Frohnde in die Burg gefahren habe. In dem genannten Jahre 1789
aber trieb der Waldschreier Masch auf Befehl des Märkerm eisten
zu Ober-Ursel zwei Pferde des Herrn Oberamtmann v. Glauburg
zur Strafe ein, und es wurden dieselben nicht eher loagegeben bis
Strafe und Unkosten mit fl. 20. 41 kr. entrichtet waren. Der Eigen-
thümer wandte sich an den Rath, ihn in der verkauften Gerechtsame
zu schützen. Der Miirkermeister Siebold von Oberursel vcrtheidigte
seine Handlungsweise, die Gerechtsame sei nicht erwiesen, da« pos-
sessorium nicht bescheinigt, selbst die „Darmstädtischen Prinzen-
höffe zu Nieder-Eschbach" verlangten kein weiteres Recht als jeder
andere Märker verlangen könne. Die fürstlich Hessische Regierung
zu Homburg, an welche man sich nun wandte, versprach, dass das
Anliegen des Burgbesitzers bei dem nächsten Markkonvent in Ueber-
legung genommen werden solle; verwiess aber zugleich auf Märker-
gedings-Protocolle von 1517, 1601, 1602 und 1608, nach welchen denen
vom Adel wegen ihrer Güter kein Vorrecht in der Mark eingeräumt
werden solle. Da Herr Oberamtmann v. Glauburg auf dem Märker-
ding 1791 sich nicht meldete, blieb die Sache liegen.
Die Geistlichen. — Auffallend ist der geringe Einflusa wel-
chen die Geistlichkeit in den Angelegenheiten der hohen Mark gehabt,
und wie überhaupt jedes äussere Zeichen einer Gottesverehrung dieser
fremd geblieben ist. Kein Kreuz ist darin errichtet*3, und auch die
Benennung einer Gegend am Lindenberg : „an der Magd-Kreuz44, soll
an ein Verbrechen erinnern. Nur eine einzige Stelle in der Hohen
Mark, ist als eine heilige bezeichnet. In den Markumgängen, z. B.
von 1586, gelangen die Märker hinter dem grossen Feldberg hei dem
kleinen Bettstein an das Feldchen „heiligen Wald" genannt „Ein
Stein so noch gesetzt werden soll, oben am Eck heyligen Walt
genant, ist der 5., der 6. Stein zwischen dem Arnßhayner Walt
23 Das rothe Kreuz liegt nicht in der hohen Mark
— 289
und dem kleinen Bettstein. u Der 8. Stein weiter hinunter zwischen
dem kleinen Bettstein und dem heilig Wald. „Fortan von dem Brunn,
obendig dem heimig Seuffen, hinauf? am heiligen Walt 24 und Faul-
berg ein Stein."
Wol scheint es, dass der Abtshof zu Eschersheim, jenseits der
Nidda gelegen, einer besonderen Begünstigung gewürdiget worden,
diese ist aber andern geistlichen Anstalten, z. B. dem Kloster Thron,
jenseits der Höh, nicht geworden. Auf dem Märkerding von 1549
wurde beschlossen: weilen die vom Thron mit ihrem Vieh in die
Mark treiben, auch Wellen daselbst machen, ist den Förstern befohlen
sie zu pfänden: „wollen dann die Thröner unsern Förstern die andert-
halben Gulden Gelts so sie Inen bis daher jerlich zu geben pflegten
ftlrthers nit geben, so mögen sie es unterlassen, dan die Merker wöl-
len nit lyden daß der Forster halben den Außmerkern evniche gerech-
tigkeit in der Mark gestatet werd.' Mglb. E. 29. IIb S. 135.
Weiter wird bemerkt im Jahre 1567, die Jungfern zum Thron hät-
ten gebeten „Inen zu gunnen daß sie mögen mit Irem Vieh wey-
den, und wellen machen in der Höhmark an etlichen Orten so den
Merkern entlegen syen. Solchs Inen abgeschlagen, wie hiebevor im
Jar 1549 auch geschehen«.
Priester werden in den Verhandlungen der Hohen wie der Seul-
burger, Erlenbacher etc. Mark fast nur genannt als Zeugen. So
namentlich bei dem feierlichen Märkerding bei Oberursel im Jahre
1484. Nur die Hatsteiner und Reiffenberger senden, weil sie sonst
keine geeignete Beamte hatten, ihre Capeliane auf die Märkerdinge.
So wird 1536 zu dem Ausschuss nach Homburg geschikt Georg
Betseier Capelan zu Reiffenberg, 1545 zu dem Ausschusstag Herr
Jorg.... Pfarrher zu Ryffenberg und Hans . . . . Schulthes daselbst
Neben den Edelleuten sollten auch die Pastoren vorzugsweise
berücksichtigt werden bei der Wahl der Märkermeister: swere aber
kein Edelman der darum beden wollte, were dann ein Pastor in
der Mark der darum bete, sol im gelassen werden." Nur ein ein-
zigesmal aber findet sich ein Pastor bei der Märkermeisterwahl berück-
sichtiget Im Jahre 1485 während der Streitigkeiten des Waldpoten
bei diesen Wahlen in der Seulburger, Erlenbacher etc. Mark haben
die von Petterweile, Nydern Irlebach und Ober Irlebach gekoren
den Pastor zu Obern Irlebach, die von Hulczhusen, Koppern und Sul-
" In der Seulb. Erlenb. Hark wird in ähnlicher Weise beim Umgang 1593
ein „heiliger Acker" berührt, bei demselben stehet der 88. Hänfen ; unten am
heiligen Acker nach der Regelßbach au, der 34. Hanfe. Mglb. E. 30. IV. -
19
Digitized by Google
- 290 -
borg aber Erwin Dogel. AI« aber die von Petterwvle gehört han
daß Erwin Dogel von den Eppensteinern gekorn were, so stunden
sie von dem Pastor und koren auch Erwin Dogel, damit er die Mehr-
heit gewann. Mglb. E. Hb S. 152.
Im Jahre 1583 legt der Keller von Homburg den Entwurf zu
einer neuen Ordnung vor; in demselben heisst es zum zwölften, die
Erwehlung und Kiesung des Merkermeister anlangend: man solle
Wehlen, so maus kann, aus den Edeln die in der Mark gesessen, oder
lantman die Vornehmsten und nutzesten. Der Pastoren wird nicht
mehr gedacht
Auch die Bevorzugung der Pastoren in Betreff der Jagd war
wol nur noch ein Anklang aus einer vergangenen, roheren Zeit Schon
im 15. Jahrhundert findet sich keine Spur der Benutzung vor.
Wie der Bereich der ehemaligen Höhmark staatlich zertheilt und
in Stückchen zerrissen ist, so auch in Folge dessen der kirchliche
Zusammenhang. Nach der Reformation wurde in dem einen Dorf
die lutherische Predigt eingeführt, in einem andern daneben wurde
von Churmainz die Messe wieder hergestellt, in einem dritten stritten
Lutheraner und Reformirte um die Kirche. Dies z. B. in Ober-Esch-
bach, wo die Kirche den letztern zugesprochen wurde, weil der Lan-
desherr dem Glauben der Reformirten zogethan war. Die Lutheraner
bauten sich eine neue. In Oberursel wurde im Jahr 1604 die luthe-
rische Kirche abgeschafft, Pfarrer und Schuldiener verwiesen. Die
Menschen wurden nicht dämm gefragt was sie glaubten, es
wurde ihnen vorgeschrieben was sie glauben sollten. In den Dörfern
und auf dem Felde erhoben sich Denkmale welche den daselbst
herrschenden Glauben vor Augen stellten, selbst dicht am Walde
wurden solche errichtet; aber drinnen in den grünen Hallen, wo die
gefiederten Sanger das Loblied ihres Gottes fröhlich erschallen lassen,
da verstummte das Kirchengezänk, da herrschte gleiche Berechtigung,
da verdrängte keiner der Landesherren den Glauben des Anders-
denkenden.
Es findet sich noch ein Theil der Hohen Mark an der alten
Strasse nach Wehrheim, unterhalb der Saalburg, mit der Bezeich-
nung „der Einsiedel". Dies hat aber wol, obgleich es von den Be-
wohnern der Umgegend so gedeutet wird, mit einem Einsiedler, der
zu einem ernsten, beschaulichen Leben sich in den Wald zurückge-
zogen haben solle, nichts zu thun. Einsiedel oder Einläufiger war
ein Mann der kein Feld bebaute.
Der Juden wird in der Hohen Mark nur ein einzigesmal gedacht,
in einem Schreiben als ein jüdischer Verbrecher gestraft werden sollte.
Digitized by Google
- 291 -
Auf den Märkerdingen, bei den Umgängen, bei Streitigkeiten wird
ihrer nie erwähnt. Als es zur Theilnng der Mark kam, haben die
Obrigkeiten einen gewissen Bruchtheil per Kopf auch der Juden
wegen beansprucht und ausgewirkt. Der Handel wies sie nicht in
den Wald, auf die Höh, sondern nach der Stadt. Nur wenn sie
gestorben waren wurden sie hinaufgetragen auf die stillen, einsamen
Ruheplätze in oder an dem Walde. Der Begräbnissplatz oberhalb
Seulberg, am Dacbacker, diente für die ganze Umgegend besonders
rar Homburg; Holzhausen hat einen besonderen Platz bei der ver-
fallenen Burg, Falkenstein und Cronberg hoch oben im Walde, Hed-
dernheim am Marktplatz der yerschwnndenen Römerstadt.
Der Waldbott. — Von der höchsten Bedeutung und schon
im Namen als oberste Person in der Mark bezeichnet, war der
Oberste Herr und Waldbott oder Waltpode. Ob dieses Wort von
Wald oder aber von Gewalt herzuleiten, ist wol nicht zu ermitteln,
die wechselnde Schreibweise gibt uns in dieser Beziehung keinen
Anhalt; es wird z. B. im Jahre 1401 ebensowol Waltpott wie Wal-
pode und Waldbot geschrieben. Bei den Streitigkeiten um das Jahr
1700 berühren die Märker in einer Gegenbeantwortung auch diesen
Namen. Der Besitzer des Hauses Homberg heisse nicht nur oberster
Herr, sondern er werde genannt ein oberster Herr und Walpott.
Beide Bezeichnungen seien nicht zu trennen, sondern ein und das-
selbe. Waldbott sei forestarius, saltuarius. Ein solcher sei schon
anno 621 von Dagobert, dem König der Franken bestellt worden
die Meeresküste gegen die Normannen zu schützen, wie solches in
den Gemächern des Bassenheimischen Hauses vetustis et fugientibus
Ktteris aufgezeichnet stehe; gegen die Räuber in den Wäldern seien
sie gesandt gewesen; so sei ein oberster Herr und Waldbott nichts
anders als ein oberster Märker, dem das Directorium und die Ob-
Bich t auf die Mark und deren Ordnung aufgetragen worden, ein
Schutz- und Schirmherr welchen die Märcker zu dem Ende erwählet
haben, damit er sie gegen alle Gewalt schütze. Damit habe er, so
heisst es in der Beantwortung weiter, noch keine Jurisdiction erhal-
ten. Nach dem Instrument hätten die Märker dem obersten Wald-
botten seine Herrlichkeit in der Mark zu weisen, er besitze nicht
mehr Rechte, als ihm von den Märkern eingeräumt worden, diese
hätten das rechtliche Eigenthum, er selbst könne die Mark nur
mit Rath der Märker bestellen; haue er in der gebückten Hege
auf der Strassen, so solle er dem landmanne büßen; die erwählten
Härkermeister könne er nicht zurückweisen, nach dem Instrument
19*
Digitized by Google
— 292 —
habe er sie zu bestätigen; der Eid derselben sei allein auf die Mark
gerichtet; das Märkergeding werde geheget im Namen des obersten
Waldbotten und der gemeinen Märker.
Hiergegen läset sich aber gar Vieles anführen. Schwerlich haben
die Mark er selbst den Waldpotten gewählt, ihm Schutz und Schirm
der Mark gegen Räuber übertragen. Auch nicht eine Spur findet sich,
dasa er die Obergewalt im Kriege, oder zur Vertheidigung gehabt.
Als er die Märker zu den Wolfsjagden bestellte, fand er den hef-
tigsten Widerspruch. Die Mark umfasste zwar früher auch die Dorf-
schaften selbst, der oberste Herr und Waldbott war aber nur für
den Wald selbst eingesetzt. Dafür sprechen die Ausdrücke „oberster
Märker« und auch „Oberwaldpott". (Seulb. Erl etc. Weisthum von
1493. Mglb. 30. No. 4.)
Als bei den Streitigkeiten über die Wahl und Einsetzung der
Märkermeister längere Zeit die Mark unbestellt geblieben, waren es
die Herrschaften die das Märkerding zu hegen untern amen. In Be-
treff der Ausmärker hatte der Waldbott unbestritten die Bestrafung
der Waldfrevel und den Eintrieb der Frevler, auch bei diesen heisst
es aber, dass der Waldbod mit ihnen leben mag wie er wolle „ane
den dot und lemede".
Es ist alle Wahrscheinlichkeit dafür dass die Einsetzung des
Waldboten ein Werk der Fränkischen Könige ist In dem Aufs atze
Uber die Hohe Mark, im ersten Bande dieses Archivs, ist wiederholt
auf den innigen Zusammenhang derselben mit dem Deutschen Reiche
selbst hingewiesen. Nicht Wunsch und Bedürfniss der Märker führte
die Einsetzung herbei, sondern das Streben des Königs seine Gewalt
zu festigen. Alles was das Eigenthum der Märker an der Mark be-
traf, die Verwaltung, die Nutzung, selbst die Aufsicht blieb dem
Märkerding vorbehalten; der Waldbott aber hatte das Märkergeding
zu hegen, in dringenden Fällen ein solches zu berufen, er hatte
die obersten Beamten der Mark zu bestätigen, sie nötigenfalls bei
der Ausübung des Amtes zu schützen und zu schirmen; sie aber
mussten ihm der Mark wegen geloben SE. Endlich stand ihm der
Wildbann und das Strafrecht über Ausmärker zu. Weiter ange-
sprochene Amtsrechte waren nicht unbestritten, namentlich dies nicht
die Ausdehnung des Richteramtes und der Blutbann. Ueber die zur
M So auf dem Märkergeding der hohen Mark im Jahr 1438: globete Cune
von Riffenberg Jorgen Brendeln . . an des obersten Walpoden Stadt Jn sin
hant, der marg getruwelich für zu sin, und sie zu schuzen und zu schirmen als
ferro yme crafft und macht getragen mag. Mglb. 29. II.
Digitized by Google
— 293 -
<
hohen Mark gehörenden Gemeinden hatten die betreffenden Herr-
schaften das Gericht Uber Hals und über Haupt*«. Da die Mark Wal-
dung aber gemeinsames Gut war, konnte für sich allein kerne der-
selben das Gericht darin in Anspruch nehmen.
Im Jahre 1600 schreibt der Märkermeister Niclas Rupell an den
Märkermeister Hildebrand, Schultheissen zu Bonames, theilt ihm
mit wie der Landgraf vorhabe die Personen, so die Juden in der
Mark bei dem Fahrborn umgebracht, richten und wie man sage
den einen vierteln und auf 4 Straßen henken zu lassen. Er befurch-
tet, dass derWaldbott aus solchem eine Gerechtigkeit schöpfen wolle.
Allein es wurden keine Schritte dagegen gethan. Heftiger war die
Unzufriedenheit weil der oberste Herr und Waldbott die in der
Hohen Mark erschlagenen Körper, es mochte vorsätzlich von Men-
schen oder ohngefähr von Bäumen geschehen sein, in oder ausser
der Mark begraben lassen wollte. „Es sei bekannt," so führen die
Märcker beschwerend an, „dasB in anno 1660 eines Urseler Wagners
verblichener Körper aus der Mark, worinnen er von einem Baum
erschlagen worden, von denen Houmburgern, bevor man's zu Ursell
gewahr worden, nach Steden getragen, und dass auf Anflehen der
betrübten Wittib (die Urseller) urab dessen Wiederabfolgung ange-
sucht, auch einen Revers deswegen von sich gegeben haben. Dies
sei ohne Präjudiz der Mark geschehen, und auf dem nächsten Mär-
kergeding dagegen protestirt worden." Auch diese Beschwerde war
vielleicht mehr gegen die harte und will kührliche Ausdehnung des
Blutbannes, als gegen die Richtergewalt des Waldpoten selbst ge-
richtet Bei Streitigkeiten unter den Märkern, so z.B. bei den Strei-
tigkeiten des Frankfurter Raths mit dem lantman, wegen Kohlen-
lieferung an den Kessler von Bonames, ist die Richtergewalt des
Waldbotten von dem Frankfurter Rath angerufen worden. Auch aus
den gemeinen Märkern haben dies welche gethan , so Bernhard Ebel
von Nieder-Erlenbach, welcher zu einer Busse verurtheilt, im Jahre
1699 an den Waldbotten appellirte, diesem seine positiones und pro-
batorial Articul zusandte. Damals wurde vom Senat nach eingehol-
tem Berichte decretirt: „dem Schultheissen zu Nieder-Erlenbach zu
bevelhen mit der anbevolhenen Pfändung gegen den Bernhard Ebel
bis auf weiteren Bescheid einzuhalten8.
Bei dem, Ende des 16(e& Jahrhunderts statthabenden Streit wegen
Einsetzung der Märkermeister in der Seulberger, Erlenbacher etc.
" Grimm, Weisthttmer III. 8. 496 ff.
Digitized by Google
— 294 -
Mark, erboten sich die Regierungen zu rechtlichem Austrag. Am
dem Jahre 1490 findet eich dass der Pfalzgraf einen gütlichen Tag
gen QermerBheim ernannt, die Irrungen zwischen dem Herrn von
Hanau und „den andern Märkern" hinzulegen. Es sind „Isenberg,
Solms, Königstein und der Rath alhie uff freitag Bant Elisabethen
tag erschienen und allda eynhellig dieser notein eins worden den
tag abzuschlagen". Im Antwortschreiben an den Pfalzgrafen wurde
hervorgehoben dass die herschaften nit Fug haben den angesetzten
Tag ohne den gemeynen lantman und merker zu besuchen; würde
ein gütlicher Tag „in den augenschein* angesetzt, werde sich der
Handel am besten beilegen.
Des Pfalzgrafen Antwort war, er habe zu gelegner Zeit einen
Tag in a"en Augenschein ernennen wollen, sei auf Anregung des
Herrn von Hanau davon abgestanden, er anderwerbe eyn tag der
mark halben uff Dornstag nach coneeptionis Mariae allhie by eyn
komen und sich über einen Noteil einhellig vertragen, doch solchen
noteil nit geen zu lassen, sondern ein Merckergeding zu halten . .
dann „mit Verwilligung des lantmans" sein Gnad die verfast noteil
zu schicken.
Hierauf antworteten wieder die Regierungen: Sie hätten ea den
Märkern vorgelegt, kein ander Antwort erhalten, dann Bwie sie
haben ein gewonlichen platz auch irer bestelnuss lang, alt geübt
herkomen, des mayn sie sich zu halten und gefuge Ine Iren nach-
komen deshalb keift Irrgang zu machen, es sei auch in Irem Ver-
mögen nit aus Iren kosten der Mark halber solicher ferren tagreise
zu erlegen*.
So wurde im Jahre 1491 auf der Auen vor Ober-Erlebach ein
Märkergediüg gehalten, bemerkt, dass die Märker das Begehren dt*
Herrn Pfalzgrafen, welcher auf Ansuchen des Herrn Philipp Grafen
zu Hanau gütliche Tage der Irrthum halber nach Germersheim au-
gesetzt, zum zweiten male abgeschlagen „sunder in Augenschein au
komen begert haben". Darauf haben sie, aufgefordert der Mark
Rechte zu weisen ausgesprochen: „die marg sei der herren eygen-
thum und der mercker erbe*. — Mgb. E. 30. U. —
Auffallend ist das Vorgeben des Waldbotten, die Hohe Mark
sei ein Pfälzisches Lehen. Als dies im Jahre 1487 ausgesprochen
worden, sagten die Märker: die Mark sei ihr Eigen, „der Lantman
hat Bich daß nit hoch anfechten lassen".
Wiederum wurde die Behauptung, dass die Mark Pfälzische«
Lehen sei, im Jahre 1586 vorgebracht. Als bei grosser Erbitterung
die Hessischen Gesandten auf der Aue vor Ursell Drohungen fallen
Digitized by Google
— 295 -
Hessen, da fügten sie bei: sintemal Ihr fiirstl. Gn. die Höbe Mark
Ton der churfürstl. Pfalz zu Lehen trüge , (wie er Hans Herman
Mönch das bei seiner adlichen Ehre könne affermiren, und deshalb
habenden Fürstlichen Memorial Zettel deme von Hattstein und
Herrn Christoffen zum Jungen vorgezeigt) auch die Leih neulich
empfang- und angenommen worden, würd ihr gn. fürst iL Herr selbst
uff Mittel und Weg bedacht sein, wie denjenigen so sich unbefugt
darin dringen wölten , füglich begegnet werden sollt. Darauf bemerkte
der Ausschuss: es komme ihnen befremdlich vor, dass die Höhe
Mark itzt allererst ein churfürstl. Pfalzgravisch leben angegeben
werde, das Instrument weisse aus, daß Grund und Boden und die
Mark selbs der Merker rechtlich eygen were; wollten solche Anzeig
auf ihrem Werth und Unwerth beruhen lassen. Die Hessischen Ge-
sandten erwiederten: die Märker möchten ihr Verwundern einstellen,
denn dass sie sich uff ein alt Instrument ziehen theten, das were
bei lebzeiten eines alten Herrn von Eppstein, der sich des Lehens
nit erinnert, uffgericht worden, und hätten diejenig, so gedachtem
Herrn von Eppstein und auch den Merkern ihr recht und gerechtig-
keit damals vermeintlich ausgewiesen, kein juramentum leisten wol-
len, auch ihren Weyßthumb aydhaftig nicht betheuern können, dass
also dem Eigenthumsherrn der churfürstlichen Pfalz an der Mark
derzeit nichts begeben worden. Der Ausschuss wiederholte das früher
gesagte: „die gemeinen Merker wüßten sich aus dem Instrumento so
schlecht nicht treiben zu lassen".
In späteren Zeiten ist der landgraf von Heesen nie mehr auf
diese Behauptung zurückgekommen, namentlich hat er bei der Thei-
lung der Mark die Entschädigung nur für sich allein beansprucht.
In andern Fällen, in der Feldmark, war es gewöhnlich dass bei
gemeinschaftlicher Terminei auch der Blutbann gemeinschaftlich aue-
geübt würde. Es scheint dies wenigstens aus einer Verhandlung her-
vorzugehen welche im Jahre 1579 auf dem Mönchshof bei Nieder-
Ursel zwischen Königstein'schen Abgeschickten (als Besitzer von
Weisskirchen) einerseits, und Solmsischen und Frankfurtischen (als
Besitzer von Niederursel) andererseits gepflogen wurde. Es geschah
dies des Krebsers halben, welchen die Niederurseier Unterthanen in
des ausgegangnen Orts, Mittelursel, Terminei krebsend ergriffen und
gefänglich nach Frankfurt geführt. Die Königsteinschen hatten fol-
gende fürgeben, dass ihrem gn. Herrn die hohe Obrigkeit des Orts
allein gebühre, hatten verlangt den Krebser wiederum an das Ort,
da er gegriffen, zu stellen. Bei dem Güteversuch auf dem Mönchhof
Digitized by Google
- 296
behauptete Königstein in der „Mittelurseier oder Mittelgerichtstermi-
ney" die hohe Obrigkeit und den Blutbann, auch das Geleit zu
haben, das Gericht werde in Königsteins, als obersten Blutrich-
ters Namen, geheget, die andern Obrigkeiten (ftlr Niederursel) hatten
nur mittel- und niedere Obrigkeit in dem ausgegangenen Ort. Solms
und Frankfurt aber geben vor daas die Mittelurseler Termine»
Königstein einerseits, SolmB und Frankfurt andererseits, in gemein
eigenthümlich zustände, mit allem Gericht und Gerechtigkeiten, sie
seien sämmtlich Stände des Reichs, hätten die hohe Obrigkeit zu
exerciren; das Gericht des Ortes werde mit Solms'schen, Frankfur-
tischen und mit Königsteinschen Schultheiß und Schöffen abwech-
selnd geheget, es werde das Gericht ein durchgehend Gericht ge-
nannt. Die Weisskircher hätten eine Person mehr, denn sie, in das
Gericht zu setzen gehabt, (einen Schultheissen und 3 Scheffen, sie
nur einen Schultheissen und 2 Scheffen), vielleicht so der Abstim
mung wegen; dadurch seien die Niederurseier überwältiget, das Ge-
richt zweimal von Weisskirchen gehegt worden. Das Geleit werde
nicht zugegeben, dagegen protestirt Man solle das Gerichtsbuch, so
in Weisskirchen verwahrt werde, ediren, darin müsse im Eingang
sich finden von was wegen das Gericht zu hegen, wem es zuständig
sei, wer es zu besetzen habe. Der Krebser sei übrigens nichts anders
wegen beschuldigt, habe sein ersten Versuch gethan, kein leibsstraf
verdient, es sei nur eine schlechte Missethat die mit Geld oder dem
Thurm zu verbüssen. Er wäre nun bald ein ganz viertel Jahr in
schwerer Gefängniss gelegen und „also seines Krebsens ziemlich ge-
strafft worden", wären bedacht ihn ledig zu geben, solches avisiren
sie „damit Königstein, als Mitherrn nichts praejudicirt werdeu. Es
ist aber zu einem Verständniss nicht gekommen. — (Mglb. E. 44.
No. 18.)
Der Waldpott hatte auch die Mark zu bestellen, dies aber nur
„mit Rath der Märker". Für die Hohe Mark sprechen dies die
Märker im Weisthum von 1484 aus. Dieser Beirath der Märker war
wol mehr als ein blosses Abgeben einer Meinung, denn wie die
Mark dann bestellt wurde, also soll es dasselbe Jahr von einem
Waldbotten auch gehalten werden; verbreche es aber ein Waldbott,
so soll der Märker oder landtmann, ob der darnach auch verbreche,
nicht büssen. In gleicher Weise war im Instrument der Seulburger
Mark vom Jahre 1493 ausgesprochen, wie der Walpott die Mark
bestelle „mit Rath der Märker" also soll es das Jahr aus gehalten
werden.
Wie aber eine solche Vereinbarung zu Wege gekommen, das
wird gewiss für verschiedene Zeiten verschieden zu beantworten sein.
Die vorhandenen Urkunden berichten in beiden Harken über Strei-
tigkeit welche der Wahlen wegen sich erhoben. Als bei dem Mär-
kerding der Sewlnburger oder Nidder Irlenbacher Gemark im Jahre
1541 die Märker auf einem Haufen beisammeD gewest, hat Diether
Gewand, der schlaue Anwalt des Waltpoden, angezeigt, die Märker
hätten auf letztem Märkergeding Johann Fleckenburg, Amtmann,
zum Märkermeiater vorgeschlagen; da der oberste Walpott nicht zu-
gegen gewesen, habe er, der Anwalt, ohn Vorwissen desselben den
Gewählten nicht bestätigen können, jetzt sei der oberste Walpotte
zugegen, begehre einen Märkermeister mit dem landman zu erwäh-
len. Der gemein Märker Hess das Instrument verlesen. Der Anwalt
hob hervor darin sei bestimmt, dass die Mark im Beisein eines
obersten Waldpoten „mit Rath der gemein Märker" bestellt sollt wer-
den. Sein Herr sei erbötig die Mark helfen zu bestellen und zu thun
was ihm gebühre. Die Märker aber traten wieder zusammen, bespra-
chen sich und Hessen durch ihren Redner, Johann Schwab, Burger
zu Frankfurt, furtragen, dass sie jetzt wieder Johann Fleckenburg
gekoren, mit bitt dass der oberste Waldpot denselben, wie von
Alters herkommen bestätigen und in gewöhnlichen Eid aufnehmen
wolle.
Die Geschichte dieser Marken zeigt uns auf jedem Blatt, dass
der Streit welcher jetzt in den Deutschen Ständekammern über die
Berechtigung der Volksvertretung gekämpft wird, keineswegs in Eng-
land Beinen Ausgangspunct hat, dass er vielmehr ein ächtdeutscher
ist und dauern wird so lange das Deutsche Leben noch pulsirt27. Es
ist nicht eine einseitige Macht und Gewalt welche dem gesammten
vStaatsleben als Fundament dient, so dass nur in ihr einige, dem
Untergebenen eingeräumte Rechte gleichsam wurzeln , sondern es ist
eine wechselseitige Beschränkung der Rechte, deren Ausdehnung
und Begrenzung wesentlich von der Klugheit und Beharrlichheit der
Kämpfenden, aber auch von den Zeitverhältnissen abhängt. Der
Güteversuch, das Vertragen und Austragen werden immer wieder
vorgeschlagen, zur Hand genommen und versucht Als im
Jahr 1488 der Anwald des Waldpotten das Märkerding auf dem
Flecken, wie von Alter herkommen war, nicht halten wol-
27 De minoribuB rebus principe« Consultant; de majoribnsomnes: ita tarnen,
ut ea quoque, quorum penes plebem arbitrium est, apud prineipes pertractentur.
Tacit. Germ. XI.
Jen, sondern wegen der streitigen MärkermeiBterwahl ohn allen ab-
scheyt mit den von Seulberg abgeschieden, haben sich die Sendbo-
ten der Herrschaften darauf bedacht, nnd dem lantman auf ihrer
Seiten gesagt: sie sollten die Mark gebrauchen wie von Alter; dann
aber: es sollten die Sendboten den Herrschaften vorbringen und sie
im Gedächtniss zu dem nächsten Markerding halten, „trefflich und
so dapperlich zu schicken, deß da stadb'ch gutlichiß oder rechtlich^
ußdragiß sich zu verdragen".
NichtH berechtigt aber zu der Anname dass es den Märkern der
Hohen- und der Seulberger, Erlenbacher etc. Mark zugestand en
von der Gewalt des Waltboten sich loszusagen, wenn er den getrof-
fenen Anordnungen sich nicht gefugt Die Schirmherrschaft des
Waltpoten an und für sich war ebenso festgestellt, wie das landes-
herrliche Verhältniss. Als der Waldpot, um seine Ansprüche bei
der Wahl der Märkermeister durchzusetzen die Hegung des Mär-
kergedings unterliess und die Mark nicht bestellte, wurde diesem
Nothstande durch Vermittelung der Regierungen abgeholfen, aber
darnach sehen wir die Gewalt des Waldpoten ungeschmälert wieder
vortreten. In den ältesten Urkunden schon, in den Weissthümern
der Hohen Mark von 1401 steht voran dass die Mark der Dörfler
rechtlich eigen sei. Unmittelbar darnach heisst es aber : „und dar-
über eyn oberster Herr und Walpode sei eyn Herr von Eppen stein,
oder wer Hoenberg von sinetwegen in habe." Dann folgen die
Pflichten des Waldpoten, die Mark alljährlich zu bestellen, und seine
Gebote über den Wald Belbst auch zu halten. Thut er das nicht,
so kann er desshalb nicht bestraft werden; aber wenn er das Gebot
bricht, so ist auch der Merker nicht mehr gebunden. Hauet er oder
die seinen in der Hegemark, so soll der lantman nit büssen, ob er
darnach auch darinne hauet; wie er den Wiltpan bestellet, also soll
er ihn auch halten, verbrechet aber er das, so mögen es die Merker
auch verbrechen. Nur in dem einen Fall soll auch der Waldbott
straffällig sein, wenn er in der gebickten Hegemark auf der Strassen,
also in dem zur Landesverteidigung gehegten Walde, hauet. „So
er aber das thät, soll er dem landtmann büssen." Es ist nicht ge-
sagt ob der Busssatz der gleiche sein soll wie wenn ein Märker das
verbrochen, auch ist kein Beispiel aufzufinden, dass je eine Strafe
desshalb gegen den Waldboten verhängt worden, aber in den ge-
druckten Ausgaben des Instruments von 1484 ist auf dem Rande ein
„Nota bene" beigefügt.
In der Hohen Mark ist das Amt eines Waltpottcn an den Be-
sitz von Homburg geknüpft Auch in der Seulberger, Erlenbacher etc.
Digitized by Google
- 299 -
Mark war das Amt an Homburg geknüpft und zwar an den recht-
lichen Besitz desselben ; es ist dies durch das Märkergeding von
1491 auggesprochen in den Worten: „das ein iglicher der hoemberg
mit got und mit eren inhab, das derselb ein oberster Waltpode der
raarg sy." Im merkergeding von 1493 weisen und erkennen die
Märker Herrn Philips Grafen und Herrn zu Hanau itzt, und nach
ihme den, der Homburg mit Iren (Ehren) und recht inn hat für ein
obersten Herrn und Walpoden der Mark. — Mglb. 30. No. 4 [2].
AU im Anfange dieses Jahrhunderts Ober den Besitz von Hom-
burg willktthrlich durch den Kaiser von Frankreich verfugt wurde,
hatten die Marker nichts mehr zu weisen und nichts mehr zu er-
kennen! —
Auf dem Märkergeding von 1401 feria quarta infra octavas
pasche als der Schreier den Dorfen gerufen hatte, sprach Schudereyn
der Schultheiss zu Hoenberg (Homburg) zu Henne Clemmen und
Siebold Heylbecher dem Schultheissen zu Harheim, dass sie austreten
und den lantmann zu sich nehmen, sie Bollten weisen dieweil Henne
Brendel Hoenberg von der herschafft von Falkenstein „in pfandeü-
wy»e inhette, ob sie dann denselben Hennen Brendeln irkenten eynen
obersten Walpoden." Darauf haben die Märker einmüthiglich ge-
weiset, dass über die Mark ein oberster Walpode sei ein Herr von
Eppenstein oder wer hoenberg von sinen wegen inhabe, und wan
iss dann eyn herre von Eppenstein wyder gelose (auslöse) oder In-
gewynne so sy er isz aber als vor". Mglb. E 29. Ub S. 3 u. H
S. 83. -
Noch ein Verhältniss ist hier zu berühren, der Fall nemlich
wenn zwei Personen Anspruch machten an das Amt eines Wald-
botten. Es geschah dies im Jahre 1458. Auf Samstag nach S.
Kathrinentag begehrte Hans Walborn, gen. Hans, vonwegen seinem
gn. H. von Katzenelnbogen der auf die Zeit einen Theil an der
Stadt Homburg inne hatte , und von wegen Junghern Gotfrit H. zu
Eppenstein der das Schloss Homburg ganz und einen Theil an der
Stadt auf die Zeit inne hatte, zu weisen des Walpoden Herrlichkeit
und der Mark Recht. Da bat Simon darauf, es wäre Noth dass sich .
der lantmann bespräche, und als dies geschehen, erzählte er von
des lantmanns wegen, dieser hätte geweiset, es sei von altem Her-
kommen dass ein oberster Walpode sei ein Herr von Eppenstein oder
wer Homburg von seinet wegen inne habe, das lasse man auch noch
«iabti, aber da nun zwei Walpoden auftreten, so habe der lantmann
darinn zu reden. Es sei allwegen Herkommen dass man einen Wal-
poden gehabt habe, und wenn zu Zeiten zwei Herrn von Eppenstein
Digitized by Google
- 300 -
in ungeteiltem Gut gesessen, so wäre der Elteste für einen Wal-
poden geweiset worden und nit der jüngste. Er verlangte da» «de
sich einigten und welchen sie gäben, der solle dem lantman ein
Walpode sein! Da redete Hans Walborn, ging auf die Weisunge
und Zettel und meinte demnach sollten sie beide, derweil sie Horn
bürg inne hätten Walpode sein. Simon aber erwiderte : „er hette
geweyset also yne der lantman geheissen hette, er lasse zedel zedel
sin." Es ist danach in demselben Jahr noch, Donnerstag nach Ki-
lian, ein gemein Märkergeding gewest, dahine dann der Edel und
Wolgeborne Jungher Godefrit Herre zu Eppenstein geboten ... und
verlangte Se. Edelkeit ihre Herrlichkeit und Gerechtigkeit zu
weisen. —
Später finden wir zwei Waldpotte ebenso in der Seulb. Erlen-
bacher etc. wie in der Hohen Mark. Das im Jahre 1569 in der
ersteren abgehaltene Märkerding „hat der Ehrenhaft und Wo lacht-
bare Hans Schafinitt, gen. Koch, Amptmann zu Eppstein anstatt
und von wegen... G. Wilhelm Ludwig Philipsen und Georg Land
graven zu Hessen geheget Ebenso führt an das „Verzeichnis* des-
jenigen was auf dem Märkergeding vor ObernUrsel a° 1578 ver-
handelt worden,* dass der Canzler Nordeck erschienen sei im Namen
der durchl. hochgeb. Fürsten und Herrn Wilhelmen und Herrn Phi-
lipsen, Gebrudern, Landtgraffen in Hessen, Graven in Catzeneln-
bogen etc. Er erzält dass, nachdem hiebevor das Markgeding im
Namen aller Gebrüder der Landtgraffen zu Hessen gehägt wor-
den, neulicher Zeit aber Ihre f. gn. sich verglichen, dass hinfttro da?
Haus Homburg und dessen Zugehörungen Landgraffen Wilhelmen
und Landgraffen Philipsen allein zuständig sein solle.* Zuletzt
wird der neue Waldschreier fürgestellt, und „im Namen beder ob-
gedachten Fürsten zu Hessen durch den Herrn Uantzler in Gelübdt,
Eidt und Pflicht ufTgenommen".
Ebenso wird es auch bei Verpfändung später nicht mehr so
genau genommen: Schon im Jahre 1545 wird bei Gelegenheit des
Ausschu8stags bemerkt „uff des durchl. hochgeb. Fürsten des Herrn
H. Philipsen Landgr. zu Hessen, Grafen zu Katzenelnbogen, etc.
ausgangen befelch, dass der Wohlgeb. H. Herr Ludwig Graf zu
Stolberg Königstein, Wernigerode uud Rechfurt, Herr zu Eppstein,
Müntzenberg und Breuberg mit gem. Märkern ein Ordnung in dem
Wald, die Hohemark genant fUrnemen und uffrichten Böllen, . . .
sind etliche Märker zum Ausschluss erfordert, die haben . . . bedacht
und abgeredt „doch uff mit Bewilligung hochbedachts Fürsten unser*
gn. Herrn u. wohlgemelts Grafen zu Königstein, auch unsers gn.
Digmzed by Google
- 30t -
Herrn". Am Schiasse hebst es, dass zugegen gewesen bei dieser
Ordnung von wegen unser« gn. H. Fürsten u. H. zu Hessen als Erb-
waltpottes, Diether Gewend ... u. v. wegen Königsteyns „als Pfand-
Waltpotens8 Philips Ryffensteyn etc. — Im Jahr 1563 wird das
Märkergeding geheget „von wegen des Fürsten von Hessen, als
rechten Erbherrn und obersten Waltpotens, auch von wegen des
gestrengen Fridrichs von Ryffenberg als Pfandthern und underwalt-
potens des Ampts Hombergk."
Die steigende Macht *des Waldbotten wurzelte ebensowohl in der
klugen, nicht gerade immer rechtlichen, Benutzung der Ehrenrechte,
wie der eigentlichen Vorrechte oder Amtsrechte. Zu den enteren
gehörte die Jagd, die Beholzung und der Eintrieb der Schweine in
die Eckern.
Auf dem Märkergeding Mittwoch nach St Margaretha anno 1445
war der edle Jungher Gotfrid von Eppenstein bei Ursel auf der
Aue, liess ihm da weisen seine Rechte und Herrlichkeit über die
Mark, und den Märkern Artikel zur Beantwortung vorlegen. Der
erste Artikel lautete: „wie ferrn und wie weit sein Wiltpant ginge".
Die Beantwortung zeigt uns wie damals noch der Begriff in den
Märkern lebte, dass Wald und Flur zusammen die Mark bildete. Sie
bedachten aber der Waldpott möchte das ihm eingeräumte Recht
missbrauchen, auch die Fischerei in der Nidde beanspruchen, so ant-
worteten sie ausweichend : Sein Wütpan gehe nit weiter dann er
sein Hecken anbinde in der Mark, (als der Wald gehe) ,Jagete er
aber hirze oder hynde uß den Hecken und folgete yn nach, gonden
(gönnten) ihm das die merker, doch wüssten sie nit abe iß recht were".
Schwerlich war der Wildbann von den Märkern selbst dem Wald-
botten eingeräumt worden ; sie haben sich ihr altes Recht des Jagens
wohl vorbehalten. So bebst es noch im Weisthum von 1401 auf St.
Katharinen für die Hohe Mark: „Wan auch ayn Walpode den Wilt-
pann off dut und darjnne jaget, so ist dem lantman so liebes auch
erleubeta. Ebenso hebst es im Weisthum von 1401 feria quarta infra
octavas pasche: „so mag auch eyn walpode uff denselben tag den
wiltpan bestellen, und wie er iß bestellet also sal er In auch halden,
verbrechet aber er das, so mögen iß die mercker auch verbrechen".
Erst im Weisthum von 1484 hebst es dann: Ein Waldbott mag jär-
licb uff S. Katharinentag so man die marg bestellet den wildbann
zu thun, alsdann soll er das Jar zu bleiben; ob aber ein Waldbott
darüber darinn jagte, so soll es darnach über drei Tagen den Mer-
kern und lantman auch erlaubt sein zu jagen.
Offenbar hat der Märker mehr auf das Recht selbst ab auf die
Digitized by Google
- 302 -
Ausübung derJagd gehalten. Die letztere vertrug sich nicht mit dem fort-
geschrittenen Ackerbau, und mit den Arbeiten welche dieser in
Anspruch nahm. Auf Sonntag Lätarc anno 1491 sprachen die Märker
von Seulberg, Erlenbach etc. ans: „Item das derselbe (ein oberster
waltpode) jagen müge dry tage in der marg vor allen merckern bifc
mitten in die Nidde und biß an den pfal, und darnach m Ilgen die
mercker auch jagen8. — Mglb. E. 30. No. II. — Schon zwei Jahre
später heisst es dann in dem auf Sonntag L&tare zu Mitfasten errich-
teten Instrumente: den wildpan mag her Philips Graf zu Hanau als
der oberher und waldpot oder seine geschickten, eins Jeden jars so
man die mark bestellet zuthun, also dass in der mark dasselbe
Jahr auß Nieman darin jagen oder wildwerk treiben soll. Wolt aber
der waltpot oder die Seinen das uffthun und darin jagen . ... da*
mag er thun; und so er darinn gejaget, so ist eß drey tag darnach
rittern, edelleuten und pastorn in der mark geseßen, die darin eygen
rauch halten, und nicht erh, auch erlaubt zu jagen, die mögen auch
dann an des waltpoten hecken anbinden und jagen. Und wann sollicbs
also 6 wochen und 3 tagen gewert, so mag der waltpot darnach all-
wegen, wann er will, den wiltpann wider zuthun nach seinem ge-
fallen; alsdann soll der wieder zupleiben . . als lang biß der waltpot
wider von neuem drei tage wie vorerst gejagt hat. Sie weisen auch
dass der waltpot einem wildpreth in der gegend nachfolgen möge bis
mitten in die Nidde auf dieser Seiten, und jenseit der höhe deine
dermaßen nachfolgen biß in den pfalgraben on Jntrag und Verhinde-
rung meniglichs. — Mglb. E. 30. No. 4. [2].
Wahrscheinlich gab man hier nach, in der Meinung dass durch
die Edeln das Recht schon gewahrt sei. Aber schon im Jahre 1588
scheinen die Edeln und Pastoren in der Seulburger, Erlenbacher etc.
Mark durchaus bedeutungslos gewesen zu sein; es findet sich fortan
in den Markordnungen die unverständliche Vorschrift : Art. 19. Wann
der Waldbotte 3 Tage in der mark gejagt, soll es auch Rittern,
Edelleuten, Pastoren die in der Mark sesshaftig und eigen Rauch
darinnen halten, auch 6 Wochen und drei Tage, und länger nicht,
erlaubt sein; und soll vermöge Instruments den Merkern (als denen
ohne das darinnen zu jagen verpotten sein soll und pleiben) biß so
lang der Waldtpott wiederum jagen wird, frei offen stehen und also
fortahn. — Mglb. E. 30. III.
Aehnlich wie mit dem Jagdrecht verhielt es sich mit dem Recht
der Beholzung*8 und des Eintriebs der Schweine in die Eickern.
** In der Sealberg, Erlenbacher etc. Markordncng war bereits 1599 festge-
Anfangs bezog sich die Berechtigung des Waltpotten auf den Be-
darf der Haushaltung. Als die Holzverwüstung in der Mark zunahm,
wurde den Märkern der Gebrauch des Holzes beschränkt, gerade zu
der Zeit aber begann der Waldbott das Holz der Mark für sich in
industriellen Unternehmungen auszubeuten. Auf dem stürmischen
Märkerding welches 1578 vor Ursel gehalten wurde klagten unter
anderm die Märker, der Waldpott habe nicht allein in dem gehegten
Walde, sondern auch an den straften, da auch der Obrist Waldpott
su hauen nit recht habe, gehauen und deswegen kein Straf geben wollen.
Noch mehr, er hab' etliche Wagen mit Holz, in der Mark gehauen,
gen Frankfurt fuhren lassen, welches dem Instrument zuwider, und
er verbüßen soll Das Hauen an verbotnen Orten stellt der Keller in
Abrede, dass aber Brennholz aus der Mark in die Meli gen Frank-
furt in die landgreflich Herberg gefürt worden, das verantworten die
Hessischen Gesandten; da Ihre gn. F. u. H. Mitmerker und obrister
Merker weren, und da sie in Homburg Hof hielten, sich ganz und
gar aus der Mark beholzen möchten, sei es nit zu verdenken, dass
Ihr f. gn. diener etwan wenig Brennholz zur MeU notturift zuge-
schickt werde.
Wie die Beholzung anfangs gewiss nur zu den Ehrenrechten
des Waldpotten gehörte, deren Ausübung und Ausdehnung dem An-
stand und Zartgefühl überlassen blieb, so auch die Befugniss Schweine
in die Eckern zu treiben. Es zeigt uns wie sehr einfach die früheren
Zeiten gewesen, dass über diesen Gegenstand weitläufige Streitig-
keiten entstanden sind. Die Märker behaupteten : dem Waltpotten
stünde nur zu die Schweine seiner Haus- oder Hofhaltung einzutrei-
ben; dieser aber beanspruchte nicht nur ein unbegrenztes Recht,
sondern nahm, nach der Anklage der Märker, auch fremde Schweine
unter die landgräfischen auf. In der Seulburger **, Erlenbacher Mark
war der Streit über die Berechtigung Schweine einzutreiben noch
viel lebhafter. Es findet sich darüber in den Akten — Mglb. E. 30.
No. 4. [6] — ein ausführliches Verhör. Dasselbe ist überschrieben:
„belangend künde sage über die Seulburger und Erlenbacher Mark
etc. von den Eltestenn solcher Mark den 9. Oct. anno 1569 abgehört
wie Jnnlauth. Den Schweintrieb in die Eckern so dis Fürsten von
Hessen als obristen Waldpotten praetendirt Ihnen aber nit gestanden
setzt worden „dass der Ober herrWaldtpott auf gewisse Tage nicht gebandet,
noch ihm Maaft und Ziel ftlrgesch rieben sein soll".
»• Seulburg, Sewelberg hat wol von diesem Thiere den Namen, wahrschein-
lich errichteten daselbst, unmittelbar am Walde, die Erlenbacher ihre Steigen.
- 304 -
worden, betreffend8. Es war auf dem Märkergeding 1569 vorgekommen,
dass der Amtmann zu Eppstein auf Befehl sr. gn. F. u. H etlich schwein
in bemelte Mark gethan, hierauf die Märker abgetreten und einrnüthig
lieh entachloasen: dieweil etlich Mitmärker nicht gegenwärtig, wolle
den Märkern so zugegen nit gepuren Antwort zu geben, also den
Amptman freundlich und nachparlich gebeten diesmal stille zu stehen,
keine Neuerung inne zu bringen, es wollen die Märker in 10 Tagen
Antwort geben. Es wurden darauf die 6 Ortschaften, die Schultheis-
sen und Eltesten,, auf den 9. Octob. erfordert. Jeder Schultheiss bat
seine Unterthanen bei ihren Aydespflichten befragt, darauf ein jeder
seine Wissenschaft erklärt wie nachfolgt Seuelburgk : Simon Schef-
fer : ihm gedenke wol 70 Jahre, er habe aber bei seines Tags nie
erfahren noch gehört, dass die durchlauchtig hoehgeporne Fürsten und
Herrn von Hessen .... Schwein in die Mark ingethan oder inzu-
schlagen begehrt. Das gleiche sagen andere, so Henne Kerber von
Petterweill, dem 70 Jahre und mehr gedenkt, der sich noch erinnert
„daß solcher Ort Homburg noch Hanauisch gewesen'. Ebenso Caspar
Schmidt und Caspar Moller von Ober-Erlenpach, der weder selbst
„noch von seinen Vor Eltern gehört, daß Schweine des Fürsten in
die Mark eingetrieben worden, er habe 4 oder 5 Ihrer Fürstl. On.
Kellner und dien er zu Homberg gekannt Ebenso alte Männer aus
Nieder-Erlenbach , Köppern und Holtzhausen, von letzterem Clees
Moller, der vor 50 Jahren „in diese Mark gewandert".
Da der Waldpott auf die Klagen der Märker keine Rücksicht
nahm, wiederholen sich die Beschwerden in den folgenden Jahren.
Im Jahre 1590, als observiret worden dass etzliche „fremde Schweb,
dem durchlauchtigsten hochgepornen Fürsten und Herrn, Herrn
Georg etc. Landgraven zu Hessen etc. zuständig" in die Seulburger,
Erlenbacher etc. Mark, wider alt herkommen waidgangs zur mastung
getriehen, hat der Märkermeister dieses sämmtlichen Märkern kund
thun lassen, und seint die Häupter am 23. Sept zu Ober Erlenbach
zusammen kommen, haben mit einhelligem Rath ein Schreiben an
den Anwald Kellner zu Hoemberg v. d. H. Georg Vestenberger
abgehen lassen „daß er an statt hochgedachten Fürsten solche Neue-
rung abschaffe, deswegen eine schriftliche Antwort gäbe*. Der lies«
mündlich antworten, dass solche schwein in beiden Marken ihre
Mästung und Wayde haben sollten; wolle sich versehen die Märker
wollen solches gut sein lassen. Diese wandten sich zur Abhülfe an
ihre Obrigkeiten. Sie waren klug geworden durch das Unheil welches
den Hohen Märkern widerfahren war.
Digitized by Google
- 305 -
Diesen war im Jahre 1569 von den Bürgern zu Bonamese an-
gezeigt worden, wie der Aratman zu Eppstein ungefähr 60 Schwein
in Walt getrieben habe, obgleich von den Märkern beschlossen wor-
den, und der Aratman in den Beschluss gewilligt, es sollt Niemand
seine Schwein in den Walt treiben vor St. Michelstag. Die Märker-
meister Hessen sich bedünken der Amtman habe wider das Instru-
ment gehandelt, haben auf den 28. Sept. die Märker zusammenbe-
rufen, und diese beschlossen einmüthiglich, dieweil der Amtman nit
vorhanden sondern verritten war: es sollt aus jedem Flecken einer
alsbald in den Wald gehen und die Schwein aus dem Walt gen
Homberg treiben, und sobald der Amtman wieder heimkäme wolten
sie ihn ansprechen, dass er die Märker bei ihren Hechten schützen
wollt Als etliche Märker so darzu verordnet waren „solchem nach
gesetzt und die schwein in Homberg getrieben; haben die Homberger
die Pforten zugethan, und dieselbigen Merker in Haft behalten".
Dies geschah trotzdem dass im Instrument von 1484 Art. 8 vor-
gesehen war: wenn in der Mark Wälden Eckern, dasselbe zu be-
sehen dann ein Tag anzuberaumen sei, daselbst man zu Rath werde
wieviel ein Waltbott, die Märkermeister und ein jeglicher Märker
oder Landmann, Schweine in das Eckern treiben, und wie man es
damit halten solle, dem Armen als dem Reichen.
Unbedingtes Strafrecht hatte der Waldpott unbestritten nur in
Betreff des Ausmärkers. Wenn ein solcher in der Mark gefrevelt, so
solle man ihn mit dem Leib und mit seiner Haab gen Homburg einem
Waldbotten überantworten, zu strafen nach des Waldbotten willen
und gefallen, ihn doch nicht tödten oder lähmen.
Als aber der Keller zu Homberg im Jahre 1521 E. Erb. Raths
Zugehörige zu Nidern Erlebach wider alt Herkommen gestraft, wurde
solches dem gemein Lantman in clagweiß fürgebracht. Als sich dann
begeben dass der Keller ihnen das Holz genommen und von einem
Wagen dazu einen halben Gulden zur Straf abgedrungen hätt „wel-
ches widder alt herkommen und langwierigen gebrauch, auch nie
meh besehenen gehört were, sonderlich diwil die Straff dem lant-
man, und dem Keller nit, zustünde", also hat der lantman gepilligt
und erkannt: wo auf nechstgehaltnem merckergeding anno 1520
durch den gemain landtman nit eingewilligt worden, dass der Keller
zu Hoemburg bis auf dies jetzig Merckergeding strafen möge, so
habe der Keller solche strafe unbillig und wider alt Herkommen
genommen und solle die wider herausgeben und den Gestraften be-
handen, und die von Nidern Erlenbach die Straf wie von alter Her-
kommen vertaidingen.
20
Digitized by Google
- 306 -
Nur in dem einen Fall so jemand in der gebickten Hege auf
der Strassen Schaden thut, und gerügt wird, h eiset es: „der ist eim
Waldbotten mit zehn Gulden zu Poen verfallen'1; aber gerade für
diesen Fall ist dann sogleich vorgesehen dass ein Waldbott auch
selber kein Schaden darin thun soll, wo er aber das thät soll er „dem
landtman bUssentt.
Dem Waldpotten lag es ob, das Märkergeding zu hegen und die
Mark mit Rath der Marker zu bestellen, aber soweit unsere Urkun-
den hinaufreichen, hat er dies nur sehr selten, nur bei besonders
wichtiger Veranlassung in eigner Person gethan, gewöhnlich sandte
er dazu einen oder mehrere Beamte. In dem Bericht über das Mär-
kergeding von 1438 erzählt Herr Madern, Kellner zu Homburg:
„lieben Freunde, myn Jungher von Eppensteyn der der Marg eyn
oberster Walpode ist, hait sin Frunde hergeschickt dar an su sin,
das man die marg bestelle, nuwe marckmeister kiese und du (thue)
und halde als dann uffSant Katharinentag jarlich gewöhnlichen und
also berkomen ist". Bei dem feierlichen Märkergeding im Jahre
1484, als der Waldpote in eigner Person mit seinen Käthen erschie-
nen war, um sich seine Herrlichkeit und der Mark Recht weisen zu
lassen, wurde ausgesprochen, dass ein Waldbott selbst erscheinen
sollte, oder durch seine „mächtige" Sendbottschaft oder Amtleut
Auf dem Märkergeding im Jahre 1521 wurde das Instrument ver-
lesen, darauf dem Schultheissen von Homburg (der anstatt des Kellere
von Homburg erschienen) entgegnet: in dem Instrument habe der
lantmann befunden, dass er, der Schultheis«, mit einem „volkommli-
chen Gewalt" erscheinen soll, das sei aber nit besehenen, dann er
hab kein volligen Gewalt laut des Instruments.
In der Regel erschien der Keller von Homburg als Stellvertreter
des Waldpotten, zuweilen aber, besonders wenn der Keller seine
Handlungsweise zu vertheidigen oder in Abrede zu stellen fUr gut
fand, wurde auch ein anderer geschickt, der Canzler, oder der Schul-
theiss von Homburg. Besonders bei rechtswidrigen Handlungen oder
bei Neuerungen war es sehr bequem, dieselben von dem Keller zu
Homburg vornehmen zu lassen, der dann in andern Fällen wieder
mit der Macht und der Ahndung des Waldpotten drohte, sich mit
derselben schützte. Der Keller zu Homburg trat als Anwalt des
Waldpotten auf, und wurde als solcher bezeichnet. Mit Ausnahme
des Landgrafen Friedrich (mit dem silbernen Beine) hat kein Wald-
pott in der Geschichte der Hohen Mark eine besondere Bedeute ug
erlangt, die Anwälte waren es, welche für die Waldpotten und in
deren Interesse auf s thätigste und erfolgreichste arbeiteten. Vorzüglich
■
— 307 -
sind hier Diether Gewand oder Gewend, Georg Vestenbergw und
aus den letzten Zeiten etwa noch Gebrüder Neuhof zu nennen. Sie
haben kein Mittel gescheut, um die Macht ihres Herrn zu heben.
Die Anwälte haben zu allen Zeiten vor Allem gesucht Unfriede unter
den Märkern selbst zu stiften, die Märkermeister herabzuziehen oder
zu verdächtigen, und die Gesetze uud Ordnung der Mark zu um-
gehen, durch Nichtachtung derselben das Ansehen des Waldpotten
über das Gesetz zu stellen. Zahlreiche Belege werden im folgenden
die Wahrheit dieser Beschuldigung erhärten. Sie haben sich
auch nicht gescheuet selbst das Amt eines Mark ermeisters oder eines
Waldschreiers auf sich zu bringen, um in dieser Stellung leichter ihr
Ziel zu erreichen. So kam es dass allmählig ein ungemessenes Miss-
trauen gegen diese Beamten bei den Märkern sich fest einwurzelte,
es genügte dass irgend ein Vorschlag von dem Anwalt ausging, die
Märker wiesen ihn ab, wenn er auch einiges Wahre und Richtige
enthielt. Das Misstrauen der Bauern, noch in unsern Tagen, es ist
kein unbegründetes; das Recht rausste oft verletzt werden, bis es
so weit gekommen ist ; aber das Andenken daran hat sich auch tief
eingeprägt.
Im Jahre 1583 übergab Jost Vestenberger, der Keller, den
Märkern den Entwurf einer neuen Ordnung der Mark : der Waldpote
befinde dass die Märkermeister bisher ihren Eiden und Pflichten
nicht nachgekommen, die Königsteiner begünstigt, sie nicht gestraft
wie die andern, will dass man umwechsle bei der Wahl der Märker-
meister. Man solle vorsehen dass diese üire Pflicht besser thun;
statt der alten Strafen für anstecken und schädigen der Mark, bean-
tragt er unbestimmte Strafen „nach Erkenntniss des Waltpottens und
gemeiner Märker". Der Märkerschluss war aber: „uff des Kellers
vorgelegte neu Ordnung geben die Märker diesen Bericht: dass sie
ein gut alt Instrument haben, bei demselbigen, und dero von Alters
wohlgeordneten Ordnungen wollten sie, die Mark er, pleiben, diesel-
bigen behalten, und begehren dass sie der Waltpott dabei schützen
und schirmen wolle, und dieweil Neuerungen anzunemen geferlich,
wollen sie des Kellers Bedenken diesmals nit annemenu.
Zuweilen haben die Märker versucht sich selbst darüber zu täu-
schen, es dargestellt, als ob der Beamte gegen die Absicht seines
Herrn von dem Herkommen abwiche oder sie verletze; sie haben
damit niemals etwas erreicht, weder in der Hohen Mark, noch in der
Seulberger, Erlenbacher etc. Mark. Bei der Streitigkeit der letzteren
wegen der landgräflichen Schweine, im Jahre 1590, schrieben die
Märker an den Waldpotten, sich beschwerend über Georg Vesten-
20*
Digitized by Google
308
berger, den Anwalt, dem sie die Schuld beimessen, da sie nit dafür
halten wollen, dass er solches auf Befehl gethan „sondern vielleicht
aus seinem sei baten beginnen". Sie bitten der Waldpott wolle sie
bei ihrem alten Herkommen, Branchen und Gerechtigkeit bleiben
lassen. Darauf wurden sie nach Homburg beschieden, daselbst er-
klärt ihnen Hans Herman von Busseck gen. Mönche, J. fetl. Gn.
Oberamtman, sein gn. Herr wolle keine Neuerung einführen, er wolle
es bei dum lassen, wie es von seinem H. Vater und Bruder gehalten
worden ; bei welchen dann, wie ans dem Saalbuch erscheinen sollte,
auch mit andern Documcnten zu beweisen, solche Mastungsgerechtig-
keit jederzeit exercirt worden Er mahne sie von ferneren Weit-
läuftigkeiten ab „wofern sie bei deme, so bisher ihnen vielleicht aus
Gnaden widerfahren . gelassen wollen werden ; dan der Vogell ihnen
zu gros und viell zu schwehr". Die Märker wandten sich damals um
Beihtllfe an ihre Obrigkeiten, welche an den Waldpotten auch ihrer-
seits ein Schreiben abgehen liessen, „er könne nicht glauben'4, schrieb
dann der Erzbischof von Mainz an den Landgrafen, „dass S. Durch-
laucht die Turbation ernstlich beabsichtige14. Aber dieser antwortete
den Herrschaften : er habe nur das gesucht was „von unsern Vor-
fahren gottseligen uff uns transmittirt worden", schickt Abschrift eines
Berichts des Kellers von Homburg, daraus zu ersehen dass er das
Einschlagen nicht angefangen, sondern dass es „von den geliebten
Vorfahren schon geübt worden", wolle sich desshalb zu ihnen freund-
lichst verschen „Sie werden obgedachte Jro Angehörige Jr es Unfuges
erinnern und von solchen unnötuigen Klagen abzustehen ermahnen**.
Der angeführte Bericht von Georg Vestenberger liegt bei, die Rich-
tigkeit des Märker sehen Vorgebens ist darin bestritten, es wird Be-
zug genommen auf ein Protocoll und Markbuch d\ 1547 , daraus sei
zu ersehen, dass vor 30 Jahren Heintz Mörlenhauser, auch ein Be-
amter zu Homburg, anstatt seines Herrn und Waldpottens zweimal
„nit ohne Bevelh" Schweine eingeschlagen gehabt Noch andere
Beispiele lägen vor. Darauf erfolgte ein Verhör der ältesten unter
den Märkern. In Frankfurt fand es am 23. April 1591 auf der Bau-
stuben statt. Es erschien damals zuerst Hans Graff von Nieder-
Erlenbacb, 80 Jahr alt, weiss nichts von Hans Mörlenhäusser Intreiben*
ebensowenig von dem Intreiben unter Landgrafen Philips. Die Mär-
ker hätten dem Landgrafen nie einen Intrieb zugestanden, „datt aber
anitzo etwas Neues gesucht werde, sei der Beamten Schuld, welche
die Obrigkeiten also zusammenhetzten8. Peter Jögkel von Nieder-
Erlenbach, ungefähr 70 Jahr alt, sagt aus: ein Beamter von Horn*
berg habe allewege nit mehr Schwein eintreiben lassen, als er für
r
309 -
sich in der Küchen gebraucht. Er hätte von keinem landgrevisch
Viehe, außerhalb diß Jar gehört, und were alle die Ursach Niemands
anders daun Vestenbergers, welch anitzo Neuerung suchen, und sich
mit Gewalt zu ihnen nöthigen thete.a Cunz Mang, 70 Jahr alt, giebt
an, man gestünde dem Beamten von Homberg soviel Schwein er in
die Küche brauche, einzuschlagen, weiters keine Gerechtigkeit. Der
Amtman Epstein habe Schweine eingetrieben, seien aber herausge-
trieben worden. Es sei aber niemand anders dann er, Vestenberger,
an diesem Zwiespalt schuldig." — Mglb. E. 30. Nr. 4. [9] bis [
Dass die landgräflichen Beamten manichfach in Versuchung
kamen ihre Stellung und den Schutz den dieselbe ihnen gewährte zu
missbrauchen war natürlich. Die Seulb. Erlenbacher etc. Akten thei-
len mit, wie bei Feststellung der Markordnuug für 1592, zu der Be-
stimmung dass den Ausmärkern die Mark zugeschlossen sein solle,
die Bemerkung gemacht worden : daß jüngster Zeit ein landtgrävischer
Unterthan von Guntzenheim einen Kam voll Holz in der Mark ge-
macht, dessen Thuns halber von den Förstern zu reden gesetzet,
erkläret, daß er geheißen worden allda dem Schultheißen zu Hom-
berg, Wilhelmen Buchen, einen Kam voll Burgholz abzuholen. „Ob
nun wol die Merker nicht glauben können, daß sollich fürnehmen
aus bevclhch oder mit Vorwissen dessen Schultheißenn (denn er als ein
Ausmärker zweiffelsfrey selbst sich besser wird zu bescheiden wissen)
geschehen sei, Sonder sie darfttr halten wollen, der bauer damit den
Förster betruglichen werde abgewiesen haben, und darumben die
straffe gegen den Schultheissen dießmalß in allem guten desto eher
schwienden lassen) jedoch so protestiren sie zum wenigsten dagegen
hiemit öffentlich, und behalten es ihnen bevor, daß es ihnen ohne
Nachtheil sein solle« Mglb. E. 30. III. 1592. [9].
Die Obrigkeiten. — Während die Wälder der Hohen Mark
gemeinsames Gut der Genossen blieben, wurde das getii eilte Feldeigen-
thum der Mark verschiedenen Landesherrn nntergeben. Es ist wol
kaum eine zweite Stelle Deutchlands welche so zerstückt und zerris-
sen ist, wie gerade die alte Höhen-Mark, oder der Abhang zwischen
Taunus und Nidda. Selbst der Platz auf dem das Märkerding ge-
halten wurde, war einem der Landesherrn zugefallen. Es geschah
desshalb im Jahre 1578 eine Anfrage von Seiten Homburgs weiches
die Aue vor Oberursel gerne zur Hohen Mark ge/.ogen hätte. Der
Anwalt gab vor: an dem Ort des Märkerdings hätten fürstlich hes-
sische Beamten stein setzen lassen, welches ein Anzeig sei, dass diese
Ort „wo nit gar, doch etlicher maßen zu der Mark gehörig" sein
Digitized by Google
- 310 -
müssten. Die Märker erwiderten: der Platz sei ihres Wissens ferner
nicht darin gehörig, dann dass das Märkerding darauf gehalten.
Kinige Jahre später brachte Philipp Wolff, der Märkermeister, vor,
dass der Förster von Obernhexstadt, Möbs, dem Welschen Bierbrauer
von Pfrauinheim als einem Ausmärker aufm Fuss nachgefolget bis
uff die Urseller Auw da selbst in Gegenwärtigkeit Johann Ackers,
ihme dem Bierbrauer, die Pfändung angelegt. Solches, dass die Pfän-
dung auf der Auw geschehen, haben die Urseller nicht gut sein las-
sen, denn die Auw sei kein Markgut, sondern ihres gn. Churftirsten
und Herrn eigenthümlich Grund und Boden. Darauf der Oberamt-
man zu Königstein Befehl gegeben den Förster in Haft zu bringen;
dieser wurde flüchtig und vermied seine häusliche Wohnung. Mglb.
E. 29. III. 152. —
So bestand zu jener Zeit ein schroffer Unterschied zwischen
Mark und Flur; unter Mark wurde nur noch der Markwald verstan-
den. Wenn auch bei der Weisung im Jahr 1401 feria quarta infra
octavas pasche es von dem Frevler heisst: „komet er aus dem Walde
so ist er niemand nichtis schuldig0, so mag auch hier die Eifersucht
der Märkcr auf ihre Selbständigkeit im Walde, Veranlassung zu einer
solchen Aussage gewesen sein. Streng durchzuführen war sie nicht,
denn derjenige welcher Kohlen oder Holz aus der Mark, d. h. über
die alte Markgränze fuhr, wurde bestraft.
Thudichum bemerkt in „Gau- und Mark Verfassung in Deutsch-
land", S. 135 ff. , die Grafengewalt in . der Hohen Mark , im Jahre
1271 Grafschaft Ursel genant, habe als Zubehör des Schlosses König-
stein den Herrn von Falkenstein zugestanden. Dieses sowie weitere
Untersuchungen über die Zeit wann, und die Art und Weise wie die
einzelneu Ortschaften des Taunus allmählig diesem oder jenem Ter-
ritorialherrn unterworfen worden sind, oder gar zweien zugleich,
genauer zu begründen, dazu bieten die Akten der Hohen Mark
keinen Stoff. Nicht selten ist das Gebot des Landesherrn in entschie-
denen Widerspruch getreten mit den Pflichten, welche der Märker
der Mark gegenüber hatte. In solchen Fällen gereichte es der Mark
zum Heil dass das Interesse der übrigen Herrschaften dem gesonder-
ten Einzelwillen widerstrebte. Ebenso hat gewiss der Umstand nicht
wenig zur Aufrechthaltung der Markverhältnisse beigetragen, dass
der Gewalt des Waldbottcn das Interesse der Territorialregierungen
entgegengestanden. Es war in den Mark-Angelegenheiten derWald-
bott den Märkern drohender und gefährlicher als die Obrigkeiten
Sein Streben war auf die unbeschränkte Herrschaft im Walde ge-
richtet. Die Märker suchten dem entgegen eine Stütze bei den Übrig*
Digitized by Google
- 311 —
keiten welche nicht weniger eifersüchtig alle Schritte des Waldbot-
ten verfolgten. Aber der Schutz den sie gewährten reichte eben meist
nur so weit auch das eigne Interesse ging; wo ihr eignes Ansehen
nicht bedroht war, ist die Hülfe die sie bringen nie ausreichend;
der Eifer erkaltet, ehe das Ziel erreicht ist. Wol nur im 15. Jahr-
hundert und zuletzt wieder bei der Theilung der Hohen Mark blieb
dieser Eifer beharrlich auf das gleiche Ziel gerichtet, und gelangte
zu einem segensreichen Resultate.
Es ist nicht ohne Interesse zu verfolgen wie in dem Rechtsver-
hältnis* der Marken das Lehenswesen Platz gegriffen. Die Weisung
welche im Jahre 1491 auf der Au vor Ober-Erlenbach gegeben
wurde: die Mark sei „der herren Eigenthum und der Märker Erbe"
ist wol auf diese Anschauung zu beziehen. Die Hohe Mark jedoch
war der Märker „rechtlich eigen". Andeutungen von Lehensverhält-
nissen kommen nur wenige in den Akten vor. Als 1484 Svmon von
Ursel gebeten wurde die Weisungen dem Walpoden auszusprechen,
entschuldigt er sich er sei des Herrn von Epstein Lehensman und
Angehöriger „mit Eyden und globden verwant", dass ihm solches
nit wol füglich zu thun wäre; wo aber sein Herr von Epstein ihm
das zu thun gestatte, wolle er gern dem lantman zu Gute thun,
was an ihm wäre. Es ist wahrscheinlich dass hier der Weigerung ein
wirkliches Lehensverhältniss zu Grunde lag; die Lehnstreu des Va-
sallen begreift unter sich auch die Verbindlichkeit den Lehnsherrn
in seinen Rechten nicht zu beeinträchtigen, ja selbst demselben eine
besondere Achtung zu erweisen, ihm „treu und hold" zu sein. Der
Vasall durfte, wenigstens in einer Criminalsache nicht gegen den
Lehnsherrn Zeugniss ablegen. Es fragt sich ob in andern Berichten
und Mittbeilungen der Ausdruck „Lehnsherr* auch aufzufassen sei in
der Bedeutung von Herrschaft, Obrigkeit80. Wann ein voll Märker-
ding zu verkünden war hatte der landsiedel zu erscheinen „mit seinem
Lehenherrn". In dem Weisthum der. Hohen Mark vom St. Catharinen-
tag 1401 geschieht der Aufruf mit den Worten: „N.bistu hüte hie als man
3° In dem vortrefflichen Bericht, welchen die Archivare Dr. F. Max. Stark
und J. G. Chr. Thomas in Auftrag des Senats am 28 Dcc. 18t 9 und 16. April
1810 über die Verbältnisse der Hoben Mark vorlegen, berühren sie auch die
Frage: ob unter den Lehenherrn die Obrigkeiten zu verstehen seien. Sie bejahen
dieselbe. „Vermöge der Gerichtsbarkeit über die Markbetheiligtcn Ortschaften
hätten die Herrschaften die Gemeinden anf den Märkergedingen und in Mark-
Streitigkeiten vertreten und die jurisdictionem forestalem Uber den Markwald
mit ausgeübt, seien auch auf den Märkergedingen mit dem lantman erschienen."
Digitized by Google
- 312 -
dir geboten hat mit deinem lehenherren". Ebenso heisst es in der
Urkunde über das Märkerding des Jahres 1401 feria quart« infra
octavas pasche, dass der Schreier gerufen: „N. bistu hude hie als
man dir hergeboden hait mit dem lehenherren". Dabei findet sich
auf einem Zettel welchen Henne von Beldersheim , der Burggraf ru
Bonemese, geschrieben, als ihm der Auftrag geworden von der Bur-
ger wegen gen Ursel zum Märkergeding sich zu verfügen: „Item
wan ein schreyer verkündet eyn vol merckerding so sal eyn lant-
sidel mit seine lehenherren da sin, und weren daß die dan ußblieben
so verlorn sie VIII 13 ein iglicher der da uUbliebe. — Mglb. E. 29. II*
S. 3. — In dem Weisthum von 1438 werden nur die „zu der Marg
gehörende dorffer" aufgerufen, ea ist aber nicht gesagt ob es ein
gebotnes Märkergeding war. Auf dem Märkergeding St. Veitstag
1484 wurde den Märkern, welche damals nicht vorbereitet gewesen
der Mark Recht zu weisen, ein anderer Tag anberaumt Auf diesem
sollten dann die ungehorsamen Märker und Landtmann, die ausge-
blieben, gerügt werden. Die Gesandten der Obrigkeiten waren mit
erschienen, sie wurden aber nicht, oder nicht mehr aufgerufen. Bei
andern Märkergedingen z. B. 1458, 1479 ist nicht erwähnt ob ein
Aufruf erfolgt sei. Bei dem Streit wegen der Mühle zu Bonames
bittet im Jahr 1525 der Schultheis von Obemrsel um ein gemein
Märkerding, dass alle diejenigen „als nein lieh die Lehenherrn und
Junkern so Markrecht hatten* dahin kommen „möchten, damit Inen
und der Mark nichts entgegen würde". Auf dem Märkerding in
die Bartholomei 1543 wird bemerkt dass unter den „Edeln
und Merkern, Lehenherrn und Landtsydel" der weniger Theil er-
schienen. —
Gerade dieser Gegensatz von Lehenherrn und Lands i edel macht
es aber sehr zweifelhaft ob hier ein wirklicher Lehensnexua, oder
ob ein obrigkeitliches Verhältniss in Frage steht. In der Ge-
richts- und Land-Ordnung der Herrschaft Solms, vom Jahre 1571,
wird im 2ton Theil, 5. Tit. von Verleihung und Beständniss liegender
Güter gehandelt. Bei der Erbleihe heisst es darauf im 6. Titel § 6,
es sei der Lehenherr („denn also pflegt man den Verleiher und Ei-
gcntliumsherrn abusive , in dieser Landart auch zu nennen") in der-
gleichen Fällen, da das Lehen oder die Erbleihe verrückt wird,
nicht schuldig dem Beständer Erstattung der Besserung zu thun.
Ebenso heisst es im 7. Titel, die Land-Siedel-Leihe sei nicht erblich,
sondern möge „der Lehenherr" dieselbe aufkünden. Es wird dabei
ausführlich gehandelt: „den Lehenherrn belangend". Es solle „der
Digitized by Google
- 313 -
Lehenherr" einen Leihebrief fertigen, die Gebäude in gutem Stand
überliefern, die Leihe nicht steigern u. d. m.
Demnach scheint es, dass auch bei den Märkerdingen diejenigen
Gutsherrn, welche Land in Erbbestand oder einem Landsiedel
übergeben hatten, gerufen wurden, und verpflichtet waren bei vollen
Märkerdingen zu erscheinen. Die Stadt Frankfurt hatte in Bonames
Güter erworben, besass Mark recht, hatte die Mühle z. B. in Pacht,
den Dinghof in Erbbestand gegeben, so war sie als „Lehensherr"
gerufen.
Im Jahre 1545 soll Bonames gestraft werden, weil es „seine
Lehensherrn" nicht mit auf die Aue gebracht Da verwendete sich
der Rath bei Gottfried von Eppstein und hebt hervor dass Frankfurt
für seine Dörfer vermöge der Freiheiten nicht verbunden wäre zu
erscheinen. (Mglb. E. 29. II. p. 92. — ) Auch im Jahre 1458 noch
begehrt Hans Walborn, von wegen der Walpoden, zu büßen „die
lehenherrn" die nit da weren. Da erzählte Gcrlach von Londorff : der
Rath hätte den in der Mark angesessenen befohlen und geboten zu
Hause zu bleiben, es were der Rath mit schweren Fehden beladen,
es seien etliche Bürger von Frankfurt an einem offnen Gericht zu
Seckbach böslich abgefangen worden ohne Fehde und indem sie deß
unbesorgt waren, darum der Rath besorge daß die Seinen wenn sie
zu einem offen wissentlichen Dinge und offnen Felde kämen, Schaden
nehmen möchten; auch sei der Rath vom Römischen Kaiser und
Könige bei schwerer Peen gefreyet daß seine Bürger solche offen
Gerichte und Dinge zu suchen nit schuld sein sollen. Darauf redete
Hans Walborn: solich Geschichte und was dem Rathe zu Ungnade
geschehen, were ihm nit lieb, und ließ er das dabei.
In dem Bande: Mglb. E. 29. II findet sich zu dem Märkerge-
ding des Jahres 1445 eine Note in Betreff der Lehensherrn; es heisst
daselbst S. 19: Nota omb den arükel als sie wollen so eyn folle
merckerding sy, das eyn iglicher mit sine lehenherrn da syn sulle
by VIII ß zu bussen. Nota der artikel ist von alter nit gehalten,
obe man es wole wyse, und wer auch nit zutunde (zu thun) dan es
vast sorglich wer.
Hierbei ist zu bemerken, dass es mit der Vollmacht, für einen
andern zu erscheinen und zu handeln, nicht sehr streng genom-
men wurde, es genügte meist die Versicherung dass Jemand „eines
andern mächtig" wäre; zuweilen erbot sich der Bevollmächtigte sein
Vorgeben eidlich zu erhärten; so z. B. auf dem feierlichen Märker-
ding St Margaretha 1484.
Digitized by Google
— 314 —
Wenn aber die Pflicht der Herrschaften, auf den Märkerdingen
zu erscheinen, in Frage gestellt werden kann, so war doch ihre
Berechtigung dazu unzweifelhaft. Der gemein Märker bedurfte in
wichtigen Angelegenheiten einer Leitung; fand er sie nicht in den
eignen Reihen oder im Adel, so ordnete er sich bereitwillig den
Regierungen in Markangelegenheiten unter. Aus beiden Marken kön-
nen zahlreiche Thatsachen angeführt werden, welche darlegen wie
die Obrigkeiten nicht nur mit den Mär kern auf den Märkerdingen
erscheinen, sondern auch für sie das Wort ergriffen, im Interesse
ihrer Angehörigen handelten, ja diese aufforderten sich zu entfernen,
die Versammlung zu verlassen.
Wir wenden uns zuerst zur Seulburger, Erlenbaher etc. Mark,
wo wir bei dem Streit über die Märkermeisterwahl im Jahre 1482
finden, dass Ysenberg, Solms und Frankfurter Amptleute und Freunde
von Peterweil und Nydern Irlenbach wegen erklärt: sie gewilligen in
kein Neuerung, haben dess auch keine befohlen, und wollen an ihre
Herrschaften bringen, wie da geredt und gehandelt sei; „hant sich
davon gewandt und sind hinweg gerytten, und haben ihren Männern
gesagt auch abzuscheiden".
Im Jahre 1486 auf Sontag roitfasten, als man singet in der
heiligen Kirchen Letare, sind dann erschienen „die nachgenanten
Parthey ena der Keiner zu Homburg, Herr Dietrich Meyen kränz,
Priester, und Henritze Sulberg, Schultheiss zu Hoemburg, die vor-
zeiten auch Keiner zu Hoemburg gewesen, von wegen des wolgep.
Hern Godfritz Hern zu Eppenstein und zu Mintzenberg „an eyme*
und Philips von Buchis, amptmau zu Petterwil, von wegen des
wolgep. Hern Ludwigs von Isemberg, Her Philips von Bicken, Rit-
ter Conrat Schcnck von Sweynüberg gem. Amptman, und Joh. von
Hornaue, Amptman zu Petterwil, von wegen .... Philipsen (Jra-
ven zu Solms . . , sodann . . Erwin Togil von Carben, Amptmann
zu Niddern Erlebach und Ludwig Waldeck des Rats schriber zu
Frankfurt von wegen des ersamen, wisen und fürsichtigen Bürger-
meister und Rat zu Frankfurt „am andern Tiele", auch waren da
versandet die Merker aus den 6 Dorffen. Hier werden also die Herr-
■
schaften geradezu als Parthei dem Waldpotten auf dem Markerding
gegenüber gestellt. Philipp von Buchis und Joh. von Hornau sind zu
dem Kellner geritten, gefraget ob er bereit sei anzufangen. Der bat
noch auf ihren Amtman zu warten; da dieser aber nicht erschien,
hat Heinritze von Sulberg von der Herrschaft Eppenstein wegen zu
reden anfangen lassen; uff stund ist von wegen der obged. Htrn
Ludwig von Isemberg . . . Solms . . . und des Erb. Rats zu Frank-
- 315 -
fort „als von wegen der Iren von Petterwile und Niddern Irlebach*
geredt dass tue keinen fftr einen Märkermeister halten wollen er »ei
dann durch gemeine Märker erwählt und zugelassen wie von alter
Herkomen sei. Sie fragen den Eppensteinschen ob er die Wahl
wie von Alter Herkomen sei fürnehmen wolle, darauf der Schult-
heise zu Homberg geantwortet: neyn, gesaget sie wollten handeln
wie sie im vergangnen Jahr gethan hätten. Als auch der venueint
Märkermeister der Mark halben reden wollen, da haben Conrat
Schcnck von Sweynßberg und Ludwig Schreiber Ime gesagt zu
schweigen, sie haben weiter zu reden. Und hat der itzgenant Ludwig
weiter geredt und begehrt an alle Umbstender zuzuhören: dieweil
von Eppensteinschen verneint worden zu handeln wie von Alters
Herkommen, so seien sie „von ihrer Herrschaft und der Ihren wegen
obgenant" auch nit gemeint einige Neuerung zu gewilligen, würden
den, der nit nach altem Herkommen gewählt, auch nit fllr einen
Merkermeister halten; sie erbieten sich zu rechtlichem Austrag,
ersuchen den offen Notar ein offen Instrument zu machen, sind da-
rauf abgeritten, und haben dio von Petterweil und N. Erlenbach
auch sheyßen abgeen*. Zwei Jahre später, 1488, finden wir dass der
Homburger Amtmann das Märkerding nicht halten wollen, sondern
on allen abscheyt mit den von Seulberg abgeschieden. Da haben
sich die Sendbotten von Isenberg, Solms, Königstein und Frankfurt
bedacht, und dem lantman uff ihrer Seiten gesagt ob die „Widder-
parthie" einen Märkermeister gekoren hätten , solten sie für kein Mär-
kermeister halten, sie sollten „die marck gepruchen wie von Alter",
und ob Jemand Bcschwerniss der Marck halber habe, solt derselbe
„an sein Herrschaft langen lassen , solt syn Herrschaft mit Flys vor
Jen arbeiten, Ine by altem herkommen zu hanthaben".
Dass dies zu jener Zeit kein leeres Versprechen gewesen, das
zeigen die Verhandlungen als im folgenden Jahre, 1489, das Märker-
geding der Seulberger, Erlenbacher etc. Mark durch den Walpoden
bis auf Dienstag nach Quasimodogeniti erstrecket worden. Es wurde
durch Herrn Ludwig von Isenberg ein Tag ernant gen Petterweil,
daselbst ein Abscheyt besehenen wie folgt: Nach alter Gewohnheit
und Herkommen pflege man „Märkergericht" zu halten auf Mitfasten
in der Erlebachcr Margk. Das habe der Graf zu Hanau etzlich Jahr
lang verhindert, allein nach seinem Gefallen zu erstrecken sich unter-
standen, ... es haben die Sendboten gerathschlagt und eynmündig
beschlossen, wenu der Graf von Hanau einen andern Tag fürnehmen
werde, so sollen die Herren mit den Ihren in mitteler Zeit bestellen
und verfügen, dass sie den Tag mit nichts besuchen und sich doch
Digitized by Google
316 —
der Mark wie von Alter Herkommen ist verbrochen, und sich furtan
zum Märkergericht das im zukünftig sein wird zu mitfasten verfttgen.
Jegliche Herrschaft solle daselbst „erscheinen oder dahin schicken,
helfen zum besten bestellen, tun und ratschlagen".
Sontag Laetare 1490 ist das Erlebacher Merkerding gehalten
worden durch den vesten Philipsen von Buches, Diether von Lutern
von wegen Hern Ludwigs von Isenburgk , Heinrich bereiter zu
Königstein von wegen derselben Herrschaft, Heinrich Keller zu A*-
senheym von wegen Graf Philipsen von Solms, und Jacob von
Cronberg, Erwin Dogel, Amtmennere, und Melchior Swartzenberg,
Rath Schreiber , von wegen des Raths zu Frankfurt Inn Beiwesen
des gem. Lantmans, wiewol das Merkergeding zu halten durch den
• Herrn von Hanau verbotten war, wart durch Jacob von Cronberg
geredt „alle die in die Marg gehören solten uff den Hauffen treten",
da waren etliche, von Sulberg zugegen die hinweg gingen und nit
unter die Marker gehen wollten. Redt derselbe Jacob zu den Mer-
kern, sie sollten sagen, wie es mit der Marg gehalten worden
sei, ob mau den Märkermeister kiesen möge, so etliche in die Marg
gehörig nit uf den Tag erscheinen. Begehrten die Männer sich zu
bedenken, nahmen »von jeglichem Dorf drei der edelsten1* und ant-
worteten gerne vnlichen durch Conradt von Petterweil: Es sei von
alter Herkommen, dass man uff den Tag einen gemeinen Miirker-
meister uff dem flecken kiese, und bo etlich uit allda wären gewest,
hätten sie nit desto minder gekoren, und die so nit erschienen
„mit Rat der Herschaften" gebUsst Wurden „die Mender" weiter
gefragt, es wären etlich von denen von Sulburg gebüsst, die noch
im Gefiingniss wären, und doch kein Märkermeister gesetzet durch
die gem. Merker von der Mark wegen, wie es gehalten werden soll
mit den büßen S1. Antworten die Männer gemeinlich : sie kunten oder
wolten nit weiter antworten, sie hätten dann einen Märkermeister
gekoren; so der gekoren, wollten sie „mit Rath desselben" antwor-
ten. Also haben die Geschickten sich bedacht und ihnen vergöm
einen Märkermeister zu kiesen. Antworten die Männer gemeinlich:
sie hätten sich bedacht und gekoren, und sei ihr alt Gewohnheit,
welcher gekoren werde, er sei Edel, Priester oder sunst ein gemein
Mann in der Mark seßhaftig, der muss es annemen 92 , und wo ihnen
■»» Seulberg war homborgiach; die von Seulberg hatten, vielleicht in Aut
trag ihrer Landeehcrrscbaft, Potterweiler Märker gefänglich eingezogen , ohne
Auftrag eines Märker meistere.
32 In Appenzell rouss noch heut zu Tag der gewählte Landammmn die
Wahl annehmen, er ginge denn ausser Landes.
Digitized by Google
— 317 —
dasaelb zugesagt werde wollten sie den Märkermeister nennen. Hilt
man den Männern für: wolten sie einen erwählen der iu der marg
begut nnd behubt wäre, das müssten sie lassen geschehen, aber wo
sie einen Amtraan wolten, der möcht über Nacht Urlaub nemen oder
gegeben werden; bo wäre die Marg aber unbestelt, solten sie selber
zusehen. Antworten die Männer: Sie haben vor Alter einen seßhaftigen
gekoren und nit angesehen ob einer begut oder behubt sei, wo man
ihnen dasselbige noch gestatten wolle, wolten sie den erwählten
nennen. Das wurd' ihnen nachgelassen. Also erwählten sie Erwin
Dogeln, Amtman zu Erlebach. Sagt derselbe: wo ihn die Herren und
Jungkern der Geschickten nit bei der Marg beschirmen wolten,
wäre ihm das Ampt an sich zu nemen nit gelegen. Also haben sie
ihm einhellig zugesagt, von der Herrschaften wegen ihn dabei zu
hanthaben. Darnach wurde gefragt wer den Märkermeister eydigen
solle; ward geantwort: sie (die Märker) haben vor Zeiten ein Ampt-
man zu Erlebach gehabt der Märkermeister gewest was, dcr-
selb von dem gekoren Märkermeister globe genommen. Also erweit
der gem. lantman Philipsen von Buches, der nam gelob von Erwin
Dögeln uff den Eydt den er seinen Herrn gethan hatte der Mark
das best und nutz zu schicken; und wurden alsbald zween Märker-
knecht erweit, die auch gelobten und sworen Erwin Dögeln in Ge-
genwärtigkeit des lantmans; und alsbald wurden die geschickten
Eyna und befolen den Markknechten die von Sulberg, die die Solms-
ischen gefangen gehabt hatten, zu verpieten auf dinstag nechst, dar-
nach zu verhören aus was Ursachen die Solmflen gefangen neien,
und solle von jeglichem Dorf gein Ober Erlebach zween komen mit
sampt dem Märkermeister, die Sache zu verhören, und was alsdan
zu antwort werde, jegliche ihr Hern und Junghern wissen zu
Es ist dieses Auftreten der Herrschaften aus dem Grunde so
ausfuhrlich mitgctheilt worden, weil es das einzige Beispiel iBt, dass
dieselben ganz in die Rechte und Pflichten des Waldbotten eingetre-
ten sind. Sie haben nicht nur das Märkerding gegen Befehl des
Waldbotten hegen lassen, die Mark bestellt, einen Märkermeister
wählen lassen und Markknechtc, sondern sie haben auch dem Mär-
kermeister versprochen ihn bei der Mark zu beschirmen. Es liegt in
dieser Handlungsweise die Anerkenntniss dass der Waldbott nur im
Interesse der Mark seine Vorrechte besitze, und dass wo er diesem
Interesse entgegen handele, die Mark nicht bestelle, dies auf andere
Weise geschehen müsse.
Digitized by Google
- 318 -
Hier, wie in der Hohen Mark, haben die Regierungen spater
nicht mehr den Muth, oder nicht mehr die Kraft gehabt in gleicher
Weise das Recht des obersten Märkers dem Interesse der Mark
selbst unterzuordnen. Auch in vorliegendem Fall aber haben sie
nur das Notwendigste gethan, sie haben nur einen Märkermeister
erwählen lassen. Bei dem nun folgenden Güteversuch hat man sich
bedacht und dahin geeinigt dass Herr Friedrich von Dorfeiden von
wegen des obersten Waltpoten und Cunrad Schenck von wegen der
andern Herrn den Märkermeister beeidigen solle, bis die Herrn zu-
sammen kommen und sich des vereinigen. Auf das Schreiben des
Pfalzgrafen, die Herrschaften möchten sich auf dem gütlichen Tag
zu Germersheim einfinden, antworteten sie : dass sie nit Fug haben
den angesetzten Tag ohne den gemeinen lantman und Merker zu be-
suchen. — Mglb. E. 30. II.
Wenn die Obrigkeiten das Interesse der Mark und der Märker be-
achten wollten, so mussten sie auch die Gewohnheiten derselben
berücksichtigen und an denselben festhalten. Anno 1484 auf Sonntag
Letare zu halbfasten sind von Peterwyl auf das Irlenbach Merker-
ding gemacht seibist: Johann von Glauburg, Schöff, Wicker Frosch
der junge, Ratsfreund, und Ludwig Waldeck, Schreiber; und als die
hinausgeritten und bei Irlenbach in das Feld komen sin um die
10 Uhr, haben sie nach Krwin Dogel, Amptman, und den Märkern
in Nieder Irlenbach geschickt. Ist Erwin dazu kommen und hat
gesagt, in dem als er zu Irlenbach herausgeritten, sei ein knecht ihm
begegnet mit dem bemerken dass das Märkerding mondig (Montag) sei,
dann sein Herr von Eppenstein das widerbotten lassen habe. Die
Geschickten haben sich darauf mit den Solmsischen und Ysenburgi-
schen beredt und sind mit den Märkern von Peterwyle und Nydern
Irlcbach auf die „Walstatt des Merkerdings by Sulburg gerydeu'4,
und sind bis nach Mittag ungefähr um ein Uhr dablieben, und als
Niemand aus den andern Dorfen komen ist, han die Amtleute die
von Petterweil und Nydern Irlebach wider zu Hause gehen lassen,
und sind auch abgeritten. — Mglb. E. 30. Ub S. 151.
In dem Berichte über die „Sewelberger und obern Irlebacher
Gemark", 1Ö39 heisst es dass die Herrschaften „von wtgena ihrer
Märker erscheinen. Uff Montag nach Penthecost, morgens 7 Uhr
erschienen auf dem Plata da man merkerding pfleget zu halten, von
wegen des Fürsten Philips Landgraven zu Hessen, als obersten Walt-
poten, Helwig von Laurpach und Diether Gewende, Keller zu Hom-
burg, „von wegen der Herrschaft Kömgsteyn Gemerker" Christoph*
von Hatzetein, Amptman zu Königstein, „von wegen der Herrschaft
Digitized by Google
- 319 -
Sulmbs Gemerker1* Hartman von Troso, Amtmau, „von wegen der Herr-
schaft Eyssenburgk Gemerker" Engelbert, halber Amtmann, „von wegen
der Stadt Frankfurt Gemerker" Justinian von Holzhausen, und dann
„der gemein Merkerman der Sewelbcrg und Ober Irlenbach gemarck
für sich selbst".
Wenn die Herrschaften einestheils für die Ihrigen ein Schutz
waren, so suchten sie anderntheils in denselben auch eine Stütze für
das eigne Ansehen zu gewinnen. Vorzüglich gilt dies von dem Wald-
poten selbst, soweit er auch Landesherr war, in der Seulberg Er-
lenbacher Mark also für Copperu und Seulberg, in der Hohen Mark
für Homburg, Contzenheim und Steden. Die Stimme von Nieder
Steden wurde noch festgehalten, Schultheiss und Gericht ernannt,
als dies Dorf schon längst verschwunden war. Neuo Ortschaften auf
homburger Gebiet, Dornholzhausen und Friedrichsdorf, wurden be-
günstigt weil sie grösseren Einfluss verschafften. Im Jahre 1539
brachte der Keller zu Homburg, Diethcr Gewend, schriftlichen Be-
fehl des obersten Waldpott die Mark „uff heute dato" zu umgehen.
Die Märker weigerten sich „es sei kein Mangel an der Gemark ver-
merkt". Der Keller drohte mit Ausschluss von der Mark, liess auf
zwei Seiten treten zur Abstimmung. Es trat zu ihm Niemand denn
die seinen von Homburg und Seulberg, der Mehrertheil blieb
stehen.
Zwei Jahre darauf als der Walpot mit Märkermeister kiesen
wollte, hat der Amtmau zu Königstein die Dörffer getrennt und „die
von Seulnburg und Kuppern beredt bei dem Instrument zu bleiben;
die Gemerker Seulburg und Koppern sind abgefallen," bei der Ab-
stimmung traten sie auf die andere Seite.
Allmälig erhielt das Erscheinen der herrschaftlichen Geschick-
ten eine andere Bedeutung. Darüber giebt ein Bericht von Joh.
Ludwig von Glauburg über das Seulberger Erlenbacher Märkerge-
ding des Jahres 1588 Andeutung. Es sei erstlich nach altem Ge-
brauch das Instrument, so anno 1493 uffgericht, hernacher etliche
neue Articul, ungefehrlich uf die 22, letzlich auch die Bugen ver-
lesen worden. Darauf die vorigen Märkermeister wieder zu Märker-
meister erbeten und verordnet worden „und ist durchaus nichts neues
oder E^Erb. Rath nachtheiliges des Ends furgangen oder verhan-
delt worden". Beim Abschied hätten die Märkermeister und der Kell-
ner wegen des Schreibens E. Erb. Raths, dass man die Nicder-Er-
lenbacher aus der Mark zu bringen gedächte, sich entschuldigt; sie
seien dies für ihre Person nie bedacht gewesen, sondern hätten sie
jede Zeit für ihre Mitmärker gehalten, sollten auch wie andere gc-
Digitized by Google
- 320 -
halten werden ; wollten gebeten haben E. Erb. Rath wolle jährlich«
auf den Sontag Lätare eine Rathsperson auf das Märkergeding ver-
ordnen „welche gleich wie Sy der Mark zum Beeten beiwohnen thete",
wie dann von E. Erb. Raths wegen H. Dan. von Hinsperg vor
Jahren etlicher Irrung halben auch draussen gewesen. Joh. Ludw.
von Glauburg bedankt sich der freundlichen Antwort wegen „mit
pit solche Ir Entschuldigung schriftlich an E. Erb. Rath zu gelangen14.
Mglb. E. 30. IV. [5]
Als die Märker bei dem Streit über die landgrevisch schwein
einsahen, dass ihre eignen Bemühungen vergeblich seien, haben sie
sich verglichen, dass die Schultheisse solche neugesuchte Gerecht-
same des obersten Waldpotten ihrer Obrigkeit anpringen sollten,
deren Rath, wie es auf's beste anzugreifen, zu vernehmen. Es wand-
ten sich darauf in einem Schreiben d. d. 1. Oct 1590 Märkermeister
und Häupter der Seulberg Erlenbacher Mark an die Herrschaften:
von ihnen selbst könne es nicht wol in's Werk gerichtet werden,
„Ir dagegen als hochgelahrte, verständige in denen und andern der-
gleichen Sachen täglich exercirt und geübet, die gepüer zu pon-
deriren werdet wissen, damit dan nicht zuviell oder zu wenig von
uns furgenommen, so wollen wir euch und E. Hochachtpare Weis-
heyten ganz freund und dienstlich gepetten haben sich als Mitmärker
von wegen des Fleckens Nidern Erlenbach dahin und soviel zu
bemühen und durch deren Advocaten fürhabende Supplication con-
eipiren und stellen zu lassen; und sind wir es hingegen freundlichen
au bedienen, Euch und Ew. Hochachtparen Weisheyten sonsten
angenehmen Willen zu erweisen erpöttig und befliessen, Euch, Ewer
Hochachtp. Weish. und uns alle hiermit dem lieben Got empfhelend".
Mglb. E.30. IV. [8] — Sie sollten erst später lernen, dass es besser
ist der eignen Kraft und Ausdauer zu vertrauen, als der Opferbereit-
willigkeit anderer. Auch die andern Dörfer hatten sich an den Erz-
bischof von Mainz und die übrigen Herrschaften gewendet, sie bitten :
dieselben wollen geruhen gnedigst, gnedig und günstig „uns deren
armen Leute" zu schützen und dargegen bei unser ruhigen wollher-
geprachten possession vel quasi handt zu haben. Der Rath liess die
Sache untersuchen, Zeugen vernehmen. Am 20. Oct 1597 berichtet
Conrad Wachteler, Märkermeister, dass der Landgraf Ludwig der
Jüngere 130 Schwein in die Mark einschlagen lassen; begehret eines
Erb. Raths Gutbedünken was fürzunehmen. Die Antwort lautete am
4. Nov. dahin: er habe anno 1591 Zeugeu vernehmen lassen; ob
solches von den andern Herrschaften gleichmässig besehenen, davon
habe er nichts vernommen; es möge wol sein „daß solche Sachen
Digitized by Google
- 321 -
also ersitzen blieben1'. Sollten aber die andern Herrschaften einhellig
sich an den Landgraven wenden wollen, würde es dem Rath nit
missfallen. — Mglb. E. 30. IV. [20/21.] — Weiter wurde im Jahr
1604 die Hülfe des Raths angerufen, der Oberherr und Waldpott
habe diesmal 100 Schwein in die Mast einschlagen und ein besonder
steig auf Ircni Grund und Boden ufrichten lassen. Es wurde auf den
Beschluss d. 1597 verwiesen, dasjenige so damals begert, sei noch
nit effectuirt worden, sondern vermuthlich bishero ersitzen blieben;
darumb man den Bereiter an den Märkermeister wiederumb abge-
fertigt. Der berichtet dass die Abhörung noch nit stattgefunden. In-
zwischen fanden die Herrschaften es sei nöthig einen Tag zur Zu-
sammenkunft zu bestimmen: „weil solches samptlichen interessiren-
den Herrschaften" zu nicht wenigem praejudiz gereichen thut. Auf
einem Tag zu Petterweil werden die vorhandenen Zeugenaussagen
verlesen, neue Zeugen verhört und beschlossen ein weiteres Schrei-
ben an Homburg abgehen zu lassen.
In späteren Jahren genügte es dem Rath den Landbereiter all-
jährlich auf das Markergeding, Sontag Lätare, zu schicken. Johannes
Zeundel berichtet im Jahr 1644: „hat es auf bevehl Ihr E. E. Veste
besucht, zu vernehmen ob etwas deme Flecken Niter Erlenbach an
Ihrer Gerechtigkeit vorgenommen, oter Ihme Flecken sonsten durch
Ihre f. Gn. Herrn Landgraff dincr oter Dero selbigen Märkermeister".
Es sei aber nichts vorgenommen, als der gemeinen „Ruhen und
Busen" wie auch „der verfallne Bauw und Rösse dachung" (veröste)
und „waß Rugbar daßselbige gestrafft worden". „Dasselbige auch Ir
Insterment ist vorgelesen worden von dem Waldschrayer wie von
Alters herkommen ist."
So berichtete der Abgeschickte der Stadt Frankfurt. Mit einem
solchen mag der Kellner zu Homburg leicht fertig geworden sein.
Derselbe berichtete am 2. Juni desselben Jahres über das Märker-
ding der Hohen Mark : er sei auf das gebande Mark Gericht zu
Oberurschel geschickt worden „zu vernehmen ob etwan meiner
grossgünst. Ihrer Dorffschaften in einem oder dem andern an irer
Gerechtigkeit witer Billigkeit etwaß vorgangen wöre", weiss diesmal
nichts zu berichten, als „daß Niter Urschel und Dirkelweil wegen
der Wolfsjagd nicht zu Humburg erschinen sind, gestrafll werden
sollen; nach gehaltnem Markgeding Uber 14 Thag zu Humburg zu
dem Busatz sollen beiten Flecken Erscheinen und Ire Buse thaidigen,
dieweil alle andern Flecken erschienen, sie gcmelte Flecken allein
nicht", (bei der Wolfsjagd nämlich). - Mglb. E. 29. IV. S. 110.
21
Digitized by Google
- 322 -
Wie in der Seulberger, firlenbacher etc. Mark, so stellen auch
in der Hohen Mark nicht wenige Thatsachen klar, dass in früheren
Zeiten das Auftreten der Obrigkeiten in Markangelegenheiten keines-
wegs bloss eine Förmlichkeit oder eine Ehrenauszeichnung gewesen.
Ein sehr undeutlich geschriebener Bericht über das Märkerding von
1479 theilt mit, dass die Rathsfreunde begehrt die von Dorckelweil
wieder zu ihrem Markrechte kommen zu lassen, und dass diese sich
erboten „uinb den bruch des faltdors halb" zu taidingen. Darauf die
anwesenden Märker beiseit getreten und gemeint die von Dorckel-
weil nit wider zuzulassen, der Rath wolle denn dem lantman den
„slag zu Husen offen daß man dadurch Faren und denselben Weg
gebruchen mochten zu zyden so die Wasser gross weren". Des Raths
Freunde gaben darauf zu verstehen dass der Rath den Weg zu Hau-
sen gekauft habe und war kein gemein Weg. Hausen (an der Nidda)
stand mit der Hohen Mark in gar keiner Verbindung, die Märker
gedachten also durch die Beeinträchtigung der Dorckelweilor den
Rath zu nötliigeu anderwärts iiinen, den Märkern, Vortheile einzu-
räumen. Das Recht oder die Pflicht der übrigkeit war aber mehr
die Ihrigen in dem Rechte zu schützen uud zu vertheidigen, als pri-
vatrech tliclien Vortheil aus dem Verhältniss zu ziehen M.
Bei dem Märkerding Montag nach Erhardi 1522 hat der Keller
angezeigt: wer den Wald schädige soll gepfäudt werden, es sollten
auch itzo die Pfandzettel verlesen werden. Darauf Viel aus dem
lantman nein gesagt, man sollt die Pfandzettel jetzo nit verlesen;
dafür wereder unberufen Märkertag bestimmt. Aber der Schultheis»
von Ober-Ursel hat etliche vom lantman, so ihm zugehörig, zu ihni
auf ein Ort genommen und mit den gcredt, bis sie in die Pfändung
und Verlesung der Zettel bewilligt. Darauf die Zettel gleich ver-
33 Di« Vollmacht welche im Jahre 1489 der Rath seinem Abgesandten mit-
gab, lautete: Wir der Kate zu Franckenfort Erkennen uns uftentlich mit die-
sem briefe das wir gantze macht uud vollen gewalt gegeben hart diesem gehv
wurtigen Kysen von Miltenbergk unserm beryder, und thun daa Inne crafi'te
dif> briens, uns, unser burger, das unser, die unsern und die uns zu verant-
wurten stecn an dem Marckerdinge zu Ursel das uff Mittwoche nach dein hei'
ligen Pfingstag nehst körnende werden sal, zu verantworten, zu verteidiogen,
zu vergeen und zu versteen zu glicher wyse und Jnne aller der raselSe und zu
allem rechten, wir selbst thun und Isißen sollten und mochten, obe wir dabei
geinwurtig werenn, Des zu Orkundo han wir der egeoauteu unser Stode Jnge-
slgel an diesen brieff thun drucken. Datum etc.
Weiter unten ist auszuführen wie die Stadt Frankfurt zugleich in der Eigen-
schaft eines Mitmarkers, wegen Besitzungen in Bonames, aufzutreten hatte.
Digitized by Google
- 323 -
lesen worden und gesagt: wer itzo woll taidingen soll des macht
haben oder zum nächsten Märkergeding. Die Abgeordneten des Raths
beschweren sich „daß die Ihren nit so viel Holz geholet als die an-
dern, man möge den Wald noch nit zuschliessen". Darauf der lantman
zusammengeruckt, sich besprochen und die begehr abgeschlagen,
gesagt die mennig sei schon gemacht, (es sei abgestimmt).
Es gab sich dabei von selbst dass die Herrschaften öfter auch
vermittelnd auftraten, Frieden und Einigkeit herzustellen suchten.
Im Jahre 1521 als Streit sich erhoben über die Wahl und Entlas-
sung der Forstkuecht, begehrte der Schultheiss von Homburg dass
Verordnete aus jedem Flecken nach Homburg kommen zu verhan-
deln „denn er were nit allhie uff dem merckerding umb Zankes wil-
len". Darauf sind die Beamten von Königstein und Heddernheim
zusammengeruckt „und sich der Sachen damit der landtman gefriddet
und zu Stillem gesetzt werden mocht, vielfaltiglich besprochen und
den Schultheis gebeten dem lantman zu willfarn und andere forstr
knecht erwehlen; da er dies abgeschlagen hat man sich weiter
beratben au erhaltung friddens, und herfundon daß nicht besseres
were denn daß man am lantman anregt die alten forstknecht auf
dismal onbeurlaubt zu lassen; solchs auch also beschehn".
Ebenso findet sich aber auch dass die Herrschaften mahnend
und abrathend auftraten, wenn sie es heilsam für die Untergebenen
hielten. Auf dem Markerding 1524 wurde vorgelegt dass man aus
dem lantman solt Merkermeister machen, nemlich zween zu Hom-
burg und zween zu Oberursel. Darauf aller Oberkeit Gesandten sich
besprochen, darin nit willigen können und einhellig beschlossen, „daß
jeder Gesandter seiner Herrschaft unterthan zu ihm berueff und
dabin wysse, von solchem Beschluss abzusteen. Darnach ist mit dem
Unterthan In geheym abgesonderter Weise gehandelt, bei dem
Folg erlangt. Sollichs haben alle Gesandten dem Keller von Hooiu-
burg fürgehalten, der glycherWyse by seines gn. Herrn zugehörigen
verfügt liatt, sich hören ließ". Also ist ein Ring gemacht worden,
dem lantman gesagt, nachdem sie von ihrer Meinung abgestanden,
wolle sich gebüren dass sie M&rkermeister kiesen, was darauf
geschehen.
Auf Dienstag Sant Lucastag 1524 hat der Amtman zu Eppstein
Namens des Waldbotten den Gesandten der Herrschaften der Irrung
der kupferschmitten zu Bonamesa halben Anzeige gemacht, mit
begehren ihm zu entdecken, ob sie mit einem ehrbaren Rath „güt-
lich verhöre" annehmen, oder aber rechtlich für sein gn. Herrn, den
Landgraven, fttrkommen und erfyd cn wollten. Es haben die ein
21*
Digitized by Google
Bedacht genommen und solche dem Untman angezeigt, der es
ein gut Zeit nit thun wollen; als sie aber „die überredt die Güte zu
verfolgen", haben sie solchs durch Philipps Ryffenstain von wegen
der Märker öffentlich zugesagt.
In späteren Jahren wurden die Unterthanen mehr und mehr
abhängig von den Obrigkeiten. Es tritt dies schon in der Mitte des
sechszehnten Jahrhunderts bei der Irrung über den Dielnberg und
Bettstein grell hervor. Bei dem Umzug von 1551, als die Märker
über die Höhe kamen, wichen „die Jhenseit der Höhe" von den
gemeinen Märkern und gingen nicht allein den grossen Bettstein,
Bondern auch den Dielnbergk und den „jungen Bettsteyn" von der
Höhemark hinweg. Ebenso, als die Märker 1561 noch in dem
Scharterwald waren, da gingen 8die von Ryffenbergk und Arnshain
eyn sonder weg, gingen also auch eyn teyl des Scharterwalds und
die obgemelten Velde samt dem grossen Bettstein von der Marku.
Gefragt warum sie nit bei den gemein Märkern blieben? gaben sie
diese Antwort: sie müsstcn gehen wohin die Junkern sie hiessen
gehen, dieweil Irrung um den Bettstein were. Im Jahr 1562 wurde
abermals Umgang gehalten um den Dielnberg und kleinen Bettstein
zu lochen. Da haben die jenseit der Höhe sich wieder abgesondert,
etliche Tage darnach die Loch an dem jungen Bettstein ausgehauen,
den grossen Bettstein der Mark abgelocht34. „Und ist gar kein
Zweifel wenn die Überhöhischen die Wahrheit sagen dürften, on
scheu für Iren Junckern würden sie bekennen sie hetten's ebenso-
wol gehört von ihren Eltern daß der Bettstein in die Höhmark ge-
hörig sei". Hiernach wurde beschlossen es sollten die Nachbar eines
jeden Fleckens in die Mark gehörig solche obgemelte Irrung „ihren
Oberkeiten anzeigen und umb Rath bitten". D esshalb, so h eiset es,
aist die bitt E. E f. W. so der Sachen besser wissen nachzudenken
dann wir arme unverständige, wollten uns in dieser Sachen rathen
und helffen, dass die angezeigte Irrung endlich mög gerichtet wer-
den". Mglb. E. 29. IIL S. 14.
Weiterhin folgt (S 38. cit.) eine „Forma der merkere bedenkens,
doch uff Verbesserung Irer Obrigkeyten, ob also an den Fürsten in
Hessen zu schryben sei". Als die Märker die Homburger Schwein
ausgetrieben, und dafür in Haft gehalten worden, setzen sie auf den
7. Oct. eine Zusammenkunft was hierein zu thun, bitten der Rath
wolle verstendige Leut dazu verordnen damit sie arme Märker bei
» Abgelocht, die Wahrseichen aus den Grenzbäumen ausgehauen.
Digitized by Google
- 325 -
ihrem anererbten Güte mögen erhalten werden. Und auch 1570
setzen sie einen Tag an wegen der Neuerungen in der Mark und
Insetzung von Zollstöcken; sie kamen tiberein, es möchten auch die
5 Herrschaften je eine Person abordnen nach Marpurg zu dem lant-
graven, die Menget und Gebrechen vorzutragen. Im Fall aber die
Zollstöck nit abgeschafft würden ist der gemein Merker Bitt, die
Obrigkeit möge guten Rath geben „ob man nit die Zollstöck ab-
hauen, und alsbald an kays. Kammergericht umb mandatum de non
offendendo anzusuchen befugt sei"?
Es ist offenbar dass mit dem Aussterben des niedern Adels die
Märker ihre Stutze verloren, sich nunmehr an die Obrigkeiten zu
wenden gezwungen sahen. In dem Markwalde wurden sie mehr und
mehr von dem Waldbotten geschädigt und ausser demselben wurden
sie abhängiger von dem Willen ihrer Obrigkeiten. Im Jahre 1584
theilt Burckhart Engelbrecht von Hattstein dem Rath mit: dass der
Beschwerden gegen den Landgraven wegen die Märker zusammen-
zukommen sich entschlossen, mit der Bitt dass er die Seinen bei
Zeiten „zu dieser Zusammenkunft verordnen" wolle; der Rath ant-
wortet: „wöllen unsere theils disfalls nichts an uns mangeln lassen".
In einer Supplication bitten dann die Märker ihre Landesherrn, sie
wollten sich „unser armen Merker und Unterthanen gnädigst ahnneh-
men". Diese wandten sich darauf an den Waldpotten die Beschwer-
den abzuschaffen. Der gravamina sind es 19 dem obersten Wald-
botten von den „vom Adel, Burger und Landtman gemeine Märker
erwehnter Marek" überschickt. Unter denselben finden wir aufgeführt,
dass den „Unterthanen des Amts Homburg, welche Mitmärker sein,
uferlegt worden eine Anzahl Gebundt Eichen Pfal in der Mark zu
reißen, machen und ihm überliefern"; dass die Märker welche „we-
gen Pfahlmachen ingerugt worden, Ihre Bueße bis noch nicht ver-
theitiget und dazu nicht angehalten worden" endlich dass die Inge-
sessnen im Ampt Homburg „ihr gepuer Unkostens, nemlich ein Jeder
4 Pfen., zu Anbringung aller Beschwerung« Puncten nit contribui-
ren wöllen, weil solches durch ihre Obrigkeit verbotten worden". —
Mglb. E. 29. HI. S. 82 ff.
Wir werden hier auf eine wichtige Befugniss oder Verpflichtung
der Regierung hingewiesen, nämlich die Bussen einzutreiben; daran
knüpft sich dann weiter die Stellung ihrer Beamten zur Mark oder
in der Markverfassung.
In der Seulberger, Erlenbacher Markordnung von 1552 heisst es
in Art. 12: Wer die Buße nit entrichtet, soll durch seine Obrigkeit
gepfendt werden, wo Armuth halben nicht zu pfenden ist, so soll er
Digitized by Google
- 326 -
vor ein Jeden Gulden acht Tag „im Beczenloch oder Narrenhu&a
durch seine Obrigkeit uff beger dcß Merkermeisterß gestrafft wer-
den". Aehnlich heisst es im Jahr 1538 Art. 11: „Welcher Märker
geruegen und seine bueßen uf angesetzte Thedigstag nicht erlegt,
der soll durch seine Obrigkeit für voll dafür gepf endet, oder nacher
llombergk eingeführt werden, und im Falle einer Armuth nicht zu
pfenden . . . für jeden fl. acht Tage lang mit dem Thurm durch
seiner Obrigkeit gestraffet werden. Doch dem obersten Waldpotten
an seiner habenden Gerechtigkeit damit nichts benommen1'.
Auch in der Hohen Mark ist in diesem Sinne geweiset worden,
so namentlich auf dem wichtigen Märkerding von 1484 welchem
Abgeschickte der Obrigkeiten zahlreich beiwohnten. Da heisst es in
Art. 17 : wer nicht theidigt, den mag der Waldbott und der Mär-
kermeister, jeglicher nach seiner gebühr, vor ihre verfallene Büß
pfänden; weigert sich dann einer der Pfände, so sollen der Herren
knecht im flecken, da der gerügt frevler wohnhaftig ist, forderlich
Pfand geben, bei Verlust desselben fleckens Markrechts. Ebenso ist
1547 beschlossen worden, jede Obrigkeit ihrer Flecken und Dörfer
solle bei den buosfelligen mit Ernst verfügen, dass die Buossen
bezahlt werden oder pfand gegeben werde. Sollte dies in einem
Monat nicht geschehen „soll die gemeyne ihres Markrechts entsetzt
sein, bis die büße eingetrieben werde'1. Es war damit eine Strafe
für die Saumseligkeit der Gemeinde, nicht gerade eine Haftbarkeit
der Gemeinde für die Buße des Märkers, ausgesprochen35. Mglb.
E. 29. II".
Dass die Obrigkeit der Aufforderung zur Strafe und Execution
sich willig unterzog ist in der Rechtssache des Bernhaidt Ebel zu
31 Dies noch in einem andern Falle. Als nämlich die Gemeinde Heddern-
heim den 20jälirigen Rügenrückstand aller Verwarnung ohncrachtet nicht ab-
geführet, wurde auf dem Märkerding 1778 dem Waldschrcicr und den Förstern
aufgegeben sätntotliches Geschirr und Schiebkarrcn welche von Heddernheim
in die Mark kommen würden, sofort nach Homburg einzutreiben, inmaasen die
Mark eich länger nicht herumführen lasse „sondern einen vor deu andern von
den Heddernheimern angreifen wird". Mglb. E. 31. I. S. 2fi. Wahrscheinlich
ist es dabei geblieben, denn zu jener Zeit war an ein energisches Handeln nicht
mehr zu denken. Es lassen sich andere Beispiele anführen, aus denen
ereicht lieh ist dass eine Gesammthaft als Kegel nicht bestand. In den Jahren
1478, 1479 sollten die Nieder- Erlenbacher der Mark Verstössen werden. Als man
die Mark auf St. Katharinentag bestellte hatten sie Holz aus der Mark ver-
kauft. Die Nicder-Erlenbacher aber behaupten dass wenn einer oder zwoen in
der Mark verbreche „darum nit eine ganze G meine aus der Mark verstoßen
werden könne". Mglb. E. 29. IIb S. 20.
Di.
*
- 327 -
Nieder-Erlenbach deutlich ssu ersehen. Da» Katli»protocoll vom 29. Juni
1598 theilt mit: Als die zu den Ortschaften verordneten Herren
anbracht, ob wol dem Müller zu Nieder-Erlenbach desswegen etliche
mal 10 fl. zur straf abgefordert worden, dieweil er über Verpott
etlicl ic Stemme in der Seulburger Mark abgehauen, welcher aber der
Thaten nit allein nit gestendig sein, sondern auch über des Märker-
meisters vielfältig anhalten die straf nit erlegen wöllen: . . . soll man
sur Erlegung der strafe noch 6 Tage peremtorie ansetzen. Erfolgt
hierauf ein »Schreiben der Märkormeister Joh. Bender zu Seulberg
und (Jonrad Wächteier zu Ober-Erlenbach d. d. 11. Aug. 1598,
Bernhard der Müller zu N. Erlenbach als ihm Markbuße abgefordert
worden, habe mit schnöden Worten begegnet, und in Gegenwart
des Schultheissen sie bezüchtiget, dass sie ihn nit redlich, sondern
wie diebe und schelraen gerüget und gebüsset hätten. Solche
Schmach hätten sie sich zu Gemiith geführet, und nit gemeinet die-
Belbig auf sich ersitzen zu lassen. Sie klagen, nachdem sie sich hie-
bevor an den Schultheissen gewandt, und ersuchen dienstlich, E.
Erb. Kath wolle in günstiger Erwegung des Handels Beschaffenheit,
ihn zur Abzahlung seiner zweijährigen Bußen samt dene darauf ge-
wendeten Unkosten, dan auch zum gepürlichen Abtrag und Wider-
ruffe von Oberkeit wegen günstig ermahnen und anweißenu. — Am
22. Aug. wurde dann beschlossen: als Bernhardt Ebel zu Nieder-
Erlenbach sich beklagt, daß ihm von den Märkermeistern widder die
gebühr ein büß abgefordert werde, soll man, weil er dem d. 29. Juni
jüngst gemachten Rathsdecrct nit parirt, ine gefenglich einziehen.
Am 24 Aug.: Als der alter Herr Burgermeister anbracht es habe
der Pfarrer zu Nieder Erlenbach für seines Sohns Bernhard's, wel-
cher Ungehorsams wegen zur Haft kommen, Erledigung angehalten,
wurde beschlossen: soll man Ine lenger liegen lassen. Auf weiteres
Anhalten des Pfarrers wurde am 29. Aug. decr.: soll man Ine der
Haft erledigen mit dem Bevelch, sich bei den Märkermeistern klug-
los zu machen, bei Bedrohung des Wiedereinziehens. Es findet sich
weiter ein Schreiben der Märkermeister, welche sich am 7. Januar
1599 beschweren, dass der Schultheiss den mehr angedeuteten Be-
scheid nach seinem Verstände auslege, mit der Anzeige, dass er wol
befehl empfangen zur Bezahlung beholffen zu sein, es erstrecke sich
aber der Bescheid nicht auf die Pfandreichung. Sie bitten dass mehr
Schärfe gebraucht, Ebel sie wegen derUn kosten zufrieden stellen möchte.
Demgemäss war am 16. Januar der Bescheid ergangen, dass der Schul-
theiss dem Beklagten unverzügliche Bezalung der geklagten Waldtbußcn
uferlegen und in Entstehung denselbigen alsobald pfänden lassen sollt.
Digitized by Google
- 328 -
Allein bereits am 18. Januar überreichte Ebel eine weitere
Schrift: die Geldstraf sei ihm aus blosser Missgunst9* abgefordert
worden, er sei desshalb genöthigt gewesen seine Unschuld dem
durch laucht. hochgeb. Fürsten und Herrn G. Ludwigen d. J. Landgr.
zu Homburg etc. „seinem gn. Fürsten und Herrn und der Mark obersten
"Waldbotten" per Supplicationem zu erkennen zu geben; der ihn
gehört und Joh. Vestenbergcrn den Kellner von Homburg mit Er-
gründung der Wahrheit beauftragt Diesem habe er seine positiones
und probatorial articul zugesandt; er habe gehofft dass bis zu Er-
öffnung derselben seine Widersacher sich gedulden, sie hätten aber
auf Pfändung angetragen mit Verschweigung dieser Umstände;
bittet: der Rath möge diese Sach' an den Kellner von Homburg
weisen. Es war dieser Schrift ein Verzeichniss beigelegt der Eichen-
stemm, welche die andern Märker gehauen und doch die Nieder-
Erlenbacher zuerst strafen wollen: die von Holzhausen zum Schwein-
stall und den Hörten 00 Stämm, die von Petterweil 125, die von Seulberg
123, die vonOber-Erlenpach 50. Der Senat beschlosB am 18. Januar nach
eingeholtem Bericht: Es sei den Märkermeistern Copei zuzuschicken,
dem Schultheissen zu Nieder-Erlenbach aber zu befehlen, mit der
anbelohlenen Pfändung gegen den Bernh. Ebeln bis auf weiteren
Bescheid einzuhalten.
Der Erlass welchen der Waldpott dem Kellner von Homburg
schon unter dem 1 . November 1598 in dieser Sache hatte zukommen
lassen, zeigt wie klug derselbe jede Gelegenheit zu benutzen ver-
stand seinen Einfluss, sein richterliches Ansehen fester zu begründen.
Es heisst in demselben unter anderm: Ob nun wol in diesem und
dergleichen Fällen die Appellationes vor uns als den obristen Waldt-
potten gehörig sein, dahero wir auch des klägcrs bei uns beschehencs
suchen für sich wol bestehen lassen könnten, . . . jedoch dieweil die
sachen noch zur Zeit allein uff dem Bcweißtumb beruhen und wir
J« Diese Missgunst ist häufig gegen die Frankfurter Ortschaften besonders
gegen Nieder-Erlenbach, welches in beiden Harken berechtigt war, bemerklich.
Da Nieder-Erlenbach weit vom Walde entlegen, war viel und leicht Gelegen-
heit gegeben dies Dorf zu benachtheiligen. Als im Jahre 1523 die Mark er ver-
hindern dass dem Kupferschmid zu Bonames Kohlen zugeführt würden, bringen
sie zugleich beschwerend vor, dass sie sonst auf der Krück zu Uonames 2 IL
gegeben, jetzt 3. Ebenso sei der Zoll in Hausen gesteigert worden; dazu be-
schweren sie sich dass sie au der Stadt Pforten zu Frankfurt »sich loosen oder
das Ir verzollen" mttssten. Der Keller bemerkt das Kohlenverbot sei geschehen
vielleicht aus sonderer Ungunst, die zu Ein. Erb. Rath getragen wurd .und
noch unverdienet werett. Mglb. E. 29. II*. 8. 66, 73.
- 329
dafür gehalten, derselbig wol vor dem gemeinen Märker besehenen,
und demnach von demselben nach Befindung der Partheien ein endt-
licher bescheidt gegeben werden könnte, — so haben wir uns auch
derselben biß noch nicht annehmen mögen, — bevelhcn demnach dir
(dem Kellner) in Gnaden, daß du sie beyderseits, sowol den Kläger
Berndt Ebeln als auch die Märkermeister und Markschreiber vor dich
erforderst und Inen unserntwegen anzeigest, ... wir wolten sie ihren
beweißtumb zu fuhren .an den gemeinen Märker gewiesen haben.
Würde nun der beschuldigte beweisen können, daß er das übrig Holz
. . . anderswo zu wegen gebracht, gereicht es ihm zum besten; wo
nicht, würd er sich der ihm gesetzten Straf schwerlich entschlagcn
können. Doch stehet jedem alsdann die Appellation ... in allewege
noch frei und bevor.
Am 5. Februar 1599 fragen die Märkermeister nochmals wegen
der Execution an, Ebell habe sich sowol Geld als auch Pfand zu
geben geweigert, der Schultheiß den empfangenen Befehl nit exequiren
wollen, flirgegeben, dass er Niemand der sich Pfand zu reichen wei-
gere, dieselbig ohne fernere Specialbefehl abdringen dürfe, — sie bitten
entweder wirkliche Hülfe zu befehlen oder sie in Schriften günstig
zu verständigen ; sie erbieten sich gleichmässig zu Gegendiensten :
„Gott hiemitt in Eill befohlen, und geben üb. Erlenbach 5. Febr." etc.
Job. Ludwig von Glauburg und Joh. Ufstainer theilen darauf
denselben am 8. Febr. mit, wie der Rath nach vorgelegtem schrift-
lichen Befehl des Herrn Waldpotten anderer Meinung worden, dafür-
gehalten es sei so lange zuzusehen bis dem ufferlegten Befehl ein
Genüge gethan. — Mglb. E. 30. IV. —
Auch in andern Rechtssachen wurden die Obrigkeiten gelegent-
lich um Hülfe wegen Executionen angegangen, besonders in solchen
wo den Markbeamten keine Möglichkeit gegeben war auf andere
Weise sich an Person oder Sachen zu erholen. Es schreiben am
22. Febr. 1630 der Keller und die Märkermeister an den Rath : Ein
Bürger der Stadt Frankfurt, Hans Scherer, auf der Allerheilgengasse
wohnend, habe vor etlichen Jahren dem Fürsten Landgrafen Friedrich
seine zu Hombergk vor der Höhe gehabte Mühle verkauft, einen
Nebenbau davon abgebrochen und wider die uralte Markordnung
ausserhalb der Mark veräussert, und nach Frankfurt verwendet 3T.
„Deßhalb er auf dem Märkergedingtag gerüget, und nach Hombergk
" Die Markordnung verbot «Holz, Kohlen oder andres aus der Mark in
ander Pöege oder Gebiet" zu fuhren.
Digitized by Google
- 330 -
über 14 Tagen hernacher die büße zu theydingen gebeißen, aucb ihm
50 f. gesetzet worden." Man habe der Zuversicht gelebt dass er die
Gelder erlegen werde, nach lang gehabter Geduld und unterschied-
lich gütlichem Mahnen wolle man „den Markproceß widder ihn ge-
brauchen", notificire dies dem Rath, bitte aber zuvor: der Rath wolle
hilfreiche Hand leisten, deu mehrerwähnten Seherer anhalten, dass
er „Zcyger dieses, unserm zehrungswUrtt, Wilhelm Heyers von Hom-
bergk, welchem diese Gelder anstatt Zahlung von uns bereits ange-
wiesen, crmelte 50 f. abbezahlen müsse". Ein Rcsolutum steht nicht
dabei, auch ist nicht angegeben ob die Anweisung sonst honorirt
worden.
Die Sc hu Itheissen. — Bei diesem innigen Verhältnis« der
Obrigkeiten zu der Mark waren es besonders die Schultheissen, welche
als Beamte der Herrschaften, zugleich als Vorsteher der Dorfschaften
von grossem Einflüsse waren. Die Schultheissen erhielten von den
Regierungen Instructionen, wie sie sich in den Markangelegenheitcu
zu verhalten hätten. Es findet sich eine solche für den Schultheissen
Barthel Hildebrandt zu Bonemess aus dem Jahre 1595 in dem fasc.
Mglb. E.29. III. S. 150 aufbewahrt: derselbe aolle sich in der Frage
wegen der streitigen Wiesen von den mehreren nicht absondern,
jedoch mit dem Protest: dass er an dem Process bei dem Reicbs-
kammergericht nichts zu thun haben wolle. Er solle Uber den Ver-
lauf in Schriften der Gebühr zu referiren wissen. — Andererseits
gelangten au sie die Bestellzettel aus der Homburger Canzlei; sie
wurden angewiesen zu erscheiuen zum Märkergeding „mit den Mit-
nachbarn und Märkern". Der Schultheis war der eigentliche Ver-
treter des Dorfs und der Dorfangehörigen; erst in ganz später Zeit,
als die Verhältnisse schon ganz verrückt waren, Hess er sich mit dem
leeren und unrichtigen Ehrennamen eines „Markschultheissen" be-
liehnen. Früher wurden sie nur nach ihrem Dorfe benannt. Als
Vertreter seines Dorfes gab der Schultheis die Stimme ab Namens
desselben, so besonders bei den Wahlen; war er einzuladen bei deu
Markuragängen ; sass er im Gericht und in den Markversammlungcji
von denen weiter unten noch die Rede sein wird. Die 5 Ortschaften
welche als Hauptorte genannt werden, stellen in ihren Schultheissen
eine Abordnung und Vertretung der Herrschaften dar. Durch die
Schultheissen wandte »ich das beschwerte oder das klagende Dorf
an seine Regierung, und diese beachtete gewiss die Klage mehr oder
weniger, je nachdem der Schultheiss durch seine Persönlichkeit sie
unterstützte. Johannes Bilger, Schultheiss zu Dürckelweil, bat 1617
Digitized by Google
331 -
um lntercession, weil der Keller zu Homburg einen Dürckelwciler
habe eintreiben und bekümmern lassen. Nach altem Herkommen
habe Dürckelweill den Gontzenheimern eine Zinne oder Schlagthor
zu machen, dazu sie Bauholz gehauen, das aber von den Gontzen-
heimern vor dem Verbrauch sonst verwendet worden. Die Sache
sei so liegen geblieben und 4 fl. ßuss erkannt aber nicht erlegt wor-
den. Der Keller habe die Gontzenheimer als llomburger Unter-
thanen geschont. Daraufltin verlangt am 21.0ct der Rath dass der
Keller den Dürckelwciler der Verstrickung entlasse und die Gemeinde
mit Unkosten verschone. Mglb. E. 29. IV. S. 79. —
Die Bürgermeister. — Neben den Schul theissen waren noch
in jedem Dorf 3 Schöffen oder Bürgermeister, welche den Schul-
theissen in seinem Amte zu unterstützen hatten , besonders auch das
Rechnungswesen führten. Sie werden noch um das Jahr 160 > als Ge-
richtsschepf, ja auch als Markschepff bezeichnet. Sie nehmen an den
Markumgängen Theil und an den engeren Versammlungen. Die
Vergütung für Zcitversäumniss wurde (in den späteren Zeiten) iür
den Bürgermeister halb so hoch berechnet wie für den Schultheisscn ;
diesem wieder war gestattet 4 Schwein in die Eckern zu treiben,
wenn der gemein lantman ein Schwein eintrieb. In früheren Jahren
genügte eine geringere Auszeichnung; für die Hohe Mark wurde im
Jahr 1599 bestimmt dass jedem Märker 3 schwoin einzutreiben er-
laubt sein solle, dem Schultheissen vier.
Wir lernen den amtlichen Kreis dieser Vorsteher am besten aus
den Markordnungen der Seulb., Erlenbacher etc. Mark kennen, wenig-
stens was die polizeiliche Stellung betrifft „Schultheißen und Bur-
germeistere sollen ungebüer anbringen so oft sie etwa» rugbahr
sehen", sie sollen „ebensowohl als die Förster zu rügen schuldig sein'4.
Dieweil „in dem Tituli vom Holzausgeben mehren theils auf der
Schultheißen und Burgermeistere Erkenntnisse gegangen und ihren
versiegelten Bescheinigungen fürnamblich Glaub gegeben wird . . .
sollen sie die Märkermeistcr damit nicht bodriegen". Es sollen
Märkermeister und Schultheissen „in den Mark Hecken umbh ergehen
und zusehen, daß die Baue in redlichem Wesen und guter Besserung
erhalten und nicht zu scheydern gehen". „Zu einem newen Wohn-
hause, wenn die Schultheißen und Markschepffen eines jeden Orts
die lange, Weitte etc. ermessen, . . sollen sie alsdann die Märker-
meistcr darvon berichten, die dann ferner uff ihren der Schultheißen
und Markscheffen zugeschickten Schein (welcher unter des Schultheißen
Sigell verschlossen sein, und alle umbstendliche Gelegenheiten ....
Digitized by Google
Inhalten soll)" das nöthige Holz erlauben. Jeder welcher Holz be-
nöthigt, auch erlanget hat „wie er nicht Macht hat ohne der Forsterer
hey wesen einen eintzigen stamm zu hawen, soll also auch dahin ver-
bunden sein, dasselbige Holz, sobald erß zu seiner Gewahrsam be-
kommen und ehe es von der Fuhr abgeladen wird durch seinen
Schultheißen und Bürgermeister, die es ihm zuvor erkannt, besiech-
tigen zu lassen0. Auch der Förster Wahlen wegen ist beschlossen
worden „daß die Markschultheißen beneben den Markschepffen auf dem
Märkergedinge das beste darzu rathen sollen'1. Endlich sollen Wald-
bussen „Montags nach Quasimodogeniti gesetzet, durch jeden Mark-
schultheißen von seinen Amtsbefohlenen Untertbanen beipracht und
den Markermeistern eingeliefert werden". Mglb. E. 30. III. Diese
Beispiele der polizeilichen Amtspflichten der Schultheissen und Bür-
germeister in Betreff der Mark mögen hier genügen.
Es lag in der Gerechtigkeit der jeweiligen Obrigkeit Schultheis*
und Scheffen des Orts zu ernennen und auch abzusetzen. Als im
Jahre 1435 Harheim und Caldebach um fl. 3000 der Stadt Frankfurt
verkauft, resp. versetzt worden, mit Zubehör und Leuten, übte der
Rath dies Recht aus. Indess scheint es dass der Wunsch und der
Vorschlag der Ortschaften gehört wurde; es heisst im Jahr 1488:
dieweil der „alte Schöff" zu Harheim altershalber unvermüglich ist,
ihme des Scheffenstuhls erlassen und andern an seine Stelle setzen
und kiesen; sollen die von Harheim bis Donnerstag über 8 Tagen
etliche Männer zum Scheffenstuhl tauglich verzeichnet beschrieben
geben. Die Scheffen von Harheim sollen es halten wie von Alters
gehalten worden ist, an Gericht zu sitzen und Sachen zu verhören.
Im Jahre 1512 wurden die Dörfer wieder von Königstein gelöst.
Es sind Johann FroBch, Schöff, und W eicker Frosch, Bürgermeister,
zu Harheim und Caldebach gewesen und haben die Männer ihre Eide
lcdig und los gemacht und die ftLrter ihrem gn. Herrn zugestellt.
Vergl. Lersner, Chronik, II. S. 663 ff.
Ueber die Absetzung des Schultheissen findet sich in den Seul-
berger, Erlenbacher Mark- Akten (Mglb. E. 42. Nr. 32) ein interessan-
tes Beispiel. Am 8. Dec. 1601 Uberreichte der Pfarrer zu Nieder-
Erlenbach die Anzeige dass er kein Holz aus der Mark ausserhalb
der gewöhnlichen Tag bekommen könne, er bewohne die Burg zu
Nieder Erlenbach, die habe doch Gerechtigkeit in die Mark zu fahren
Auf dem Ausschusstag habe des Raths Schultheiss und der eltiste
Gerich tsschöfle dabei gesessen und E. Erb. Raths Gerechtigkeit fast
übergeben, wie sich denn der Keller zu Homburg dessen, etwa s
lachenden Mundes, gegen den Pfarrer vernehmen lassen. Wurde bei Rath
- 333 -
beschlossen: Soll man den Schultheisseil und eltisten Gerichtascbeffen
von Nidder Erlenbach beschicken, der uflagen halben zur red stellen.
Leidheck der Bereiter bestätigt des Pfarrers Aussage, derSchultheißs
aber und Peter Krauss, der älteste Grerichtsschöff, stellen es in Ab-
rede „ward aber etwas erschrocken in seinen Beden". Der älteste
Schöff stiess die Worte heraus: ein alter Mann habe zu ihm gesagt,
sollten nit darin willigen sonsten müssten sie etwan daraus dem
Pfarrherrn Holz zur Frohn fuhren. Der Bereiter giebt noch an,
dass er protestirt, der Keller aber mit lachendem Mund gesagt habe:
Was es viel Protestirens bedürfe, sintemal E. Erb. Raths Bauern
sich selbsten dieser Gerechtigkeit begeben. Darauf wurde am 15. Dec.
beschlossen: soll man beede Ihrer Aempter entsetzen und einem
Jeden f. 50. zur straff abnehmen, welche straf zu besserung des
Pflasters zu Nidern Erlebach angewendet werden soll. Die Venu%
theilten, Arnold Scheffer der Schultheias, und Peter Krause der Schöff
bringen nun Zeugnias von den übrigen Schultheis und Gerichten
bei daas sie das Behauptete nicht gesagt, bitten sie in ihren Aemtern
zu belassen. Den Märkern überhaupt sei der Gebrauch der Mark
beschränkt worden, somit auch der Burg. Es wurde darauf be-
schlossen: Soll man sie zur Zeit noch bei ihren Aemtern verbleiben
lassen, bessere Erkundigungen einnehmen.
Die Märkermeister. — Weit wesentlicher als die Beihülfe
der Obrigkeiten war die Stütze welche die Märker in ihren eigenen
Beamten, besonders den Märkermeistern hatten. Wie die Schult-
heissen das Dorf vertraten, so die Märkermeister die Mark. Sie
stellen die eigentliche, wahrscheinlich uralte Obrigkeit der Märker
dar. Ihr Kampf mit den eigennützigen Bestrebungen des Waldbotten
ist ein sehr beachtena werther; erst als dieser die Wahl derselben
ganz in seine Hand bekam, dies besonders in der Seulburger, Erlen-
bacher etc. Mark, war die Selbstbestimmung der Mark rettungslos
verloren. Wir finden bei dieser selbstgewählten Obrigkeit den Dua-
lismus; die Märker scheuten sich die geringe Gewalt, welche sie ihr
eingeräumt, in eine Hand zu legen, auch wechselten sie ab mit den
Ortschaften aus welchen die Märkermeister genommen wurden; doch
behielten zuletzt die mächtigsten oder einflussreichsten Orte eine
Bevorzugung, so Oberursel und Bonames. Der Versuch für die Ort-
schaften jenseit der Höhe im Jahre 1438 einen dritten Märkermeister
zu bestellen, wurde von den Märkern selbst wieder zurückgenommen.
Die ältesten Aktenstücke welche wir aus der Hohen und aus
der Seulberger, Erlenbacher etc. Mark besitzen, befassen sich be-
Digitized by Google
reite mit dem Streit über die Wahl und die Befugnisse der Märker-
meister. Auffallender Weise befindet sich dabei in der letzteren
Mark eine symbolische Uebuiig festgehalten welche sich in der Hohen
Mark nicht mehr vorfindet. Es ist dies das „Eid staben" welche«
als die Ursache des Streites über die Wahl der Märkermeister im
Jahr 1482 angegeben wird. Jährlich, so heisst es in einem Bericht
Ludwig des Rathschreibers, wann man ein Märkergeding hat gehal-
ten, so hat ein Märkermeister sein Stab vor sich in die Erde ge-
steckt, und hat die Mercker um das Melkermeister Ampt gebeten,
und wenn ihm dies wieder zugesagt worden, „so ging dcrselbig
Melkermeister widder zu seinem stabe den er vor sich inne die Erd
gestossen hat und globet demselben stabe von der Mark wegen" w.
So sagen die von Petterweil, von Obern- und Niddcn Erlebach, sei
es von altem Herkoramen auf sie kommen. Darüber war aber Irrung
entstanden, in Folge deren die Wahl eines Märkermeisters unter-
blieben war. Denn Se. Gnaden der Jungher von Eppenstein als
oberster Waldbott behauptete dass ein Merkermeister der Mark zu
geloben nit schuldig sein solle, sondern dass ein solcher, so der zu-
gelassen werde, ihm gelobe; das wäre billig und ein alt Herkommen,
und werde auch in der Urseller Mark, welche zum nächsten dabei
sei, also gehalten. Er begehrt an die Amptleute und die Märker
solches gütlich zu besehen, dass man Märkergeding halten und die
Mark bestellen möge. Er sei nit der Meinung den Märkern an ihren
Rechten und Herkommen Abbruch zu thun, sondern die Mark mit
Rath derselben zu bestellen. Als nun die Märker sich besprechen
wollen, hat ein Eppensteinisch Schultheiss öffentlich gerufen, was
Eppensteiner sei, soll uff ein besonder Ort gehen. Darauf die von
Petterweil und Niedern Erleubach „bei eyn gangen" und meinten
Ober Erlenbach sollte auch bei sie gangen sein, nachdem sie bis an
die Zeit, einer Meinung mit ihne gewest weren. Als die aber besun-.
der ,.by eyn gangen" und Bintze der Schultheiss, der bis uff das
vergangen Jahr seine 30 Jahr und länger Märkermeister gewest war,
bei ihne stunde, hat der Eppensteinisch Amtman weiter geredt: be-
gehrt zu gewilligen dass der Märkermeister seinem gn. Junghem
globdc, und obe das Bintze thue, wolle er ihn zu einem Märker-
meister ufnehinon, wolle er es aber nit, so wolle er ein andern
nehmon. Nach einigem Bedenken haben die von Isenberg, Solms
und Krankfurt „von ihren Herschaften und Dorff wegen" wider
3" Der Stab als Symbol des Besitzens nnd Ucb Aufgebens der Gewalt , a.
Grimm, Rechtsalterthümer 8. 137.
reden lassen: das sei nit von Alters Herkommen, Bintze der da zu-
gegen, sei bei 30 Jahre Märkermeister gewesen, und habe solches
Amtes halben keinem Herrn von Eppenstein nie gelobet; als er zu
erste Märkermeister geworden sei, habe es die Gestalt gehabt, dass
die Märker ein merklich Gespanne mit Sr. FürstL Durchl gehabt
haben: „da war ein Adelman Märkermeister, genant Pawl von Irlen-
bach, der war alt und unverraüglich worden, hatte darum wegen
der Gezenke die Märker gebeten einen andern Märkermeister zu
machen, da hatte derselbe Pauli von der Märker wegen von Bintze
gelobde Ober das Märkermeister Ampt genommen. Es sei auch ein
alt Herkommen das* auf der Aue ein jegKcher Märkermeister auf
dem Märkerding pflege ein stapp für sich in den Wasen zu stecken
und damit zu sagen: Ich stecke die Mark dahin, und sag das Mär-
kermeister Amt damit uff. Und so er dann wieder darum bäte, so
antworten die Märker dass er widder an den stab griff, und das
Amt des künftigen Jahres widder an sich nehm bei der globden so
er vor gethan habe. Also sei es auch bei Bintzsn nit anders gehal-
ten worden und sei keiner in der Mark dem gedenke dass es je
anders gehalten worden sei. Das hat der Eppensteinisch Aratman
auch abgeschlagen und zu Bintzen gesagt ob er das Markermeister
Amt annehme und Ime Beinem gn. Jungherrn darüber geloben thue,
woll er ihn darzu bestettigen. Daruff Bintze geantwort und gesagt
hat: wo das der Märker Wille sei wolle er es tbun. Da haben die
Eppensteinschen .... gesagt ja . Isenberg, Solms und Frankfurt
Amtlude und Freunde haben in kein Neuerung gewilligt, sind hin-
weg geritten, haben ihren Männern gesagt auch abzuscheiden. Also
hat Bintze, derAmtman, gelobt". „Wie aber, ist uns nit wissend" fügt
der Frankfurter Berichterstatter bei.
Im Jahre 1483 auf Walpurgistag wurde ein Märkerding gehal-
ten „brantshalb damit die Mark beschädiget worden war11. Die von
Petterweil und Nyddern Irlebach entgegnen dem Märkermeister
Bintze, der sie büßen wollte, sie halten ihn vor keinen Märkermei-
ster, er sei nit erwählt als von altem Herkommen sei.
Zwei Jahre darauf war Bintze der Märkermeister mit Tode ab-
gangen. Erwin Togel oder Dögel wurde an seiner statt gewählt.
Dieser hat gebeten ihm das zu erlassen, auf bitten gesagt: wo er
zugelassen werde, wolle er Inen allen zu willen reden. Da saget
VValther von wegen seinem Herrn von Eppenstein: „sei nit der
Meinung einen Stab stecken zu lassen". Da hat Erwin sich des
Märkermeister Ampts eutHchlagen. Hat Walther die Märker geheissen
einen andern zu kiesen, der ime anstatt seines Herrn globde thu;
- 336 -
haben Isenbergk und Solms von Petterweil wegen gesagt : sie haben
gekoren, da lassen sie es bei, und seien nit schuldig einen andern
zu kiesen, geptlre auch nit Inie die globde zu thun, und sind damit
das an die Herrschaft zu bringen, abgeschieden. Sie wollten in kein
andern gebiliigen.
Darauf blieb die Mark unbestellt, wie bereits initgetheilt wor-
den, bis im Jahre 1490 durch die Abgeschickten der Obrigkeiten
das Märkerding auf Sonntag Lätare abgehalten, Erwin Dogel, Amt-
mau zu Erlebach, wieder zum Märkermeister erwählt und von Phi-
lips von Buches in Pflicht genommen wurde. Im folgenden Jahre,
als der gütliche Tag zu Germersheim abgeschlagen worden, erschie-
nen auf dem Märkerding, Sontag Lätare : Herr Fried, von Dorfeiden
und Georg Meyer, Schreiber, von wegen des wolgebornen Jung-
hern Philippen Grafen zu Solms; Philips von Buches und Diether
von Lutern von wegen des wolgep. G. Ludwigen von Iseuberg,
Grafen zu Büdingen; Balthasar von Eschpach von wegen der Herr-
schaft von Königstein ; und Wyker Knobelach sammt Melchior Swar-
tzenberger, Radsschreiber, von wegen des Rats zu Frankfurt; und
redt Georg Schreiber, wie sich die Merker allwege uff den Augen-
schein erboten haben, also sei sein gn. Herr ein zukommender Herr
der Mark und „wyß nit wyters, wann sin gnad underricht werde".
Desshalb sei Herr Friedrich und er also abgefertiget, die Männer
sollen wisen wie von alter, doch jeglicher Parthei irs rechten unbe-
nommen. Die Märker haben darauf aus jeglichem Dorf vier erweh-
let, die sollen sich besprechen und den Herren „mit Willen des land-
mans Ire Gerechtigkeit wisen11 und nachdem sie bedacht waren
haben sie also gewiesen : Zuerst dass der Homberg inhab ein oberster
Waltpode der Mark sei ; darauf über dessen Befugniss zu jagen in
der Mark ; sodann dass der Waltpode das Recht habe frevelnde Aus-
marker gefänglich zu halten und gnädiglich zu schätzen. Es folgt
darauf viertens dass die mark der Herren Eigenthum sei und der
Märker Erbe. Dann heisst es: die Männer sagten dass sie sich irthen
wer den Märkermeister eidigen soll, sie haben alwege gehört dass
sie den Märkern geschworen haben, aber es sei keiner zugegen,
dem gedenk, dass je ein Märkermeister geschworen hab, sondern
alweg bei den Eiden die er vorgethan hat, bleiben lassen. Wohl hab
Bintz dem von Epstein vor Jaren gelübde gethan, sei aber wider
Willen der Märker bescheen, sie haben auch uff der Zeit gesagt :
„Byntz sy durch den Karren gefallen". Darauf haben sich die Ge-
schickten bedacht und vereinigt den Märkermeister gemeinsam an
beeidigen bis zu einem schliesslichen Vergleich. Der lantman wäUHe
Erwin Dogeln zu einem Märkermeister , der also von beiden Par-
thien geeidigt worden ist „bei den eyden die er vormals den herren
und dem Rat dwil er ir iglichem inn sunderheit gcsworen were das
best zuthon befolen, das er also gelopt hat8. Mglb. £. 29. IIb S. 144 ff.
— E. 30. No. 2.
Es zeigt uns anch dies Beispiel wie wenig die Grundgesetze
der Marken festgestellt waren, wie vieles von den Männern abhing,
welche einerseits den Lantman leiteten, andererseits dem Waldpotten
als Räthe dienten. Erwin Tögel war vielleicht der tüchtigste Melker-
meister unserer Marken, nie mehr späterhin hat der Lantman in den
Verhandlungen eine so würdige und so gewichtige Stellung einge-
nommen wie unter seinem Meisterthum. Nicht lange nachher ist es
den gewandten und schlauen Beamten des Waldpotten, Diether
Gewend und Georg Vestenberg er, gelungen dem letzteren eine bevor-
zugte und Uberwiegende Stellung zu verschaffen ; so wurde dann das
Recht mehr und mehr in diesem Sinne gedeutet und abgeändert.
Es ist sehr merkwürdig das» noch im 15. Jahrhundert über die
Frage wer die Märkermeister zu verpflichten hätte Streit in der Seul-
berg-Erlenbacher Mark entstehen konnte, in der Hohen Mark war, wie
es scheint ganz richtig, die Wahl dem Lantman zugewiesen, die Be-
stätigung aber dem Waldpotten, dem Sendboten des Königs. Unter-
blieb die Bestätigung in einer Weise dass das Wohlergeben der
Mark dadurch litt, in solchem Falle griffen dann die Regierungen
ein. Die Akten fuhren kein Beispiel auf dass die Märker beschwerend
sich an den König und Kaiser selbst gewendet. Klagen bei dem
Reichskammergericht kommen vor, auch Entscheidungen, aber nicht
immer waren diese durchzuführen.
Die älteste Urkunde der Hohen Mark, der Bericht über das
Märkerding anno 1401 feria quarta infra octavas pasche (13. April),
gedenkt der Märkermeisterwahl. Diese sollte auf St Katharinentag
geschehen, war aber, wie es scheint, im Jahr 1400 unterblieben. Es
wurde bemerkt „daß noth sei daß man zwene Merckermeister Betze
und die Marg bestelle als man auf St. Kathrinentag thun sollte, und
meinte da Schudereyn, der Schultheiß zu Hoenberg, daß der Wal-
pode die erste Kore haben solte; darzu geantwortet ward: der Wal-
pode hätte kein Kore, dann wen die Edelleute und der lantman
erkoren, den hätte der Walpode zu bestedigen". Damit war die
Frage entschieden, es traten die Edelleute bei Seite und auch der
lantman, und koren zu Melkermeistern Fritz eehen Clemmen und Da-
men von Prunheym „zwischen hie und St. Katharinentag als
man dann gewöhnlich neue Merckermeister setzen soll*. Das wollte
338
sich das Fritzechen nit unterziehen; da erbat man Hennen Clenuneu
den Bruder, dass er sich des an seiner statt unterzöge , und also
gelobten Henne und Damen, vorgenante, dem Walpodeu in sein
Hand der Marg getreulich vor zu sein und zu versehen und zu schir-
men, und gleich damit umzugehen dem Armen als dein Reichen, und
das um keinerlei sache nit zu lallen, als fern als ihn der Waipode
auch nach seinem Vermögen darzu getreulich behelfen wollte".
Auf dem Märkerding St. Katharinen tag desselben Jahres 1401
wurde dann geweiset: „wen die Edelleute und der lantman zu Mer-
kermeistern kiesen, den hat der Waipode zu bestedigen und ihn
darüber lassen geloben und schwören: der Marg getreulich für zu
sein, sie zu versehen, zu schüren und zu schirmen, und gleich da-
mit umzugehen dem Armen als dem Reichen, und das um keinerlei
Willen zu lassen, als fern ihne kraft und Macht getragen mag und
als ferre als ihne der Waipode aucli nach seinem Vermögen dazu be-
hülflich sei, das er auch also thun solle ungefährlich*'. Ks wurdeu
dann zu Märkermeistern gekoren, ein Jahr zu sein, als der Marg
recht ist: Henne ülemm von Hoemberg und Heinrich von Belders-
heim „und dieselben Merckermeister haben heute zu Tage Conzchen
Brendel von Hoemberg, als an eines Walpoden stat, gelobet der
Marg recht zu thun".
Auf dem feierlichen Märkerding 1484 wurde auch wegen der
Märkermeisterwabl geweiset: „Und wer also auf den Tag zum Mar
kermeister gekoren wird, den hat der Wald bot t zu bestettigen, und
soll er sie darüber lassen geloben und schweren der Mark getreulich
für zu sein, die zu versehen, zu schauwern und zu schirmen, und
gleich damit umbzugehn den Armen als dem Reichen, und das umb
keiner Bachen willen zu lassen, als fem ihm K rafft und Macht tregt,
ohn alles gefehrdte".
Bei Gelegenheit der Besprechung des Waldpotten und seiner
Befugniss ist bereits des Streites gedacht welcher im Jahre 1541 auf
dem Seulberg-Erlenbacher Märkerding über die Wahl des Märker-
meisters sich erhob. Der oberste Waldpott berief sich darauf dass
die Mark mit Rath der gem. Märker solle bestellt werden. Diether
Gewend, der schlaue Rathgeber, verfocht dieses Recht seines Herrn,
des Grafen Ludwig zu Königstein, als dieser Zeit obersten Wald-
potten. Zugegen waren auf dem feierlichen Märkergeding neben dem
obersten Waldpotten in Person, Graf Philips Herr au Sulmbs, Graf
Anthoni von Eyseuburgk, Herr Ulrich von Hinzspurck und Justi-
niau von llolzhusen für den Rath und die Stadt Frankfurt , endlich
die lugehörende Markerman, Dorff und Klecken Sewelnburgk, Cop-
- 339 -
pern, Petterweyl, Holzhusen, Ober Irlenbach und Nidder Irlenbach.
Den Ansprüchen des obersten Waldpotten entgegen liessen die Mär-
ker durch ihren Redner vortragen dass seit 20, SO, 40 Jahren, auch
seit Menschengedenken nicht vorgekommen dass ein oberster Wald-
pott ein Merkermeister hätt mit helfen kiesen, sondern der gemein
Merker habe den Melkermeister gekoren, dem obersten Waldpotten
die Wahl angezeigt und gebeten den gewählten zu bestätigen und
in Kid zu nehmen. Ebenso hat der Graf Philips, Herr zu Sulmbs,
in eigner Person Graf Ludwigen fleissig erinnert, dass dergleichen
Wahl nie vorgenommen wäre worden, weder zu Zeiten der Hanaui-
schen Herrn, als der Zeit einigen Herrn dieser Gemark, noch vol-
gends bei dem landgraven zu Hessen, noch volgends bei andern
Herrn und wieder bei dem lantgraven zu Hessen der Wahl halben
ein Intrag geschehen. Graf Ludwig aber hat den Buchstaben des
Instruments (von 1493) f urgezogen „daß ein oberster Waldpott die
Mark mit Rath der gemein Märker bestellen soll, dies bringe mit
sich dal* er als ein oberster Waldpott mit zu kiesen habe". Es wurde
gegen diesen Grund angegeben : der Gebrauch solcher Wahl sei älter
als das Instrument, welches erst 48 Jahr alt sei. Graf Ludwig erwi-
derte: dieweil.es zeuge solle es billig in seinem Buchstab gehalten
werden. Er sei ein oberster Waldpotte und dieser Zeit der Gemark
Pfandherr, müsse das Instrument in seinem Buchstaben handhaben.
Da hat der Amtmann zu Königstein die Dörfler getrennt und die
von Seulberg und Köppern beredt, bei dem Instrument zu bleiben.
Darauf ist Graf Ludwig zu ihnen geritten, gesagt, er lass ihnen den
Amtinan Fleckenburg zu, wo sie mit ihm zufrieden wären, wollten
sich mit einander einigen. Das mag auf den Lantman Eindruck ge-
macht haben, er hat sieb „solchen Vorschlag gefallen lassen, one
Erwegen ja gesagt". Graf Philips von Sulmbs, sammt Grafen An-
toni und den Abgeschickten von Frankfurt „so diese listige Wahl
vermerkt" haben nochmals gebeten den gemein Merker allein kiesen
zu lassen, diesen auf den Vortheil der Wahl erinnert, welchen sie,
als die unverständigen, nicht gemerkt noch verstanden hätten. Der
Waldpott malmte man möge es jetzt bei geschehener Wahl bis zu
künftigem Merkergeding bleiben lassen. Isenburg und Sulmbs da-
gegen warnten: einmal nachgelassen, wäre immer nachgelassen, hülfe
keine Protest&tion, der gemein Merker wolle bei altem Herkommen
bleiben. Allein die Gemerker Seulburg und Koppern sind abgefallen,
sonderlich die jüngsten unter ihnen schrieen: „sie wollten bei dem
Instrument bleiben*. Bei der Abstimmung traten sie auf die andere
Seite; sie waren die Minderheit Die andern begehrten, dass Graf
22 •
-
Digitized by Google
- 340 -
Ludwig bei dem Mennig (Mehrheit) der Wahl bleiben soll. Dess sich
der geweigert: „es wolle ihm als einem Pantherrn nit gebüren des
landgraven Angehörige aus ihren Gerechtigkeiten zu bringen, solches
wüsste er gegen den landgraven nit zu verantworten; er wolle es an
den landgraven gelangen lassen8.
Dass die Mark nicht gar unbestellt bliebe haben Sohns, Ysen-
burg und Frankfurt darauf sich mit dem Waldpotten verglichen,
dass die Forstknecht so von gemein Märker zu Mitfasten gewählt
worden bis zu nächster Bestellung bestätigt sein sollen. Nach dem
Mittagsmahl in Ober-Erlenbach haben dann die gedachten Herrschaf-
ten für gut befunden keinen weiteren Tag mehr zu verlangen, son-
dern ihre Unterthanen bei ihren Gerechtigkeiten bleiben zu lassen,
oder das Recht auch am kaiserlichen Kammergericht desshalb ge-
wärtig zu sein. Es fand in demselben Jahre 1541 noch ein zweites
Märkerding statt „vermög der Tagsatzung jüngst in Frankfurt be-
scheen"; der Waldpott weigerte sich Johann Fleckenberg, den Amt-
man zu Peterweil als Märkermeister zu bestätigen. Die andern Herr-
schaften wandten ein, dass der Buchstab des Instruments nit ex-
presse mitbring dass ein Walpott mitzuwählen habe, dagegen von
altem Herkommen sei, dass die Märker den Märkermeister unter sich
wählen auf Bestätigung des Walpoten. Dieser aber schlug es ab,
Seulberg und Koppern hätten das Herkommen nit zugestanden, er
wolle solches an Hessen gelangen lassen. Erst fünf Jahre später,
1546, erschien Diether Gewend auf begehren des Ausschusses der
gemein Märker bei ihnen zu Ober Erlenbach, beredt sich mit ihnen
einer Ordnung und hat sich verglichen. Des Merkermeisters halben
ist bewilligt ein Jahr lang Johann Fleck enpühell (Fleckenberg) mit
Eidespflichten anzunehmen und zu bestätigen durch Verordnete des
Waldpotten.
Vielleicht waren es die obschwebenden Verhandlungen in der
flohen Mark, welche Diether Gewend bewogen fttr's erste in der
Seulb. Erlenbacher Mark sich nachgiebig finden zu lassen. In
späteren Jahren wurde die Wahl der Märkermeister in den vorbera-
thenden Ausschussversammlungen vereinbart Im Jahre 1588 heisst
es: Markmeister anlangend ist gemeiner Ausschuss bedacht schierst
künftigen Sonntag Lätare auf dem Markgeding auf's neue einmttthig-
lich zu bitten den Edlen und Vesten Friedrichen von Doebschütz
uf schadenwalt, Ysenburgischen Amptman zu Petterweil, und den
Ehrenhaften Wolffhard Falkenstein, königsteinschen Schultheiss zu
Obern Erlenbach ihr Amt noch ein Jahr lang zu tragen, . . . „darin
obersten W'altpotten Anwaldt bewilliget und mit denen bißanhero
Digitized by Google
— 341 -
und auch noch ganz wol zufrieden gewesen". Ebenso wird bemerkt
im Jahre 1590 dass der Gemeindeausschuss sich bedacht am künftigen
Mitfaaten Sonntage gen. Laetare auf dem Markgedinge nnd gewöhn-
licher Wahlstadt einmuhetlich zu bitten die Edlen . . F. von Döb-
schütz und Rud. Armbrostertl das Markermeister Amt noch ein Jahr
anzunehmen, . „in welchen Vorschlag Obersten Herrn Waldtpottens
Anwalde bewilliget und mit denen beiden Personen ganz wol zufrie-
den und content ist8; dann heisst es gleich weiter: „sind hieruff er-
petten und für dem Urabstande zue Mergkermcistern confirmirt und
bestätiget worden8. In ähnlicher Weise sind im darauf folgenden
Jahre 1591 Anthon Zubrot, Sollms Laupachischer Kellner zu Petter-
weil und Theobald Schefer zu Nieder Erlenbach einmüthiglich
erwählet, der Vorschlag vom Anwalde bewilligot worden, und 1503
war der Ausschuss bedacht mit Zutliun der sämmtlichen Märker
auf's freunds und dienstlichst zu bitten die Ehrenhafte und vornehme
Wolffnardt Falck enstein und Simon Praun, beide Schultheissen zu
Ober Erlen pach und Seulberg, welches bewilliget worden.
In den Berichten der Hohen Mark ist nicht immer der Bestäti-
gung gedacht, zuweilen ist nur die Wahl angeführt; so im Jahre 1521
als Eberhardt Schenk der Amtman von Bonamesa von E. Erb. Raths
wegen, dann Conrad Weiss und Job. Marsteller „sammt etlichen
Knechten8 auf dem Märkergeding erschienen. Eberhardt Schenk
sammt dem Bereiter zu Königstein, beide Märkermeister haben be-
gehrt „sich und ihre jedem insonder des Märkermeister Amtes zu
erlassen" und an ihr stell andere zu erwählon. Darauf ist der gemein
Märker oder lantman durch kurtzen Bedacht dem Amptman und
Bereiter in Antwort begegnet; „sie bitten sie dafür und haben sie
auch wider herwählet; das dann die zween widerumb angenommen".
Aber auch hier kommen in späteren Jahren Beispiele vor, dass trotz
der Vorschrift des Instruments, der Waldpott oder sein Beamter die
Bestätigung verweigerte. Es fand dies bereits im Jahre 1595 statt.
Dr. Strupig, des Waldpotten Gesandter zeigt aut der Au in Homburg
an, daas auf jüngstem Markerding Philips Wolff von Praunheim und
Wendell Hoff von Ursell seien einstimmig zu Markermeistern erwählt
worden. Ersteren wolle er hiermit einsetzen und bestetigen, „denn es
Ihr f. Gn. fast wohl gefallen, dass er, der Junker, durch gemeinen
Rath der Märker were zum Märkermeister erwählet worden. Was
aber Wendell Hoff betreffe, nehme es Ihre f. Gn. Wunder wie sie
diesen einhellig erwehlet, da er doch nicht der sämmtlichen Märker,
sondern seinen und seiner Mitbürger Vortheil suchte"; desswegen
solle er diesmal nicht bestätigt werden, sondern seines Dienstes hier-
Digitized by Google
- 342 -
mit beurlaubt sein, bis auf künftigen Bartholom«, da es dann den
Märkem frei gestellt sein solle, ihn beizubehalten oder einen andern
zu wählen. Herr Philips Wolff thäte sich darauf ganz freundlich be-
danken, dass mau ihn dessfalls würdig und gut genugsam geachtet,
wandte seines Leibes Schwachheit vor. Darauf ging der Dr. Strupig
nicht ein, „er habe Befehl den Jungkern von Pfraunheim zum Mär-
kerraeister zu bestätigen". Wendell Hoff thet sich gleichfalls ganz
freundlich bedanken, bemerkte er wolle gar nicht der Rechtfertigung
halber für partheiisch gehalten sein, er habe es allwege mit sämmt-
liehen Märkcrn gehalten, und wolle es fUrters so halten. Sie möch-
ten sehen ob sie ihre einhellige Wahl wollten lassen untergehen und
zu nichte werden, es gäbe dies ein sonderliches praejudicium, als ob
man die Märkermeister fllrschneiden wollte. — Mglb. E. 29. III.
S. 152. ff.
Wie der Bürgermeister in der Burg und in den Qtädten, so der
Märkermeister in der Mark. Er vertrat, soweit und wann es nöthig
war, die Gesammtheit der Märker, er Überwachte die Mark und
ihre Beamten. Als auf dem Märkerding von 1541 Diether Gewend
sich auf die neue Ordnung des Jahres 1537 berief, nach welcher
Ordnung Rechenmeister zu wählen seien, welche Macht hätten zu
erlauben und zu verbieten, gestanden die Edelleute keine neue Ord-
nung zu, dieselbe sei nit weiter denn desselben Jahres zu halten ver-
standen worden. „Wir wissen im Instrument kein Rechenmeister
vermelt, sondern Merkermeister die Uber die Mark bevelh hätten".
Mglb. E. 29. IP> S. 112. Die Märkermeister hatten Markknecht und
Förster mit der lantleute Rath zu kiesen M, zu eidigen und der Mark
geloben zu lassen; sie konnten pfänden, sie hatten die Bussgelder
einzunehmen, sie hatten das Holz anzuweisen. Wo es nöthig war
hatten sie ihre Verrichtung gemeinsam mit dem Schultheissen zu
vollführen, Armenzettel sollen von dem Schult!) eis« den Märker-
meistern übergeben werden; es sollen Märkermeister und Schultheissen
zusammen in den Markflecken umgehen, zu sehen, damit die ge-
machte Bau in Vesten und Besserung gehalten werden; Bauholz zu
alten Bauen soll nach unvermeidlicher Nothdurft von Schultheiasen
und Burgermeistern bescheinigt, von den Märkermeistern aber er-
laubt werden; erstere werden verwarnet mit ihren Siegelungen nicht
zu betrügen, letztere aber angewiesen ein fleissiges Insehen auf der
Schultheissen und Bürgermeister Erkanntnüsse zu haben „damit sie
von denen nicht fallirt werden11.
39 So 1438 vergl. Mglb. E. II. 8. 9fr. V
— 343 —
Nach der Seulberg -Erlenbacher Mark Ordnung von 1588 hatten
die Märkermeister nnr fl. 3 jährlich Belohnung, aber sie sollten den
halben Theil der Bussen haben. In der Hohen Mark waren die
Bussen zum Theil ganz den Märkermeistern zugewiesen, zum Theil
aber auch den Förstern oder dem Waldpotten. Als im Jahre 1458
die Lehensherrn wegen des Ausbleibens gebüsst werden sollten, be-
merkte Bechtold von Eschpach : die Bussen hörten dem Markermeister
zu, und wär von altem Herkommen dass davon Niemand frei wäre,
so hätte die Bussen auch Niemand zu erlassen. Im Jahr 1490 als
Erwin Dogel den Märkern das Märkermeisteramt aufgesagt, erinnert
er an etliche Kappun und Streng so dem Märkermeister in seinem
Amt gefallen: und es haben die Märker den Schützen befohlen die
Bussen in 14 Tagen auszurichten, sonst zu pfänden.
Die Märkermeister standen wie die andern Märker unter dem
Gesetz, sie waren über die Ausübung ihrer Befugnisse, besonders
über dio eingenommenen Bussen Rechenschaft vor dem Ausschuss
abzulegen verpflichtet Zur Zeit der Neuerungen im Jahre 1545
wurde ausdrücklich erinnert und festgehalten, so ein Märkermeister
verbreche, dass er gleich einem andern Märker taidingen und bttasen
solle, und das Theil so er an gemeinen Bu essen habe, damit auch
verwirkt, darzu er seines Amts entsetzt sein, und kein Lantman sich
des Märkeruicistcrs Verbrechen be helfen solle. Früher schon, im
Jahre 1492, fand eine Verhandlung desshalb statt, (s. Mglb. E. 29.
II* S. 36 b) AU die Märkermeister ihre Zettel von den Bügen vor-
lasen, also hat Guthcim in seinem Zettel mit sammt andern gerüget
Jorgen Brendel den Märkermeister. Hat J. Brendel sich verantwort
es möge sein Knecht Holz im Walde geholet haben, vermeine das
billig gethan als ein Märkermeister, wo er das verbQssen solle möge
man ihm sagen von wem er Orlaup heischen solle, denn er könnte
es nit anders verstehen, denn dass die Büge geschee aus Feintschaft ;
es hab der knecht andere, die er billiger rügen solle, nit gerüget,
sondern von eym theil geschenk genommen und in's Holz fahren
lassen. Darnach aufgefordert Märkermeister zu kiesen hat der Lant-
man gesaget, es befremde sie dass man dem knecht als einem ge-
schwornen knecht nicht glauben gäb, und gedenke die Mark nit zu
bestellen, es sei denn dass der Märkermeister btiss, oder sie wollten
auch nit büssen nach lüde des Instruments: so der Oberst Waldpott
oder die seinen in der Mark verbrechen, sei ihnen die Mark auch
aufgethan. Haben sich die Geschickten bedacht, und von keinem nit
erfahren mögen dass ein Märkermeister je gerüget sei worden; es
beklagt sich der Lantman dass die Märkermeister die Bussen nit von
Digitized by Google
— 344 —
den Gewaltigen sondern allein von den Annen nehmen. Am Ende
heisst es, man wolle Jörgen Brendeln itzund die Rüge nachlassen
„doch so ferre er sich freuntlich gegen die, so verbrochen haben hal-
ten wolle".
Mark er ding. — Es bleibt nun noch übrig einiges über die
Versammlungen der Märker zu sagen, und über die Art und Weise
wie sie das Recht in der Mark übten und wiesen.
In der Hohen Mark fanden die regelmässig wiederkehrenden
Versammlungen der Märker, in welchen die Mark zu bestellen, Mär-
kermeister zu wählen waren am St. Katharinentag (25. Nov.) statt,
auf der Aue unter den Linden südlich vor Oberursel. Es erschien
auf solchen Tagen derLantman und Märker zwar „für sich" aber er
stimmte nur nach Dorfschaften. Die Mehrheit der Stimmen gab den
Ausschlag, sowohl innerhalb der Gemeinde, als unter den Dorfschaften.
Welcher Märker bei dem gewöhnlichen Märkerding ausgeblieben der
hatte mehr nicht, als seine Küre verloren j dies galt ebenso von dem
Einzelnen, wie von der Ortschaft. Im Jahre 1484 wurde der feste,
unberufene Märkertag deB häufigen Frostes wegen vom St Katharinen-
tag auf den Mitwoch nach Pfingsten verlegt.
Die Bezeichnung für diese Versammlung war : Merkerding oder
Märkerding, später Märkergeding oder selbst Märkergedingtag; einige-
mal findet sich auch : Märkergericht Mglb. E. 30. II. 1489.
Sie begannen in der Regel des Morgens, so z. B. im Jahre 1484
waren die Märker auf 9 Uhr berufen; als in späteren Jahren der
Besuch lässiger war, wurde die Mittagsstunde festgestellt, bis zu
welcher die Eröffnung des Tages statthaben sollte *°.
Es traten die Märker zu einem Kreis zusammen, ..zu einem
Rink", in welchem die Abgeschickten des Waldpotten und der
Obrigkeiten, sowie die Mäikermeister und Schultheissen sich befanden.
So forderte der Waldpott oder sein Bevollmächtigter den Schreier
auf „die Flecken so Merkorrecht haben zu berufen''. Darnach wurde
das Märkerding geheget41. Dies war durchaus nothwendig, und
*° So auch wurde in der Seulb. Erlenbacher etc. Mark i. J. 1592 sab 33
beschlossen, dass fürterhin allen Mitfasten Sontage deme Instrument nach an ge-
wöhnlicher Wahlstat das Märkergediug um den Schlag 12 Uhren gehalten wer-
den solle , zu welcher Stund ein jeder Märker bei der strafe erscheinen und
dasselbige Märkergeding zieren helfen solle. -tUUilmjf^
41 Es findet sich dies am besten beschrieben in dem Weisthum über
Seulb. Erlenbaeher etc. Märkerding von 1493, als gegenwärtig zu Pferd hielt
- 345 -
scheint zur Rechtsgültigkeit der Beschlüsse erforderlich gewesen zu
sein. Auf dem stürmischen Tag von 1586 begann das Markerding
mit Beschwerden der Märker, es folgten aufregende und beleidigende
Verhandlungen. Ganz zuletzt erst heget der Keller zu Homburg
das Merckergeding und sind dann die Rügen verlesen und Märker-
meister gewählt worden. (Mglb. £. 29. III. S. 125.) Auf dem feier-
lichen Märkerding Mitwoch nach St Margaretha 1484, als die Märker
versammlet und verhaufft gewesen, Hess seine Gn. der oberste Wald-
pott „an seiner Gnaden statt und von seiner Gn. wegen das Märker-
ding hegenu, und als das gehegt war jeglichem Flecken rufen.
Es weiset dies hin auf die Bestimmung des Märkerdings , neben
der eigentlichen Bestellung der Mark auch Gericht zu halten, oder
besser allgemein gesprochen, Recht zu weisen. Ob neue Mitglieder
der Mark an solchen Tagen aufgenommen oder dem Märkerding
vorgestellet worden, darüber findet sich in den Akten nirgends etwas;
es genügte wol die Aufnahme in die Gemeinde. Das» vor dem
Märkerding Währschaft gethan wurde, das wird aus dem Jahre
1438 von dem Müller zu Eschersheim erwähnt; dieser hatte aber
keine Gemeinde „iu die Mark gehörig".
Der Waldpott hatte das Recht auch ausser der Zeit ein beson-
deres Märkerding zu berufen, dazu mussten bei Strafe alle Märker
erscheinen „mit ihren lehensherrn*. Solche Märkerdinge waren dess-
halb die besuehteren, sie heissen gewöhnlich „ein voll Märkerding".
Sie waren meist nur bestimmt unerledigte Streitigkeiten zu ordnen,
oder auch Rechtsfragen festzustellen oder zu weisen. Dem gebotnen
Märkerding war die eigentliche Bestellung der Mark vorbehalten. So
wurde im Jahr 1401 feria quarta infra octavas pasche dem Amtman
von Hornburg, als er verlangte dass gewiesen werde : „was rechts
eyn oberster walpodc da hette*, geantwortet: ein Walpode habe auf
St. Kathrinentag die Marg zu bestellen; weiterhin heisst es noch: So
mag auch ein Walpodc auf denselben tag den wiltpan bestellen, und
wie er es bestellet also soll er Ihn auch halten.
der Ersann Georg Msier . . . Anwalt mit vielen andern Herrn, Edlen und Un-
edlen, Dienern und Verwandten und sonderlich des gemeinen lantmans, hegt
Erwin Bogel, der Markenneister auf Geheiß und Befehl das Märkergeding, er
sagt und rufet überlaut mit diesen oder dergleichen Worten : Von wegen meines
gn. Herrn v. Hanau als Oberherrn und Waldpotten der gemelten Mark , der
Homburg mit Ehren und Recht inne bat, und des gemein Märkers, mit aller
Gewohnheit hege ich dies Märkergeding und Recht, verbiet damit alle Unrecht,
Wort und Werk; Fraget ob er recht geheget, antworten die Mercker: ja.
Digitized by Google
— — -
Es finden sich m den älteren Zeiten durchaus keine Vorschriften
wie der Marker zu erscheinen habe. Waffen mit Bich zu führen war
dem Mürker nicht untersagt**, auch erschien er zuweilen zu Pferde.
Von dem Mttrkerding 1524 Dienstag St. Lucas wird bemerkt: „Auf
soHchs rucket eyn Mendlin (Männlein) von Obern Ursell auf eynem
Pferd herfür, und sagt er were bescheiden zu redden*. Bei diesem
Märkcrdmg hielt auch der Schultheis« von Bonemesa nahe dabei zu
Pferd. Auf dem Märkerding Mitwoch nach Pfingsten 1623 gab der
Jjantman Antwort durch Henne Urbern, Schultbeissen zu ObernurseU,
der bei Greßhana von Homburg in einer gelben Kappen auf einem Pferd
gehalten. (Mglb, E. 29. II" S. 73. 88.) Auch Hie Abgeschickten des
Raths zu Frankfurt erscheinen gewöhnlich zu Pferd, ja sogar „sammt
etlichen Knechten0. (Mglb. E. 29. II'' S. 57.) Auf dem Märkerding
Samstag nach St. Katharinentag 1458 meint Simon von Hensheim,
Schultheis zu Oberursel, wer nit in der Mark gesessen oder darin
gegndet wäre der solle abtreten; solches ward widerredt ,,dann alle-
wege gewönlich war gewest, daß man knechte nachgeführt hette",
dabei das auch blieb **.
Das Märkerding wie wir es noeh im 15. Jahrhundert finden,
weist uns zurück auf die alten Zeiten, da die Flur von dem Wald
noeh nicht getrennt war, da den versammelten Markgenossen die
Souveränität zustand in der Nutzug ihres gemeinschaftlichen Ver-
mögens, des Waldes und der Weide, ebenso wie In Politik und Ge-
setzgebung. Mit Recht wird geltend gemacht, dasB im ganzen
«2 Auf dein Markerding des Jahrs 1464 greift der gewählte: Märkermcistor
Jacob Wyderrette „an seine Armbruste" während er seinem Gegner Friedrich
Clemme beleidigende Worte zuruft (Mglb. E. 29. llh. S. 13 ff.)
« Auf der Landsgemeinde von Appenzell Inncr-Rhoden, welche unter den
Schweizerischen vielleicht am meisten die alte Form und den Geist erhalten,
wird das Ausschlicssen der Nichtburechtigten nicht streng durchgeführt,
so lange sie nicht etwa stören. Ks ist der Tag ein Festtag für das ganze Volk.
Jeder Volljährige erscheint dabei im besten Kleide, er trägt seine Wehr bei sich,
einen kurzen Säbel in lederner Scheide, der in der Regel mit dem Regenschirm
zusammengebunden ist. Es ist der Stolz des freien Mannes dass er mit seiner
Wehr auftreten darf; dies selbst auf den Landagemeinden von Appenzell der
äusseren Rhoden. Die Wehr ist ein Zeichen der Ehrenhaftigkeit. Ehrlose er-
scheinen wehrlos. Während der Dauer der Landsgemeinde stehen die An-
wesenden baarhaupt. Frauen und Mädchen, ebenfalls festlich gcachmockt,
stehen amber, keineswegs ängstlich geschieden von den Männern. — Ia Betreff
dsr alten Gebräuche die sich in Appenzell erhalten, e. aneh Osenbrttggen,
cnltnrhistoriecbe Bilder ans der Schweis. Lps. 1863. .',
- 347
Gebiete des deutschen Rechts wir jetzt wol nur noch in den Gebirgs-
gegenden der Schweiz die alte grosse Markgenossenschaft in lebendiger
Wirksamkeit finden **. Bis in dal fünfzehnte Jahrhundert hatte sich
die Hohe Mark ihre alten Befugnisse gewahrt, nicht nur in Betreff
der Nutzung und Verwaltung des Wnldes, sondern auch in Betreff
alles desjenigen, was damit in Berührung oder Zusammenhang stand,
so namentlich in Betreff der Jagd auf dem gesammten alten Mark-
boden. Die Weisungen der Stärker geben uns darüber sicheren
Aufschluse.
Die Weisungen. — Das Weisen des Rechts konnte entweder
einen bestimmten, vorliegenden Fall betroffen, so das Aburtheilen
über Frevler, oder es wurden — und dies wird gewöhnlich unter
der Bezeichnung verstanden — im allgemeinen das Recht gewisser
Personen an der Mark und in Beziehung auf die Mark ausgesprochen
und im Einzelnen festgestellt Das Bestrafen der Frevler sollte jedes-
mal auf dem geboten M&rkerding goschchen, auf vorgängige Anklage.
Diese wurde entweder vom Märkcrmeister und den Förstern erhoben,
oder auch von irgend einem Märker. Als im Jahre 1507 das Mär-
kerding bei Ober- Erlen bach geheget worden, wurde den Knechten
der Mark befohlen „au rügen das sie des Jahrs inne den Waiden
gesehen und gebort haben, ein Leumut vor ein Leumnt, und ein
Warheit für ein Warheit". Also sind etliche gerüget worden nach
Inhalt eines Zettels „das dem Markermeister überlieber t wäret, sie
darnach haben au straffen und zu büßen".
Anf dem Märkerding der Hohen Mark, 1521, hat der Märker-
meister drei zettel darin der rugbaren Personen Namen angezeigt
waren, verlesen lassen. Darauf haben die Nieder-Erlenbacher, näm-
lich Volcsen Henne Wendel sammt andern die durch den Keller
von Homburg wider alt Herkommen gestraft worden, dem gemein
lantman solichs klagweis fürgebracht: er habe das Holz genommen,
und von einem Wagen einen halben Gulden dazu, welches wider
alt Herkommen auch nie noch besehenen gehört were, die weil die
Straf dem lantman und nit dem Keller zustünde; mit der Bitt „der
Erbar lantman sollt aolliche Straf onbilHg besehenem, und dass Inen
ir abgenommen gelt durch den Keller obgen. billig wiedergegeben
werden sollt, erachten und erkennen"; also nach Redde und Wider-
44 Frtedr. Wyss, die Schweizerischen Landsgemeinden, in Zeitschr. für
Schweizerisches Recht I. 1. S. 6<*. zu vergl. J. J. Blomcr, Staats- u. R.-Gesch.
der Schw. Demoer. II. Bd. cap. III. 8. 1». 348.
Digitized by Google
- 348 -
redde hat der lantman gebilligt und erkannt: Wo auf nächst gehalt-
nem Märkerding anno etc. 20 durch den gem. Lantman mt gewilligt
sei, dass der Keller au Homburg bis auf dies itzig Märkerding stra-
fen möge, so hab der Keller solche Straf onbillig und widder alt
Herkommen genommen, und solle die wider herausgeben und den
Gestraften behanden, und die von Nidern Erlebach die Straf wie
von Alter herkommen vertaidingen.
Auf Mitwoch nach 3 Königstag, 8. Jan. 1522 zeigt der Keller
auf der Au vor Ursel an, wie die Forstmeister noth bedünke, dieweil
der Wald merklich beschädigt werde, dass man ein Poen darauf
setze, welcher im Wald zwischen dem nächsten Märkergeding Holz
hiebe, dass ein Jeder aus der Mark so einen solchen betrete, Macht
habe, dem ein Pferd auszuspannen oder das Geschier zu nehmen,
und um ein Gulden zu pfänden. Der Pfender sollt schuldig sein aut
dem gemein Märkergedingtag bei seinen Eyden anzusagen und zu
rügen; und dass man in eilen Dorfen mit einer läutenden Glocken
den gem. Märkern verkünden soll den Wald bei Poen nit zu beschä-
digen, dazu aus jedem Dorf 2 Personen gen Homburg zu schicken,
solliche Ding zu beschliessen Der lantman war damals der Meinung
dass es gut sei den Wald zu schützen ; aber mit dem Tag so in Hom-
burg sein sollt, wäre ihr bedünken es wäre besser dass der gemein
lantman dabei wäre. Desshaib ist ein ander Märkerding angesetzt
worden. Mglb. E. 29. U\ S. 60 ff.
Es ist merkwürdig wie sehr das weisen der Rechte selbst im
15. Jahrhundert noch üblich und nöthig war. Dass gerade der Wal-
pott sich damals noch seine Rechte und Herrlichkeiten weisen lies»,
zeigt wie wenig fest und klar begrenzt diese Rechte waren, dann
aber auch welches Gewicht damals noch in dem Brauch und in dem
Ausspruch des gemein Märkers lag. Die älteste Urkunde welche in
den Akten über die Hohe Mark sich vorfindet, der Bericht über das
Märkerding von 1401 feria quarta infra octavas pasche beginnt da-
mit dass der Pfand - Inhaber von Homburg bei dem M&rkermeister
anfragt, ob der Märker ihn, Hennen Brendeln für einen obersten
Waldboten erkenne, wie das auch vorher zu zweien malen vor ihm
geweiset wäre. Der Gefragte antwortete: Weisete ihm der lantman
ichtes (etwas) so wollt er gorne es sagen, weiseten sie ihm aber
nicht« so sage er ihm auch nichts. Es erfolgt darnach die einmuthige
Weisung der Märker. Weiter fragte der Stellvertreter des Waldpot-
ten, es wären Ausmärker betreten worden und hätten verbrochen;
sie seien „den Förstern entwältiget" worden von den von Oberursel,
dahin sie kamen, was des Walpoden Rechts darum sei? Aueweichend
Digitized by Google
- 349 —
war die Antwort: Sie haben vor dem Walpoden »ein recht geweiset,
habe ihn jemand daran gehindert, das möge er fordern.
Im Jahre 1445 auf Mitwoch nach St. Margerethen war der
Edle Jnngherr Gotfrid von Eppenstein bei Ursel auf der Aue, lies»
ihm da weisen sein Recht und Herrlichkeit über die Mark , und die
gemein Märker eine Reihe von Artikeln fragen. Es Hegt den Akten
— Mglb. E. 29. 11''. 6.9.10. — ein solcher „Zeddel* bei, das Papier
gebrochen, auf der einen Seite die Frage, die andere leer fcir die
Antwort. Diese findet sich aber erst später S. 18. 17. auf andern,
ähnlichen Zetteln. Die ersten Artikel betreffen den Wiltpant: „Wie
ferre und wie weit sein Wiltpant ginge*? Die Antwort lautet wie
bereits angeführt: „Sein Wiltpant gehe nit weiter, dann er sein
Hecken anbinde in der Mark. Jegete er aber Hirze oder hynde uU
den Hecken und folgete yn nach, gonden ihm das die merker, doch
wüssten sie nit ob ins recht wereu. Dann wird gefragt : „wenn s.
Gnaden den Wiltpant verbode, und wer das bräche, was der darum
verloren hätte". Hier ist beigemerkt „uff den Artikel ist nichts ge-
sagt". Der 3,c Artikel fragt: „Wenn die geschworen knecht oder
sonst Merk er, Ausmerker die geschadiget, einführen wollen, und
sprächen ingesessen Merker um Hülfe an, wenn die Merker das nit
thäten, was sie verbrochen hätten". Die Antwort lautet: „Der sollt
der Mark verscholden sein, oder sollte dem Herrn den Man antwor-
ten, die Pferde dem lantman, die Wagen und sieler dem Furster0.
Im 4. Artikel ist weiter gefraget: „Wenn die geschwornen knechte
einen rügen, und der das leugnen wollte, welcher Parthei man dann
glauben sollte"? Darauf ist gesagt: sind es geschworne knechte, so
sollte man ihnen glauben, es wäre denn dass die Widderparthei bes-
sere kundschaft hätte. Der Art. 5 fragt: „Wenn ein Merkermeister
uff St Cathar. tag gekoren würde, und kein Merkermeister sein
wollte, wie dann der Waltpott die Mark bestellen solte?" Hieran
heist es: „Uff diesen Artikel ißt nichts gesagt". Weiterhin ist gefragt:
wie ferre man uJ3merkern nach folgen solle, die die Mark hinweg-
tühren? Auch „uff den Artikel ist nit gewiset, da etliche sagen bis
an den Ryne, aber das is nit bestandlich; die andern Bagen bis mit-
ten in die Nyde, und dies bedilnket sie die meiste Menge".
Es scheint dass der Waldpott mit diesen Weisungen sich nicht
zufrieden gegeben, denn schon auf dem Märkerding 1458 finden wir
dieselben Fragen zum Theil wieder gestellt. Als gefraget war, zu
wyßen wie weit die Mark gehe, drauf besorgete der Lantman
dass die Meinung wäre „so man wysete: bis mitten in die Nidde, so
wollte der Walpode sich der fischen auch unterziehen, und dannit die
Digitized by Google
— 350 -
Dorff« das verscheiden*; wurde geantwortet: „daß dem lantman wol
Indenk sei daß die Frage auch mehr gescheen sei, aber sie haben
das nie gehört wysen und darum b so sei der lantman das nit be-
dacht, und wolle das hind ihme behalten uf das nit solch wysungen
mit einem genommen und dem andern gegeben, und einem gegeben
und dem andern genommen werde, . . . sondern so der lantman zu-
sammen komme zu saut Katharinen tage so sei er dann etwas darauf
bedacht".
Als unter den Märkern Zwiespalt über die Wahl der Märker-
meister sich erhoben, sollte im Jahre 1464 auf Donnerstag nach
Kilian hierüber geweiset werden. Es hatte dahin der Edel und wol*
geborn Jungher Godefrit Herr zu Eppstein seinen Sohn mit den
trefflichen Räthen gesandt. Als denDorffen und Hoffen, als gewöhn-
lich war, gerufen, forderte der obgenante Jungher Gotfrit durch die
Seinen an die Edeln und andern die in der Mark gegudet, bei ein-
ander zu gehen, sich zu besprechen, und seiner Edelkeit und andern
„deren sich der gebürt Ire Herlichkeit Gerechtigkeit zu wisenu. Es
schickten sich des Raths Freunde bei den jungen Herrn von Kppen-
stein und erzählten, nachdem sein Edelkeit Vater alle Märker hätte
zu ihm verboten, heute herzukommen und seine lehenherrn mitzu-
bringen, also hätte der Rath die Ihren, der eine gute Menge sei,
die da Märker seien, daheim heissen bleiben, nachdem sie mit
Schäden beladen waren, und anderer Sorglichkeit halber. Darzusein
Edelkeit det antworten: sein Vater hätte sich bishero günstlich und
freundlich gegen den Rath und denen Ihren erzeigt, das wolten sie
ihm auch thun. Darauf besprachen sich des Raths Freunde mit des
Raths arme Leute von Bonamese, Erlebach, Hareheym und Calde-
bach *6 und liessen sie ein Schreiben hören, wie vordem gewest wäre.
Da hatten sie alle ein gut gefallen darin, und sagten es wäre auch
also geweiset und Herkommen. Walther von Ryffenberg kam mit
andern Edeln hiedersit und hynsit der Hoe, erzählte sie hätten sich
mit den Ihren besprochen und wäre ihre Meinung dass man die
Weisung geschehen lasse, das dan des Raths Freunde Meinung auch
war. Also begaben sich die Solmsen, die Riffenbergischen und des
Raths Freunde mit allen diesen zu Philips von Hatzstein und Bech-
told von Espach und anderen der Königsteinsehen ^ fragten die was
ihre Meinung wäre, sagten dabei sie liessen die Weisung zugehen.
Darzu die Köuigsteinschen antworteten: sie liessen es auch geschehen.
- . .i^i/
«* Ueber den Wiederkauf der Dörfer Harheim and Caldebach dtfrcli
stein s. Uglb. E. 23. Nr. 5. ' « ijlf, h
Digitized by
351 -
Also redete Walther von Riffenberg sie hätten einen Zettel wie vor-
mals auf einem gem. Märkerding geweiset wäre, des Raths zu Frank-
furt Freunde hätten auch dies schreiben, desgleichen hätten sie
gebilligt Jass man der eines liess verlesen ohngeverlich. Also ward
der Zettel des von Ryffemberg gelesen, der „sich des Rats schreiben
baste glichete". Darauf die Königstein'schen Bich besprochen, ant-
worteten, sie erkennten dass man bisher also ge weist hätte, sagten,
man hätte bisher auch geweist das nit in dem Zettel stünde, oder
möchte billig darinnen stehen, und sie hätten Überhört Man hätte
allerwege auf St. Catharinentag Märkermeister gekoren, und welche
„von der meinste Minig der Dorffere und Hoffe gekoren waren wor-
den" dabei wäre es blieben und hätte allewege ,.die meinste Menige
Furgang gehabt" ; welche Dörfer und Höfe auf die Zeit nit dabei
gewesen, das hätte auf die Zeit nit mehr denn seine kore verloren.
Daran die von ßolmssen, die von Ryffenberg und die Frankfurt sehen
antworteten, sie Hessen das geschehen. Es verfügten sich darauf die
Märker alle zu dem jungen Herrn von Eppenstein, und trug Walther
von Ryffenberg vor, die Mürker hätten sich besprochen, es sei ihnen
ein Zettel gelesen worden, wie die Märker vormals geweiset, sie
auch noch wieseten, bäte Se. Gnaden den zu hören. Nachdem der
Zettel gelesen bemerkte der junge Herr von Eppenstein: es wären
auf St. Catharinentag etliche zu Märkermeister gekoren, die hätteu
noch nit Gehorsam gethan als sich gebürt, begehrt zu wissen, wsb
die Uesshalben bussfällig wären. Darauf mancherlei Wechselrede, die
Märker bringen vor dass mehr Märkermeister gekoren worden, da
dann doch nit mehr denn zwei sein sollen. Es erhob sich Streit über den
gewählten Friedrich Clemme und Jacob Wyderrette. Ersterer sagt:
Jacob wär nit geboren und gut genug darzu dass er Märkermeister
sein solle. Darauf Jacob Wyderrette: Er wäre besser und frommer
denn Clemme, was er noch verschrieben und versiegelt hätte, das
hätte er frommeüch gehalten ; Clemme hätte das nit gethan. Da redete
der Schultheiss von Frankfurt (der von Bonames?) es deuchte ihn
„zu tunde sein", dass man die Märkermeister von beiden Seiten abe-
stelle und kore itzud zween Märkermeister. Die Königstein'schen und
die von Ursel antworteten: die sie gewählt, hätten die meisten stim-
men gehabt, dächten sie nit abezustellen umb nachfolgende Menge
(Stimmenmehrheit) willen. Da wurde von den Eppenstein'schen deu
Märkern vorgehalten, es wäre nur um */* Jahr noch bis zu St. Ka-
tharinentag, sollten die Sachen ruhen lassen. Das wurd also aufge-
nommen, und schied jederman von danuen. — (Mglb. E. 29, II b.
S. 13 ff.)
Digitized by Google
— 352 -
Wieder war auf St. Vitatag 1484 ein geraein Märkerding auf
die Aue vor Oberursel berufen, und begehrte Herr Gottfrit von
Eppenstein, der persönlich mit seinen Kathen erchienen war, zu
weisen des Walpoden Herrlichkeit und der Mark recht. Er Hess
einen Zettel verlesen in welchem das zu weisende recht punctsweise
verzeichnet stand, fragte ob der Lantman darauf weisen wolle? Es
wurde nach einem Bedenken geantwortet: Es wären also Verzeich-
nungen und Zettel da die der Lantman gehört hätte, darauf wollten
9ie weisen. DerWalpode aber begehrt, dass der Lantman auf die ver-
lesene Verzeichnung sich hören lasse. Es wurde durch Arnoldt von
Holzhausen*6 Sr. Gnaden geantwortet: der Lantman sei noch willig
aus den alten Verzeichnissen oder dass man ihm der Puncten einen
nach dem andern anzeige, mündlich zu weisen; worauf Sr. Gnaden
sich mit den Käthen besprochen und begehrt dass sie nach laute
seines verlesenen Zettels weisen sollten, oder aber dass sie bei den
Eiden versichern sollten, diesmal nicht darauf bedacht zu sein. Die
Märker verlangen durch Arnold von Holzhausen der Zettel Abschrift
und der Ding ein uffzug, sie hinter sich an seine Herrschaft zu
bringen, denn der gemein Lantman woll auf den Eid behalten, er sei
diesmal auf die verlesen Zefael zu weisen unbedacht Demnach wurde
von Sr. Gnaden ein anderer Tag, Mitwoch nach St. Margarethen
auf die Au zu Ursell, des Morgens um 9 Uhr, angesetzt
Mitwoch nach Peter und Paul fand eine Besprechung der Herr-
schaften und anderer in der Mark gegudeter Männer, zwei oder
drei der ältesten aus jedem Dorfe, statt, zu Ursell auf dem Iiathhaus.
Zwei alte Weisunge aus anno 34 nnd 38 wurden durch die Keiifen-
bergischen und ein Zettel durch die Königstein'schen vorgelegt, und
des gemein lantmanns Meinung gefragt Diese haben gesagt dass sie
nach laut der verlesen zwei Zettel weisen wollten, sich darauf un-
terredt wer die Weisung Sr. Gnaden thun und aussprechen sollte 4T.
Symon von Ursel wurde dazu erbeten, und erklärte sich nach einigem
Bedenken bereit, dem Lantman zu Gute zu thun was an ihm wäre.
(Mglb. E. 29. II b. S. 30.)
Es liegt diesem Berichte ein Zettel bei, mit der Aufschrift: das
sind die Puncte der Weisung als die Königstein'schen verzeichnet
hatten:
*• Also durch einen Abgeschickten des Frankfurter Kalbs.
*7 Bei wiohtigen Weisungen haben die Mürker immer um Zulassung eines
Redners gebeten ; ein ruhiger, verständiger, wo möglich auch angesehener Mann
wurde dazu bewogen. Vielleicht unrichtig ist daraus der Schluss gezogen
worden, dass dem gem. Manne der Muth zu reden damals schon gefehlt.
353
Item zum ersten: Wer die Mark zu bestellen habe?
„ wer die M&rkermeister bestedigen und eidigen soll?
„ mit dem Ußrufen von dem Schreier, was einer verloren
hätt (der nicht erschienen wäre) und wie man den büßen?
„ wer den Wiltpan zu bestellen habe?
„ von Rügen als knecht (Förster) plegen zu rügen.
„ obe ein ußraarker schaden thede.
„ obe ein Inmärker schaden tede.
„ Hulz und kolen uU der Mark zu füren und wan man den
begriff etc.
„ ob ein fol merkerding bescheident wird, waU die ußbliben,
verloren.
„ ob ein Inmerker uff der Strassen Hulz hiche (hiebe) etc.
d ob eckern im Walde worden.
„ obeVilwil zu derMarg höre, und wie el* darzu komen sy.
„ wie ferre die Mark gehe.
„ ob man nit alle Zerung zn Hoemburg tun soll, so es ein
Hauptsloß in der Mark sy.
Es folgte nun das merkwürdige, feierliche Märkerding auf Mit-
wochen nächst nach St Margarethen, 14. Juli 1484, auf welchem
der Edel Herr Gottfried, Herr zu Eppstein mit sämmtlichen Amt-
leuten und Rathen erschien, dem Junker Philips von Redeinheim,
Rudolff und Bernhardt Brendel von Homberg, Gilbrecht und Hein-
rich Rittesel, endlich Walther Isenberg seiner Gnaden Schreiber, an
einem Theil; andererseits aber der Herrschaften Solms, Hanau und
Königstein auch der Stadt Frankfurt und der Ritterschaft von Reif-
fenberg Amtleute, Räthe und Sendbotten; für Solms Philips von
Bicken, Ritter Krafft von Deckenbach und Jeckel, Bereiter zu Re-
delnheim; für Hanau Heintz Metzler, Keller; für die Herrschaft zu
Königstein, Heinrich von Eppenstein, Keller zu Butzbach, Dietrich
Geyseier, und Heinrich, Bereiter zu Königstein; für Frankfurt Jun-
ker Jacob von Cronberg, Amtman zu Bonemese, Junker Erwin
Dögel , Amtman zu Erlebach und Junker Walther Schwartzenburger,
Rathsman; für Reiffenberg die Junker Philips und Marsilius, der
Jung, von Reiffenberg. Endlich erschienen auf der Au die Märker-
meister, mit ihnen ein gross versammelte Menge Schultheissen, Hüb-
ner und Landtman, welche Sr. Gnaden als einem Waldbotten, sein
Herrlichkeit und der Mark ihre Hecht und Rüge zu weisen vertagt,
verbotten und also versammlet und verhaufft waren 48. Die Märker
«» Vergl. Loraner*» Chronik I. S. 465.
23
Digitized by Google
- 354 -
erboten sich die verlangte Weisung zu thun, doch nicht auf ihre
Eide, da ihnen solch Eide zu thun gefährlich wäre, sie in vielen
Jahren eines Waldbotten Herrlichkeit, der Mark Recht und Buge
nicht geweist, und der Alten die das melir gesehen und gehört hät-
ten, gar wenig mehr im Leben seien. Es ward ihnen darauf ein Eid
gestabt des Inhalts, dass die Weisung die sie thun wollten, sie von
den Alten nicht anders gehört hätten, und ihnen anders nicht wis-
sentlich wäre. Sie Hessen durch Heinrich von Eppenstein eine Ver-
zettelung behändigen, erboten sich durch Simon Bensheim, wohnhaft
zu Ursel, von ihrer allerwegen mündlieh auf die einzelnen Puncte
der Verzettelung zu weisen. Diese Weisung spricht aus : wem die Mark
rechtlich eigen und wer darüber ein oberster Herr und Waldpott sei;
wie die Mark zu bestellen, und die Markordnung einzu-
halten sei;
wie insbesondere es mit demWiltbann zu halten, mit dem Heg-
wald auf den Strassen und mit der neuen Hege;
wie das Verhältniss zu der Ausmark und den Ausmärkern sei;
wie der Eintrieb in die Eckern zu geschehen habe;
wie Frevel zu bestrafen seien;
wie Märkerdinge zu halten, Märkermeister und Förster zu er-
wählen und zu verpflichten; endlich wie Gericht zu halten und zur
Noth gepfendet werden solle.
Hiernach liess der Waldpott den Märkern sagen, dass auch
Noth wäre zu weisen, wo die Mark aus- und anginge; das und an-
deres wolle sein Gnad, nachdem es jetzt spät geworden auf diesmal
beruhen lassen bis auf einen andern Märkerdingtag.
Diese Weisung galt von nun an in der Hohen Mark als geschriebenes
Recht Die Märker hielten fest daran, sie wollten keinen Buchstaben
daran ändern lassen. Der Walpott liess ihnen die Buchstaben und
das Papier, wandte und drehte aber den Inhalt und Geist bis sie
nur noch ein Hohn waren auf die ursprüngliche Verfassung. Beriefen
sich die Märker auf ein Herkommen, so erwiderte er dasB davon in
dem Instrument nichts stehe. Die Verhältnisse, auf welchen das In-
strument beruhte, änderten sich alle mit der Zeit, so wurde die
Grundlage des geschriebenen Rechtes ebenso wie dies selbst mehr
und mehr eine hohle Form. Wol wurden noch neue Verordnungen
gemacht, aber diese betrafen, soweit sie nicht bestimmt waren die
Macht des Waldpotten zu kräftigen , nur Nebensachen, Holztage, Be-
strafung oder Bedrohung der Frevler, u. d. m.
Aus diesem Weisen ersehen wir wie darin eine lebendige Quelle
des Rechts gelegen, wie die MarkgenoBsen dabei beständig nicht nur
Digitized by Google
355 —
auf die Erinnerung sondern auch auf ihr Rechtsbewusstsein zurück-
gingen, wie in den alteren Zeiten überhaupt Herkommen und Gesetz
mehr noch zusammenfielen49. Erst in den späteren Jahrhunderten
erhielt das geschriebene vor dem im blossen Bewusstaein des Volkes
ruhenden Rechte ein entschiedenes Uebergewicht eingeräumt.
Gränzbestiramung. — Wie es den versammelten Märkern
zustand das Recht, selbst die Herrlichkeit des obersten Waldpotten
zu weisen, ebenso hatten sie auch zu bestimmen wie weit die Mark
gehe und wer dazu gehöre. Wegen der Gränzen hatten sie sich
theils mit den benachbarten Marken zu verständigen, theils mit den
Inhabern der geth eilten Feldmark, mit den Ortschaften der Mark
selbst Dies geschah auf Umgängen der Mark welche bei der klein-
eren Seulb. Erlenbacher Mark oft unmittelbar von den Märker-
dingen aus unternommen wurden. Auf den Märkerdingen ward auch
Uber die Berechtigung zur Mark, Uber den Ausschluss von derselben
und über das Verhältniss zu der Ausmark erkannt und geweiset.
Aus dem Jahre 1484 ist angeführt dass unter den Puncten auf dem
Zettel der Königsteinischen auch die Frage sich befunden: ob Vilwil
zu der Marg höre, und wie es dazu kommen sei? Diese Frage war
eine wol begründete, da die Nidda Gränze der Hohen Mark war,
Vilbel aber auf beiden Seiten des Flusses liegt
Auf dem Seulb. Erlenbacher Märkerding von 1539 brachte der
Keller Diether Gewend einen handschriftlichen Befehl des obersten
Waldpotten „uff heut dato die Mark zu umgehen". Die Märker gaben
Diethern die Antwort: nachdem sie kein Mangel an der Gemark
vermerkt wäre es unnötbig dieselbe zu umgehen. Der Keller drohte
mit Ausschluss von der Mark und Hess auf zwei Seiten treten zur
Abstimmung; es traten aber zu ihm nur die Seinen von Homburg und
*» Dr. Kriegk, Frankfurter Bürgerzwiste, 8. 31 berichtet, wie die Zünfte
verlangt, der Rath solle sie „bei den Gewohnheiten, welche sie von Alters her
hätten, handhaben"; der Rath habe dies Begehren mit Recht zurückgewiesen,
„weil in einer königlichen Stadt ohne des Königs Zustimmung Mobsc Gewohn-
heitsrechte nicht in förmliche Gesetze „umgewandelt" werden konnten. Das
Herkommen hatte Geltung in einem bestimmten Bereiche, sollte eine Erweite-
rung stattfinden in der Ausdehnung seiner Wirksamkeit, sollte es bindend wer-
den für andere Mitbürger, oder für die Obrigkeit, so mussten diese oder der
König zustimmen. Auf S. 383. 384 ete. ist dies sehr schön dargelegt in dem
Herkommen der Zünfte, welches in eine Gerechtsame oder Machtvollkommen-
heit eingriff, die der Rath für sich in Anspruch nahm.
23*
Digitized by Google
— 356 -
Seulberg; der mehrer theil blieb stehen. Hierüber unwillig haben
die Homburger Gesandten ihren Abschied genommen; die andern
Gesandten aber bewogen nun die Märker die Marg zu umgehen,
allein es solle kein neu Instrument aufgerichtet werden. So hat man
sich verglichen, und es sind aus jedem der 6 Ortschaften von den
ältesten und von den jungen Männern etliche dazu gewählt worden.
Diese Personen verlangte Diother Gewend in einen besonderen Eid
aufzunehmen, mit Begehr an die Gesandten sie ihrer Eide und
Pflichten, mit denen sie ihren Oberen zugethan, ledig zu zählen.
Dies wurde von den Gesandten abgeschlagen, aber bewilligt dass die
Märker bei den Eiden und Pflichten mit denen sie ihren Herrn und
Oberen verpflichtet seien, ihm Diether, anstatt und von wegen des
obersten Waldpotten „mit handtgebend treu verpflicht sein sollen
solliche Gemark zum treulichsten, niemand in lieb oder zu leyde,
zu urobgehn". Dess sind die Beamten des Walpotten zufrieden ge-
wesen. Der gemein Märker hat sich nach Hause begeben, die Ge-
wählten aber mit den Beamten haben angefangen die Mark zu um-
gehen. Sie gingen damals von Seulberg aus zur linken Hand am
Wald hin, oben am hinter Damm an der Landgewer hin die von
Dollingen60 auf das Seulberger Feld gehet, gegen die Krebshaide
zu, an den Wiesen hinauf, nach der deutsch Herrn von Frankiurt
Wald und der Hohen Mark Gränze; dieser entlang die alte Hohl
hinauf, auf das Rotlaub und zum Fahrborn, den Throner Weg hin-
auf über den Einsydel bis an den Pfalgraben ; diesem hinab bis an
die Throner Mühl und die Bach. Dieselbig bach „gipt und nimpt
zwischen den zweien Wälden Seulbergs Irlenbach und Rhodemer
Gemark" M. Die Männer zogen die Bach hinab bis auf die Köpperner
Wiesen, dann vor dem Walde hinab bis zur Hunerrap **, und auf
den spis, der ist den von Holzhauscn. Vom Spies ging es nach der
Regelsbach und wieder zurück auf den hinter Damm.
*° Das alte Dillingen lag südlich deB Waldes dessen Platz jetzt von Friedrichs
dorf eingenommen wird, zwischen den Rohrwiesen und der. Hünburg.
5* Als der Umgang zur Knodeiner Gemark kam, machten die Hanauer Ge-
sandten geltend, wie ihre Unterthanen in der Rhodemer Mark gleiche Gerech-
tigkeit „in der bachu haben (zu fischen); dies haben .die Gesandten des Wald-
potten" nicht zugegeben; die andern Gesandten aber haben jedem sein Theil
vorbehalten, den Streit so verglichen.
51 Jetzt Hahnruppen, von Hain, auch bei Gonzenheim ist ein Hahnberg.
In der Ordnung von 1588 heisst es Art. 10. „Die Pflege der Hain Kuppen sollen
. . auch dieses Jar . . . verpotten sein darinnen zu hauwen.«' -
Digitized by Google
- 357 -
Das Verzeichnis des Umgangs hatten die Märker angegeben,
Meister Johann Schwaben, der Notar sollte ein Instrument darüber
aufrichten. Als der gesammte Ausschuss mit den Gesandten Abends
7 Uhr nach Ober-Erlenbach gekommen, Hess Diether Gewend über
dem Abend Imbis allerley Wort vernehmen, daraus zu ersehen war,
dass sich der oberst Waldpott zuviel Gerechtigkeit der Mark unter-
ziehen wolle. Des Dienstag zu Morgen haben sie, des obersten Wald-
potten Gesandte nochmals mit Ernst um Aufrichtung des Instruments
des Umgangs angehalten, viel Gegen- und Widerreden wurden ge-
tlian. Um Mittag verglich man sich: wie die Gesandten gestern in
den Umgang so nit von nöthen gewesen gewilligt, mit dem Oeding
das» sie des Umgangs halben ein neu Instrument aufzurichten ohn
Vorwissen der Oberen nit zugegeben; sie versprachen darüber zu
schreiben. Freitag nach Medardus fand eine Zusammenkunft im
Carmeliterkloster zu Frankfurt statt, es wurde wiederholt: das alte
Instrument wäre genügend gewesen, Irrungen seien nicht vorhanden,
kein sonder Span, sein F. Gn. wolle es bei dem alten Instrumente
bewenden lassen, damit nicht Mißhelligkeit aus beiden Instrumenten
erwachse. (Mglb. E. 29. Hb. S. 174 ff.) Es findet sich noch in dem
Fascikel Mglb. 30. No. 4 [3] ein Schreiben d. d. Petterweil, Freitag
nach Medardi 1539 unter dem aufgedrückten Pittschaft von Engel-
brecht Halbers, Schultheissen zu Petterweil und Justinians von
fiolzhausen, Schöffen zu Frankfurt : auf das begehren über den
Umgang der Mark ein neu Instrument zu errichten gaben die Ge-
sandten und der Ausschuss zu erkennen, dass sie den Umgang zu
thun für unnöthig angesehen, dass ihre gn. Heren und Oberen nit
erachten dass das begehrt neu Instrument aufzurichten von Nöthen
sein sollt, wollen also gebeten haben dass es s. f. Gn. also bei dem
alten Instrument gnediglich bleiben wollt lassen; sie bemerken dass
wo Irrungen fürfielen, der gemein Märker zu jeder Zeit zusammen
kommen, davon reden, fürnehmen und handeln möge, wasdieNoth-
durft erfordere.
Auch bei den Umgängen erschienen die verschiedenen Bethei-
ligten zu Wahrung der eignen oder gemeinsamen Interessen, und
nur dann wurde das Recht als festgestellt angeschen, wenn die ver-
schiedenen Betheiligten sich Uber die Gränze geeinigt, wenn sie dem-
nach gemeinsam den Weg gemacht hatten. Bei dem Umgang der
Seulb. Erlenbacher etc. Mark am 28. April 1593 welchen der schreib-
seelige Johann Zangus, notarius publicus und bestellter Markschrei-
ber protocollirte, erschien Georg Vestenberger der Kellner zu Hom-
burg v. <L H. „einestheils" sodann die auch ehrnhaffte, ersame und
Digitized by Google
- 358 -
vornehme Märkermeister und Markhäupter „anderntheils" auf „vorge-
hende Vergleichung und gepflogene tractationa auf der Haiden gen
Kirchdorff, allda solche ihre Mark mit deren zu Kirchdorff und
Seulberg Termineyen ihre Angrenzung hatt, und haben von Alters
her wohlangeordnetem Brauche nach dieselbige ihre Marke von allen
aufstossenden Marken, Waiden, Sträuchen und Termineyen, im Beisein
aller derer Besitzer, Inhaber und Einwohner . . bei Eidspflichten
abgangen und gewisse scheide oder Mahl mit Rainen, Steinen, baum-
lochen und andern mehr kennezeichen . . gemacht, auch die alten
„uffworffe und roahlzeychen* wiederum von neuem renoviren lassen.
Auf der Gränze zwischen Seulberg, Kirchdorf und der Hohen Mark
befand sich ein alter Eichenbaum, der jederzeit für das SchiedBmabl
der dreien Gränzen gehalten; er war durch die von Kirchdorf abge-
hauen und ein wenig ihres Gebietes hinunter zu einem Damm und
Aufenthalt des zeitweise den Weg hinunter fallenden gewässers ge-
braucht worden. Die Märker haben desshalb der anwesenden gemeinen
Nachbarschaft in Kirchdorf von wegen ihres unnachbarlichen Wesens
den Kühe- und Vieh trieb, bo> ihnen seither gegönnet und zugelassen
worden, ganz und gar abgekündigt und zugethan. Reuig erboten
sich die Kirchdorfer „zu guter Nachbarschaft'4 und wurde das Ver-
bot gemindert, dass sie in Schriften bei dem Märkerding wieder um
den Viehtrieb ansuchen sollten, derselbe könnte ihnen nochmals wie-
der vergönnet werden. Darauf hat man den ersten Schiedhaufen „an
die Mahlstatt des abgehauenen und entnommenen alten eychen baums
aufgeworfen", und den Umgang ostwärts angetreten. An der Bren-
del von Homburg Walde haben die Seulberger „Markgut zu ihrer
Terminey und für ihren Eigenthumb abgangen", die Märker aber,
da sie Mastungsgerechtigkeit darin besessen, die Mark ausser dem
Gehölz an der Haiden endigen wollen. Der Kellner von Homburg
ergriff Parthei für die Seulberger als homburgische Unterthanen,
„weißt in Schriften nach daß in einem früheren Abgange solche et-
liche Ruthen breit Walds für der Seulberger Eigenthum angezogen
worden, sie also nichts neues sondern allein dasjenige, was ihre
lieben Voreltern seeligen etwa in Prauch und Esse gehapt0, suchen.
Er ermahnt die Märker bei ihrem Gewissen, und die zu Holzhausen
und Ober-Erleubach haben ihm beifallen wollen, doch hat man es
bei den alten Lochbäumen verbleiben lassen. Weiter zogen die Mär-
ker nach dem hinteren Damm der Hohle hinauf, vom heiligen Acker
nach der Regelsbach wo der 37t0 Haufen an der Wiesen stand,
dann von der Dillinger Haiden die lange Wiesen hinunter bis auf
die köpperner Strasse, auf der Landgewehr herum bis an den Holz-
Digitized by Google
- 359
h auser Spiess , die Haihnruppe herum bis auf die Holzhäuser Bach,
folgende ist die Bach die scheide bis hinauf an Bernhard Möllers
Wiesen, stehet in der Ecken am köpfferner Gebiete bei einem gros-
sen gelochten Baum der Gö^ Haufen; von dannen hinauf zumWalde,
baß am köpfferner Felde hinauf und den Wiesen, von dannen hinauf
„bis an die Wald möllen soll die bach scheiden«, die Mühle stehet
in der Mark, gleich ergcstalt bis hinauf an die Thröner Mühle ist die
Bach die Scheide zwischen dieser und der Rodheimer auch köpffener
Gemarken; weiter hinauf scheidet der „Pollgraben" diese Mark von
dem Thrönerwalde , allda gegen der Hohe Mark den Fahrbronnen-
Weg hinunter bis wieder an den ersten Haufen, wurde der Weg
für den unstreitigen schiede gehalten. Zugegen waren bei diesem
Umgang ausser dem Keller, Schultheis» und Stadtschreiber von
Homburg, Simon Braun, Schultbeiss zu Seulberg Märkermeister,
Wolfhardt Falkenstein , Schultheis zu Ober-Erlenbach und Märker-
meister, der Kellner und der Schultheiss von Petterweil, Joh. Beck
Schultheiss zu Holzhausen, Chunrad Lohre, Schultheiss zu Köpffern,
anstatt des Schultheissen zu Nieder-Erlenbach meister Johann der
Schmied daselbsten, samt den Burgermeistern und etlichen Eltisten
der Gerichte auch anderer gemeinen jungen Personen, je 10 Per-
sonen ohne die Schultheissen von jedem Flecken, auch die beiden
Förster. (Mglb. E. 30. 4. Jahr 1593.)
Ebenso wie in der Seulberger Erlenbacher finden wir auch in
der Hohen Mark das» bei den Umgängen die gesammte Märker-
schaft vertreten sein musste, ähnlich wie auf den Märkerdingen Bei bat.
Auf dem Märkerding, Sonntag Claudi 1539 als der Keller gesehen
das» der ganz Märker nit erschienen „hat er gezornt", aber als er
dafür gebeten worden, hat er's bleiben lassen, gab an der Walpott
wolle das» die Mark umgangen werde Darzu wurden aus Oberursel
20 Mann, ebensoviel aus Homburg, aus Bonemesa 12 oder 14, sonst
aus einem Dorf 7, aus einem Weiler 4 „jungk und alt und eynander"
genommen. Es versammelten sich die Geschickten aus jeden Flecken,
Dörffern und Höfen der Gemeinden und „derjenigen welchen der
Eigenthumb gemelter Mark zustehet" oben am Vilwiller Holtzgin
und dem Spitzenstein; sie sind gegangen bis an den Feldberg gegen
Reiffenberg und den Pfingstbronnen „bei Volperhausen", daselbst hat
sich zwischen den geordneten der Gemeinen des Haus Reiffenberg
und Inwohner daselbst „an einem" und den übrigen Märkern „am
andern Theil" ein Zwiespalt des Ganges zugetragen ; letztere wollten
nach dem kleinen und grossen Bettstein gehen. Sie haben aber ein-
trechtiglich Antwurt geben: es sei Niemand unter ihnen der auf sei-
Digitized by Google
- 360
nen Eid Bagen könne dass er das streitig Ort je bab umgangen, aber
doch auf Hörensagen und wie sie von ihren Eltern verstanden fur-
schreiten und gehen wollen. Die Reiffenberger protestirten coram
notario dass sie in ihrer beseß und beweisen wolten. Das Weiter-
gehen unterblieb damals. (Mglb. E. II". S. 171.)
Auf dem stürmischen Markerding des Jahres 1586 verlangten
die Räthe des Walpotten dass der Umzug der Mark auf der gemei-
nen Märker Kosten geschehe. Dies stand durchaus der Grundansicht
entgegen, dass ein jeder Theil sein eignes Interesse dabei zu ver-
treten habe. Der Ausschuss der Märker bemerkt desshalb ganz rich-
tig, zu dem vorhabenden Umgang der Mark wolle jeder Flecken
einen Jungen und alten Mann auf seine Kosten zuordnen, nach vori-
gem Gebrauch ; die beiden Märkermeister aber, der Keller zu Hom-
burg, der Schreier zu Stedten und die 4 Markförster oder knecht
sollten ziemliche Zehrung aus der Mark haben. Nachdem der Aus-
schuss noch aller Anwesenden Gutdünken explorirt, hat er durch
Wendel llmstedten weiter noch antworten lassen: Zu beziehung
der Mark wären hiebevor aus jedem Flecken 2 Personen zugeschickt
worden, die seien von jedem Flecken insonderheit verköstigt worden;
nach Vollendung des Umzugs hätten die Märkermeister allen „Ar-
beitsleuten", wann ein Vorrath an Bussen vorhanden gewesen, eine
Verehrung zum Trunk aus dem gemeinen Seckel gegeben, es solle
nachmals auch so gehalten werden. Die hessischen Gesandten aber
beharrten darauf dass der Umzug auf gemeiner Märker kosten solle
vorgehen, dann wollten sie die Räthe sich dazu gebrauchen lassen
„nicht allein gegen den anstößenden und angrenzenden Nachbauren,
sondern auch gegen dem Inmärker so der Mark zu schaden gerai-
detÄ; sonsten aber deswegen nicht ein Esel, katz oder ein ander
gering Thier satteln lassen. Die Märker wollen nun „ibrestheils dem
Umgang der Mark auf folgenden Tag vorgehen lassen, da die an-
stoßenden Nachbauren hierzu alle citirt seien. Aber die hessischen
Gesandten gestunden den Märkern den Umzug „vor sich" nit zu.
Der Märkermeister Hattstein suchte zu vermitteln: dieweil für diesmal
Vorrath in der Markkasse sei, solle ausnahmsweise der Umzug da-
raus bestritten werden. Dieses hat aber von gemeinem Märker nicht
eingewilligt wollen werden, sondern sind stracks auf ihrer erst ge-
thanen Eröffnung beharrt Der Umzug wurde vorerst eingestellet und
abgekündigt. Er fand erst im September statt Eine sorgfältige Be-
schreibung desselben ist uns in dem Fase. Mglb. E. 29. IIL S. 128
Digitized by Google
361 -
aiiB dem Jahre 1586 »/». Sept aufbewahrt Alle Stein und die
vornehmste Lochbäum sind daselbst beschrieben53.
*' Der Umgang begann von dem ersten Stein bei den Loßbecken, Stein-
biieher Terminei inwendig dem Sölmischen Wald, zog Uber den Königstein'schen
Pfad der Croneburger Mark hinauf nach der Förster Kuh Rüge (Ruhe), ober
der Förster Wiesen nach der Weydenstrut und den Hünenburg Wiesen. Von
der Hopfreben Wiesen bis auf das Hunerbruch wurden 30 Lochbäume gezahlt.
Von da der Hohl hinauf die beide Marken (die Hohe und die Cronberger)
scheidet, nach den Haderhecken bis „uff das alt künn" •), den holen Weg hin-
auf an den Masebörnerberg, bis an die Schiefersteinkauten, hinter dem Kitzel
Veitberg hinaus, hinter dem grossen Veitberg hinab nach dem Schutterwald,
welcher in die Mark gehöret, und Uber den Polgraben. Von dort ging der
Zug auf der Heiden hinaus Aber die Strassen so von Reiffenberg auf Homburg
gehet nach dem Börnchen , der Pfingstbrunnen genannt ; weiter nach den
Steinen von Voltmerhausen „obendig dem Weg nacher Hattstein", vom Diele-
berg obendig den Arnßhayaer Wiesen und der Kredenbach, nach den Seuffen, einer
Wiesen Curt von Hattstein zustendig, und aus der Mark gerodt worden; weiter
nach einem 8tein neben der Kredenbach an der Schiefersteinkauten „unter einem
Uolzapfelbaum, so ein Lochbaum ist." Es folgen die Lochbäume am grossen
Bettstein „der Lochbaum an dem Weg der aus der Kuetrenken gehet, ist ab-
gehauen, den Forster zu fragen, wer es gothan". Weiter an der Kremmelges-
wieeen stehet ein Buohenlochbaum „daran Homberger nnd Urseler Wapen";
dann folgen die Steine am „heyligen Waldt", ein Stein bei dum brunn obendig
dem heimig Seuffen nach dem Weissen Berg zu, welcher auch in die Mark ge-
höret ; zwischen dem Wald und Feld hinauf am Faulberg , den Weissenberg
hinauf, „auff ein Holzapfelbaum welcher gelocht ist", zwischen den Anßbäcber
Hecken und den Weinpfölen Ober die Alt-Rohe hinüber, bei der Klingenruhe
und dem Klingenborn, dorn Ansbächer Gebiok und dem Polgraben hin, bis auf
die Seulberger Mark und den Fahrborn. In dem Graben herunter darinnen
etzliche Stein bis uff die Kirdorffer Heidt, uff den Lochbaum daselbst an der
Eeken des Walds; die Landtwehr herunter durch die Weingärten bis auf das
Kirtorffer Hölzlein Lazarius genannt, es folgen 2 Steine in der Landwehr, dann
an der Landwehr hinaus stehen 6 Steine „bis uff die Strassen", weiter ein Stein
an den Wiesen in der Landwehr, und gehet die Landwehr zwischen dem Hom-
burger Feld und dem Reyßberg auf Steden zu. Es ging der Zug vor dem
Brendelsbusch her, den Thröner Pfad herum, obendig dem Heuchelheimer Feld
hin, über die Wiesen, den Graben hinaus nach dem alten Hof da der Steder
Dreieckbrunnen steht. Fortan „gehet die landtwehr durch das Steder Veit bis
an die Walt-Eck", weiter ein Stein auf dem Weg so von Steden auf Ursel
geht ; ein Stein an der Ecken zwischen der Wiesen Ocbsenstein gen. und der
Weidt ; dann folgen die Steine in der Lußhecken ; den Häuserfort hinaus unter
der Schreierwiesen hin und fortan zwischen dem Häuserhain und dem Wald
den Weg an der Landwehr hinaus, bis an die Strassen „da vor seiten ein schlag
gestanden, der Houscrachlag genant"; Furters an das Eck „zu Endt der
Landwehr da vor Zeiten ein Muhl gesunden, der Lußmuhlen genant"; den
*) EU tat hier der Abbaog de* Allkönlgs ia rerstebeo, nicht der Gipfel ; die Oräncc zog »uf
Digitized by Google
- 362 -
Nach dem Notariatsprotocoll Uber den Umgang **/« Aug. 1609
ist dieser Umgang ebenso eingeleitet worden wie ein Märkerding.
Es hat zwischen 7 und 8 Uhr bei Ursel auf der Au, da man pflegt
das Märkerding zu halten, der hessische Rath J. Ph. Kleinschmidt
den Tag zu dem Märkerding anfänglich eröffnet und angezeigt: es
seien Neuerungen und Eingriffe geschehen, die Kirdorfer Ausmärker
gemacht ; es hätte sein gn. Herr diesen Tag ausschreiben lassen,
wollten auch hierauf die Homburger Mark umgehen, und in Steinen
und Rainen umziehen lassen; er wollt hiermit den Tag auf seines
gn. Herrn Befehl eröffnet haben. Darauf haben die Mainzischen
Abgesandten protestirt, der Kirdorfer Ausschliessung wäre nit mit
Billigung sämmtlicher Märker geschehen, sie widersprechen auch
der Bezeichnung „Homburger Mark". Dagegen bemerkte der Keller:
man sei desshalb nit hie, das» man viel disputiren wolle, ob es
Homburger oder Hohe Mark genant würde; man habe hier nit mit
den partibus Und dem toto zu thun, sondern die Kirdorffer wären
per majora vota ordentlich ausgeschlossen. Die Mainzischen und
Königsteinschen zogen darauf ab und hinweg, den Unter-
thanen war geboten worden sich des Umzugs zu enthalten.
Der Umzug wurde begonnen ohne die Mainzischen und die
Reiffenbergischen welche mit abgezogen waren. Ist man von der
Aue hinweg den Cronberger Weg hinab auf die Loshecken zuge-
zogen zu dem ersten Stein auf dem Triosch. Als daselbst etliche
Cronbergische Beamte und Unterthanen sich gefunden, hat man
abermals durch den Waldschreier auf Seiten der hohen Märker
Umfrag halten, und die Schultheissen rufen lassen; es sind mehren-
theils alle andern Schultheissen, die Mainzischen, Hedernheim uud
Reiffenburgischen allein ausgenommen erschienen und da gewesen.
Es wurde nachgefragt wer diesen Umgang mehr mitgemacht, viele
waren im Jahr 1586 mitgezogen, nur einer vor 30 Jahren, andere
vor 5 Jahren.
Es werden dann die Cronberger aufgezählt welche zu den
Hohen Märker stiessen, aus Nerings, aus Obernhexstatt etc. Eine
Berg hinauf bis an den Zwergweg auf der Sandte au ten ; hinüber an die Eck
am Forst, Aber den Urseler Kuetrieb, nach einem Stein zwischen dem Uden-
born und dem Hanpfad, nach dem Königsteiner Pfad und der Atzelhell „gehet
furters die grenz immer an den Win?arten hinab", ein Stein am Johannsberg,
ein grosser Stein an dem Beckerpfad, weiter von dannen ein Stein in der
Wiesen die Keßbach genant, item ein Stein unten an der Geyerewiesen , der
letzte Stein am Rädderveit obendig der Cronburgerstraßen „zeigt auf den
ersten Stein uff der Loßheckeu so im Anfangk beschrieben".
Digitized by Google
— 363
Ermahnung wurde an alle gerichtet so mitgingen „also die Mark
ku umbzichen, wie es von Alters herkommen, und es ein Jeder vor
dem Richterstuhl Gottes verantworten könne". So Bogen sie von
dannen am Solmsischen Wald hinauf, nach der Forsterwiesen, an
der „Hünerburgk" hin, die Hohle hinauf bis an die Haderhecken
so zu der Cron burger Mark gehörig, als den bohleu Weg hinauf
„neben dem Altkin hin" nach dem Moseborner Berg, die Strasse
hinaus „nacher kühl hermansbrunnen" . . bis. an den lutzelfeldberg,
dann den Scharterwald, so in die Hohe Mark gehörig, hinab nach
dem Pfingstbrunnen. Beim 22,cn Stein welcher vom Dielenberg zur
linken Hand hinüber nach dem grossen Bettstein zeiget, haben die
Hattsteinische und Reiffenbergische diener mit etlichen ihrer Herrn
und Junkherrn Unterthanen und Bauern, rechter Hand hinauf ziehen
wollen, und trotz des Widerspruchs der Märker vollführet Diesämmt-
lichen Märker sind aber hinabwärts auf die linke Hand stracks über
ein Bächlein dem grossen Bettstein zugezogen ; von einem abgebrann-
ten stumpf, so ein gelochter Apfelbaum gewesen, den Schieferberg
hinauf, nach Griromelgens wiese, wo sie an einem Lochbaum der
Homburger und Urseller Wappen gehauen fanden. Da es spät geworden
sind sie von hier „nach Schmitten in's Nachtlager gereist*. Dienstag
den 22. August ist man mit hellen Haufen in früher Tagezeit wieder
angezogen; die ReiiFenberger hatten über Nacht die zwei Wappen
aus dem Buchbaum ausgehauen. Dagegen protestirten die homburger
Käthe, solches gereiche den sämmtlichen gemeinen Markern zum
merklichen Schaden, ihrem gn. Herrn aber, als obersten Waldbotten
zu sonderbarem Despeci Es haben die Reiffenberger ihr Unwesen
behaupten wollen, besagter Lochbaum stehe auf ihrer Herrn und
Junkherrn Grund und Boden; dies wurde von den Märkern wider-
sprochen. Trotzdem hat weiterhin Carl Pfitzncr von Dresden, als
Reufenburgischer Keller den Bauern, so er bei sich gehabt, befoh-
len, dass sie einen zweiten Lochbaum umhauen sollten „auch darüber
Herrn Gebott angelegt". Als die Unterthanen Hand und Axt geho-
ben den Lochbaum zu fällen „haben des Ober Waldbott Befelhaber
und Käthe den ReifFen bergischen und Hattsteinischen solchen Frevel
underwegen zu lassen gebotten", aber es haben derselbig ein oder
etliche, ein Weg als den andern ungestüm in den Baum zu hauen
fortgefahren; desshalb Carl Pfitzner sammt zweien Bauern „welche
in öffentlicher, frischer That in umbhawen betretten, zur Hafft ge-
nommen und auf gethane Handtastung mit nacher Homburg gefäng-
lichen geftlhret worden". Nach solchem als sich die übrigen Reiffen-
burgischen und Hatsteinische abermals abgesondert und zum Theil
Digitized by Google
ausgerissen und die Flucht genommen, ist man weiter gezogen nach
dem heiligen Feld, um den kleinen Bettstein und den weißen Berg,
von dem Weyhengrund nach den Weinpfalen, der Klingenruhe und
dem „Pfulgraben* auf einen „Faulbieren oder Stinkbaum Lochbaum".
Bei dem Thröner schlag begann die Seulburg Erlenbacher Mark,
und am Fahrborn wurden wieder sämmtliche Märker vermahnet und
erinnert „weilen man nun bald an den Ort kommen, welchen die
Kirdorffer strittig mächten, daß sie so gehen wollten, wie von Alters
herkommen, auch sie am jüngsten Tag bei ihrer Seelen Seligkeit
verantworten konnten*. Alda als man ein wenig gerastet, hat Paul
Anthonius, der eine Märkermeister, um Urlaub und Erlassung des
Märkermeister Amtes gebeten, „weilen ihm solchem vorzusein bei Ihr
churfürstl. Gn. sehr schwer und bedenklich fiele, wegen bewußter
entstandener Uneinigkeit". Dies wurde ihm aber nit erlassen, weil
es die gebührende Zeit nit were. Er wtird' wissen, was er geschwo-
ren. Darauf ist man fortangezogen „den hohlen Weg oder alte Straß,
neben dem Orth Waldts, die Straße genandt, hinunter" bis an das
Kirdorffer Feld, wo die Kirdorffer neulich Zeit einen Graben auf-
geworfen, aber die Märker vor diesem wieder geschleift hatten. Die
Märker haben einhellig bejaht, dass die eine Seit der Scheid am
Weg der Mark zugehörig, und sind also am zweiten und am dritten
Graben hinübergezogen. So ist man auf die Kirdorffer Heid gekom-
men, wo ein alter Stumpf eines lochbaumes unter der Erden sich
noch gezeiget und merken lassen. Ist ein „Gemerk mit einer Rhur-
hawen gemacht worden, ein Markstein daselbst zu setzen". Aua Kir-
dorf war Niemand erschienen, so „ist man die Landgewehr den
Graben hinunter nach dem kleinen Eichwäldchen, welches die Mär-
ker Lazarius, die alten Markbücher aber Sylvam Lotharii nennen,
gezogen0. Daselbst hat Joh. Philipps Kleinschmid, im Namen Ihr.
FürstLGn. als obersten Waldbottens „und der sämmtlichen Märkern"
protestirt, dass dieses Wäldchen von den Kirdorffern aus der Mark
gezogen werden wollte. So ging es weiter die Landgewehr hinaus, an
Stedten vorüber nach dem Häuserfeld, über das Triesch nach der
Sandkauten. Da haben die landgräffischen angezeigt, dass anno 1599
zwischen Mainz und Hessen des Orts halber am Häusergrund ein
Vertrag geschlossen worden, sie wollten diesen repetiren; dann zog
man nach Ursel zur Mahlzeit. Nach dieser wurde der Umzug weiter .
westlich verfolgt nach der Atzelhohl, dem Johannisberg und der
Kesbach, auf die Steinbacher Weid, hinab bis an's Eck, welches der
Steinbacher Schultheiss widersprochen, Hans Durkopf aber und
Thinius vom Hain vermelteten: sie wären vor 23 Jahren auch so
Digitized by Google
— 365 —
weit hinabgegangen wie jetzo und hätte Niemand was darwider ge-
redt So wurde von den Märkern dahin geschlossen, dass es bei den
zweien letzten Umgängen verbleiben solle; man zog auf den Stein
in der Losshecken zu, woselbst die Märker nochmals feierlich ange-
redet und dann abgedankt worden sind.
Bereits bei früherer Gelegenheit ist auf die Landwehr im Taunus
aufmerksam gemacht worden *\ sie habe wahrscheinlich zum Schutze
des Feldes gedient. Wichtiger war vielleicht noch dass sie die ge-
seilte Feldmark abzugränzen bestimmt war von der ungeteilten
Waldmark. Im Jahre 1700 beschweren sich die Märker dass den
Waldensern ein Platz in der Hohen Mark eingeräumt worden, sie
bemerken, dass die Landwehr am Kaissberg „so jederzeit beide Ge-
markungen Homburg und Hohe Mark von einander separirt und als
Gränzstein abgeschieden, trotz Protestation eingeräumt und den
Feldern eben und gleich gemacht, die Markgräuzen perturbiret".
Schon in älteren Zeiten als das Boden mehr oder weniger gestattet
war, mag das Fruchtfeld über diese Markgränzen hinüber ausgedehnt
worden sein. In späteren Zeiten ist es auf frevelhafte Weise noch
in grosserem Massstabe geschehen. Schon im Jahre 1710 zeigte sich
das bei dem Cron berger Umgang mit den Hohen Märkern. Das
Verzeichnis der Theilnehmer an demselben ist ein sehr reichhaltiges.
Es gingen damals mit, zu Fuss und zu Pferd, von Cronberg: der
Amtmann, Keller, Ober-Schultheiss, Stadtschreiber, Stadtwachtmeister,
3 Gerichtsmänner und ein Mann des Raths, Bürgermeister, 3 Bürger,
Stadtdiener, Amtsbott, 2 Förster, 1 Jäger und 8 junge Leute; von
Eschborn der Schultheiss, ein Gericbtsman, 1 Lantman und 2 Knaben;
von Niederheckstadt der Schultheiss und 2 Gerichtsmänner, ebenso
war betheiligt Schwalbach, Oberheckstadt, Schönberg; Mammolshain
mit dem Schultheissen, 3 Gerichtsmännern und einem Gemeindsmann;
Steinbach war in seinen Vertretern zurückgewiesen worden, weil sie
den Umgang um den strittigen Ort nicht mit vornehmen wollten;
von Rödelheim waren erschienen 3 Mann, von Falkenstein (Nerings)
der Schultheiss und drei Mann. Dazu kamen noch die Hohen Märker;
das Grenze ein grosser Zug zu Pferd und zu Fuss. Montag den
19. Mai war der Notar welcher berichtet, zwischen 7 und 8 Uhr nach
der Haide an der Loosheck geritten, wo der Anwalt der Hohen
Mark, die Schultheissen, der Waldschreier mit vielen Förstern zu
Pferd, sodann eine grosse Zahl der Märker sich befand. Die Stein-
*♦ Die Hohe Mark, im Arohi? für Pfts. Gesch. u. K. II. S. 327.
Digitized by Google
- 366 -
bächer Unterthanen hielten sich parat, sie gehörten zu beiden Mar-
ken, waren mit den Cronbergern in Streit wegen eingerodeten]
Felde. Die Hohen Märker blieben vorerst an dem Stein in der Loa-
hecken an dem Stierstädter Feld; die Cronberger gingen zwischen
den Feldern bis auf den Kühtrieb, forderten die Steinbacher auf
„den Gang mit ihnen zurttckzuthun", mit dem Zusatz: „falls sie Stein-
bächer, als Mitmärker, diesen zur Mark gehörigen District nicht mit
begehen würden, man von Seiten der Cronberger Mitmärker sie zur
weiteren Fortbegehung der Mark nicht admittiren würde". Die Stein-
bächer weigerten Bich den Gang mitzuthun „sie seien auch bereits
in Abzug begriffen", so wurde der Gang vom Viehtrieb zur Los-
hecke ohne sie zurückgenommen; dann die Hohen Märker zu wei-
terem, nunmehr gemeinschaftlichen Begängnisse eingeladen. Auch
jetzt wieder gab es Streit. Der Anwalt mit den Hohen Märkern
wollte auf einen unten an der Haide vormals gestandenen Stein und
Baum zu, verwies auf eine zu sehende Kaute und auf ein Stein-
buch. Der Cronbergische Amtmann aber wandte ein, das Steinbuch
sei privata scriptura, sei nicht von den angrenzenden Steinsetzern
mit aufgerichtet worden. Er bestritt den Gang, wie die Hohen
Märker ihn vornehmen wollten, meinte aber man solle sich wegen
dieser wenigen Morgen nicht aufhalten, werde der Beweis, dass sie
in die Hohe Mark gehörten, erbracht, wollten sie sich nicht weigern.
Dies wurde von dem Notar der Hohmärker notirt, und der von den
Cronbergern requirirte Notar wurde gleichfalls ermahnt die Repro-
testation und das Erbieten dem Instrumente einzuverleiben. Der
Umgang wurde auf das Solms'sche zu fortgesetzt Dort baten die
Oberheck stätter „daß dieses Begängniß an ihrer Feldterminey nicht
präjudicirlich sein möge". Es wurde erwidert: diese Erinnerung sei
unnöthig, es sei bei allen vorigen, uralten Umgangen keine Erinner-
ung geschehen. Weiterhin wurde bemerkt dass die Steinbächer sich
wieder beigeschlichen und den Umgang mitmachten; man hielt an,
wies sie nochmals ab, und Hess 10 Märker bei vier Steinbächer zu-
rück, welche sich nicht abweisen lassen wollten, bis diese entweder
von selbst abgehen oder der Umgang geschehen sein würde. „Ob
nun wol der ein und andere Steinbächer sich sehr grob in Worten
verliefe, thete man ihnen gleichwol andersten nichts als gemeld tes
Verwehren". Inzwischen bewegte sich der Zug weiter über den Kö-
nigsteinerweg, über den alten Graben, durch die Hopfenrebwiese,
den alten Weg und die Hohl hinauf nach der Haderheck, wo „der
anno 1699 in Disput gezogene Ort, an welchem die Cronberger und
die Hohe marker von einander gangen sein". Der Anwalt verlas
Digitized by Google
aus alten Umgangsprotocollen die betreffende Stelle, ersuchte die
Cronberger sie möchten, wenn sie auch einen Umgang de anno 1585
hätten „von anfaug an was drauß lesen, zu sehen ob die Protocoll
einander glichen". Da nun die ersten 2 pagina einander von Wort
su Wort gleichlautend waren, insistirte er, Herr Keller, man möchte
sich doch gefallen lassen den passum dieses in disput gezogenen Orts
su lesen. Es fand sich dass der Homburger Anwalt „entweder ohn-
gefähr oder mit Fleiss einiges übersehen oder ausgelassen, was er
ganz beschämt gestehen musste", (nämlich: die Haderheck „so zur
Cronberger Mark gehörig"). Der Homburger Anwalt und die Märker-
meister suchten nun vergeblich nach Steinen , wussten sich mit nichts
„als mit etwelcher Schamhaftigkeit" zu entschuldigen, und erboten
sich den streitigen Distrikt, etwa 10 Morgen lichtes Gesträuch, zu
theilen; auf welches die Cronberger nicht eingingen. Sie richteten
ihren Gang gerade die Hohl hinauf nach der Beschreibung der
Hohen Märker eignen Umgangs. Diese aber gingen doch den Weg
linker Hand, trafen erst zu End der Haderheck wieder auf die Cron-
berger. Von dort aus ging der Umzug gemeinschaftlich weiter, die
Lochbäume wurden frisch gelocht, die alten Zeichen gefrischt. Diese
Zeichen scheinen manichfaltig gewesen zu sein; ausser den Wappen
finden sich bei diesem weiteren Umgänge der Cronberger ein Baum
mit einem kleinen lateinischen c, sodann mitten einen Holzhieb, oben
diesem ein Zeichen es entstand hier Zweifel ob dies ein
Lochbaum sei. Wie das Recht der Mark bereits in Ver-
gessenheit kam, so auch die alten Zeichen. Weiterhin fand man
einen Baum, in welchen ein Zapfen eingeschlagen war „vermuth-
lich von einem Hirten seinen Brodsack oder Ranzen daran zu
hängen". Der alte Schultheiss von „Nörings oder Falckenstein* Job.
Ad. Pfaff, hat aber bei seinem Gewissen behauptet, dass anno 1668
dahin gangen und „der lochbaum" denen Königsteinern gezeigt
worden sei. Allein die Cronenberger halten ihr Recht gegen die König-
steiner aufrecht; sie fuhren den Vergleich von 1552 an.
Unter den Lochbäumen hatten verschiedene eine besondere Be-
nennung, beim gedachten Cronberger Umgang finden sich erwähnt:
der Cronenbaum, die Schuhsohl, dann die verfallne Krämerbuch bei
dem Königsteiner Zollstock, (s. Gefach E. 29 die betreffenden
Umgänge.)
Iudem wir die Bedeutung des Märkerdings verfolgten, sind wir
bei Gelegenheit der Umgänge in spätere Jahrhunderte geführt wor-
den; wir kehren zu den älteren Zeiten zurück, weiter nachzusehen
wie auf den Märkertagen das Verhältniss zu den Auamärkern fest-
- 368 -
gestellt und Uber die Berechtigung zur Mark erkannt wurde. Auf
dem Märkerding, Dienstag St. Bartholomeustag 1563, haben die
Waldachmid von der Sorg und Hundtstall, wie ihnen auferlegt war,
eine Abschrift ihres Instruments gebracht, unter zweien Siegeln der
Befehlshaber zu Alten Wylnau ; darin ist die Markabgränzung gegen
die Anspacher Mark verzeichnet. Sie beginnt mit den Worten : „Wir
von Langen Anspach weisen* ; es wird dann die Gränze, von Philips
Mtilln hinter dem Throne anfangend beschrieben: den Pfalgraben
aussen, hinder dem grauen Forst, furtan den Pfalgraben aussen bis
an den Ryflenberger Buchwalt ... in die Wynpfull,... in die kleyn
Weilnauer Bach, uff den Zitterling,... bis uff den pastrot, do steht
eyn nickel etc.. Nach Verlesung dieser Instruments- Abschrift ist
ihnen gesagt, die Märker seien mit solcher Beweisung zufrieden,
wollen hinüber kommen mit ihnen absteinen. (Mglb. E. 29, III.)
Die Cronbergor mussten alle Jahr auf dem Märkerding wegen
der Tränkung ihres Viehs (wahrscheinlich aus dem Dreiborn) an-
suchen; gleichergestalt haben „die Höriger under Falckenstein sess-
haftig« derTrenk wegen „bei dem Märker" ansuchen müssen. (Mglb.
E. 29, V. s. Ordn. vom 22. Mai 1594.) Der Jungfern vom Thron
wegen wurde auf dem Märkerding 1549 ausgesprochen: die Märker
wollten nit leiden das» dieselben mit ihrem Vieh in die Mark trei-
ben, dass den Ausmärkern einige Gerechtigkeit in der Mark ge-
stattet werde.
Bei dem Märkerding der Seulberg Erlenbacher etc. Mark auf
Sontag Lätare 1498 hat man fürgeben wie dass zwei Bürger von
Friedberg haben Wellen in der Mark geholet und seien darin er-
wischt worden zu Köppern, auch haben die von Radeheim einen
Placken in der Mark abgehauen über das man sich des rechtlichen
auf Sr. Gn. den Herrn von Hanau erboten, auch Erwin Dogel, Mär-
kermeister solches H. v. Hanau gesagt; ihm aber sei nit erwünscht
Antwort entstanden; darum, so erklärt der Markermeister, wo man
nit darzu thun wolle, lass er auch gescheen, gedenk der hinfuro nit
mehr Märkermeiater zu sein. Und also sind die von Friedberg er-
schienen, haben gesagt, ein Mann von Köppern, so zugegen, hab
ihnen die Wellen verkauft und gesagt, die Wellen gehören ihm zu.
Aber der Märker hat sich daran nit gekehrt, sie seien betreten wor-
den nnd sollen sehen wem sie abkaufen, sie gedächten der ihren,
der das gethan hätt, auch ungestraft nit zu lassen» hab derselb
" Weil er Holz aua der Mark verkauft.
Digitized by Google
unbillich verkauft, mochten sie sich an demselben auch erholen ;
darum wollten sie Bich in Gnad geben und taidingen, woll man ihnen
diesmal Gnad beweisen. Also haben sie sich „in die taiding geben".
Der ander Gebrechen halben der von Radeheim solle der Märker-
meister an den gn. H. v. Hanau bringen, die Mark zu verhören und
die Mark er die Herrlichkeit weisen zu lassen. Das sei in lange Zeit
nit geschehen bei einem vollen Märkerding, dazu verboten damit es
im üedächtnisB halte. Alsdann solle ein einhellig Instrument ge-
macht werden zu ewigem Gedächtniss 56.
Im Jahre 1595 wurde von dem Märkermeister und 13 Ge-
schwornen der gem. Rodheymer und Köpfiener Marcke klagweise an-
gebracht, wie dass etliche Märker zu Köpffern nun eine ziemliche
Zeit sich des Nachts mit Brennholz zur Ausfuhr auf Ober- Wöllstadt
und Friedberg versehen, und wenn sie dann von den ihrigen ange-
schrieen und zur Rede gesetzt worden, alsdann furwenden, dass sie
solch Holz in Seulberger und Erlenbacher etc. Marke gehauen, also
solcher gestalt ihren Betrug und Diebstahl bemänteln und sich von
der Strafe erledigen. Damit nun glcichwol hinfüro das Uebel an's
Licht gestellt und gestraft werde, so hat man sich mit ihnen ver-
einiget, wenn ferner ein Märker er sei gleich von Küpffem oder
Holzhausen mit Holz zur Ausfuhr von ihnen in ihrer Mark ereilet
oder betreten werde, welcher fiirgebc dass er das Holz in Seulberger
oder Erlenbacher etc. Marke gehauen, dass sie solchen durch ihre
Fürster den unsrigen Märkermeistem nahmhaftig machen sollen, mit
dem Gegenanerbieten dass es andererseits gleichergestalt gehalten
werden solle.
Die Nidda war die alte Gränze der Gesammtmark, die nord-
wärts wohnenden waren darin betheiligt, dazu berechtigt Es war
aber diese Abgrenzung nicht streng durchgeführt worden ; der Abts-
hof und die Mühle bei Eschersheim hatten Begünstigung erfahren,
und auch wegen Vilbel, das auf beiden Seiten der Nied gelegen,
will sich der lantman auf dem Märkerding von 1401 berathen. Weit
wichtiger ab diese Frage ist für das Recht der Hohen Mark der
Streit welcher über die Berechtigung der Mühle zu Bonames im An-
fange des 16. Jahrhunderts geführt wurde.
*« Auffallenderweise ist auch hier des Instruments und Märkerdings von
149a nicht gedacht.
24
- 370 -
Der Kessler zu Bonames. — Wie die Reiffenberger und
Hatstciner auf den Märkertagen als Edelleute erschienen und zugleich
als Herrschaften, so war es ähnlich bei der Stadt Frankfurt. Auch
diese hatte einestheils die Herrschaft über verschiedene Ortschaften
welche zur Hohen und zur Seulburger, Erlenbacher etc. Mark ge-
hörten, dann aber war sie auch markberechtigt ihrer Besitzungen in
Bonames und in Nieder-Erlenbach wegen; für diese trat sie auf den
Märkerdingen zugleich als Märker auf. Sie wurde ebenso wenig wie
die Edelleute namentlich aufgerufen, stimmte mit diesen. So heisst
es bei dem Märkerding auf Katharinentag 1401 „Henne Clemme von
Hoenberg und Heynrich von Beldershevm sin hude zu tage von den
Edelluten, den burgerroeistern von Frankfurt und von dem lantman
zu merkermeister gekoren".
Der Rath lässt als Markberechtigter Pfähl hauen, er wird aber
auch gerügt als Märker. Es berichtet der Geschickte des Raths nach
dem Märkerding von 1518: sind die Rugezettel verlesen und meine
Herrn von Frankfurt darin auch rugbar angezogen worden der Mei-
nung, dass sie 8 Wagen mit Holz in der alten Hege und zween
Wagen in der neuen Hege gehauen haben. Mglb. E. 29. II1', 98. —
Es folgt darauf die Rechtfertigung des Raths, dass er die Pfähl für
das Schloss, die Brück und das Wehr zu Bonamesa habe hauen
lassen 8T.
Wenige Jahre nachher, 1521, entstand eine andere Irrung zwi-
schen dem Rath und den Märkern über das Zufuhren von Kohlen
aus der Hohen Mark an den Kessler oder Kupferschmid in Bonames.
Es finden sich in den betreffenden Verhandlungen manche Aufschlüsse
Uber den Umfang der Hohen Mark, über die Machtstellung der
Markergedinge und über das richterliche Amt des Waldpotten in
Streitigkeiten unter den Märkern selbst. Es ist aber bei allem stets
im Auge zu behalten, dass diese Verhandlungen in die Zeit eiuer
gewaltigen Aufregung fallen; es ist die heftige und ungebundene
Sprachweise, welche der Märker sich hier erlaubt, kaum zu irgend
einer andern Zeit wieder zu finden, es sei denn in den traurigen
Zeiten der Auflösung der Mark68.
*» Aach in Vilbel hatte der Rath die Brücke zu unterhalten and verlangte
das Holz dazu aus der Hohen Mark. 1524 beschwert er sich dass die Märker-
meister keine Pfähle zu Besserung dieser Brücke verabfolgen lassen ; diese
entschuldigen sich und der Amtman von Königstein schreibt, er werde ihn
weiters unbelästigt lassen. - Mglb. E. 29. II. 70.
* Die weitläuftigen Aktenstücke hierüber s. Mglb. E. 29. IIb. S. 60 ff. E.
29. II. S. 56 ff.
Digitized by Google
371 -
Nachdem auf dem Märkergeding 1621 den 22. Tag des Monats
May die Märker die Wahl der Förster für sich beansprucht, folgte
die Beschwerde des Raths dass dem Kessler zu Bonames* „als Mit
merkern" kohlen zu kaufen und zufuhren zu lassen onbillig verbotten
worden. Der Keller zu Hoemberg sei solch s Verpott nit gestendig
gewest: er hätte solches Gebot nit angelegt. Darauf erwiderte einer
von Homburg, genannt Groehans: solches werd sich wol herfinden,
wann man gen Hombergk auf den Tag bis nächst Mitwoch kommen
werde, solle alsdann desshalb auch gehandelt werden. Groshans und
einer genant Stynuß hab sich dabei öffentlich hören lassen : die Mühl
liege über der Nidda, so kaufe der Kessler kohlen und führe die
gen Frankenfurt; aber denen ist man solchs nit geständig gewest.
Auf dem Tag zu Homburg erschienen die Frankfurter Beamten, der
Schultheiss zu Bonamesa und Johann Marsteller, Rathschreiber, mit
samt dem Bereiter. Weil aber der gemein lantman damals ausge-
blieben, sind die genanten alsbald nach dem Essen aufs Rathhaus
gegangen, sich gesezt und nach Gewohnheit handeln wollen. Es /
wurde aber bemerkt dieweil sie nit bei einander, könnte man mit
Antwort nit begegnen; E. E. Rath möge die Mengel auf einem
Märkerding anregen. Auf dem nächsten Märkerding, am 8. Jan. 1522
wurde aber nur yon Beschädigung des Waldes gehandelt. Erst am
13. wurde dem Rath entgegengehalten: der Kessler zu Bonemesa
were ein knecht und kein Märker, item so läge die Mule in der
Nidda; in dem Instrument finde sich diese Mule nicht verzeichnet,
also solle man solche Neuerung nit geschehen lassen. Zugleich er-
griffen die Märker diese Gelegenheit sich über den BrUckenzina zu
Bonemesa und Hausen zu beschweren. Der Rath' beantragte die
Mule in Augenschein zu nehmen. Auf einem weiteren Märkergeding
Mitwoch nach Apollonia, 11. Febr. 1523, wurde ein Gebot des Wal-
potten, Landgrafen Philips zu Hessen mitgetheilt, nach welchem dem
Kupferschmitt zu Bonemesa kohlen für Geld zuzuführen erlaubt sein
solle; der Keller zu Homburg that dem gemäss das der kohlen halb
von den Märkern erlassne Verbot namens seines Herrn auf. Dagegen
ist der lautmann alsbald fast unwillig worden, und gesagt „sie woll-
ten darin nit willigen, die Mark sei ihre; man könne das Ihre also
nit hinweggehen." Die Märker haben Bedacht genommen und dem
Keller mittheilen lassen „der Lantmann hätt sich dess, wie beschehen,
zu dem Waltpotten nit versehen, sie wären ohnwissend von E. Erb.
Rathe der Stadt Frankenfurt beklagt, sie begehrten die Klagschrift
um darauf zu antworten, sie könnten dem Bescheid nit geleben, und
wollten auoh itzo verboten haben, dass Niemand dem Kessler sollt
24*
Digitized by Google
- 372 -
kohlen zuführen, welcher das aber darüber thät, den wollten sie
rügen. Dess mehr, bo wäre das Verpott hiebevor durch den Keller
und lantraan sainmtlich angelegt, und würd' itzo ohn den lantmau
uffgeben, das konnten sie nit gedulden." Darauf der Keller sagt :
„er wäre gehört, dabei wollt' er's bleiben lassen, könnt' seines Herrn
Bescheid nit ändern". Doch stellte er die Schrift des Raths den ge-
mein Märkern zu, forderte sie auf zu antworten, sein gn&d. Herr
würde ihnen nit unrecht thun. Er wollt' allen denen die dem Kessler
Kohlen zuführten für allen Schaden sprechen, wollt' leiden daas man
sie rüget, aber das pfenden nit, das habe allein sein gn. Herr zu
thun, und sie nit. Er gestund ihnen auch keines gebots oder Ver-
bots in der Mark, auch das habe nur sein gn. Herr zu thun. So blieb
Auf dem weiteren gebotenen Märkergeding auf Petri und Pauli
1523 erschien Assmus Widdersheini Keller zu Homburg, dann Ha-
mann von Holzhausen, Conrad Weiss und Johann Marsteller Rath-
schreiber namens des Raths, weiter verschiedne Abgeordnete der
Herrschaften und des lantmans eine gute Meng. Der Keller zeigt
an dass die Irrungen der Kohlen halber zwischen einem Erb. Rath
der Stadt Frankfurt eines, und dem lantman anderntheils sich er-
halten, desshalb sein gn. Herr von Erb. Rath durch eine Supplica-
tion angegangen, darin „etliche recht gebott" vorgeschlagen worden,
desshalb er damals alle angelegte gebott und verbott abgethan und
widerrufen. Dieweil etliche Märker wären, die seines gn. Herrn ge-
bott verbieten thäten, und was sein gn. Herr als oberster Waldpott
aufgethan, sie dies gemeinlich zugethan, das gereiche seinem Herrn
zu nicht geringem ohnleidlichen Abbruch. Darum hätte er von sei-
nem gn. Herrn den Befehl vom lantman einen Abtrag (Widerruf)
zu fordern, den begehre er jetzo von ihnen. Wollten sie ihn nicht
bewilligen so hab' er einen andern Befehl ihnen fiirzuhaltcn, der
ihnen wenig gefallen würde. Darauf hat der lantman einen Bedacht
genommen und durch Hans Urber, den Schultheisseil zu Oberursel,
reden und furtragen lassen : Das Verbot der Kohlen sei mit Willen
des Kellers von Homburg geschehen, so aber der Rath von i rankiurt
dem landgrafen geklagt, und sie, die Märker, noch nit gehöret wor-
den, wäre von Nöthen dass man auch sie Hess zur Verantwortung
kommen. Sie wollten auch eine Schrift an Se. Gnaden machen las-
sen und darin alle ihre Mängel und Gebrechen anzeigen. Es Wäre
bekannt, dass die Schmitt zu Bonames nit über 10 oder 11 Jahren
gestanden, darum gestünde man ihr kein Mark recht. Darauf be-
merkte der Keller: Er wäre gehört, er wäre nit zugegen mit ihnen
es diesmals dabei.
Digitized by Google
— 373 -
zu „taglayssen" sein gn. Herr werde wol Lout haben, die geschickter
wären denn er ; verlangt nochmals, wie vorbegehrt, den Abtrag. Der
Lantman aber erwiderte, sie wollten kein gebot haben, und „hatt
ein unfreundlich Gemurmeil gehabt, also dass der Keller sich ent-
setzt und eyn andern Weg ftirgenomen" sich bedacht und gesagt,
er dürfte dem lantman rathen, dass sie ihr Gebot Hessen absein, und
seines gn. Herrn Gebot Hessen fürgehen, bislang die Sach geordnet
oder die Mule besichtigt würde, damit Niemand unrecht geschehe.
Aber der Lantman sich nit bewegen lassen, sondern beharrte auf
dem Fürnehmen, wie er die Verantwortung und Bericht in Schriften
wollte verfassen lassen**. Also nach vielen Reden und Widerreden
sagte der Keller: er gebiete allen Kölern und Märkern dass sie der
Kupferschmid Kolen sollten zufilren bislang die Sach geordnet werde.
Er wollt auch einem Jeden vor allen Schaden versprechen. Darwider
soll auch Niemand reden. Da waren etliche Märker die das wider-
sprachen, und sagten sie wollten das widersprechen. Also sagt der
Keller zuletzt: er wollt die Sach diesmal« bei seinem Verbot und
Gebot bewenden lassen, sein gn. Herr wttrd' sich gegen Inen wol
zu halten wissen ; nahm Herrn Haman und Conrad Weissen zur Seite,
sagte ihnen: dass er seines gn. Herrn Gebot nit angelegt wäre
dies die Ursach, dann er besorgt wo er das gethan, es wären dem
Lantman Pferd, Kühe und anderes genomen worden ; dadurch andere
von der Ritterschaft als Grafen Herren und Edelleut zur Sach und
ohn Willen kommen wären, dass dann vielleicht mehr zu ohnnutz
dann zu gutem komen möcht. Darumb hätt' er das unterlassen.
Darauf Eberhart Schenck zum Keller gesagt: Ein Edl. Rath sei nit
gemeint Unwillen zwischen dem lantman aufzurichten, sagt also dem
Keller Dank. Dieser verspricht er wollt selber in die Höhe reiten,
und allen Kölern von wegen seinem gn. Herrn gebieten der Kupfer-
schmitten Kolen zuzuftthren. Dabei blieb es. Doch hatten etliche
vom lantman gesagt, so dass es der Marsteller, und auch des Amt-
manB Knecht, der schmit zu Bonemesa gehört: sie wollten dieKocler
alle erschlagen wenn sie Kolen nach Bonemesa führeten.
Am Tage Margarethae Virginia in anno 1523 überreichten die Mär-
ker eine Schritt an Herrn Phillipaen, Landgrafen zu Hessen, den Walt-
potten. Sie sagen darin : Es hab ein Erb. Rath zu Frankfurt in den
letzten 11 Jahren jenseit der Nidd und dem Flecken Bonemesa ausserhalb
" Weiterhin wehrte er sich wieder gegen das „in die Feder1' redon.
Digitized by Google
- 374
des Bezirks darin das Markrecht herbracht sei, ein kupferschraitten
gebaut and ein Zeitlang ihre kolen zum theil aus der Mark doch ohn
der Märker gemein Erlaubnis» oder wissen, um ihr Geld bestellt und
sich des stillschweigend also zu brauchen unterstanden, bislang solches
an sie, die Märker, auf gemeinem Märkert&g gelangt sei. Die Mär-
ker hätten sich unterredt die weil solch Schmitten jenseit der Nidde
gelegen und zufüren der kolen ein Neuerung were, darauf nach ge-
meiner Mark Herkommen entschlossen, man sollt es von Sr. F. Gn.
als obersten Waltpotten wegen verbieten. Welches s. F. Gn. Keller
zu Homburg „wie sich auf beschluss des Merckers gebürt, auch ge-
than". Dabei sei es ein Zeitlang also blieben, dasa wiewol der Rath
zu Frankfurt zu mehrmalen darwider habe klagen lassen, die Märker
doch und Sr. F. Gn. Keller mit ihnen auf gemeltem beschluss des
Verpots bestanden. Die von Frankfurt hätten dann die sach zu ihrem
glimpff aufgemüzet, und Sr. F. Gn. derhalben bevelh geben, die be-
rührten Verbot abzuschaffen und es bei dem alten Herkommen bleiben
zu lassen. Dieses letztere, dass es bei dem alten Herkommen bleiben
solle, haben Bie gerne gehört, und die Sach auf ihrem ersten Beschluss
bestehen lassen, ihres Vermuthens nit unbillig, nicht als ob sie den
befehl freventlich übergangen sollten han. Das Verbot sei ihren
Rechten und dem Instrument zuwider welches besage: was der ge-
meyn Mercker cyntrechtiglich beschloss soll der oberst Waltpott
hanthaben. Die von Frankfurt möchten noch mehr Schmitten
bauen, und würd die Lenge der Mark nit genügend sein, ihnen zu
ihrem Wesen kolen zuzulassen. Am Spossart und andern grossen
Wäldern gehe es am Holz allenthalben ab, desgleichen in der Hoben
Mark gestatte die Notturft kein Neuerung. Sie verlangen von ihrem
gn. Herrn und Waltpott dass er sie schirme.
Ks ist in dieser Schrift zu beachten, wie die Märker den feinen
Unterschied des Römischen Rechts zwischen Besitz und Herkommen,
wol mit einem gewissen Hohn, Ubersehen und glauben machen wollen,
der Rath habe nur auf Letzteres sich berufen. Ebenso ist es be-
merkenswerth wie der Waldpott seinerseits im Folgenden die Stellung
eines Römischen Prätor einzunehmen sucht und seinem Amtmanne
Aufträge gab, ähnlich wie der Römische judex sie erhielt. Der Land-
graf theilte die Antwort der Märker dem Rath in einem Schreiben
d. d. Sontag nach Jacobi ap. 1523 mit, es heisst darin: Unsem
günstigen Gruss zuvor. Wir haben den gem. Märkern befolen die
kupferschmitt in ihrem brauch zu lassen, wie das von Alter Her-
kommen wäre; nachdem aber sie weiter darüber gehandelt, einen
Abtrag von ihnen gefordert, darauf sie uns Antwort gegeben wie
Digitized by Google
- 375 -
hierin zu vernehmen. Wenn also die sach wäre wie die Merker an-
zeigen, wiewol wir auch zu willfahren geneigt wären, müssen wir es
, dabei lassen; wo es ein ander Gestalt hat, möcht ihr uns Bericht
darauf geben, seint wir geneigt „soviel uns mit Icht fugen will8 der
G-epfire und gnädlich darin zu halten. Es beeilte sich hierauf der
Rath zu erwidern, wie seit Jahren der Mühle kohlen zugefürt wor-
den, es sei mit Wissen und Erlaubnis» der Märker geschehen ; als der
Rath im Jahr 1521 auf dem Märkerding sich beschwert, etliche ver*
hinderten daas kohlen zugefürt würden, hab der Keller gesagt, er
wisse nichts von solchem Verpot, er hab es nicht gethan. Der Rath
bemerkt weiter, die Muhle liege nicht jenseit der Nidda, es sei altes
Herkommen daas man jeden Märker bei seinen Rechten belasse. Das
Instrument gäbe dem lantman nicht das Recht Gewaltsamkeit zu
üben, noch dem Waltpotten ungerechtes Fürnehmen einem Dritten
zum Nachtheil zu handhaben. So der Landman in seiner eignen
Sach rechteprechen möcht und den Mitmärker seines Rechts entsetzen,
so möcht er heut einen und morgen den andern hinauswerfen, und
ihnen ihr Recht nach Gelieben nehmen. Darum sei die unterthenigste
bitt s. F. Gn. als oberster Waltpott und beschirmer solcher obbe-
stiramten Recht und Gerechtigkeit wolle den Rath als Mitmärker bei
seinen unleugbaren beaeß und Rechten erbieten, handhaben und dem
Gebot Vollziehung thun.
Der Waltpott war damals offenbar in grosser Verlegenheit; einer-
seits das Drängen des Frankfurter Raths auf sein gutes Recht, an-
derer Seit» die drohende Bewegung des lantmans; dazu kam seine
Betheiligung an der Fehde mit Sickingen. Am Sonntag nach dem
h. Dreikönigstage hatte er von Cassel aus dem Rath geschrieben, er
wolle seinem Amtman zu Eppstein und Keller zu Homberg vor der
Höbe thun schreiben und befehlen mit Fleiss in die Dinge zuzu-
sehen, dass es wie vor Alters gehalten werde. Ein zweites Schreiben
datirt am Sonntag nach Corpus Christi 1523 aus dem Feldlager bei
Ebernburgk besagt : sobald er wieder innerhalb Landes gekommen
wäre, wolle er verschaffen dass das besehenen Verpot aufgethan, den
Schmitten kolen zugeführt werden. Es folgt nun ein drittes Schreiben
d. d Cassel, Freitag nach Assumpte Mariae 1523 an seinen Amtman
Herwigen von Lauerpach: Wir schicken dir hierbei Abschrift eines
Berichts uns von den zu Frankfurt zugeschickt, belangend diesclbigen
von Frankfurt von wegen einer kupferschmitten, und die Märker in
unser Homburger Mark uf der Hohe, und dieweil die von Frankfurt
sich anmaassen dass sie solcher Schmitten halber des Markrechts in
gemelter Homburger Mark in bescas, und desshalb offenbar sein soll,
- 376 -
auch darauf vorige unsere bescheid und befehl gefallen, und aber die
Märker solches dermassen nit gestendig sein wollen; — ist unser
befehl dass du dich in solchem sommarie erkundigst und wo es noth
thut beide theile darzu forderst, desshalb ihren Bericht und weiter
Beibringung zu hören, und wo du befindest dass die kupferschmitt
in Bonames in besess ist, oder je zum wenigsten das» sie in sechs,
acht oder zehn Jahren dem nächsten, kohlen aus der Höhe gebraucht
hat, alsdann „von Unsern wegen als obersten Herren und Waltpot-
ten gemelter Schmitt solche kolen further bis zu rechtlichem Austrag
der Sachen zu gebrauchen vergennest0, auch dasselbige bei den
Merkern unverhindert geschehen zu lassen verschaffest, und denselben
Merkern ansagest: wo sie darin Beschwerung hätten, dieweil dann
solche Irrung zwischen ihnen und den von Frankfurt schwebt, der-
halben die Märker, als Partheien, unsere Fürsehen nit urtheilen
mechten, so wären wir geneigt als der Oberherr und Waltpott gen
Homburg Tag zu setzen, die Gebrechen auch beider Tlieil bewei-
sung eigentlich hören, und darin was recht ist geschehen zu lassen,
und dass darauf ein Theil den andern bei recht und Gewalts erlassen,
daran geschieht unsere Meinung. — Der Amtmann sollte also zufor-
derst über die Besitzfrage Untersuchung einleiten, dann Uber das
Recht selbst Er ordnete eine Tagfahrt nach Bonames, Dienstag nach
Mathai den 22. Sept 1523; es fanden sich daselbst ein von Seiten
des RatliB Dr. Niclaus Rideker, Advocat, Haman von Holzhausen,
Schöff, und Conrad Weiss, Rathsfreund, samt Joh. Marsteller dem
Bereiter und etlichen Söldnern, weiter etliche vom gemayn landt-
mann; anstatt Ss. gn. Herrn zu handeln war der Ambtman vor der
Hohe Helwig von Lauerspach zugegen „auf der Wiesen zwischen
dem Müelgrabeu und der Nidda, nahend bei dem Weher, so dass
Wasser auff die gnant sclimit zwingt". Daselbst baten die von Frank-
furt den Amtman des besess halben zu handeln, und dass der Schmit-
ten bis zu rechtlichem Austrag kolen zugeführt würden zu verschaf-
fen. Sagt der Amtman solche Meinung steh noch bei ihm dem lant-
man fÜrzuhalten; Er besorge die Pauern würden solchs nit thun ;
er wollt doch Boviel möglich darin handeln. Ging also zum lantman
mit dem des Tags Eröffnung halben zu reden. Er verlangt dass ihm
diejenigen genant würden welche der kupferschmitt kolen aus der
Mark zugeführt, damit er sich der Sachen erkundigen möcht Dem
widersetzte sich der Schultheis« von Oberursel und Grosshenne von
Homburg : der lantman könne jetzt keine Antwort darauf geben, er
bat um ein gemein Märkerding, dass alle „die Lehenherrn und Jun-
kern so Mark recht hetten, dahin kommen mochten, damit Inen und
Digitized by Google
377 -
der Mark nichts entzogen würde*. Die von Frankfurt erboten sich
die Namen schriftlich dem Amtman zuzuschicken; sie beriefen sich
dann wegen de» Hechtes selbst, auf den Augenschein „dass der
Graben so uff die kupferschmitt lief, nit die Nidd hieß*. So gefragt
würde : wie heisst das Wasser so auf die kupferschmitt lauft müsst
gosagt werden: der Mülgraben so auf die Müle lauft; und wieder so
gefragt wurde wie heisset das Wasser „den Straumb der Nidd mey-
nend", müsst gesagt werden: die Nidd. Aus dem klarlich abzunehmen
dass die Mühle nit auswendig, sondern in der Mark gelegen wäre.
So wäre länger denn Menschengedenken eine Walkmühle an Statt
der Kupferschmitten gelegen gewesen, die als in der Mark gehalten,
und darwider keine Einrede gethan worden. Schliesslich wurde vom
Amtmann ausgesprochen, dass ein jeder so vom lantnian zugegen
gewesen seinen „Nachpauren" diese Handlung entdecken soll, damit,
wenn sie zum nächsten Märkerding kommen, ein Jeder wissen möge,
was er thun und lassen sollte. Und sagt ferner, er möoht wol leiden,
dass sie „geschickt leuth dahin schicken, dann wenn sie Ochsen da-
hin verordneten, so zugennd (zögen) sie als die Buffell und kont
niemant mit Inen neherr komen, so stunden der ejus tails und
sagten von mehen oder sehenn, die andern hörten nichts zuu. Solche
Spässchen hörte man gern, doch ist es dabei geblieben, dass ein
Märkergeding aolt vorkündet werden. Mitwoch nach Pfingsten 1524
erschien auf der Au vor Oberursell Jacob Widdersheyn, Schultheiss
zu Homburg samt dem neuen Keller daselbst als Anwalt des Ober-
sten Waltpotten, Johann Brennel (Brendel) als Markermeister, dann
Fridrich von Ryffenberg, N. Karspach, Eberhard Schenk, weiter
Conrad Wcibs und Johann Mars toller. Als der lantnian die Wahlen
allzusehr in die Länge zog, vertilgte sich Herr Conrad Weiss mit
dem Rathschreiber in den Kreis, brachte die Irrung wegen der kolen
vor, bat in Ansehung der billigen Gerechtigkeit nochmals von ihrem
unbilligen Fümohmen abzustehen. Darauf sich der lantman bedacht
und nach guter Weile einen Kreis gemacht und in Beisein des An-
walts von Homberg der kolen halb geantwortet: Sie gestehen der
kupferschmitt kein Gerechtigkeit, denn sie lieg in der Nidde, so sag
das Instrument man soll darin kein kolen geben.
Freitag nach Corpus Christi 1524 ist auf Ansuchen des Raths
der durchlauchtig hochgeborn Fürst und Herr, Herr Philipps Land-
grafen zu Hessen aammt seinem Canzler zu Bonemesa auf den Augen-
schein, die Kupferschmitt belangend erschienen, die besichtiget, auch
den Fluss des rechten Straumbs der Nidd gesehen und E. Erb.
Raths Bericht empfangen. Den Gesandten des Raths wurde durch
Digitized by Google
- 378 -
den Canzler in Antwort begegnet: Auf das Widerabreiten vom
Schiefleen zu Heidelberg sollt E. Erb. Rath ansuchen, wollt sein
Gn. ein Märkerding machen und ehrliche Käthe zur Handlung, darin
die Partheien *zu verhören, bei den Augenschein verordnen lassen.
Freitag nach Bonifacius ist darauf Johann Marsteller bei s.
günst Herrn, dem Schrauttenbach zu Cronberg gewesen. Sobald
dieser abgesessen und sich ausziehen lassen, sei er im Schloss oben
erschienen, habe um Tagsatzung angesucht Schrauttenbach habe
begegnet, er wolle es seinem gn. Herrn anzeigen, habe ihn auf den
Abend wieder beschieden, dieweil die Räth noch hernidden im
Flecken gewest Also sei er um '6 Uhr wider hinauf gangen und
habe sich ansagen lassen. Bald darnach seien Schrauttenbach und
Herwig von Lauerbach, Amtman zu Eppstein und Cronberg zu ihm
kommen, der gn. Herr lasso ihm sagen, wie er dem Amtman Helwig
Befehl gethan das Instrument der Mark zu ersichtigen und auch
sonst bei den Märkern in Erfarung zu bringen, ob der Tagsatzung
halber ein benante Zeit im Instrument, oder sonst der Mark Brauch
were ; wo dann dem also, denselbigen Weg zu halten, die Räthe und
Gerichtschreiber zum Verhöre zu verordnen. J. Marsteller bedankt
sich dieser Antwort mit der Zuversicht E. Erb. Rath werde s. f. Gn.
freundlichen Dienst aüerzeit gern willig gedenken, gedienen und on ver-
gessen sein. Er berichtet dann weiter: „demnach hat Schrauttenbach
J. Hellwig von Lauerbach gleich bevolhen mich im Saall bei dein
Essen zu behalten. Darauff ich mich bedankt und angesagt daß
glych uffsitzen und den Weg geynh Frankfurt woll ftirnemen. Da
hab ich doch zuvor mit dem Amtman in den Keller gehn und eyn
Drunk nemen müssen. Hab also bei dem Herrn Schrauttenbach und
Juncker Hellwig mein freundlichen Abschaid erhalten, der mir aber-
mals zugesagt des Tags und der Benennung Indenk zu sein und
aufs fürderlicbste zu vollnziehen. Dabei plieb es0.
Auf dem Märkerding Dienstag St Lucastag wurden die Gesand-
ten der Herrschaften vom Keller zu Homburg gefragt, ob sie mit
E. Erb. Rath gütlich Verhöre annehmen wollten oder aber rechtlich
für s. gn. Herrn den landgrafen rurkommen wollten. Sie haben nach
einem Bedacht dem laut man angezeigt, und die überredt die Güte
zu verfolgen; es ist solches durch Philipp Ryffenstayn von wegen
der Märker öffentlich zugesagt worden. Darauf wurde Dienstag nach
Martini als Tag zum Gttteversuch bezeichnet Es eröffnete denselben
in Homburg der Edel und Ehrenvest Helwig von Lauerpach mit
begehr ihm etlicho Schreiber zuzugeben, clage und Antwort aufzu-
schreiben, dann ihm solche Fürtrag im Haupt zu behalten unmög-
Digitized by Google
- 379 -
lieb wäre. Die Edelleute samt dem Lantman erklären dass sie allein
dem Waltpott zu Ehren, Ihren Rechten unvorgreiflich, erschienen
seien; es wäre dem Weisthum und ihren Markrechten zuwider „in
Bchriften etwas zu handien, sondern wollt E. Erb. Rath etwas clagen,
das sollt mondlich geecheen, und in Lufft geredt werden ; wollten sie
sich daruff bedenken und Antwort geben". Der Amtman sagt „were
ihm nit müglich zu behalten, was in Luft geredt werde, darum were
sein Bitt noch als vor". Der lantman wollte aber nit in die Feder
reden, begehrten dass die Klage in der Güte geschehe mündlich,
wo aber nit, begehrten sie den Tag bis zu einem Märkerding „uf-
zuschurtzen*. Als sich beiderseits viele Rede verlaufen, sagt der
Amtman „der tag sei gelayst, er konnte nit meh thun", dann er
möge wol seinem gn. Herrn anzeigen, warum und wesshalb sich
dieser Tag gestossen habe. Darauf Eines Erb. Raths Gesandten dem
Amtman gedankt und gebeten dem Waltpoden zu entdecken dass
sie an dem Zerstossen dieser Handlung nicht Schuld gewesen.
So sah der Rath sich genöthigt Samstag nach Katharina 1524
rechtliche klage zu erheben. Die Form derselben ist hier nicht un-
wesentlich, sie beginnt:
„An Herrn Philipsen, Landgraven zu Hessen. Durchlauchtiger,
hochgeborner Fürst! E. F. Gn. seien unser unterthänig willig Dienst
alles Fleiss zuvor bereit — Gnädiger Herr. — Der Irrung und
Gebrechen halben so sich zwischen dem lantman und unsern Mit-
merkern der Homburger Mark eyns — und uns, unser kupferschmitten
halben zu Bonemesa anderntheils erhalten". Die Klage gedenkt im
Eingang der Verhandlungen vor dem Märkergeding, und des Güte-
versuchs bei welchem aber „nichts fruchtparlichs gehandelt8 weiset
hin auf den genommenen Augenschein und die Offenkundigkeit dass
die kupferschmitte in der Mark liege, deshalben wie andere Schmit-
ten darin gelegen , Markrecht habe. Viel Jahre habe sie dies Recht
geübt, der Keller tu Homburg habe der Märker Verbot wiederum
geöffnet. Es wäre unbillich dass dem grossen Haufen der Märker
gestattet werden sollt den cläger von seinen offenbaren Markrechten
ohn einig vorgehend Gericht, recht oder Erkantniss zu verunrechten,
dieser wisse anders Niemands um gebür liehe Hilf „dann den obersten
Waltpotten und Herrn der Homburger Mark" anzurufen. Die Bitte
geht dahin Se. F. Gn. wolle gnädigl. verfügen, dass der Schmitten
kolen bis zu Austrag der Sachen zugeführt werden, und den so
kolen fuhren, für schaden sein und dass sie Arges nit zu gewarten
haben. „Wo dann die Märker je vermeinen wollten, dass solüchB nit
sein sollt, so wollen wir ihnen desshalb fürderlichs und schleunigs
Digitized by Google
I
- 380 -
rechtes vor E. F. Gn. als dorn obersten Walltpotten und Herrn der
Markh, nit vor sein, des wollen wir uns ... zu Ew. F. Gn. als
unserm gn. Herrn untertheniglich verdrehten und solchs alles Vleis
umb dieselben E. F. Gn. wiederumb zu verdienen willig und bereit
erfunden werden". Der Rath bittet zuletzt um schriftliche geneigte
Antwort
Diese erfolgte schon, von Cassel aus, Montag nach Andrea
Ap. Sie war ausweichend, im Gefühle einer bescheidenen Machtstel-
lung abgefasst Der Waltpott schreibt: er sei nit gemeint die Zufüh-
rung der kolen zu hindern, sondern des Gemüts so viel an ihm läge
kolen zuzuführen zu gestatten, dass er aber vor Schaden sein und
dem gebürliche Verhütung thun solle „das will uns, als ihr selbe zu
ermessen habt, beschwerlich sein. Wir lassen aber geschehen, dass
ihr auch etwas besess, soviel recht ist, geprauchet, was uns dann
unsern theils als aynem obristen Waltpotten und Herren der Marek
dartzu zu thun gebürt, an dem soll an uns keynn Ifangeil gespürt
werdenn".
Zum Schlüsse dieser Verhandlungen findet sich dann in den
Akten Mglb. E. 29. IIb. S. 95 noch eine förmliche KlagBchrift des
Raths, welche mit den Worten beginnt: Für euch, den ernvesten
und verordneten Rathe des durchl. hochgeb. Fürsten u. H. etc. er-
scheinen Eines E. Raths zu Frankfurt AnwäJde zu, „gegen und wi-
der die ernvesten und ersamen landtman und Merker der Homberger
Mark, und bringen nachfolgende Meynung in schlechter erzelung
der Geschieht in Recht klagweiß für", und sagen, dass wiewol die
kupfermülc zu Bonamese in der Homburger Mark und derselben
bezirk gelegen sei, und desshalb Markrecht hab, so
sei doch auf begehr des gem. lantmans und Merker der Hom-
berger Mark verboten worden, dass der kupferschmitt zu Bona-
mes a und den Inhabern derselben kolen aus der Mark zu-
•
geführet, oder um ihr Geld verkauft werden solle. Verhandlungen
auf den M&rkerdingen und Gttteversuch seien vergeblich gewesen.
Demnach sei der Anwälte „in recht bit und begehr an die verord-
neten Ruthe .... sie wollen mit endlichem Rechtspruch sprechen,
urtheilen und erkennen, dass vielgemelter gemainer lantman und
M&rker der Homburger Mark solch Neuerung fllrzunohmen und Ver-
pot legen zu lassen und zu verschaffen nit gepürt und daran Unrecht
gethan habe, dass auch, solch vermeintlichen Verpotts onangesehen,
der kupfermul zu Bonemesa und Inhabern derselbigen Markrecht
gleich andern Merkern . . folgen, gedeyen, auch Holz und kolen
zugefürt werden sollen und mögen; alles mit erstattenden kosten und
Digitized by Google ,
I
- 381 -
schaden .... mit ferner angehängter Bitt, in diesem Fall was Recht
sei zu sprechen, und ihnen den Anwälden anstatt eines Erb. Raths
zu Frankfurt dasselbe mitzutheilen, auch den Gegentheil uff solche
Klag zu antworten und den krieg für allen Dingen zu befestigen
anzuhalten8. Es folgt zum Schluss der gewöhnliche Vorbehalt die
Klage zu mehren und zu mindern.
Wie diese Sache zu Ende gegangen, darüber findet sich weiter
nichts vor. Wahrscheinlich hat der Rath für klug angesehen, sie
beruhen zu lsssen. Im Jahre 1561 wurde sie auf einem Märkerding
wieder angeregt: Es hab sich in kurzer Zeit ein Messerschmit gen
Bonames gesetzt, der verbrauch' zu seinem Hantwerk soviel kolen
und Holtz, dass es der Mark zu grossem schaden reiche; desshalb
auch die Hufschmid, Waffenschmid , kopferschmid, Schlosser und an-
dere in der Mark gesessen, darüber klageten es kom' ihnen zu gros-
ser beschwerung, dann der Messigschmid näm' die kolen so theuer,
das» sie keine kolen können bekommen, er halte auch einen sonder-
lichen knecht und ein Pferdt des Walds halben, der ihm Holz und
kolen zuführe. Darauf haben sich die Märker besprochen und bedacht
dass vor Jahren eine kopferschmitte zu Bonmes sei gewesen, die sei
abgangen, aber anstatt derselbigen sei eine BapiermttH eingerichtet
in dero wol soviel oder mehr Holz und kolen verbraucht werden
als zuvor in der kopferachmitten verbraucht seien, dass aber gar
darüber nun auch eine kopfer- oder messig-achmitten (zu verderbung
des Walds) angerichtet sei oder wöll werden Das sei gar ein neues.
Auch einen Glasmacher haben die Märker nit wollen leiden, ebenso
Eschenbrenner. Henrich Riedesell hab wollen Kalk zu Obern Espach
lassen brennen, aber die Merker habens ihm versagt So sagten sie
auch wegen des messigschmid sie wollen ihm soviel Holz und kolen
als er zu seiner gemeinlichen Haushaltung bedürf, gleich einem
andern Merker gunnen und nit wehren, aber Holz und kolen zu
seinem Hantwerk, das könnten und wollten sie nit leiden.
Auch hier bei dem Rechtsverhältnisse der Ausmärker werden wir
wieder hingewiesen auf den Stolz den der Märker an den Tag legte, dass
er in der Mark auf seinem eignen Grund und Boden stehe. Würde,
so heisst es auf dem Märkerding, Catharinentag 1401, ein Märker
begriffen der die Mark schädigte, den sollen die Märkermeister oder
Förster rügen und nit pfänden, der solle zu büß verloren haben
xv tornese. Würde aber, so heisst es weiter, ein Ausman in der
mark begriffen, der da innen gehauen hätte, der hätte „lip und gut
verloren, und sulde man den Manne antworten dem Walpoden, der
raitlme leben mag wie er will, anc den dot und lemede"; die Pferde
Digitized by Google
- 382 -
Bollen werden dem lantman, und von den Pferden den Märkermeistern
viü ß heller, und Wagen und Geschirr den Förstern. Ebenso wurde
auf dem Mfirkerding von 1438 gesagt: wäre es dasa ein Märker in
derMarg begriffen würde, den solte man nit pfenden sondern rügen,
der solte xxx Schilling geben, davon solt werden ein Pfund den
Märkcrmeistern und x ß den Furstern. Wurde aber ein ußwendig
man dar inne begriffen, da soll man den Mann antworten eym
Walpoden mit dem mag er umbgeen wie er will, also dass er ihn
nit töde oder lühmete.
Die Bezeichnung als Ausmärker enthielt also keineswegs bloss
die Erklärung dass Jemand nicht an dem Gebrauch der Mark theil-
zunehmen berechtigt sei, sondern auch dass der Schutz der Mark
ihm entzogen, dass er der Gewalt des Waldbotten uberlassen, dieser
bei Waldfreveln zu überliefern sei.
Im Jahre 1551 wurde auf dem Märkerding geklagt, dass die
Arnßheimer und die von der Wyll, eine Hege so dem Walde zu
gute gemacht war, verwüstet hätten ; sie sollen für solche Ueber-
fahrung20fl. den Märkern zurBuss geben, wenn sie nit in 14 Tagen
bezalt, sollen sie für Ausmärker „eingetrieben* werden. Weiter die-
weil der Schultheiss zu Reiffenberg in einem verbotenen Hegewald,
der Scharterwald genant, Holz erlaubt hat, und doch kein Holzgeber
noch Merkermeister nit ist, soll er den Merkern 10 fl. zu Bus* ge-
ben, in 14 Tagen vorlegen; wo nit so sollen sie vor Ausmärker ge-
halten werden. Im folgenden Jahre ist der Häge am Pfutzenberg
gedacht, so durch die Reiffenberger und Arnoltshainer verhauen sei.
Dann heisst es 1554 das» die Reiffenberger noch kein Bcweisung des
Bettsteins wegen gethan; endlich Heisst es im Jahre 1562, dass der
Dielnberg oder BeÜnstein und der kleine Be tstein ausgelocht wer-
den solle, auf dass keine Irrung derenhalb furfalle, doch onbegeben
den grossen Bettstein; durch die Arnßhainer sei eine Säuheck in der
Höhmark gemacht, und viel Holz dazu gehauen und verderbt wor-
den, die Märker haben auch angezeigt : die Reiffenberger, Arnßhainer
und andere jenseit der Höhe, als die Mark ausgegangen worden,
seien sie in dem Scharterwald von dem rechten Lochwege einen
andern Weg gegangen, haben den Dielnberg, den grossen Bettstein
und den kleinen Bettstein alle von der Mark gegangen, so doch
allein um den grossen Bettstein Irrung gewesen; als auch diese
gelocht worden, so haben darnach die Reiffenberger ohn Wissen
und Willen der gemein Merker die gehauenen Loch an dem kleinen
Bettstein ausgehauen, und haben darüber den grossen Bettstein ihnen
zu, und den Märkcrn abgelocht — haben die Merker sie uff diesmal
s
Digitized by Google
- 383 -
von der Mark ausgeschlossen, wollen sie für Ausmärker erkennen
und halten. Im folgenden Jahr begehren darauf die zwen Stamm
von Ryffenbergk and Hattstein Anzeig, warum die Mark er ihre Un-
terthanen aus der Mark geschlossen. Die Marker geben an: die Un-
terthanen haben gut Wissens dass sie in viele Wege der Märker
Ordnungen zuwider gelebt, seien auch noch vieler alter Bussen
schuldig; die Byffenbergsen und Arnßhainer seien ein tbeil des
Scharterwalds und den Dielnberg, den kleinen und den grossen
Bettstein von der Mark gegangen „darumb können die gemein Mer-
ker sie nit für Mitmerk er erkennen". Den Förstern wird befohlen,
wo sie die Byffenbergsen oder Arnßhainer in der Mark betreten,
sich dero zu gebrauchen, so sollen sie dieselbigen „mit lyben und
Hab gen Hombergk dem Waltpoten liefern zu straffen als Ausraer-
ker". Darauf fanden sich die beiden Ortschaften erbötig sich mit
den Merkern der ganzen Mark zu einem gütlichen Vertrage zu ver-
gleichen; es wurde auf den 25. Oct. 1565 ein gütlicher Tag nach
Homburg vor der Höhe eingesetzt um die Irrungen der Märker
diesseits und jenseits der Höhe zu entscheiden. (Mglb. E. 29. III.
S. 12 ff. S. 33. 37.)
Theidigungstag. Es bildete sich früh schon der Gebrauch
aus, dass nur die wichtigen Gegenstände bei dem ganzen Märkerding
verhandelt und zur Entscheidung gebracht wurden, andere wurden
nur dem Märkerding mitgetheilt, von diesem dann ausdrücklich oder
«tillschweigend einem Ausschusse zur Erledigung überwiesen. So
wurden insbesondere die oft sehr zahlreichen BUgen nur verlesen,
den Betroffenen stand es frei sogleich sich zu verantworten , zu ver-
theidigen, oder auch 14 Tage nachher auf einem Ausschusstag zu
Homburg dies zu thun «°. Dieser Tag welcher vorzugsweise sich mit
dem vertheitigen odertaidingen der Gerügten zu befassen hatte, hiess
desshalb der Theitigungstag oder auch, weil die Vertheitigung meist
gar nicht versucht wurde, der Bußsatztag, oder gar der Afterbus-
theidingstag.
Ein sehr unleserlich geschriebener Bericht über den Tag Don-
nerstag nach Conception Mariae 1478 (Mglb. E.29. II*. S.22.) theilt
r*o So in der Schweiz die Nachgemeinde, 8 oder 14 Tago nach der grossen
Landsgemeinde, welche öfters von den Wahlen, ganz in Anspruch genommen
war. Sie gehört zu dem regelmässigen Organismus der Behörden. Die Ver-
pflichtung zum Erseheinen fällt bei dieser weg; sie wird schwächer besneht
Blumer, Staats- n. R.-Gesch. d. Schw. D. II. S. 103.
Digitized by Google
p
- 384 -
mit wie die beiden Männer von Nieder-Erlenbach , welche Holz aus
der Mark verkauft hatten, nach Homburg beschieden waren. Mit
ihnen erschien Erwin Doge], damals nur als Amtman zu Erlenbach,
Ludwig Waldeck, Schultheiss von Hoemburg, Pilipps von Redelnheira
der Jung, Amtman, der Junker von Eppenstein, Bechtold von Espach,
Märkermeister, u. A. m. Da erzählte Philipp von Redeinheim, es
wär auf St. Katharinentag auf der Aue vor Ursel dieser Tag 6i in
Homburg gesetzt worden, dass die von Erlenbach taidingen sollten
„und dem lantman darbei zu sina, da es sich gebühre dass die Männer
vor seinen gn. Jungherrn den obersten Waltpotten, den Märker-
meistern und dem lantman zu büßen. Darauf sagte Erwin Dogel
„die armen von Irlebach wären also da zu taidingcn und bäten um
Guade und gingen daruff uß.u Also unterredete sich der Amtman
Philips von Redeinheim, Bechtold von Espach 9und etliche vom lant-
man, der nit vi! da waß"; man war der Meinung dass die Märker-
meister und lantman nit unterstünden zu taidingen, da wolte der
Amtman seines gn. Junkhern Meinung auch nicht geben. Darauf
sagte Erwin Dogel, sein Jungher war oberster Walpott, so die
Männer vor sein Gnaden getaidinget hätten, hofften sie bei den an-
dern desto baß gnade zu erlangen, dann der bruch stund uff sage
und wäre klar. Es erhob sich aber bedenken hiergegen. Also sind
sie wieder in die Stube gegangen, da allerlei geredt worden, der
lantman meinte wieder, dass man so nit „getaidingen" könne ; Erwin
Dogel darauf: die armen leute würden also unfreundlicher Weise zu
kosten bracht, und umgeführet, und bat noch ab wie vor das taidin-
gen ufzunehmen, aber da dies nit sein möchte, daß dann die gemein
zu Irlebach wieder zugelassen werde, sich der Mark zu gebrauchen,
denn es sei unbillig, obe ein oder zween von ihnen verbreche, daß
darum eine ganze Gemeinde solle verstoßen sein. Darauf erzählte
PhiL von Redeinheim wie der lantman nit all da wäre, nachdem dann
die sachen lange gestanden, so könnten sie itzt die von Irlebach nit
zulassen, da das müsste durch ein gemein Märkerding geschehen.
Hat man sich abgeredt daß man uff Montag nach Halbfasteu uff die
Au zu Ursel zu einem gemein Märkerding käme und dazu Märker-
C1 Es 6odet sich Uber diesen Tag noch ein kurzer Uericht in Mglb. £. 29.
II. S. 20b : da die Erlenbacber Holz aus der Mark verkaufet, sei ein Versuch
der (iüte anberaumt worden, da auf dem Tag kein ziemlich Usstrag oder Güt-
lichkeit zu erlangen, so sei auf ein voll M&rkerdiug erkannt worden, was nach
altem Herkommen billig sei. Es war demnach jener Tag nicht der eigentliche
Theitigungstag.
Digitized by Google
— 385 — •
meister und den lantman allenthalben mit Macht in die Sache zu
kommen verbotten. Erst auf Montag nach Sontag Lätare 1479 ist
wieder von einem Märkerding berichtet, vor Ursell auf der Au. Es
haben die zwei Männer vor dem Jungher von Eppenstein angefangen
zu taidingen und werden von diesem gebüßt um 1 Achtel Haber.
Darnach 9hat man mit dem lantman getaidingt* also dass die Männer
ihm büße geben, item für Bechtold von Espach, Märkermeister, der
saget er wolle sein büße der armen fallen lassen ; ,,damit sollich bruche . .
vertaidingt ist" ; es werden die von Irlebach wieder zugelassen.
In dem Instrument von 1484 ist auch über das theidigen Weis-
ung geschehen. Art. 17 sagt desshalb : Wer gerüget wird, dem soll
man seinen Sühntag vor Ursel auf die Au bescheiden und gelüst den
daselbst zu theydigen, das mag er thun; und ob einer auf denselben
Tag nit theydigt so soll man ihm ein andern Tag, nemlich darnach
Uber 14 Tag gen Homburg bestimmen. Theydigt er auf dem da-
selbst auch nicht, so mag ihn der Waldbott und Märkermeister, jeg-
licher nach seiner Gebühr, vor ihre verfallnen büß pfänden.
In derOrdnung von 1594 heist es im Art. 29 : Ein jeder Flecken
solle seine Bußfälligen dahin halten, dass sie ihre Bußen auf den zwei
thedingstageu zu Ursell oder Homburgk erlegen, sonst sollen die
Nachbarn alle als Ausmärker eingetrieben werden, bis die Bußen er-
legt sind, und wollen die Märker zugeben dass die büßen ohn ge-
taidingt gesetzet und erhoben werden. Im Art. 50 ist vorgesehen,
dass keine büßen getheydingt werden, die seien denn zuvor auf der
Au gerüget worden.
Auf dem Märkerding am 27. Mai 1607, nachdem die Kugzettel
verlesen, sagt der Keller: wer anjetzo nit thätigen wollte, sei iuner
14 Tagen nach Honiburg verwiesen.
Im Jahre 1703 werden bei Gelegenheit der vorgebrachten Be-
schwerden gegen die Uebergriffe des WTaldpotten bemerkt : bei den
Bußsatztägen seien beide Märkermeister und die Schultbeissen der in
die Hohe Mark gehörigen Hauptflecken zugegen, und würden keine
anderen Verbrechen daselbst gethaitigt, als welche bei dem Märker-
ding angezeiget und gerüget worden, dahero auch einem jeden
Märker freistehe entweder vor öffentlichem Märkergedi ug oder aber
dem folgenden Bußsatztage seine Markbuße zu erlegen.
Da in dem Instrument ein fester Tag für das Theitigen ange-
setzt war, so wurde ganz mit Recht strenge darauf gehalten. Der
Anwalt unterliess es nicht, als er die Rechte der Märker allmälig
kürzte, auch über diese Bestimmung sich hinauszusetzen. Im Jahre
2f>
Digitized by Google
1644 findet sich auf einem Zettel auch die Notiz, wahrscheinlich des
Landbereiters Zeundel, dass die Ruhe (Rüge, Theidigung) nacher
Homburg v. dato über 3 Wochen angesetzt sei „umb gewisser Ur-
sachen willen" welches die Märkermeister mit Protestation dass dem
Herkommen nichts präjudiret werde geschehen lassen. —
Noch ist aus der stürmischen Reformationszeit, aus dem Jahre
1524, das Märkerding, Dienstag sant Lucastag, zu erwähnen. Der
Keller von Homburg fragt ob etliche Mängel, Gebrechen oder Scha-
den in der Mark wären, die seien jetzt dem Märker und gemeinen
lantman zu entdecken. Der lantman antwortet: Er, der Amtman,
möge die Förster darum fragen. Diese gerufen, ob auch die Gebott
in der Mark seien gehalten worden, sagen nein; und erhub sich
also vielerlei Rede. Der Amtmsnn sagt sie würden zulezt die Wald-
ung gar verderben, die armen Leute würden den grössten Schaden
dadurch haben, sie könnten kein Holz hauen und wären doch am
Waldverderb nit Ursach ; wenn sie weise wären, sie würden wohl
anders schreien. Die Märkermeister beklagten sich dass die von
Oberursel und von Niedern Eschpach nit wollten der bueß halb
thevdingen. Da ruckte ein Männlein von Oberursel auf einem Pferd
herfür, sagt, er wäre bescheiden zu reden. Das von den Märker-
meistern angeregte, als solten etliche zu th eidigen sich geweigert
haben, solches möcht wol also bescheen sein ; doch aus dieser Ursach,
denn die Märkermeister hätten selbst gebrochen. Nuh stund im In-
strument „wenn sie brüchig würden, so wäre der lantman zu tey-
dingen nit schuldig, und wenn der Abt Würffei trüg so were dem
Mönch spielen erlaubt". Darum wollten sie nit teydingen, sondern
bei dem Instrument bleiben. Helwig von Lauerpach bemerkte da-
gegen, der lantman woll hierin sein Nutz nit prüfen, so würden
alle Märker in Wald fahren und den ganz verderben, dass je ein
gemeiner Nutz nit wäre. Darum sollten sie itzo alsbald mit den
Märkerme istern teydingen. Darauf ward ein gross Geschrei vom
lantman, sagte, sie wollten das itzo nit thun, es were nit also her-
kommen, sie wollten bei dem Instiument bleiben. Also sagt Job.
Brendel, Märkermeister: Er wtisst nit anders denn das Instrument
drückt klarlich aus, wo ein Märkermeister verfüre, so sollt alsdann
diejenen so nach ihm obertreden nit taidingen, daraus folge nit
dass diejene so vor ihm gebrochen hätten, darum zu taidingen nit
schuldig weren ; und welcher mit seinem Eide darthun möcht, dass
er nach ihm, dem Märkermeister, gehauen hätt, dem sollt nichts ab-
gefordert werden. Aber die Märker schrieen gemainlich darwidder,
sagen, sie wollten bei dem Instrument bleiben. Der Amtman Hess
Digitized by Google
- 387 -
aus jedem Flecken 2 Personen zum Ausschuss verordnen und ein
Antwort verfassen. Nach lang gehabter Unterredung des Aus-
schusses ist das Mendlin von Oberursel abermals her für geruckt, er
hab befehl zu sagen dass die Personen so nit getaydingt nochmals
bei dem Instrument und den Zetteln, wie die auf nächstgehaltnem
Märkerding verlesen worden, bleiben wollten, es bedünk sie unbillig
sein, dass sie bei ihren Eiden sagen sollten, auf welche Zeit sie das
Holz gehauen haben. Es seien etliche die sagen, er soll reden was
sie ihm befehlen oder sie wollten ihm den Kopf zerschlagen ; wo nuh
solches besehene, und ihm der Kopf zerschlagen wUrde, so erschlu-
gen sie je ein arme Kreatur, er hätt aber noch Linder, die wurden
das nit ongerochen lassen. Und darauf redd das Menlin, es ging
die Rede Joban Brendel were auf die Dörfler geritten, hiltt die buoß
ingefordert, habe vorgegeben die von Obern Ursell betten getay-
dingt, das were doch nit also „mit Einziehung eines Schimpfs des
Schulthissen von Bonamesa wolt solchs also geredt haben*'. Dieweil
aber solch Wort in Schimpf geredt, lacht der Schultis und gestund
das nit „als auch daran ihm onrecht beschah". Also sagt Joban
Brendel : welcher das von ihme redt, der sagt nit wahr. Er hätt au
den von Homburg angefangen, allein Nachred halben, dass nit ge-
sagt würd, er wollt, dieweil er zu Homburg wohnet, die Urseller
hassen und an ihnen anfallen. Dieweil aber nichts fruchtbares mögen
erlangt werden, hat der Amtman gesagt: er wolle das seinem Herrn
anzeigen. So ist damals nicht getaidingt worden. (Mglb. E.29, II1' S 88.)
Von ungleich grösserer Bedeutung als in der hohen Mark, war
der Ausschuss in der Seulberger, Erlenbacher etc. Mark. In jener
bestand er aus den Märkermeistern und den Schultheissen weniger
Hauptflecken, er bildete gleichsam die Vertretung der verschiedenen
Regierungen und seine Thatigkeit war vorzugsweise eine richter-
liche; die Schultheissen stellten die Gerichtsschöffen dar. Der letztere
Ausschuss war in mancher Beziehung verschieden, sowohl was die
Befugniss als was die Zusammensetzung betraf. Er nahm mehr und
mehr die Stelle des Märkerdings selbst ein, verglich sich über die
Wahl derMärkermeister ebenso wie über die vorzuschlagende Wald-
ordnung, verglich sich mit den Verordneten des Waldpotten und den
Märjcermeistern über den Eintrieb von Schweinen in die Eckern,
und hatte ausserdem auch die Frevel zu strafen, welche beim Mär-
kerding nicht erledigt worden. Es gehörten zu diesem Ausschusse
neben den Märkermeistern die Schultheisse und Burgermeister sämmt-
licher 6 Dörfer. Diese wurden als Markhäupter bezeichnet.
2.r>*
Digitized by Google
— 388 —
Samstag nacb Oculi 1553 sind auf Erforderung des Waltpottens
der Ausschuss gemeiner Märker der Seulberger und Erlenbacher
Margk, die Krnvesten und ersamen, neinlich anstatt und von wegen
des Waltpotten, Joh. Abt, Keller zu Homburg v. d. H.,
Item aus Petterweil der Edel und Ernvest Pilips Friderich Haber-
korn von Zellingen, Eißenburgischer Amtmann, Heinrich Hu-
bert, Solmsicber Keller, und Gernhard Zubrodt, Schuld!* da-
selbst;
Item. aus Nidern Erlebach: Philips Schefer, der Schulteiß, Wendel
der Bender und Hans Broli, Burgermeistere ;
item aus Seulbergk: Hanß Bockenheim, Schultis, Wolffs Thomaß
und Henß Steingesser, Burgermeistere;
item aus OberErlenbach : Erarich Bommerscheim, Schultheiß, Lenhart
und Hanß Mauß, Burgermeistere;
item aus Burgkholzhausen Erarichs Henn, Schultis, Engelbert und
Heiin Johan, Burgermeiustere;
item aus Kuppern ... Peter anstat desselbigen Schultesse, Endrcß der
Eulner und Heiin Veitin, " Burgermeinstere,
in Emrichs des Schultessen Hauß zu Ober Erlepach erschienen, sich
daselbst einer Orduung ... wie es ein Jahr langk bis uff ein andern
Merckertag gehalten soll werden, und solches „den gemein mer-
kern uff nechst kommenden mitfasten Sontag dieses 53 Jars der
Margk zu gutem zu verkünden," verglichen und entschlossen wie folgt.
In der Ordnung der Sculberger und Erlenbächer „und zugleich
anderer Flecken Margk44 vom Jahre 1588 wird ebenso festgesetzt,
was dnrch „den Ausschuss und Häupter deren Flecken" einhellig
beschlossen und uffgerichtet worden. Doch heisst es später : Märker-
meister belangend, ist gemeinter Ausschuss bedacht schierst künftigen
Sonntag Lätare auf dem Markgeding ufs neue einmütiglich zu bitten
den Edlen und Vesten Friedrichen von DoebschUtz etc. ihr Amt
noch ein Jahr lang zu tragen.
Da die Märker hier sich nicht streng an den Wortlaut des In-
struments hielten, erlaubte sich sehr bald auch der Anwald des Wald-
botten Eigenmächtigkeiten. Im Jahre 1592 heisst es: demnach daa
Instrument mit klaren Buchstaben ausweiben thut, dass ein jeder
Herr so Homburg mit Ehren und recht in hatt, fUr einen OberHerrn
und Waltpotten der Marek erkannt werden, und jeden Jars auf
Sonntag Mitfasten, Laetare genannt, die Marek mit Rath der Märker
bestellen solle, „welches wolgeweistes Recht von unsern lieben Vor-
eltern und uns bis auf diese gegenwärtige Zeit ganz in Achtung ge-
nommen, sonsten es auch wol also gehalten worden, dass von wegen
Digitized by Google
- 389 -
der Ungelegenheit und des zeitlich eingefallenen rauhen ungewitters
die Märkerhäupter den Donnerstag in der Wachen zuvor ... zusam-
men gekommen sind, und sich auf allerhand Notwendigkeiten be-
dacht haben, wie gute Polizei und Ordnung erhalten1'... und aber
alledem entgegen des durchl. Herrn Georgen Landtgraven zu Hessen
... jetzigen Herrn Waltpottens Diener und Anwald solche von Alters
an bestimpte und bisher wolgelallige Zeit, aus „andern ehehafften Ur-
sachen und trefflicheren Herren geschäften'4 acht Tage lang zu die
sein mahl ungeschlagen und furter diese zween Tage indicirt hat,
nämlich den Mitwoch nach Lätare zu allerhand nothdürftiger Vor-
bereitung oder Abrede, und dann den darauf folgenden Sontag
Judica zur Hegung und Haltung des Markgedings, so sind hierauf
zu Ende benante Märkerhäupter in Petterweil auf dem Rathhause
zusammen kommen, in Meinung sich allda zu beradtschlagen ; ehe
aber zu der Haupttractation soll geschritten werden, haben beiwe-
sende Häupter des Ufschlags und Verlegung halben des Markge-
dings und der Zeit zum zierlichsten protestirt, protcstiren auch noch-
mals fllr Euch dem ganzen Unistande allhie, dass dieses thun und
diese Neuerung ihnen und auch den säramtlichcn märkern unschäd-
lich sein solle. Zugegen waren diesmal Georg Vesteuberger, der An-
wald, dann von wegen der gemeinen Märker : Anthonius Zubrot,
Sollmischer Keller zu Petterweil und „Marckermäister", Theobald
Schäfer, Schultheis zu Nider- Erlenbach und Marckermäister, Herr
Hieronymus zum Jungen von wegen des Burgsesses Nider-Erlen-
bach ; Joh. Beck, Schultheiß, und Peter Boch, Lnntz Kessel beide
Burgermeistere zu Holzhausen, Seifried Born, Schultheiß, und Peter
Seh mied t, Heinrich Grolie beide Burgermeistere zu Petterweil, Con-
rad Lohre Vice-Schultheiß, und Georg Reiff, Hannß Stam, beide
Burgermaistere zue Köpffern; Heinrich Lutzenbruck genant Becker
und Hanns Weiphardt beide Burgermaistere zue Seulberg, Matthies
Kracker und Joh. Ermell, b. Bürgerin, zu Ob. Erlenbach, und end-
lich Joh. Schmiedt, Burgerm zu Nid. Erlenbach. Und ist dieselbe
Ordnung hernacher am Sonntage Judiea den 12. Martii an gewohn-
licher Wahllstadt bei gehegtem Merckergedinge dem ganzen Um-
stände „publicirt* worden.
Solche Protestationen haben nie irgend welchen Erfolg gehabt,
es ist nie die Zeit gekommen in welcher eine muthigere Generation
sie hätte verwerthen können. Schon im nächstfolgenden Jahre 1593
findet sich wieder ein solcher Aufschub. Georg Vestenberger, der
Anwald, Hess den Ausschuss am Donnerstag nach dem Sonntag Lae-
tare bescheiden, der „gutwilligen erschienen1', und hat im Namen der
Digitized by Google
t
- 390 -
sämmtlichen Märker deu abermaligeu, gleichwol aus bewussten ehr-
haften UrBachen und treulichen Herren geachäften Ufschlags des
Märkergedinges sich vor allen Dingen zum zierlichsten bedinget, de-
ren tröstlichen Zuversicht, es werde derselbige des Herrn Anwalds
Anbringen nach, „nicht tolo malo oder ihnen den Märkern zur nach-
theiligen (Jonsequenz und Präjutiz sondern aus angezogenen Ursachen
furgenommen worden sein". Dagegen aber Herr Anwald Beine Qe-
genprotestation nicht weniger der Gebühr angestellet und dabei ge-
deutet hat, dass dergleichen vor ohngefahr 30 Jahren auch beachehen
und ftlrgangen „Bein solle" darum es „vor keine Neuerung angezo-
gen werden könnt"'. Sonach waren nunmehr die „trefflichen Herren
geschäfte" der obersten Markbeamten fUr wichtiger erklärt, als die
Bestellung der Mark selbst.
Das Frankfurter Archiv hat uns in den Akten Mglb. E. 30, IV.
eine gerichtliche Verhandlung vor dem Ausschüsse der Seulberger,
Erlenbacher etc. Mark aus dem Jahre 1597 aufbewahrt Sie betrifft
die Nider-Erlenbacher, welche Scliweinssteigen im Walde errichtet,
Holz dazu wider ergaugnes Verbot gefällt hatten, und beginnt mit
einer Citation an die Nider-Erlenbacher Burgermeister und Gemeinde :
„Dieweyl ihr Burgermeister und Gemeind zu Nieder-Erlenbach
„in Verfertigung eurer ieitzigen Schweinsteyhen sowoll wieder die
„newliche, mit euers Schultheißen willen beschehene YValdhegung,
„als auch den jetzigen zue Holtzhausen durch die marckerhäupter
„ufgeriechten mast- oder eckern beschluss freuentlich mißhandlet,
„und nit allein der marcker, sondern auch eures Schultheißen selbsten
„treuliches Abmahnen verächtlichen in Wiende geschlagenn /
„Allß haben gemeine Marckerheupter zu bestraffung solches
„frevels und muthwillens Sampstags nach Martini den 12. huj. schierst
„künfftig abermalß eine Zusammenkunfft in Holtzhausen angestellt
„Heischen euch, obgenantte Nieder-Erlenbach er Burgermeister
„und Gemeinde, als Verächter hiermit von Marek wegen, und wollen,
„dass ihr auf gemelten Sampstage umb den mittage und schlage 11
„Uhr zue Holtzhaussen, in Peter Jungen Schultheißen Behaußung,
„für ihnen erscheinen und euren verübten muthwillen theydigen und
„ abtragen sollet /
„Ihr erscheinet nuhn also hieruf oder nicht, wirdt man doch auf
„Gelegenheit handien, damit der veracht und muthwille nit unge-
straft^ bleibe, darnach ihr euch zu geriechtten.
»Sign. Seulberg am 7. Novembris anno 1597.
„Beide Marckermeister der Seulb. oder Erlenbacher etc. Marcke.*4
Digitized by Google
Es folgt hierauf ein Protocoll der gerichtlichen Verhandlung mit
dem Urtheil:
„Marckermeister und Marckerheupter deren Seulberger oder Er-
„lenb.icher etc. marcke siend von wegen das die gemeind zuNieder-
„Erlenbach ihre ietzige Schweinssteyhen sowoll der Marckordnung
„als auch dem jüngsten Mastbesohlusse zuwieder, in den newen,
„gegen der Hohen Marek und Kierchdorff zu, gehegten Walde ein-
gesetzt und uffgeriechtet, auf heut unden bemeltem dato zue Holz-
,,haußen in Peter Jungen Behausung zusammen kommen, sie Erlen-
„bacher solches ihres verübten muthwillens halben in gepürliche
„Straffe anzunehmen , unnd haben erstlich gefordert — zehen Gul-
len, dass die Marckordnung, dan abermals — zehen Gulden, dass
„den mastbeschluss überdretten und verachtet, und endlichen — neun-
„zigk Gulden, von wegen das 90 eychenstämme bey ihrer schwein-
„steyhen veröset und verbrändt, Thut zusamen — Einhundert —
„zehen Gulden <^>
„unnd obwoll gedachtte Marckere aus der Mastordnung und
„aonsten Ursach genugsamb gehabt und woll befuget gewesen, sie,
„Erlen bach er, von wegen eines jeden Stammes an — zween gülden
„onnnachleßlich zu bueßen — so haben ^ie doch ihr eingewandte
„Ursachen der Sterbesleufften und bei ihnen grassirender Pestilenze
„nachparlich beherziget und es dießmalß bei der eintzeligen straffe
„verpleiben lassen / Doch mit der reservation und dem vorbehält,
„wofern sie auf ihren halsstarrigen Wortten bestehen und ihr an-
bringen ferner anziehen werden, das sie alsdann weitter nit gehört,
„unnd von Marek wegen auf diejenige Mittel und Wege bedacht
„werden soll, wie man sie zu gehorsamb priengen und die gesetzten
„büßen für vollem erlangen möchtt.
„Hieruf bekantten die Erlenbacher abgesandte ihre, der ge-
„meind, überdrettunge, prättendirten ihre nach der sterbensl&ufften
„und Ptstilentze, und baten um lienderung der straffe , welche sie
„auf gewohnlichem Bußsazttage zu theydigen willig und dießmals der
„Nachparschaift bei ihnen zu Nieder-Erlenbach dießelbige referiren
„wollen.
„Die Marckermeister und Marckerheupter pleiben bei obgesezter
„ihrer Forderung der — 110 fl. und ernennen ihnen, Erlenbachern,
„zu Erlegung derselbigen hiemit acht tage zeit, darinnen sie die
„Sachen riechtig machen sollenn.
„Conclusum Holthausen den 12 Novembris anno neunzig «
„siebenn durch nach beschriebene Hern Marckermeister und Marcker-
„haupter : Johann Bender Schultheiß und Marckermeister, Conrad
— 392 -
„Wächtcler Marckermeistcr, vor mich und dann auch auf Pitt von
„Seifried Born, Schultheitfeu zu Petterweill, Peter Jung Schultheiß
„zue Holzhausen, Conrad Lorey, Johann Zaugus, Markscbreiber."
Es wandten »ich hierauf Schultheiß, Bürgermeister und Gemeind
zu Nieder-Erlenbach an den Rath: es sei von den Märkern der Be-
schluß gefasst gewesen keinen Schweinstall in den Wald zu machen
mit Holzwerck, sondern die Schwiuställ sollten mit Mauern 6 Schuh
hoch aufgeführt werden ; davon hatten sie nichts gewusst, auch nicht
darinn gewilligt ; denn sie hätten nicht gehen dürfen Sterbens halben.
Kurz vor dem Eintreiben sei es ihnen angezeigt worden ; es sei un-
möglich gewesen dem Beschlüsse nachzukommen denn kein Nacbpar
sei bei den andern gewandtert, von wegen dass Gott der Allmächtige
sie also heimgesucht, sie auch keine fremde Arbeiter hätten mögen
bekommen. Da nun sie bedroht seien dass heimlicherweise, wenn
die Märker einen mit Pferden und Wagen bekommen, sie ihn pfän-
den und gen Uomburgk eintreiben, als wie Aussenmärker, derohalb
bitten sie: der Rath wolle ihnen Verschriefften an Hern Jorgen
Vestenberger, Kellner zu Homburg mittheilen.
Eine Aufschrift zeigt an, es sei Montag den 24. April 1598 diese
Sache endlich verglichen, und die Gemeinde Nieder-Erlenbach bei
fl. 50 straf gelassen worden. —
Schon in demselben Jahre 1598 wurde dann Bernhard Ebel von
Nieder-Erlenbach wegen weitereu Umhauens von Stämmen gerüget
und gefänglich festgenommen. Er berief sich dwrauf dass die andern,
besonders die Homburgischen Dorfschaften, ebenfalls Holz zu ihren
Schweinsteigeu genommen.
Wie in der Hohen Mark, so hatte auch in der Seulberg-Erlen-
bacher etc. der Ausschuss die vorbereitenden gerichtlichen Geschäfte
zu versehen, z. B. den Augenschein einzunehmen. Ein solcher wird
besehrieben , als im Jahr 1593 die Kirchdorfer, wie bereits angeführt,
einen Eichen lochbaum gefrevelt. Bei einem Markumzug war in
Augenschein befunden worden dass ein solcher, der am Wege ge-
standen, entnommen, und in einem Graben zu einem Aufhält der
Gewässer hingelegt worden. Der Keller hatte angedeutet, dass er
oft unter dem Baum „auf der llasenlawV gesessen, den wohl kenne;
dass mau, da er umgewälzet werden sollte, die Lochkerben daran
noch befinden würde. Welche Rede als SchultheisB und mehrer theil
der Nachbarschaft zu Kirciidorf gegenwärtig und nicht widersprochen,
sondern mit ihrem Stillschweigen die bezüchtigto That gestanden,
haben darnach die Märkerhäupter die Gemeinde zu Kirchdorf zu
den Rüg««n heilen sehreiben und am Märkergeding rügen lassen,
Digitized by Google
- 393 -
auch auf dem Bußsatztag ihnen, Kirchdörfern 20 fl. zur Strafe
gesetzet und ibneu den vergünstigten Viehtrieb abkündigen lassen.
Erst als die Strafe abgefordert worden, haben die Kirchdorfer ange-
fangen der ,,Heymmaßunga oder Bezichtigung zu widersprechen und
auf den Augenschein mit den Märkern zu Stämmen; haben soviel
auspraeht „daß der landgrevische Canzlar zu Darmstadt, obgedach-
ter Keller zu Homburg, und alle Markschultheissen, Burgermeistere,
Merckermeistere, Schreiber und förstere, sampt Caspar Köllen, Ampt-
schrciber uff Königstein , auch Schultheiss und ganzer Gemeinde zu
Kirchdorff' am 24. Mai auf den Augenschein kommen; alda sie
nachmals ihre Beschwerden der abgeforderten Straff halben anpraebt
und einen öffentlichen Widerruf deren, mit solcher BezUchtigung
ihnen zugelegten injuri begehret, oder aber sie zu überweisen; dann
sie mit nichten geständig, dass der geklagte Lochbaum durch sie
abgehauen worden, viel weniger dass es dasjenig Holz, so ihrerseits
im Graben gelegen, und noch liege, sein solle. Die Märker antwor-
ten, dass die zu Kirchdorf vor einem Jahre, bei dem Abgang ihrer
Marke, als ihnen die Entwendung zugemessen worden, darzu still
geschwiegen, und damit Ursach gegeben, dass die Mark er sie ge-
rüget und bestrafet hätten, darauf sie nochmals beruheten. Die
Kirchdorfer haben aber ihre Klage und Verneinen repetiret und be-
weisen wollen, wo das im Graben gelegene Holz abgehauen worden.
Denen die Märker weiter antworten lassen, dass sie nunmehr Jahr
und tag stillgeschwiegen, und so sie erstmals sobald widersprochen
und zum Augenschein sich berufen hätten, wollt' man ihnen ge-
stämmet haben, welches diesmal nit sein könnte, aus Ursachen dass
seithero beide, der Stock sowol, aucli das Holz „verhergert und zer-
hauen worden". Nach welchen Reden und Gegenreileu der Canzler
sich erklärt, dass er seinem gn. Fürsten und oben» Herrn Wald
Potten unterthänig wolle referhen, was er befunden und was geklagt
worden; was dann I. f. Gn. darüber decerniren und betcheyden wür-
den, solle den Partheyen wiederumb zu seiner Zeit schriftlich zuge-
schickt werden, indessen aber sollen die Sachen einen Stillstand
haben, und man fleissig Nachforschung haben auf den Thätcr, damit
man in der Sachen desto füglieher verfahren könnte Damit war der
Augenschein beendigt; die Akten theilen nicht mit, dass den Par-
theien später etwas schriftlich zugeschickt worden sei, oder dass
Kirchdorf die Busse bezahlt habe «.
« Die Wichtigkeit und Beliebtheit des Augenscheins ist noch heute in der
Schweiz zu verfolgen, wo %. Ii. in Glarus ein Augonscheinsgericht abgebalten wird.
Digitized by Google
— 394 —
Nutzung der Hark. — Als der eintretende Holemangel im
]5tMI und besonders im 16l*n Jahrhundert eine grössere Behütung des
Waldes verlangte, war es wieder Sache der Ausschüsse die Mark-
oder Waldordnungen zu berathen, und den Märkern vorzulegen.
Am sorgfaltigsten geschah dies in der Seulburg, Erlenbacher etc.
Mark, wo gegen das Ende des 10**0 Jahrhunderts alljährlich die
Holzordnung revidirt und stets mit Zusätzen versehen wurde.
Diese Markordnungen gestatten uns einen Einblick auch in die
gewerblichen Verhältnisse der Dorfschaften unserer Marken, sie
haben vielfach noch Spuren der ursprünglichsten Verhältnisse auf-
bewahrt. Die Versuche der Communisten und Socialisten sind keines-
wegs ein Erzeugniss unserer Zeit, sie Bind in Deutschland vor langen
Jahren schon durch die Genossenschaften praktisch zur Durchfuh-
rung gekommen. In den urkundlichen Zeiten unserer Marken war
die Feldmark bereits unter die einzelnen Familien und Bewohner
getheilt, der Wald aber war noch Gemeingut Es konnte nicht nur
ein Jeder nach Bedürfuiss sich daraus beholzen, sondern auch da»
Roden einzelner Walddistrictc zu ges ndertem Gebrauche war noch
nicht verboten. Auf dem Märkerding 1537 wurde von den wRhödernu
in dir Hohen Mark gehandelt, von „den gerothen Gütern so inner-
halb 20 Jahren in der Mark gerödt worden", die sollten mit Zinsen
belegt werden. Die Märker konnten sich wegen des Artikels nit ver-
gleichen; die Reiffenberger mit dem grössten Haufen (wol allen
denen die dem Wald zunächst gelegen), wollten dass der Artikel der
Zinse Ii alber abe sei, es sei denn dass man auch die früher gero-
deten Güter mit Zins belege. Im Jahre 1545 wird das roden ver-
boten, und soll was innerhalb 10 Jahren gerodet worden, wieder
zu gemeiner Mark gezogen werden. In der Seulberg, Erieubacher
etc. Markordnung von 1552 wird „das rathenu verboten bei 10 fl.,
dazu soll das ingenommen Radt der Margk bleiben. Im Jahr 1593
wird dies wiederholt: das rohden soll durchaus verboten sein bei
Straf 10 0 und das eingenommene Rohde nichts weniger bei der
Mark bleiben. Trotz alledem wurde noch im Jahr 1702 erwähnt
dass den Märkern noch erinnerlich sei wie Hans Georg Stubich eine
Wiese auf dem Raisberg gemacht, von der Mark aber contradiciret
worden, und Stubich solche wieder liegen lassen müssen, die Märker
<s mit ihrem Vieh betrieben, und Stubichen kein Nutzen davon
ziehen lassen*3.
« Die Schreibweise von „Knoden" war hier so verschieden, wie sie noch
Digitized by Google
— 395 -
Ebenso war es dem Märker gestattet Steine nach Bedürfniss zu
holen. In der Ordnung von IbMi h eiset es: der Märker sei befugt die
Schiefersteinkauten zu gebrauchen, ds die „laidecker" zu Reiffenberg
vor sich allein gebraucht aber kein Zins gegeben. Als später, in der
Mitte des 17,eu Jahrhunderts, der Waldpott durch Bergki appen hin
und »wieder graben Hess, beschwerten sich die Märker allein aus dem
Grund weil „viel Holz verderbet" worden.
Das Holz der Mark wurde gebraucht zum bauen, zum ein-
heitzen und zu den mancherlei Gewerben. Erst im Jahrhundert
wurde der freie Gebrauch eingeschränkt, es wurden Holztage, in der
Seulb. Erlenb. Mark „Wittage* festgestellt, Weichköler sollen nicht
gelitten werden, Hartköler sollen nur mit Anweisung zweier Förster
kolen brennen, Kupfer- und Waffenschmieden soll nicht mehr als
«> karren kolen gefolgt werden, brauchen sie mehr sollen sie für
jeden karren 2 fl. „zu straff ' geben Bretthauer, Lattenhauer, Felgen-
hauer und Wagner sollen ohne Anweisung kein Holz huuen. Wir
finden in diesem gemeinschaftlichen Genues des Waldes eiue natür-
liche Erklärung der Beschränkung beim Verkaufe mancher Producte
und des Vorkaufsrechts. Die Wagner sollen ihre Arbeit den Inmär-
kern „umb ein gebührlich Geld wieder zukommen lassen und ver-
kaufen14. Sie dürfen nichts aus der Mark verkaufen, auch soll kein
Holz zu „Schwindelstegen" erlaubt sein. Auch in der Seulb. Erlenb.
Mark sollen die Ziegler zu Holzhausen die Ziegel umb gebürlich
Bezahlung „vor Ausmärkern" gönnen und lassen. Es sollen daselbst
nicht mehr als 2Auellofcn geduldet werden, die sollen den Märkern
die Ziegel nicht höher als 4 fl. das tausend verkaufen, und „also
ihnen den Vorkauf zulassen1". Dass dieser Punct „bisher in Wiend
geschlagen, davon soll schierst künftig uff dem bußatze montags nach
Quasimodogeniti weiter tractation gepflogen werden0. Später, im
Jahre 1591, heisst es dass die Ziegeler, wie auch alle andere welche
in dieser Marke Brennholz zu hauen berechtiget, den Merkern ihre
Ziegel das tausend einen Gulden wohlfeiler als einem Ausmerker
lassen Im Jahre 1595 wird auch des Bierbrauens halben nothdürftig
geradtschlaget und verabschiedet, dass der Bierbrauer zu Ober-
Erlenbach den Merkern ihr Bier ein ziembliches wohlfeiler geben
jetzt in Appensel! inner und äussere Rhoden es ist. Manche Forseber beziehen
dies Wort snf Abtheilung zur Entrichtung einer Leistung, ef. F. Wyss, die
Schw. Landsgemeinden S. 71. inZtsehr. f. Schw R. I. 1. Kann man nieht noch
weiter surückgehen, auf die Veranlassung solcher Abtheilungen?
Digitized by Google
- 396 -
solle, als den Ausmerkern, und ihnen allerdings den Vorkauf ge-
statten.
In den damaligen Zeiten zog ein jeder oder eine jede Dorfschaft
möglichst alles das selbst was er bedurfte. Weinberge haben sich in
der Namensuberlieferung fast allerwärts noch erhalten, auch in Ort-
schaften welche die Weinkultur schon längst aufgegeben . vielleicht
in den traurigen Zeiten nach dem 30jährigen Kriege als die Armuth
den lantman zwang dem Weingenuss zu entsagen. Bei den Markum-
gängen zogen die ilärker westlich von Oberursel an einer ganzen
Reihe von Weingärten oder Wingerten hin. Bei Dortelweil heilst es:
im Weinstück, und am Weingartenweg. Die Weingärten von Bona-
mes lagen beim Horn burger pfad. Unter dem Eschbacher Hardwald
liegt der Wiugertsberg ; ebenso der Weinberg unter dem Lohberg
bei Ober- Erlcnbach Zwischen dem Creuzerweg und der Borngass
östlich von Niedcrursel lagen die Weinberge und in diesem Orte ist
selbst eine Bendergasse verzeichnet64.
Wie gewisse Gewerbe im 16' " Jahrhundert in dem Holzver-
brauche beschränkt, so wurden andere ganz verboten. Den Bendern
soll kein Eichenholz in der Mark erlaubet werden, Schwarz-
färber, so leinen Tuch färben und Aichen und Erlenholz gebrauchen
sollen nicht gelitten werden. Aichenpfael, Girten, Heifstangen und
Zauustoi ken sollen im ganzen Wald verboten sein. Auch nicht kau-
fen soll man sie. In der Seulberg, Erlenbacher etc. Markordnung von
15 0 sind überhaupt Pfaell, lattenstang und girten verboten, es sei
denn dass ffdie gehe hohe noth gemeinder Margkflecken Friede zu
erhalten fürhanden", alsdann sollen Märkermeistcr erheischender
Nothdurft nach „an etwas* geben, und also den Ueberfluss meiden;
dieweil rathsamer, auch fürträglicher und sicherer ist eine lebi-ndige
*• Vergl. hierzu Dr. Kriegk, Frankf. Bürgerzw. S. 241 Auch anderwärts
finden wir hierzu bemerkeoswertho Andeutungen, so in den Fichardischen Aus-
zügen. Aus dem Jahre 156b* wird aufgeführt Hoch heimer Wein das Fuder
MO bis 31 U Seekbäcber 21 fl. Ringauer 29 fl. ; 1531 Burnheymer Wein per Fu-
der 11 fl 18 ß, Wertbeymer Hfl.; 1584 Riederberger Wein a 22 fl. ; 1589 Hoch-
heimer Wein neuer per Fuder 101 bis 102 fl. Soder Wein nur 86 fl.; 1590 Nie-
der-Erlenbacber Wein per Fuder 56 fl., Soder 60 fl., Dürckolweiler 56 fl Ober-
' röder 68 fl., Bonainesor 56 fl., Hochheimer 84 fl. 12 alb. — Im Jahre 1543 kam
der Weinzehnte der Sulzbacher und Soder Gemarkung in den Rath&keller.
omerer ergab 2V2 Fuder. Noch im Jahre 1628 wird der neue Wein von Sulz-
bach und Soden erwähnt, 1630 Oberroder neuer Wein zu 48 fl. Rauentbaler zu
42 R. Hochheimer zu 61 R. im Jahr 1635 Seckbacher neuer Wein, und 1647
Neiauheymer Wein.
Digitized by Google
I
- 397 -
Gehege um einen Flecken zu ziehen tt, und uff zu pflanzen , als die-
selben mit Zäunen zu befriedigen, so sollen die so Holz zu Zaun-
stecken begehren werden, auch „um sich0 eine lebendige Hege zwan-
zig Ruthen lang uffpflanzen und ziehen, wer sich das weigere, dem
soll gar kein üolz mehr zu Zaunstecken gevolget werden. Dazu
hetsst es im Jahre 1591 welcher Märker seine Zäune mit Wellen
beschlagen will, dasselbige nicht von Buchenholz, sondern von Dor-
nenwellen, aus der Haihnruppen darzu abgehauen , in's Werk richten
soll. — Allen denjenigen welche das Haffener oder Döpffermachen
handtwerk nit ehrlich und voll gelernet, soll das Ziegelmachen ernst-
lich verpotten sein; so soll auch keiner kein gesinde oder knecht
darauf halten, sondern mag ein Jeder der das Häfnerhandwerk bei
ehrlichen leuten gelernet, mit seinen Kindern und Gesinde auch wol
Ziegell machen, anders soll es nicht zugelassen werden. — Jung
eycheu Holz zu bender und Wagener Arbeit, als Fass oder Zuber-
Dauben, it. Speichenfelge und Achsen soll bei straf 10 fl. nit gehauen
werden. — Dieweil auch des Mühlwerks auf der Bach eine Ueber-
maass vermerket, so ist abgeredt worden dass hinfüro zu keinem
Mühlwerk weiter als 3 stamm zu ahrmen gefolget werden solle. —
Endlich sollen die welche Erlaubnis» bekommen keine kein Ziegel-
brandt allein thun, sondern ein Jeder hinfüro halb Ziegel und halb
Döpffen zugleich in einem Ofen brennen.
Wie bei den Gewerben Vorsehung getroffen wurde den Wald
zu schonen, so auch bei dem Bauen. Es wurde darauf geachtet dass
der Märker seine Bäue nicht verfallen Hesse; es solle ihnen „zur
Notturft Wimprichen und Schornsteynrudena erlaubt werden ; sollte
ein neues Wohnhaus errichtet werden so hatte Schultheis» und die
Schöffen eines jeden Orts Länge und Weite zu messen; der Bauman
oder Erbauer hatte „zwei dännen Hölzer" zu erkaufen, erst wenn
diese auf dem Bau Placken liegen befunden, sollte der Schein gege-
ben werden, es sollte der Bauende für ein jedes Gebäude 8 Stämme
angewiesen erhalten, , jedoch daß sie der Größe und des beigefiihrten
Dännenholzes zuvor gewiß und genugsamb berichtet, ohne daß sie
denjenigen so sich der zweyen Dännen Holtzes auf ein jedes Gebäude
zu kaufen verweigern würde, auch den geringsten eychen stamm nit
erlauben sollen". Zu einer Scheuer sollen 20 Stamm gegeben werden,
und durchaus Dännen Holz zu Werckholz gekauft und gebraucht
« Noch jetzt linden sich die Spuren solcher Gehege oder Haingräbon bei
vielen Ortschaften vur, z. B. bei Seulberg, Niedurursel, Ober-Eschbach u s w.
Digitized by Google
- 398 -
werden, zu einem neuen Stall mit einem ganzen Dache sollen 2 dün-
nen Hölzer auf den Bau Placken hingeführt und besichtigt werden,
zu einem halben Stall 1 dänneu Holz.
Eh zeigt uns dies dass gegen das Ende des 16Ma Jahrhunderts
in der Hohen Mark die Tanne noch nicht gefunden wurde. Die
Eiche war der vornehmste und wol auch häufigste Baum in den
Wäldern; Eichen und Buchen wurden als „fruchtbare Bäume" be-
zeichnet, es solle in den verbotenen Wäldern nichts an fruchtbaren
Bäumen „es sei gleich buchen oder eychen Holz" darin gehauen
werden, bei Verlust von zehen Gulden. Wenn etwa „Gedrayde und
Mästung in der Margke sich erzeigen thue" soll daselbe besichtigt
und eine Ordnung aufgerichtet werden. Schon in der Markordnung
des Jahres 15Ö2 ist vorgesehen, dass wenn sich „Eckern-getraidt"
im Wald erzeigt, sollen der Verordnet des Waltpothens mit Merker-
meistern und dem Ausschuss gemeiner Merker sich vergleichen, wie
es damit solle gehalten werden.
Ausser den Eichen und Buchen fanden sich aber noch Bäume
in sehr grosser Manichfaltigkeit vor, wie wir aus den Aufzeichnungen
der Lochbäume sehen; es waren darunter Ahorn-6* Holzapfel- Faul-
bier- oder Stink -Bäume, Birken, Linden, Erlen, Eschen, Hassel-
Bäume, ja selbst Kirschbäume werden, wenigstens am Saume des
Waldes genannt. Hasselbäume wurden sehr hochgeschätzt; die Ord-
nung von 15i*4 stellt im Art 31 auf: wer Haselbäume um der Hasel-
nus willen verderbe, der soll gebüsst werden als ob er ein Eichen-
baum verderbet hätte.
Bei den zunehmenden Klagen über Verösung des Waldes wird
besonders das Abhauen der Eichbäume schmerzlich berührt. Diese
waren damals noch ungleich wichtiger für das Leben der Mark, weil
zu jener Zeit das Schwein eine viel bedeutendere Rolle unter den
Hauathieren einnahm, als es heute zu Tag noch der Fall ist. Um
das Jahr 17(J0 wird unter den Klagen der Märker gegen den Wald-
potten auch hervorgehoben dass er viele der schönsten tragbaren
Eichbäume abhauen lassen, von deren theils 4 und mehr Wagen
Uhrholz gegeben. Uhr-, Ur- oder Ohr-Holz wurde das dürre Stamm-
holz genannt, Holz von Fruchtbäumen, d. h. von Eichen und von
Buchen. In der Seulb. Erl. Mark-Ordnung von 1552 werden 3 Tage
festgestellt, Montag, Mittwoch und Freitag BDore Holza zu hauen,
•« Beim Umgang von 1710 (Mglb. E. 29.) geht derselbe nach dem Pflaster
weg, dastehst ein „Ohm Holubaum", weiter wird erwäbof „ein Ohrnbaam".
Digitized by Google
— 399 —
uüzufUhren und zu tragen, doch kein Eichen- oder Bau Holz, kein
Grünholz, sondern „dhor ligende Holcz". Auf dem Märkergeding
der Hohen Mark wurde 1537 erlaubt 2 Tage der Woche, Dienstag
und Freitag, in der alten Hege „Uhr-Holtztt auszufahren und
zu tragen.
Schon um die Mitte des \6tw Jahrhunderts werden auch ganze
Walddistricte in die Hege gelegt, darin zu hauen wird verboten.
Auf Bartholome 1543 wird beschlossen, es solle 3 Jahr verboten sein
zu hauen von dem lauberichten Baum bis uff das Kessbergen; ebenso
der Berg unwendig der Magt Kreutz herüber bis auf die Urseller
bach und bis auf die unterst Scheibach; weiter der Berg uf der
Putzen, vom Pfal an bis an klingenborn hinab. Dann wird vorge-
sehen das» beim Wellenschneiden bei jeder Wellen „ein schneyder-
lingk" soll „ausgeschneit4 werden; ein solcher zu einem Stamm
geschnittener Sclineiderlingk soll keiner abgehauen werden, bei Ver-
lust 12 ß bueß. Auch in der Seulb. Erlenbacher Mark soll , bei einer
Welle so gemacht wird, ein Stamm „uffgeschneidt" werden, damit
man „widder Wald uffziehen mege*'.
Die Aufsicht im Walde war in den älteren Zeiten einer kleinen
Anzahl Förstern oder Waldknechten überwiesen, die aus den Mär-
kern selbst alljährlich gewählt wurden Auf dem Märkerding vor
Ober-Erlenbach, 1491, als Erwin Dogel gelobt hatte, erwählet er
alsbald zwei Merkerknecht, die Jorgen dem Schreiber geschworen
haben, dieweil der Märkermeister den Eid zu staben nicht geschickt
wäre »dem es doch zu thun gepürt", und ist gewest einer von Seul-
berg, der andere von Erlenbach. Im folgenden Jahre wird bemerkt
das» die alten Merkerknecht wieder aufgenommen worden, und hat
der Merkermeister die knecht beeidiget Auf dem Märkerding der
Hohen Mark von 1438 wird auch erzählt „das die merckermeister
knecht und furster hetten zu kiesen, der marg zu huden , doch mit
der lantlude Radt*.
Noch im Jahre 1552 war in der Seulb., Erlenb. Mark die Wahl
der Förster dem lantman nicht entzogen. Es heisst in der Markord-
nung dass 2 oder 3 Förster, nemlich einer zu Seulberg, der andere zu
Holzhausen und der dritt unter den Merckern „von den gemeinen
Morckern nechst mitfasten Sontag angenommen und durch den
Merckermeisteru bestätigt" werden solle. Von jeder Rügen, so der
Förster vorbringt, soll ihm 1 Thornis von demjenigen gegeben wer-
den, „so die bussen uffhat". Im Jahr 1588 heisst es, dasB wenn die
alten Förster wieder darum bitten, sollen sie aufs neu angenommen
werden, sonst soll Ludwig Schedel zu Obern Erlenbach (doch uf
Digitized by Google
400 —
ansuchen und vorhergehende Pitt) von Märkermeistern angenommen
und beeidigt werden. Auch 1590 ist der Förster halben vom Aus-
schuß« verabschiedet, dass an gewöhnlichem Ort wenn das Merker
geding gehalten werde, zween die zuvor der Gebühr darum gebeten
angenommen und vereidet werden sollen.
Zu Förstern sollen angenommen werden nicht leichte, sondern
ernste und solche Personen welche „einen guten Namen bei den be-
nachparten haben, und in stettiger betrachtung ihrer geleisten eydes-
pfiichten sich mit der Hute vleiPig, und im rügen getreulicli verhalten
möchten, damit nit etwa durch Bie die Diener oder ihren unehrlichen Wan-
del, die Merk er unverschuldeter Dingen in Despect kommen, und also
ihr eingeführter Nähme, (sondcrß rühm zu melden) und lob guter
Ordnung und Gerechtigkeit verdächtig gemacht werde." Wenn
die Förster beim Zechen gefunden werden, sollen sie gefänglich an-
genommen werden. Sie dürfen (1594) keine biichsen im Wald tragen
sondern einen Spieß und „ein klapschell" daran. - Die Försterwiese
soll verliehen werden, die Förster die Abnutzung davon nehmen.
Tn der Hohen Mark erhob sich auf dem Märkerding 1518 Streit»
es beschwert steh der gemein lantman wie die landgräfischen Heintzen
Junghern zu einem Walt- oder Fürstknecht angenommen, und von dem-
selben Gelübde und Eide genommen. Dies sei wider das Instrument.
Der gemeine lantman habe die knecht zu erwählen, die Fürster dem
Märkermeister geloben und schwören sollen. Der Schultheis« von
Homburg giebt vor dass der oberste VValtpott solches zu thun Macht
habe. Der Kellner sei jetzt abwesend, so wolle er sich mit Absetzung
des erwählten Knechts nicht befassen. Trat der lantman ab, sagte
dann wo Heintz Juugher die Merkermeister und gemein lantman ihn
uffzunehinen bitten würde, soll ihm eine gut antwort werden ; und
darauf Heintz Jungher „sollich bitt so balde gethanu. Aber Jacob
der Schultheis« von Homburg hat ihn sehr gescholten und gesagt : er
solle Urlaub haben, ob er sich also in Sack laü zwingen. (Mglb. E.
29. II". S. 98.)
Auf dem Märkerding 1521 erneute sich dieser Streit, der Schul-
theiBs von Homburg behauptet wieder dass sein gn. Herr der oberste
Waltpott allein zu wählen die Macht habe; er verlangt dass aus
jedem Flecken 2 nach Homburg verordnet würden, da man dann
dieser sach handeln möchte. Aber noch auf dem Märkerding von
1547 werden Förster erwählt, von Ursell, Obersteden, Kirtorff und
zu Ryflenbcrg, die haben den beiden Märkermeistern gelobt und ge-
schworen.
Digitized by Google
- 401 -
Eigentümlich ist die Bezeichnung eines Beamten der Hohen
Mark als „Schreier0. Der Ursprung dieser Bezeichnung reicht in eine
Zeit in welcher nicht viel geschrieben wurde, zugleich aber das Be-
dürfniss beßtand sich mit einer nicht unbeträchtlichen Volksversamm-
lung zu verständigen *7. In der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde
der Schreier, auf Antrag der Homburgischen Gesandten, zugleich
oberster Förster und reisig, der alle Tag in den Wald ritte und zu-
sehe, das» die Ordnung gehalten werde. Da er sich anders als ihm
aufgelegt halten würde, sollten die gemein Märker ihn abzusetzen
haben, und von ihnen den Märkern ein anderer erwählet werden. Er
wohnte in Oberstedten, war also von dem Waldpotten abhängig.
Schon 1563 zeigt der Amtman von Eppstein an, der Fürst von
Hessen hab' einen Schreier gen Stedten gesetzt, und für gut ange-
sehen dass derselbig auch ein Förster soll sein. Die Märker ant-
worteten : die Märker haben Märkerraeister und Forster zu wählen,
und sollen die Forster durch die Märkermeieter beeidigt werden.
Dagegen protestirt der Amtman. Um das Jahr 1578 Hees sich der
Keller von Homburg das Amt eines Waldschreiers übertragen, sei es
der Einkünfte wegen oder um allmählig mehr und mehr das Ansehen
des Waldpotten zu festigen. Er gab dies Amt „anderer Geschäfte
wegen" auf, suchte um Erlass bei Ihro f. Gn. an ; Ihro f. Gn. hätten
einen andern, so zugegen, zu einem Waldschreier verordnet „den sie
hiermit den Märkern wöllen präsentirt haben". Im Jahre 1586 be-
schweren sich die Märker dass dem Schreier die Inmerker zu rügen
zugelassen werde, er solle nur auf die Förster Acht haben, wo nöthig
Anzeige machen. Die Hessischen Gesandten aber halten für Recht
dass der Schreier auch Inmärker rüge, er sei der Mark zu gute ge-
ordnet ; sie wollen nicht zulassen dass vor Einwilligung oder An-
nehmung des Schreiers zum Förster die Haltung des Märkerdings
sollte vorgenommen werden. In der Waldordnung von 1594 soll der
Waldschreier auf die Förster Acht haben, auch selbst zu rügen ver-
pflichtet sein. Im Jahre 1700 werden unter den Beschwerden gegen
den Waldpotten auch aufgeführt, dass der Waldschreier bei Aus-
führung des Holzes (für die fremden Waldenser) sagen dürfen,
solches führe er auf seine Gefahr aus; statt dass er die bei dem
Märkerding verfasste Ordnung beachten solle: deswegen, wenn der
<T Auf der Landsgemeinde der Inneres Roden von Appenzell tässt der
Landamman selbst abstimmen. Auf der weit grosseren Landgemeinde der
äuMeren Roden versieht der Waibel die Stelle eines Schreiers.
36
Digitized by Google
— 402 -
Schreier die« wieder unternähme, die Märker ihm das Schreierbrodt
zu geben, oder rügen von ihm zu nehmen, weigern. —
Noch wäre hier bei Gelegenheit der Waldordnung einiges We-
nige über das Recht der Märker an Jagd, Eckern und Fischerei zu
sagen. An anderer Stelle, in dem Aufsatze : die Hohe Mark im
Taunus, ist bereits erwähnt wie 1537 der Oberst Waldpott mitge-
theilt dass Niemand gestattet sei in der Hohen Mark zu jagen, das»
der Adel und die Märker auf das Instrument sich berufen. Dieses
überliess zwar dem Waldbotten, so man die Mark bestelle den
Wildbann zuzuthun, setzte aber hinzu : so ein Waldbott darüber darin
jagte, so solle es darnach über 3 Tagen den Märkern und landtman
auch erlaubt sein zu jagen. Es scheint aber dass der Lantman schon
zu jener Zeit weder besonders Zeit noch Lust mehr zum Jagen hatte ;
es waren fast nur die Edelleute die sich dieses Rechtes noch be-
dienten. Anno 1554, am 5. October, schrieb Phil. Landgraf zu
Hessen an Friedrichen von Reiffenbergk : Unser lieber Getreuer; wir
sind bracht worden, wiewol die Inmerker in der Homberger Mark
weiter nichts als die Hude und Benutzung in derselbigen Mark be-
rechtigt, dass sich doch etzlich derselben unterstehen Hirsche, Seue
und Wiltpreth ihres gefallens darin zu schießen, auch daruff eigne
Hund halten. Welches nun keineswegs leidlich, dir auch als jetzigen
Pfandsinhabern unseres Amts Hombergk in dem uns zu Nachtheil und
Abbruch unserer Gerechtigkeit zuzuseen nicht gebüret; Ist deshalb
unser gnädigstes begehren du wollest den Mitmärkern mit Ernst
untersagen, dass sie sich des Schießens und Jagens in der Homber-
ger Mark genzlich enthalten und an der Hude und Behulczung be-
gnügigt sein.
Es findet sich darauf weiter (in den actis Mglb. E. 31. IV. Lit
A.) ein Maudat des kaiserl. Kammergerichts vom 11. Jan. 1566
welches mit den Worten beginnt: Wir Maximilian der ander etc...
dem wohlg. Philipsen, Landgr. zu Hessen, . . . unserm lieben Oheim
und Fürsten, auch e. 1. Schultheissen unsern und des Reichs getreuen
Muel Endressen, Balthasar Eppstein zu Steden schreier, unser Gnad
und alles Guts.
Es folgt nach dieser freundlichen Einleitung dass Graf zu König-
stein und Stollberg geklagt, wie er und seine Voreltern von alters-
hero herbracht, welche Zeit der Waldbott in der Hohen Mark ge-
jagt, dass dann nach dreien Tagen er Kläger wie andere Mitmärker
darin zu jagen auch Macht gehabt. Dem entgegen sei Schultheiss
Muel Endres in der Hohen Marek ohngefahr bis in 50 oder mehr
stark zu Ross und zu Fuss, am 19. Dec. 65 als Graf Ludwig nach
Digitized by Google
dem Waldbotten auch jagen lasset], gewaltsamlich eingefallen und
seinen Jäger genöthigt anzugeloben und handtreuv geben müssen ;
ihm auch in die 150 Wildseiler und zwei Rehe gewaltsamlich ge-
nommen. Da diese Pfändung uhd Handlung unrechtmässig gewesen,
so gebietet das Gericht bei 10 Mark lottigs Gold .... dass
alsbald nach Verkündung dieses die abgepfandt Wildseil samrat
den zweyen Rehern oder den gebührlichen Werth für dieselben,
an des Ort ihr solche abgepfandt, restituirt . . . dazu auch der Kö-
nigsteinische Jäger seiner abgedrungener handgelübdt , doch alles
uf ein alte gewöhnliche Urphede und Wiederstellen, im Falls her-
nacher mit Recht erkannt würde, relaxirt und ledig gelassen werde.
Es folgen weitere Copien, einmal des Schreibens von Jeremias
Sobne, hess. Kellers zu Rossbach d. 19. März 66, in welchem man
sich erbietet, dem kaiserl. Mandat nachzukommen, auffordert Jeman-
den von wegen des Landgrafen beneben dem Jäger abzufertigen
an den Ort da die Pfändung geschehen; (es war dies auf dem
Heuchelheimer Feld unter Brendels Busch) dann weitere Verhand-
lungen über die Form der Urphede. Nach eingetretenem Verständniss
wurden zuletzt die Seile zurückgegeben und für die Rehe vier
Thaler. -
Schon im Jahre 1578 war wieder Streit wegen des Wildschiessens ;
die Gegenwärtigen vom Adel so in der Mark gesessen, da sie nit alle
beisammen, bitten ihnen Zeit zu lassen, wollten schriftlich antworten.
Schliesslich ist es aber ihro f. gn. „ernstlicher bevelh" dass sich
naaniglich hinfüro des Wildschiessens enthalte.
In ähnlicher Weise wurde mit dem Fischen verfahren. Es ist
sehr wahrscheinlich dass in älteren Zeiten ein jeder Märker die Fo-
rellen- aus den Waldbächen fangen durfte. Es wird der schönen
Forellenbach in der (ausgegangenen) Häusergemarkung gedacht, ob
solche zu der Mark oder zu Urseller Gerichtsbarkeit gehöre. Schon
im Jahre 1582 aber heisst es am Schlüsse des Märkerdings : der
Oberst Walpode sei berechtigt die Mark zu hägen und zuzuthun, der-
wegen solle sich jederman „des Jagens, läußens und Schießens, auch
fischen und krebsen gänzlich enthalten".
Auch das Eintreiben der Märker-schweine in die Eckern wurde
mehr und mehr beeinträchtigt zu Gunsten der landgräfischen Schwein.
Unter den verschiedensten Vorwänden, selbst dass der Waldpott zu-
vor jagen müsse, wurde die Ausübung dieses wichtigen Rechtes auf-
gehalten. Nur allein über das Weiden des Rindviehs theilen die
alten Urkunden keinen Streit mit; es ist im Art 34 der Ord-
26*
nuiig von 1594 vorgesehen daxs Schweine nur bis Peterstag in Wald
gehen sollen, verderben dem Rindvieh die Weide.
Als der Wald verödet, die alten Eichwälder ausgehauen waren,
hörte das Eintreiben der Schweine wbl mehr von selbst auf. An der
Stelle der Eichen wuchs jetzt Gras und so war es natürlich dass die
Viehherden mehr und mehr Nahrung fanden. In alteren Zeiten
waren es besonders Pferde und Schweine die des Märkers Reichthum
ausmachten. Nur Pferde wurden zum Ziehen gebraucht, wurden im
Walde beim Freveln gepfändet, selten wol Ochsen oder gar Kühe,
die nur die spätere dürftige Zeit nach dem 30jährigen Kriege zum
Ziehen benutzt. Im Jahre 1594 wollen die Niederurseier 205 Schwein
in die Hohe Mark eintreiben; Wendel Hoff, der Märkermeister zu
Oberursel will es anfänglich wehren, entschuldigt sich dann er habe
diese hergebrachte Gerechtigkeit „nicht ausdrücklich gewusst", sie
möchten in der Hohen Mark auch ihre Stege machen, und ein-
schlagen wie die andern Märker thun. Der Bereiter meint, weun
die Nid. Urseler ihren Vortheil verstünden , würden sie zur Mästung
in beide Hohe Mark ihre Steigen*8 machen.
Gab es keine Eicheln so wurde verboten Steigen zu machen ;
1599 wurde jedem Märker 3 Schwein einzutreiben und 8ein Wehr
zu kauffen" erlaubt; dem Schultheissen 4. Ein Wehr ist geschätzt
für 6 ß. Dabei hei aßt es : die Hirten sollen zulassen ihnen die Säckel
durch die Förster besichtigen zu lassen, damit sie kein Eicheln
lesen. —
Aenderung der Markverfassung. — Bald nach der Refor-
mation und dem Bauernkrieg begann in der Hohen Mark die Macht
des Waldpotten ungemessen zu steigen, während die Bedeutung der
Märker, des Lantmans, mehr und mehr dahinschwand. Vorzugsweise
ist hier einer der Räthe und Beamten des Waldpotten zu nennen,
welcher diesen Umschwung anbahnte, Dietherich oder Diether Ge-
wend. Er begann im Jahr 1536 das alte Fundament der Markord-
nung zu lockern. Es werden neue Anstalten getroffen „die Ver-
'* Steige, Stege, styge, stfga, ahd. altnordisch; stta dänisch; stie, attge
vergl. Grimm gram. III. 433. I», 464 In der Hohen Mark werden nur Soliwein-
steigen erwähnt, nicht auch Schafsteigen oder HOhnerateigen. Das Wesent-
liche bei Bolchen Schweinsteigen ist das umschliessen und verwahren , nicht
anoh daa „Steigen". Die Steigen sollten später, am das Holz za sparen, von
Steinen gemacht werden; also Trockenmauern. Kostspielige Steingebäude
ab Schweinsteigen finden wir jetzt noch im Frankfurter Waide an Orten wo es
kaum noch eine alte Eiche mehr giebt.
Digitized by Google
— 405 —
wüstung der Mark zu hemmen*. Es sollen 2 glaubwürdige Personen
gekoren, ihnen ein geschickter Schreiber zugeordnet werden, die alle
3 dem Waltpotten, Märkermeistern und gem. Mürker wegen gebühr-
lich Pflicht thun, ein gemein kisten oder buchsen aufrichten sollen,
die bussen darin zu Bammeln. Solche Rechenmeister sollen aus dem
gemeinschaftlichen Potte belohnt werden, der Rest solle theils den
Märkermeistern zufallen, theils zum Besten der Mark verwendet
werden. Auf dem Märkerding 1537 wurde über die neuen Artikel
abgestimmt, einige Zusätze wurden beliebt, und „also ein Jar langkh
zu halten" beschlossen. Auf den Tag Johannis des Täufers war
wieder ein Märkerding; das Roden in der Mark solle beschränkt,
geordnet werden, man konnte sich über die Massregeln nicht einigen;
da drohte Dieth er Gewend, es möge solcher Span nicht fUr sein gn.
Herrn den obersten Waldpotten kommen, „dann derselbige würde
etwan anders zur Sachen thun".
Schon auf dem Märkerding 1541 zeigte es sich welchem Ein Aus«
die neuen Rechenmeister, die auch nach Ablauf des Jahres in Thätig-
keit blieben, zu folgen hatten. Die Mark sollte bestellt werden laut
des Instruments und der neuen Ordnung, neulich aufgericht mit
Rath des obersten Waldpotten. Als die Rügen verlesen worden be-
gehrt Diether dass ein jeder Fleck 2 Manu geben solle, welche zur
Förderung der Sachen neue Märkermeister, wo von Nöthen ordnen
und kiesen sollen. Da begehren die herrschaftlichen Gesandten und
die vom Adel zu wissen, ob der Schaden in der Gemark durch Ir.
Gnaden verursacht, mit Wissen des gem. Märkers oder der Märker-
meister geschehen; ob sein Gn. auch solchen Schaden verbüsset?
Die Forstknecht, zur Rede gestellt, gestanden dass die Bäume gefällt
worden auf Befehl der neuen Rechenmeister; diese hätten ihnen
verboten solches in die Rüge zu setzen oder zu schreiben, derhalb
sie entschuldigt wollten sein. Die Edelleute hielten Diethern vor,
dass nach dem Instrumente, wo ein oberster Waltpotte in der Ge-
mark Schaden thue, so sei der gemein Märker die verwirkte Buss
zu geben auch nicht schuldig. Desshalb wäre beschwerlich die Ar-
men zu strafen, wo nicht vermög des Instruments Gleichheit gehalten
solt werden. Diether berief sich auf die neue Ordnung von 1537
nach welcher Ordnung die Rechenmeister Macht hätten zu erlauben
und zu verbieten. Entgegnet wurde die neue Ordnung sei nicht wei-
ter denn desselben Jahres zu halten verstanden worden. Nur die
Märkermeister hätten Befehl über die Mark. Der Keller wollte hier-
auf einen Ausschuss zu Wahl der Märkermeister bestellen, die
Gesandten aber den Markgenossen verboten keinen Ausschuss zu
Digitized by Google
geben. Darauf „der weniger Theil* sich verglichen, die andern dem
widersprochen. Wo er nicht bei dem Instrument bleiben würde, woll-
ten sie die Sach an ihre Herrn und Oberen gelangen lassen. Chri-
stoffel von Hattstein bat Diether Gewend die neue Ordnung fallen
zu lassen, so wären die Märker sammtlich erbötig die Mark helfen
zu bestellen, wo aber solches nicht statt habe, einen andern gelegen
Tag zu ernennen. Der Keller berief sich darauf dass solche Ordnung
zu Zeit ihres gn. Herrn des Landgraven als der Zeit obersten Wald-
potten mit Wissen des gemein Märker aufgerichtet worden, es würde
vonnöthen sein , dies an lr. fürstl. Gnaden als Pfandherrn gelangen
zu lassen. Die Gesandten dagegen brachten vor, es wäre unnöthig
solches an Ir. gnäd. Herrn von Hessen gelangen zu lassen, nach dem
Instrument habe der jeweilige Waldpott Macht zu handeln, wäre ihr
begehr es an den obersten Waltpotten kommen zu lassen; lieaaen
auch sofort durch einen offenen Isotarius gegen die neue Ordnung
des Jares 1537 protestiren, ein Instrument zur Notlidurft aufrichten;
vereinigten sich dann auf den 16. Aug. zu Frankfurt im Prediger-
oder Frauenbrüderkloster zusammen zu treten, zu rathschlagen,
dass das Instrument bei seinem Buchstaben gehandhabt „die neue
uffgericht Ordnung abgethan müg werden".
Auf dem Märkergeding, Bartholome 1543, waren wenige der
Edlen und Märker, lehenherrn und landsydel erschienen, es hat der
Abschied in denen Puncten desshalb das Märkergeding furgenom-
men, diesmal hat mögen wirklich vollenzogen werden. Doch ist
der Abschied (wahrscheinlich der von 1536) öffentlich verlesen wor-
den. Es sollen die alten bussen innerhalb 14 Tagen bezahlt werden,
welcher Ort solches nit thäte „solle aus der Mark gestossen sein*
bis sie ihr obgemelt Antheil bezalt haben. Solches haben die Ge-
schickten des Waltpoden gewilligt Jeder Fleck sollt bis Michaelis
die alten bussen nach Homburg den Rechenmeistern erlegen ; welcher
in verbotenen Wäldern Schaden thäte, den sollen die Förster ver-
mög des Abschieds „pfänden oder nach Homburg eintreiben* ; würde
ein Ort um Hülfe angesprochen werden, so sollteer bei Verlust des
Märkerrechts solch Hilf zu thun schuldig sein.
Auf Sonntag St Laurentiustag 1544 war wieder Beratschlagung
was auf nächstem Märkerding zu bcschliessen : wie es mit den bussen
und dem roden zu halten; die Rechenmeister sollen Rechnung ab-
legen; es soll berathsch läget werden, wie es mit den Rechenmeistern
zu halten sei ; und solle dies dem Instrument ohnschädlich,
auf Wohlgefallniss oder besser bedenken des Waltpotten und der
Märkcr vorgeschlagen werden. (Mglb. E. 29. IIb. S. 118.)
Digitized by Google
— 407 —
Auf dem ersten Märkerding von 1545 am 27. Mai wurde ein
AuBschuss gemacht und beschlossen; derselbe solle am 10. Juni in
Homburg zusammenkommen, notttirftiglich von den Sachen handeln
und wie die Aerater von Neuem möchten bestellt werden. Es hat
hierauf Diether Gewend „die Mark und den Wald" zugethan und
verbotten dass kein Märker vor dem 10. Juni darin fahren noch
Bauholz darin haben soll „bei Verlierung des Markerrechts und des
Intriebs".
Am genanten Tage sind die Gesandten auf dem Rathhause zu
Oberursel erschienen, haben das Instrument besichtigt und iunf
Artikel so der Mark nachtheilig geachtet worden bedacht und
gebessert
Es wäre unbegreiflich wie die Gesandten auf die nachfolgenden
Vorschläge hätten eingehen können, da sie doch gerade bedacht
waren eine gefährliche Neuerung des Waldpotten zu beseitigen ;
wie sie anstatt einfach die Rechenmeister als Instruments widrig ab
zustellen, vermocht worden sind dem Waldpotten ein wol ungleich
wichtigeres Zugeständniss zu machen. Es ist dies nur in der Weise
zu erklären, dass die ganze Einrichtung und Ordnung der Mark sich
zu einem Vertragsverhältnisse gestaltet hatte, und dsss auch zur
Abstellung einer getroffenen Einrichtung des Waldpotten Zustim-
mung nöthig war. Er knüpfte diese Zustimmung an die Annahme
eines Artikels welcher anscheinend zum Besten der Mark gereichen
sollte, in der That aber das vertragsmäßige Grundverhältniss be-
seitigte, den Waltpotten über das Gesetz stellte. Bis jetzt war dieser
durch das vertragsmässig» festgestellte Gesetz gebunden wie der
gemein Märker, frevelte er dawider, so zerriss er die Ordnung,
dann war auch der gemein Märker nicht weiter an die gestörte
Ordnung gebunden. Damit wurde gleichsam der Frevel gebüsset,
denn die Ordnung war in beiderseitigem Interesse und Vortheil
vereinbart worden. In unscrn Tagen sucht man die Sicherstelluug
der zwischen dem Herrscher und den tlnterthauen vereinbarten Ver-
träge darin, dass man den Rathen des ersteren besondere Rechte
und Pflichten überträgt, eine Verantwortlichkeit diesen zuweist.
Die fünf Artikel welche am 10. Juni 1545 in der Vorberathung
vereinbart wurden betrafen: erstens hat der Ausschuss der gemein
Merker in Betracht gezogen, wie der 2. Artikel im Instrument
verfüge, dass der Waltpott die Bestellung der Mark auch halten
solle; so der Waltpott verbreche, dass dann der Lantman so darnach
verbricht, nit büssen solle: derhalben bedacht, obgleich der Walt-
Digitized by Google
- 408 —
pott«» dem Beschlüsse der Märker zuwider hauen Hesse, dass doch
• der gemein lantman sein buss trage. Nach dem 2. Artikel »olle der
Märkermeister taidingen und bussen wie der gemein lantman. Der
3. und der 4. Artikel betreffen eine Steigerung der Buassätze. Der
fünfte endlich erleutert die Bestimmung, dass der Märker auf Erfor-
dern des Waldpotten zu erscheinen habe, solcher Artikel sei nicht
anders dann von einem vollen Märkergeding zu verstehen, und soll
sich niemand entschuldigen, es beneme ihm dann Herrn oder
leibsnoth 70.
Weiters ist dann nach diesen Artikeln „uff beider Waldpotten
Gesandten" begehr zu Förderung und Hegung der Mark bedacht
worden, dass ein Schreier zugleich oberster Förster und reisig
wäre, sodann weitere Massregeln wegen Köhler, Bauholz, Roden
u. d. m.
Diese obgemelte Puncte sind der Mark zu gute durch den Aus-
schuss bedacht, doch allen Artikeln de» Instruments onschädlich, ein
Jahr lang zu halten und „zu versuchen, volgends uf gemeinen
BeschluBs der Märker zu mindern, zu neuen oder gar abzutunu.
Neben des Ausschuss Bedenken haben dann die Geschickten der
Erb- und Pfand - Waltpotten vorgeschlagen es sollten 4 glaubhafte
Personen ernannt werden jede Woche einen Tag in dem Wald sich
finden lassen und Aufsehen haben. (Mglb. E. 29. II b. S.119.)
So wurde anscheinend der grösste Eifer an den Tag gelegt die
Mark durch zweckmässige Anordnungen zu bessern; es häufen sieh
auffallend die Berichte über Ausschusstage , während der gemein
Märker zur Seite geschoben wurde. Bereits am 30. Juli desselben
Jahres 1545 war wieder ein Ausschusstag um eine Ordnung in dem
Wald,, die Hohe Mark genant, aufzurichten; es sind „etlich Merk er*
zum Ausschuss erfordert, die haben nach gemelt Ordnung im besten
bedacht und abgeredt doch uff mitbewilligung hochbedach ts Für-
sten unsers gn. Herrn, und wolgemelts Grafen zu Königstein auch
unsers gn. Herrn", zum ersten: dieweil zu Versehung der Mark und
Annehmung der Merkermeister Irrung eingefallen, und der weniger
teyl der Merker uf diesem Tag erschienen, deshalb sie sich solcher
irrung nit vergleichen mögen, und doch der Mark Notturfft erfor-
89 Die Worte: .«oder die Seinen zu Homburg'* sind durchstrichen
f* Auf dem Märkerding von 1518 haben sich die ReirTeoberger „vernoit-
botten" lassen, dies der Sebnltheiss von Oberursel dem gem. Isndtman zu er-
kennen geben hat. wiewol o*er von Hompurg das nit gestehn wolt. (Mglb. E.
29. II*. S. 99.)
Digitized by Google
- 409 -
dert „in der Eile bestellung zu thun", so hat der Aussen uss im
Namen aller Märker diesmal erbeten Jungker Johann Brendel den
j ungern von Homberg, als einen vom Adel der Mark gesessen, und
neben ihm „Diethern Gewend als ein eingesessnen Merker, und an-
derer gestalt nit", also dass die beede von gemeiner Merker wegen
eampt und sonder zwischen den künftigen Pfingsten Märkermeister
sein, und unsern gn« Herrn Waltpoten darüber gebürlicb Pflicht
thun söllen. So war der Wolf zum Hirten gemacht, oder der Bock
zum Gärtner gesetzt Freilich wurde sodann auch hier vor gut an-
gesehen, dass uff Verbrechung des Merkermeisters ein 'gleiche Poen
gesetzt sein solle, dass er gleich einem andern Merker taidigen und
büssen solle, auch sein Antheil an den gemeinen Bussen verwirkt
haben, und seines Amts entsetzt sein solle; weiter folgen dann ver-
schiedene Artikel welche Strafen schärfen, das Holzholen erschwe-
ren, die gewesen Rechenmeister sollen Rechnung thun, die alten
bussen einbringen. Diese Puncte seien, so heisst es, der Mark zu
gutem geordnet, den Artikeln im Instrument onschädlich, bis zu
nächstem Märkergeding also zu halten und zu versuchen. Es waren
zugegen bei dieser Ordnung von wegen des Fürsten zu HeaBen,
Diether Gewend, Amtman zu Homberg; von wegen Königsteins als
Pfand Waltpotens, Philips Ryffenstein, Amtm. zu Ursell; von wegen
Solms derKellner z.Redelnheim; von wegen Hanau, Erasmus Steyndecker
Keller zu Hanau; von wegen des Stamms Brendel, Johan Brendel
der Elter von Homberg des H.Reichs Burggraf zu Friedberg, Joh.
Brendel der jünger von Homberg; von wegen der Stamm Ryffenberg
und Hattstein der Pfarrer und der Schultheiss zu Ryffenberg; dann
Wilhelm von Bommersheym und N. N. von Praumheym, endlich von
wegen der Stadt Frankfurt Justinian von Holzhausen; Joh. Völker
der jünger, und Georg von Bellersheym Amtm. zu Nidern
Irlebach.
In den Akten E. 29. HL 7 finden sich aus dem Jahre 1546 Auf-
forderungen der Märkermeister Joh. Brendel von Hombergk und
Diether Gewend, Amptman, an dieAmtleude, Schultheissen, Bürger-
meister und guten Freund, sie sollen, vermög nächst ufgerichter
Markordnung ihre Mitbürger anhalten nach Homburg auf das Ratli-
haua zu kommen, ihre bussen zu taidingen.
Ueber das im Jahre 1547 am 2. September gehaltene Märker-
ding wird berichtet: Auf des durchl. Fürsten und Herrn Phi-
lipaen Landgrafen zu Hessen, Grafen zu Katzenelnbogen als dieser
Zeit obersten Waltpoten ausgegangnen befehl an den wolgebornen
H. Ludwigen Grafen zu Stolbergk und Königstein , neralich
Digitized by Google
— 410 -
dass Se. gnad »oll das Gehölz der Mark „zu Abbruch der Pfand-
verschreibung" nit veröhsen lassen, sondern Einsehens haben dass
solich gehöltz und Hude versehen werde, aber mitler Zeit die gewe-
sen schwinden Kriegsleuft zugetragen, dass solich» ordentlicher Weise
nit hat geschehen mügen, demnach der Waltpott habe Markerding
berufen lassen, daselbst mit Rat der Merker und lantmans beschlos-
sen: sub 1 und 2 werden Märkermeister und Förster erwählt und
verpflichtet, sub 3 findet sich die Bestimmung dass wenn Jemand
gegen Förster sich zur Wehre stelle, Rollen die Förster den Waltpotten
oder die Märkermeister, oder die nächsten Flecken oder Dorff
um Hiilf ansuchen, diese bei Verlust ihres Markrechts schuldig sein
zu helfen; die Ausmärker sollen in Homberg und nirgends anders
eingetrieben werden, die Merker aber mögen nötigenfalls auch in
Stedten, UrseJl, Kirtorff oder Ryffenberg eingetrieben und angenom-
men werden. Zum 4. sind nachfolgende Artikel des Instruments uff
diesem tag „mit gemeynem rat erklert worden", nemlich also: wie-
wol das Instrument im 2. Art. ausweiset, dass der Waltpott Bestel-
lung der Mark, wie die jährlich geordnet wird, auch halten solle;
so ist doch demselbigen Artikel ein Poen angehengt, die „den Mer-
kern und Wald zu beschwerlichem Nachtheil gereichen mag*, nem-
lich: So der Waldpott verbricht, sollt der Märker oder lantroan, ob
der darnach auch verbreche, nit büssen. Aus solchem Anhang sind
viel Rügen hinterhalten , und die Mark „dadurch" merklich besche-
digt, und ist „daraus" gefolgt dass dem Waltpotten und Untenan
bisher keine Rechnung geschehen. Ist auch weiter gefolgt dass die
Merkermeister, Rechenmeister und Forster ihrer Belohnung „auch
die Wirt ihrer geborgten Zerung" bis uff diesen tag nit bezahlt sind.
Solich Unordnung und Mangel zuvorzukommen ist „eyntrechtig be-
schlossen": obgleich der Waitpot zu ire gn. zimlichen notturfft dem
jerlichen beschluss zuwider im Wald Holtz hauen wttrd oder hauen
Hess „dafür doch der gemein mercker untertheniglich bitt, auch hofft
solichs geverlicher und beswerlicher wyse nit geschehen solle", so
sollt doch der gemein Merker und lantenan ihre verwirkten bussen
tragen, und sich Verbrechung des Waltpotens nichts zu behelfen
oder zu weigern haben. Der Untcrwaltpot oder bevelhaber, oder ein
Merkermeister soll wie ein anderer Merker bestraft werden. Es wer-
den dann auch hier die bussen geschärft und bestimmter gefasst,
auch weil „in vielen Jahren" kein Rechnung geschehen, beschlossen
dass dies jetzt geschehen solle, die Obrigkeit solle dafür sorgen ;
weiter solle das Eintreiben und Pfänden der Merker, Pferd und
Wagen zugelassen weiden, wer sich widersetze solle gefänglich an-
Digitized by Google
- 411 -
genommeu werden; endlich wurde Verfügung wegen der Hege ge-
troffen. Zum Schlüsse heisst es, diese Bestellung sei bis zu dem
n&chsten Märkergeding zu halten, doch so dass dem Instrument hier-
mit „nichts benommen oder abgezogen sei, in keine Wege, sonder
Geverde*. Auf Pfingsten 1549 wird dem Cronburger hof zu Ober-
heckstatt, so verfallen und abgegangen, kein Beholzung mehr in der
Mark gestattet, sonst soll „die Ordnung im 47tu> Jahr ufgericht in
andern Artikuln und Puncten festiglich gehalten werden". Auch im
Jahr 15Ö0 „soll die Ordnung im Jar 1547 durch die Gesandten des
öbersten Waltpoten und die gemeinen Merk er uffgericht auch flirter
gehalten und dero gelebt werden0. Ausgenommen wird der Artikel
„halben des Holzgebens, über welchen die Merker nicht einig. Dess
halb ist dieser Artikel uff diesmal ufgeschlagen". Auch 1551 wurde
beschlossen die Artikel wieder zu halten; zugleich ist bemerkt, dass
die Abrechnung der bussen noch nit gescheen.
Es beginnt in der Mitte dieses Jahrhunderts eine Gesetzgebungs-
Periode in der Mark, welche sich darin gefallt bis in's kleinste über
alles zu beachliessen , Satzungen zu häufen, stets neue Artikel den
Markordnungen beizufügen. Zugleich aber wurden die Gewalthaber
gewöhnt, mit Geringschätzung auf das alte Recht herabzusehen; das
Römische Hecht wurde möglichst in alle Verhältnisse hereingezogen,
ihm gegenüber stand der Märker rathlos da. Von grossem Gewicht
war die Abfassung der Gerichts- und Landorduung der Grafschaft
Solms und Herrschaften Münzenberg etc. aus dem Jahre 1571. Sie
wurde von Johan Fichard, dem gelehrten Syndicus, verfasst, und
spricht den vornehmen Uebermuth der Lehrer des Römischen Rechts
in Beziehung auf das einheimische Recht und der vaterländischen
Verhältnisse an gar vielen Stellen aus. In der Einleitung heisst es:
"Wir Philipps Graf zu Solms etc. thun kund . . wiewol die kaiserl.
Satzungen und Rechte in dem h. Röm. Reiche allenthalben an-
genommen worden . . so haben wir doch daneben befunden, dass
der gemeine Mann mebrentheils eines geraeinen unbeschriebenen
Landbrauchs „so von alten Zeiten in unsern Grafschaften . . einge-
schlichen", bis daher sich gehalten; welcher aber, ob er wol in
etlichen Puncten und Sachen den Rechten und der Billigkeit auch
nicht ungemäss, und derohalben ihm dem gemeinen Mann ohne Zer-
rüttung schwerlich zu entnehmen, doch des mehrentheils unrichtig,
ungleich, disputirlich , . . auch wol ihm selber widerwärtig ist. Es
gebühre der von Gott gesetzten Obrigkeit oberzählte Beschwerlich-
keiten abzuschaffen, Landbräuche in eine Gewissheit zu bringen. In
der ersten Abtheilung, der Gerichtsordnung, wird das Verschieben
Digitized by Google
-
- 412 —
an die Oberhöfe abgestellt. Es sei der Brauch bei den Untergerich-
ten, dass die der Partheien Geld genommen, und sich bei andern
Gerichten als Oberhöfen Raths und Rechtens erholet „wir aber be-
finden dass dieselben Oberhöfe der Sachen und des Rechtens gleich
so wenig, etwa auch weniger, Verstands gehabt", den Partheien also
grosse tinkosten aufgelaufen Die Appellationes, bo heisst es dann
weiter, sollen voo dem Gericht an die Herrschaft allein „darin dasel-
bige Gericht gelegen . . des Orts, als dann die Herrschaft ihre Hof-
haltung hat, mit ausdrücklicher derselben Herrschaft Benennung . .
geschehen. In der zweiten Abtheilung wird von den Landrechten
gehandelt; e* heisst daselbst in der Vorrede: Nachdem neben den
Landrechten . . . auch allerlei Missbräuche mit der Zeit eingeschli-
chen und eingewurzelt, dermassen dass dieselben anders nicht, als
zu Recht gehalten, auch darauf in den Gerichten erkennet und ge-
urtheilet worden: welches dann fürnehmlich aus dem hergeflossen,
dass die einfältigen Schöpfen an den Untergerichten etwan von den
Alten, von Fällen, und wie es mit einem und anderm gehalten wor-
den gehöret, Bolches aber zum Theil nicht recht eingenommen, und
zum Theil nicht recht verstanden haben, auch oftmals aus einem Fall,
so mit Recht erörtert worden, demselben nach einem andern so doch
derselbige dem vorigen nichts allerdings .gleich, sie aber den Unter-
schied als ungelehrte Leven nicht merken noch verstehen können,
geurtheilt haben, da doch nicht eben den Exempeln nach, und wel-
cher Gestalt zuvor erkennet worden, sondern dem nach, wa» Recht
ist, soll geurth eilet werden.
In unseren Tagen hat sich der alte Kampf um das Recht wie-
der erneut Wohl mussten die deutschen Juristen bei den Römern
erst in die Schule geben, bevor sie das eigne angestammte Recht
zu geistiger Freiheit und zu höherer Ausbildung bringen konnten.
Aber auch die Gesetze der Sprache wurden beachtet, bevor sie zum Be-
wusstsein erhoben waren, die Gesetze des Denkens wurden im Leben
angewendet, bevor eine Logik diese Gesetze begriff, das Recht wurde
bewahrt und geschirmt, bevor die Jurisprudenz die juristischen Ge-
danken darstellte, getrennt von unmittelbarer, individueller Anwen-
dung; es wurde angewendet, wenn schon die Richter es nicht wis-
senschaftlich begriffen 71 .
Es ist anzuerkennen dass Fichard in sehr zweckmässigen Bei-
spielen die Unterscheidungen darzulegen sucht welche das gebildete
»« BlnntBchli, Staut« n. Rccht»Kcsch. d. St u. K. Z. 1 S. VII S. M.
Digitized by Google
- 413 —
Römische Recht schon längst in scharfer Begrenzung aufgestellt hatte,
aber besser wäre es noch gewesen, wenn er das aus den Sitten und
den Verhältnissen der Bewohner erwachsene Recht fortzubilden und
auszubilden gesucht hätte, statt es auf die Seite zu schieben oder
zu verbieten. Das ist aber ein Vorwurf der nicht dem einzelnen
Gelehrten gilt, sondern seiner Zeit Uns freilich ist es leicht aus den
Folgen, die jetzt vor Augen liegen, das Verderbliche des Unter-
nehmens darzulegen.
Eine Fortbildung und wissenschaftlichere Behandlung des gelt-
enden Volksrechts mag damals wol Bedürfnis? gewesen sein. Rechts-
grundsätze, die aus der Tiefe der nationalen Sitte hervortreten, diese
werden von jedem verständigen Individuum erfasst, und mit grösserer
oder geringerer Klarheit und Sicherheit befolgt werden; aber bei
gesteigerter Manichialtigkeit der Lebensverhältnisse und deren gegen-
seitigen Beziehungen, erfordert die richtige Anwendung der Rechts-
grundsätze eine fortgesetzte Aufmerksamkeit, eine mehr ausschliess-
liche Beschäftigung mit dem Rechte71.
Beeinträchtigung der Märker. — Zwei Gegenstände wa-
ren es in der nächsten Zeit welche die Beamten des Waltpotten vor-
züglich im Auge behielten um die Macht ihres Herrn in der Mark
zu erweitern, die Aufrichtung von Zollstöcken, und die Beschränkung
des Schweinetriebs der Märker. Aus dem Jahre 1566 oder 1567
findet sich eine „forma der merkere bedenkens, doch uff Verbesserung
irer obrikeiten, ob also an den Fürsten in Hessen zu schreiben sei*.
Es wird darin zuvörderst dem Fürsten gedankt dass er durch seine
Gesandten zu hinlegung des Zwiespalts so sich zwischen den 2 ed-
len Stämmen von Reiffenberg und Hattstein gegen den gem. Märker
diesseits der Höhe viele Jahre erhalten, beigetragen habe. Dann
zeigen die Märker an dass der gewesene Waldschreier etliche Zoll-
stöck in die Höhmark auf die Strassen gestellt, als ob man in der
Mark, die doch der Märker rechtlich eigen, einen Zoll zu geben
schuldig sei, welches gar ein neues und nit erhört. Sie meinen der
Waldschreier möchte dazu keinen befehl gehabt haben, bitten S. f.
Gn. wolle verschaffen dass solche zollstöck aus der Mark gethan
würden. Am 22. Mai 1567, auf dem Märkerding, waren wie zu er-
warten gewesen, die Zollstöck noch nicht entfernt „wollen die Mer-
ker uff diesmal öffentlich darwider proteatirt haben, uff dass Inen
" Beseler, Volkarecht and Juristen recht. S. 117.
kein schad deren halb entstehn mögu. Im Jahre 1580 wenden sich
die Märker abermals an die Herrschaften um Rath und um Abhülfe ;
auch diesmal ohne Erfolg. Vier Jahre später, am 22. Sept 1574,
las der Kellner ein Schreiben des Landgrafen Ludwig auf der Au
vor Urseil : dieweil sich nicht gebühre, dass die Märker der Hom-
burger Mark mit ihren Schweinen eh und zuvor eintreiben lassen,
der Landgraf habe denn zuvor gejagt; so sei dessen befehl, dass den
Märkern das Eintreiben der zahmen Schwein untersagt Bei, bis so
lang der Landgraf die Schwein h atz verrichtet habe ; „welche« dann,
geliebts Got, sehr bald geschehen wird". Die Märker babeu darauf
wieder beschlossen, dass jede Parthei ihrer Obrigkeit dieses Verbot
zu wissen thue, ihres Raths darüber untertheniglich bitte. Mglb. E.
29. III. 74. —
Dem Rath wird am 19. Oct 1574 desshalb eine Schrift über-
reicht, in welcher zuerst der Zollstöcke gedacht ist, alles Protestiren
sei vergeblich gewesen, man habe nur mehr andere Beschwerungen,
so wegen des Schweineeintreibens. Die Märker hatten nämlich zu
Ehren und Wohlgefallen S. Gn. sechs Tage über die gewöhnliche
Zeit eingestellt; inzwischen schriftlichen Bericht an Sr. Gn. abgehen
lassen, da die Eckern schon gefallen, vieles aus dem Wald getragen
worden. Als keine Antwort gekommen, hatten die Märker einhellig
ihrem Gebrauch und Gerechtigkeit nach instellen wollen, es hatte
aber der Kellner zu Homburg das ganze Amt aufgeboten und bei
nächtlicher Weil eine grosse Anzahl Volks mit wehrhaftig Hand,
mit Hunden und mit Trommen in die Mark getüret, den Märkeru
die Schwein zurückgehalten und in den Wald nit wollen treten las-
sen. Darnach hat der Keller den Märkern entbieten lassen, er wolle
ihnen das Einschlagen nit Jagens halber verwehren, sondern der
unerlegten bussen und unbezahlten Wirthe halben. Dieweil aber die
Bussen den Keller nichts angehen, so haben die Märker sich ent-
schlossen, ihr Vieh einzuschlagen und sich daneben dermiisseu zu
stärken, dass sofern der Keller sie abermal mit Gewalt zurück-
treiben wollte, sie ihr Vieh doch in den Wald bringen möchten. Der
Keller mahnte abermals sein ganzes Amt auf, die Mitmärker (die
Homburgischen nämlich) welche sich im Walde in ihren Rüstungen
haben sehen lassen, vermochten aber nichts wider die Märker aus-
zurichten, doch sahen sich diese gemüssigt ihre Schwein mit etlichen
bewehrten Mannen, nicht ohne grosse Gefahr und Versäumniss ihrer
Nahrung, in die Mark zu treiben.
Eine weitere Beschwerde liegt in dem erwähnten Akten-Fascikel
S. 57 ; sie ist von dem Schultheis«, Burgermeister und Ratli zu Ober-
Digitized by Google
- 415 -
ursel gegen den Kellner von Homburg gerichtet „Unsern Gruss in
gutem Willen11, so beginnt sie, „Ernhaffte, gute freunde und nach-
bar ". Der Kellner habe oft und viel Holz in der Mark gehauen
obn alle Erlaubnias, keine busseu gegeben noch gethaidigt Viel
Holz habe er aus der mark nach Frankfurt fuhren lassen. In et-
lichen Jahren habe er keinen Markschreier verordnet „sondern will
selbst Markschreier sein, nimt auch des Waldschreiers Belohnung,
aber er dienet den Märkern nit, sondern ist ihnen zuwider". Er habe
innerhalb 4 Wochen zween Märker mit ihren Leiben, zween Pferden
und einem Wagen voll Wellen gen Homburg in Haft geflibret ohn
alle Verschuldung.
Auf dem Märkerding anno 1578 berichtet der Geschickte de»
Waldpotten, dasB die Märker vorigen Winter die Schwein in Wald
getrieben ehe die Jagden voln bracht, die von Obernursel sich ge-
lüsten lassen mit gewehrter Hand, buxen und Spiesen in die Mark
zu laufen, Ihrer f. gn. Kellner und diejenigen so bei ihm gewesen
anzufallen, zu schlagen und zu schiessen unterstanden; einer dessen
Namen aufgezeichnet wäre, habe dem Kellner die buxen auf den
Leib gehalten, ihn auch vielmals einen Schelmen gescholten; die
Schwein habe man mit Gewalt wieder in die Mark getrieben, deren
sie hoch gefrevelt; derwegen solches zu verbüssen schuldig, wie denn
anch Ihre f. Gn. befohlen denen von Ursel deswegen 4000 Thaler
zum Abtrag abzufordern, mit bedrohung da sie solche in kurzer Zeit
nit erlegen dass Ihre f. Gn. verursacht würden nach den Thätern zu
greifen, sich bei Ihrer Hoheit und Gerechtigkeit handzuhaben. Es
wären auch Ihre f. Gn. bericht worden dass die Märker sich ver-
einigt hätten, wo der Kellner wieder die Schwein abtreiben würde,
alsdann mit dreien Schüssen losung zu geben, einander zuzuziehen
und dem Kellner mit Gewalt zu begegnen. Da wolten Sie die märker
gewarnt haben, nit zu fernerem Ohnwillen Ursach zu geben. Die
„hohe Obrigkeit und Angriff1' stehe in der Mark niemand anders zu
als Ihr f. Gn. Der Amtman zu Königstein habe Ihrer f. Gn. Keller
zu Homburg „thätlicher landtfriedenbruchigerweiß'4 auf Ihr. f. Gn.
„Grund und Boden" angegriffen, denselben anzugeloben gedrungen,
dass er sich zu Königstein stellen und seinem gn. Herrn einen Ab-
trag thun solle. Daran gedachter Amtman höchlich gefrevelt. Noch
anderes über das Wildschiesgen wurde vorgebracht. Darauf haben
nach langem bedenken die Mark er eine Antwort gegeben: Sie be-
danken sich dass die Herren Wilhelm und Philips Landgrafen zu
Hessen „als obristen Waldvogt der Homburger Marek'" sich gnädigst
erboten die Märker bei ihrem Herkommen zu schützen; sie hätten
Digitized by Google
- 416 -
von Alters her jederzeit ihre Schwein den nächsten Tag nach Mi-
chaelis eingetrieben ; auf des Kellers bitten hätten sie 8 Tage mit dem
lutrieb gewartet; als sie noch 8 Tage hätten warten sollen, wäre es
ihnen nit zu tbun gewesen. Ausmärker, auch der Keller, wären in
den Wald gefallen das Eckern aufzulesen; durch geschwinde Kälte
sei das übrige zu schänden gangen. Da sie nun die Schweine ein-
getrieben, sei der Keller sammt etlicher andern von Homburg mit
Drummen und Pfeiffen in die Mark kommen, habe die Schwein zer-
streut, verjagt, vertrieben. Die Oberurseier, besorgt der Keller würde
ihre Schwein gen Homburg eintreiben, seien hinausgeloften, dem
Keller wehren wollen ; sie seien nit geständig dass sie an denselben
Gewalt gelegt; derwegen auch kein Abtrag zu erstatten schuldig,
vielmehr der Keller zu verbüssen schuldig sein solle.
Nach solchem hat Philips Wolff von Pfraumheim, Amtman zu
Königstein erzählt, dass der Keller von Homburg seines gn. Herrn
Unterthanen unverschuldeter Weise gefänglich angenommen und ge-
pfändet; da er nun gedachten Keller auf seines gn. Herrn Grund
und Boden angetroffen, habe er ihn zu Rede gestellt, und als er ihm
mit trutzigen bösen Worten begegnet, sei er verursacht worden „die
Faust von ihm zu nehmen, dass er zu Königstein erscheinen, und
sich bei seinem gn. Herrn dieser Sachen halben klaglos machen
will". Er bat den Augenschein einzunehmen.
Es brachten dann die Märker ihre Klagen vor dass Zollstöck
in der Mark errichtet, die doch der Märker eigen sei; der Keller
hab auch etlichen Märkern den Zoll abgefordert, ihnen Vieh und
Wein genommen. Ebenso hab' derselbe im Walde gerichtet und
gepfändet, was nur den Märkermeistern gebühre. Endlich hab' er
in dem gehegten Walde und auch an den Strassen gehauen und
desshalb keine Straf geben wollen.
Hierauf antwortete der Canzler Nordeck: Soviel die von Ober-
ursel belange, wolten sie den Märkern nit bergen dass Ihre f. Gn.
und Herrn albereit etliche Zeugen verhören lassen, welche viel an-
ders ausgesagt, derwegen sie von ihrem begehrten Abtrag nit abzu-
stehn wussten. Er drohte dass die „Fürsten aus Hessen" die Thäter
greifen und in Haft einziehen Hessen. Belangend des Amtmann
Entschuldigung, wollten sie den Augenschein einnehmen; es hätte
doch dem Amtman nit gebührt Ihrer f. Gn. Kellner „des Reichs
Constitution und dem Landfrieden zuwidder" handfest zu machen
sich an fremden Orten zu stellen, wussten demnach von begehrtem
Abtrag nit abzustehen. Dass die Märker abgeschlagen mit ihren
.Schweinen bis 14 Tag nach Michaelis mit dem Intrieb einzuhalten
Digitized by Google
— 417 —
befremde sie nit wenig, dass sie solches Ihre f. Gn. zu Ehren nit
gestatten möchten, wollten demnach die Märker noch einmal erinnert
haben solches zu bedenken, Ihro f. Gn. wollte die Eckern durch die
Ihre verhüten lassen. Soviel aber der gemeinen Märker Gegenklag
belange, da wttssten sie nichts von den Zollstöcken, t viel weniger
dass den Märkern einige Schadlosverschreibung zugesagt worden,
fraget demnach der Herr Canzler den Keller von Homburg, ob er
etwas davon wüsste. Dieser antwortet darauf, es wäre nit ohn, dass
Hans Koch auf der Märker Anhalten dieselbige vertröstet, dass er
bei Ihrof.Gn. deswegen Anmahnung thun wolle, verhoffenlich ihnen
solche Schadlosverschreibung solte zugestellt werden. Dabei es der
Herr Canzler bleiben Hess. Weiter zeigt er an, er wisse nicht dass
der Keller einigen Märkern den Zoll abgedrungen. Es wurden aber
alsbald zween fürgestellt, deren dem einen Zoll vom Wein, dem an-
dern nit allein Zoll vom Vieh abgenommen, sondern der auch ge-
pfand und gestraft worden war. Solches „dieweil es die fstl. Ge-
santen nit verantworten konten, namen sie solches an, ihrem gn.
Fürsten u. H. zu vermelden". Das eingenommene Bussgeld verant-
wortet der Keller, er habe von gemeiner Mark wegen allerlei aus-
geben, wolle derwegen Rechnung thun. War aber nit gesteudig dass
er in gehägten Wäldern noch an der Strassen Holz gehauen, sagt
er möcht den gern sehen, der ihn solches in Wahrheit zeihen
dörfte. Die Märker antworten dass sie auf Bartholomä sich ferner
erklären wollten Nun erst fand die Wahl der Märkermeister statt;
dann wurde der Förster halben ausgerufen, ob Jemands wäre der
sich dazu wolt gebrauchen lassen. Als sich zween anzeigten, ruften
etlich aus der Gemein, man solt die alten behalten und „nit mehr
Dieb und schelmen machen". Dabei es blieben. Der Waldschreier
aber rief überlaut, man sollt auch die Märkermeister anhalten, dass
sie einmal Rechnung thäten, denn er habe viel Märkermeister ge-
sehen, aber keinen der so ehrlich gewesen dass er Rechnung gethan
hätte. Es erboten sich aber die zween Märkermeister dass sie als-
bald wolten Rechnung thuu, mit der Bitte dass man sie des Amts
erledigen wolle. Man Hess es aber dabei bleiben, und sind die hes-
sischen Gesandten auf den Augenschein mit dem Amtman nach Kö-
nigstein gezogen. (Mglb. E. 29. III. 60 ff.)
Wozu diente nach solchen Vorgängen alles Drohen der Märker,
dass sie „an gepürenden Orten rechtlich ihrer Notturft nachzusuchen
und keineswegs zu ersitzen lassen" gedächten und wozu konnte
das Abfassen neuer Ordnungen dienen, wenn das Vertrauen in die
Rechtlichkeit der eignen Beamten erschüttert war?
Digitized by Google
Auf dem Märkerding 1583 Ubergab Jost Vestenberger, der Kel-
ler, eine neue Ordnung der Mark ob die Märker dieselbe annehmen
wollten. Die Märkermeister anlangend befinde der Waldpote das»
dieselben bisher ihren Eiden und Pflichten nicht nachgekommen, die
Königsteiner «begünstigt ; es sollen zwei andere Märkermeister er-
wählt und umgewechselt werden, doch dem Waldpoteu seine Stimme
in der Wahl frei behalten werden. Die Bussen sollten sogleich nach
gesch ehner Rüg zu Ursel bezahlt werden, spätestens 14 Tag danach
zu Homburg. Wer dies versäume solle für Ausmär k er erklärt, vom
Waldpot gepfändet und selbst sein Ort angehalten werden können
das Pfand einzutreiben, bei Verlust des Markrechts. Ausmärker die
gefrevelt sollen mit Ruthen ausgehauen werden, damit den Dieben
und Frevlern gewehret Statt der alten Strafen für das anstecken
und schädigen der Mark solle unbestimmte Strafe nach Erkenntnis«
des Waldpottens und gemeiner Märker angesetzt werden. Auf des
Kellers Bericht erwidern die Märker, dass sie ein gut alt Instrument
haben, dabei sie bleiben wollten; des Kellers Bedenken stellen sie
den Hauptflecken zu, darüber zu berichten; sie setzen dem neuen
Vorschlag ihre Beschwerden entgegen, die nicht berücksichtigt wor-
den ; sie bringen sie abermals zur Abhülfe an ihre Landesherrn.
(Mglb E. 29. III. S. 83 ff.) Der gravamina sind es jetzt 19 dem
obersten Waldtbotten von den vom Adel, Burger und Landtman ge-
meine Märcker erwehnter Marek überschickt. Zuerst werden auf-
geführt die Zollstöck; dann die Verhinderung des Schweine-Ein-
triebs ; das eigenmächtige Holzhauen ; das Verkaufen von Brennholz
aus der Mark; das Einschlagen einer übergrossen Zahl von Schwei-
nen znr Mast ; das Pfänden und Einziehen der beiden Märker ; das
Einziehen eines Oberurselers in der Mark „fremden unmarklichen
Sacbeu halber'** ; das Anrichten neuer Wildhecken und das Ausbauen
dreier grossen Wildplätze; dass er die Müller zu Homburg und Ste-
den ungebüsst hauen Hesse; es folgen verschiedne Beschwerden we-
gen der Jagd, auch dass das Hundehalten beim Vieh verboten; dass
die Förster und der Schreier, die Markdiener, zu den Jagden ge-
braucht werden; dass die Unterthanen des Amts Homburg angewie-
sen worden in der Mark Eichen-Pfäl zu reissen und zu Überliefern;
dass diese desshalb weder „ingerugt" noch die Busse vertheitigt oder
dazu angehalten worden ; auch dass diese Unterthanen ihr Gebühr
Unkosten» zu Anbringung dieser Beschwerungs-Puncten nit contri-
buiren, weil solches durch ihre Obrigkeit verboten worden. Georg,
Landgrav zu Hessen entschuldigt sich hierauf „dass er des gemuets
nit wer den beamten ichtwaß so der Markordnung zuwider zu ver-
Digitized by Google
— 419 -
statten" ; er »ei erpietig zufolge seiner beschehnen Erklärung eines
gewissen Tages mit ihnen zu vergleichen den Geprechen soviel mög-
lich abhelfen zu lassen. An Schemen Worten hat es in der Welt nie
gemangelt. —
Auf dem Märkerding, Mitwoch den 25. Mai 1586 kam die Sache
weiter zur Verhandlung; es waren erschienen von Seiten des Wald-
potten Hans Hermann von Boßeck, ' gen. Mönch , Oberamtra. zu
Darmstadt, Johannes Pistorius filrstl. Rath und Georg Vestenberger,
Keller zu Hombergk. Sie mahnten sich einer Markordnung auf das
künftige Jahr zu vergleichen. Die Zahl der Artikel ward bis zur
Zahl 66 gemehrt. Auch auf diesem Märkerding herrschte der Un-
friede, die Märker wehrten sich gegen die Bezeichnung der Mark
als der „Homberger Mark", sie weigern sich dass der Umgang der
Mark auf der gemeinen Märker Kosten allein geschehen solle, sie
verlangen dass Rechnung abgelegt, die Resolutiones auf ihre Be-
schwerden schriftlich übergeben werden. Die hessischen Gesandten
weigern sich dies zu thun, sie wollen aber so „bescheydenlich und
verständig" die vorhalten, repetiren und lesen, dass sie wol darauf
antworten könnten; Rechnung der Märkermeister musste vor den
hessischen Räthen und dem Ausschüsse geschehen nicht vor dem
Märkerding. Weiter wollen die Märker nicht zulassen, dass der
Schreier auch auf die Frevler Inmärker Achtung geben solle, zum
Förster könnten sie ihn nicht zulassen, denn die Mark mit vieren
sei genug versehen. Sie dringen schliesslich darauf dass zu Haltung
des Märkerdings geschritten werde, sonst wollten sie, Märker, ihres
Theils fernere verrichten, soviel der Mark nöthig und dem Instru-
ment gemäss sei. Die hessischen Gesandten erwidern, dass sie nun
abermals gehört, wie Ihren gn. f. u. Herrn Maas» und Ziel gesetzt
und mit Spott und Hohn abgewiesen werde; wollten protestiren dass
vor Einwilligung oder Annehmung des Schreiers zum Förster das
Märkerding gehalten werden solle; sie drohen die Mark sei churpfäl-
zisches Lehen, (wie er Hans Herman Mönch das bei seiner „adelichen
Ehro" könne affermiren). Endlich heget der Keller das Märkerding,
die Rügen werden verlesen, Märkermeister erwählt, die alten Förster
wieder „verglübdr und es ermahnt der hessische Rath Pistorius
Merten den Schreier von Obersteden „alles so er in der Mark bei
In- oder Ausraärkern rugbar finden würde zu merken''. (Mglb. E.
29. III S. 125.)
In den Akten Mglb. E. 29. IV. S. 19 findet sich ein Bericht,
als auf der Märker Schreiben um Abschaffung der zur Mast in die
Höhmark eingeschlagenen landgrevisclien schwein, Landgraf Georg
-J.1 '
Digitized by Google
— 420 -
zu Darmstadt, Dienstag den 3. Nov. 1590, durch den Oberaratman
zu Darmstadt den beiden Märkermeistern zu Homburg hat vorhalten
lassen: sie wären dem obersten Waldpotten und Herrn der Mark
mit Aydt und Pflichten zugethan, ein Schreiben zu erlassen gebühre
ihnen nit. Sie erwiderten dass sie keiner hessischen Pflichten gestän-
dig, sie hätten allein geschworen der Mark treulich für zu sein , die
zu versehen und zu schirmen. Der Ober-Amtman berief sich auf das
Instrument: wenn Eckern in der Mark Wälden wäre so sollten die
Märker Ordnung machen, wieviel ein Waltpott, sein Märkermeister
und andere sollten eintreiben, es könne hieran nit hindern dass ihre
f. Gn. kein Rauch in der Mark halten, dann solches sei nit dem
Herrn sondern den andern Märkern geordnet Er wiess auf frühere
Vorgänge hin, der Waltpott werde sein jus manuteniren, sei nit ge-
meint die Säu gar abzuschaffen. Die Märkermeister erwiderten, es wäre
in der Mark also hergebracht, dass zu Mastungszeiten einem Keller
zu Homburg anstatt des Waltpotten erlaubt würde so viel Schwein
zuzutreiben als der zu seiner Haushaltung bedürftig; behielten den
Märkern ihre Gegen Notturft bevor.
Am 21. Juli 1606 kamen die Abgeordneten von Mainz, Solms,
Hanau, Ysenburg und Frankfurt, wie auch Phil. Wolff von Praun-
heim in Oberursel zusammen zu berathschlagen was fürzunehmen;
ob den turbationes zu begegnen mit der That und erlaubter Gegen-
wehr, oder mit rechtlichem Process, oder aber vermittelst gütlicher
Handlung. Nicht lange zuvor war bei der Irrung über die Beholzi-
gungsgerechtigkeit der Burgsitze zu Petterweil und zu Nied. Erlen-
bach dieselbe Frage Bchon bei Rath verhandelt worden. Es hatte
nämlich Graf Solms um die Freilassung seines inhafürten Bürger-
meisters von Petterweil zu erleichtern, den Schultheissen von Holz-
bausen, den Bürgermeister von Obcr-Erlenbach und einen Unter-
thanen von Köppern zu Nid. Willstadt verkundschaftet, gefangen
gesetzt und nach Assenheim geführet Bei Rath wurde damals vor-
gebracht (30. Juni 1605) ob nicht auch die Thätigkeit an die Hand
zu nehmen, wie Solms gethan ; ob nicht auch einer aus den Märkern in
Verstrickung zu nehmen, und so lang bis E. E Raths Unterthanen erle-
digt, darin behalten, oder aber ob diese Sache rechthängig gemacht wer-
den solle. Man hatte befunden dass mit solch thätlicher Handlung nit viel
sonderlich ausgerichtet, wohl aber dadurch allerlei Unwillen erregt
worden; es möchte gütliche Handlung zerschlagen, Gegenpfandung
veranlasst werden. Man hatte nochmals an den Landgrafen geschrieben.
Auch diesmal hielt man dafür dass das zuerst vorgeschlagene
Mittel möge auf die Länge zu schwer werden, dem Herrn Land-
Digitized by Google
1
— >12\ —
grafen auch leicht zu weiteren Eingriffen Ursach gegeben werden.
Das zweite Mittel sei auch langwierig und beschwerlich; jedoch die-
weil besser wäre über 30, 40, 50 oder mehr Jahr dasjenige wozu
man befugt, der Nachkommenden zum besten, zu erhalten, als es ver-
loren zu geben, so solle solcher Weg an die Hand genommen wer-
den. Zuvörderst möge noch an den Herrn Waldbotten zu schreiben
-
sein, weil bei dem jetzigen Landgrafen solche gravamina noch nicht
vorgebracht worden; darneben sollen die Märker zu gebührender
Handhab und Defension ihres Herbringens, und andrer Gestalt nit,
sich gebrauchen. Es wurde ein advocatu» bestellt und ein director
causae in dem Erzbischof von Mainz erbeten. Wegen der Kosten hat
man vor gut angesehen dass dieselben aus der Märker Vorrath , son-
derlich wenn derselbe etwas erstarke, angewiesen würde. Die Klage
betreffenden Registraturen und Archive sollten nach Königstein
eingeschickt werden.
Der Beschwerden der Märker werden jetzt 22 aufgeführt, dar
unter die Zollstöck, des Kellers eigens Gefallens Beholzung, die
Herrichtung einer grossen Wildhecke einer Viertel Meil Wegs lang,
das Aushauen und öd machen dreier grossen Wildplätze so etlich
100 Morgen einhalten; nach dem Instrument gebühre den Märkern
„drei Tage zu jagen" doch werde sobald gejaget der Wildpann
sammt fischens und krebsens Gerechtigkeit zugethan; weiter das
Verbot der Hunde, die Mastschwein des Waldpotten, das Hauen auf
der Strassen, der Missbrauch des Schreiers und der Förster zur
Jagd; weiter dass der Waldpott die Hohe Mark als Pf&lzisches
Lehen angedeutet, seine Gewalt so deute als solle er allein und
absolute zu disponiren, zu gebieten und zu verbieten haben, und
eine sondere Oberkeit über die Märker zu suchen sich unterstanden.
Er habe die Märker zur Wolfsjagd antreiben lassen, und Inmärker
gefänglich angenommen von der Mark abgesonderter Sachen willen.
Aus dem allen bitten die Märker ihre Obrigkeit ihnen nothdürftige
Hand bietung zu erweisen und gütlich oder zu rechtlichem Austrag
verhelfen zu wollen. (Mglb. E. 29. IV. S. 50).
Die mitgetheilte Klag kommt dem Waldpotten fremd für, da sie
bei ihm nicht das geringste gesucht, welches doch billigst hätte ge-
schehen sollen, auch die Beschwerungspunkte zum Theil aus den
Zeiten seines Vaters und Grossvaters herrührten; er habe schon
erklärt dass sich seine väterliche Gnaden mit den Märkern aller
Billigkeit nach vergleichen wollten. Der gravaminum wegen solle
Bericht eingezogen werden, Erklärung solle folgen dass die Märker
mit Fug nichts sollen zu klagen haben.
Digitized by Google
- 422 —
Auf dem Märkerding am 27. Mai 1607, nachdem der Schultheis*
von Erlebach und der Rittmeister von Homburg, Brendel, zu Mark er
meistern erwählt worden, erklären die hessischen Räthe: die Märker
hätten sich an die Regierungen gewendet „da doch diese mit der
Märker Saeh durchaus nichts zu thun k. Hie müssten glauben daas die
Beschwerden „nicht aus der samptlichen Marker bevelh und begern,
sondern aus etlichen Particular- Personen, welche zu Verwiggelung
der Herrschaften mehr, als zu nachbarlicher Einigkeit tasten trügen 7>,
hergeflogen seien". Die wesentlichsten Beschwerden seien schon
widerlegt und nicht dagegen replicirt worden.
Der Obrigkeiten Gesandten nach einem kurzen Abtritt in's
SchUtzenhaus widersprachen dem allen, sie hätten für ihre bedräng-
ten Unterthanen intercedirt wie es Herkommen sei. Dabei sie's tur
diesmal bewenden lassen „weilen sie weiten nit instruirt". Als bie-
mit der Convent auf der Aue dissipirt, hat man sich im Schutzen-
haus verglichen wieder zusammen zu kommen.
Hühnburgswiesen. — Es mag hier noch einer Irrung gedacht
werden welche der Waltpott in seinem Interesse auszunützen suchte.
Sie betraf eine in der Hohen Mark gelegene Wiese bei dem Enden
pfuell, ,auch die Hünerburgswiese genannt In einem Bericht aus
dem Jahre 1592 (Mglb. E. 29. I.) bemerkt hierüber der Urseller
Schultheis: es habe der gewesene Stadtschreiber in Ursell, Niclas
Schönwalt diese Wiese zeitlebens in Händen gehabt, seines Dienstes
wegen von derselben keine Beede gegeben. Nach seinem Ableben
hätten die Erben die Wiese Johann Beckern, Einwohner zu Stein-
bach für fl. 120 verkaufet Auch dieser habe die Beede nicht ent-
richten wollen, wesshalb der Oberamtman zu Königstein den Erben
auferlegt die Wiesen wieder einzulösen, und an solche Leut zu ver-
geben von welchen man die Beede ohne Streit erhalten möge. Dem
Becker sei das ausgelegte Kaufgeld sammt Besserung und Kosten
angeboten worden. Anfangs habe er eingewilligt, dann sei er zurück
getreten, habe sich an die hessischen Beamten zu Homburg gehenket,
die erkläret das» die Wiesen zur Höhmark gehörig sein sollten,
ihn wieder eingesctzet. Becker habe sonach die Wiesen gemähet,
das Heu zu sich geführet Desshalb habe ihn der Königsteiner Ober-
amtman zu Oberheckstadt auf seinen Gütern annehmen und ge-
fänglich nach Königstein führen lassen. Die Beamten zu Homburg
73 „Wühler" würde man jetzt Mjren.
Digitized by Google
— 423 -
aber haben darauf eine Zusammenkunft der Märker, mit Ausschluss
der Urseller, auf das Rathhaus zu Homberg bescheiden lassen, da-
selbst den Schultheissen von Ursell des Märkermeister-Amts entsetzet,
einen andern beeidiget, die Gemeind zu Ursell zur Ausmark erken-
net, mit der Bedrohung des Pfandens, Fahens und Eintreibens wo
Menschen oder Vieh aus Ursell in der Höhmark betreten würden.
In Folge dieses Beschlusses wurde den Ursellern in der That
eine Heerde Schaf sammt dem Hirten nach Homburg eingetrieben;
der churmainzische Oberamtman Gernaud von Schwalbach frug bei
Rath an, ob dies mit seiner Zustimmung geschehen? Dieser antwor-
tete auaweichend: in diese fremde Sache mische er sich nicht, werde
sich an das Instrument halten. Der Schultheiss zu Bonames, Bar-
tholomaeus Hildenbrandt, zum Bericht aufgefordert bemerkt, dass
der Canzler zu Darmstadt die Hauptflecken und Ausschuss entboten
den Augenschein einzunehmen; die ältesten Märker hatten ausge-
sprochen dass die streitigen Wiesen zur Mark gehörten; er, Hilden-
brandt, habe sich als ein ankommend, neuer Märker entschuldigt,
man möge die Alten fragen. Uebrigens deuche ihn in seinem ein-
fältigen Verstände, die Wiesen würden nit dahero, fast mitten in die
Mark, geflogen sein. Der Märkerausschuss habe den Urseller Schult-
heissen seines Amtes als Märkermeister entsetzet, weil er dem ober-
sten Waldpotten und den Märkern einen Eid gethan, der Mark treu-
lich vorzustehn, dieselbe zu schützen und zu schirmen, demselben
aber zuwider gelebet Die Schafe seien eingetrieben bis der gefangne
Mitmärker seiner Verstrickung entlediget sein würde.
Die Urseller suchen nun nachzuweisen, dass alle Wiesen obendig
Ursell gelegen von unvordenklichen Zeiten her zu königsteinscher
Obrigkeit gehörig und Privat posseasores zuständig gewesen. In
Ursell seien die Wehrschaften am Gericht ergangen, durch das
Urseller Gericht seien die Scbiedsteine gesetzt worden. Bei Abson-
derung der Mark von den „geroiden gütern" im Jahre 1547 seien
alle diese Wiesen dem Urseller Gericht zugestainet, die von der Mark
abgesonderten Güter jedem Gericht ruhig im Besitz gelassen wor-
den. Urseller Bürger müssten noch Beede und Schutzlohn für Wie-
sen die zur Obersteder Gerichtsbarkeit gesteinet worden, dorthin
abgehen. Die strittigen Wiesen seien von der Höhmark selbst durch
14 oder 15 Steine abgesondert, sie seien von Becker eingelösst wor-
den, dieweil dieser darin noch nit gewähret und sich fest machen
lasnen. Auf ungegründet Erkenntniss etlicher junger unerfahrener
in Marksachen, der Schultheissen der 4 übrigen Markhauptflecken
sei Becker in die Wiesen wieder immittirt worden; die Beamten zu
Digitized by Google
Homburg und nit die Märkermeister hätten eine Zusammenkunft der
Märker zu Homberg, wider den klaren Buchstaben des Markinstru-
mente, unverhört ihrer, der Urseller, angestellet, den Märkermeister
unverhört des Amts entsetzet, die ganze Gemeind zu Ursell zur
Ausmark erkannt, solch nichtige Händel durch den Waldschreier
ihnen verkündigen lassen, endlich eine Heerd Schaf- Vieh „zur Un-
nachbarchaft« durch etliche Obersteder abtreiben lassen. Es sei den
ITrsellern bedenklich gewesen „diesseits der landwehren" 74 zum Augen-
schein zu folgen, ohne ausdrücklichen Befehl der churtttrtl. Obrig-
keit über die strittigen Wiesen zu disputiren. Sie gedenken des aus-
gegangen königstein'schen Dorfes Hausen, zu welchem die strit-
tigen Wiesen gehört; es sei früher ein eigener Wildschütze von
Ursel auf das aus der Mark in die Waldwiesen tretende Wild gehal-
ten worden, und ein besonderer Hüter zu Versehuug der Forellen-
bach. Frevler die darin betreten, seien von ihrer der Urseller Obrig-
keit bestraft worden. Am 15. März 1587 als ein Bürger in Ursell
ein stück Wild in dem Oberhäuser Grunde geschossen, in den
Wiesen um den Albansbrunnen gelegen, hätten die Märker entschie-
den dass, weil die Güter abgestainet seien, man es dabei belassen
solle. Die Homburger Beamten hätten vorgegeben, dass die Abstei-
nung bloss darum geschehen sei, dass künftig von der Mark nichts
weiters solle abgeroidt werden; allein die Märker bestätigten dass sie
nit anders wüssten, denn dass die Absteinung der Mark von den
geraidt gutem geschehen vor kräftig solle gehalten werden.
Am 18/h». Juli desselben Jahres 1592 protestirten darauf die Ur-
seller feierlichst vor Notar und Zeugen wegen vorhabend Entsetzung
wohlhergebrachter Gerichtsbar- und Obrigkeit auf den zugesteinten
Waldwiesen, wider die Beschlüsse des Märker Convents und die
Ausschliessung der Gemeind zu Ursell aus der Mark.
Die beiden Märkermeister protestirten ihrerseits weil der strittige
Grund und Boden in die Höhmark gehöre, den Märkern eigentüm-
lich sei, die „hohe Obrigkeit aber und was derselben anhängig" dem
Landgrafen als obristen Herrn und Waldpotten zustehe. Dieser sandte
seinerseits einen Notar nach Frankfurt, weil auf das, für die 556
abgepfändeten, nach Frankfurt verkauften Schafe erlösste Kaufgeld,
von den Ursellern ein Arrest geschlagen, Process ausbracht und
erlangt worden ; die Decision gehöre vor den Obristen Waldbotten ;
er protestire, damit an habender Oberherrlich- und Gerechtigkeit in
der Hohen Mark nichts präjudicirlich eingeführt werden möge.
» Also ausserhalb des Waldes und der Competenz des Waldpotten.
Digitized by Google
425 —
Die Märkermeister hatten begehrt dass zu Ausfuhrung deren
zwischen dem Landgrafen und den Oberursellern angefangener
Rechtfertigung ein jedes Hausgesess 4 <& erlegen solle. Der Rath zu
Frankfurt ebenso wie der Graf zu Solms widersprachen dem, den
Märkermeistern käme es nicht zu, für sich eine Schätzung aufzu-
legen, sonderlich da der Nutzen der bussen principaliter dem Wald-
potten concernire. Es wurden weil die 4 & nicht entrichtet worden
den Flecken Pommerßheim, Stierstadt, Weyßkirchen, Kalbach,
Harheym, Vilbel, Kirdorff, der Gebrauch der Höhmark verbotten,
kein Bauholz ihnen gefolgt
Im Juni 1593 wurde auf einem Märkerding ein besondere Um-
frag gehalten, es begehrten die Urseller sie zu bescheiden ob die
Märker die von Ursell für Ausmärker hielten; die Märker sich dess-
halb besprochen, haben dem Schreier eine Umfrag zu thun gerufen,
welcher bereits gen Oberursell geritten gewesen. Man habe einen
Boten nach ihm geschickt, inmittelst aber der Sachen ein Anfang
gemacht und eines jeden Meinung, welche ein jeder Fleck durch
seinen Schultheissen öffentlich und laut ausgesprochen, angehört und
aufgezeichnet Es habe sich befunden dass die Märker einhellig sich
erklärt die Oberursler bei der Mark zu belassen. Es sei dies alles
geschehen mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass dadurch weder
dem obersten Waldpotten an deroselben Gerechtigkeiten, noch auch
dero zwischen Iren f. Gn. und dem Herrn ChurfÜrsten von Mainz
am kaiserl. Cammergericht schwebender Rechtfertigung nichts be-
nommen sein sollt
Auf einem ausserordentlichen Märkertag, am 10. Juli 1593,
bemerkt der Canzler zu Darmstadt, die Oberurseller seien zu Hom-
burg für Ausmärker erkannt, aber am Pfingstmitwoch wieder zur
Mark zugelassen worden; solches einander zuwider laufen thäte.
Die Abgeordneten mit allerseits Unterthanen erklärten: die Zulassung
sei erfolgt, weil die Ausschliessung praecipitanter und ohne Bedacht
geschehen, auch nicht auf der Au, und nur durch die Hauptflecken
„ohne Vorwissen derselben Obrigkeit, die sie in solchen wichtigen
Sachen pillich ersuchen Bollen44. Die hessischen Gesandten gaben
hierauf zu verstehen dass die Wiesen quoad utile dominium Privat-
personen zuständig seien, es solle der Beed halber kein Eintrag
geschehen, allein das directum dominium gehöre zur Mark, per con-
sequens die Jurisdiction dem obristen Waldpotten. Es sei gleich
anfangs in dieser Sachen ein grosser Missv erstand gewesen.
Montag den 11. März 1594 wurde der Streit wegen der Process-
kosten erledigt; es sei vornemlich hier um die Jurisdiction zu thun;
Digitized by Google
*
— 426 —
dieweiJ durch den Herrn Erzbischoff Process ausgebracht »ei, als
würde Herr Landgraf solche Sach gegen den Erzbischoffen auf seine
Kosten, ohne Zuthun der Märker auch wol auszuführen wissen , mit
welcher Bemerkung man allseitig zufrieden war. Darauf wurde
am 22. Mai auf der Auen ein neuer Märkermeister gewählet Der
Schultheiss und Schreiber von Homburg gab die erste Stimm für
Wendel Hoff den Schultheissen von Oberursell , welchem die anderen
Märker alle gefolget und ihre Stimme gegeben; worauf der Canzler
erkläret: er wüsste im Namen seines Fürsten und Herrn ihn, Wendel
Hofen, nit vor ein Märkermeister zu erkennen, viel weniger zu be-
stätigen, man solle einen andern wählen. Die Märker aber beriefen
sich darauf dass sämmtliche Märker die von Oberursell als Mitmärker
anerkannt, begehrten dass dem Instrument nachgekommen werde.
Auch die anwesenden Abgeordneten waren der Meinung dass man
nit vorüber könne, sondern es dabei müsse bleiben lassen, da nicht
vor der Wahl die Einrede geschehen sei. Wendel Hoff wurde von
dem Canzler, jedoch unter Widersprechen und Protestation einge-
setzet und beeidigt. Ein Versuch die Irrung wegen der Wiesen in
Güte beizulegen, misslang auch diesmal; Mainz hielt fest an der
Oberherrlicbkeit und der Beed; die Märker wollten mit der hohen
Oberkeit nichts zu thun haben, aber auch keine Entschädigung
zahlen; der Waldpott wollte weder auf die Oberherrlichkeit der
Wiese verzichten, noch seinerseits Entschädigung zahlen. So erging
am IG. Jan. 1595 endlich vom Reichskammergericht zu Speier ein
Urtheil im wesentlichen des Inhalts: Es Bei in des h. Reichs Consti-
tution, insonderheit anno 1555 zu Augsburg uffgerichteten Abschied
geordnet, dass kein dem h. Reich immediate unterworfener einen
andern, gleich mäasig demselben unter than oder dessen Unterthanen
pfänden oder fahen solle; der ChurfÜrst sammt der Gemeind zu
Uhrsell hätte in den anno 1547 von der Hohen Mark . abgesteinten
Wiesen alles und jedes was der Obrigkeit anhängig sein möge her-
bracht, dergestalt dass die abgesteinte Bezirk gen Uhrsell verbeedt,
verschätzet und darüber Wehrschaft gegeben, die Schiedsteine durch
die Uhrseller Gerichtsschöffen gesetzt, die possessores solche Güter
als ihr eigen und nit als Markgüter kauft und verkauft, — dass doch
dessen alles ohnangesehen Johann Becker, Hanauischer Unterthan
zu Steinbach, wegen nit entrichteter schuldiger Beed und angestif-
teter trutziger Verweigerung anbefohlener Wiederlösung erkaufter
5 Morgen Wiesen, auch sonsten schimpflicher Verachtung angektind-
ter Gebot durch Sr. Lbdn. Schultheiss zu Oberhexstadt, aus Befehl
dero Amtmans zu Königstein zu gefänglich haften gebracht worden,
Digitized by Google
— 427 —
— dero Lbd. zugefahren und durch Ihro Schultheis und Schreier zu
Steden, in ohnzweiffeliger Ub reeller Weidgangs district, etliche
Tag durch Johann Mandeln uf der Lauß halten, und endlich
575 schaf gewaltsamlich abpfänden, nach Homburg in Gewahrsam
treiben, daselbsten einestheils verschmachten, die übrig um ein ganz
geringes, nemlich vor 390 fl. acht Schilling den Frankfurter Metz-
gern verkaufen, den Werth der gemelter Uhrseiler Bürgerschaft vor-
enthalten lassen : — hierumb so gebieten wir Dero Liebden von
Römischer kaiserlicher Macht bei Poen zehn Mark lediges Golts,
halb in unser kais. Kammer, den andern halben Theil Sr. unser
Churf. Lbd. zu bezahlen, und wollen dass dieselben D" Lbdn. ohne
Verzug das abgepfandt Vieh oder den billigen Werth dafür restituire
. . Wir haischen und laden auch D° Lbdn auf den 30*B tag
bemelter Insinuation . . selbst oder durch einen vollmächtigen An-
walt . . zu erscheinen, Iren hierin geleisteten Gehorsam gebürlieh
anzuzeigen.
Der 30jährige Krieg. Wenn auch schon gegen das Ende des
16 Jahrhunderts die Verfassung und das Recht der Hohen Mark
wesentliche Beeinträchtigung erfahren hatte, so machte doch erst der
unselige Bürgerkrieg, welcher im Anfange des 17. Jahrhunderts
Deutschland so schauderhaft verwüstete, eine gedeihliche Fortent-
wickelung der Markenverhältnisse unmöglich. Der 30jährige Krieg
hat den edlen Stolz der Bürger und Bauern gebrochen. Kaum kann
weiter noch von einem Rechte in der Hohen Mark geredet werden,
denn an die Stelle des Rechts war die Gewalt getreten; die alten
Formen sind geblieben, aber der Geist ist nicht mehr darin Noch
ist die Hohe Mark der Märker eigen, aber sie haben in ihrem Eigen-
thum nichts mehr zu sagen j ihre Stimme wird kaum mehr gehört;
die Obrigkeiten treten für sie auf, mehr um das eigne Ansehen, die
eigne Herrschaft zu wahren, als um das gekränkte Recht der Unter-
thanen zu schützen; aber auch die Thatkraft dieser Regierungen ist
gebrochen, der kecke Uebermuth spottet ihrer. Die Berichte welche
der Abgeordnete des Raths zu den Märkerdingen, der Landbereiter
Johannes Zeundel zu der Zeit einschickte, zeigen welches Interesse
man damals an den Märkerdingen nahm, und was die Märker von
den Regierungen zu erwarten hatten. Er berichtet am 9. Juni 1652
dass zuerst die Busse verlesen sei, dann 9die büße Häuser und
Dächer gereutt und in 14 Tagen die büßen zu dättigen zu Hum-
burg".
Digitized by Google
Auch im 16. Jahrhundert war berichtet worden dass etliche Wölfe
in der Hohen Mark sich sehen Hessen. Die Schultheisse von Dürkel-
weil und Bonamese fragen am 6. Dec. 1598 bei Rath an, der oberst
Waldpott habe den Märkern zu erkennen gegeben „nottürftig ge-
rußt* zu erscheinen und die stell- und jagdeo verrichten zu helfen.
Diejenigen so sich „gehorsamlich einzustellen bedacht", sollen schrift-
lich subscribiren. (Mglb E. 29. in. S. 157.) Der Rath benahm sich
mit den Befehlhabern von Hanau, mit dem Amtman von Königstein
Oernaudt von Schwalbach, und mit dem Solras'schen Kellner zu
Reddeinheim, welche vor solchen Neuerungen warnen , andeuten
wohin solche neuerliche Anfange zuletzt gerathen. Darauf wiess der
Rath die Schultheissen an, sie sollten solche begehren an die ordent-
liche Obrigkeit weisen.
Im Jahr 1644 sollen Nieder Urschel und Dörkelweil auf dem
Märkerding gestraft werden weil sie, wie der Landbereiter Zeundel
berichtet, nicht wegen der Wolfsjagd zu Humburg erschienen seien.
Aehnlich erging es den Märkern der Seulburg Erlenbacher etc.
Mark. Es beschwert sich in einem Sehreiben d. d. 29. Febr. 1648 Graf
Johann Augustus zu Solms, Herr zu Münzenberg und Sonnenwald an
Frau Margarethen Elisabetha Landgräfin zu Hessen, es seien auf den
Befehl bei den Wolfsjagden zu erscheinen, nach dessen Verpleiben
Förster aus der Höhe nach Homburg gefänglich abgeführt worden;
er verlangt dass sie freigelassen werden, man sei bereit, nach Be-
grtissung der competenten Obrigkeit, den Unterthanen die Verfolgung
der schädlichen Thiere zu befehlen. Landgräfin Margaretha Elisa-
betha, Wittib und Vormundin, schreibt am 13. März 1648 dem Rath :
sie wundere sich wie derselbe in die Gedanken gerathen sich in
fremde ihn gar nicht concernirende Sachen zu mischen und fremden
Leuten in ganz ärgerlichen, strafbaren Vernehmen beizufallen. „Was
wir mit den widersinnigen Petterweilern zu thun bekommen, das
habet ihr nicht zu verantworten noch zu vertreten". Hätten die
Märker sich zu beschweren, sollten sie es bei ihr zuvörderst suchen
und Resolution erwarten ; sie habe das nachbarliche Vertrauen, dass
der Rath seine Unterthanen zu gebührend hergebrachter, auch ihnen
selbst nutzbarlichen Schuldigkeit anweise.
Der Graf zu Solms wandte sich wieder an den älteren Bürger-
meister Hieron. von Stalburg wegen der vorgenommenen, thätigen
Hin wegschleppung seiner armen Unterthanen zu Peterweil, in billiger
Verweigerung ungeziemender Wolfsjagden. Die Landgräfin aber ant-
wortet auf das gütliche Schreiben des Raths: dass früher die Märker
zu Wolfsjagden verbunden gewesen, sie könne vor diesmal, bevorab
Digitized by Google
— 429 -
vermöge Vormünderpflichten zu Conservirung aller herbrachten Rechte
eidlich verbunden, ohne Vorwissen der sämmtlichen interessirten
Fürsten und Landgrafen zu Hessen in das Begehren so blösslich nit
wiüigen. So haben scheinheilige, fromme Worte zu allen Zeiten hel-
fen müssen selbstsüchtige Handlungen zu bemänteln.
Auf Lätare 1648 sind vom Herrn Keller zu Homburg „im Nah-
men ihrer Fürstl. Gn. als oberster Waldbotin" den gesammten Märk-
ern Fragen vorgehalten „aber von Niemand beantwortet worden":
Was die Wahrheit sei dass Ober- und Nieder-Erlenbach bei ihrer
Obrigkeit geklagt hätten?
Warum sie nicht zuvörderst bei I. f. Gn. als obersten Waldbo-
tin, welche ihnen auch gebott anlegen lassen, geklagt hätten?
Ob I. f. Gn. als Waldbotin der Mark oder den Märkern jemals
etwas zuwider gethan, das ihnen schädlich gewesen?
Wer die Märker jemals darzu gezwungen, zum Wolfsjagen?
Hierauf antwortet Schultheiss zu Holzhaussen: er meint, sie
müssten es thun „dann die Wölfl" liffin ja bald in die höff, eß wöhre
in andreß dran gelegen, alß den andern Märkern, dann die Leute
hätten gut sagen, sie legen weit vom Walt, wir aber sind dem
Wald zu nahe gesessen". Ferner wird gefragt:
ob die Leut nit gutwillig zum Jagen erschienen? aber keine
Resolution erfolgt, „außerhalb daß der Schultheiß von Nieder-Erlen-
bach geantwortet, sie plieben bei irer Ordnung".
Hierauf gab der Kellner wieder zu vernehmen dass nit alles in
dem Instrument begriffen, sondern „vor ohngefähr 20 Jahren" eine
neu Ordnung gemacht und verbessert; darauf der Schultheiss von
Nieder-Erlenbach erwidert: es werde aber keines Wolfljagens darin
gedacht
Ein Erlass der Landgräfin vom 2. März 1649 belehrt uns wie
der Märker jetzt dem obristen Waldpotten gegenüber steht. Es werden
Schultheiss, Bürgermeister und ganze Gemeinde zu Petterweil gefragt,
was wegen des den 22. Nov. 1647 angestellten Wolfsjagens, darauf er-
folgter Verbrechen und Frevel, zu erinnern wissen. Sie hätten nicht
ihre Schuldigkeit gethan, seien zur Bezeugung ihrer Widersetzlich-
keit mit Geschirr und Ochsen des Tags Brennholz zu führen sich ,
gebraucht. Die Widersetzlichkeit und den Trotz könne man nicht
dem „ganzen fürstlichen Hause Hessen ohn sonderbares Praejudiz
und Nachtheil ohngestraft passiren lassen". Die Petterweiler sollen
am 2. April zu Seulberg erscheinen sich zu entschuldigen, oder nach
Befinden zu verbüssen. Als der Schultheiss Johann Leichner den
Nieder-Erlenbacher Schultheissen angeredet, was er sich deshalb
Digitized by Google
bedünken Hesse , hat dieser den Märkermeister Burck auch angeredt,
gefragt, was er dann dazu sage, ob er denn still dazu schwiege; wo-
ruff der Holtzhäuser Märkermeiater geantwortet: „Ey wer wird sich
an solchem Orth widersetzen, hätten die Petterweiler einen Mann,
2 oder 3 geschickt, wie andere auch, so hätte es keine Noth gehabt".
Der Ober-Erlenbacher Schultheiss aber hätt' unterm Gespräch mit
diesen Worten herausgelassen: man hätte vorm Jahr ihn gerne in
Straf bringen wollen, da er doch nur mit ohngefähr 3 Mannen allein
zum Wolffsjagen gegangen, indeme aber seine Nachbarn gesehen
dass die Nieder-Erlenbacher so stark herankommen, so weren seine
Nachbarn uf dieselbige um 25 Personen weiter nachgefolget. Weiter
habe der Ober-Erlenbächer Schultheiss gesagt, er wäre damals zu
Petterweil in Johann Eckarts Haus bei vorigem Schultbeissen Bai-
thaser Laissen gewesen, welcher bei der Aufforderung geantwortet:
„Sie möchten jagen oder nicht, es wäre morgen Waldtag, sie führen
in Waldt".
Zwei Petterweiler waren in Folge der Weigerung und Wider-
setzlichkeit ein Vierteljahr in Haften gehalten worden ; ' für die auf-
gewandten Unkosten wurde Restitution begehrt, eingeschlagene
Mastschweine gepfändet, fl. 100 Unkosten und fl. 50 Straf verlanget
Nicht nur Wölfe, auch andere Gefahren bedrohten zu der Zeit
die Hohe Mark. Am 18. April 1645 erging ein Erlass von Hom-
burg, da zum öftern in der Hohen Mark Brand entstanden, solches
nun überhand genommen und durch wenige Wehr nicht gelöscht
werden mag, hat die durchl. hochgep. Fürstin und Frau, Frau Marg.
Elis. Landgräfin zu Hessen etc. Obriste Frau und Waldbottin, . . in
Gn. ernstlichen und bei fl 10 Strafe anbefohlen, dass jeder Mark-
schultheiss seine Untergebene mit allem Ernst anhalte, dass sie mor-
gen Tags Zeit zu Oberstedten „mit gewöhnlichem Feuerwehr" er-
scheinen, und da dem Brand zu wehren sich als redliche Märker
gebrauchen lassen etc
Im Jahre 1663 beriethen sich die Regierungen, ob die Grenze
begangen werden solle, weil viel Klagen wegen der hessischen Ein-
griffe eingelaufen. Eine Vorstellung der Märker wiess darauf hin,
wie der Umgang immer auf dem Märkerding beschlossen worden,
nicht erst von den Regierungen berathen; der Umzug sei nöthig
weil so lange keiner gehalten, der Freiherr von Reifleuberg Hoch-
würdigen Gn. einen Markstein bestreite und ein Stück Wald, Holz
fälle und Kohlen brenne; wegen der hessischen Eingriffe möge
man den Umgang nicht aufhalten.
Digitized by Google
- 431 -
Um diese Zeit war es besonders der Oberamtman von König-
stein, Freiherr v. Bettendorf, welcher im Interesse der Regierungen
den Uebergriffen des Waldpotten entgegenarbeitete. Er fragt der
Zollstöcke wegen bei Rath an, ob derselbe die Abschaffung mit be-
treiben wolle, da „die Herrschaften bei dem Markwesen sehr we-
sentlich interessirt" seien ; ersucht das Märkermeister-Amt „bei einem
churf. Mainzischen subjecto" zu erhalten, da hessische Unterthanen
aus tragendem Respect in vorfallenden Attentaten leichtlich nach-
geben. Als der Mlirkerraeister Joh. Phil. Stahl von Ober-Eschbach
auf gewöhnlichem Bussthätigungstag, ohngeständig, in Arrest genom-
men und verwahrt worden, schreibt im Juli 1695 Freiherr v. Betten-
dorf : die freie Wahl sei das einzige was die Märker sich erhalten,
es scheine dass man sich absolute Herr von der Hohen Mark machen
wolle, der Unterthanen conservation dependire von dem Mark- Wald,
vergeblich habe man auf Relaxation gedrungen, ob nicht von Bäramt-
lichen Herrschaften mit Repressalien zu verfahren sein möchte. Der
Rath war zu allem erbötig, aber in diel vorgeschlagenen Repressa-
lien, als widerrechtlich, könne er nicht einwilligen. Auf den 7. Febr.
1696 wurden die Markschultheissen und der Märkermeister Messer
wieder nach Homburg berufen. In Gegenwart Ihr. hochf. Durchl.
wurde denselben bemerkt, wie der Märkermeister in anno 1693 der
Untreu beschuldigt worden, er habe verschiedene Stämme Holz an
den hochgräfl. HanauiBchen Rath H. Fabritius verschenkt, auch Vieh-
sebinderei halben gescholten, weil er verrecktes Vieh durch seinen Schäfer
in seinem Hof abdecken lassen. Er, der Obrist Waldpott, habe desshalb
nicht anders gekonnt, als den Märkermeister, bis er unschuldig be-
funden, seines Amtes zu suspendiren. Die Sache sei ohnausgemacht,
die Mark in Zertrennung geblieben, maßen anno 1695 keine Bussen
angesetzt noch erlegt worden seien. Er schlage vor, die Sache auf
einem Tag zu Homburg vor dem Anwalt, dem Märkermeister Messer
und den Schultheissen der 5 Hauptflecken zu untersuchen, dass sie
dann entweder bei dem ordentlichen Busssatz oder auf dem nächst-
kommenden Märkergeding verlesen und abgethan werde. Märker-
meister Stahl und Joh. Jac. Roth von Ober-Eschbach, der Anbringer,
wurden aufgefordert auf einem „extraordinari Märkerding oder Mär-
kergericht" zu erscheinen, ein jeder könne mitbringen, was zu der
Sachen Nothdurft erforderlich sei. — Es findet sich weiterhin eine
Hanauische Citation d.d. 22. Febr. 1696: hochgräfliche Canzlei habe
sich mit der Burg Friedberg dahin concertirt dass die zwischen Stahl
und Roth geschwebte Schwierigkeit bei der hoehgräflichen Canzlei
ausgemacht werde. Das Urtheil wurde am 3. Sept. publicirt; nach
Digitized by Google
- 432 —
ungehorsamem Ausbleiben des Beklagten wird derselbe wegen wie-
derholter Injurien verurtheilt dem Kläger eine christliche Abbitte zu
thun, sich aller Thätlichkeiten und Injurien zu enthalten, die aufge-
gangenen Kosten zu erstatten. — Auf dem extraordinari Märkerge-
richt erschienen beide Theile durch ihre Anwälte, Roth konnte aber
den „geringsten Beweiathumb nit beibringen". Er gab desswegen
vor: das Märkerding sei „sein competent forum nitu. Der Schultheiss
Wunderer von Bonames berichtet darüber: diese Behauptung sei
unrichtig, da Roth, ein Märker, mit der ersten Delation des Märker-
meisters Amts-Obligation, mit der zweiten seine Ehr und Statum in
Quästion gezogen, daher die Untersuchung nirgendswo, denn nur,
altem Herkommen nach, als von der Mark geschehen müssen. Weil
nun Roth bei der Oitation „de forum nit excipirt" sondern das ex-
traordinari Märkerding vor sich gehen lassen, also habe die sammt-
liche Marek mit höchstem Fug den Ausspruch gethan, dass der Herr
Roth wegen der falschen delationen dem Märkermeister Stahl und
der Mark wegen erlittenen Schadens und Unkosten 200 Rthlr. Straf
anzuhalten, im übrigen es bei der von hochgräfl. Hanauischen Re-
gierung ihm, Rothen „injurgirten deprecation" zu lassen, worauf die
Mark wiederum in Einigkeit gesetzt. Zwar habe Herr Roth von die-
sem Ausspruch coram notario et testibus an höchster Obrigkeit her-
nach sich berufen, worauf auch die Mark, wiewol es derselben ge-
hörigen Orten nit insinuirt worden, „die fatalia resp. und bis zu
deren Verfluss mit der Execution zurückgebalten", nach deren End-
igung aber die Execution dem Markschluss gemäss vor Hand ge-
nommen und dem Herrn Roth 6 stück Rindvieh, nachgehends $
Pferde aus der Mark nacher Homburg getrieben, daselbst dem Her-
kommen gemäss 3 Tag enthalten, ex post plus offerendi verkauft,
ihm, Rothen, jedoch auf 24 stunden die Lösung gestattet. Hiernach
habe Herr Roth wegen solcher Pfändung Herrn Stahl zu Friedburg,
dann bei Ihrer ftirstl. Gnaden actionirt; da es vergeblich gewesen,
habe er bei der hochL kaiserl. Kammer mandata an Sr. hochf. DurchL
den Herrn Oberst Waldbotten ausbracht, dass ihm die ablata oder
der Werth dafür restituirt werde. Die zum Theil abschriftlich bei-
gelegten Sentenzen legen dar, wie die freie Reichsritterschaft Mittel-
Rheinischen Kreises in der Wetterau und Consorten, Klägern, wider
Herrn Landgrafen Friedrich zu Hessen-Homburg der Execution hal-
ben Klage erhoben, letzterer den Märkern den Streit verkündet,
weil im Unterliegungsfalle er sich an der Mark wieder erholen
müsse. Der Schultheiss hält es für rathsam interveniendo einzu-
kommen, sich aber nicht in den Process, den Sr. hochf. DurchL und
Digitized by Google
433 -
der Herr Roth untereinander haben, einzulassen, die Marksachen
separirt zu halten, und in Zeiten zu remonatriren. (Mglb. E. 29. V.
8. 60-69. S. 162.)
So haben die Mark er den Boden ihres alten, guten Hechtes, auf
dem sie unangreifbar gewesen, verlassen ; sie stehen jetzt auf einem
fremden Rechtsgebiete, auf dem sie dem Gängelbande ihrer Advo-
caten folgen, Hab und Gut und die Ruhe ihres Lebens opfern
Landgraf Friedrich. — Der Landgraf Friedrich, Obrist
Waldpott, wandte sich im Sept 1698 an den Rath: er sei gesonnen
nächst seinem eigentümlichen Tannenwald75 ohnweit Stedten einen
kleinen Thiergarten anzulegen, gedenke sich mit der Hohen Mark
zu vergleichen, dass sie ihm den streitigen Brändeisbusch nebst dem
jetzigen Hägeholz, incl. des Bleiwelsberg erb- und eigentümlich
überlassen möge, er dagegen wolle der Hohen Mark „unsere beyde
sogenannte Straßen" gleichfalls auf ewig cediren. Die Beholzung
darin sei noch in sehr gutem Zustand. Er habe die gute Zuversicht
dass der Rath die Sache fördern werde, dazu „Beine Beamten an-
weisen lasse0 dass sie dem Tausch nicht entgegen seien. Der Rath
erwiderte, es sei ihm berichtet worden, dass diejenigen Stücke welche
Se. Fttrstl. Durchlaucht der Hohen Mark zu überlassen willens, der-
selben nicht eigentümlich, sondern als obersten Waldbotten zu-
kämen, mithin also ohnedem schon mit zur Hohen Mark gehören thä-
ten. Unter den Beschwerden der Märker findet sich dann :
dass der Dannenwald und die daselbst gelegene Wiese, auch ein
Stück von 3 Morgen undisputirlich Markgut, zum Ganingesgarten
mit einem Zaun umgeben worden. Landgraf Friedrich schreibt wei-
ter an den Rath : er habe bereits vorgestellt, wie er seinen kleinen
Thiergarten zu seinem Pläsir und Ergötzlichkeit in etwas vergrössern
wolle, er erwarte dass der Rath durch seine Beamte dahin wirke,
wie es zur Erreichung seines intents am sichersten sein möge „zu-
mal da solches nur zu unserm pläsir angesehen ist". Die Antwort
des Raths war : er müsse sich mit den andern Herrschaften beneh-
men, zumal da berichtet worden dass diejenigen Stücke, welche Se.
fürstl. Durchl. der Hohen Mark überlassen wollten, deroselben nicht
eigentümlich seien.
n Es ist dies der erste Tannenwald dessen in der Hohen Mark gedacht
wird.
28
Digitized by Google
— 434 -
Ueberall wo dieser Landgraf Friedrich in den Akten der Hohen
Mark handelnd auftritt, erscheint er als ein lebendiges Bild, that-
kräftig und unternehmend, aber rücksichtslos, ohne irgend eine Ahn-
ung dass es neben oder über ihm noch ein Recht gäbe, dass auch
Andere zur Glückseligkeit berechtigt seien.
Aber der alte Stolz der Märker regte sich zuweilen noch, seibat
einem solchen Waldpotten gegenüber. Von der Homburger Canz-
lei wurde im April 1699 geschrieben a Monsieur, Monsieur
Wunder, Schultheiss de la ville Imperiale ä Bonamöa : zu bevor-
stehender Reise des Landgrafen solle er Verordnung stellen,
dass durch seine Untergebne ein guter Weg an dem Ort, wo
die grundböse passagc am Wasser sei, gemacht werde, aller-
niassen hochf. Durchlaucht sich, noch dero Suite, durch diese gefähr-
liche Weg weiter nicht mehr hazardiren wolle. Versehe sich dass
wenn dieselbe morgen auf Bonamös kommen, sie den verfertigten
Weg ohngehindert passiren können. Der Schultheiss berichtete an
den Rath dass der Landgraf an laufendem gefährlich Wassers zu
Bonames passiren wollen, die Unmögb'chkeit aber wär, dass man die
ordinari Strass passiren könnte, desswegen von ihm begehrt worden
man raög eine Brück über einen Graben vor einem umgezackerten
jedoch unbesäten Acker machen lassen. Dies sei durch die Unter-
thanen, wie schon öfters geschehen, ausgeführt worden ; ein jeder
habe das gern gethan, sagend, man müsse so einem Herrn aus der
Gefahr forthelfen. „Kommt ein Nachbar aus Bonames, Fetter Mi-
chell, fähret mit Ungestüm heraus, wer ihnen solches befohlen?
darauf die Männer geantwort, es hätte solches der Schultheiss be-
fohlen, dem sie zu pariren schuldig gewesen; Petter Michell aber
geantwortet, das wären sie nicht schuldig zu thun; wenn der Schul-
theiss Brücken wolle gebaut haben, solle er sie auf sein Gut bauen,
das wäre Schelmenarbeit, oder ein Schelmengebrauch. Worauf die
Männer geantwortet, wo denn der Fürst sollte fort kommen? Petter
Michell sagend : er solle nach dem Teuffei fahren, möchte sehen wie
er hinüberkämeu. Ein anderer Nachbar habe geantwort, das seien
Worte die sich nicht noch einmal sagen lassen. Darauf Petter Michel,
er sage es noch sechsmal. Die Leute hätten dies nicht verschweigen
können, er, der Schultheiss, habe sie bis auf den nächsten Rathstag
auf das hochlöbL Land- Amt vertröstet Während der Zeit seien Ihro
Durchl. passiert, hätten gesprochen, man möcht die Brück bis künf-
tigen Montag liegen lassen, sein ältester Prinz würde mit dero Ge-
mahlin passiren, der Schultheiss habe dem gemäss befohlen, man
solle die Borden von den Trumen thun, bis auf etliche, damit sicha
Digitized by Google
— 435 -
nicht ein Jeder bediene, und dem Nachbar Schaden dardurch ge-
schehe. „Wie nun der Prinz früh morgens korapt, wo die Brück
gewesen, hatt ein böser Bub den Rest von der Brück abgemacht und
zur Nied hineingeworffen ; ist eine andere Brück durch Bonameser
Nachbar gemacht worden, daß also der Prinz ohne Gefahr passiret
ist" Der Schultheis» brachte obgemeldt action bei hochl. Land-
amt klagbar vor. Michell wurde angewiesen, solches nicht mehr zu
thun. Bei diesem Berichte bemerkt der Schultheis» noch, dass eben
kein Vortheil bei des Herrn Landgrafen seiner Passirung sei; er
habe sich oft beschwert, aber niemahlen gewisse ordre bekommen.
Die vielen Passagiers machten den Schaden, denn es sei eine Land-
strasse, und suche sich ein Jeder „aus dem Wasser zu Baiviren*. Die
Bonameser hätten sich oft auch, bei bösen Wegen, auf der Wald-
straase Vortheil bedient, nie habe einer die geringste Ungelegenheit
desshalb im Homburgischen gehabt. (Mglb. E. 29. V. 114.)
Es lag sehr in dem Interesse des Landgrafen nicht nur die An-
zahl seiner Unterthanen zu mehren, sondern auch eine Stimme in
Angelegenheiten der Hohen Mark mehr zu erhalten. Ob bei An-
legung der Waldenser Dörfer auch Gründe der Menschlichkeit mitge-
wirkt, das kann hier nicht untersucht werden. Der Freiherr von
Bettendorf schrieb am 27. Aug. 1699: es seien in der Gegend von
Stedten Waldenser angelangt, vorhabend Anbauung eines neuen
Dorfs, forderte den Rath auf, sich desshalb beschwerend an den Land-
grafen zu wenden. Es sei die Beholzung und Weide ziemlich zu-
sammengegangen und Mangel daran; ob auch ein Dorf dagestanden,
bei dessen Abgang hätten sich die Einwohner samt dero Güther in
andere nächst angrenzende Markflecken und Dorfschaften gezogen,
selbige sich dadurch um soviel mehr verstärkt und vergrössert, bäte
also den Landgrafen Waldpotten den Anbau eines neuen Dorfs zu
verhindern. Friedrich, Landgraf zu Hessen, churfurstl. Brandenbur-
gischer über die Cavallerie bestalter General, antwortet am 2. Sept.
1699 : er habe vernommen wie die zur Hohen Mark gehörigen Un-
terthanen sich beschweret Uber die intention filr die armen ver-
triebenen Waldenser ein Dorf aufzubauen; es sei aber kundig dass in
diesem District welcher den Waldensern eingeräumt worden, vorher
das Dorf Dornholzhausen gelegen, solches in der Mark berechtigt
gewesen, würde sich also seine jura und Gerechtsame nicht dispu-
tiren lassen, sondern sich derjenigen „rechtlichen Freiheiten" in der
Hohen Mark bedienen, wie auch andere Mark-Flecken, denen er-
laubt sei sich durch Ankömmlinge und Fremdlinge zu peupliren und
ferner zu bauen. Er hoffe also dass der Rath seine Unterthanen
28*
Digitized by Google
zur Rohe weise. Dieser aber wandte sich beschwerend an den An-
walt, dass die Waldenser welche keine Mitm&rker seien sich unter-
stehen mit ihrem Vieh in die Hohe Mark zu fahren, auch Bauholz
zu fällen. Die Schultheisse von Praunheim, Ursell und Bonames
traten zusammen : ohnerachtet der Märker Protestation, auch „der
Herrschaften Thädigungsschriffien* unterfange man sich Holz au»
der Mark für die Waldenser durch die Unterthanen fuhren zu lassen;
sie schlagen vor gegen die so Holz fuhren ohne Vorwiasen der Mär-
kermeister mit Pfändung und Eintrieb zu verfahren, den Eintrieb
aber, weil es Homburg concernire, anderswo als nach Homburg zu thun,
„die Herrschaft um Vcrhaltungsbefehl zu bitten", wie man sich im
Widersetzungsfall zu verhalten. (Mglb. E. 29. V. S. 90, 94, 98.)
Die Herrschaften waren nicht weniger rathlos als die Märker.
Es schrieb Freiherr von Bettendorf, der Königsteiner Amtmann, an
den Rath: es seien von Seiten Ihr. f. Durchl. je länger je mehr
Missbräuch sowohl zu Nachthoil der Märker, als auch condominorum
der Mark eingeschlichen, ja sogar über die Jagensgerechtigkeit
gleichsam ein dominium absolutum und Jurisdiction darunter usurpirt
werden wollen, da doch dieselbe darein nur limitatum jus herge-
bracht. Ob es nicht räthlich dass die Märker beim nächsten Märker-
ding ihre Beschwerden nochmals übergäben, auch wofern nicht
abgeholfen werde, man „die Markgerichter sistiren, und weiter nit
erscheinen werde" bis abgeholfen sei. Der Rath liess sich den Vor-
schlag Wohlgefallen, will die Seinigen anhalten zu rechter Zeit sich
einzufinden, würde es nichts helfen, sei weiter zu berathen. Weiter
finden sich aus dem Jahre 1702 die Vorschläge und Berichte über
die gravamina der Märker: Es sind dies
1) Dass zwar in dem Weisthum von 1484 ein Dorf Dornholz-
faausen stehe, dass aber selbiges über 200 Jahre schon in Abgang
kommen, ingleichen dass das jetzige an einem andern Ort und der
Waldgränzc viel zu nahe stehe. 2) Dass der Obrister Herr Wald-
bott vieles Holz „ausser der ordinarü Notwendigkeit" als zu Salz
soden, Canälen und Palisaden, Ziegelhütten und Kalköfen ohn An-
weisung oder Zahl weghauen lassen, ebenso durch seine Köhler und
alle welche nur einen Schein einer Bedingung von Ihme haben. 3)
Dass er ein absonderliches Stück in der Hohen Mark, die Strasse
genant, für sich allein halten und benutzen wolle, da doch im Instru-
ment Art 6 vorgesehen, dass auf derselben auch einWalbott keinen
Schaden thun, oder sonst den Märkern büssen solle7*. Weiter folgt
'« Es findon sieb anf dem Situstionsriss (Risskiste Nr. 89), welcher bei Ge-
legenheit „der vorgewesenen Theilung" im Jahre 1777 duroh den f. bess. ban.
Digitized by Google
anter 6) das» er der Jagd in der Hohen Mark gar nicht privative
berechtigt sei, vielmehr auch den Märkern nach dreien Tagen zu
jagen gestattet sei; unter 7) dass er sich der Territorialjurisdiction
anmasse, habe Hunde todt schiessen lassen, die keinen Knüttel ge-
tragen; unter 8) dass er Zoll hebe in der Hoben Mark. Weiter
dass er „die anbauende Walt Enßer, oder wer die sein mögen", für
Mitmärker angenommen und den Wald ruiniren lassen; dass er
Schwein über 8 Tag nach verglichenem Einschlag kommen lassen,
solche noch eingeschlagen, dazu Ausmär k er schwein mit untertreiben
lassen; dass der Kaningesgarten vergrössert, dazu der Marker Ei-
genthum hinweggenommcn, auch viel Holz zu Zäun gehauen wor-
den. Diese und andere Beschwerden sind unterzeichnet von den
Märkenneistern Job. Jacob Messer und Job. Ph. Stahl, von den
Schultheissen B. Anthoni, Caspar Brendel, J.Wunder, und Jobannes
Conwcrt (?), sie wurden am 14. Juni 1702 auf gewöhnlichem Märker-
ding dem AnwaJd übergeben.
Jedes Markerding fast sah jetzt neue gravamina vorlegen, und
die betheiligten Regierungen beriethen emsiger welche Schritte zu
thun seien, um die Herrschaft, die sie für sich selbst beanspruchten,
nicht durch die Willkühr des Waldpotten beeinträchtigt zu sehen.
Im Jahre 1703 waren es 12 gravamina welche die Märker aufs
Weitläufigste zu begründen suchten. Der Oberste Herr und Wald-
bott liess Gegenerklärung ausarbeiten, und gravamina auch seinerseits
vorbringen. Er bemerkt :
Des Waldpotten Jagdgerechtigkeit sei auf Observanz und
Herkommen, auch auf klaren Vergleich randirt, auf jedem Märker-
ding sei das Jagen verboten worden. Diese Gerechtigkeit sei mit
der Cession und Uebergab Homburgs an den Waldpotten gekommen,
müsse also vom Hause Hessen mit geschützt, Eviction geleistet wer-
den ; es befremde ihn, wer die gemeine Märker so aufwiegeln möge,
dass sie nach zwei-, dreihundert Jahren sieb „nun erst unterstehen"
solche praetensiones vorzubringen und jus et possessionem anzufechten.
Ebenso sei die Territorial-Jurisdiction oberherrlich- und Gerechtig-
keiten in der Observanz und im Hohen Mark Instrument de 1484
Landcomroissarius Job. Hein. Zincke und Joh. Friedr. Zincke Uber die „In der
Wetterau gelegene" berühmte Hohe Mark verfertigt wurde, auch die 2
Strassen aufgezeichnet : „gebück, hocke oder Strasse" unregelmassig begrenzte
Walddistricte. einer auf dem Wege von dem Brendelsbusch nach der Saalburg, unter-
halb des Fahrborns, ein «weiter bei dem Elisabetbenstein , in der Gegend des
alten Heegwaldes.
438 —
§. 2 klar exprimirt „dazu alle conneza and accessoria*. Was nicht
expresse für andere vorbehalten „sei Bubgenere eines obersten Herrn
begrieffen*. Diese jura und regalia seien auch durch ein zwischen
Chur-Mainz und Hessen am 4/i*. Juli 1599 aufgerichteten Vergleich
weiters erläutert. Auch die Hebung des Zolls in der Hohen Mark
sei nie widersprochen gewesen, zu dem Ende noch vor 16 a 18
Jahren zwei Zollstöcke in der Hohen Mark gesetzet Wenn auch
darin „excessus durch scheltworte, Schlägerei, Todtschlag oder auf
andere Weise" vorgehe, competire obersten Herrn und Waldpotten
darin Cognition, decision und Bestrafung, Execution und Einmahnung
der Strafen, wie aus verschiedenen Bußsatztagen zu ersehen. Es
folgen weiter Entschuldigungen über den Holzbedarf, dass er zum
Theil von den Märkern, zum Theil anderswoher gekauft, der angeb-
lich zugefügte Schaden müsse näher erläutert werden, die herrschaft-
lichen Bedienten würden] „andern Märkern" durchgehend gleichge-
stellt, die angebliche Zerreissung tragbarer Eichbäume könne bis zu
besserer Bescheinigung nicht geglaubt werden. Der Oberste Herr
und Walpott verlange dass die Laodtgewehr und Markgrenzen in
richtigem Stand erhalten werden, dahero auch öfter erinnert das
Umgehen der Mark nicht zu trainiren. Die Landwehr von Dorn-
holzhausen sei ohne sein Wissen eben und gleich gemacht, auf seinen
Befehl auch wieder aufgericht und in ebenen Stand gesetzt worden ;
es befremde dass man diesen Posten dennoch anregen mögen 7T.
Wegen Erweiterung des Caningesgartens habe Oberster Herr und
Waldbott „das Vertrauen auf die sämmtüchen Märker gesetzet, dass
sie sich hierin von selbst begriffen, und dieserhalb gegen dero Piaair
. . . nichts weiter entgegensetzen werden*. Suchen auch der Mark gar
nichts zu entziehen, „sondern selbiges soll vor wie nach die Quan-
titet eines Markstücks behalten*. Der Bezirk sei nicht der Mühe
werth etwas dagegen einzuwenden, da obersten Herrn und Wald-
botten mit Benutzung der Mark wohl nicht verwehret werden könne,
noch werde, einen solchen Bezirk mit Palisaden zu verwahren. Nie-
mand könne beibringen dass in Betreff der Strassen etwas gegen den
VI Art der Mark instrumenti prätendirt werde, es stehe Obersten
Herrn und Waldbotten frei darin zu hauen, auch solches noch weiter
durch einen Märkergedings abscheidt d. a. 1547 erläutert sei (?) den
Märkern stehe auf den Strassen der Weidgang und Mästung zu ; man
" Nach der Karte von Stumpf ist Dornholzhausen genau in der Richtung
und auf der Landwehr erbaut!!!
Digitized by Google
*39 -
verlange hierin nichts alleinig zu haben. Dornholzhausen sei im In-
strument benennet, höre in die Mark, sei nur das alte wieder aufge-
baut. Was von Ausmärkerschweinen angeführt, solle untersucht
werden, im übrigen aber sie Märker sich in ihren vermeintlichen
gravaminibua nunmehro besser begreiffen und sich in Buhe begeben
würden.
Die Märker antworteten in einer sehr umfangreichen, mit latei-
nischen Citaten aus Stryk, Zeyler, Speydel, Klock u. A. reichlich
versehenen Schrift, heben vor Allem die Bedeutung des Instruments
und seiner dauernden Geltung hervor, gedenken des Widerspruchs
den die Märker den Neuerungen stets entgegengesetzt, dem Verbot
Hunde in den Wald mitzunehmen, auf der Wolfsjagd zu treiben.
Die Nutzungen der Mark stünden den Märkcrn allein zu, auch die
Bergwerke gehörten diesen. Der Vertrag mit Ghurmainz sei nicht
bekannt gemacht worden, könne die Märker nicht binden. Gegen
die Zollstöcke habe man immer protestirt, es sei die Antwort gewesen
dass die Zollstöck nur der Ausmärker wegen gesetzet seien, der
Cronbergischen und anderer Juden. Es folgt eine Ausfuhrung der
vielen Frevel welche Namens und im Interesse des obersten Wald-
botten statt hätten, der Zerreissung tragbarer Eichstämme zu Brenn-
holz, des Kohlenbrennens in der Mark und der Errichtung von aller-
lei Bauwerk. Es dürfe in der Hohen Mark nur Holz gehauen
werden zu nöthigen Bauten „wo unter Obdach und in das Trockne
kommen", dahero s. v. Schweinställe, Thor, Pfosten, Pallisaden,
Kennel und dergleichen aus der Mark zu hauen verboten. Es sei
aber bekannt dass viel tausend Schuh Kennel zu den Salz Soden,
eine grosse Quantität Pallisaden, viel Holz zu Mühlen, Ziegel- und
Kalköfen Homburgischerscits gehauen worden, und meist im Iläge-
wald 7Ö. Die Landwehr und den Beißberg eigenmächtig denWalden-
TC Es finden sich aus den Jahren 1679 bis 1704 Specification der Wald-
frevel so die Homburg-Meyercy knecht und Frohndienst-leuth in der Hoben
Marek, sonderlich in denen Verbotenen Hägwälden begangen ; vielfältig wird
angegeben, wie die herrschaftlich kneebt mit dem schädlichen Eicben-Trauden
noch nicht nachlassen, also dass auf vielen Bäumen kein Ast bleibe; dass sie
beim Holzholen junge Eichen hauen, zu hemmen; Kichenstämtoe im »principal
Heegwald dem Rothlauf1' gehauen, dass sie im neuen Hägewald ,,so denen
Märckern so schärft* verbotteu ist" reidel geholt; dass der Waldschreier eben-
daselbst Reisser gelangt, dass er Eichbäum geschlagen, dass zum Kalkoften im
Jahr 1697 356 Karrn Holz verbrennt worden, dass der Vogelfänger an der
Haardt zwei Claußbäume zu Brennholz gehauen; dass im Frühling 1698 Über
vierzig Claußb&um für die Homburger Herrschaft auf der sogenannten Straaften
Digitized by Google
— 440 —
sern einzuräumen Bei nicht erlaubt gewesen , ebensowenig den
Caninchesgarten zu erweitern; die Mürker möchten dem obersten
Herrn Waldbotten seine Plasir und Lust gern gönnen, wenn es nur
ohne der Mark Schaden geschehen könne. So wenig man sich
sonsten von Seiten des Obristen Herrn Waldbottens an das alte
Mark Instrument binden lassen wolle, so sehr habe man bei An-
bauung des neuen Dorfs sich dessen zu bedienen gesucht. Ein Dorf
Dornholzhausen sei in der Hohen Mark mitberechtigt gewesen, aber
über Menschengedenken gänzlich eingegangen und gleichsam abge
.sterben, so dass es weder ein eigen Gericht gehalten, noch in dessen
Namen jemand bei dem gewöhnlichen Märkergeding erschienen, noch
auch dasselbe unter andern in der Mark berechtigten Flocken abge-
lesen worden. So sei das neu erbaute Dorf Dornholzhausen nicht für
einen Marknecken zu halten, umsoweniger als es auf einem andern
Orte stehe, und von ganz fremden Waldensern bewohnet werde -,
der Herr Waldbott könne nicht ohne Rath der Marker ein neues
Dorf mit allen Beeilten aufnehmen.
Kurze Zeit darnach bringen die Märker zur Anzeige dass die
Homburgischen bedienten eine neue Majerei oder Viehhaus mit dazu
gehauen worden, desgl. 5 Eichen im Rothlauf zum Vogelheerd, weiter im Jahr
' 1699 die Bau- und Vieh-hoflfknecht bei 10 Stamm auf der Straaßen gehauen;
es heisst dabei : die Waldenser im neuen Heegwaldt und nächstgelegner Orten
hauen nach Belieben, holtzen und thun grossen Schaden; vier Eichen Stimm
im gehegten, onig den bergen zu einer Waldenser Mühl gehauen ; Herr Obrist
Winther zu Frankfurt 25 Stück Schwein unter denen herrschaftlichen Schweinen
in der Marek gehabt; sodann im Jahr 1700 in der güldenseller drei Eichen-
stamm zur Pulrermühl gehanen, zu Schindeln in diesem Jahr viel baulicher
Bucbbäum im gehegten gehanen worden, und was sich nicht gar wohl dann
schickt, bleibt liegen ; die Waldenser bauen eigenes Gefallens im neuen Heegwald,
treiben Geißviehe in die Marek, so denen Marckern nicht gestattet wird. Unter
einer langen Reihe von Rügen im Jahre 1701 heisst es auch : die Stellmacher
6 junge Eichen zum Schlitten gehauen , der Stedter Meyerey Hoffmann im ge-
hegden einen grünen Baum für den Herrn Wagner gehauen, desgl. einen
Summ für den Herrn Glafier. Die Waldenser continuiren in der Mark auf
discretion zu hauen nnd zu weyden, auch zu roden, davon die Eichen Stümpf
so noch hie und da stehen den Augenschein geben. Im Jahr 1704: die Bau-
wagen 8 Eichen-Stamm ausgeführt, so au ff der Güldenseller durch die Hom-
burger Soldaten gehauen worden ; Herrn Marchals knecht 6 Claußbium am
Lindeberg; der herrschaftl. Weingammann 300 Trudern im neuen Heegwaldt
gehauen; der Stellmacher 8 Eichen im Brendelsbusch, weitere Beschädigungen
kommen vor an balthsen hellgen, auf dem gebrauten am Craußeu bauragon,
auff der Sang, im Schmidts Wildehen, auf der Bromann Onner, bei dem M Uhl-
horn, im Hanß Wagner und anderwärts; endlich wird angeführt, dass täglich
2 Wagen Holz zur Brennerei ausgeführt werden. (Mglb. E. 29. V. 8. 132).
Digitized by Google
- 441 -
erfordernder Stellung in die Hohe Mark auf den Pohlgraben anzu-
legen im Werk begriffen seien. Sie protestiren und erinnern dass
der Boden der Märker rechtlich Eigen sei.
Versuche der Regierungen. — Bei solchen unablässigen
Beschwerden wurde immer mehr die Besorgniss der andern Herr-
schaften rege, dass ihre Unterthanen und auch ihre eigne Regierung
allzusehr beeinträchtigt werden möchten. Der Frankfurter Rath
war mit Allem was geschehen solle einverstanden, nur extremen Schrit-
ten war er, wol im Interesse der Handelstadt abhold. Als bei der Be-
rathung welche im Sept 1704 zu Ursel statthatte, vorgesehlagen wurde,
eine würkliche Jagd in vim realis contradictionis einmal vorzunehmen,
waren die Frankfurter Herrn Gesandten darauf nicht instruirt, wol aber
möge man die Replicirung der Märker mit einem Schreiben unterstützen.
Wenige Tage darauf berichtete Freiherr von Bettendorff dass der
Auwald den churfürstlichen Jäger zu Reiffenberg wegen eines in der
Hohen Mark gefällten Rehes nach Homburg eingefuhret, demselben
sein Rohr abgenommen und ihn in Eissen und Banden geschlossen.
Wahrscheinlich galt dies als Antwort des energischen Landgrafen
Friedrich auf die Schreibereien der Andern. Auch ein uralter durch
Stedten führender Waldweg wurde jetzt den Märkern gesperrt,
Aexte und Ketten den Uebertretern abgenommen. Auf einem
Marek Convent zu Homburg erklärten die beiden Märkermeister,
Christoph Balthasar Antoni und Johann Adolph Wunderer, den Mark-
schultheissen der Hauptflecken (in Abwesenheit des Herrn Sohul-
theissen von Homburg) dass am 24 April ein in der Hohen Mark
gefundener todter Körper, ohne Anzeig bei den Märkermeistern, mit
Gewalt durch den hochfUrstl. Stadtschultheissen und einige aus dem
Rath zu Houmburg über Stedten dahin abgeführt worden. Gegen
solches Attentat habe man namens der Märker protestirt, den todten
Körper reclamirt, oder einen Revers de non praejudicando verlangt.
Dem Notar sei ein Revers zugesagt worden, sofern das Requisitions-
schreiben durch die eigenhändige Unterschrift beider Märkermeister
legitimirt Bein sollte. Nach dreien Tagen sei endlich der Notar mit
einem eigenhändig von Sr. Durchlaucht unterschriebnen Schein ab-
gefertigt worden. Dies sei aber kein Revers sondern die Ansetzung
einer Geldstrafe gewesen, wegen des kühnen Unternehmens; sie
hätten es dem Notar zurückgegeben, es wieder hinzuliefern. Da nun
Se. DurchL wenn sie in solchen gefahrlichen Unternehmungen weiter
fortfahre, endlich gradatim die Märker dero Gerechtsamen entsetzen
würde, möge man an die hohen Herrschaften sich wenden, ohne deren
Digitized by Google
- 442 -
assistenz da» Nachtheilige zu redressiren die Märker zu schwach und
gering seien. Abschrift des hqcnfOrstl. Erlasses darauf d. 1. Mai 1709
liegt den Akten E. 29. V. S. 242) abschriftlich bei ; es heisst darin :
dass durch die Protestation wider das kundbare Herkommen, auch
die dem Obristen Herrn und Waldbotten allein zustehende hohen
Ober- und bott massig- auch herrtichkeit beeinträchtiget, „maßen wir
und unsere durchlauchtigste Vorfahren glorwIirdigstenGedächtniss in
sothaner hohen Marek alle gebothe, Verbotte, Angriffe, bestraffungen
und andere zur hohen Obrigkeit gehörende actus jederzeit und ohn
widersprechlieh weit Ober Menschen Gedenken gerubiglich herge-
bracht . . . Damit wir aber dergleichen strafbares und widerrecht-
liches beginnen von denen Marckermeistern nicht mehr auf solche
unzulässige Art gewärtig sein mögen, so werden sie . . . hiermit
jedweder besonders in fÜnffzig Reichsthaler Straff ohnnachlässich ab-
zuführen, condemnirt, wornach sie sich gehorsamst zu achten wissen
werden."
Verhandlungen der Herrschaften folgten, auch Frankfurt ver-
spricht einen Abgeordneten auf das nächste Märckerding zu schicken.
Am 10. Juni 1710 hatten sich in Oberursel eingefunden seitens
Churmainz Herr von Ritter, Hofrath, u. Straub, Rath und Rent-
meister zu Königstein; v. Seiten Hanau's Rath Wohlfahrt; v. S.Solms
Sartorius, Ganzleidirector zu Rödelheim; v. S. Frankfurts von der
Birgden, Schöff und des Raths, und Syndicus Sondershaussen. Sie
versammelten sich vor Beginn des Märkerdings auf dem Rathhause,
gemeinschaftliche Schritte zu besprechen gegen die Attentate des
Obristen Waldbotten. Chur-Mainz eröffnete die Sitzung, Hanau trug
Bedenken zu wirklichen Thätlichkeiten zu schreiten, da man Hessen-
Homburg im Hanauischen Lande nicht beikommen könnte, die Sache
nur schlimmer würde; Solms-Rödelheim meinte die im Mark-Instru-
ment fundirten jura sollten einmal exercirt werden, im Uebrigen aber
sei der Weg rechtens der sicherste und hinlänglichste. Chur-Mainz
befürchtete dies würde in eine Langwierigkeit ausschlagen, grosse
Spesen erfordern, ohne noch zur Zeit zu wissen wer solche tragen
werde ; schlug vor die Unterthanen anzuhalten keine Klage vor dem
Waldbotten allein zu thun, keine Citation ohne Vorwissen der Mark-
meister anzunehmen ; die Frevel nicht mehr auf dem Bussensatztage
in Homburg sondern vor Ober-Ursell zu thätigen, den Waldschreier
auf dergleichen Betretungsfälle mit dem Thurm abzustrafen , die
bürgerlichen Gefälle des Waldbotten in eines jeden Mitmärkers ter-
ritorio zu hemmen, und feierlichst zu erklären dass man sich Selbsten
die rechtliche Satisfaction verschaffen werde. Zugleich brachte Chur-
Digitized by Google
- 443 -
Mainz ein Mittel in Vorschlag, auf das man in unseren Tagen von
anderer Seite gekommen ist, dass man nämlich die Märkermeister
wegen deren gegen sie ausgeübten Pfändungen indemnisire und sicher
Btclle ; es regte endlich einen früheren Plan wieder auf, nämlich einen
Jagd-actum in der Hoben Mark, dem alten Weissthumb gemäss,
thun zu lassen. Die andern Abgeordneten stimmten alle gegen Thät-
lichkeiten, waren aber zur feierlichen Protestation bereit, auch zur
Abhaltung eines Jagdactums ; es solle jede Herrschaft etliche von
ihren Jägern, benebenst einer gewissen Mannschaft von der Land-
miliz zur Bedeckung, auch zum Treiben etliche Eintzünge Unter-
thanen, keine so fuhr halten, darzu bestellen, jedoch in beflissener
stille.
Diesemnach begaben sich Domini deputati um 10 Uhr Vormit-
tags theils zu Pferd, theils in Chaisen auf die Aue vor Oberursell
alwo die verabrabredete Protestation beiwesend des ganzen Umb-
stands vieler versambletcr Märker gegen den Anwald durch den
Churmainzischen Herrn deputatum primarium communi nomine ein-
gelegt wurde. Nach dem Abschied wurde dann noch besprochen
wer die Spesen der Entschädigung der Markmeister, des Protestes
und des in Aussicht stehenden Jagd-Actus tragen solle, und wurde
allerseits dio Abrede dahin genommen, dass solche ad interim von
den Märkern erhoben und gezahlet werden sollten, spätere Ver-
gütung vorbehalten.
Wie im Archiv f. Frfts. Gesch. u. A IL S. 344 bereits ange-
führt worden, so hat der hessische Anwald gegen die Turbation
des Märkergedings protestirt und seinerseits ein angebliches Recht
gewahrt, die Märker entlassen. Damit daraus kein Schaden für die
Mark erwachse liess er ein Schreiben ergehen, untersagte „krafft
habender Hoheit und Herrlichkeit8 jedem Märker Verwüst- und
Ruinirung der Mark. Unterzeichnet ist neben dem fttrsti. Anwaldt
Stüler, auch J. H. Stein „tilrstl. Hessen-Homburg. Stadt und Marek-
Schultheiß."
Auf den 1. Oct 1710 war ein weiteres Märkergedi ng anberaumet
worden 5 der vom Frankfurter Rath dazu abgeordnete Andr. Textor
berichtet darüber, dass vor demselben Verhandlungen mit dem An-
walt stattgefunden, welcher als expediens vorgeschlagen, die herr-
schaftlichen Beamten sollten im Kreis erklären dass sie nur da seien
um zu hören, welches aber nicht angenommen worden. Beim Mar-
kergeding habe der Anwalt sogleich gefragt, was die Ausmärker
und Beamten dabei zu thun hätten? Die Beamten erklärten darauf
dass sie dem alten Herkommen gemäss da seien, um ihrer Hohen
Digitized by Google
U4 —
Herrschaften und derer zur Hohen Mark gehörigen Gemeinen
Märker Interesse zu obaerviren. Es erwiderte der Anwalt die Be-
amten waren keine Märcker, hätten im Kreis nichts zn tlran, könnten
im Fall der Noth anch ausser dem Kreis mit ihren Leuten reden.
Diese entgegneten es sei allezeit Herkommens gewesen das» die
Beamten dem Märkcrgeding beiwohnten; als des Herrn Ober-Wald-
bottens hoehfurstl. Durehlaucht erst vor wenigen .Jahren das Märkcr-
geding in hoher Person selbst gehäget, habe er nicht das Geringste
dagegen eingewendet. Der Anwalt führte dagegen an, wie anno
1623 der Amtschreiber von Königstein abgewiesen worden, als er
zum Markschluss beigehen wollen ; aber ein Märkermeister bemerkte
wie aus dem verlesenen Protocoll klar zu ersehen sei, dass der an-
geführte Markschreiber zur Session wo der Anwaldt, Märkermeister
und Markschultheissen deren ö Hauptflecken zusammen zu sitzen
pflegten, sich habe nähern wollen, und wäre davon weggewieaen
worden: hier sei aber nicht von einer Session sondern von einem
Märkerding die Bede. Darauf habe der Anwald die Formeln de»
Mürkermeistoreids verlesen, und gerufen, die Herrn Märkermeister
handelten gegen ihre Pflicht, wenn sie zuliessen dass die Beamten
im Creyss stehen möchten, sie waren verbunden die Märker und
deren Gerechtsame gegen alle fremde Herrschaften zu schützen.
Diese aber hielten fest daran, dass die Herrschaften, wie das Instru-
ment bewiese, keine fremde seien. Nachdem darauf von allen Seiten
wegen dieser angeblichen turbation protestirt und reprotestirt war,
ist der homburgische Anwalt, Rath Stühler, abermahlen unverrichteter
Sachen davon geritten, so dass das hochnötbige Märkerding sich
wieder zerschlagen.
Es folgten darauf jämmerliche Verhandlungen über das Recht
der Herrschaften beim Märkergeding zu erscheinen. Chur-Mainz blieb
der beständigen Meinung „ehistens einen Jagens actum dem mit be-
liebten moduni nach, vorzunehmen, auch solchen mit Waldhörnern
und Hunden ciamoros und Esclatant machen zu helfFen.*
Der Waldbott fuhr fort die Märkermeister, welche das Interesse
der Mark zu wahren suchten, auf alle Weise zu bedrängen ; sie be-
schweren sich dass sie bei einem theidigungstag in Homburg publice
ziemlich verächtlich tractiret, ja wohl gar prostituiret und bedrohet
worden, da doch vielmehr der Obrist Waldbott verbunden sei die
Märkermeister zu handhaben, zu schauern und zu schirmen. Als das
Amt Cronberg den Anwalt und beide Märkermeister schriftlich zu
einer Gränzbegehung invitiret, habe der Anwalt den Markermeistern
das Original zurückgehalten, und eine mit demselben gar nicht über-
Digitized by Google
- 4#5 -
einstimmende Üopiam, in welcher nicht gemeldet gewesen, dass auch
an sie die Einladung ergangen sei, communiciret, auch die Märker
beschieden das» sie in termino des Umzugs an der CronbergerGränz
erscheinen sollten. Die Märkermeister hätten aber die Märker ad
locum consuetum, auf die Aue vor Ursell beschieden, wo sie auch
erschienen wären. Als der Herr Anwald den versammelten Märkern
seines Herrn Principal is Interesse an den Cronberger G ranzen zu
obeerviren anbefohlen, hätten diese ihr an der Hohen Mark haben-
des Eigentumsrecht reserviret und sich erkläret, das» sie bei bevor-
stehender Gränzbegehung ihre Nothdurft wohl würden zu besorgen
Auch mit den Herrschaften erhob sich nun ein offener Streit.
Diese schickten einen Notar und zwei Zeugen nach Homburg, die
Protestation wegen des Märkergedings zu überbringen. Der Anwalt
Hess die Zeugen nicht eintreten, verlangte dass der Notar sein Schrei-
ben, welches vorzulesen nicht gestattet wurde, wieder mitnehmen
solle, dazu eine Protestation welche er wegen der Herrschaften An-
niasBinigen hiermit wiederhole. Der kaiserl. Notar Moll legte darauf
das Instrument nebst dem copeilichen Requisitionsschein auf einen
Tisch, es wurde ihm aber zweimal von dem eingetreteneu Homburger
Schultheis8cn wieder unter den Arm gesteckt, so dass er es endlich
auf den Boden fallen und liegen Hess. Der Anwald aber Hess den
Notar durch die Schlosswaclit arretiren bis er das Instrument wieder
an sich nehmen würde. Auf sein Bitten wurde er um Mittagszeit in
das Wirtbshaus zum goldenen Engel von einem Soldaten geleitet,
allda bewachet, bis ihm von einem Notar, welchen der Stadtschul-
theiss und der Stadtwachtmeister begleitete, das Instrument und ein
Protest überbracht worden war. (Mglb. E. 29. V. 8. 307, 308.)
Die Herrschaften setzten in's Werk diejenigen zu entschädigen,
welche in Ausübung der Mark Interessen durch den Obersten Wald-
bott Noth gelitten hätten. Es liegt eine Spesenrechnung bei den .
Acten (E. 29. V. S. 349); sie enthält folgende Posten:
a) Specification des Herrn Märckcrmeisters Anthoni
dessen Schaden an Heu und Ohmathe ent- 6. kr. hl.
haltend 114. 50. —
b) Derselbe an andern Auslagen dcsshalb . 62. 45. —
c) Notarius Moll wegen insinuirtera Instrument 19. 34. —
Conferenz-Kosten :
d) bei H. Joh. Jac. Mösser seel. Wb. . . 90. 36. 3
e) „ Joh. Walthern dem Babenwirth . 4. 28. —
Digitized by Google
- 446 -
0 bei Henr. Mann Wirth zum Ochsen . 9. — . —
g) „ Casp. Burckharden, Wirth zum Hirsch 8. 14. —
h) H. Märckermstr. Wanderer an Zehrung und Bo-
tenlohn ausgelegt 6. — . —
Summa 314. 27. 3
Ferners pro hodierna die 46. 33. —
fl. 350. — . 3
Specification der Märcker und waß ein Rauch darin hat, frey
und ohnfrey, nichts ausgeschlossen:
Churmainz: Oberursel 220. Bommersheim 76. Stierstadt 51.
Weisakirchen 36. Callbach 48. Harheim 82. Kirtorf 72. Hedemheim
65 (auf den Rand bemerkt: 56 Christen und 35 Juden seindt in He-
dernheim). Oberheck stadt 3.
Gemeinschaftlich: Reiffenberg 34. Arnoldshain 35. Schmitten 18.
Hanauisch : Vöibel 142. Steinbach 47. Ober-Eechbach 48. Nie-
der-Eschbach 67. Mauenheim 36. Abtohof u. die Mühl zu Eschers-
heim je 1.
Gemeinschaftlich: Praunheim 48.
Solms-Rödelheim: Niederursel gemeinschaftl. mit Frankfurt 59.
Frankfurt: Bonamoes 38. Nider-Erlenbach 80, Torckelweyl 48.
Summa 1355 Märker. Es trägt jedem Märcker 15 kr. 2 hl.
Homburgischer Seite suchte man dagegen alle die zu er-
leichtern, welche von Seiten der Herrschaften bedrängt wurden.
Weygand Kester von Nieder-Eschbach hatte sich auf der Aue vor
Oberursel, nachdem das Märkcrgeding aufgelösst worden, beleidigend
gegen die Herrschaften geäussert, war desshalb von dem Schultheis-
Ben zu Rodheim gestraft, wegen der Unkosten war Execution heim-
gelegt worden. Der Homburger Anwalt Stiller drohte, wofern dem
Märker KeBter derExequirer nicht sofort abgenommen würde, werde
man zu andern Mitteln greifen, erklärte, er würde den Kester auf
alle ersinnliche Weise Bouteniren und ihm zu seiner vollkommnen
Satisfaction sammt Unkosten hinwider verhelfen; und dies unter dem
Prätext „weilen Weygand Kester bei dem Märkergericht zu Ursel
gesündigt, folglich seine hochf. Durchl. allein darüber zu cognosciren
habeu. Dieser Erlass wurde in Abschrift auch dem Bestraften durch
den Waldschreier insinuirt, mit dem Bedrohen das» er bei Verlust
seines Markrechtes durchaus sich zu nichts verstehe, wegen dem
Exeqniren nichts zahle, wogegen ihm „nach Inhalt des Instruments
\
Digitized by Google
- 447 —
Sc. hochftLreti. Dnrchl. allen Schutz, Schirm und Schadloshaltung
gnädigst versichern lasse".
So sah es dazumal im deutschen Reiche ans; aus den Akten
würde man nicht ersehen dass zu der Zeit noch ein Kaiser dage-
wesen, wenn nicht ein jedes notarielle Instrument ihn nennte und alle
Länder aufführte, welche er beherrscht In trauriger Weise bewährte sich
da« alte Sprüchwort: dass die Völker geschlagen werden, wenn die
Herrscher streiten. Während der churmainzer Beamte den betreffen-
den Ortschaften verbot von dem Obristen Waldbotten allein ergang-
nen Citationen zu pariren, beschwerte sich der Homburgische An-
walt dasa die Obrigkeiten selbst die Unterthanen zum ohngehorsam
verleiten. Zum Markerding Donnerstag den 1. Oct 1811 requirirte
er einen Notar um für den Fall dass die Güte nicht Platz greifen
sollte, gegen die Anwesenheit der Herrschaft* Lea inten zu protestiren,
dann aber das Märkergeding zu hägen. In dem von dem Notare
verlesenen Proteste findet sich auch die Beschwerde: dass die Aus-
mär k er - Beamten sich unterstanden die gemeinen Märker gegen den
obersten Herrn und Waldbotten aufzuwickeln, Geld zu erpressen,
sie mit harten Auflagen zu tribuliren; ;die Märker werden angewie-
sen „sich im geringsten nicht zu den Geldpressuren zu verstehen,
vielweniger selbige zu erlegen, so lieb ihnen die Gnade des obersten
Herrn und Waldbotten hochfürstl. Durchl. und Vermeidung harter
Bestrafung" sei. (Mglb. E. 29. V. S. 341-361.)
Inzwischen und nach diesem hörten aber die Belästigungen des
gemeinen Märkers nicht auf. Nach dem Bericht de« Stadtschultheis-
Ben zu Ursell war der Zollstock, welcher 1683 an die Strasse in die
Hohe Mark jenseits des Stierstädter See's aufgerichtet worden, aber
zerfallen, im Jahre 1713 wieder erneuert: es befand sich darauf Name
und Wappen samt der Unterschrift: „allhier giebt man Zoll"; die-
jenigen welche diesen Stock passiren wollten, hätten zur Entrichtung
des Zolls auf Stedten bei einer Stunden Wegs oder Stunden
auf Homburg umzugchen gehabt; damit sei denen hochfürstl hessi-
schen gesambt Häusser welche an dem Weinzoll gemeinschaftlich
participiren das jus telonii in der Hohen Mark eingeräumt worden.
Zu dem auf den 22. Mai 1731 ausgeschriebenen Märkerding und
der dazu angestellten Mahlzeit hatte der Märkermeister zu Ursell
fünf Märker ausgeschickt, herkömmlicher Weise Forellen aus der
Mark, worinnen Se. hochf. Durchl. bereits einige Tage zuvor hatte
fischen lassen, zu fangen. Diese Männer wurden mit Gewalt ergriffen,
gefänglich nach Homburg geführt, und gleich den ärgsten Malerican-
ten in Ketten und Banden geschlossen, endlich der Märkermeister
Digitized by Google
— US —
zur Verantwortung gesogen. Die Herrschaften schickten wieder einen
kaiserlichen Notar mit zweien Zeugen nach Homburg bei Sr. Dnrchl.
zu proteatiren. Dieser, nachdem er vorgelassen worden, begann mit
schuldigstem Bespect seinen Auftrag auszurichten, wurde aber mit
den Worten unterbrochen: ^Wisset ihr nicht, wo mein Anwalt ist?
was hundert sacrement, wollt ihr vor mir, in meinem Schloss prote-
atiren, wollt ihr 100 Prügel haben, wie der andere Notarius". Als
nun der Notar Isidoras Bauer, so berichtet er selbst, seinen Auftrag
auszuführen, den Protest auf einen Tisch gelegt, habe 8e. Durch-
laucht ihm das Spanisch Rohr aus der Hand gerissen, und ihn der-
malen auf Kopf, Buckel und Arm geschlagen, dass das Rohr von
einander gespalten, auch so lange fortgefahren bis er das Instrument
wieder von dem Tisch fortgenommen, hernach dem dabeistehenden
Läufer und andern Anwesenden zugerufen, auf ihn, den Notar und
die Zeugen, zu schlagen, was dieser mit dem dicken Lauffer - stock
auch ohn Unterlass gethan, auch die Wacht zugeloffen „worauf sie
voller Schlag, Aengst und Schrecken außer dem Schloß flüchtig
werden müssen«. (Mglb. E. 29. V. 372. S. 401 ff.)
Zu jener Zeit galt Mensch und Menschenwürde nur wenig oder
nichts; und nicht viel mehr in Frankfurt, wie in Homburg Darüber
giebt einen Nachweis und Beleg dieTheilung des gemeinschaftlichen
Fleckens Niederursel welche im Jahr 1714 zwischen dem Rath der
Stadt Frankfurt und den Grafen Ludwig und Ludwig Heinrich
Gebrüder zu Solmß und Fleckenburg, Herrn zu Münzenberg etc.
vorgenommen wurde. Das Dorf wurde getheilt durch die lange
Strasse; „weilen der ober Theil etwas schwächer auffällt an Mann-
schaft" so solle Arnold Pfleger, Job. Dechert und Uhrich Hofmann
aus dem untern in den obern Theil sich häuslich niederlassen, ihnen
dazu Gelegenheit und Holz zum Bauen angewiesen werden*. Der
Weg durch die Spilles- oder Spielsgasse und durch die Bendergasse,
Kirch, Kirchhof u. s w. blieben gemeinschaftlich. Es folgt in der
Theilungsurkunde (Mglb. E. 41) eine Specifieation aller Unterthanen
eigen- und lehen-baren, anch steuerbaren Güter, dann das Notariats-
instrument über die Theilung wie bic am 9. Juli erfolgte. Bei der
Kirche war auf dem Solms'cben Bauplatz ein Zelt aufgeschlagen ;
nach den üblichen Anreden, Besichtigung der Urkunden u. s. w.
wurde die Verloosung vorgenommen, die Unterthanen der Pflichten
entlassen, und wieder in absonderliche Pflichten genommen, wie
auch dieLandmüiz und Leibeigne gegen einander limittirt und über-
geben. Syndicus Orth erhielt für Frankfurt die obere Hälfte; dies
hatte in Niederursel an Leibeignen 4 Männer, 6 Weiber, 9 Sühne
i
Digitized by Google
1
- 449 —
und 7 Töchter, Solms dagegen besasa 18 Männer, 29 Weiber, 48
Söhne und $6 Töchter7»; so sah sich Frankfurt genöthigt zur Thei-
lung Leibeigne in Praunheim, Ossenheim und Petterweil abzugeben,
um den Austausch bewerkstelligen zu können. Hierauf wurden die
sämmtlichen Bürger aufgerufen und abgezählt, in 2 Reihen gestellt,
die Solms'chen rechts, die Frankfurter links nach der oberen Seite
zu, ihrer Pflichten entlassen, dem neuen Herrn Übergeben, die Leib-
eigne an den neuen Herrn „nebst angehenkter Gratulation über-
tragen", darauf die absonderliche Pflicht und neue Huldigung der
Unterthancn vorgenommen. Diese erhielten je 2 Ohm Bier zum
Huldigungstrunk, die Depntirten aber nachdem sie sich an der
Gränze aus dem possesa und in posscss gesetzt, haben eine Mahlzeit
unter einem Zelt auf der Wiesen, nach Frankfurt zu, eilige-
oomnicn *
Entsittlichung. — Wie die Missbräuche sich steigerten, so
wuchs die Sittenlosigkeit und eine abschreckende Selbstsucht; die
Achtung vor dem Gesetz schwand mehr und mehr; Jeder sorgte nur
für sich und die Seinen, die Klagen verhallten ungehört oder sie
gaben nur Veranlassung zu neuen Missbräuclien auch auf anderer
Seite. Die abgelegeneren Ortschaften wiederholen die Beschwerden
über die Quantitäten Holz welche von den Homburgischen Brenne-
reien consumirt würden, die Pächter müssten ihrerseits ein grosses
Stück Geld an die Herrschaft zahlen; es seien in einem Jahr über
fl. 6000 Bügen gemacht worden, aber es geschehe keine Verrech-
nung; den Gemeinden werde kein Bauholz mehr verabfolgt; viel
Wald sei bereits ausgerodet, Wiesen angelegt und verliehen, Geld
werde dafür nicht verrechnet; die nahegelegenen Mainzer und Hom-
burger Unterthanen ruinirten die Mark mit Rind- und Scbafvieh.
Besonders beschweren sich die Niederurseier dass ihnen verwehrt
worden Steigen in der hohen Mark aufzuschlagen, sie sollten ihre
Schweine in den beim Walde liegenden Orten unterbringen, dort
würden sie aber nicht aufgenommen. Sie bitten den Rath um Ab-
hülfe; diesem antwortet der Waldpott: es hätten die Urseller grünes
Holz für die Hirtenhütte geschlagen, den Wald sträflich devastirt,
der Märkerbeschluss sei gefasst worden die deterioration des Waldes
'9 Die Leibeignen waren von denselben Namen und wol auch Familien wie
die Freien, darunter Greif, Wentzel, Kuppel, Launhard, Dcchert, Heimber-
ger etc.
29
Digitized by Google
I
- *fo -
I
zu verhindern. Auch gegen den Stadtschultheiasen Dr. Thonnet zu
Oberursel wurden Klagen wegen Waldfrevel erhoben, wie gegen
andere Beamte. Das Landamt stellte Verhör deshalb an; es erschien
der Landhauptmann Kühn von Bonames, erklärte auf Befragen : er
wäre ein mitbeisitzender Markschultheiss und „schicke sich also nit
wohl für ihn, wenn er auch gleich einige Fehler wissen sollte, dass
er sich hierinnen herauslassen sollte. Es könne sein, dass einige
derer erregten gravaminum Grund hätten, doch getraute und könnte
er nicht solche behaupten" So entlassen erschien Schultheiss Bilger
von Dortelweil, Schultheiss Boch zu Nieder Erlenbach und Schult-
heiss Kuppel zu Niederursel, sagen ans: „sie glaubten wohl daß es
nicht in allen Stucken gar zu richtig herginge, und ließen die ihnen
vorgelesene gravamina an ihren Orf gestellt sein, sie könnten nicht
alles wissen was fürginge, noch auch was diesfalls recht und un-
recht sei".
So sprachen im Jahre 1736 die Schultheisseh der Hohen Mark!
(Mglb. E. 29. VI. S. 20 ff.)
Es findet sich in den Akten aus dem Jahre 1746 eine Anfrage
des Landamts, ob den Dörfern Dörkelweil, Nieder - Erlebach und
Niederursel „ihr gewöhnlicher Beitrag zu dem Bonameser Märker-
geding" zu erlassen sei. Diese Gemeinden müssten zu '/&> V* UQd V»
wegen des alljährlich zu haltenden Märkergedings Mahlzeit zu Bona-
mes „coneurriren", sie seien durch Fouragirung und Märsche verarmt
und im betrübten Stand, so dass diese Mahlzeitskosten , welche
gegen 100 fl. betrügen, nur schwer beizutreiben seien. Es möchte
den armen Gemeinden vor dieses Jahr citra omnem consequentiam
„ihre sonsten rechtliche Schuldigkeit" in Gnaden zu erlassen sein *°.
Vom Jahr 1773 an erfolgt dann regelmassig der Beschluss, dass
dieses Jahr, citra consequentiam, die sonst gewöhnliche Mahlzeit ein-
zustellen. Im Jahre 1775 war angeführt worden, dass der aus dem
ganz und gar ausgehauenen Gehölze, in dem man vergeblich Bäume
suche, entspringende Nutzen so gering sei, dass er zu dem in dieser
Markzehrung erforderlichen Aufwand in gar keine Vergleichung ge-
setzt werden könne. Es wurde aber das Gesuch diesmal abgeschla-
gen. Auf der über und über mit Tinte beschmutzen Eiugabe findet
Es erben sich Gesetz' und Rechte
Wie eise ew'tre Krankheit fort;
Sie schleppen von Geschlecht sieh zum Geschlechts,
Uud rücken sacht von Ort so Ort.
Vernunft wird Unsinn, Wohlthat Plage. —
Digitized by Googh
- 4* -
weh aufgeschrieben: dass löbl. Land-A. Deputirten, Tit H. Schöffen
Stalburg jun. „diese pieco in dieser traurigen Gestalt ad Archivnra
geliefert4. Das macht wenigstens seinem Herzen Ehrel Auf S. 875
und 534 findet sich noch eine Notiz: Wenn die Deputirten dem
Märkergeding beigewohnt, war es üblich geworden in der retour bei
dem Märkermeister in Bonames zu Mittag zu speisen, die Zehrungs-
kosten wurden von den Markdorfschaften getragen; sie betrugen
anfangs 6 fl.', dann Uber fl. 20, endlich waren „die sogenannte Marker-
gedings-zehrungakosten" dergestalt in die Höhe gestiegen, dass die
Frankfurter Ortschaften dafür, Uber fl. 100 zu zahlen hatten. Sie be-
trugen im Jahre 1730 fl. $7. 80; 1750 fl. 113; 1769 fl. 152;
1771 fl. 182. . .
Vergebens wurde verflucht «olche und ähnliche Misabräuche ab-
zuschaffen oder zu mildern, die Mahlzeiten sollten bei einem ordent-
lichen Gastwirthe gehalten, keine Fremde nach Gunst zugezogen
werden; man erwog wie fler Holzverbrauch zu verringern, wie die
Markgelder unter sicheren Verschluss zu legen, von Ursel weg, an-
derswo in Sicherheit zu bringen. Alles Vertrauen war geschwunden,
ein ganzer Fascikel (Mglb. E. 29. Vn.) befasst sich mit den Rech-
nungs - und Gegenrech nungs - Irrungen eines Märkermeisters ; die
Schultheissen erklärten vor dem Landamte dass die Waldtiige nicht
eingehalten; wie die mehrsten Obermärker manchen Waldtag 2 bis
3 mal in den Wald führen, das beste und schönste Holz niederhieben,
wie die grossen Herrnhöfe und die reichen Märker Eichen- und
Buchbäume holten, die Armen aber, die Einläuftigen so kein Ge-
schirr hätten, verkürzet seien; die Waldforster wurden mit grossen
Geschenken bestochen. (Mglb. E. 29. VI. S. 60.) Conferenzen wurden
veranstaltet und man Hess Hanauisch erseits die Diäten dazu mittelst
Anlegung eines Arrestes auf die Waldrügen bei dem Markschultheis-
sen bezahlen; FrankfurterBcits fand man, die Billigkeit erfordere dass
die beiden hiesigen Herrn Deputati ebenfalls exemplo der andern,
jedoch beide nur für einen, die Diäten gemessen. Es wurden fl. 78
dafür berechnet Die Bügen sollten eingetrieben, einstweilen auf dem
Landamte hinterlegt werden. Hierüber neue Verhandlungen und
weitere Diäten.
Was der Auwald befahl, verboten die Herrschaften; was der
Anwald und die Homburgischen frevelten, dem wollten nun die
Märker nicht nachstehen. Die Märkermeister erschienen nicht auf
dem Märkergeding am 21. Gct. 1748 weil es ihnen nicht notificiret
worden; die Schultheissen widersetzten sich der Abhaltung des Tags.
Ein Mark-Convent wurde darauf ohne Homburg berufen um dem
29*
Digitized by Google
- 4?2 -
gemein Mann noch jedem 2 Wagen, soviel Märker als seien, ange-
deihen zu lassen ; und weilen sich die Homburgischen herrschaftlichen
Bedienten angemasset 120 Klafter Buchenholz niederzuhauen, als
solle von Seiten der Hohen Mark gleichfalls einem jeden Märker
ein Wagen ausgetheilet werden. Gleich darnach findet sich ein Er-
las» des Landamts an die Frankfurter Schultheiasen, bei demMärker-
geding am 22. Oct. 1748 nicht zu erscheinen „erheblicher Ursachen
halber". Der fürstliche Anwalt seinerseits erliess eine Weisung an
die Mark schultheiasen „sich an keine eigenmächtigen Verordnungen
derer Herrn Markermeister zu kehren". Der Märkermeister Mergent-
heim zu Vilbel aber sandte ein Promemoria umher „daß man den
anmaßlichen Neuerungen ersagtem Herrn Obrist Waldbotten und
deren Anwalt keine Folge leisten", auf einseitige Citation nicht er-
scheinen solle, wenn nicht vorher von den Märkermeistern nomine
der Mark mit concertirt worden. Auf einer anno 1748 gehaltenen
Markconferenz der Hohen Mark Mitherrschaften wurde dann noch
beliebet und der vielen Diäten und Unkosten halber vereinbart, dass
die Rügen nicht mehr an die Märkermeister, sondern an jeden Dorf -
schultheissen abgegeben und bei Amt deponirt werden sollten. So
wurde von allen Seiten willkührlich in das alte Recht eingegriffen
aber stets ausdrücklich versichert, dass dies nicht geschehe die alte
Markverfassung aufzuheben, sondern blosserdiugs wegen des eingeris-
senen höchst verderblichen Haushalts „als welcher nicht remedirt
werden wollen".
Es begann allmählig eine verzweifelnde Stimmung der Gemü-
ther sich zu bemächtigen, jeder suchte für sich aus dem wenigen
Uebrigen noch etwas zu retten. Es findet sich aus dem Jahre 1747
ein promemoria über das befindliche Holz in der Hohen Mark
Waldungen, darin heisst es unter anderem: der vordere Ohrenberg
so kahl. . . . der kleine Bettstein hat jung Buchen Raidel, . . . der
Lantzenboden, der Eymersberg, Mallmensteiu hat junges Geheck;
derHirtzberg etwelche Daunen, der Bleibeskopf noch einige Eichen-
stümpf. Am besten wäre noch der Hegwald auff der Strassen bestellt,
darinne befanden sich noch etwelche alte Buchenbäume; wäre billig
dass nicht auch das andere Holz noch von einem H. Waldbott
für sich private missbraucht würde. Auf dem Laudenberg, in der
Goldgrub, am Sinnesblacken , im alten Hegwald, Pferdskopf, an den
Haidengräben fänden sich wol keine 100 Wagen dürre Eichen stumpf
übrig. Es würde nützlich sein die doch von einem Waldbotten
schlecht gehaltne Heege an der Strassen für die Märker aufzuthun.
Digitized by Google
- 453 —
Die Selbstverwaltung der Markgenossen hatte ganz aufgehört
Am 31. Mai 1756 wurde bei Rath beschlossen, dass der Landmann
jederzeit das Märkerding besuche, der Markschultheiss wegen der
Busstäge berichte. Ein ProtocoU des Landamts vvom 4. Juni 1756
zeigt wie dies geschah. Landeshauptmann Kühn Hess Bich wegen Ab-
wesenheit entschuldigen, Philipp Greiff von Niederursel zeigt an,
dass der Schultheiss Büppel 8anderer Geschäfte wegen" anheute bei
Amte nicht erscheinen könne; die rückständigen Rügegelder beizu-
treiben sei derselbe nicht im Stande. Der Schultheiss von Nieder-
Erlenbach schützte Unpässlichkeit vor. Der Schultheiss Bilger von
Dorckelweil wollte nächstens die Unterthanen azu gelebigen ihrer
Schuldigkeit anweisen", Gelder habe er nicht hinter sich. Schultheiss
Hobsmann von Bonames hat die Rtigenzettel bereits übergeben, auch
etliche fl. 40 in Händen, aber noch Diäten an die Mark zu fordern,
so wolle er solche gegen auszustellende Quittung in Händen
behalten.
Wie die Märker den Haushalt in der Mark ansahen und beur-
teilten das ergiebt sich am deutlichsten aus den Untersuchungs-
acten gegen die Stierstadter d. a. 1765. (Mglb. E. 29. VI. S. 479.)
Die Markförster Lissing und Eissel hatten sich mit dem Waldschreier
Einickc von Oberstedten nach Stierstadt begeben um auszukund-
schaften wohin einige gefrevelte Eichstämme gebracht worden. Da
die drei Männer den Schultheissen nicht zu Hause antrafen, wiess
dessen Frau einen Märker an, dieselben nach Georg Sulzbachers
Hause zu führen, wohin angeblich die Stämme gebracht worden.
Der Märker Spiessmann J. Aumüller weigerte sich sie dahin zu be-
gleiten, er wolle sich keine Feinde machen. Auf der Strasse trafen
sie eine grosse Anzahl Stierstadter, welche auf sie eindrangen und mit
Heugabeln, Schippen und Prügel losschlugen. Schwer verletzt, mit
gebrochnem Arm und Rippe gelang es ihnen nach des Schultheissen
Haus zu flüchten, wo die Schultheissin auf alle Weise Misshandlungen
zu verhüten suchte. Sie drohte zuletzt, man boDc Ruhe halten, es
gäbe Schantzarbeit Es gelang aber weder ihr, noch zweien Husaren
welche von Oberursel desshalb abgeschickt worden, die Wüthenden
zu besänftigen. Auf der Flucht noch wurden die Förster bei den
Haaren ergriffen, zu Boden gerissen, mit Stössen und Tritten auf's
gräulichste zugerichtet. Die Husaren Schlewitz und Harff sagten
später aus, dass der eine Angreifer, dem aus Bosheit der Schaum
am Munde gestanden, als er des Lissing wieder ansichtig worden,
ihm mit der Faust in's Gesicht geschlagen und ausgerufen: „bist du
da, Spitzbubi" Es sei in dem Getümmel den Husaren der Pelz vom
Digitized by Google
— 454 —
Leibe abgerissen worden; gross und klein, Mann und Weibeleuth,
sogar die kleinen Buben wären zusammengerottet und aufrührerisch
gewesen; und wenn sie, die Husaren, nicht gekommen, wären die
Förster doch noch todt geschmissen worden.
Es wird dies alles hier raitgetheilt, nicht damit daraus ersehen
werde dass auch in der Hohen Mark zuweilen Schlägereien stattge-
funden, sondern damit aus dem gewaltsamen, leidenschaftlichen
Ausbruche auf die tief eingewurzelte, lang genährte Erbitterung
geschlossen werden könne.
Auch von dem Waldschreier wurde ausgesagt dass er misshan-
delt worden, spottweise habe man ihn bald geküsst, bald an der
Barrick gezopft. Er hat gleich anfangs die Worte gehört: „Was
sucht ihr hier, ihr Spitzbuben!1' Während des Tumults habe Alles
geschrieen: „Schlagt die Hunde, die Spitzbuben todt!" In desSchult-
heissen Haus hörte der Waldschreier gegen Lissing ausrufen: „Siehe
Spitzbub, du Hund, es wäre kein Wunder ich stiesse dir das Messer
in Leib hinein !" Und später als er von den Bauern gezwungen wor-
den mit ihnen Branntwein zu trinken, habe bald der eine, bald der
andere zu ihm gesagt: „Bist du nicht ein Spitzbub, seynd nicht
auch die Märkermcister Spitzbuben? gelt du bist ein Spitzbub?;t
Die Regierungen dachten nicht daran die tiefer liegende Veran-
lassung solcher Scenen aufzusuchen und kräftig aus dem Wege zu
räumen, sie fanden „daß dieses grobe Vergehen nicht ohngestraft
bleiben könne, wo nicht das ganze Markwesen in größte Confusion
gerathen solle". Die Confusion war aber bereits längst da.
In den Akten Mglb. E. 31 befinden sich eine Anzahl abschriftlicher
Urkunden, darunter auch ein Chur Mainzer Regierungsschreiben d. d.
Mainz 10. Mai 1765, die Stierstadter Gewalttätigkeiten betreffend. Das-
selbe besagt: Man habe aus den Untersuchungsprotocollen ersehen, wie
die eines nächtlichen Waldfrevels wegen abgeschickten Förster und
Waldschreier Liesing und Kiesel, von mehreren zusammengerotteten
Purschen . . dergestalten misshandelt worden, dass solche viele Kopf-
wunden und Armbrüche erlitten haben. „Nachdem solche schwere
Thätlichkeiten auf das schärfste zu ahnden sind, als hättet ihr die
beiden Rädelsführer Henrich Glock und Johannes Sulzbach, nach-
dem Ihr diesen beiden vorher in loco Stierstadt eine ihrer Leibes
Constitution proportionirte Tracht Schläge öffentlich habet geben las-
sen, zu Verrichtung einer jährlichen ohnabbittlichen Schantzenstraf,
dahingegen den Henrich Schreiber zur halbjährigen Schantzenarbeit,
und den Walther Sulzbach auf vier Wochen lang in dahiesiges
Digitized by Google
— 4*5 —
Zuchthaus an Eml. Gewaltebotten wohlverwarter einliefern zu lassen" . .
Es sei nöthig „zu Aufrechthaltung dea gemeinen Ruhestandes und
der nöthigen Subordination deren Untergebenen gegen ihre Vorge-
setzte", dass keiner der betheiligten Pursche „ohngestraft davon
kommen möge", . . auch hättet Ihr den Heinrich Aumüller „als
welcher damals den Dorfspieß getragen gehabt, wegen dessen dabei
bezeigter Widerspenstigkeit 14 Tage lang, und zwar des andern
Tags bei Wasser und Brod zu seiner künftigen Warnung einzu-
thürnien". Wegen der Privatsatisfaction sei noch Verzeichniss der
Cur und anderen Kosten zu verfertigen, auch die vulneratos zu ver-
nehmen, wieviel sie für ihre erlittenen Schmerzen zu fordern ge-
dächten, mittlerweile aber deren Thätern samtliches Vermögen in
Beschlag zu nehmen, . . demnächst aber das abzuhaltende Protocoll
zur weiteren Verfügung einzuschicken.
Solche Scenen mögen doch mitgewirkt haben, dass die Regie-
rungen endlich daran dachten eine Theilung der Mark zu bewerk-
stelligen. Der Frankfurter Rath sprach um diese Zeit die Befürch-
tung aus dass bei so fortgehenden Verhältnissen die Mark in wenig
Jahren von Holz entblösst und zu einer leeren Haide gemacht sein
würde. Von Seiten Hanau's wurde betont dass es an guten alten und
neuen Verordnungen nicht fehle, dass aber der Effect von sothanen
Ordnungen von Seiten Hessen-Homburg nicht nur guten Theils behindert
werde, sondern auch von daher selbsten grosse Eingriffe geschehen.
Conferenzen wurden in Aussicht gestellt, von Frankfurt und Hanau
auch betrieben, von Mainz aber, dessen Dörfer den Markwaldungen
näher und günstiger gelegen, wenig unterstützt „Seit ich letzt die
Ehre gehabt*, schreibt der Urseler Amtmann Thonet, „Ew. Wohl-
geboren aufzuwarten bin von Mainz ins Rhingau bis dato herum-
spaziert, und dadurch außer Stand blieben die . . Antwort . . ver-
sprochener maßen einzuschicken; aus der . . . ausgeschriebenen Con-
ferenz dörflte wolil, wenigstens sobald, nichts werden, womit ver-
bleibe etc.« (Mglb. E. 29. VI. 70.) Der Rath hatte schon im Jahr
1747 den „Deputirten zur Conferenz in Sachen die Hohe Mark be-
treffend, den Herrn Schöffen Joh. Georg Schweitzer, Edlen Herrn
von Widerhold und Joh. Jac. Lucius, seinem Consulentcn und Syn-
dicus, vollkommne Macht und Gewalt gegeben, das Nöthige zu ver-
handeln. Homburg zeigte an, dass wegen Chur Mainz ein Aufschub
statt finden mtisste. Es komme jetzt vorzüglich auf die Frage an :
wie, wo und welchergestalt künftig in der Mark zu beholzigen wäre,
ein Augenschein sei zu veranstalten. Der Rath Hess die Markschult-
heisson vernehmen, ob und wie eine Theilung der Mark zweckmässig
Digitized by Google
>
— 456 —
»ei? Er hört nur wieder die alten, bekannten Klagen. Ebe Thei-
lung sei um jeden Preis wünschenswerth.
Die Verhandlungen Uber die Marktheilung dauern nun über ein
halbes Jahrhundert, sie füllen eine ganze Reihe von dicken Folian-
ten; sie werden ausschliesslich zwischen den Regierungen welche die
Interessen ihrer Dorfschaften vertreten, und den Beamten des ober-
sten Waldbotten geführt; die Markgenossenschaft wurde nur zuletzt
der Genehmigung wegen angegangen81.
Die Wahl der Beamten, namentlich der Märkermeister war ganz den
Regierungen anheimgefallen, diese suchten sich über die Wahlen bestens
zu verständigen, das eigne Interesse dabei zu wahren. Auf dem Märker-
gedi ng von 1 759 sollte die Wahl eines Märkermeisters an des Raths Thonet
*• Weit kräftiger als in Deutschland hatte in der Schweiz der Sinn für das
Recht sich erhalten. Aeholich wie in der Hohen Mark war noch um die Mitte
des vorigen Jahrhunderts, bis zum Jahr 1786, das ganze Land Toggenburg ein
ökonomisches nnd politisches Gemeinwesen, mit gleichen Rechten, Pflichten,
Nutzungen. Gewisse Corporationen oder Private bcsaBseu wol privatrechtlich
erworbene Kuh- oder Atzungarechte, aber die Voralpen , unbestossene Alpen
wurden gemeinschaftlich benutzt. Auch die Holznutznng war eine allgemeine.
Dies Nutzungsrecht fiel auch hier zunächst den Anwohnern zu, die Entfernten
erhielten nichts oder wenig ; die Waldungen wurden von den oberen Toggen-
burgern gelichtet, der gemeinschaftliche Boden von diesen bebaut. Die unteren
Toggenburger ergriffen zuerst die Gelegenheit der neu zu errichtenden Land-
Strassen, sie wollten Geld auf die gemeinschaftlichen Voralpen aufnehmen, da-
von Strassen bauen; dann aber verlangten sie Abtheüung, da ihr Recht an dem
Gemeineigenthum illusorisch geworden. Die oberen Toggenburger bestritten
dass dies eine Rechtsangelegenheit sei, es sei Landes- oder Gemeindsangelegen-
heit, der Landrath, nicht der Richter habe über die Nutzungen zu entscheiden.
Die unteren, katholischen Toggenburger wandten sich aber „in dieser pur ei-
vilen Interessesache" an den Fürst-Abt. Dieser suchte, wie der Waldpott in
der Hohen Mark, seinen Eintluss zur Geltung zu bringen, erklärte dass er Nie-
manden, der Recht suche, solches abschlagen könne. Der Gerichtstag wurde
zu Schwarzenbach unter dem Vorsitze des Fürst-Abts gehalten. Die oberen
Toggenburger sagen, es sei dies Gemeindesache, in welcher jeder einzelne
Toggenburger seine Stimme abzugeben habe. Die unteren aber verlangen
Entscheid über Mein und Dein, es liege eine Civilsache vor, welche den Land-
rath nicht berühre, ein Anliegen des Interesse und Eigenthums; der Landes-
herr habe Entscheidung und Fürsorge für die Untergebenen. Die Theilung
wurde verfügt, nnd zwar nach Proportion der Mannschaft; jede Gemeinde
erhielt eignes Corporationsgut. — Vergl. das Land Toggenburg und sein
Landesallroeindcn Reclamationsprocess. St. Gallen 1845. Zu bemerken ist hier-
bei dass in einzelnen Districten des Toggenburgs Freizügigkeit galt. Die
Landleute von Uster, Gasser und Wallenstedt konnten aus Stadt in Land
ziohen, und umgekehrt. — Zu vergl. noch: .die Rechte der Gemeinde Kappel
auf die Allroeinden Steintbal und Brandhols". St Gallen 1647.
Digitized by Google
I
— 457 —
Stelle vorgenommen werden. Homburg ist dafür, es möge variirt,
nicht immer aus denselben Orten die Märkermeister genommen wer-
den. Die freie Wahl dürfe nicht beeinträchtigt werden, wurde ent-
gegnet, und wieder von Oberursel der Stadtschreiber Messer ge-
wählt Zu den Wahlen von 1762 finden sich empfehlende Schreiben
der Regierungen, Frankfurt stimmt für Phil. Carl Bauer von Eysen-
eck zu Bonames; Waltbott Bassenheim empfielt seinen Rentrneister
Bauer; Hanau verwendet sich für Heegbereuter Henning zu Ober-
.Eschbach; Chur Mainz für Joh. Holzmann zu Bonames, Landhaupt-
mann Im Mai 1767 wurde berichtet, der Stadtschultheiss zu Ober-
ursel Vitus Franz Bauer sei „aus besonders bewegenden Ursachen"
seiner Diensten entlassen worden. Chur Mainz empfahl nun den der-
maligen Schultheissen Montmorenci als Markmeister, weil „nicht
schicksam" dass erstcrer als Markmeister beibehalten werde. Der
Graf Waldbott Bassenheim, Cammergerichtspräsident, bringt wieder
die Theilung der Mark in Anregung, schlägt vor die Wahlen aus-
zusetzen. Die Wahl sei jedesmal wider Vermuthen so gerathen, dass
die Markbedienten von dem Waldwesen kerne Kenntniss gehabt;
sie hätten den Meister gespielt und ihren guten Vortheil gewahret
(Mglb. E. 29. VI. S. 518 ff.) Derselbe schreibt später noch aus
Wetzlar, 21. März 1775, beschwert sich über die Eigennützigkeit
der beiden Märkermeister, deren jeder aHein für sich handle, die
grössten Unordnungen erlaube, einer Gemeinde die strafbarsten
Handlungen nachsehe, einer andern, wenn sie auch nur aus Irrthum
gefehlet, unmässige Kosten verursache. Die Frankfurter Ortschaften
klagten gegen den Urseller Märkermeister Montmorenci, andere
gegen den Bonameser Schultheissen und Märkermeister Holtzmann.
Auf dem Märkergeding am 7. Juni 1773 heisst es: weilen annebst
die Gemeinde Heddernheim auf den im vorjährigen Protocollbericht
gemerkten 20jährigen Rügenruckstand , der an dieselbe ergangnen
Verwahrung ohngeachtet, nichts abgefuhret, so wird dadurch dem
Waldschreier und Förstern aufgegeben sämmtliches Geschirr und
Schiebkarren welche von Heddernheim in die Mark kommen werden,
sofort nacher Homburg einzutreiben, inmassen die Mark sich länger
nicht herumführen lassen, sondern einen vor den andern von den
Heddernheimern angreifen wird. Es findet sich nichts darüber dass
im 21. Jahre des Rückstandes die Drohung erfüllt worden.
Aenderungen in der Seulb. Erl. Mark. — Es wird hier
einiges Uber die Seulburg, Erlenbacher etc. Mark nachzutragen sein,
Digitized by Google
— 458 -
da auch dort, aber in ganz verschiedener Weise , der Freiheit der
Wahlen um diese Zeit gedacht wurde.
Wie durch Dornholzhausen in der Hohen Mark, so hatto durch
die Erbauung von Friedrichsdorf in der Seulberg, Erlenbacher etc.
Mark der Waldpott — abgesehen von allen edleren Beweggründen
die ihn bei der Aufnahme der FlUchtlingo möglicherweise bestimmt —
sein Ansehen und seinen Einfluss zu steigern gesucht Die Märker
hatten seinem Beginnen nur Klagen entgegenzusetzen den Muth,
und kaum diese. Die Härkermeister und Schultheissen schreiben im
Jahro 1698 an den Rath, das neue Dorf oberhalb Seulberg habe
sich also vermehrt, dass de facto 20 und mehr Hausgesessen sich allda
befinden, wodurch den Märkern grosser Schaden zugefüget werde.
Dio neuen Inwohner liessen sich auf den Märkerdingen ablesen gleich
den rechtbefugten Märkern, suchten sich in die Mark einzuschleichen.
Die Märker seien vorgerufen worden, gefragt warum sie kein Bau-
holz zu gedachtem Orte hätten verabfolgen lassen, hätten sich ent-
schuldigt .,dass solches nicht bei ihnen, sondern bei ihren gnädigsten
und gnädigen, auch grosagünstigen Herrschaften stünde" ; worauf
Ihro hochf. Durch 1. zur Antwort ertheilt, dass vormals in eben
selbigem Ort, wo dies neu Dorf anitzo auferbaut sei, auch ein ander
Dorf gestanden. Ihnen, den Märkern, sei darüber nichts wissig,
hätten nichts darüber erfahren können; wäre immer noch die Frage,
ob sie Mitmärker gewesen. Jetzt seien die Inwohner des neuen
Dorfs zwar erbietig die Bussen gleich den rechtmässigen Märkern
zu thätigen, aber sie strichen die Mark durch nach ihrem Wohl-
gefallen, rinden die Bäume in der Mark ab, dass solche abgängig
würden. Vergeblich habe man gehofft dass Friede werde und des
neuen Dorfs Inwohner in ihres Landes sich wiederum begeben, es
brächen dieselben jetzt ihre Hütten ab, formale Häuser zu erbauen,
ja sogar Döppen und Ziegelöfen zum Nachtheil der Mark auf-
zurichten.
Auf die Beschwerde - Schreiben des Churmainzer Oberamtmanns
Freiherrn von Bettendorf antwortete der Landgraf: an der Stelle von
Friedrichsdorf sei ein adlicher Hof 81 und dabei das Dorf Di Hingen
gelegen gewesen, welches vor diesem den von Brendell zugehöret,
von welchen es auf die von Harffen gekommen. Von diesen habe es
der Landgraf vor einigen Jahren gekauft, daselbst die refugirten
Franzosen aufgenommen. Er habe denselben auch den ihm eigen-
m Wol die Schnepfenburg V
Digitized by Google
— 459 —
thümlichen Dannenwald, an dessen Stelle Willkoromshaueen gestan-
den, zugewiesen, da dann die Franzosen Wohnungen gebaut und
die Wüsteneien wiederum zu fruchtbaren Aeckern gemacht, sich
darauf der Markgerechtigkeit »gleich ihren Vorfahren" bedienet Die
neuen Einwohner seien auch eine Zeitlang wohl gelitten gewesen,
ihnen Holz verabfolget worden, sie wegen etwaigen excessus ge-
bührend mit der Markstrafe belegt worden, wodurch sie dann „öffent-
lich für Mitmarker erkläret" und in der „uhralten Gerechtigkeit
continuiret* und auf'b neu wieder in possession gesetzet worden. Ein
Abriss der Gegend mit Angabe der Lage der verschiedenen Ort-
schaften und Höfe war dem Schreiben beigelegt (Mglb. E. 30 IV.)
Graf Ingelheim schrieb darauf am 19. Juni 1701 an den Rath:
als seine beiden Gemeinden, die Flecken Holzhausen und Ober-
Erlcnbach sich über die Homburgischen Eingriffe beschwert, um
Schutz angesucht, habe er die Sach' an seines Lehenherrn chur-
furstlicbe Regierung zu Mainz gelangen lassen, von dort sei dem
Oberamtmann zu Königstein sogleich befohlen worden die Anmas-
sungen sofort „zu thätigen*, dahin zu sehen dass die Mark an ihren
Rechten gelassen werde. Er frage an ob es nit rathlich mit gesamm-
ter Hand bei behörigem Richter zu klagen. Herr von Bettendorf
meinte, es seien schon viele Schriften gewechselt, niemals aber recht
gründlich durchgedrungen , man möchte die Sach mit rechtem Nach-
druk angreifen, entweder via juris vel facti ausmachen, erwar-
tet vom Rath „derenselben hochvernünftig Gedanken darüber". In
der Folge betrat Graf Ingelheim seinerseits den Rechtsweg. Es be-
traf die Klage die Gerechtigkeit der Nachjagd, Missbrauch des
Klägers Unterthanen zu Jagddiensten,Uebertretung der Waldordnung,
Devastirung des Waldes, Bestellung neuer Markermeister und Forste
bedienten, einseitiger Aufnahme von Markgenossen u. d. m. Das
Urtheil des Reichskammergerichts vom 16. November 1713 erkannte
dass Beklagter, Herr Friedrich Landgraf zu Hessen -Homburg, modo
Successoren und Erben, daran zuviel und Unrecht gethan und sich
dessen zu enthalten, ohnbenommen dessen was ihm als Christen
Waldbotten und als Oberherrn der Mark flecken Seulberg und Köppern
von Rechtswegen zukomme. Am 14. Jan. 1715 wird dem Herrn
Landgrafen zu Hessen aufgegeben nachzuweisen, dass er dem Urtheil
gchorBamlich sei, dass er sich auch des anzüglichen und taxirlichen
Styls gegen das höchste Gericht enthalte. Der Landgraf beeilte sich
nicht der Aufgabe nachzukommen; mittlerweile beauftragte der
Freiherr von Ingelheim einen Notar dem Märkerding am 30. März
1715 beizuwohnen. Dieser begab sich zu dem Amtmann Carl Lud-
Digitized by Google
wig Neuhoff zu Homburg, forderte ihn auf zu dem morgenden Mär-
kergeding das alte Markinstrument mitzubringen, es öffentlich ver-
lesen zu lassen, auch im Uebrigen alles nach dem ergangnen Ca-
meral-Urtheil zu halten. Neuhoff antwortete: „Er wolle nachsehen
ob dieses Instrument in dem Archiv zu finden und bei Händen wäre,
er vor sich zwar hätte noch niemahlß eine» gesehen", er habe auch
noch keine Instruction was morgen zu geschehen habe. Vor Hegung
des Märkerdings erinnerte der Ingelheimsche Consulent und Abge-
ordnete dass die Friedrichsdörfer vom Märkerding und Bußsatztage
auszuschließen, die Vor- und resp. Nachjagd aufzuthun, die Wüd-
bahn sammt dem Forst zu hegen und schonen, das Markinstrument
zu extradiren und vorzulesen, ein ohnpartheiischer Markschreiber
anzunehmen, die Markmeister zu Ablegung der Rechnung und zu ge-
meinschaftlichem Handeln anzuhalten, dass die eigenmächtig angelegte
Mühl oberhalb Köppern abgeschafft, die auf Markboden angelegten
Wiesen zu allgemeiner Markgeniesaung überlassen würden. Es er-
folgten theils leere Versprechungen, theils ausweichende Antworten;
als dann der Kreis geschlossen, wurde auch der Friedrichsdorfer
Schultheiss gerufen; der Ingelheimische Notar trat vor und protestirte.
— Im Januar 1717 wurde der Notar Cretschmar requirirt um das
Kammergerichtsurtheil vom 13. Nov. 1713, da der hohe Impetrat auf
4malige Citation nicht erschienen, in den betreffenden Dörfern zu
publiciren. Zuerst wurde die Gemeinde Holzhausen durch den
Glockenschlag convocirt, mitgetheilt, dass das alte Markin-
strument zu ediren und sämmtlichen Märkern zu communi-
ciren, da»B die den Ingelheimischen Unterthanen abgepfändeten
3 Paar Ochsen und Wagen, oder deren Werth, zu restituiren,
Kosten und Schaden, ebenso die abgedrungenen 100 Rthlr. Straf
mit Interessen und Unkosten zu erstatten, einseitig abgesetzte
Markfbrster wieder zu agnosciren, wegen des unzulässiger Weise
zu Erbauung der Salz -Soden, des Schlosses, der Vorstadt
zu Homburg, anderer FürstL Privatgebäuden und des Orts
Friedrichsdorf genommenen Bau „auch entführten Brennholzes
und der nicht competirend, dennoch im Uebermass gebrauchten
Mästung, abzufinden, ebenso die Friedrichsdorfer für genossene Weid,
Aeckerigs, Brenn- und Bauholzes Satisfaction zu geben, die auf
Markboden gesetzte Papiermühl abzuschaffen, endlich Caution zu
leisten, dass keine ferneren Eingriffe geschehen in der Mark Eigen-
thum und Gerechtigkeiten. Anderes noch war in dem Decret hervor-
gehoben, dass die Markbediente ordentlich zu wählen, dass die Mark-
Instrumente, Protocolle u. d. m. in einer gesammten Mark-Truhen
Digitized by Google
- m -
zu verwahren, dass keine Rüge einseitig angesetzt, kein Märker-
meister private ein- und abgesetzt werde, das» der Flecken Fried-
richsdorf abgeschafft oder wenigstens die Bewohner sich der Mark
enthalten und vor Ausmärker passiren sollen. Zu schuldiger Parition,
Erfüll- und Gelobung dessen allen wurde eine Htägige Frist prae-
figirt mit militärischer Ezecution gedroht Nachdem dies Executions-
Decret und Patent verlesen und am Rathliause angeschlagen war,
verfugte man sich zu gleichem Zwecke nach Ober -Erlenbach und
den übrigen Markflecken. Der Solms'sche Amtskeller Patrick von
Petterweil war weggeritten, der Hessen-Darmstädtische und Solmsi-
sche Schultheiss, Melchior, wollte die Gemeinde ohne gnädigsten
herrschaftlichen Befehl nicht convociren: das Deeret wurde an das
Rathhaus affigirt. Das gleiche geschah in Seulberg; auch in Fried-
richsdorf hatte der Schultheiss Moses Lapart sich entfernt; in Köp-
pern Hess sich der Schultheiss Rh ein eck als unpässlich melden.
Abends halb fünf Uhr kehrte die Commission nach Burgkholzhausen
daselbst das Nachtlager zu nehmen, begab sich am folgenden Tage
Sonntag den 17. Jan., nach verrichtetem Gottesdienste „auf Franck-
furth nacher Haoü, worniit dann dieser gantze Executions actus ge-
schlossen und völlig geendigt worden".
Welchen Erfolg dieser actus gehabt das ergiebt sich aus dem
Protocolle über den Märker-Convent welcher wenige Tage darnach,
am 27. Jan. 1717 zu Seulberg gehalten wurde. Es heisst darin:
Nachdem der Obrister Herr und Waldbott aus dem . . affigirten
Subdelegations-Decret ersehen, dass die mehrsten Pnncten nicht den
Obristen Herrn und Waldbott angingen, sondern die Mark, und
dieses derselben an ihren Gerechtsamen nicht allein schädlich und
schimpflieb, sondern auch, wenn sie ihre Gerechtsame nicht wahr-
nehmen, gar darum kommen könnten, d esshalb sei ein Märker-Con-
vent berufen worden. Von Seulberg war zugegen der Mfirkerraeister
und Schultheiss Dorsch sammt beiden Burgermeistern; von Ober-
Erlenbach niemand, haben sich excusirt; von Petterweil der Schul-
theiss Schneider, sampt den beiden Burgermeistern, ebenso Schult-
heiss Rheineck von Köppern mit den Burgermeistern, von Nieder-
Erlenbach Bürgermeister Lentz welcher den Schultheissen excusirte,
von Holzhausen Niemand, Friedrichsdorff hatte sich schriftlich excu-
sirt Die Anwesenden wunderten sich, dass sie von keiner Klage
wüssten, keine Vollmacht zur Klage gegeben, protestirten einstimmig
und einhellig dagegen und behielten sich Gerechtsame bevor; wollten
auch den Obristen Herrn und Waldbotten unterthänigst gebeten ha-
ben zu inquiriien, welcher so unnöthigen Process suche; sie dankten
Digitized by Google
- 462 -
unterthänigst dasa derselbe sie in ihrer Gerechtsame zu schützen
suche, sie die Anwesenden wüssten im Geringsten von keiner Klage
oder Beschwerde. Die einzelnen Puncto wurden vorgenommen: Je-
des Ort, so wurde bemerkt, habe allerdings Abschrift des Instru-
ments, das Original aber wisse Niemand. Wer nicht zahle, müsse
eingetrieben werden, dieses sei der Zwang von welchem sie als Her-
kommens nicht abgingen; worbei sämmtüche anwesende Burger-
meistere auftretten, die Anzeige gethan, dasa sie bei dem Herkommen
roaiuteiiirt werden möchten. Die Holzhäuser seien die gross ten Wald-
frevler, sie und die Ober-Erlenbacher seien abgegangen, aber sei
doch das Märkergeding vor wie nach gültig, die Abgetretenen hätten
ihre vota verloren. Einzig und allein derObrist Herr undWaldbott
»ei befugt in dieser Mark zu jagen, in dem Annehmen und Abschaf-
fen der Förster wolle sich die Marek nichts vorschreiben lassen ;
die Saline sei von purem Dannenholz gebaut, und es sei so wenig
iu Holz- als in Mast-sachen sich Ziel und Maas vorzuschreiben. Die
Papiermuhle sei noch nicht erbauet, erst in Fundament geleget, der
Papiermache r erbötig zu weichen. Die Märkermeister und Förster
seien stets durch die mehrsten Stimmen erwählet, wer abtrete und
das Markergeding abandonnire, verliere seine Stimme. Bei dem Punct
wegen Friedrichsdorf trat der Nieder-Erlenbächer Burgermeister auf :
es sei ihm bekannt, dass wegen dieses Dorfs von ihrem Schulzen
proteatirt worden; was aber die prätendirte Satisfaction oder Strafe
angehe, so sei desshalb keine Vollmacht ertheilt worden, die Frie
drichsdörfer seien als Märker gerüget und bestrafet worden „per
consequenz als Märker wir sie alle zu erkennen* ; wäre unbillig sie
nochmalen zu bestrafen. Schliesslich finden sich sämmtüche an-
wesende Märker gemüßigt aufs feierlichste zu protestiren, ihre von
undenklichen Zeiten wohlhergebrachten Rechte und Gerechtigkeiten
zu wahren; sie widerrufen alles was der Herr von Ingelheim hierin
gethan, erkennen ihn als einen Ausmärker, welcher mehr seinen
Privatnutzen als der Mark Beates und Vortheil suchte. (Mglb. £. 30. IV.)
Am 27. März 1728 machte die FttrstL Hessische Canzlei zu
Homburg die Anzeige, dasB die Differenzen mit dem Freiherrn von
Ingelheim vollkommen gehoben, wobei denn die Friedrichsdörfer als
Mitmärker in bemelter Mark aufgenommen, und ihre Stimme gleich
andern haben sollten. Sie ersucht den Rath dem Schnltheissen zu
Nieder-Erlenbacu die nöthige Notiz zuzustellen. Ein Beschluss findet
sich nicht aufgeschrieben. Frankfurt suchte nun an der Wahl der
Märkermeister in der Weise Antheil sich zu erhalten, daas die Ort-
aehaften Holtzhausen, Petterweil, Ober- und Nieder-Erlenbach ge-
Digitized by Google
meinachaftlich gegen die drei homburgischen Ortschaften Seulberg,
Köppern und Friedrichsdorf majora machen sollten. Wie dies er-
reicht worden geht aus späteren Akten hervor.
In dem dickeren Aktenpack £. 30 findet sich d. d. Hanau
28. Dec. 1767 ein Schreiben des filrstL Hees.-Hanauischen zur Re-
gierung verordneten Präsidenten etc. Man erinnert Äaran wie in
dem Anfang dieses Jahrhunderts das fllrstl. Haus Hessen-Homburg
in der Seulberger-Erlenbacher Mark verschiedne Vorzüglichkeiten
sich angemasset, die Sache aber von dem Herrn Baron, nachherigen
Grafen von Ingelheim vor kaiserl. Reichskammergericht anhängig
gemacht, auch verschiedene günstige Urtheile ausgewllrket worden,
wie Ludolph in Consultat. II. p. 406 berichte. Der Herr Graf habe
aber sich bewegen lassen , wie vor einiger Zeit in Erfahrung
gebracht, nach der Hand mit Hessen - Homburg in gütliche
Tractaten sich einzulassen, und zum grössten Nachtheil der
ganzen Märkerscbaft, gegen einige Ihme vor sich, seine Beamten
und Unterthanen nachgelassne Privatvortheile, sich zu vergleichen.
Man empfielt eine Protestation. Das hierauf erstattete Syndicatsgut-
achten pflichtet dem bei mit der Bemerkung dass in den Akten keine
Spur zu finden sei was, oder ob etwas auf die Vergleichs-Anzeige
d. 27. März 1728 geantwortet worden. In Abschrift liegt dem Hes-
sen-Hanauischen Schreiben der Vergleich zwischen Hessen-Darm-
stadt, Hessen-Homburg und Ingelheim bei, aber ohne datum. Vor
allem wird darin der Landgraf als Obrist Herr und Waldbott, auch
als Territorial Herr der Seulberger und Erlenbacher Mark aner-
kannt mit Vorbehalt der den Märkern zukommenden utilitates;
2) werden die Friedrichsdorfer als Mitmärker anerkannt; 3) ver-
zichtet Ingelheim auf die Jagd in der Mark erhält dagegen die
Jagdbefugniss in der Seulberger Gemarkung; 4) erhält die Gemeinde
Ober-Erlenbach den Viehtrieb durch den Flecken Seulberg gegen
eine bestimmte Entschädigung; 5) Boll dem Ingelheim'schen Beamten
freistehen dem Bussensatz und Abhor der Rechnungen beizuwohnen.
Ein etwaiger Ueberschuss aus den Rechnungen solle 6) sogleich für
jeden Marktflecken pro quota ausgetheilet, der Friedrichsdorfer An-
theil aher wieder unter die Homburgischen und Ingelheimischen
Markflecken repartirt werden; 7) obligiren sich Hessen-Darmstadt
und Homburg bei der Wahl eines Märkermeisters allezeit die Stim-
men ihrer Markflecken einem Ingelheimischen Beamten oder Schult-
heissen zu geben, hingegen sollen die „Ingelheimische zu wählende
Burgermeistere Ihre Stimme vice versa" allezeit einem hessischen
Markschultheissen geben, der Ingelheimische Märkermeister einen
- 464 -
Waldförster zu ernennen, auch den Sitz nach dem hochftbrstl. Anwalt
haben; 8) wird der Eintrieb der Märker „worin der Mark herge-
brachter Zwang und Execution bestehet" gestattet; 9) wegen Mahl-
zeiten und Diäten werden hohe Ansätze ausgeworfen. Es soll er-
halten den ersten Tag ftlr Mund, Pferd und Knecht der Anwalt 8 fl.,
der M&rkermeister 5 fl., der Markschreiber 5 fl., ein Markschultheiss
1 Rthlr., ein Burgermeister 15 alb., ein Förster 1 fl., die folgenden
Tage, sowie bei Mark-Umzugen weniger8*. 10) Wenn ein Ingel-
heimischer Unterthan in der Mark Todtes verfahren, solle nach Be-
sichtigung den Angehörigen des Verblichenen abgefolgt wer-
den, friminalia aber vorbehalten bleiben. Es sollen 11) die ge-
meinschaftlichen Mark-Documente von den beiden Märkermeistern
verwahrt werden; 12) solle eine scharfe Waldordnung gemacht
werden; endlich solle 13) der Process beim Cammergericht abge»
ruien werden.
Daas dieser Vergleich zur Geltung gebracht wurde das ist unter
anderem aus dem Schreiben des Raths d. d. 2a Mai 1778 ersichtlich,
in welchem derselbe den Landgrafen darum angehet, es möge ein-
mal wieder aus Nieder-Erlenbach ein Märker-Meister gewähkt wer-
den. Nach dem Berichte des Laodamts war dies seit 61 Jahren
nicht mehr der Fall gewesen In der Antwort des Landgrafen
Friedrich d. d. 13. Juni 1778 ist versichert, wie es ein wahres Ver-
gnügen gewesen, auch bei dieser Gelegenheit, so wie bei einer jeden
andern, dem Rath Dienstgefalligkeiten zu leisten, es stehe aber die
Verfassung der Mark und die denen Burgermeistern eines jeden
Markortes zustehende freie Wahl im Wege „zu deren Beschränkung
wir uns nicht entschließen können". —
Am 6. Juni 1781 zeigt der Schultheiss von Nieder-Erlenbach an,
es sei durch die Stimmen der 3 Homburger Ortschaften und des
Markorts Ober-Erlenbach ein Seulberger Gerichtsmann, Safan, zum
Märkermeister ge wählet worden. Die übrigen hätten gegen diese
Wahl protestirt, weil im Jahre 1747 der jetzige Schultheiss von Holz -
m Nach einem Landamts-Protocoll vom 12. Jan. 1782. (Mglb. E. SO. dicker
Quartpack [39] bemerkt Schaltbeiss Lamper t, eiu Märkormeister geniesse, wo
er nicht irre 9 fl., bei Mark-Conventen hätten sie nebst dem Tisch 1 R. Diäten,
bei sonstigen Verrichtungen 1 R. ohne Kost; die Marksohultheissen aber hätten
bei Märkergedingen 1 R. Diäten ohne Kost, bei dem Baßsatz 1 R. und die
Kost; die folgenden Tage and bei sonstigen Verrichtungen 1 fl. and die Kost.
An Holz erhielten die Märkermeister soviel sie nOtbig hätten , der Markschul-
theiss geuiess 4 Wagen, Bürgermeister und Pfarrer 2 Wagen, jeder Baner 1
Wagen; soviel er wisse gründe sich dies auf Observanz.
Digitized by Google
— 465 -
baußen, Fritz, ebenfalls als Gerichtsmann gewählet, die Wahl vor
ungültig angesehen worden, und weil die Wahl auf höheren Befehl
geschehen sei. Er bittet bei dem Bußsatztage dem herrschsüchtigen
Verfahren abseiten Homburgs Einhalt zu thun. Ein Schöffenbe-
schluss verfugte darauf, dass die Nieder-Erlenbacher bei dem Buß-
satztage sich nicht einfinden sollen. (1) Die Nieder-Erlenbacher Bür-
germeister Hahn und H. Müller gingen aber doch hin, entschuldigten
sich, dass die Gemeinde es so verlangt habe. Der Schultheis be-
richtet, dass er ihnen „die alleinige Befolgung des herrschaftlichen
und nicht der Gemeinde befehl" anbefohlen, dass eine solche Auffüh-
rung „mit dem Namen: Unterthan gar nicht reime*; aus solchem
Ungehorsam für den Rath und für ihn selbst, den „die befehl be-
kannt machenden Schultheisaen", die allcrschlimmsten Folgen ent-
stehen könnten; hofft dass Bestrafung erfolge. Solchem Bath wurde
gerne entsprochen, es wurden die Bürgermeister bis auf weitere Ver-
fügung in Arrest gebracht, später noch um 3 Rthlr. gebüsst, weitere
Untersuchung der Anstifter angeordnet!
Schultheiss Lantpert berichtet am 25. Mai 1782 an das Land-
amt, dass die Märkermeister Safan und Rupp wieder gewählt worden.
Es sei aber bei dieser Wahl bei der er sich doch wegen der zu
Seulberg gehaltnen Conferenz mehrere Unparteilichkeit absehen
Homburg vorgestellet hätte, abermahl ordnungswidrig verfahren, die
Bürgermeister der Ortschaften Seulberg, Friedrichsdorf und Köppern
den Samstag vor Pfingsten nach Homburg citiret und ihnen zum
votiren der Befehl gegeben worden. Auf die Frage des Waldschreiers
Mack: wie es gehalten werden solle? habe der Seulberger Burger-
meister die Antwort gegeben: Es werde wohl beim Alten bleiben;
welchem die Burgermeister von Friedrichsdorf, Köppern und Ober
Erlenbach beigestimmt, dass also auch diesmal wieder wie seit 10
und mehr Jahren die Märkermeister durch die Stimmen der ver-
bundenen Markortschaften erwählet worden, die andern nicht zum
votiren gekommen. 9Die Wahl selbsten wird vor das künftige, wie
bishero, eine blosse Ceremonie sein, die beiden Männer im Dienst
erhalten werden, weilen Homburg durch ihre Eydbrüchige Conni-
ventz im Mark- Wald thun kann, was es nur will".
Hierauf wurde in Senatu Scab. am 1. Juni 1782 beschlossen :
beruht auf sich, es wird aber löblichem Land-Amt committirt dem
Schultheissen zu Nieder-Erlenbach seine gebrauchte unanständige
Schreibart wegen Hessen-Homburg zu erweisen (verweisen), und ihm
künftighin ein glimpfliches Betragen einzuschärfen.
Digitized by Google
— 466 —
Einrodungen. — Es könnte, hier, insofern das Recht der Hohen
Mark darzulegen unternommen wurde, vielleicht nicht unzweckmässig
ein Abschluss stattfinden; denn es bleibt fraglich ob das, was noch
folgt, mit dem Rechte zusammenzustellen sei. Es werden die Rechts-
verhältnisse wie sie zuletzt sich gestaltet, nur vorgelegt, weil Be-
richte und Thatsachen jener traurigen Zeit entnommen, dazu gedient
haben in der Lehre Uber die Markverfassungen eine nicht unwichtige
Rolle zu spielen. Darum sei es vergönnt noch Einiges Uber diese
Zeit und die in derselben handelnden Personen anzuführen.
Als im Jahre 1773 die Theilung der Hohen Mark wieder ange-
regt wnrde hoffte man auf guten Erfolg, weil die churmainzische
Regierung durch den Grafen von Bassenheim für dieselbe günstig
gestimmt sei. Tüchtige Regierungsbeamten nahmen sich der Sache
jetzt und in der nächstfolgenden Zeit mit grossem Eifer an, der
hanauische Amtmann Usener zu Bergen, Landamtmann Luther von
Frankfurt, Justizrath Hoffinann von Rödelheim u. a. m. ; man unter-
suchte die Fragen, wie zu th eilen, und was zuvor zu ordnen sein
möchte. Die Frankfurter Schultheissen hielten für ihre Ortschaften
ebenso vortheilhaft eine Theilung nach Köpfen, als nach Ortschaften;
ohne die Theilung sei keine Hoffnung je wieder Holz aus der Mark
zu erhalten. Wie zu theilen, überlassen sie der „erleuchteten Ueber-
legung einer hohen Ohrigkeit*. Es folgen genaue Aufstellungen der
Einwohner und der Gebäulichkciten; die obschwebenden Streitig-
keiten zu erledigen wurde versucht. Vor allem kam wieder die ge-
bückte Heege zur Sprache, über welche im Jahre 1780 Hessen-
Homburg erklärte, dass auf der angeblich strittigen Fahrbor-
ner Strasse die privative Beholzigungsgerechtigkeit dem Obristen
Herrn und Waldpotten zustehe ; die Strasse sei uie strittig gewesen.
Er berief sich auf ein abschriftlich beigegebenes Hohc-Mark-Protocoll
vom 2. Juni 1597 in welchem die Grenzen abgesondert worden
seien84; sodann Abschrift eines Märkerdings-Protecolls vom 30. Mai
1590 inhalts dessen die Märkerschaft bekenne dass diese Strasse dem
Herrn Waldbott allein zustehe; endlich andere Mark Protokolle nach
Ausweis deren die Grenzen zwischen der Strassen jenseits Kirdorf
und gemeinen Mark verglichen worden. Am 4. Juni 1014 sei man
zu Oberursel desshalb zusammengekommen, aus jedem Flecken sei
eine Person mit genügsamer Vollmacht erschienen. Am 5/26. Sept.
** In diesem Protocoli ist ein Umzug mitgetheüt, welcher angeblich statt»
gefanden.
Digitized by Google
I
— 467 —
sei getheilt worden, indem Feldgeschworene und Landtseheider eines-
theils vom Kesslergrund, andererseits vom Pfad gegen Kirdorf? aus
die Ruthen gegen einander geschlagen, die Breite gemittelt und einen
aufgeworfenen Haufen jedesmal in die Mitte gemacht
Der Rath Hess bei der hessischen und bei der churfü retlichen
Regierung anfragen ob in dortigen Archiven von den angeführten
alten Höh en-Mark Protokollen etwas vorfindig sei. Es wurde aber
nichts darüber aufgefunden. Die Streitigkeiten blieben unerledigt,
neue kamen stets dazu, indem nun die meisten der Hohen-Mark-
Waldung anliegenden Ortschaften Ländereien für sich einzuroden
anfingen. Beim Umgang von 1768 hatte besonders Stierstadt ge-
zeigt, wie das ungestraft geschehen könne. Vor Beginn dieser
Grenzbesichtigung hatte der Anwalt die Märker bedeutet, dags wenn
einer oder der andere gesonnen sei zu protestiren ein jeder solches
mit Bescheidenheit thun möge. Man war darauf rechter Hand über
die Aue nach der Triesch an der Looshecke geritten, dort hatte
man, an der Kasbach, die Stierstadter bei einem Wackenstein, welchen
sie als Grenzstein bezeichneten, angetroffen, mit allerhand tödtlichem
Gewehr, als nemlich Rohrhacken, Mistgabeln, Sensen, Krappen und
dergL bewaffnet; sie weigerten sich die Märker durchzulassen, ja
sie schlugen ohne alle Veranlassung einen Homburger Unterthanen
mit einer Rohrhacke nieder, und „wofern der Schultheiss von Stier-
stadt, wenigstens pro forma den andern Schlag nicht aufgehalten
hätte", so wäre dieser vielleicht noch weit gefahrlicher geworden.
Der fürstliche Herr Anwalt protestirte namens des höchsten Wald-
botens und der sämmtlichen Hohen Mark, behielt sich alle Rechte
vor, und die Märker „Hessen also den ganzen District von der Kecs-
bach bis an das Solms'sche Wäldchen liegen". Am Cronenberger
Weg waren einige Kastanienbäume in die Hohe Mark gesezet, wo-
gegen der Auwald sowohl als die Märkermeister protestiret, und re-
solviret worden das» sie nächstens sollten ausgerodet werden. Weiter-
hin hatten die Stierstadter wieder einen Stein besezt „weilen aber
. . . keine Gewalttätigkeiten sollten verübet werden, so Hessen
wir", heisst es „auch diesen Stein liegen cum reservatione omnium
jurium". Als später der Schultheiss von Stierstadt dem Zuge sich
anschliessen wollte, wurde er bedeutet, dass man wegen den Kx«
cessen seiner Leute seiner Person nicht nöthig habe. Der Schultheiss
entschuldigte „die. Ungezogenheit seiner Leute und ging nach
Hausea. Die Märker zogen weiter, nahmen auf dem Feldberg ein
kleines Mittagessen ein, das auf sie wartete, und ritten nach Reiffen-
berg, allda sich einzuquartiren „weilen die Sonne sie verlassen und
30*
Digitized by Google
- 468 -
hinter die Gebürge sich verstecken wollte*. Nachdem sie ihre
K raffte, berichtet weiter das Notariatsprotocoll, wieder ein wenig
zusammen gesamlet und ein kleines Frühstück eingenommen ver-
folgten sie weiter den Umgang, nahmen am Rebhüngensberg „die
Wüsche ab", welche die Anspacher zu weit ausgehänget, zogen nach
der Saalburg, den Fahrborn hinunter bis an die Strasse. Nachdem
aber das Regenwetter so stark gewesen ,;(lass es kein Mensch länger
aushalten konnte8, ritten sie nach Homburg und aasen. Den dritten
Tag weiter nach dem Wolfsgarten, wo sie die Kirdorffer Gemeinde
trafen, und protestirten, „dass sie nicht sollten den Ober-Eschbacher
Weg passiren*. Der Anwalt schlug vor alles unentschieden zu
lassen, die Kirdorffer aber Hessen demohngeachtet die Märker „nicht
passiren". Der Waldschreier zeigte den Märkern die Grenze gerad
über das Feld hinaus, wie es 1609 beschrieben. Der Schultheiss von
Dornbolzhausen protestirte darauf, die Herrn Märkermeister repro-
testirten, wollten der Mark, weil sie nicht in der Grenze gingen,
„nichts vergeben haben*. Den Raisberg hinauf protestirte Hom-
burg; gleicherweise als die Märker links die Heck hinauf nach dem
Brendelsbusch zu gehen prätendirten, da doch der Tannenwald dem
durchlauchtigsten Fürsten von Homburg prätendirtermassen gehörig
sein solle. So ging es um den lauen Wald; im Haynmüller pro-
testirte Stetten, die Herrn Märkermeister reprotestirende mit dem
Bedeuten dass dieser Mark-Umzug keinem Theil präjudicirlich sei;
an der Hege bei Oberursel protestirte Oberursel. „Wir Hessen also
alles Hegen" schreibt der Notar Johannes Laurentius Stellwag, „ritten
nach Oberursel bei Herrn Märkermeister Montmorency und aasen
zu Mittag. Hiermit endigte dieser actus.* — (Mglb. E. 29. Umgang
v. 1768.)
Es ist nicht wol nachzuweisen ob eine solche Auflösung der
Ordnung vom Waldpotten überall begünstigt wurde, in einigen Fällen,
nämlich so weit es die Homburger Unterthanen betraf, scheint es
der Fall gewesen zu sein. (Es finden sich die Aktenstücke über die
Einrodungen der Oberstedter und Kirdorfer Mglb. E. 31. VL) Die
Gemeinde Stedten gab im Jahre 1781 vor, sie habe einige alte Grunz
steine gefunden ; ohne dass den Märkern Mittheilung gemacht — nur
der Märkermeister Montmorency wurde auf den Augenschein ge-
laden — hob man die Steine und zog den District ein. Es war
derselbe noch im Jahre 1769, beim letzten Umgange für Markantheil
erkannt worden, die Mark war in unbestrittenem Besitz gewesen.
Jetzt aber wurde behauptet, die Stedter hätten sich wieder „in den
alten Besitz gesetzt«. Ein Bericht über das „strafwürdige Einrotten
Digitized by Google
— 469 -
der hess. homburg. Oberetedter Gemeinde" wurde auf dem Märker-
geding vom 16 Juli 1781 überreicht Dasselbe wurde von dem
Bruder dea Anwalda, dem fürotl. homb. Regierungsrath Neuhof abge-
halten. Dieser soll nach dem Bericht des Landamtmanns Luther
betrunken gewesen sein, habe sich auf so unschickliche Art be-
nommen das* Amtmann Usener den Kreis verliess. Neuhof habe
vergessen die Hegung des Mftrkerdings vorzunehmen, gleich die
Märkermeister abgedankt Dann habe er gestottert, den Titel des
Landgrafen vergessen, aber hinzugesetzt: totus titulus non est ne-
cessarius, auch den Markschreier beordert die Märkermeister wieder
in den Kreis zu holen, mit dem Anfügen, es sei besser dass er sie
hole, als dass sie der Teufel hole. Bei dem Verlesen der Rügen
habe er wiederholt Zweideutigkeiten zugefügt und zum Schlüsse ge-
sagt: „nun muss ich auch noch laußen, schmaußen, fischen, hetzen,
ächzen, krächzen, jagen, und wie das einfaltige Zeug alle heisst, ver-
bieten1'. Auf den eingereichten Bericht und beigefügten Protest der
Regierungen wegen dem Einroden der Oberstedter am Mutzengarten
liegt kein Beschluss des Märkerdings vor. Aber die homb. Regierung
theilte in einem Schreiben vom 14. August 1781 mit, es sei bei
dem Markergeding der Protestation hinlänglich begegnet worden,
besagte Gemeinde befinde sich in rechtmässigem Besitz des bestrittenen
Landes. In einem späteren Schreiben d. 26. März 1782 wiederholte
sie, dass die Märker nicht den mindesten Anspruch auf das Stück
Landes zu machen hätten > sie erbot sich zu gemeinschaftlichem
Augenschein, behalte aber der Gemeinde jedenfalls nach wie vor ihre
Rechtszuständigkeit bevor. Am 6.Sept 1782 berichtet Landamtmann
Dr. Luther über diesen eingenommenen Augenschein : In Bonames
habe er erfahren dass der Anwald auf den gleichen Tag ein Mark
Convent berufen. Um 9 Uhr sei er mit Amtmann Usener von Ober-
nrsel nach der Hohen Mark aufgebrochen , dabei die Märkermeister.
einige MarkschultheiBsen, Förster und der Markschreiber. Am Mutzeu-
garten seien Bauern mit Hacken beschäftigt gewesen, welche zum
Schein auf dem eingerodeten Stück arbeiteten. An diesem bereits
eingerodeten Stück Feld hätten etwa 30 Bauern mit Hacken, Schau-
feln, Karsten das Vorgehen gehindert; man habe ihnen und dem
Schultheissen vorgestellt „dass man nur spazieren gehe, dass man
nur die Gegend besehen wolle, dazu befehligt sei, die einseitige Be-
augenscheinigung schade ihnen nichts". Sie hätten grob geantwortet:
es wäre ihr und ihres gnädigen Herrn Grund und Boden. Einige
hätten geschrieen: schlagt zu, scbmeisst ihnen auf den Kopf, dass sie
die schwere Noth kriegen ; besonders habe dies Martin Schmid ge-
Digitized by Google
- 470 -
sagt, auch der Schultheis» trotzig bemerkt, mau habe hier nicht« zu
suchen. So sei man unverrichteter Sache zurückgegangen. Der Be-
richt ist unterzeichnet von Kraus» für Königstein, Usener für Hanau,
Pfnor für Usingen, Weber für Solms-Rödelheim, Krebs für Reiffen-
berg, Luther für Frankfurt. (Mglb.E. 31. VI. [64J66]) Der letzte be-
merkte noch im Bericht es sei vorgeschlagen worden das Gepflänz
wieder herauszuschmeissen, aber unter Bedeckung, das» kein Wider-
stand von Seiten Homburgs zu befürchten sei. Er sei später nach
Heinzenberg geritten, wo der Rentheiverwalter Krauss einen Vor-
schlag gemacht, „dass jeder Theil suchen solle DiBtricte der Hohen
Mark für sich einzurotten", der „saubere Vorschlag auf den er sich
noch viel zu gut zu thun schiene" sei aber verworfen worden.
Noch theilte Landamtmann Luther in dem Berichte mit, der
Hessen Hanauisclie Landcommissarius Zink sei beauftragt worden
den Bezirk im Geheimen zu messen; er sei Nachts weggeritten, habe
ihn mit Tagesanbruch begangen. Als er durch Homburg geritten,
habe er den Regierungsrath Neuhoff gesprochen, der sich sehr über
den Vorgang der Oberstedter gekitzelt, gesagt, er sei im Haupt-
quartier zu Oberstedten gewesen, und sein Herr habe sich ebenfalls
nicht weit davon befunden, es wäre hauptsächlich auf den Renthei-
verwalter Krauss gemünzet gewesen, dass der etwas abbekommen
möchte. Es erhielt der Landamtmann Luther nicht, wie der Schul-
theiss Lamport, einen Verweis „wegen unanständiger Schreibart".
Der „saubere Vorschlag ' des Rentheiverwalters Krauss, so widrig
er auch dem Ohre eines rechtlichen Beamten klingen mochte, scheint
demohngeachtet den traurigen Verhältnissen angemessen und nicht
unpraktisch gewesen zu sein85. Es nahmen auch die Kirdorfer eine
Wiese, die als Markgut verpachtet gewesen, für sich in Anspruch.
(Mglb. E. 31. VI. S. ö.) Daun wird berichtet, die Gemeinde Kirdorf
habe ungefähr 200 Morgen Hoheu Mark Gut eingerodet zu Acker-
Wenn der Gedruckte nirgends Recht kann finden,
Wenn unerträglich wird die Last — greift er
Hinauf getrosten Muthes in den Himmel,
Und holt herunter seine ew'gen Rechte,
Die droben hangen unveräusserlich
Und unzerbrechlich, wie die Sterne selbst —
Der alte Urständ der Natur kehrt wieder,
Wo Mensch dem Menschen gegenüber steht —
Zorn letzten Mittel, wenn kein andres mehr
Verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben. —
Schüler, Teil.
Digitized by Google
- *71 -
land, der dasige Schultheis habe erklärt: sie wollten es ebenso
machen wie die Oberstedem Später erfolgt Anzeige, dass das Ort
Dornbolzhausen sich gleichermaßen ein beträchtliches Stück Land
von der Hoben Mark abgepflöcket hätte, sie wollten es mit einem
Graben umziehen, hätten es zum Theil schon zu Ackerland gemacht.
Die Regierungen berathen ob man an die höchsten Reichsgerichte
geben solle, Hanau ist für Zurückziehung des £ingerodeteu, allenfalls
unter militärischer Unterstützung, alle Regierungen raüssten angreifen,
lest zusammenhangen wie Kletten.
Aber es blieb nur bei dem Gerede. Auf einer (Konferenz zu
Frankfurt brachte Churmainz wieder den vorzunehmenden Jagdactus
zur Sprache. Vor allem aber wurde immer wieder der Theilung
gedacht, diese könne nicht auf einem Märkerge ding ausgemacht wer-
den, es sei Gegenstand der von höchst und hohen Herrschaften er-
nannten deputatorum. (Mglb. £. 31. U. 29. Mai 1782.) Vorgeschlagen
wurde die Wahlen der Märkermeister auszusetzen bis zur Theilung,
und Vogteischreiber Schumann wurde 1788 durch Mehrheit der
Stimmen „einstweilen" bestellet die Markgeschäfte nach Treu und
Gewissen zu besorgen, welches derselbe auch mit Ilandgelöbniss an-
gelobet Darauf wurde erst am 10. Juli auf Verwendung von Chur-
mainz der churfUrstl. Amtsvogt Seebold als Märkermeister gewählt.
Bei dieser Gelegenheit kam die Abänderung des Märkermeistcr-Eides
zur Sprache, der Eid für Seebold sei ein anderer gewesen als der
jenige, welchen Bauer 1763 abgelegt Die eigenmächtige Abänderung
sei präjudicirlich, sei auch bereits im Jahr 1707 angemasst worden.
Auch der Waldschreier sei im Protocoll „fürstlicher" Waldschreier
genannt. Die hesseu-homburgischo Regierung bemerkt darüber kurz :
die bisherige Eidesformul sei ..gerade nicht bei Händen gewesen",
man habe keine Neuerung intendirt.
Im übrigen aber tbat die Homburgische Regierung jetzt so ziem-
lich was ihr gefiel. Sie Hess Schneisen aushauen, überliess von dem
gehauenen Holz statt des Arbeitslohnes an die Stedtcr Leut, und ver-
kaufte eigenmächtig angebranntes Holz. Viele tausend Morgen
wurden gänzlich abgeholzt, Reisig gemacht und zur Versteigerung
gebracht. (Mglb. E. 31. V.) Als Aratman l Tiener Satiafaction ver-
langt hatte wegen der Grobheit der Stedter Bauern, demonstrirte
der Anwalt, Regier. Rath Neuhof auf dem Augenschein „nach seiner
bekannten Beredsamkeit ', wie Landamtmann Luther berichtet, „weit-
läufig die unwidersprechliche Befugniss der Oberstedter Gemeinde
zu besagtem Districte aus dem alten Steinbuche de 1547 '. Als Pro-
duetion desselben verlangt worden, bedauerte er recht sehr, dass er
Digitized by Google
472 -
solches mitzunehmen vergessen habe, er könne deshalb „die angeb-
lichen alten Steine nicht zeigen". „Diese abermahlige Impertinenz",
so hebst es weiter in dem Bericht an den Rath, „verdross uns so dass
wir nach Ursel zurückkehrten8, verabredeten auf das Angehen eines
höchsten Reichsgerichts zu dringen, um eine Theilungscommission zu
erlangen. (Mglb. E. 31. II. [185] )
Die Schultheißen berichten wieder und wieder dass Marktheilung
das einzige Heilmittel sei, dawider lehne man sich homburgischer-
seits mit allen Kräften auf, weil man bloss auf Beibehaltung und Be-
förderung des eignen Nutzens und der Privatabsichten das Augen-
merk richte. Der Anwald aber erklärte auf dem Märkergeding vom
9. Juni 1784 er erwarte nur wegen der Theilung bessere Vorschläge
der Regierungen. Auf ein weiteres Mahnschreiben beschwert man
sich homburgischer Seits wegen des unpassenden Titels, „der Herab-
setzung bis auf den Grad eines Obersten Märkers*, (Mglb. £. 31 II.
[217]) verbittet sich diesen gar nicht schicklichen Ausdruck.
Französische Revolution. — Werkann sagen wie dies jammer-
volle Treiben sich weiter fortgesponnen, wie lange es noch gedauert hätte,
wenn nicht die französische Revolution einen Riss in das alte be-
schauliche Leben gemacht und dem stagnirenden versumpften Ge-
wässer neuen, lebendigen Lauf gebracht Jeder Versuch die alten
Missbräuche abzuschaffen missglilckte. Der Markförster Gr oh wurde
abgesetzt, weil er in den Jahren 1793 — 1794 nicht einen einzigen
Lastträger zur Rüge gebracht. Das Amt Bergen beantragte Abschaf-
fung der pflichtvergessenen Bauernforster. Ein neuer „sehr recht-
schaffener, gelernter Förster" wurde von dem ganzen Mark-Convent
angestellt, versäumte aber die Landesherrschaft um die Erlaubniss
der Niederlassung in Reiffenberg anzugehen, „wahrscheinlich wurden
desBhalb" die frevelnden Märker im stillen von den Beamten unter-
stützt, (Mglb. E. 31. V. S. 161.) es wurde von den Bassenbeimischen
Ortschaften, wie es hiess ,,ein IlebellionsbUndniss abgeschlossen" den
Förster Strobel nicht in's Logis aufzunehmen; als er nach Arnolds-
hain einem Frevler nachging, wurde er angegriffen und erbärmlich
geschlagen. Die alten Herkommen wurden mehr und mehr ausser
Acht gelassen; im Jahre 1789 berichtet Land- Amtmann Luther, das
Märkergeding sei nicht auf der Auw gewesen, sondern in des Mär-
kermeisters Seebold Behausung, nicht öffentlich 8*. Holzzettel wurden
8« Das Protocoll ?om 10. Juni 1789 sagt trotsdem : „Actum Ober Ursel
.auf der Aus".
Digitized by Google
- 473 -
eingeführt, und von den Märkermeistern eigenmächtig verkauft. In
einem Berichte heisst es: der neue Märkermeister Seebold habe sich
trotz aller Versprechungen unglaublich geändert, schreibe Waldzettel
Leuten, die gar keine verlangt, oder die von dem Märkermeister
Holzmann abgewiesen worden, habe erkläret dass die Theilung der
Mark niemals zu Stande kommen werde. In einem Schreiben von
Homburg d. 7. Nov. 1803 heisst es: Man habe diesem «Unfug Ein-
halt thun wollen*, Mannschaft sei beordert worden diejenigen, welche
sich mit solch nichtigen Anweisungen beholzigen wollten, gleich Frev-
lern einzutreiben. Den Förstern wurde verboten künftig die Befehle
der Märkermeister noch zu respectiren „indem dieselben nichts mehr
in der Mark zu befehlen hätten". (Mglb. E. 81. III. S. 50. S. 62.)
Darauf hätten die Förster die Anweiszettel der Märkermeister zu-
rückgegeben. Der Büchsenspanner Lötz sei mit Mannschaft aus den
Homburger Ortschaften zur Aufsicht nach der Hohen Mark geschickt
worden, mit dem Auftrag jeden Märker der einen Ausweiszettel von
einem Märkermeister habe, sogleich einzutreiben. Dieser habe mit
16 Mann einen Ober-Urseler festnehmen wollen, das habe Lärm ge-
geben, Amts- Vogt und Märkermeister Hilt habe 3 mal Sturm läuten
lassen, und sei mit 40 bis 50 Bewaffneten in die Mark gegangen „da
dann die Homburger von ihrem Vorhaben abliessen und davon liefen".
Darauf wurde Hilt als Märkermeister und als Conventsmitglied
von Hornburg nicht mehr anerkannt; Hilt habe den geschwornen
Eid, „dem Obristen Herrn und Waldpotten in Sachen, die Mark be-
treffend, untertänigsten Respect zu bezeigen", verletzt Es sei Sache
der Herrschaften noch vor der Tli eilung gemeinsame Massregeln zu
ergreifen, dass unter den Markofficianten Ordnung, unter den
Märkern Ruhe erhalten werde. Märkermeister Hilt sucht sich zu
rechtfertigen dass sein Verfahren allein „die Rettung der angetaste-
ten Gerechtsamen des Mark - Convents und beider Märkermeister
bezielt habe". Justizrath Hoffmann von Rödelheim bemerkt dazu:
„Mag denen Markmeistern von alten und neuen Sünden zu Last
kommen was da will, so sind Eigenmächtigkeit und gewaltsame
Eingriffe in die Markgerechtsame von Seiten Homburgs klar vor
Augen und äusserst empörend".
Weit diplomatisch schlauer äussert sich Syndicus Bachmann in
dem Frankfurter Gutachten Uber diese Angelegenheit: Es müsse die
Absicht vorherrschen bei dem Theilungsgeschäfte Ruhe, Einigkeit
und Ordnung zu erhalten, desshalb habe er für jetzt von einer
specifischen Protestation „gegen die Homburger Emancipation" be-
sonders wegen der Holzzettel, des Holzfällens etc. abgesehen, be-
Digitized by Google
- 47* -
rühre nicht die im Grande lächerliche and incompetentc Absetzung
des Märkenneisters Hilt: „diesseitige jura können überdies nie leiden11,
sie würden auf das zweckmässigste gewahret, wenn man beiden
Theilen zu Gemüthe rühre, von allen Thathandlungen abzulassen,
wodurch die Mark-Verfassung angetastet würde. Er möchte die letz-
ten Vorfalle durchaus als nichtgeschehen erachten, oder den Mangel
einer Instruction vorwenden, die Sache ad referendom nehmen, pro-
testiren etc. In einem weiteren Votum d. 23. Mai 1804 bemerkt er:
Wenn mächtigere Stände mit einander hadern, so rathe es die
Klugheit, dass der schwächere diese Rivalität benütze, sieh hinc inde
suchen lasse, nichts vergebe und mit keinem abwerfe. Solle sich die
Theilung verschlagen, so sähe man klärer warum? lerne mehr die
jetzige geheime Mischung der Charten kennen, könne sich her-
nach mit desto sicherem Success an die Cordatioree anschließen
und jura prohibentis in causa communi vertheidigen. Um
zwischen Hessen und Nassau vota paria zu erhalten, keinen Be-
schluss auf dem Märkerding zu Stande kommen zu lassen, räth
er Instruction sich vorzubehalten. Frankfurt müsse majora macheu,
wenn Nassau, Rödelheim und Bassenheim gegen Hanau, Darmstadt
und Homburg stimme, „welches aber gegen unsere sentiraens an-
stiesse". In der Hauptsache verdürbe man damit auf diesem Wege
mit keinem Theile. Dieser Status würde das Theilungsgeschäft acce-
leriren. (Mglb. E. 31. III. S. 116 ff.)
Im Ganzen wurde im Sinne dieses Votums die Misshelligkeit
behandelt; Märkermeister Hilt hatte erklärt dass er die Thätlichkeit
nicht als Markmeister, sondern als fürstlich Nassauischer Privatdiener
unternommen habe; der Anwalt nahm desshalb die frühere Publika-
tion zurück, hoffte von der ftirstl. Regierung Genugthuung an
erhalten.
In dem bezeichneten Jahre 1804 war das Märkerding, das her-
kömmlich hätte geheget werden sollen , aus verschiedenen Ursachen,
auch des Vorfalls mit Hilt wegen, abgesaget worden. Trotzdem war
der Märkermeister Hilt, Justitzrath Hoffmann von Rödelheim, die
Usingischen Schultheisscn , der Schultheiss von Reiffenberg, der
Schultheiss von Praunheim, welcher in churhessischen und Solms-
Rodelheimischen Pflichten stand, der Solras'sche Schultheiss von
Niederursel, endlich die Frankfurter Schul theiasen von Bonames.
Nieder- Erlenbach, Dortelweil und Niederursel erschienen. Nach
seiner Instruction sollte der Märkermeister Hilt bei Nichthegung des
Markergeding» statt des Anwalts die Hegung und die Wahl des
Märkermeisters vornehmen. Solms-Rödelheim will es aber nicht all-
Digitized by Google
— 47* —
znsehr mit Churhessen verderben, möchte aus politischen Rücksich-
ten eine abweichende Erklärung geben, Bassenheim und Frankfurt
schfiessen sich dem an, sind abgeneigt „an einem von Hilt zu halten-
den Märkerding Theil zu nehmen", und die betreffenden Scbultheis-
sen „dabei abstimmen zu lassen'. Die Schultheissen erhielten den
Wink sich einstweilen auf die Aue zu verfügen, die Beamten folgten.
Dort erklärte dann Märkermeister Hilt: dass weil der hessische
Herr Anwalt sich nicht eingefunden, er deswegen ausdrücklich pro-
testire, der Mark und den Markherrschaften alle Gerechtsame vor-
behalten wolle.
Schluss. — Bereits in den Jahren 1797 und 1798 war das her-
kömmliche Märkerding „politischer, unabwendbarer Ursachen wegen"
zurückgesetzt, an dessen statt ein Markconvent abgehalten worden.
Es solle das keinerseits zu einem Präjudize gereichen. In den Jahren
1807 und 1808 walteten diese Umstände „wiewohl in etwas ver-
ändert" wieder ob. Die Märkermeister und Schultheissen beruhig-
ten sich theils bei der Erklärung des Anwalts, theils protestirten sie.
Der Anwalt bemerkte dass er dem obersten Herrn und Waldboten
dies unterthänigst hinterbringen, höchst dessen Befehle erwarten,
und selbige dem Markconvent bekannt machen werde. Die Mitthei-
lung des Anwalts Dufais vom 7. Juni 1808 hatte einfach gelautet:
„da die Hegung des diesjährigen Märkergedings nicht vorzunehmen
für genehm befunden worden ist, . . so wollte ich . . diese getroffene
Maasregel . . bekannt machen" etc. Als darauf im folgenden Jahre
am 31. Mai 1809 die Märker sich wieder auf dem gebotenen Märker-
ding einfanden, wurde ihnen ein Bericht des grossh. hessischen Hoff-
Rath und Hoheitsbeamten Trapp mitgetheilt des Inhalts: „dem Un-
terzogenen zugestossene Unpäßlichkeit hindert ihn eine höchste
Willensmeynung Sr. königl. Hoheit des Grossherzogen von Hessen,
Hertzogen zu Westpbalen, in Betreff der Ausübung der Rechte eines
obersten Herrn und Waldpoten in der Hohen Mark, auf dem heute
zu haltenden Märkergeding bei Oberursel gehörig zu verkündigen,
ohne welche Verkündigung die Hegung dieses öffentlichen Gerichts
dermalen „„und fernerhin8" nicht stattfinden kann8.
Die Herrschaften fanden dass wegen der „grossh er zogl. Hessi-
schen Aninassung* welche auf eine Ansprache auf die Rechte der
obersten Staatsgewalt über die Hohe Mark abziele, zu protestiren
Digitized by Google
- 476
sei, und ertiessen ein Besch weningsschreiben. Sie hoben hervor das«
kein Hessischer Hoheitsbeamter gegen Vertrag und Observanz die
Stelle eines Anwalds des 0 bristen Herrn Waldbotten vertreten könnte
und drangen auf beruhigende Erklärung. Auf dem Märker -Convent
vom 12. Sept proteetirten auch die Märkermeister und die Schult-
heissen Neuhof von Bonames und Brück von Heisenberg. Der Au-
wald proponirte dieses Jalir nur für Holzträger und Schubkärcher
Holztage zu gestatten, indem diese Klasse von Märkern vorzüglich
zu berücksichtigen wäre. Allein die Märkermeister Hüt und Henning,
sowie die Schultheissen Neuhof von Bonames, Hirschner vonPfraun-
heim und Brück von Keiffen borg widersetzten sich dem volksthümeln-
den Vorschlage; gerade die bezeichneten Märker beholzigten sich
tagtäglich, mit Hintansetzung aller Markordnungen, sie sorgten für
ihr eignes Bedürfniss und verkauften noch so viel von dem gefrevel-
ten Holze, dass sie mit ihren Familien alleinig davon lebten. Dies
sei unwiderlegliche Tbatsache und aus den Bügeregistern zu ersehen.
Die Fuhrleute als die wohlhabendere Classe der Märker bezögen
ausser den Waldtägen nicht den geringsten Nutzen aus der Mark.
Sonach wurde mit Widerspruch des Anwalds und des Schultheissen
Birkenstock von Homburg zur Rcgulirung der HolztÄge ge-
schritten.
ImOctober lief ein Antwortschreiben von Giesen ein; die grossh.
hess. Regierung verwunderte sich über die gethanen Aeusserungen,
es sei eine bekannte Sache, dass das landgräfl. Haus Hessen -Hom-
burg die Landeshoheit und Territorialgerechtsame Uber die Hohe
Mark von jeher behauptet, und actenkundig in deren Besitz sich befun-
den; so könne über die „durch die neueren politischen Verände-
rungen" Sr. königl. Hoheit zugefallenen Souveränitätsrechte ein
Zweifel nicht entstehen. Gegen eine solche Rechtsdeduction hätte
vielleicht eingewendet werden können, dass das Amt eines Waldpot-
ten nicht an den blossen Besitz, sondern an den rechtlichen Besitz
von Homburg geknüpft gewesen; eine furstl. Primatische Regierung
konnte aber nichts anderes erwidern, als dass man einer Ausdeh-
nung jener befragten Rechte, weiter als dem Herkommen nach zu-
lässig, wehren würde.
Schultheis* Neuhoff von Bonames überreichte am 7. Nov. 1809
ein ihm von dem Anwald der Hohen Mark zugekommenes Circulär,
Inhalts dessen Se. k. Hoheit der Grossherzog zu Hessen sieb be-
wogen gefunden habe, des Herrn Landgrafen von Hessen-Homburg
bochfürstl. Durchl. bei den veränderten Umständen einstweilen den
Auftrag zu ertheilen, die Rechte des Obersten Herrn und Waldbotten
Digitized by Google
— 477 —
<
in der Hohen Mark zu wahren und auszuüben. Der Senat, indem
er den Empfang der Anzeige bemerkt, verwahret sich, das» aus der
Uber den Herrn Landgrafen erlangten Souveränität in Beziehung
auf dessen Würde als Oberster Waldbott ein mehreres nicht gefol-
gert werde, als was dem Herkommen und „dem Mark verein" ge-
mäss sei.
Es lief Beschwerde ein dass in der Hohen Mark 19 Wagen Hole
auf Anweisung des fUrstl. Anwalds zu Homburg für die Officiere der
Besatzung und die dortigen Wachten gefallt und durch Frohnd-
fuhren abgefahren worden. Ein nachdrückliches Schreiben wegen
des Eingriffs in die Gemein -Eigenthum -Gerechtsame der Bethei-
ligten sollte desshalb an die hessische Regierung zu Giessen erlassen
werden, mit dem Verlangen dass der Werth des gefällten Holzes den
betheiligten Gemeinden ersetzt werde. Es heisst in dem Schreiben
dass, nachdem der Herr Landgraf von Homburg „denen jetzt be-
stehenden staatsrechtlichen Verhältnissen gemäss" dem grossherzog-
lich hessischen Hause wie in jeder, also auch „in der Eigenschaft
eines obersten Waldbothen und Mitgenossen der Hohen Mark, sub-
ordiniret und unterworfen* sei, die grosshersogl. hessische Regierung
solche Verfügungen an gedachten Herrn Landgrafen von Homburg
ergehen lassen möge, damit dergleichen den Rechten der Markge-
nossen, wie auch „den bestehenden Märkerdingen" schnurstracks
zuwiderlaufende Eingriffe unterblieben. Die Besorgnias wegen Ter-
ritorialer Eingriffe war zwar stets wieder der leitende Gedanke, aber
die Rechte der Unterthanen wurden doch in den Vordergrund ge-
stellt. Während alle Rechte der Hohen und der Herrscher mit
Füssen getreten wurden, behielt ein Recht, Jahrhunderte hindurch
angegriffen und verletzt, immer noch Werth, — das alte, gute Recht
der Märker! Die Untergebnen des Französischen Kaisers suchten sich
die alten, ehrwürdigen Bezeichnungen mundgerecht zu machen,
sie fochten damit, wie Kinder in alten Rüstungen mit den verroste-
ten Schwerten umherhauen. Sowie über die Markverhältnisse eine
Verfügung zu treffen, denselben irgend ein Verhältniss anzupassen
war, trat immer wieder vor, wie ein drohendes Gespenst, — das
alte gute Recht!
Es wurde den beiden Archivaren Dr. F. Max. Stark und J. G.
Chr. Thomas der Auftrag darüber zu berichten, wie es sich mit den
Landeshoheitsrechten der Hohen Mark eigentlich verhalte. In wenigen
Wochen lieferten sie einen vortrefflichen Bericht, in welchem der
Nachweis zu erbringen gesucht wurde, dass die von Homburg
angesprochene Landeshoheit über die Hohe Mark, demselben nie
Digitized by Google
— 478 -
zugestanden 61 . Die ftlrstl. Commission sprach der Arbeit, welche
einen den Archivaren zur Ehre gereichenden Beweis ihres Fleisses
enthalte, das Wohlgefallen Eminentissinri aus, wünschte dass noch
angegeben werde, was sich in dem Archiv über den Ursprung und
Geschichte, wie das ehemalige kaiserliche dominium der Hohen
Mark an die markbetheiligtcn Gemeinden, rücksichtlich des Privat-
Eigenthums, und anderen Herrschaften oder Obrigkeiten behufc der
Gerichtsbarkeit oder Landeshoheit „verschenkt oder überlassen0 wor-
den sei. Wenn auch über diese Fragen zum grossen Theil nur auf
Hvpothesen und Vermuthungen hingewiesen werden konnte, wurde
doch auch diesem Berichte die gebührende Anerkennung zu Theil,
er enthalte von den Kenntnissen und dem Fleisso der Verfasser da»
rühmliche Zeugniss, werde später gegen die homburgischen, modo
grossherzoglich hessischen Prätensionen zu benutzen sein. (Mglb. E.
31. VII. acta commiss. general.)
Die Verhältnisse der Hohen Mark hatten sich durchaus geändert,
aber der genossenschaftliche Geist war desshalb nicht wiederge-
kehrt, und die kleinlichen Eifersüchteleien der Regierungen waren
geblieben.
Im Mai 1810 wollte der Anwalt, nachdem mit Zustimmung der
Märkermeister 400 Haufen Stumpfholz und 24000 Wellen aufgebun-
den worden, dies Holz zum Besten der Markkasse versteigern. Aus
seinem abschriftlich bei den hiesigen Akten liegenden Berichte geht
hervor dass der Schulthetss von Bonames gegen dies angeblich ein-
seitige Verfahren protestirt, darauf die anwesenden Märker dreister
geworden „völlig hörbar* erklärten, wie sie jeglichen Steigerer stei-
nigen wollten. Da diese Aeusserung bei jedesmaligem Ausbot eines
Holzhaufens wiederholt wurde, „der Lärmen auch merklich zunähme,
so bliebe nichts anderes übrig, als sich nach Hause zu begeben8.
Den betreffenden Aktenstücken rindet sich von Minister v. Eberstein
die Bemerkung aufgeschrieben: „der diesseitigen Protestation sind
übrigens alle andern Märker beigetreten, und H. Dufais — welcher
sogar hessische Soldaten herbeirufen wollte, um seine Operation
durchzusetzen „war am Ende froh mit heiler Haut davonzu-
kommen".
" Wenn auch die Arbeit eine Partbeischrift genannt werden muss, so ist
doch tu bedauern, dass sie in dem Archiv vergraben und vergessen ge-
blieben ist.
Digitized by Google
— *79 -
Die TheiluDg der Mark kam früher in der Seulberger, Erlen-
bacher als in der Hohen Mark zu Stande. Bereits in den Jahren
1780 bis 1784 war in ersterer lebhaft desshalb verhandelt, dann
Anstellung einer Theilungsklage beschlossen worden. Diese war un-
terblieben. Erst nach der französischen Revolution wurde die Thei-
lung wieder angeregt, diesmal, im Jahre 1800, von Homburg selbst,
,,uin denen durch den Druck des Krieges verarmten Unterthanen
wieder aufzuhelfen**. Homburg hatte zuerst den vierten Theil der
Mark nebst dem ganzen Jagdrecht verlangt, im Laufe der Verhand-
lungen erhielt es f/9 oder soviel als ein Dorf erhalte, und zwar im
Spiss, dem besten Mark walde. Das übrige wurde querüber getheilt nach
Ortschaften, doch so dass Ober - Erlenbach , die stärkste Gemeinde,
ein aversionale von 40 Morgen darüber, Friedriclisdorf aber nur 3/*
des Flächengehaltes den jede der übrigen 6 Gemeinden zugemessen
bekam, erhielt Die bisherige Gemeinschaft der 7016 Morgen halten-
den Markwaldung solle aufhören, und dergestalt aufgehoben bleiben,
dass der einer jeden Gemeinde zufallende Betrag quoad jura terri-
torialia et regalia der betreffenden Landesherrschaft, aber quoad
dominium privatum dieser Gemeinde daselbst zugehöre. Der Land-
graf erhielt seinen Theil quoad jura territorialia et regalia und quoad
dominium privatum als praecipuum zur Entschädigung dessen, was
er durch diese Theilung verliere. Es ist unnöthig hier weiter in die
Einzelheiten des Vertrags einzugehen. Durchführung allenfallsiger
Delinquenten und Cadavers war ausdrücklich darin bedacht. Unter-
zeichnet war er am 14. Aug. 1802
für Hessen- Cassel durch Reg.-Rath v. Meyerfeld,
„ Hessen -Homburg „ Reg.-Rath v. Sinclair u. Amtsrath Haupt,
„ Solms -Rödelheim „ K. W. Hoffmann, Justizrath,
„ Frankfurt „ J. C. Dietz, Land-Amtmann,
„ Jngelheim „ Hofrath von Konenberg, Amtmann.
Die Gemeinde-Vorstände hatten im Voraus für sich und für die
Gemeinden das Einverständniss ausgesprochen. (Mglb. E. 30. 6.)
Auch in der Hohen Mark hatte im Jahre 1802 Homburg, wegen
dessen Ansprüchen in früheren Jahren die Theilung vereitelt ge-
blieben, selbst wieder Theilungsvorschläge gemacht. Die grossen
Ereignisse welche im deutschen Reiche kurz nachher stattfanden,
sollten, so hoffte man, das Vorhaben beschleunigen. Die Zahl der
Souverains in der Hohen Mark sei auf vier reducirt; der Gross-
herzog habe nun die Mittel in Händen, Theilung zu bewirken. Syn-
dicus Bachmann, der Referent, hält es für wünschenswerth dass die
Frankfurter Ortschaften mit 3000 Morgen, auch ungemessen , sich
Digitized by Google
- 480
begnügen, der Beat der Auseinandersetzung dem hessischen Gesammt-
hause mit Nassau überlassen bliebe.
Am 20. Febr. 1810 erliess die grossherzoglich hessische Re-
gierang zu Giessen ein Antwortschreiben wegen der schwebenden
Frage der Theilung; sie bemerkte dass sie weit entfernt sei, der
erwünschten Verkeilung der Mark Schwierigkeiten in den Weg zu
legen. Da es aber eine bekannte Sache sei, dass der Herr Landgraf
zu Homburg „sich wenigstens in einigem Besitz der angesprochenen
landeshoheitlichen Rechten über die Mark bis auf die neueste Zeiten
erhalten* so vermöchte die Regierung die von demselben behauptete
Gerechtsame ebensowenig geradezu aufzugeben, wie sie die Wider-
sprüche noch zur Zeit für ganz begründet anerkennen könne. Sie
stellt es dahin ob der Augenblick der geeignete zur Theilung sei
bei der unentschiedenen Lage des Fürstentums Hanau. Die her-
zoglich nassauische Regierung drängte auf eine Theilung, da auch
die Cronberger Mark, wobei die Hanauische Gemeinde Steinbach
betheiligt gewesen, getheilet worden sei; inzwischen erfolgte die
Besitzergreifung des Fürstenthums Hanau, die beiden Eschbach wur-
den von Seiten der fürst-Primatischen General-Commission provisorisch
in Beschlag genommen, von dem k. Commissaire aber nicht garantirt.
Sie gehörten zum Amte Rodheim, wesshalb Hessen protestirte. Die
Entscheidung wurde dem Kaiser 88 zur Entscheidung vorgelegt. Auch
wegen Reiffenberg war noch Ungewissheit ; Staatsrath Seeger be-
merkt in seinem Gutachten, dass Herr Graf von Bassenheim, soviel
er wisse, in Ansehung jenes Dorfes unter hessischer Souverän etat
stehe. — Bei den weiteren Verhandlungen über diese Theilungs-
angelegenheiten bemerkte Minister v. Eberstein in einem votum, dass
es sich allerdings mehr um das Communalinteresse der Mark-
betheiligten , als um Behauptung von Territorialitätsansprüchen
handele, es würde aber Hessen, wenn es in den Besitz der beiden
Eschbach gesetzt sein werde, eine ganz andere Sprache als bisher
fuhren, und namentlich die Territorialität in der Hohen Mark sehr
nachdrücklich ansprechen. Nassau wollte die vorbereitenden Arbeiten
beginnen, Hessen verwies auf den nahenden Winter. (Mglb. E.
31. V.)
So kam es erst im Jahre 1813, nach vielen und langen uner-
quicklichen Verhandlungen, zur Theilung der Hohen Mark. Auch
hier erhielt der Waldpott eben bestimmten Antheil an den 24509
Dem frtnzüaiachen !
Digitized by Google
— 481 -
Morgen, im übrigen aber wurde die Kopfzahl der 4444 Märker be-
rücksichtigt, auch Juden, Mühlen, Höfe in bestimmter Weise ein-
gerechnet Am 23. Sept. 1813 nach vollzogener Grenz-Absteinung
leerten die Theilungscommissäre auf dem Gipfel des Feldbergs noch
einmal den Markbecher welchen im Jahre 1623 Johannes Marien-
baum und Abolonia Gleserin gestiftet89; ein vielhundertjähriger recht-
licher ZuBtand war gelöst worden ; einem jüngeren Geschlechte blieb
es anheimgegeben auf neugeschaffener Grundlage die rechtlichen
Verhältnisse fortzubauen.
Es führt uns diese Geschichte der Irrungen, welche über die
Verwaltung und Nutzung der Hohen Mark im Herzen unseres
Vaterlandes entstanden, vor Augen, wie unser Volk mit treuer
Anhänglichkeit, aber auch mit kluger Vorsicht lange die eignen
Sitten und Gewohnheiten gewahrt, wie die Gewalt über das Recht
triumphirt, aber auch so noch Jahrhunderte dahinflössen, ehe die
alte ehrwürdige Verfassung beseitigt und eine Grundlage zur
neuen Gestaltung der Verhältnisse gelegt werden konnte. Diese
Geschichte eines kleineren Theils erfüllt uns mit froher Zuversicht
für die Zukunft des Gesammt- Vaterlandes. Mit jugendlicher Kraft
stehen die zerrissenen Theile desselben wieder auf, sie Buchen nach
dem alten Recht und der alten Sitte, überzeugt in derselben auch
die alte Grösse und Herrlichkeit Deutschlands wieder zu gewinnen.
Was Jahrhunderte noch Uberdauert als es gebrochen war, kann nicht in
einem Lebensalter neu gebaut werden; unberechtigt ist die Klage
dass die Neugestaltung nicht in einem Jahre zur Vollendung ge-
bracht worden. Unserer Generation ist die erhebende Aufgabe ge-
worden den edlen Stolz des Volkes wieder zu beleben, den Sinn für
das Recht wieder zu wecken, neue Formen für das alte Recht zu
schaffen.
Vergl. die Hohe Mark im Tannus, in dies. Archiv II. S. 350.
31
Digitized by Google
Inhalt.
Seit»
Ansiedelangen an der Höhe. Oborurscl. 351
Die Hohe Mark, ihr Umfang, ihre Abtheilung 259
Urkundliche Quellen . . . 362
Die Märker 268
Der gemein Märker 273
Die Ortschaften 274
Die Frauen 279
Der Adel und die Schlösser 279
Die Geistlichen 288
Der Waldbott . . 291
Die Beamten des Waldbotten 306
Die Obrigkeiten oder Herrschaften 309
Ihre Beamten: die Schultheis»* 330
Die Bürgermeister 331
Die Märkermeister 333
Das Märkerding 344
Die Weisungen .... 347
Gränzbestimmungen gegen die Feldmark undgegen die Ausmark 356
Verfügung Uber die Berechtigung zur Mark .... 360
Der Kessler zu Bonames 370
Ausmärke r 381
Der Theidigungstag 383
Benutzung der Mark 393
Das Roden. Bau- und Brennbolz. Gewerbe. Holzbestand.
Aufsicht. Jagd. Eckern. Fischerei.
Aenderung der Markverfassung . . 404
Beeinträchtigung der Märker. Zollstöcke. Sehweinetrieb 413
Die Hühnburgswiesen 422
Folgen des 30jährigen Krieges 427
Landgraf Friedrich mit dem silbernen Bein 438
Die Waldenser.
Versuche der Regierungen. Protestationen. Scbadloshaltung 441
Entsittlichung 449
Die Beamten. Die Märker. Der Stierstädter Gewaltthat.
Verhältnisse der Seulburg-Erlenbacher Mark 457
Friedrichsdorf. Vergleich zwischen Hessen und Ingelheim.
Auflösung der Ordnung in der Hohen Mark. Einrodungen. Versuche
einer Theilung 466
Die französische Revolution 472
Sehluss 475
Digitized by Google
Beiträge
zur Geschichte des CoUegiatstifts Moxstadt
aus dem Frankfurter Stadtarchive
von
Dr. L. H. Euler.
Ueber das ehemalige Collegiatstift Moxstadt finden sich in ge-
druckten Werken nur wenige Nachrichten. Gudenus hat in der
Sylloge variorumdiplomatariorum (Frankf. 1728) S. 568 den Stiftungs-
brief veröffentlicht und mit einigen Bemerkungen begleitet Danach
haben Hildigunt und ihr älterer Bruder (senior) Hartmann ihr eigen-
tümliches Gut Odoldeshuson der Kirche des h. Donatus in dem Ort
(oppido) Muggistat geschenkt, für die Kirche die Körper tünf heiliger
Märtirer erworben und in demselben Orte eine saueta congregatio
errichtet, auch den ehrwürdigen Mann Liuthar bestimmt, dem Orte
ad Dei servicium secundum canonicorum regulam ordinandum vorzu-
stehen. Die Urkunde ist nicht datirt, sie rührt aber noch aus dem
10. Jahrhundert her und Gudenus gibt au» dem von ihm zu Mainz
eingesehenen Necrologe des Stifts an, dass die Stifter dem Geschlechte
der Dynasten von Limpurg an der Lahn angehört haben. Er fügt
bei, dass die villa Muggistat, jetzt Moxstadt, in der Wetterau gelegen,
dem lutherischen Glauben anhange und eine Pfarrkirche habe, nem-
Hch die frühere Gollegiatkirche der heil. Georg, Martin und Donat .
obwohl aber das collegium canonicorum seine Kirche verloren, so
bestehe es doch fort und aeien seine Mitglieder zeitweilig (paasim)
die Canoniker von St Bartholomäus zu Frankfurt, welche auch die
übriggebliebenen Einkünfte bezögen. Büsch ing (neue Erdbe-
schreibung, Hamb. 1768, Tbl. 3. S. 1253) gibt bei Beschreibung der
Grafschaft Ober-Ysenburg an, dass die gräfliche Linie Ysenburg-
Büdingen unter Anderm auch das Gericht Mockstatt besitze, welches
31*
Digitized by Google
- 484
eigentlich ein Viertel der Ganerbschaft Staden sei, 1662 dem gräf-
lichen Hause zugetheilt worden und vom Erzstift Mainz zu Lehen
gehe: zu diesem Gerichte gehörten die Dörfer. Ober- und Nieder-
mockstatt, an dem ersten .Orte sei ein den h. Martin und Donat ge-
widmetes Collegiatstift gewesen, welches später mit dem Stifte St.
Bartholomäi zu Frankfurt vereiniget worden und den Dechaneihof
sammt andern Höfen, Gütern und Renten besitze: zu Nieder-Mock-
statt befinde sich der Probsteihof: die gesammten geistlichen Gefalle
erhebe das gräfliche Haus Büdingen gegen eine jährliche Abgabe1.
Würdtwein endlich erwähnt des Stifts Moxstadt an zwei Stellen
seiner Diöcesis moguntina, tom HI, (Mannb. 1777), S. 96 und 228.
An erster Stelle wird gesagt, nicht weit von Staden liege die
Collegiatkirche von Moxstadt, den h. Martin, Donat und Nazarius
geweiht, deren Probst das Stift des Orts (collegium oppidi) und den
Ort selbst, die Pfarrei allda, die Capelle in Ranstadt, das Dorf
Nieder-Mockatadt und die umliegenden Höfe unter seiner (geistlichen)
Jurisdiction habe, die Sende halte, alle Maasse prüfe, die Ueber-
schreiter bestrafe, einem Canonicum das Ofncialat übertrage u. s. w.,
so das* also diese Kirchen von dem Archidiaconate der Collegiat-
kirche der Jungfrau Maria zu den Greden in Mainz eximirt seien.
An der andern Stelle aber werden nur zehn auf Moxstadt bezügliche
Urkunden gegeben. Alle diese Urkunden und was sich sonstwo be-
sonders in einzelnen Staden'schen Deductionen vorfand, hat Scriba
in den Regesten der heas. Urkunden verzeichnet. Ausserdem ent-
halten auch die Hessischen Urkunden, her. von Baur, im dritten
Bande (Darmst. 1863) drei aus dem hiesigen Archive mitgetheüten
Moxstadter Urkunden.
Diese wenigen Nachrichten über die Moxstadter Collegiatkirche
erhalten nun eine ansehnliche Bereicherung durch das Archiv des
Stifts, welches sich in dem Frankfurter Stadt-Archive befindet Das
Stift sah sich nämlich gegen das Ende des 16. Jahrhunderts, offenbar
in Folge des Uebertritts der ganzen dortigen Gegend zur Re-
formation, genöthigt, seinen bisherigen Wohnsitz zu verlassen. Es
begab sich damals nach Frankfurt, behielt aber seine in Moxstadt
und der Umgegend belegenen Güter und Zehnten, und verwaltete
diese von Frankfurt aus. Hier fand es in dem St Leonhards-Stifte
einen bleibenden Sitz und sein Archiv wurde in demjenigen des
1 Walther, das Grossh. Hessen, Darmst 1854 erwähnt 9. 418 bei den
Angaben über Nieder- und Obormockstadt das ehemalige Stift nicht.
\
Digitized by Google
Leonhards-Stiftes untergebracht. Alain Folge der Secularisation (1803)
die Reichsstadt Frankfurt das Leonhards-Stift einzog, kam mit dessen
Archiv zugleich auch dasjenige des Stifte Moxstadt in den Besitz
der Stadt Dasselbe war mit den Gütern und Gefällen dieses Stifts
der Fall, welche später durch Kaufvertrag vom 25. Juli 1846 von
der Stadt an den Fürsten von Isenburg-Büdingen um den Preis von
fl. 40,000 verkauft wurden. Es ergibt sich hieraus, dass die Angabc
Büsching's von einer Vereinigung des Stifts Mozstadt mit dem St
Bartholomäus-Stifte eine irrige ist; es hat sich wenigstens für diese
Behauptung kein Beweis in dem Archive gefunden und es scheint
dieselbe wohl nur aus einem Missverständnisse der von Gudenus er-
wähnten allerdings begründeten Thatsache entsprungen zu sein, dass
zuweilen Mitglieder des Bartholomäus-Stifts zugleich Canoniker von
Moxstadt waren.
Das Moxstadter Archiv lag Jahre hindurch unbeachtet und theil-
weise zerstreut in dem städtischen Archive. Erst in Folge der seit
Kurzem bewirkten Ausscheidung des älteren historischen Theils der
Archivalien von den neuerem und laufenden wurde bei Ordnung
des älteren oder Stadt-Archivs von dem Herrn Archivar, Professor
Dr. Kriegk auch das Moxstadter Archiv seiner bisherigen Ver-
gessenheit entzogen, durchgesehen und geordnet Es bestehet aus
869 Urkunden und Actenstücken, die in den Zeitraum von 1220—
1802 fallen. Dazu kommen noch 14 Copial-Statuten, Zins- und
andere Bücher. Ueber alle diese Archivstücke hat Herr Dr. Kriegk
ein Verzeichniss angefertiget und mir dessen Gebrauch mit Er-
laubnis hohen Senats gestattet. Dafür und für manche freundliche
Beihülfe bei gegenwärtiger Arbeit spreche ich ihm hier gerne meinen
Dank aus.
Den Inhalt aller dieser ArchivBtücke hier anzugeben, würde zu
weit führen und mehr Zeit erfordern, als ich auf diese Arbeit zu
verwenden habe. Es genügt mir, auf diese urkundlichen Auf-
zeichnungen, die ihren hauptsächlichen Werth für die Local- und
Gemarkungsgeschichte der Orte Ober- und Niedermoxstadt und der
umliegenden Gegend haben, hier aufmerksam zu machen und nur
die sämmüichen älteren Urkunden, mit ZufÜgung weniger späteren,
lasse ich in Regestenform folgen.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die Herren von Lim-
purg, welche das Stift Moxstadt gründeten, die Besitzer der dortigen
Gegend waren. Schon frühe mögen sie dieselbe nach damaliger
Sitte geistlichen Herren zu Lehen aufgetragen haben. So wie 1308
Herr Johann von Limpurg anerkennt, dass er den Ort und die Burg
- 486 —
Staden nebst andern Gütern dorten gleich seinen Voreltern von dem
Stift Fuld zu Lehen trage und da« Stift um Bekräftigung diese«
Anerkenntnisses bittet, weil seine Schwestern diese Besitzungen ftlr
Allodc ansähen (Scriba pag. 974), so bestätigt ihm in demselben
Jahre Erzbischof Peter von Mainz, dass er die Vogtei in Ober- und
Niedermoxstadt und in Heegheim als ein Lehen der Mainzer Kirche
besitze. Wie das Verhältniss des Vogte zu dem Stifte beschaffen
gewesen, zeigt das Weistbum, welches 1365 in dem Dorfe Ober-
moxstadt unter dem Spielhause in einem gemeinen offenen Gerichte,
genannt das ungebotene Ding, deren man drei in dem Jahre hegen
soll, von den Hausgenossen in Gegenwart des Dechanten Hermann
und des Amtmanns Difftel von Staden, der das Gericht von des
H errn G erlac h von Limpurg wegen besass (d. h. ihm vorsass), ge-
geben wurde. Die Hausgenossen theilten zu Recht, dass die Aigen-
schafft (das Grundeigenthum) zu Obermoxstadt, Niedermoxstadt und
Hegheim dem Stifte und Probste, die Vogtei daselbst aber einem
Herrn von Limpurg gehöre, und dass dieser dafür mancherlei Ab-
gaben, Dienste und Leistungen zu empfangen habe, aber auch das
Stift und dessen Landsiedel beschirmen und ein Richter des Stifts
in seinem Gerichte sein solle, so oft es Noth thue. Auch habe das
Stift zehen freie Huben zu Obermoxstadt und der Probst seinen Hof
zu Niedermoxstadt mit dem Rechte, dass wer auf Gnade sich dahin
flüchte, es sei wegen Todtschlags oder irgend einer andern Schuld,
nicht mit Gericht oder sonsten angegriffen werden dürfe, sondern
eine Meile Wegs weit von dannen geleitet werden solle, mit Hülfe
des Herrn von Limpurg, wenn es nöthig wäre. Dass jedoch dies
Vogtei-VerhaUtnisB dem Stifte nicht immer von besonderm Vortheil
gewesen, zeigt die Urkunde desselben Herrn Gerlach vom Jahre
1364. Denn das Stift wurde dadurch auch an den Fehden betheiligt,
in welche sein Vogt verwickelt war, und muss grade zu Herrn
Gerlach's Zeiten hart mitgenommen worden sein. Wenigstens lässt
sich aus der Urkunde schliessen, dass die Kirche und das Stift zer-
stört worden war und dessbalb eines Neubaues bedurfte. Da« Ver-
sprechen des Herrn Gerlach, das Stift bei seinen alten Hechten und
Freiheiten zu lassen, wie man sie ihm zu den ungebotenen Dingen
unter den vier Schirnen zu Obermoxstadt (wohl derselbe Ort, den
das Weisthum als Spielhaus bezeichnet) theile, und diese Gerichte
zu hegen und zu beschirmen, war übrigens wohl die Veranlassung
zu dem vorerwähnten im folgenden Jahre geschöpften Weisthum.
Noch ungünstiger scheint sich die Lage gestaltet zu haben, als 1405
Herr Johann von Limburg, den der Erzbischof von Mainz 1400 mit
Digitized by Google
— 487 —
der Vogtei belieben hatte, sein Schloss und Gericht Staden an Johann
von Isenburg, Herrn zu Büdingen, die Burg Friedberg und 17 Ritter
verkaufte und diesen Ganerben auch die Gerichte und Dörfer Ober-
moxstadt, Niedermoxstadt und Hegheim mit allen Zubehörungen
ttberliess. Denn dieser Gesammtheit gegenüber musste es dem Stifte
schwer fallen, sich bei seinen Rechten zu halten und von deren Fehden
unberührt zu bleiben. Merkwürdig ist die Urkunde vom Jahr 1400
(feria VI. post festem annunc. Mariae), in welcher die Ganerben
festsetzen, zu welchen Theilen sie an dem genannten Schloss und
den Gerichten berechtigt sein sollen. (Scriba Reg. 1943.) Herrn
Johann von Isenburg gehört ein Viertel, ein anderes der Burg Fried-
berg, Ydel Weiss von Fauerbach, Johann von Stockheim, Eberhard
Weiss und Conrad Weiss, und zwar so, dass die drei Letztgenannten
die eine Hälfte dieses Viertels besitzen, an der andern Hälfte die
Burg Friedberg drei Theile, Ydel Weiss einen Theil hat. Das dritte
Viertel gehört Conrad von Carben, Gilbrecht Weiss von Fauerbach,
Johann und Werner von Stockheim, dergestalt dass Conrad hieran
die Hälfte, den andern drei die andere Hälfte zukommt und
hieran wieder Gilbrecht Weiss so viel hat als die zwei andern.
In das letzte Viertel endlich theilen sich „nach marzalu Conrad von
Cleen, Eberhard Low von Steinfurt, Mengoz von Düdelsheim, Henne
von Cleen, Eppich von Cleen, Heinrich von Buches, Ludwig Weiss
von Fauerbach, Hermann von Buches, Jorg und Henne Vogt von
Vilbel. Stirbt einer der Betheiligten und hinterlässt keinen Manns-
stamm, so sollen nicht Töchter erben, sondern die nächsten Gan-
erben den erledigten Theil an sich nehmen. Namens der Ganerben
aber wird noch in demselben Jahre 1405 der Ritter „Eitelweiß" von
Fanerbach von dem Mainzer Erzbischofe mit Ober- und Nieder-
moxstadt und Hegheim als rechtem Mannlehen beliehen. (In gleicher
Weise erhielt noch -1607 Adam Eberhard von Carben dasselbe
Lehen.) Hiernach waren auch die Vogtei -Rechte der Herren von
Limpurg auf die Ganerben übergegangen und diese hatten damit
ebenso die Schirmpflicht des Stifts übernommen. Obwohl aber das
Letztere sich alsbald nach diesem Verkaufe mit den Ganerben in
dieser Hinsicht zu einigen suchte, so kam es doch in kurzer Zeit zu
so heftigen Streitigkeiten, dass das Stift die Granerben gegen Basel
citirte und die Erkennung des Banns über sie erwirkte. Erst im
Jahre 1407 gelang es dem Erzbischof Dietrich von Mainz einen
Vergleich zwischen beiden Theilen zu vermitteln und es geht aus
demselben hervor, dass die Ganerben nicht nur die Kirche und die
Güter des Stifts arg geschädigt, sondern namentlich dessen „Stein-
Digitized by Google
- 488 -
haus" zu Moxstadt zerstört hatten. Es muss dies ein burgartiges
Gebäude gewesen sein, welches sich die Stiftaherren zu ihrer Sicher-
heit mitten unter dem fehdelustigen Adel erbaut hatten, denn es
wurde bei der Gestattung des Wiederaufbaut ausdrücklich bedungen,
dass es nicht so fest werden solle, um dem benachbarten Schlosa
Staden gefährlich zu werden. Auf lange hinaus war jedoch dem
Stifte damit die Buhe nicht gesichert Es fehlen zwar Nachrichten
über die einzelnen Vorfälle, aber es lag in . der Natur der Dinge,
dass ein friedliches Verhältniss zwischen Raubrittern und einem zu kräf-
tigem Widerstande unfähigen Stifte nicht dauernd bestehen konnte.
So beschloss das Stift 1435, wegen der steten Bedrängniss und Ver-
gewaltigung durch die Ganerben an geistlichem Gerichte Becht zu
suchen und 1508 kam es zu dem Entschlüsse, wegen der häufigen
Beraubungen durch die Stadener Bitter seinen Sitz an einen anderen
sichereren Ort zu verlegen. Dieses Vorhaben scheint damals nicht in
Ausführung gekommen zu sein, als aber im Laufe des 16. Jahrhun-
derts die Beformation unter dem besondern Schutze der Ganerben
in den Stiftsdörfern Eingang fand, begab sich das Stift nach Frank-
furt und fand hier Aufnahme im St Leonhards-Stift. Das Jahr, in
welchem dies geschehen, lässt sich nicht angeben, doch wird die
Uebersiedlung wohl kurz vor 1580 und jedenfalls muss sie vor 1585
stattgefunden haben. Denn 1579 fand in Frankfurt der Angriff auf den
Dechanten Bromsack statt und 1585 wurde der s. g. Steinheimer
Vertrag von dem Erzbischofe von Mainz mit den Ganerben abgc*
schlössen. In demselben wurde dieAenderung der Religion zugelassen
und die Anstellung eines protestantischen Pfarrers zu Moxstadt ge-
stattet, von dem Stifte und dessen Bechten aber nichts gesagt: sed
in hac transactione nulla fit mentio capituli aut juris ejusdem, wie
sich ein späterer Bericht ausdrückt. Seine Güter und Gefälle hatte
das Stift behalten und dass es hieran im Laufe -der Jahre, namentlich
in den Zeiten des dreissigj ährigen Kriegs, grossen Verlust erlitt,
ergibt ein 1643 unter der Ueberschrift: Status miserrimus ecclesiae
Moxst. gefertigtes Verzeichniss seiner Einkünfte. Später, als bei der
Theilung des Gerichts Staden zwischen Isenburg und den übrigen
Ganerben die drei s. g. Stiftsdörfer an Isenburg- Büdingen kamen
(1662, durch den kaiserl. Commissionsspruch , Büsching IIL 3033,
Scriba 3113), entstanden neue Streitigkeiten mit diesem Hause
wegen Einziehung der Gefälle. Eine um 1700 gemachte Aufzeich-
nung, „notae circa statum ecclesiae Moxst. breves" gibt von der da-
maligen Lage des Stiftes eine trübe Schilderung. Es heisst hier :
Bekannt ist es, in welchen Stand bei Veränderung der Religion
Digitized by Google
- 489 —
gemeldetes Stift, nach und nach bis auf den Steinheimer Vertrag
gesetzt worden. Bekannt sind seine Leiden im dreissigjährigen Kriege,
bekannt die seit ungefähr 1660 zwischen dem Stift und den Stadener
Ganerben, nachher Isenburg obgewalteten jetzt durch Erzbischof
Lothar Franz verglichenen Verdrießlichkeiten: so ist das Stift herun-
ter gekommen, es hat zur Erhaltung des unkatholischen Pfarrers und
Schulmeisters zu Moxstadt (denn religio catholica ist eliminirt nach
Massgabe des anni decretorii) den grossen und kleinen Zehnten
zurückgelassen, auch seine Grundzinsen cediren müssen; es ist ihm
zwar ein Stticklcin katholischen exercitii gelassen, mit der Auflage
in der Kirche eine Separatmaucr aufzuführen, dahinter den Altar,
den Lättner (oder Männer-Bien) und die Beichtstühle zu haben, aber
es muss ein Priester gesucht werden um die Kirche zu halten, denn
an dem Ort darf keiner wohnen; seinen Gottesdienst hält das Stift
alliier zu Frankfurt ad S. Leonardum und muss in subsidium cerae
etc. Zahlung leisten. So war denn in den letzten Zeiten das Stift
Moxstadt eigentlich nur dem Namen nach vorlianden; die übrig
gebliebenen Einkünfte scheinen zumeist dazu gedient zu haben, um
durch Verleihung der Präbenden das Einkommen anderweitiger
Pfründen - Inhaber zu verbessern. Es hatte sich überlebt und unbe-
achtet, wie es zuletzt bestanden, ging es unter.
Das alte Siegel des Stifts zeigt einen sitzenden Probst mit
Stab und Buch, das jüngere den heiligen Martin. Es sind noch
die drei Originalstempel im hiesigen Archive vorhanden. Das grössere
Siegel führt die Umschrift: S. Conventus Ecclesie Sti. Martini in
Moxstat. Die beiden anderen kleineren haben die Umschrift: Sigil-
lum capituli Ecclesie colleg. Moxstadiensis. Die letzteren stammen, wie
die Form der Buchstaben zeigt, nicht aus derselben Zeit: sie wurden
ad causas, zu weltlichen Geschäften benutzt (vergl. Reg. 37) und der
häufige Gebrauch oder der Umstand, dass die Siegel einmal dem
Erzbischofe von Mainz eingehändigt worden, scheint die Fertigung
des jüngeren Siegels veranlasst zu haben.
Reges ten.
(Die mit t bezeichneten Urkunden sind in latein. Sprache abgefasst.)
1 1220. XIII Kai. Jun. (20. Mai). Ernst Sifrid von Mainz verfugt in
(1.) Betracht der geringen Mittel der Kirche zu Moxstadt, das«
nach dem Tode oder der Resignation eines Bruders (d. h.
eines Canonicus) die Einkünfte des folgenden Jahres der
Kirchenfabrik zufallen sollen, bis die Kirche vollendet sei
Baur Urk. III. 1513.
Digitized by Google
- 490 -
fl269 Rupertus von Heyderscheim schenkt mit s. Ehe-
(2.) gattin Hedwig als Seelgerette seine Güter in Holtzassen der
Kirche in M. [Cop. auf Papier.]
f ca. 1260— 1286. (s. die et anno.) Gerlach von Limpurg und seine Ge-
(3.) malin gestatten dem Gebhardus Prime von Staden den Ver-
kauf ihrer Güter in Moxstadt
Gerlacus de Limpurg et Meina uxor ejus tenore presentium re-
cognosctmus et publice profitemus quod de bona volnntate per-
mittiinus et consentimus quod Gebhardus dictus Prime de Staden
vendidit bona nostra sita in Mukestat que fuerunt ilarmudi dicti
Schimere nomine proprietatis. In cujus rei tcstimonium bas literas
dcdimus sigüli noetri rouoimine roboratas. Huius rei teste* Wolra-
mus scultetus de Frankenvort. Marcholfus de Nasen. Heinricus de
Hazegeystein.
f 1266. Die Brüder Conrad, Hermann und Walter von Lybesberg
(4.) verkaufen ihr Gut in Aldenstadt dem Heinrich von Bleichen-
bach, einem Canonicus zu Moxstadt. Diöc. Mog. UI. 231.
Scriba 567.
f 1275. Idus Dec. Tragbodo von Eisenbach, Probst zu Moxstadt,
(5.) und Canon, zu Mainz, «übergibt dem Decanate der Kirche zu
M. alle Aecker der Blasius - Kapelle daselbst mit dem anstos-
senden Baumgarten. D. M. III. 229. Scr. 652.
f 1275. Erzb. Werner von Mainz befiehlt dem Dccane zu Moxstadt,
(6.) alle Güter und Einkünfte der M. Kirche zwischen sich und
seinen Concanonikern gleichheitlich zu theilen. D. M. UI. 229.
Scr. 654.
f 1275. Derselbe bestimmt, dass nach dem Ableben des zeitigen
(7.) Decans Gottfried der von demselben bewohnte Hof mit allen
zu seiner Prftbende gehörigen Aeckern und Wiesen fortan
zum Decanate gehören solle, ausgenommen die Zehnten und
Güter in llolzsassen, welche gleichheitlich zwischen dem
Decane und den Canonikern zu theilen seien. D. M. 1U. 229.
Scr. 655.
f 1275. Derselbe bestätigt die obige Verfügung des Probstcs Trag-
(8.) bodo, seines Kapellans. D. M. III. 230. Scr. 652.
f 1277. VI Id. Jan. (8. Juni.) Die Brüder Heinrich und Bertram
(9.) von Bleychcnbach, Canoniker zu Moxstadt, schenken der
Kirche daselbst verschiedene Zinsen zu Ranstat und Wolfar-
teshusen, damit das Licht in derselben reichlicher unterhalten
werde. JoannisBer.Mog. H.894. Scriba671. Baurill 1551.
f 1277. VI Id. Jan. Diosclben schenken dieser Kirche zum Seelen-
(10.) gerette alle ihre Güter in Aldenstat
Digitized by Google
- 491 -
t 1277. III Non. Apr. Der Dekan Gotrridus in M. schenkt seine
(11.) Güter in Holtaassen als Seelgerette der Kirche in M. fCop.
auf Papier.J
f 1277. V Non. Jul Erzb. Werner von Mainz verfugt in Betracht
(12.) der geringen Personenzahl des Stifts, dass nur den anwesen-
den Canonikcrn die Einkünfte ihrer Präbenden gegeben
werden sollen. D. M. III. 231. Scr. 676.
f 1284. III Kai. Aug. Gerlacus dominus de Limpurg genehmigt in
(13.) seinem und seines Sohnes Johannes Namen den Verkauf des
Zehntens in Hegeheim , welchen Rudolfas civis Geylinhusensis
als ein Lehen des Gerlach seither besessen hatte, an die
M. Kirche.
f 1289. III Kai. Mart. (27. Febr.) Der Moxst. Dekan Ger. beur-
(14.) kündet, dass er die Güter in Aldenstadt, welche er mit
seinem verstorbenen Bruder H. gekauft und der Kirche in
M. schon längst übergeben habe, unter gewissen Bedingungen
in die Hände des Canonicus Heinrich genannt Moyn für das
Stift resignirt habe. Unter den Zeugen wird auch Frater
Theodoricus dictus Hacho, also ein Moxst Canonicus, mit
aufgeführt. Bauer III. 1560. (In einer Abschrift heisst der
Dekan Bertram und ist sonder Zweifel der 1277 mit s. Bru-
der Heinrich vorkommende Bertram von Bleichenbach.)
f 1289. IH Kai. Mart Die Brüder und Canoniker der Kirche in
(15.) M. beurkunden diese Schenkung.
1299. IV Non. Apr. Die Richter zu Mainz beurkunden in einem
(16.) Rechtsstreit deB Decans und Capitels zu Moxstadt gegen die
Brüder Heinrich und Conrad von Waldradehusin , betreffend
eine von deren Vetter Eberhard dem Stifte gemachte Schen-
kung von drei Maltern Getraide, in welcher Webe die
darüber abgehörten Zeugen, darunter der Moxst. Canonicus
Bertram von Bleychenbacb, ausgesagt haben. D. M. III. 232.
Scr. 880.
1302. In festo Barth. Sifrid von Solms, Probst zu M. und Cano-
(17.) nicus zu Mainz, überträgt den zur Probstei gehörigen Wald
dem Decan und ganzen Capitel zu M. D. M. III. 233.
Scr. 911.
1 1307. IH. infra octav. nativ. Mariae. Liebhardus und seine Ver-
(18.) wandte Guda von Rodcheym entsagen allen Rechten an die
bei Ober -Moxstadt gelegenen Güter, welche Harbordus einst
den Canonikern der Kirche zu M. geschenkt hat
Digitized by Google
— 492
1307. Cathed. Der Edelknecht Henrich Lorbachir verkauft dem
(19.) Stifte zu M. seine Grundstücke daselbst (Cop. auf Papier).
f 1308. Cal. Jul. Erzb. Peter von Mainz bekennt den edeln Mann
(20.) Job. von Limpurg mit der Vogtei in Ober- und Nieder-
Moxstadt beliehen zu haben. (Cop.)
Nos Petras d. g. S. Mogunt sedis archiep. sacri imperii per Oer-
maniam archicancellarius recoguoscimus tenore praesentiam, publice
profitentee, nos oobili viro Joanni de Lynburg Advocatiam in su-
periore at inferiori Moxstadt ac in villa Heegheimb cum suis per-
tinentiia jaribus et honoribas et attineotiis universis, quatenos nos
et ecclesiam nostram contingit sicut idem Joannes a nostris praede-
cesaoribus babuit, contulisse titulo feudal i de qua sibi sub nostrarum
praesentiam testimonio literarum veram warandiam facimus ut te-
nemur. Datum in villa Anno dorn. 1308 Cal. Jul.
1313 am .12. Tage. Heinrich von Dorheim verständigt sich mit
(21.) dem Mugstater Capitel und entsagt allen Forderungen an
dasselbe.
f 1326. H Kai. Junii. Der Abt Heinrich von Fulda tritt Güter in
(22.) Rode, Wolfartshusen , Ranstadt, Huchilheim und Wecking-
scheim an die Kirche zu M. ab.
1333. Sonntag vor Cristisdage. Die drei Gebrüder von Bleychen-
(23.) bach verkaufen dem Stifte zu M. all ihr Gut zu Ober-
Moxstadt
1335. Fer. H. post asc. dorn. Die Gattin des Friedrich Dugel von
(24.) Merodde verkauft dem Stift zu M. einen Korngulden zu
WilliniresBaßscn.
1335. dominica Cant. Die geistliche Jungfr. Gerdrud von Clen
(26.) verkauft dem Stifte zu M. einen Korngulden zu grossen
Aldenstad.
1336. Donnerstag vor Allerheiligen. Conrad, Johann und Bertram
(26.) von Bleychenbach verkaufen dem Decan und Capitel zu M.
alle Güter in Hoenheim um 29 Mark leichter Pfennige, deren
man zwei für drei Haller zählt D. M. HI. 234. Scr. 1282.
cfr. Reg. Boica VII. 164.
1343. Urbani. Der Edelknecht Heynrich von Langitte verzichtet
(27.) zu Gunsten des Stifts zu M. auf all sein Gut in Rode bei
Ranstadt.
1344. Valent. Das Stift zu M. gibt dem Edelknecht Henrich Lor-
(28.) bacher sein Gut zu Wolfartiahusen in Erbpacht.
Digitized by Google
1345. Petri. Erklärung des Gerlach Monich über das Seelgerette
(29.) (Weingarten zu Dodilsheim), welches Wernher Struch dem Stift
M. gegeben hatte. (Ist Transfix eines undatirten Briefs des
Ritters Dile von Beldirsheim über diese Weingärten.)
1345. am Sende nach Johanni. Aussage der Anverwandten des
(30.) W. Struches über das Seelgerette desselben beim M. Stifte.
1 1345. Dienstag vor Purif. Mar. Johann von Hegeheim Dechant des
(31.) M. Stifts, bekennt dass er für seinen Todesfall genannte
Grundstücke der Pfarrei zu Hegeheim gegeben habe.
1346. Tag nach dem 18. Tage. Hermann von Wertdorf und Andere
(32.) vergleichen sich mit dem Stifte zu M.
1348. Fer. II ante Phil, et Jacob. Der Edelknecht Lorbecher bekundet,
(33.) dass das M. Stift ihm das Gut zu Wolfarteshusin in Erb-
pacht gegeben habe.
1363. Samstag vor dem 12. Tag. Durch Vermittlung des Ritters
(34.) Johan von Buches und des Heinrich Moyn verzichtet Hein-
rich Laufstedir von Hegeheim auf ein Gut daselbst zu Gun-
Bten des M. Stifts.
1354. H Id. Jan. Erzb. Gerlach von Mainz eximirt den Schola-
(35.) sticus und Can. Gerlach von Butzbach zu Moxstadt von s.
persönlichen Dienstleistung daselbst. Würdtwein nota subs.
dipl. V. praef. Nr. 22. Scr. 1481.
i" 1354. Antonii. Päbstliche Commissare entheben das M. Stift von
(36.) der Excommunication und andern Strafen, denen dasselbe
wegen Ungehorsams gegen päbstliche Anordnungen unter-
worfen worden war.
f 1355. XI Kai. Maj. Conrad von Hockler Dechant, Gerlach von
(37.) Budisbach Scholaster und der ganze Convent verpachten eine
curia des Stifts. (Angehängt ist des Stifts kleineres Siegel,
genannt Sigillum ad causas.)
1357. In festo Kath. virg. X)er Edelknecht Heinrich Lorbechir,
(38.) seine Frau und Kinder verkaufen mit gesammter Hand dem
Dechant und Capitel zu M. ihre Güter zu Ober-Moxstadt um
27 Pfund Heller. D. M. HI. 234. Scr. 152a
1360. In festo S. Briccii confess. Wyenher Habermann et uxor
(39.) Gela verkaufen Herrn Heinrich von Else Dechant und dem
Stifte zu M. den achtel Korngeldes ewiger und jährlicher
Guide aus ihrem Gute zu Nieder-Moxstadt. Herr Gerlach
von Lympurg ist Siegler. (Abschrift von 1452, beglaubigt
von Henne von Echzel, dessen Siegel aufgedrückt ist.)
- 494 -
1361. Miseric. dorn. Schiedsrichterspruch des Ritters Conrad Behefan
(40. ) von Morle in dem Streit des Wigand von dem Baches mit dem
11 Capitel über ein Gut zu Hegeheim.
1364. Galli. Gerlach Herr zu Lympurg ersetzt dem M. Stifte den
(41.) in seinen Kriegen erlittenen Schaden dadurch, dass er ihm
seine alten Freiheiten verbürgt.
Wir Gerlacus Herr za Lympurg and wir Else sein ehel. Haus
frau thun kund . . ., wenn die ehrsamen Herrn Dechant und Ca-
pitel und das Stift gemeinlich zu M. grossen Schaden und Verlust
empfangen haben in unaerem Kriege, hierumb zu ergetzen und zu
erstatten sie ihres Schadens und Verluste, so han wir ihnen diese
Gnad und Freundschaft gethan, also hernach geschrieben stehet,
mit Nahmen :
So sollen wir Ihnen und Ihrem vorg. Stift lassen alle ihre Frey-
heit und Recht alß sie von alten gehabt han bei unsern Vorfahren
und Eltern, mit Nahmen alß man Ihnen theylet zu den nngebodten
Dingen unter den 4 schirnen zu Obermoxstadt und Bollen wir und
uosere Amptleuthe von unsern wegen die vorg. ungebodtoo Ding
hegen und beschirmen ernstiglich und getreulich.
Auch sollen wir Ihnen die Kirche und Stift daselbst zu Mörstadt
widerthun und reichen so wir aller erst mögen ohne Arglist.
Vortmehr so sollen wir bestellen an die zu Obermoxstadt und
die darzu halten, dass sie dem vorg. Stift die Wey dt die da heiast
das alaß und die obere Haag die die Nachbarn zu Ober-Moxstadt
mit ihnen gemein hat, dass die Nachbarn ihnen die zumahleu lassen
12 Jahre lang die allererst nach einander kommen, ohnmittel zu
dem Baw des vorg. Stifts.
Vortmehr so sollen wir bestellen und die Nachbarn zn Ober-
Moxstadt darzu halten, dass sie ihnen das newe Hauß reumen und
daruß thun was sie darin hant, dass die vorg. Herren ihr Gemach
zu ihrer Notturft darin haben mögen.
[Zur Urkunde siegeln die Aussteller.]
Datum A. D. 1364 ipso die S. Galli confessoria.
f 1366. XIV cal. Maj. Der Kardiualpriester Pileus bestätigt dem
(42.) Decan und Kapitel zu M. ihre Indulgentien, Statuten und Gewohn-
heiten. Reg. Boica IX. 120. Scr. 1600.
1365. 15. Mai. Weisthum über die Gerechtsame der Herren von
(43.) Limburg und des Stifts zu M. in dem Gerichte Ober- und
Niedermoxstadt und Hegeheim. Grimm Weistb. III. 43ö.
Scr. 1602.
1366. Feria V infra octavas 1. paschae. Johannes Herr zu Lym-
(44.) purg bestätigt den Brief seines Bruders Gerlach und dessen
Ehefrau Else, den Gott gnade, unter s. Siegel.
Digitized by Google
- 495 —
1366. in die b. Valent Die Burgmannen und Schöffen zu Staden
(45.) als gewillkührte Richter entscheiden die Zwistigkeiten des
Stifts M. mit Henzen Hasensteybe wegen eines Landsiedel-
guts. Der zweite der Streitpunkte betruft das WympÜ, das
die Herren des Stifts sich gearbeitet haben und wegen dessen
abgeredet war, dass man ihnen oder ihren Landsiedel, die
das Wympil halten, keinen Schaden zufügen solle. Die Sieg-
ler waren die Edelknechte "Wolf von Burgbach und Ulrich
Krug, deren Siegel noch anhängen.
1378. Fer. HI. p. Pasche. Mentzer Grefe von Assinheym legt als
(46.) Obmann den Streit zwischen dem M. Stifte und dessen Land-
sidem in Hegehaym und Mozstadt bei.
1 1380. 1. Mai. Notariats-Instrument, wonach das M. Stift gegen das
(47.) von Erzb. Ludwig von Mainz wider dasselbe eingehaltene
Verfahren protestirt und sich die Appellation an den Papst
vorbehält
1387. Thymothei. Heinrich von Hutzenrode gibt als Seelgerette
(48.) dem M. Stifte das Gut zti Wolffershusen, welches des alten
Thymen Gut heisst.
1 1390. Dom. Exaudi (29. Mai). Hermann erzb. Generalvicar zu Mainz
(49.) weiht die Kapelle auf dem Felde zu M. zu Ehren der h.
Katharina und des h. Donat Joannis B. Mog. H. 906.
Scr. 1810. 4662.
1400. Der Erzb. von Mainz ernennt Johann von Limpurg zum Vogt
(50.) in Moxstadt und Hegheim. (Copie.)
1405. Fer. IV ante Valent. Mart. (11. Febr.) Johann Herr zu Lim-
(61.) purg und seine Gemalin Hildegart von Sarwerden verkaufen
an Sibold Low von Steinfurt, Eberhard Weis von Fauerbach,
Eppechin von Cleen und Henne von Stockheim Schloss und Stadt
Staden mit den Gerichten und Dörfern Ober-Moxstadt, Nie-
der-Moxstadt, Heegheim u. s. w. Ysenb. Succ. Hecht. Beil. 1.
Scr. 1938.
1405. Fer. IV post Val. (18. Febr.) Abt Joh. v. Fuld willigt in
(62.) den Verkauf des Schlosses und der Stadt Staden von Seiten
Johannes Herrn von Limpurg an Johann von Isenburg-
Büdingen, Burg Friedberg und 17 benannte Ganerben.
Ysenb. Succ. B. BeiL 5. Schannat client. Fuld. N. 155. Scr. 1941.
1405. Fer. IV post Valentini. Erzb. Jobann von Mainz verleiht
(63.) Ober- u. Nieder-Moxstadt sowie Hegheim zu rechtem Mann-
lehen dem Eytelweiss von Fauerbach, Bitter, an Stelle der
Ganerben von Staden,
Digitized by Google
- 496 -
1405. Primum post diem St. Valentini. Das M. Stift und die Gan-
(64.) erben erklären sich über den Kauf Stadens durch die Letz-
teren und deren Pflichten gegen das Stift
1407. Freitag post divisionem apost. Erzb. Dietrich von Mainz be-
(65.) urkundet zu Aschaffenburg den zwischen Probst, Dechant und
Capitel des Stifts M. und den Ganerben zu Staden durch ihn
vermittelten Vergleich.
Der Vergleich betrifft im Wesentlichen folgende Punkte:
1) Der Schaden, den die Ganerben dem Stift an der Kirche, dem
Steinhause, dem Dorfe und seinen Landsiedeln getiian haben, soll
zur Entscheidung stehen bei Dietber von Ysenburg Herrn zu
Büdingen und Helwig zu Poppard, des Erzb. Richter zu Höchst.
Die Ganerben dürfen das Stift am Aufbau des Steinhauses nicht
hindern, doch soll es nicht so fest werden, dass es dem Scbloss
Staden schädlich wäre.
2) Die Ganerben sollen das Stift bei den Freiheiten lassen, die es
bei ihren Vorfahren, den Herren von Limpurg gehabt und nament-
lich das nngebotten Ding unter den vier Scharren zu Ober Mögen-
Stadt hegen und schirmen, auch die Schöffen nicht an ihrem
Woissthum hindern.
3) Ob die zwei Wälde, der Buchwald, den die Mogenstädter ihre
Mark und die Gancrbcn die Stadter Atla nennen , end der Rein-
hardt-Winkel, sowie die Wiesen dem Stifte gehören, sollen die
geistlichen Gerichte entscheiden.
4) Das weggenommene Heu sollen die Ganerben vergüten.
5) Die Zwietracht, welche bisher bestanden und wegen deren die
Ganerben gen Basel citirt und zu Bann gebracht sind, soll be-
endigt sein.
1429. Sabb. ante Invocavit. Vergleich zwischen dem M. Stift und
(56.) Jungfr. Eathar. Stumpen in Betreff eines Ackers.
1432. For. II. ante Symon. et Judae. Genante Männer bescheinigen,
(67.) dass sie in den letzten 40 Jahren den Zehnten von einem
Hegheimer Acker von dem Stifte M. gepachtet und erhoben
haben.
1433. Judica. Diether von Isenburg Herr zu Büdingen entscheidet
(58.) einen Zwist des M. Stifte mit Erwin Metzeler von Ortinberg
zu Büdingen wegen des von beiden Theilen in Anspruch ge-
nommenen Zehntens von einem Hegeheimer Acker.
1435. Empf. Mariä. Das Stift zu M. beachliesst wegen der steten
(69.) Bedrängniss und Vergewaltigung, welche die Gan erben zu
Staden ihm und seinen Landsideln zufügen, an geistlichem
Gerichte Recht zu suchen und zu diesem Zwecke einträchtig
beisammen zu stehen.
1437. Vergleich des M. Stifts mit den Ganerben zu Staden
(60.) über den Bau in Mörstadt
Digitized by Google
497
1438. Verzichtbrief zweier Leute auf den Anspruch von 4
(61.) Achtel Korn, welchen sie an das Stift gemacht hatten.
1456. Vertrag zwischen Gerlach von Ryneberg und dem M.
(62.) Vicar Johann Gobel über Wiesen zu Nieder-M.
1462. Erbleihbrief Uber den Pfarrhof zu M.
(63.)
1467. Leihebrief über Grundstücke uf der Holtzsassen.
(64.)
1468. Freitag nach Kreutzerhöhung. Ansprache und Schuldigung
(65.) des Stifts zu M. zu den Nachgeburn und Mennern zu Ranstat
von des Zehends wegen der Hube die man nennet die pfaffen hübe.
(Auf diesen Streit beziehen sich noch mehrere andere Urkunden.)
1469. Die Pfarrer zu Rodenbach, Oberauwe und Höst und
(66.) der Kaplan zu St. Kathar. in Lintheim verkaufen dem M.
Stift eine halbe Hube Selegeretes Land zu Huchelnheim,
welche sie von dem verst. Ritter Johann von Buches her be-
sessen haben. (Das Siegel des Eberhard von Buches hängt an.)
1478. Freitag nach Margar. Erzb. Diether von Mainz beurkundet,
(67.) dass ihm Cristian Gansse, Probst, Dechant und Capitel St. Martins
zu Moxst ein deutsches Instrument ad vid. vorgelegt habe,
welches seinem ganzen Umfange nach inserirt ist (Es ist das
Weisthum von 1365.)
1479. Katharina. Das M. Stift verleiht an Godtfryts Heintz ein
(68.) Grundstück.
- 1481. Remigii. Verzeichniss der Abgaben von des Stifts Hof zu
(69.) Sondellyngen.
1495. Ausspruch des Mainzer geistl. Gerichts gegen das weltl.
(70.) Gericht zu Staden, btrf. gewisse dem M. Stift zugehörigen
Grundstücke und Gefälle in M. und Holtzsassen.
f!503. 23. Jan. Der Erzb. von Mainz beauftragt den Dekan der
(71.) Peterskirche in Fritzlar mit einer Untersuchung in dem Pro-
cesse über födus matrimonii.
f 1507. — — Dekan, Scholaster und 3 Kanoniker des M. Stifts be-
(72.) stellen sich einen Procurator im Streite mit ihrem Probate
wegen der Gefälle in Holtzsassen. (Notar-Instrument)
f 1508. 10. Nov. Das M. Stift beschliesst wegen seiner öfteren Be-
(73.) raubung durch Stadener Ritter und Andere, seinen Sitz in
einen andern befestigten Ort zu verlegen. (Not-Instr.)
1 1515. — — Bestellung von Procuratoren in Betreff der preces pri-
(74.) mariae des Erzb. Albrecht von Mainz und der in Folge da-
von auf den Pastor in Dauernheim übertragenen Provision.
39
Digitized by Google
^98
f 1519. 21. Juni. Jacob Furster wird znm Notarius et tabellio publi-
■ (75.) cub und judex Ordinarius ernannt.
1 1520. 23. Juli. Der geistl. Vicar Theodorius (Zabel verleiht dem
(76.) Donatus Weber aliter Boler, dem Sohne eines Presbyter,
die Dispensation zur Erlangung geistlicher Aemter und
Würden.
1520. Antonii Abbatis. Der Scholasticus des Stifts M. Johann Mauss,
(77.) verkauft einen Wiederkaufsgulden auf seinem Hofe in Alden-
stat an den Pfarrherrn und Altaristen der Friedbergcr Pfarr-
kirche.
1527. Lüne post regum. Der Probst Georg Laur schreibt aus Cöln
(78.) an Jodocus Lochmann Vicar des Frankf. Liebfrauenstifts, sich
beklagend und Masnregeln drohend, weil gewisse Leute in M.
ihm das Seinige vergeudet haben.
f 1528. Michaelis. Das M. Stift bevollmächtigt einen Canonicus, seine
(79.) Gerechtigkeit und Nutzung an dem hubischen Gerichte und
Fautei zu Sondelingen dem Herrn von Königstein zu ver-
f 1528. 1. Weinmonat. Protocoil einer Gerichtssitzung zu Sondelingen,
(80.) in welchem die Gefalle und Rechte des M. Stifts daselbst
bestimmt und dem Herrn von Königstein abgetreten werden.
1531. 17. Juni. Der M. Probst Georg Laur quittirt den Empfang
(81.) gewisser Gelder vom M. Capitel und von Spyer von Seiten
des in Mentz studirenden Johan Agricola sonst Cochley (?)
genannt.
1532. Non. Hart. Ein Ungenannter in Cöln gratulirt dem Decan
(82.) wegen des von Johannes Cochläus erhaltenen Deeanate und
entsagt einer Vicarie des St. Barthol. Stifts in Frankfurt,
indem er zu bewirken bittet, dass diese der Unterkelner Key»
ner, Famulus des Moxst. Probstes in Cöln, erhalte.
1533. Samstag nach Barth. Der M- Probst Georg Laur in Cöln
(83.) schreibt an Philipp Weis von Fauerbach, Baumeister zu Sta-
den, dass er seinen Moxst. Probstei-Zehnten noch langer an
ihn und Johann Soder verleihen wolle.
1551. Freitag nach Remin. Die Baumeister des Schlosses Staden
(84.) machen den Leuten zu Mörstadt und Hegeheim bekannt, wie
viele Pferde, Schafe, Kühe und Kälber jeder von ihnen halten
dürfe und setzen Strafen an für die Beschädiger oder Be-
atebier von Wiesen und Gärten.
l Digitized I
* QQ
1552. Mich. Dechant u. Scholaster des M. Stifts treten eine Prä-
(86.) bende Behausung ab, damit dieselbe als Scholasterie-Haus
diene und die alte verfallene Scholasterie in einen Lustgarten
des Stifts verwandelt werde.
1553. Inr. Steph. Henne Seyp Schultheiss zu Obermoxstadt bittet
(86.) den Erzb. von Mainz, seinen zwei Söhnen, deren einer Ca-
nonicus zu M. ist, ein besseres Einkommen zu verschaffen.
(Der Erzb. schreibt am 7. August an das Stift, dieser Bitte
zu willfahren.)
1556. 29. Jan. Erzb. Daniel von Mainz schreibt dem M. Stift, dass
(87.) er dem Wolfgang Wellen eine dortige Präbende bestimme,
f 1557. 28. Decbr. Der Decan des M. Stifts Joh. Merckel ertheilt
(88.) dem Nie. Heyl von Niedermoxstadt eine Präbende.
1559. Samstag nach Quasimodogen. Der Dechant Joh. Merckel
(89.) fordert den Scholasticus Joh. Bromsack und den Vicar Hein-
rich Brom sack in einem Schreiben auf, die Kirchengeschäfte
zu verrichten und die Religions-Neuerung abzuwehren.
1559. Dom. V. Trin. Der Dechant J. Merckel und der Scholasticus
(90 ) J. Bromsack Ubersenden aus besondern Gründen das Stifts-
siegel und einige handschriftl. Bücher dem Erzb. von Mainz.
1573. 27. April. Die Gemeinde Ranstat fordert das M. Stift, sein
(91.) dortiges Einkommen zur Türken -Schätzung zu verschätzen.
1574. Johanni. Das M. Stift gibt seinen grossen Hof zu Nieder-M.
(92.) an Ludwig Bredhauger in Erbpacht.
1579. 11. Mai. Das M. Stift bittet die Ganerben von Staden um
(93.) Schutz gegen Phil. Werner Bucher von Staden, welcher in
Frankfurt den Dechanten Joh. Bromsack mit dem Schwerte
angegriffen hat.
1585. 18. Januar. Der Erzb. von Mainz vergleicht sich mit den
(94.) Ganerben der Burg Staden wegen der in Moxstadt und
anderwärts angenommenen Augsburger Confession. (Der s. g.
Steinheimer Vertrag.)
1587. 3. Nov. Der Erzb. von Mainz befiehlt dem Canon.Weißbrodt, das
(96.) in seinen Händen befindliche Verzeichniss der Einkünfte des
M. Stifts an die erzb. Canzlei abzuliefern.
(um 1590.) .... Wolfsbach, Vicar des Frankf. Barth. Stifts,
(96.) bittet den päbstlichen Nuntius um das Moxst Decanat.
1592. 30. Septbr. Quittung des Ysenburgischen Amtmanns über
(97.) das vom Stifte M. bezalte Schutzgeld von 1584—1592.
32*
Digitized by Google
1601. 5. Janr. Der Erzb. von Mainz schreibt an den Dechanten
(98.) des Frankf. Barth. Stifts, um sich über die Gläubigkeit
des zum M. Canonicus ernannten Petrus Schrainck zu
erkundigen.
1603. 16. März. Der Erzb. von Mainz erlaubt dem M. Stuft ein
(99.) Anlehen von 1000 Gulden aufzunehmen.
1607. 22. Oct. Aschaff. Erzb. Joh. Schweickhart von Mainz leiht
(100.) dem Adam Eberhard vonCarben die Güter zu Moxstadt und
Hegheim, wie sie Eytel weil* 1405 zu Lehen empfangen habe.
1608. 22. Juni. Erbleihbrief über die Holtzässen und das Glock-
(101.) geländt
1610. 11. Juni Das M. Stift nimmt den Canonicus des Frankf.
(102.) Liebfraustifts Jodocus Asslerus zum Canon, auf und dieser
leistet den Eid«
1 1612. Margar. Erneuerung der Statuten des M. Stifts.
(103.)
f 1624. 5. Decbr. Der Dechant des M. Stifts schreibt an den Probst
(104.) und empfiehlt ihm die Bitte der Moxst Colonen, sich ftlr
ihre Kriegserleichterung bei Tilly zu verwenden.
1624. Der Dechant des M. Stifts publicirt einen Schutzbrief
(105.) des Kaisers von 1623 bei den Kriegsunruhen.
1627. 13 December. Der M. Probst schreibt an das Ka-
(106.) pitel bezüglich des Schutzes der Colonen gegen Ein-
quartierung.
1628. 26. Jul. Das M. Stift ersucht den kais. Hofkriegsrathpraei-
(107.) denten um ein Sauvegarde- Schreiben ftlr sich und sein
Eigenthum.
1633. 14. Febr. Die schwedische Regierung zu Mainz setzt den
(108.) bisherigen schwedischen Verwalter des Stifts M. ab und
ernennt den Ludwig Adolf Krugk an dessen Stelle.
1634. 12. Juli. Die k. schwedischen Räthe zu Mainz schreiben an
(109.) L. A. Krugk in Betreff der Anmassungen des M. Stifts-
dechanten.
1634 Der M. Dechant bittet die schwedische Regierung im
(110.) ober- und niederrheinischen Kreise, seine Gerechtigkeiten in
M. anzuerkennen und zu schützen. [In einem gleichzeitigen
Schreiben rechtfertigt er sich bei der schwed. Regierung
wegen des Vorwurfs, sich Rechte in M. angemaßt zu haben.]
1649. 13. Mai. Die mainz. Visitatores Cleri zu Frankfurt erlassen
(111.) einen Befehl wegen der im Leonhards und Moxst Stift zu
Fr. eingerissenen MisubrÄuche.
Digitized by Google
- 501 -
1658. 16. Decbr. Die erzb. Regierung zu Mainz schreibt an den
(112.) Dechanten in M. bezüglich der Begehwerden des Stifts über
den Grafen von Isenburg und Büdingen,
f 1683. 6. Septbr. Der Mainzer geistliche Vicar befiehlt dem Stift,
(113.) dem als Pfarrer in Schwanheim meistens abwesenden Cano-
nicum Henr. Preusser seinen Antheil an den Gefallen doch
su verabfolgen.
1686. 23. Febr. Das Capitel zu M. schreibt an den Probst bezllgl.
(114.) der Jurisdiction in den 3 Stiftsdörfern.
1690. 22. Oct Bericht des Job. Wilh. Weber an die erzb. Regie-
(115.) rung in Mainz wegen des Nichtvorhandenseins von Schult-
heiss, Gericht und Gefangniss in den 3 Stiftsdörfern.
1706. 8. Juni Die Ganerben des Gerichts Staden vergleichen sich
(116.) mit der Probstei M. wegen der Administration des probsteil.
Hofs zu Nieder -M. sowie wegen der übrigen Güter der
Probstei zu Ober- und Nieder- M. und Heegheim. Ysenb.
Succ. 44. Scr. 3155.
1706. 8. Sept Vertrag des Stifts mit den Stadener Ganerben
(117.) wegen der 3 Dörfer.
1706. 15. Sept. Vergleich zwischen Churmainz und den Ganerben
(118.) zu Staden, kraft dessen Ersteres den Letzteren das jus
collectandi über die Stift M. Gilter zu Ober- und Nieder-
Mox8t. und Heegheim zu Lehen reicht Vertheid. Eigenth.
der Ganerben zu Staden. Beil. 61. Scr. 3159.
L Verzeichniss der Pr obste des Moxstadter Stifte.
1275. Tragbodo von Eisenbach Reg. 5. 8.
1302. Sifrid von Solmisse. Beg. 17.
1435. Conrad Buwe.
1478. Christian Ganße. Beg. 67.
1527. Georg Laur. Beg. 78. 81. 83.
1594. Georg Erstenberger.
1618. Wilh. Dielrich von Dhaun.
1627. Anton Waldbot von Bassenheim.
1647. Job. Ulrich von Andlaw.
1650. Peter Schickius.
Digitized by Google
— 502 —
1672. Andreas Birnbcck.
1675. Daniel Lenx.
1683. Emmerich von Bobenheim
1707. Phil. Carl Freiherr von Eitz, 1(5. Aug. vom Pabst Cle-
mens XI. ernannt
1710. Dominicua Lorengus, erhält die Probate i vom Pabst.
1730. Hugo Franz Carl Freiherr von Eitz, wird vom Pabst
Clemens XII. zum Coadjutor des Probates Phil. Carl
von Eitz ernannt
1765. Heinrich Wilhelm von Harff.
1781. Friedrich Franz Freiherr von Harff, vom Erzb. von
Mainz ernannt
IL Verzeichniss der Dechanten des Moxstadter Stifts.
1275. Gottfried. Reg. 7. 11.
1289. Bertram von Bleychenbach. Reg. 15.
1345. Johann von Hegehein. Reg. 31.
1355. Conrad von Hockler. Reg. 37.
1360 Heinrich von Else. Reg. 39.
1365. Hermann.
1435. Johann Eckardi.
1479. Erbinus Lantfoydt.
1506. Peter Isenberg.
1524. Johann Dop.
1553. Peter Rauhe.
1557. Joh. Merckel. Reg. 88.
1561. Joh. (Fabri, genannt) Bromsack. Reg. 93. (bis 1588)
1594. War das Decanat vacant: II. Schurer, L. Hamm an und
S. WeiUbrodt sind die von dem Erzb. von Mainz er-
nannten Directoren des Stifts.
1603. Laur. Haroman.
1605. Heinr. Schurer, f 17. Aug. 1611.
1611. Joh. Ludwig von Hagen, f 16- Sept 1654.
1658. Joh. Kempf.
1667. Joh. Breuning.
1686. Balth. SartoriuB (am 10. üct vom Erzb. von Mainz er-
nannt).
Digitized by Google
— 50a -
1720. Nie. Martinengo, f 1729.
1729. Job. Paul Xaver von Heck (vom Pabst Benedict XIII.
ernannt) f 1754.
1754. Heinrich Peter Cunibert (21. Decbr. vom Erzb. von
Mainz ernannt) f 1765.
1765. Andr. Bernli. Brozzendörfer. (Seine Wahl wird vom
Pabst bestätigt).
1775. Aegidius von Lohr.
1792. Carl Hieron. Kolborn.
Digitized by Google
Anselesenheiten der reforniirten Gemeindeu
nach den
Protocollen des lutherischen Predigenniiiisteriums.
(Ergänzung zu Archiv II. 8. 246.)
MitgetbeUt von Pfarrer Basae.
1747 Montag den 24. April theilte Herr Senior Walther dem
Ministerium mit, dass er, Coli. Stark, Schlosser und Schmidt der Ein-
ladung des Herrn Consist-Directors Schöffen Textor gemäss im Römer
erschienen seien, wo ihnen in Anwesenheit der Herren Skabini v.
Schweitzer, v. Lersner und Lucius mitgetheilt worden, dass die Re-
formirten bei der hohen Reichsversammlung einen favorablen Scbluss
vor sich zu erlangen, die beste Hoffnung haben, es komme also jetzt
darauf an, ob man sich auf die justitia causae verlassen oder die re-
gulas prudentiaeet consilii vorziehen, aus zweien Uebeln das geringste
wählen, sofort die Vorschläge, wie gütlich aus der Sache zu kommen,
anhören, darüber deliberiren, aber doch alles blos sub spe rati, et
salva ratificatione amplissimi senatus besorgen wolle. Uebrigens sei
ein leiblicher Eid zu leisten, die Sache geheim zu halten. Auf die
sehr detaillirte Mittheilung antwortete das Ministerium am 26. April
dem Senat:
Es überlasse der Klugheit und Liebe des Senates zum jetzigen
und künftigen Vaterlande, wann l)kein anderer Weg mehr zu hoffen
und wann 2) die bürgerlichen Collegien einstimmten, die Vorschläge»
wie gütlich aus der Sache zu kommen, anzuhören, auch alsdann zu
prüfen, ob die extremitas zu erwarten, oder amicabilis compositio zu
erwählen sei
Diese Antwort überreichte der Senior am 29. April dem Skabi-
nat und man fand dort, dass des Ministern Gedanken vernünftig und
theologisch abgefasst seien.
Digitized by Google
Am 7. August berief der Senior das Ministerium, um ihm mit-
zutheilen, dass am 4. August eine grosse Bathsdeputation zusaramen-
getreten sei,
[bestehend aus :
Textor, Lersner, Lucius, Schneider, Dr. Moors aus dem Senat,
v. Fichard und v. Kellner von Limpurg,
v. Uffenbach und v. Morenhelm von Frauenstein,
Nicolai, Schmid und Firncrantz von den 51ern,
Walther und Stark aus dem Ministerium,
Thilen, Kumpel und Gladbach von den Graduirten,
Bischof und Diehl von den Neunern],
in welcher mitgetheilt worden, der Rath habe den Reform irten eine
Gegenerklärung aufsetzen lassen, wolle aber, damit nichts einseitig
geschehe, zuvor die Gesellschaften abhören, ob sie mit dem Rathe
einer Meinung seien. Um sich Uber die Sache äussern zu können,
wurden den Collegien die verschiedenen Schriftstücke eingehändigt
und zwar :
Die erste Schrift der Reformirten. Darin theilen die 2
reformirten Gemeinden mit, dass der Reichshofrath und Reichskonvent
ihre Angelegenheit instruirt habe, sie also Hofihung hätten, zu dem
geruhigen Genusa ihres Gottesdienstes binnen dieser Stadt zu ge-
langen. Zu diesem Zwecke wünschen sie, durch eine aus ihrer
Mitte gewählte Commission die Angelegenheit mit den zustehenden Be-
hörden gütlich zu vermitteln.
[Friedrich de NeufVille. Rud. Passavant Christ Ziegler.
Jak. Passavant Carl Behagel. Jean de Bary. Pierre Bri-
villier. J. N. d'Orville. Georg Leerse.]
Die andere Schrift der Reformirten enthält die Bitte
um Erlaubniss innerhalb der Stadtmauer eine Kirche zu bauen, um
darin nicht nur Predigt und Abendmahl, sondern auch die anderen
Amtshandlungen etc., Kindtaufen und Kopulationen halten zu dürfen.
Dafür erbieten sie sich:
1) die Kirche auf eigne Kosten erbauen zu lassen;
2) dem luth. Ministerium als Entschädigung für den Ausfall des
Honorars für Taufen und Kopulationen fl. 15,000 in die
Wittwenkasse zu zahlen;
3) auf Raths-Stellen und Stadtbedienungen eidlich zu renon-
ciren ;
4) die Jurisdiction des luth. Consistoriums allezeit anzuerkennen
und sich selbst den Namens Consistorii nicht zu bedienen:
— DUO —
5) für die Erlaubnis« des Kirchenbau's 50,000 Thlr. in das Aerar
zu bezahlen.
Die dritte Schrift der Reformirten gibt die Motive an,
warum sie den Vorschlag, ihre Kirche vor die Stadt zu bauen und
die Kopulationen und Kindtaufen fernerhin von den luth. Geistlichen
vornehmen zu lassen, nicht annehmen können, denn
1) wäre diese« Temperament ihren Gerechtsamen und ihren
günstigen Aussichten entgegen;
2) würde es durch Annahme eines solchen Temperamentes von
der Willkühr des vor denen Thoren sich aufhaltenden Zigeu-
ner und liederlichen, auch durch eine Kirche sich gemeiniglich
herbeiziehenden Bettler-Gesindels lediglich abhängen, unsere
neu zu erbauende Kirche stehen zu lassen, sie sich mithin
auf die Ausübung ihres Gottesdienstes, und darinnen nicht
gestöhrt zu werden, weder bei Friedens- am allerwenigsten
bei Kriegszeiten sicheren Staat machen können, zumalen uns
die traurige Erfahrung allbereit gelehret, dass die von Einem
Hochedlen Magistrat ihnen vor dem Thor zu bauen erlaubte
Kirche schon einmal durch Mordbrenner in Staub und Asche
gelegt worden, und die täglichen Exempel vor Augen liegen,
dass auch selbst die Gärten von denen Mitgliedern Eines
hochedlen Magistrats vor dem Frevel dergl. Gesindels bis auf
diese Stunde noch nicht verschont geblieben;
3) weilen alte, kranke und schwächliche Personen, Schwangere
und Säugende ihren Gottesdienst auszuüben sich verhindert
sehen würden, in dem erstere denen üblen Witterungen sich
nicht exponiren, letztere aber die durch eine Kirche sich her-
beiziehende auch gemeiniglich sehr monströsen Bettler anzu-
sehen, ihnen nicht zuzumuthen;
4) würde das liederliche Gesindel bei Nacht die Kirch'e eröffnen,
darin allerlei Bubenstücke ausüben, und solche zu einer
Mörder- und Diebsgrubc machen; auch würde das Gesinde
und die bei ihnen in Condition stehenden jungen Leute, unter
dem Vorwande Gottes Haus zu besuchen, auf die herumliegen-
den Dörfer laufen und schändliche, der hiesigen Bepublik
höchst nachtheilige Handlungen ausüben;
5) würden die Meisten genöthigt werden zum Nachtbeil der
Einzler und Lohnkutscher sich Kutschen und Pferde zu halten,
wodurch ihnen nicht nur grosse Ausgaben, sondern auch
darum Schaden geschähe, weil die Pferde im Freien halten
raussten ;
Digitized by Google
- 507
6) würden bei einem während des Gottesdiensten ausbrechenden
Brande viele Tausend Menschen der Stadt beim Löschen
entzogen, ausserdem aber viel böses und liederliches Gesindel
sich mit den von ihrem Gottesdienste zurückkehrenden Men-
schen über die Brücke her ein schleichen, wodurch diese Stadt
sich von Mordbrennern, Schelmen und Diebsgesindel auch bei
Pestzeiten vor inficirten Personen niemalen sicher stellen
könnte;
7) würden bei der wegen eines begangenen Mordes oder Dieb-
stählen erfolgten Schliessung der Thore die ihren Gottesdienst
abgewarteten oder denselben abzuwarten intentirenden Per-
sonen aus der Stadt heraus oder hineinzugehen sich verhindert
sehen;
8) würden die meisten Potentaten und Reichsstände meinen, die
Reformirten hiesiger Stadt verdienten die Liebe der Obrigkeit
nicht, da sie doch ohne Ruhm melden können, dass sie ihre
Bürgerpflichten treulich erfüllen;
9) würde bei einem jähen Ueberfalle des Gottesdienstes eine
geschwinde Hülfe nicht geleistet werden können, sondern
man müsste die Ueberfallenen ohne Hülfe dahin sterben
las Ben.
Aus diesen Gründen bitten sie, ihnen eine favorable Resolution
über ihre am 17. Juli cur. eingereichten Vorschlage zu geben.
Das vierte Schriftstück, die „Magistratische Gegenerklä-
rung" beruft sich auf die bei der Wahl Carl's VII. gewährten Zu-
geständnisse, vor den Thoren unter deren Kanonen ihre Kirche
bauen zu dürfen, sieht nicht ab, warum die Reformirten jetzt ein
Mehreres fordern, und ertheilt die Resolution,
1) dass er gestatten wolle an einem abgelegenen Orte innerhalb
der Stadt eine Kirche für beyde Gemeinden zu erbauen,
welche niemals erweitert werden dürfe;
2 — 4) diese Kirche aus eignen Mitteln zu erbauen und weder
mit Thurm noch Glocken zu versehen;
5) die Trauungen wie bisher von den luth. Geistlichen, dagegen
die Taufen von den ref. Predigern vollziehen zu lassen;
6) Proklamationen in den luth. Kirchen vorzunehmen ;
7) keine Schule zu errichten;
8) das luth. Consistorium anzuerkennen ;
Digitized by Google
- 508 -
9) nicht mehr als zwei deutsche und zwei französische Prediger
anzustellen, welche als Bürger oder Beisassen zu allen I^asten
herbeizuziehen sind, ftlr welche Gnade die Summe von 100,000
Rthlr. zu entrichten;
10) bei Streitigkeiten zwischen der Gemeinde und den Predigern
entscheide der Rath oder eine theol. Fakultät;
11) auf alle städtischen Aemter zu verzichten. (12 — 14 un-
wesentlich.)
Das fünfte Stück, „des Ministerii erfordertes Beden-
ken', spricht aus:
1) seine Verwunderung, dass die Reformirten eine runde Bitte
vorbringen, die Kirche innerhalb der Stadtmauern haben
zu wollen. Desshalb sei es
2) dem Ministerium bedenklich, dass die Reformirten dieses Ge-
such als Fundament friedlicher Beilegung vorausfordern.
3) Die Nachwelt würde die Beschwernisse, welche aus dieser
Nachgiebigkeit entspringen, schwer beseufzen und den Rath
sowohl als die bürgerlichen Collegien wegen Mangels nöthig
gewesener Klugheit beschuldigen.
4) Also könne das durch diese Umstände sehr bekümmerte Mi-
nisterium sein bejahendes Wort nicht geben, denn
a) die ehemaligen Bedenken gelten noch fort ;
b) die Nachgiebigkeit wäre strafbare Menschenfurcht in Folge
deren betrübte bürgerliche Unruhen auszubrechen schei-
nen, welche die gesammte Verfassung wankend machen
dürften.
c) die Einwohner der Stadt würden durch das erleichterte
Behören der reform. Predigt in Zweifel, Irrungen und
Zerrüttungen gesetzt;
d) das Anerbieten 10,000 fl. in die Wittwen-Kasse zu geben
zur Ersetzung der bisher genossenen Accidentien von den
Taufen und Kopulationen ist betrübt und empfindlich und
macht das Ministerium völlig furchtsam; denn nicht der
nicht leicht zu missende Ausfall betrübt sie, sondern die
Lästerung der künftigen Welt, dass sie um schändlichen
Eigennutzes willen gehandelt und ihre vieljährigen Actus
ministeriales vor Geld verkauft hätten.
Die oben erwähnte zusagende Bestimmung des Rath es vom Au-
gust wurde aber durch die Bemühung der Neuner und 51er unter
dem Vorwande hintertrieben, man könne den Reformirten, ohne die 14
Digitized by Goog
Quartiere, d. h. die ganze Bürgerschaft zu befragen, keine Kirche
in der Stadt zugestehen ; desshalb berief der Rath am 15. November
die Deputationen des Raths, der Gesellschaften Frauenstein und Lim-
burg, der 51er, des Ministeriums, der Graduirten und der Neuner
wieder zusammen, wo man sich denn dahin einigte, es solle den Re-
formirten gestattet werden, dass sie auf einem ihnen gratis zu über-
lassenden Platze vor den Thoren, nach dem Exempel der Stadt
Nürnberg, eine Kirche, wie sie solche Anno 1601 gehabt, aufbauen
dürften.
Als den Ref. Gemeinden diese Antwort am 17. Nov. mitgetheilt
worden, wenden sie sich klagend an das Corpus Evangelicorum in
Regensburg, stellen die Sachlage klar und bestimmt dar und bitten
um Hülfe. Das Corpus las das Gesuch am 23. Dec. 1747 vor und
beschloss, eilig zu beschliessen , eine Estaffettc, jedoch auf Kosten
der Impetranten, zu versenden. Wirklich wurde an demselben Tage
ein Benehmungsschreiben des Corpus an den Rath abgeschickt.
Darin wundert sich das Corpus, dass der Rath eine Kirche ausser-
halb der Stadt zu bauen gestatte, aber innerhalb verbiete. Es
wäre ausnehmend ohnverantwortlich, wenn|ein bloses Nichtwollen,
welches man niemals mit soliden Rationibus wird zu unterstützen
vermögen, wider tiefere Einsicht das gemeine Wesen periklitiren
sollte; räth an, die angefangenen Vergleichs-Traktaten fortzusetzen,
dass den Reformirten innerhalb der Stadt eine Kirche zu Theil
werde.
[Unterschrieben von Chur-Sachsen, Brandenburg, Braunschweig ;
von den fürstlichen Ständen: Magdeburg, Bremen, Sachsen-
Gotha, Altenburg, Weimar - Eisenach , Brandenburg - Culm-
bach, Onoitzbach, Braunschweig-Zelle, Braunschweig-Calenberg,
Br.-Grubenhagen, Br.- Wolfenbüttel. Halberstadt, Vehrden, Vor*
Pommern, Hinter-Pommern, Württemberg, Holstein-Glücks tadt,
Hessen-Cassel, Hessen-Darmstadt, Baden-Durlach, Baden-Hoch-
berg, Sachsen-Lauenburg, Minden, Anhalt, Henneberg, Schwerin,
Camin, Ratzeburg, Hirschfeld, Mümpelgard, Nassau-Hadamar
und Siegen, Nassau-Dillenburg nnd Dietz, Ostfriesland, Grafen
v. d. Wetterau, Fränkische, Westphälische. Von Rheinischer
Bank, Lübeck, Bremen, Oberländische Bank : Heilbronn, Landau.
In Summa 43 ]
Dieses wohlgemeinte Schreiben brachte die Estaffette schon am
25. Dec. 1747 nach Frankfurt, worauf der Rath umgehend dem chur-
mainzischen Directorial-Residenten Freiherrn von Lincker und Lützen-
wirk in RegenBburg ein Gesuch um Aufschub des geforderten Eni-
scheidcB auf 2 Monate einreichte. Derselbe beantwortet dieses Ge-
such unter dem 2. Januar 1748, dasa er die Bitte billig finde, der
Rath möge aber den Aufschub benutzen, die Sache endlich zum Ver-
gleich zu bringen, sich auch keine Mühe geben, die von den Refor-
mirten beschickten Höfe auch zu beschicken, um dieselben gegen die
Reformirten umzustimmen, was keinen Erfolg haben dürfte.
Der Rath übergab die beiden Schreiben von Regensburg dem
Ministerium sofort zur Begutachtung. Dieses antwortete am 10. Ja-
nuar, es sehe so viele betrübte Folgen dieser Sache in unsrer Stadt,
Religion und Freiheit mit Zittern und Beben voraus, dass es in
gläubigem Vertrauen auf die Hülfe und Gnade Gottes lieber, was
für ein harter Schluss aus uns noch zur Zeit ganz unbekannten
Gründen unter Gottes Zulassung diese Stadt betreffen werde, er-
warten, als zu einer bedenklichen Veränderung selbst die Hand bie-
ten und dadurch uns bei den Nachkommen den Verdacht ent-
weder eines Eigennutzes oder einer Unachtsamkeit aufladen wollen.
Mittlerweile war der Syndikus von Löen von Raths wegen nach
Regensburg geschickt worden und der Rath theilte dessen Bericht
dem Ministerium am 22. Mai 1748 mit Herr von Löen beschuldigt
darin zunächst die Reformirten, sie hätten den Rath in Regensburg
anzuschwärzen gesucht; die Kaiserlichen Gesandten hätten die Sache
nicht als eine religiöse, sondern als eine rein politische betrachtet;
bei seinen Visiten seien sämmtliche Gesandten der Meinung gewesen,
das Reichsgutachten werde gegen den Rath ausfallen, denn die
Neuner und 51er hätten sich auf die Oeconomica zu beschränken, in
Kirchensachen aber nichts zu sagen; und die Stimmen gingen aile-
sammt dahin, dass der Rath zur Nachgiebigkeit sieb entBchliessen
solle, ja der Kaiser eröffnete dem Herrn von Löen selbst, er solle
den Rath bestimmen, den Reformirten zu willfahren.
Während des Jahres 1749 ruhte die Angelegenheit, aber am
2. Febr. 1750 berief Senior Fresenius einen Extrakonvent, um dem
Ministerium mitzutheilen, da»s Kayserl. Majestät Franz I. ein sehr
ernstliches Rescript vom 16. Juni 1750 an den Rath habe ergehen
lassen, darin er denselben vermahnt, den Reformirten den Kirchenbau
in der Stadt zu erlauben, denn hierdurch sei der Weg zu einem
noch bessern Commerzium auch ausserhalb des Reiches gebahnt und
droht, er werde der weiteren gleichsam zur Gewohnheit werden
wollenden Widersetzlichkeit die behörigen Schranken setzen oder
andere Mittel aus Kais. Macht fürkehren. Auf Antrag des Seniors
äusserte dagegen das Ministerium an den Rath, dass sie zwar voll
christlicher Liebe gegen die Reformirten seien, ihr Gesuch aber
Digitized by Google
- 511 -
gegen das inviolable Reichsgrundgesetz des Westphülischen Friedens
offenbar streite. Es bittet den Rath, auf dem bisherigen Weg der
Standhaföglceit zu verbleiben, erinnert desshalb an die vielen Un-
ruhen, welche die Reformirten, seitdem sie in der Stadt sind, dem
Rath gemacht haben, wie sie die heil. Religion verunglimpft, wie
die Wohlfahrt der evangelischen Bürgerschaft gekränkt werden
würde und schliesst mit Versicherung seiner Ergebenheit gegeo den
Kaiser und den Rath. (10 Folioseiten.)
Das Schreiben des Ministeriums wurde vom Rath so beifällig
aufgenommen, dass der Senior am 9. Februar abermals einen Con-
vent berief, welcher seine Bitte um Standhaftigkeit gegen die Re-
formirteu wiederholte. Die grosse Gefahr, welche der Evangelischen
Gemeinde drohe, gebe ihnen den Muth schon wieder zu schreiben
und zu erklären, dass der Rath ohne Verletzung der Gewissen in
den Bau der Kirche nicht einwilligen könne, denn das Gewissen
kann nicht zugeben, dass man das Eigenthum eines Dritten ohne
dessen Bewilligung verschenke; sie rathen an, dem Kaiser nicht zu
gehorchen, zumal ja derselbe den Weg des beschworenen Rechtes
nicht verlassen werde, vertrauen übrigens Gott, dass derselbe dem
Rechten beistehen und des Kaisers Herz lenken werde.
Dem Gutachten des Ministeriums schlössen sich die 51er und
Neuner am 3. Februar dahin an, dass sie den Rath baten, sich von
der Bürgerschaft nicht zu trennen, da ja der Kaiser 1749 erklärt
habe, die Stadt nicht zwingen zu wollen, und versprechen, dass die
Bürgerschaft dem Rath alle Begebnisse standhaft tragen helfen
werde. Auch die sämmtlichen Oberoffiziere nebst der ganzen luthe-
rischen und katholischen Bürgerschaft schlieasen sich durch eine
Eingabe vom 5. Febr. 1750 dieser Ansicht an, „damit das von der
andern Seite ausser der mindesten rechtlichen Befugniss stehende
Begehren abgewendet und der gesammten Evangelisch-lutherischen
und Katholischen Bürgerschaft der sonst imminirende äiiBserste Ruin
verhütet sein möchte*
Von da an scheint in der Angelegenheit dem luth. Ministerium
nichts mehr zugekommen zu sein, wenigstens findet sich in den Pro-
tokollen bis 1756 kein Wort mehr davon.
(Dr* Weitere findet sich Archiv II. S. 808.)
Digitized by Google
Die Auflösung des Grossherzogthums Frankfurt
Ein geschichtlicher Rückblick auf die beiden letzten Monate des Jahres 1813.
Von Dr. Wilh. P. C. Stricker.
Es war den französischen und primatischen Behörden gelungen,
bis zum 27. October die Unfälle der grossen Armee der Bürgerschaft
von Frankfurt zu verheimlichen. Erst an diesem Tage erlebte mau
eine officielle Aeusserang der Furcht vor einem Angriff, indem der
General Preval, welcher mit 3 — 4000 Mann die Stadt besetzt hielt,
die beiden Lücken auf der Brücke, welche mit Balken belegt waren,
mit Tagesanbruch abbrechen liess, wodurch der Verkehr zwischen
Frankfurt und Sachsenhausen nur für einzelne Fussgänger möglich
blieb. Der nächste Feind war die auf dem linken Mainufer stehende
Heeresabtheilung des Prinzen Karl von Baiern und des Generals von
Höchberg, welche damals schon zwischen Offenbach und Seligenstadt
stand. Bei ihrem Näherrttcken räumte Preval die Stadt und am 30.
October, Morgens 10 Uhr, zogen, über eine Nothbrticke die Oeff-
nungen der Steinbrücke überschreitend, von Sachsenhausen her, die
Baiern in Frankfurt ein unter lärmendem Jubel, zunächst zwei Rei-
terschwadronen und ein leichtes Bataillon, welchen am Nachmittag
zwei Fussregimenter und eine Batterie folgten. Sie führten eine An-
zahl französische Gefangene mit sich und zogen durch die Stadt auf
das Galgenfeld, während um 2 Uhr Kosaken durch das Friedbergerthor
in die Stadt eindrangen. Die grosse Armee war wie verschollen ;
man wusste weder, welche Richtung sie von Eisenach an eingeschla-
gen, ob sie nicht durch Westfalen (Kurhessen) und Nassau nach Cob-
lenz hin sich gewandt, noch in welchem Zustand des Zusammenhaltes
sie sich befand. Durch den Jubel in der Stadt überhörte man in
dieser Gemüthslage die so nahen Ereignisse bei Hanau (30. Oct) und
war am Morgen des 31. überrascht von der Wahrnehmung, dass die
besser unterrichteten Baiern sich während der Nacht nach Sachsen-
Digitized by Google
— 513 —
hausen zurückgezogen hatten. Am Morgen des 81., eines Sonntags,
näherte der französische Vortrab sich der Stadt, um 11 Uhr waren
die ersten am Thore und bald wälzte sich ein bunter Haufe, meist
Berittene, von der Allerheiligen-Gasse her über die Zeil und weiter
zum Bockenheimer Thor hinaus auf die Strasse nach Mainz Der
Oberstlieutenant der freiwilligen Reiterei, Staatsrath Simon Moritz
von Bethmann, welcher gerade die Wache am Ober- Mainthor
besichtigte, fasste den Plan, durch persönliche Begrüssung des Kaisers
die mit der Einquartierung der zuchtlosen Schaaren unvermeidlichen
Leiden von der Stadt abzuwenden und vermochte den Maire Guiol-
let, Um zu Wagen zu begleiten. Sie trafen den Kaiserin der Mitte
seiner Schaaren nahe an den Riederhöfen. Die nun folgende Scene
geben wir mit den Worten Anton Kirchner's (Ansichten von
Frkf. L 167), der ohne Zweifel von Bethmann selbst die Einzelhei-
ten erfuhr.
„Kaum mit wenigen Worten bei Napoleon beglaubigt, wurde er
von diesem beauftragt, ihn nach seinem (dem Bethmann sehen) Land-
hause am Friedbergerthore zu bringen. Absichtlich wählte drauf der
Führer einen Seitenweg, welcher den Kaiser und seinen Stab an
jener bretternen Ansiedlung vorbeiführte, die für Rechnung der Stadt,
um Tausenden von Verwundeten und Kranken zum letzten Obdache
zu dienen, auf der Pfingstweide erbauet war. Napoleon fragte nach
der Bestimmung dieser Gebäude und trabte, wie er die Antwort ver-
nahm, mit einem: „Ich bin euer Schuldner!" rascher davon.
Mochte dieser Eindruck wirken, oder glaubte der Kaiser bei länge-
rem Weilen die Reste seines Heeres gefährdet, — genug, ergab stren-
gen Befehl, dass ohne seine Erlaubniss keiner der Flüchtlinge, welche
baarfuss und im Kotbe bis über die Knöchel watend, zu Tausenden vorü-
berzogen, in die Stadt gelassen würde. So drängten sich dann diese Un-
glücklichen in dichten Haufen zu den verschlossenen Eingängen hin, die
welken Hände durch das Eisengitter streckend, um von dem Mitleid
der Bürger ein Brod zu erflehen, das ihnen gern gereicht wurde*.
1 Eine am Bockenheimer Thor vergessene bair. Abtheilung wurde von Be-
wohnern der Stadt nach dem Untermainthor gewiesen und dort den dicht
drängenden Verfolgern durch Ueberfahrt Aber den Hain entzogen, welche
Färcher unter den Kugeln des Feindes vollzogen. Der Officier, welcher jene
Abtheilung führte, warder am U.Juni 1865 zu Bamberg verstorbene Gen.-Ltnt
A. von der Mark.
2 Nach den Zeitungen jener Tage kamen, mit Ausnahme der Vorposten,
in die Stadt bloss die Marschälle, Generäle, die Kranken und Verwundeten, die
Equipagen des Kaisers, ein Bataillon Infanterie und die Elttegendarmerie.
33
Digitized by Google
- 514 -
Welchen die Kraft nicht erlaubte, sich vorzudrängen, die sanken
erschöpft nieder und bildeten bald, von der Hand des Todes gemäht,
Schaaren von Leichen. Während selbst im Angesichte des Land-
hauses, wo der Kaiser rastete, die erschöpften Jünglinge sich still nie-
derlegen, im eisernen Schlummer aller Leiden zu vergessen ; während
die Fenster dieses Hauses vom Donner des Geschützes klirren, das
vom diesseitigen Mainufer Tod und Verderben hinüber schleudert;
während die brennende BrUckenmUhle den umflorten Abendhimmel
röthet: erörtert Frankreichs Beherrscher gesetzt und ruhig vor den
Abgeordneten der Stadt die Gründe, die ihn bewogen, den Banke-
rott in seinem Handelsgesetzbuche mit besonderer Strenge zu ahnden.
— Der Herr vom Hause benutzte einen Ruhepunct im Gespräche,
um Schonung von dem Kaiser Air die Stadt und ihre Bewohner zu
erbitten. Er hatte sich früher, aber vergeblich, an den Fürsten von
Neuch&tel gewandt Jetzt stellte er Napoleon selbst mit wenigen,
aber eindringenden Worten vor, wie verderblich für Frankfurt und
wie zwecklos für das französische Heer die Fortsetzung des Geschütz-
feuers sei — BBerthier, faites cesser le feu!u Mit dieser Antwort
war Gut und Blut von Tausenden gerettet. Der Donner schwieg,
und die beruhigende Nacht versöhnte auf Augenblicke die feindseli-
gen Gewalten. Durch das Fürwort desselben Mannes ward der
Polizeimeistcr des Hauptquartiers, Lelorgne d'Ideville, welcher sich
aller auf der Post vorräthigen Briefe bemächtigt hatte, bewogen, sie
un eröffnet zurückzugeben. So wurden Hunderte vor Unruhe und
Verlust geschützt.11 So weit Kirchner.
Wir wenden uns jetzt zu den Vorfallen am Mainstrom, auf
welche in der obigen Erzählung angespielt ist. Die Baiern hatten
nicht nur auf dem Mühlberg eine Batterie aufgefahren, welche ihre
Granaten bis in die Gegend des Allerheiligenthores warf, sondern
auch die beiden Brückenmühlen, die Gallerie der vorspringenden
Pfeiler des Kreuzbugens der Mainbrücke, das deutsche Haus und
andere Gebäude in Sachsenhausen mit Schützen besetzt und auf der
Brücke einige Kanonen aulgefahren und beherrschten auf diese
Weise den Ausgang der Fahrgasse. Die Franzosen fuhren nun eine
Batterie am Ober-Mainthor auf und beschossen von der Seite die
Brücke, steckten auch endlich mit Granaten die östlich an der
Brücke angebaute, zunächst der Stadt Frankfurt liegende der beiden
Mühlen in Brand. Die um sich greifende Feuersbrunst zwang die
_ _
War sonach die innere Stadt vor Verwüstungen ziemlich geschützt, so waren
desto mehr die Gartenhäuser preisgegeben, welche geplündert und deren be-
wegliches Holzwerk in den Wachtfeuern verbrannt wurde.
Digitized by Google
- 515 —
Baiern sich nach Sachsenhausen zurückzuziehen, worauf Napoleon's
obenerwähnter Befehl das Artilleriefeuer veratummen lie8s; ein Ver-
such der Franzosen aber, mit einbrechender Nacht unter dem
Schutze vorgewälzter Fässer der Brücke sich zu bemächtigen, wurde
von den nunmehr am Eingang Sachsenhausen's aufgestellten baieri-
schen Kanonen und von den Schützen in den dortigen Häusern
blutig zurückgewiesen. Am 1. November Morgens begann der
Abzug der französischen Truppen, um Mittag folgte Napoleon, der
am Abend dieses Tages sein Hauptquartier in Höchst aufschlug.
Die Nachhut des französischen Heeres unter dem Marschall Mortier,
Herzog von Treviso, kam am 1. Nov Abends an, zog um die
Stadt, lagerte vor derselben im Freien und setzte am 2. Morgens
ihren Marsch nach Mainz fort. Um 8 Uhr Morgens den 2. Nov.
zogen Cosacken, Österreichische (Meerveldt-Uhlanen und Blanken-
stein-Husaren) und baierische leichte Truppen durch die Stadt gegen
Mainz zu und ereilten vor dem Bockenheimer Thore die Nachhut
der französischen Artillerie, welcher sie mehrere Kanonen abnahmen
Den Tag über dauerten die Durchzüge baierischer und österreichi-'
scher Heerestheile fort. Von 8—11 Uhr waren etwa 30,000 Mann
der bei Hanau erprobten Truppen, einschliesslich der in Sachsen-
liauaen verbliebenen Baiern eingezogen, von sechs Uhr bis Mitter- *
nacht dauerte der Durchmarsch des Vortrabs der grossen (böhmi-
schen) Armee des Fürsten Schwarzenberg in der Stärke von
40—50,000 Mann. Diese ganze Truppenmasse lagerte auf dem
Galgenfeld. Am 3. Nov. kam das Gros des österreichischen Heeres
heran, auch preussische Feld- und Garde-Regimenter und diese wur-
den bei den Bürgern einquartirt. An einzelnen Tagen belief sich
die Einquartirung bis zu 56,000 Mann, also mehr, denn die Bevöl-
kerung der Stadt. Am 4. Nov. Nachmittags traf Fürst Schwarzen-
berg ein und nahm sein Hauptquartier im Belli'schen Hause gegen-
über der Hauptwache. Am 5. gegen Mittag hielt Kaiser Alexander
von Russland seinen Einzug hinter seinen Gardekosaken; ihm nach
führte Grossfürst Constantin die russischen und preussischen Garde-
reiter, welche der Kaiser an der Katharinenkirche an sich vorbei-
defiliren Hess; er nahm dann sein Hauptquartier im v. Schweizeri-
schen Hause (heute Russischer Hof), Grossfürst Constantin im
Englischen Hof. Abends war die Stadt erleuchtet.
Am 6. Novbr., einem Samstag, bildeten früh die preussischen
und russischen Garden und die österreichischen Grenadierbataillone
vom AUerheiligenthore über die Allerheiligonstraase, die Zeil, die
Katharinenpforte, Bleidenstrasse, Neuekräme, den Markt bis zum
83»
Digitized by Google
- 516 -
Dom ein Spalier; die „Geleitsreiter" rückten in Gala aus und von der
Brücke bis zum Recheneigraben waren 64 österreichische, 32 russi-
sche und 8 Frankfurter Kanonen aufgefahren. Es galt den Einzug
des Kaisers Franz zu feiern. Gegen 11 Uhr ritten Kaiser Alexander
und sein Bruder, gefolgt von einer glänzenden Generalität, dem
österreichischen Kaiser entgegen, welchen sie an den Riederhöfen
antrafen. Der prunkende Zug der beiden Kaiser wurde auf der
Rückkehr am Allerheiligentbore, wo ein Zelt aufgeschlagen war,
von einer Deputation des Raths empfangen. Es waren Männer dabei,
welche 1792 über demselben Mann als deutschen Kaiser den Bal-
dachin getragen hatten, dem sie jetzt als österreichischem Kaiser die
Schlüssel der Stadt überreichten. Welcher Wechsel der Dinge lag
zwischen den beiden Jahren! Noch stand an dem Thore „Gross-
herzogthum Frankfurt" angeschrieben als lebendige Mahnung, wie
ungewiss die Zukunft der Stadt sei, welcher einstweilen der Prinz
von Hessen -Homburg als Generalstatthalter vorgesetzt war. Der
Empfang des Kaisers Franz war enthusiastisch; die Kanonen donner-
ten, die Trommeln und die Feldmusik wurden gerührt und darüber
brausten die Vivatrufe und klangen die Töne sämmtlicher Glocken.
Kaiser Franz wohnte zunächst einem feierlichen Te Deum im Dome
bei, besuchte dann den Kaiser Alexander im Schweizerischen Hause
und begab sich schliesslich in den Taxis'schen Palast, wo an dem-
selben Tage grosse Tafel stattfand. Aber noch vorher wurde der
erste Versuch gemacht, etwas licht Uber die dunkle Zukunft der
Stadt zu verbreiten. Bei einer kurzen Audienz, welche die Vorstände
der vierzehn Stadtquartiere, die Bürgercapitäne, mit ihrem Sprecher,
dem Advocaten Dr. Friedrich Sigismund Feyerlein, gegen 4 Uhr
bei Kaiser Franz erlangten, wusste der geschickte Anwalt bei dem
durch den Einzug in seine Krönungsstadt noch angeregten Kaiser
Saiten anzuschlagen, welche auch neben den Erwägungen der Politik
bei der späteren Entscheidung des Schicksals der Stadt nicht ohne
Wirkung geblieben zu sein scheinen. Denn Frankfurt war immer
ein wünschenswerther Besitz gewesen. Hatte 1806 zuerst Hessen-
Darmstadt, dann Baden (durch den Minister von Reitzenstein) in
Paris sich bei dem Protector des Rheinbundes um den Besitz der
Stadt beworben, so war sie jetzt durch einen geheimen Artikel des
Vertrages von Ried sammt dem übrigen Grossherzogthum zur Ent-
schädigung an Baiern für die an Oesterreich zu machenden Gebiets-
abtretungen bestimmt Doch die grosse Menge liess sich von solchen
Sorgen nicht anfechten; sie drängte sich im Theater, wo die Fest-
oper Titus zu patriotischen Kundgebungen für die beiden anwesen-
\
Digitized by Google
— 517 —
den Kaiser benutzt wurde, indem Publius den verbündeten Monar-
chen ein Hoch ausbrachte und Titus selbst das* Lied: „Gott erhalte
Franz den Kaiser" anstimmte. Am Abend war die Stadt aufs
Glänzendste beleuchtet. Am 8. Nov. traf der Kronprinz von Preus-
sen (Friedrich Wilhelm IV.) mit dem Staatskanzler Hardenberg ein
und stieg im Darmstädter Hof ab; am 11. Novbr. kam der GroBB-
herzog Ferdinand von Würzburg an, am 13. die Grossherzoge Karl
Friedrich von Baden und Ludwig von Hessen, und spät am Abend
die Könige Friedrich Wilhelm III. und Max Joseph. Am 15. traf
der Herzog von Nassau und der Fürst Blücher und am 19 der
König von Würtemberg ein, welcher am 2. Nov. eine Allianz mit
den Verbündeten abgeschlossen hatte. Es war ein Fürstencongress,
welcher manche Parallele mit dem fünfzig Jahre später an demsel-
ben Orte gehaltenen anregt. In den Beherrschern von Oesterreich,
Baiern, Hessen- Darm stadt und Nassau und dem Kronprinzen von
Würtemberg waren 1863 fünf Enkel der Monarchen von 1813 hier
anwesend. Dazwischen gingen mancherlei militärische Schauspiele,
deren glänzendstes die grossse Parade war, welche unter Leitung
des Grossfürsten Constantin am Sonntag den 14. Novbr. stattfand
und wobei die Truppen vom Allerheiligenthore bis zum Theaterplatz
aufgestellt waren. Am 16. Novbr. fand ein glänzender Ball statt,
welchen die Casinogesellschaft den verbündeten Monarchen im
Theater veranstaltete. So näherten sich die Wirthe und Gäste immer
mehr einander und besonders populär wurde Friedrich Wilhelm III.,
welchen man jeden Mittag nach der Parade mit seinem Sohne durch
die Schlimm -Mauer vor das Eschenheimer Thor in die Anlagen
gehen sah. Beide trugen einfache Uniformsröcke und an der Mutze
das Landwehrkreuz. Die Einwohner der Strasse grlissten sie und
ein aus Sachsen stammender Bürger und Handwerksmeister konnte
sich nicht enthalten, dem Könige jedesmal zuzurufen: „Schönen
guten Morgen, Majestät, wünsche wohl geruht zu haben!0 worauf
der König immer freundlich dankte.
Betrachten wir aber auch die Rückseite der Zustände 1 Die
Zahl der Einquartierten stieg auf 30,000 - 40,000 Mann, daneben
wurden einzelne Heerhaufen aus den Vorräthen der Stadt verpflegt
und bedeutende Lieferungen für die Zukunft ausgeschrieben. Alle
nur immer entbehrlichen Gebäude, selbst Kirchen und Schulen, waren
Vorraths- und Siechenhäuser geworden. Hospitäler waren errichtet: .
in der Stadt: im deutschen Hause, dem Leinwandhaus, der Wel-
lenscheuer (auf der Altgasse) und der Reitbahn; vor der Stadt
auf der Pfingstweide, dem Fischerfeld, auf dem Sandhof und in dem
Digitiz'ed by Google
- 518 -
SchlÖ8schen zu Bockenheim. Dennoch blieben Tragende von Kran-
ken aus Mangel an Raum in den Bürgerhäusern zurück und ver-
breiteten dort den tödlichen PeststofF. Denn jene schauerliche Seuche,
welcher schon im Sommer Opfer.'gefalleu waren, war jetzt zu einer
Kriegspest geworden, welche einen nicht unbeträchtlichen Theil der
städtischen Bevölkerung wegraffte. Es starben in Frankfurt im
Jahre 1813: 1566 Personen, nämlich im ersten Quartale 230, im
zweiten 323, im ersten Halbjahr also 563; im dritten Quartale 271,
im vierten 742, im zweiten Halbjahr also 1013, davon allein im
November 338, und zwar vom 13. bis 19. November 102; im
December 297. Im Dr. Senckenbergischen Bürgerhospital waren
1812: 299 Kranke aufgenommen und 74 davon gestorben;
1813 stiegen diese Zahlen auf 467 und 100. Im Fremden-
hospital zum heil. Geist wurden 850 Kranke verpflegt, wovon
114 starben. Es starben am Typhus die Aerzte: Scherbius, Physi-
kus, f 8. Nov., J. V. Müller, f 18. Nov., Holtzmann, Physikus,
f 2. Dec., Brumhard, Physikus, f 2a Dec 1813, U. Wagner,
Hospitalarzt, f 5. März 1814.
In dem Hospital, welches auf dem Sandhof in der Art errichtet
war, das* nicht nur der grosse Saal, sondern aus Mangel an Platz
auch die Musiktribüne mit Kranken belegt war, nahm die Sterblich-
keit solche Dimensionen an, dass der behandelnde Arzt, Dr. Neeff,
trotz des rauhen Wetters, die Kranken auf Leiterwägen ins Freie
fahren liess und damit gute Resultate erzielte 3. Im deutschen Hause
war ein russisches Hospital. Unten in den hochgewölbten, mit
Stuckatur verzierten, mit gehöhnten Fussböden versehenen Sälen,
wohin der Kaiser kam, lagen in reinlichen Betten die Kranken der
russischen Garden; oben in den Dachkammern, wohin der Kaiser
nicht kam, lagen auf Stroh die Kranken der Feldregimenter; die
eisernen Oefen waren bis zum Rothglühen geheizt, während durch
die zerbrochenen Scheiben der Wind und der Schnee seinen Weg
fand. Noch trauriger sah es aus auf den nächstgelegenen Dörfern.
Den Landbewohner drückten die Uebel doppelt, unter deren Last
die Bürger seufzten. Der Zustand der Gemeinden war so zerrüttet,
als das Vermögen der Bauern. Für die Besitzer einzelner Güter
3 Es war dies in derselben Zeit, als Emst Horn in den Sälen seiner
' Typhuskranken in der Berliner Charite eigenbändig die Fenster einschlug, weil
er in der reinen Luft das Hauptmittel der Genesung erkannte und sieb doch
nicht auf die Folgsamkeit seiner von Vorurtheilen befangenen Untergebenen
verlassen konnte,
Digitized by Google
- 519 —
und Höfe war das Futterholen eben Kosakenhaufens so schlimm
als eine förmliche Plünderung und nicht ein Hähnchen entkam dem
geübten Auge dieser vielgepriesenen Naturkinder.
„Linderung der Leiden, die im Gefolge dieses Krieges herein-
brachen, soweit solche in den Wirkungskreis der Frauen einschlu-
gen", war der Zweck des in diesen Tagen, nach dem Muster de»
zu Berlin bestehenden, gebildeten, wenn auch erst am 2. Februar
1814 förmlich constituirten Frauenvereins, welcher noch jetzt in
segensreicher, wenngleich anders gearteter, Thätigkeit fortbesteht
Von seiner Gründung bis zum Ende des Jahres 1814 konnte der
Verein an baarem Geld gegen 21,000 fl. und höchst bedeutende
Mengen von Kleidungsstücken, Weisszeug, Bettwerk und Verband-
Leinen spenden und daran nicht nur Frankfurter Freiwillige und
Linientruppen , deutsche und andere Verbündete: Russen, Spanier,
Englander, Italiener, Holländer, Brabanter und Schweizer, sondern
auch Franzosen betheiligen, und noch 4000 fl. den Hospitälern an-
derer deutscher Städte zukommen lassen.
Indessen bereiteten die Fürsten sich vor, Frankfurt zu verlassen,
und so musste noch ein zweiter Sturm auf das Herz des Kaisers
Franz gewagt werde. Es war abermals Feyerlein mit den Bürger-
capitänen, welche diesmal zu längerer Audienz bei dem Kaiser
zugelassen wurden. Feyerlein bemühte sich besonders die Zweifel
des Kaisers, ob Frankfurt auch zu selbständiger Existenz noch die
Mittel besässe, und nicht weniger dessen Bedenken, ob man den
gefährlichen Neuerungen nicht zu sehr zugethan sei, zu widerlegen.
Die neuere Geschichtschreibung hat eine andere Charakteristik des
Kaisers Franz aufgestellt, als die unseren Vätern geläufige und so
ist es uns weniger sicher, als es der vorhergehenden Generation
war, dass Feyerlein'B Rede und Denkschrift mehr als die allgemeine
Abneigung gegen Baierns abermalige Vergrösserung bei der end-
lichen Entscheidung des Schicksals der Stadt in die Waage gefallen
sei; das soll aber das Verdienst des wackeren Sprechers nicht schmä-
lern, dem die Erkältung bei rauher Herbstluft, nachdem er in leich-
ter Hoftracht sich vor dem Kaiser warm gesprochen hatte, eine
Krankheit zuzog, an welcher er um Weihnachten erlag.
An demselben Tag (8. Dec.) erschien ein Generalpardon,
welcher jedem Deserteur und Refractär aus den Departementen
Frankfurt, Fulda und Aschaffenburg des Grossherzogthums Frank-
furt, sowie aus dem Fürstenthum Isenburg, wenn er sich vor dem
1. Januar 1814 bei einer Militär- oder Civilbehörde des Landes, wo
er entwichen ist, stellt, Straflosigkeit zusichert — Auffallend ist,
dass dieser erat am 17. Dec. veröffentlichte Erlass des Generalgou-
verneurs eine so kurze Frist festsetzt, wodurch es bei den damaligen
Verkehrsverhältnissen vielen unmöglich wurde, der angebotenen Ver-
zeihung rechtzeitig theilhaftig zu werdeo.
Ehe die Früchte der Feyerlein'schen Audienz bei Kaiser Franz
zu Tage traten, erließ» der Prinz von Homburg einen Aufruf, in
welchem er des Kaisers Ideengang wiederholte, wie denn die Reac-
tion gegen die Verheissungen von Kaiisch begonnen hatte urid in
dem Franzosenkaiser nicht nur der Eroberer, sondern auch der
Erbe jacobinischerGrunds&tze bekämpft wurde: „Habt ihr", so wen-
dete am 11. December der Prinz sich an die Freiwilligen, „die alte
Treue und den deutschen Sinn bewahrt, bei welchem der ausländi-
sche Schwindelgeist seine Grenzen fand — so eilt und schlieft
euch willig den Schaaren an, welche für das einst so heilig von
euch geachtete Gut: vaterländische Freiheit, Sitte und Verfassung,
muthig in den Kampf eilen und nie die Uebermacht wollen zurück-
kehren lassen, w eiche das alte Volk der Deutschen mit schimpflicher
Knechtschaft und völligem Untergang bedrohte. Ein grosser Waffen-
platz ist ganz Deutschland; für alle Deutschen sind die Schranken
geöffnet, zu erndten Ruhm und unsterbliches Verdienst um das
Vaterland.'4
Am 14. Dec. endlich, kurz vor der Abreise der Monarchen,
erschien die Erklärung derselben, in welcher die demnächstige Ein-
setzung der Stadt Frankfurt in ihre vormaligen Rechte und Frei-
heiten verkündigt wurde.
Am 17. Dec. forderte ein „Organisationsbureau11 der Freiwilligen
im „Generalgouvernement Frankfurt" die bemittelten Glieder der
„Communen" auf, Beiträge zur Ausrüstung der Freiwilligen zu sam-
meln. Man sieht, es war nicht die Zeit des Purismus; die sogenannte
altdeutsche Tracht, die 8Banner" und „Fähnlein" tauchen erst später
hier auf.
Endlich am letzten Tage dieses ereignissvollen Jahres wurde
die Bürgerschaft durch folgende Bekanntmachung von „Bürgermeister
und Rath der freien Stadt Frankfurt" überrascht: „Wenn wir am
19. August 1806 unseren Mitbürgern die traurige Eröflnung machen
mussten, dass ein mächtiger Wille über die freie Verfassung der hie-
sigen Stadt entschieden habe, so mussten wir uns mit dem Gedanken
aufrichten, dass kein Verschulden diess unaufhaltbare Ereignis«
herbeiführe und dass vielleicht das gütige Geschick, welches mensch-
liche Dinge mit wohlthätiger Hand weise lenkt, früher oder später
ein Ziel setzen werde. — Dieser gewünschte Zustand ist jetzt
Digitized by Googl
I
- 521 -
erschienen. — Die Allerhöchsten Verbündeten Mächte haben
beschlossen, dass die hiesige Stadt mit ihrem ehemaligen Gebiete in
ihre eigne städtische Verfassung vorläufig wieder zurücktrete. Heute
halten wir die erste Sitzung u. s. w." Während der Neujahrsnacht
strahlten die Strassen von Frankfurt im Scheine einer glänzenden
Beleuchtung — es war dieselbe Nacht, als Blücher bei Caub über
den Rhein ging und den Verhandlungen, welche den Rhein als
Deutschlands Grenze und jenseits ein übermächtiges Frankreich
wollten, ein thatsächliches Ende bereitete. Diese Verhandlungen
waren seit dem 8. Nov. durch St. Aignan geführt worden und wür-
den bei unverzögerter Annahme der Friedensbedingungen durch
Napoleon die sogenannten natürlichen Grenzen Frankreichs (Rhein,
Alpen, Pyrenäen) zugestanden haben4; sie hatten auch Blücher
abgehalten, schon am 15. Nov. bei Köln über den Rhein zu gehen.
So spielten in jener denkwürdigen Zeit in unserer Stadt die Geschicke
Europas und die Geschicke eines der kleinsten Staaten neben einan-
der und erst der Nachwelt ist es deutlich geworden, welches schwere
Verhängnis« durch Napoleons damalige Verblendung von Deutsch-
land abgewendet worden ist
* Ueber den Gang dieser Verhandlungen verweisen wir auf Schlossers
Gesch. des 18. Jahrhdts. Heidelb. 1848. VII. 1051 ff. 1090 ff.
Digitized by Google
Lorenz Heister,
geb. im Jahr 1683 zu Frankfurt, gest. 1758 in Helmstadt.
Von Dr. Eduard Heyden.
Wenn aus der nicht unbeträchtlichen Anzahl bedeutender Män-
ner auf geistigem Gebiete, die in Frankfurt am Main das Licht der
Welt erblickt haben, der Name eines der ausgezeichnetsten Söhne
dieser Stadt allmälig selbst in gelehrten Kreisen zwar nicht einer
gänzlichen Vergessenheit anheimgefallen, aber doch mehr und mehr
in den Hintergrund des Gedächtnisses getreten ist, so trägt von die-
ser Erscheinung sicherlich weniger die Zeit die Schuld, als vielmehr
der besondere Umstand, dass gerade die wissenschaftlichen Fächer,
in denen jener einst so weithin berühmte Frankfurter vor seinen
gleichzeitigen Berufsgenossen, und nicht etwa nur vor seinen gelehr-
ten deutschen Collegen, glänzend hervorragte, seit der Mitte des vori-
gen Jahrhunderts, wo derselbe vom Schauplatze des irdischen Wir-
kens abtrat, ganz außergewöhnliche, fast riesenhafte Fortschritte
gemacht haben.
Ohne Zweifel ist es als eine der Aufgaben unseres Vereines zu
betrachten, das Andenken an verdienstvolle Männer, welche aus dem
engeren heimathlichen Gebiete hervorgegangen sind, unter Frank
furts Bürgern in dauernder Frische und Lebendigkeit zu erhalten.
Gilt diess im Allgemeinen als richtig, um so gerechtfertigter dürfte
es dann wohl^seinTm gedrängtem Abrisse das Leben und Wirken
eines Mannes wieder zu vergegenwärtigen, welcher einst als „eine
Zierde Deutschlands" und der Wissenschaft zur ehrenvollen Aner-
kennung deutscher Forschung bei allen gebildeten Völkern unseres
Erdtheils mächtig beitrug, um dessen Besitz der grosse Czar Peter I.
mit fürstlichen Pflegern deutscher Hochschulen wetteiferte und den
einer seiner Biographen bei den Lesern seiner Schilderung mit der
Digitized by Google
— 523 -
rühmlichen und erfreulichen Bemerkung einführt, dass ihn — diesen
grossen Beförderer der Arzneikunst, Chirurgie, Anatomie und Bota-
nik — die Reichsstadt Frankfurt hervorgebracht habe.
Es war im Jahr 1784, als zwei berühmte italienische Gelehrte,
beide Professoren zu Pavia, auf einer wissenschaftlichen Reise durch
die angesehensten Länder Europa's in einer norddeutschen Univer-
sitätsstadt an das Grab des Mannes geführt zu werden verlangten,
von dem hier die Rede ist und seit dessen Tode damals bereits sechs
und zwanzig Jahre verflossen waren. Wer kennt nicht die Namen
des grossen Physikers Alessandro Volta und des grossen Anatomen
und Chirurgen Antonio Scarpa ! Als sie an die ersehnte Stätte
kamen, sprach Scarpa zu seinem Begleiter: In genua procidamus!
— Die Stadt, wo dies geschah, war Helmstädt, und das Grab, wo
zwei Koryphäen wissenschaftlicher Forschung vor den Manen eines
deutschen Gelehrten mit ehrerbietiger Bewunderung sich beugten,
war die letzte Ruhestätte eines verdienstvollen Sohnes unseres Frank-
ftirt. Die einfach auf Rasen angebrachten Buchstaben L. H. bezeich-
neten es als das Grab des weltberühmten Lorenz Heister.
Natürlich kann es sich bei einer Lebensskizze dieses Mannes in
einem niclitmcdicinischen Werke nur um die Berücksichtigung allge-
meiner Gesichtspunkte und darum handeln, von seinen Erlebnissen,
Leistungen und Verdiensten ein mit Leichtigkeit zu Uberblickendes
Gesammtbild zu entwerfen.
Lorenz Heister wurde in Frankfurt am 19. September 1683
geboren, gerade in der Woche, wo sich hier wegen dos sieben Tage
vorher von Sobiesky und den deutschen Truppen bei Wien über die
Türken erfochtenen grossen und entscheidenden Sieges die freudigste
Stimmung kund gab. Sein Vater, Johann Heinrich Heister, damals
Diel- und Holzhändler, erkaufte 2 Jahre später das Gasthaus „zum
Tannenbaum0 in der Fischergasse Die Mutter, Maria geborene
Alleinz, entstammte einer achtbaren, kaufmännischen Familie, Beide
Eltern versäumten bei ihrem Sohne nichts von dem, was zu einer
guten Erziehung gehört. In seinem neunten Jahre übergaben sie
ihn dem hiesigen Gymnasium, wo er ein volles Jahrzehnd hindurch
unter dem Rectorat der Herren Arnold, Schudt und Klumpf bei
unersättlicher Wissbe gierde und rastlosem Fleisse sich in Sprachen
und Wissenschaften di e gründlichste Ausbildung zu verschaffen suchte.
i Dieses Haus führt jetzt die Bezeichnung „zur Stadt DÄrmstadt1'.
Digitized by Google
- 524 -
Sein nachmaliger Biograph Leporin* erwähnt, dass Heister in allen
Klassen allezeit einer von den obersten Schillern gewesen uud äussert
»ich über seine Thätigkeit als Gymnasiast unter Anderm wie folgt:
„In denen obersten (Klassen) hat er ohne dem vorbemeldeten Arnoldo,
auch dessen Successorem, den zwar zu zeitig gestorbenen, aber den-
noch unsterblichen Jo. Jac. Schudt, und den jetzigen berühmten Rec-
torem Herrn Jo. Thom. Klumpf, zu seinen vornehmsten Praeceptoren
gehabt, unter welches letztern Anweisung zur Poesie, er solche Lust
und Inclination zu derselben bezeuget, dass er schon damals in den
zwei letzten Jahren auf der Schule, sonderlich Ao. 1700 biss 1702,
viele, sowohl Lateinische, als Deutsche Gedichte, im 17., 18. und 19.
Jahre seines Alters, auf allerley damahls sich ereignende Vorfälle
und in allerley Materie, geistliche und weltliche, verfertiget, welche
vielen Kennern nicht missfallcn; sonderlich hat er damahls ein
Gedicht auf die Victorie des Königs von Schweden bey Narva, auf
Ihro Kayserl. Majestät, als Sie damahls als König nach Spanien
gingen, auf den ersten Feld-Zug des damahUgen Römischen Königs
Josephi und die Belagerung von Landau, auf den König in Engeland,
auf die Chur-Fürstin in Bayern, als sie durch Frankfurth passirte,
auf die eroberte Silber-Flotte zu Vigos, wie auch verschiedene Hoch-
zeit- und Leichen-Gannina, und allerley Epigrammata etc. geschrie-
ben, auch solches nach diesen noch zuweilen continuiret, und sich
dadurch von liederlicher Gesclschafft imd Müssigang entzogen. „Und
— fugt Leporin noch ausdrücklich hinzu — ob er auch in einem
Gast-lioffe oder Wirthsliause erzogen worden, wo junge Leute, weil
sie insgemein von denen Fremden mehr Böses, als Gutes sehen und
hören, leicht übel gerathen, bo hat er dennoch nach Arth der Bienen,
aus allen, auch sogar aus dem Bösen, nicht den Giflft, sonder den
Honig oder das Gute gezogen, und zu seinem Besten angewendet*
In der That kann Heister in weiser und gewissenhafter Zeit-
verwendung und in sorgfältiger Benutzung der ihm von seinen treff-
lichen Eltern gebotenen Gelegenheiten zum Lernen allen Knaben
und Jünglingen als nachahmungswerthes Muster dienen. Es heisat
von ihm : „Nachdem er etwas erwachsen, und im Lateinischen ziem
liehe Fundamenta gclcgct, haben ihm seine Eltern auch Sprach-
Meister, um erstlich die Französische, hernach auch die Italiänische
2 „Ausführlicher Bericht vom Leben und Schriften des durch ganz Europain
berühmten Herrn Dr. Laurentii Heisteri, Allen, die von wahrer Gelehrsamkeit
Profession machen, sonderlich denen Herren Medicis zum Dienst publiciret von
Christian Polycarpo Leporin, D. Quedlinburg 1725."
Digitized by Google
- 525 —
Sprache zu lernen, ingleichen geschickte Anführer in der Musique,
im Zeichnen und andern nützlichen Exercitien gehalten, welche Künste
und Wissenschaften er alle, ehe er auf Universitäten gegangen, auch
ziemlich begriffen. So hat er auch als ein Knabe von blossen Zusehen
zum Zeit- Vertreib das Buchbinden gelernt, und ihm, so lange er in
Frankfurth gewesen, bey müssigen Stunden seine meisten Bücher
selbst, und mearentheils so gut als ein Buchbinder, gebunden."—
Ueberhaupt behielt es in in der Ausbildung Heister 's nicht bloss bei
geistigen Arbeiten sein Bewenden; er betrieb auch „anständige Lei-
besübungen". 3
Mit dem Jahr 1702 begann bei dem nun neunzehnjährigen Jüng-
ling ein zweiter Abschnitt vielseitiger und unermüdlicher Tbätigkeit,
die nicht weniger als sieben Jahre umfassende Zeit seiner speciellen
Fachstudien. Zunächst begab er sich auf die Universität Giessen,
um sich dort der Erlernung der Heilkunde zu widmen. Hier war
es, wo der ausserordentliche Professor der Medicin und Physikus der
Grafschaft Nidda, Höller, den jungen Mann durch seine Gelehrsam-
keit so an sich zu fesseln wusste, dass letzterer nicht blos sein eifri-
ger Zuhörer und Tischgenosse wurde, sondern ihm auch bereits im
nächsten Jahre mit einigen andern Studenten nach Wetzlar folgte,
wohin Möller als Physikus des Reichskammergerichts berufen worden
war, und nicht weniger als vier Jahre lang als lernbegieriger Schüler
bei ihm verblieb.
Während er sich bei diesem kenntnissreichen Lehrer in den ver-
schiedenen ärztlichen Fächern theoretisch und practisch zu bilden
suchte, kam ihm zugleich der Umstand sehr zu statten, dass er im
Hause eines Apothekers wohnte, wodurch er Gelegenheit fand, sich
mit der Bereitung der Heilmittel und mit den verschiedenen chemi-
schen Proceduren vertraut zu machen. Er betheiligte sich auch
nicht bloss bei den Sectionen menschlicher oder thierischer Körper,
welche Möller vollzog, sondern begab sich , so oft auf dem anatomi-
schen Theater in Giessen interessante Zergliederungen stattfanden,
zu gleichem Zwecke dahin. Ferner begleitete er seinen Lehrer, wenn
dieser seine vornehmen Patienten in den Taunusbädern besuchte. Da
er zugleich eine grosse Neigung zum Studium der Pflanzenkunde
hegte, so verwandte er einen Theil der schönen Jahreszeit auf bota-
nische Wanderungen und „erwiess sich gantz unermüdet, die Zeit, da
man Kräuter finden kann, zum öfftern alle Gärten, Wiesen, Berge,
Wälder und Felder, sowohl um Nidda, als auch um Wetzlar, Gies-
* Vgl. Brucker, Bildersaal, III. Zehnt.
Digitized by Google
Ben, Frankfurth und aller Orten, wo er hin kam, durch zu kriechen,
da er denn alle Kräuter, die er nur bekommen kunte, geaamlet,
derselben Nahmen erkundiget, selbige sauber aufgedrucknet, und zu
einem Herbario Vivo bewahret, so dass er, ehe er noch nach frem-
den Landen gereiset, weil die Gegend von Nidda, Wetzlar, Glessen
und Frankfurth von Kräutern nicht arm ist, auch allerley schöne
Gärten vorhanden, schon über zwey Tausend Kräuter beysammen
gehabt, worzu sonderlich des Herrn D. Eberhards * vornehmen Raths-
herrn, Schöppen und Bürgermeisters in Franckfurth schöner Garten,
welcher zu der Zeit von curieusen fremden Gewächsen eine grosse
Menge in sich hielt, vieles contribuiret hat"
Heister hätte nach vierjährigen raedicinischen Studien schon pro-
moviren können, wollte aber damit nicht eilen, „um sich in allen
desto besser zu perfectioniren*. Er begab sich deshalb auf An-
rathen seines Lehrers und mit Genehmhaltung seiner Eltern, zu An-
fang des Sommers 1706 nach Holland. Die Reise machte er zu
WaBser auf dem Main und Rhein, besichtigte genau alle au letzte-
rem Strome gelegene „schöne und berühmte8 Städte, als Mainz,
Bacherach, Rheinfels, Koblenz, Andernach, Bonn, Köln, Düsseldorf,
Kaiserswerth, Wesel, Nymwegen, Dortrecht, Rotterdam u. a., und
gelangte endlich über Delfft nach der Universitätsstadt Leyden, wo
er jedoch erfuhr, dass die Fächer der Anatomie und Chirurgie ge-
rade damals besonders gut in Amsterdam könnten erlernt werden.
Dahin eilte er unverzüglich und studirte daselbst hauptsächlich auf
das Eifrigste die Zergliederungskunst bei dem berühmten Ruysch,
der, als Anatom, Arzt, Chirurg, Geburtshelfer und Lehrer der Bo-
tanik fast gleich ausgezeichnet, in der Geschichte der medicinischen
Wissenschaften und der Heilkunde wohl für alle Zeiten einen hervor-
ragenden Rang behaupten wird. Hierbei versäumte er keine Ge-
legenheit zu wundärztlichen Operationen, welche sowohl von
Ruysch, als von anderen bedeutenden Chirurgen ausgeführt wurden.
Da es ausdrücklieh heisst, dass er sich mit vielen Personen und
Gegenständen des Lernens durch grosse Mühe und „Kosten8 bekannt
gemaeht habe, so ersieht man auch hieraus, wie sehr ihn seine Eltern
in seinem ernsten und eifrigen Strebeu unterstützten.
Um nun die in Anatom i eis und Chirurgicis erworbenen gründ-
lichen Kenntnisse durch praktische Anwendung dauernd zu befesti-
* Conrad Hieronymus Eberhard, genannt Schwind, Dr. med. — einer der
wenigen Aerate, die in den Frankfurter Rath gekommen sind — starb 1744 im
seltenen hohen Alter von beinahe 91 Jahren.
Digitized by Google
— 527 —
gen, begab er sich im Juni 1 707 zu der im Kampfe gegen Ludwig XIV.
begriffenen verbündeten Armee der Britten und Niederländer und
beschäftigte sich als ausübender Arzt und Wundarzt in den grossen
Feldhospitälern zu Brüssel, wobei ihm besonders der Umgang mit
»wei vortrefflichen Wundärzten, Amiand und Crepin, sehr zum Vor-
theile gereichte. Seine ganze übrige Zeit verwandte er dabei theils
auf theoretische Studien im Fache der Chirurgie, theils auf Erler-
nung der englischen Sprache zum Zwecke der Conversation sowohl
wie zum Verständniss englischer Schriften.
Als der Feldzug zu Ende ging, begab sich Heister wieder nach
Leyden, um unter Albin, Boerhave, Letton und andern hervorragen-
den Meistern seines Faches weiter zu studiren. In den Freistunden
„applicirte er sich auch auf die Mathesin und lernte dabey das
Glasschleiffen und Microscopia zu machen". Die Ferien verwandte er
zu Ausflügen in verschiedene holländische Städte, theils um mit ge-
lehrten Männern in nähere Berührung zu kommen, theils zu botani-
schen Zwecken, indem er es sich zur Aufgabe gemacht hatte, seine
Sammlung mit Exemplaren seltener Pflanzen und Kräuter aus den
holländischen Gewächshäusern und Gärten zu bereichern. Als er einst
auf einer dieser Reisen nach Amsterdam kam, lernte er bei Ruysch
den damaligen Rector und Dekan der medicinischen Fakultät an
der Universität Harderwyk, von Almeloven, kennen. Nachdem dieser
vernommen hatte, dass Heister in nächster Zeit zu promoviren
gedächte, richtete er an letzteren die Bitte, ihm die Ehre zu
erzeigen und in Harderwyk die Doctorwtirde zu erwerben, was denn
auch in der Pfingstwoche 1708 zur Ausführung kam Hierauf kehrte
Heister nach Leyden zurück, „und weil er8, heisst es, „gerne seine
angefangene Collegia continuiren und zu Ende bringen wollte,
cachirte er noch seinen Gradum, vor keine Schande achtend, als
Doctor noch eine Weile in die Collegia zu gehen und brachte selbige
alao auch völlig zu Ende."
Beinahe wäre Heister um jene Zeit seinem deutschen Vaterlande
für immer verloren gegangen. Da es einerseits in Holland an tüch-
tigen Anatomen fehlte, andrerseits lernbegierige Jünglinge sich bald
zu ihm hingezogen fühlten, so beschloss er sich in Holland zu habi-
litiren. Dieser Plan, von seinem Lehrer Ruysch nicht nur gebilligt,
sondern wesentlich unterstützt und gefördert, erhielt auch die Zu-
stimmung seiner Eltern, und so begann er denn, „nicht zweiffelnd,
dass er durch seine Studia und Fleiss mit Gott daselbst (in Holland)
weitere Fortun finden würde*, noch im Jahr 1708 zu Amsterdam
seine anatomischen Vorträge. Sein erste» Auditorium bildeten B sehen
Digitized by Google
— 528 .—
Frantzösiscbe Chirurgi oder Barbiergesellen", bei deren Unterwei-
sung er sich der französischen Sprache bediente; eine zweite Reihen-
folge von Vorlesungen eröffnete er bald nachher für das Winter-
semester von 1708 auf 1709 vor einem Hörerkreise, der aus deut-
schen Studenten bestand. Er wohnte im Hause des berühmten
Mathematikers und Philologen Tiberius Hemsterhuis und benutzte
die ihm dadurch gebotene Gelegenheit, sich mit den verschiedenen
Fächern der angewandten Mathematik, der Mechanik, Statik, Hydro-
statik, Hydraulik, Optik und Akustik, in ihren Beziehungen zu den
medicinischen Wissenschaften, insbesondere zur Anatomie und
Chirurgie vertraut zu machen, sowie auch in den Besitz der nötbigen
mathematischen Instrumente zu gelangen.
Im folgenden Jahre veranlasste ihn sein unbegrenzter Eifer für
möglichste Ausbildung in der Wundarzneikunst, sich noch einmal
als Feldarzt zur Armee zu begeben. Im Verein mit dem holländi-
schen Generalwundarzt von Quavre bediente er die Feldhospitäler
zu Oudenarde und Brüssel, in welch letztere Stadt unter andern
die 5000 in der Schlacht bei Malplaquet verwundeten Holländer
gebracht worden waren.
Gegen Ende des Feldzugs kehrte Heister nach Amsterdam
zurück, wo er seine Vorlesungen weiter fortsetzte. Bald darauf lernte
er jedoch einen jungen Arzt aus Nürnberg kennen, welcher ihn
darauf aufmerksam machte, dass in Altdorf eine medicinische Profes-
sur offen sei und die Hoffnung in ihm erregte und zu beleben ver-
stand, dass eine etwaige Bewerbung um diese Stelle nicht ohne
günstiges Ergebnisa sein werde. In der That meldete er sich mit
einem schriftlichen Gesuche bei dem Rath zu Nürnberg, und Ruysch
empfahl ihn den (Juratoren der Akademie so nachdrücklich, dass er
1710 — mithin in einem Alter von 27 Jahren — die Professur der
Botanik und Anatomie zu Altdorf erhielt
Bevor er dieses Amt antrat, machte er noch für einige Monate
eiue Reise nach England, wo er sich mit den grössten Aerzten dieses
Landes in persönlichen Verkehr setzte und seine botanische und
chirurgische Sammlung, sowie seine Bibliothek auf das Ansehnlichste
bereicherte.
Neun Jahre lang lehrte Heister zu Altdorf mit unermüdetem
Eifer, und mit ebenso grosser Anschaulichkeit als Gründlichkeit,
wobei er sich zugleich einer ausgezeichneten, fürstliche und diploma-
tische der näheren und weiteren Umgebung der Universitätsstadt
angehörige Kreise in sich schliessenden Praxis als ausübender Arzt
zu erfreuen hatte. Hier war es auch, wo seine äusserst fruchtbare
Digitized by Google
- 529 -
und nachhaltige Wirksamkeit als medicinischer Schriftsteller begann.
Blumenbach nennt ihn in der Einleitung zur Geschichte der medici-
nischen Wissenschaft „utilis et extensae famae polygraphus, de re
chirurgica et anatomica meritissimus". Im Jahr 1719 erschien seine
„Chirurgie", eines der berühmtesten Bucher, welches in fast alle
europäischen Sprachen übersetzt und noch 1779, also volle sechzig
. Jahre nach der ersten Veröffentlichung, in sechster Auflage gedruckt
wurde. Ebenso wurde sein zu Altdorf 1717 erschienenes Com-
pendium anatomicum in ganz Europa das allein herrschende.
Binnen wenigen Jahren erwarb sich Heister durch seine literari-
schen, akademischen und praktischen Leistungen innerhall} und aus-
serhalb Deutschlands die allgemeine Anerkennung als einer der aus-
gezeichnetsten Aerzte. Die kaiserliche Akademie der Naturforscher
sowohl, wie die königlichen Akademien der Wissenschaften in Berlin
und London ernannten ihn zu ihrem Mitgliede. Was aber für seine
weitere Thätigkeit und für seine ganze Zukunft entscheidend war:
er erhielt im Jahr 1719 vom Herzog von Braunschweig den Ruf als
Professor der Anatomie und Chirurgie an der Juliusuniversität zu
Helmstädt. Heister nahm nicht bloss das dargebotene Amt au, son-
dern kein noch so verlockendes Anerbieten hat ihn später veranlassen
können, von Helmstädt wieder zu scheiden Czar Peter der Grosse
trug ihm die Stelle eines Leibarztes an, die mit ansehnlichem Ge-
halt und mit verschiedenen Remunerationen verbunden war. Er
schlug sie aus. In gleicher Weise leimte er die vorteilhaften Aner-
bietungen ab, welche ihm vom Bischof zu Bamberg, dem Herzog
von Holstein und von anderen Seiten her gemacht wurden. Freilich
fehlte ihm auch in Helmstädt die Anerkennung nicht, die er ver-
diente. Hatte man ihn schon in Altdorf äusserst ungern verloren —
die meisten Professoren und viele Beamte begleiteten ihn bei seinem
Scheiden „biss ein gut Stück Weges ausser der Stadt"', und die
Studenten der Medicin zu Pferde bis nach dem drei Meilen entfern-
ten Nürnberg — , so war es in Helmstädt namentlich der Herzog
selbst, welcher Heister's Anhänglichkeit an diese Hochschule durch
Ernennung zum Leibarzt und Hofrath, sowie durch vermehrten
Gehalt zu belohnen wusste.
Es kann wohl als gemeinsame Folge einer guten Leibesconstitu
tion, geschonter Jugendkraft und geregelter Lebensweise anzusehen
sein, dass Heister bei all seiner grossen Thätigkeit ein hohes Alter
erreichte und erst im 75. Jahre, am 18. April 1758, einem bösartigen
Katarrhalfieber unterlag, nachdem er achtunddreissig Jahre lang in
Helmstädt, und — die Zeit in Amsterdam und Altdorf mitgerechnet
34
- 530 -
— beinahe ein halbes Jahrhundert als akademischer Lehrer ge-
wirkt hatte.
Was seine Stellung in der Geschichte der medicinischen Wissen-
schaft betrifft, so präcisirt sie Huske* in den Worten: „Deutschland
kann ihn sicher als den ersten ansehen, welcher die Chirurgie, die
in England, Frankreich und Holland schon grosse Fortschritte
gemacht hatte, in seinem Vaterlande au einer Wissenschaft erhob
und in Ansehen brachte. Seine Beobachtungen Uber Steinschnitt,
grauen Staar, Thränenhstel und Wasserbruch waren zu damaliger
Zeit trefflich und haben sich bis jetzt als richtig und treu erwiesen;
hierbei war es für ihn vom grössten Nutzen, dass er selbst Kupfer-
stecher und Verfertiger seiner chirurgischen Instrumente war8.
Das Kupferstechen hatte er während seines Aufenthaltes in Altdorf
erlernt.
Auf Ersuchen von Seiten des Verfassers dieser Lebensskizze
hat der hiesige ausübende Arzt Herr Dr. C. L. Jung, dessen Thfc-
tigkeit sich bekanntlich vorzugsweise im Gebiete der Chirurgie
bewegt, Uber Heister's Stellung in der Geschichte der Heilkunde
nachstehendes Urtheil abgegeben: „Wie Heister's Nadel 6 von riesiger
Dimension (6" lang, 2*" breit) Entschlossenheit des Charakters kenn-
zeichnet, so wandte unser Landsmann die Chinarinde (seit 1640 in
Europa bekannt7) mit [zuerst bei gangränösen Leiden an8 und war
dem Aufblühen pathologischer Anatomie bahnbrechender För-
derer 9. Wenn Heister Trepanationsanzeigen zwar nur auf Kopf-
verletzungen einschränkt i0, bleibt ihm immerhin das Verdienst gerade
hierin damaligem Unfuge gesteuert zn haben. Ebenso danken wir
seiner Beobachtung den Existenznachweis der Kapselstaare u. Bei
Nasenpolypen ist derselbe meines Wissens Begründer des Wurzel-
abdrehens mittels stumpfer Zange **, und der Trachealschnitt, -eine
* Vgl. den Artikol „Heister" in Ersch and Gruber, Atigemeine Encyclopä-
die der Wissenschaften und Künste.
fi Fr. Andr. Ott, Lithogr. Abbildungen nebst Besohr. d. vorzfigl. Sit. und
neu. Chirurg. Werkzeuge und Verbände. München. 1829. S.71. Taf. VII. Fig. 29.
» Kurt Sprengel , Versuch einer pragm. Gesch. der Arzneikunde. Halle,
1800 - 03. Bd. 5. §. 16. S. 285.
* Inst. Chirurg. Amstclod. 1750. p. 321.
» Medic., Chirurg, und anat. Wahrnehmungen. Rostock. 1753. Bd. 1.
«o Chirurgie, Nürnberg 1719. Kap. 40. S. 444.
» Ibid. 8 478 und Apol. et über, illustr. System, sai de catar. Altd. 1717.
" Chirurgie, 8. 514.
Digitized by Google
segensreiche, selbst heute von competenter Seite noch oft ver-
worfene Operation, fand anHeiater einen eifrigen Lobredner Seine
Heilung der Gefaasfistel durch Gorgeret, Hohlaonde und spitzen Scal-
pell1* wird bis zur Stunde alt bestes Verfahren nachgeahmt; im
Streite aber um's königliche Gesetz " vertheidigte er mit Energie
die Sectio caesarea bei dem Ableben schwangerer Mütter1« und ver-
sprach sich schon vom Hautlappeu für Amputationen mehr Nutzen
als Verduin's Fleischpolster " bieten konnte, auch galt ihm hier, im
Gegensatz zu Anderen, nur die Unterbindung als sicherstes Stypti-
cum w. Ihm, dem Chirurgen nüchternen Verstandes, erschien
Tagliacozzi's Rbinoplastik *• geradezu als Fabel Schwer erklärlich
ist seine Furcht vor dem Ausschneiden chronischer Mandel schwel-
lungen Si. War er doch nie messerscheu, wo es Geschwülste ansehn-
lichsten Umfangs wegzunehmen galt **. Vom alten Schlendrian,
Wunden mit Wieken anzufüllen, vermochte sich Heister nicht los-
zumachen M, auch musB sein Mitfassen kleiner Compressen unter die
Ligatur des Samenstranges getadelt werden*4. Von Instrumenten
besitzen wir nach seiner Angabe einen Lippenhalter für Hasen-
scharten13, gefensterte biegsame Silberröhrchen aus Brusthöhlen
Eiter oder Blut abzulassen M, endlich messingene Harnrecipienten w.
In seinen Werken verzeichnet verdienen ferner Erwähnung: beson-
dere Nadeln zur Arterienunterhindung, Flechsennaht, die vordere
Augenkammern zu öffnen; dann ein Perf Oratorium des Thränenbeins,
ein Pelikan und Mundspiegel, verschiedene Messerformen für Her-
>3 Ibid. Cap. 92. S. 556»
" Ibid. Cap. 131, S. 691.
•* Digest Hb. XI. tit. 8. De mortuo infer. I. 2.
16 Dias, foetum ex utero raatr. mort. mature exacimlenduin esse. Altd. 1720.
»» Dias, epist de nov. artunm deourtaod. ratione. Amstelod. 1096.
« Haller, dias. ohir. vol. V. pag. 221.
t» De cartor. ohir. libr. duo. Venet. 1597.
» Chir. b. oben. Cap. 66. S. 519.
" Ibid. Cap. 85. 87. S. 547.
» Dias, de optima cancr. uiammar exstlrpandi ratione. Altd. 1720 io Haller
I. «., vol. IL p. 509.
23 Inat chir. P. I. Hb. I. Cap. 5. §. 7. pag. 97. Note b.
24 L. Heister et Heise, Diss. de Sarcocele. Heimst 1754. und Haller , 1. c.
Vol. II. pag. 509.
2> J. A. Brambilla, Instrum. ebir. Vien. Vindob. 1780. Tab. XXI. Fig. 6
und 7.
16 Chir. Nürnberg, 1770. Tab. V. Fig. 9 und Tab. VI. Fig. 10. 11.
" Ibid. Tab. XVI. Fig. 7.
84*
— 532 —
niotomien, Gliedabnahmen u. b. w.; »eine Flügelsonde hervorquellen-
den Darm zn schützen, ein männlicher Katheter, Dilatatorium und
Conductor bei dem Steinschnitt, auch scharfe Haken zur Mutter-
gewächsexcision etc. In Behandlung der Schlüsselbeinbrüche und
Scoliosen bediente sich Heister gewisser Rückenkreuze um Becken
und Schultern befestigt *e, und sein Retinaculura des Dammes *•
nahm die Gabel des Petit'schen Werkzeugs*1 zur Reduction ver-
renkter Schenkelköpfe auf."
Was Heister' a Charakter anlangt, so wird von ihm gerühmt, das*
er im Umgange liebreich, gütig und dienstfertig gewesen sei. Zu
bedauern ist, dass er sich in seinen späteren Jahren auf eine des
wahren Gelehrten nicht würdige Weise gegen Linne* benahm, dem
er um jeden Preis die Ehre der Erfindung der Sexualtheorie streitig
zu machen suchte. Er veröffentlichte zu diesem Zwecke sogar einen
Brief des Wolfenbütteler Arztes Joh. Heinr. Burckhanl an den
berühmten Leibnitz, richtete aber damit nicht viel aus. Denn obgleich
allerdings Burckhard die von Linne* in seinem Systeme ausgeführte
Idee angedeutet hatte, so erkannte man doch, dass dadurch die Ver-
dienste Linne" s nicht geschmälert werden könnten. Auch in der
Praxis suchte er das Linnl'sche System durch Aufstellung seines
eignen, im Wesentlichen auf die Verschiedenheit der Frucht begrün-
deten, zu verdrängen, erlangte jedoch keine Anerkennung und Ver-
breitung desselben 31. Sein Herbarium war übrigens allmälig bis zu
98 Bänden angewachsen, in jedem Bande ungefähr 70 getrocknete
Pflanzen enthaltend. Im Jahre 1801 kaufte es der Herzog von
Braunschweig in einer Versteigerung für die Universitätsbibliothek
zu Helmstädt.
Heister besass auch eine grosse Sammlung medicinischer Dispu-
tationen: 160 Bände mit je 50, zusammen also etwa 8000 Abhand-
lungen. Auch diese Sammlung ging später in den Besitz der Helm-
städter Bibliothek über.
Von Heister's beiden Söhnen war der erstgebome schon als
Kind verstorben, der andere — Elias Friedrich, geboren 1715 zu
Altdorf, studirte von seinem sechzehnten Jahre an die Medicin zu
Helmstädt, Berlin und Leipzig, wurde 17-18 zu Helmstädt Doctor
" De fsscüs et vincturi« chir. Amstelod. 175«. Tab. VIII. Fi*. 13.
»» Ott. 1. c. 8. 221. Taf. XXX. Fig. 12.
* K. J. C. Garengeot, Nonv. Trsit. des instrum. de chir. le plus ntiles
2. T. Par. 1723.
31 Vgl E. Winckler, Geschichte der Botanik. Frankfurt a. M. 1864. S. 198.
Digitized by Google
— 533 —
und machte 1740 eine Reise nach Holland, auf welcher er aber
bereits am U. November des genannten Jahres plötzlich am Ver-
Bchlucken eines Stückes von einem Messer, oder nach anderer An-
gabe an einem sehr bösartigen Magenkrämpfe starb, nachdem der
erst fünfundzwanzigjährige talentvolle junge Mann noch vorher,
gleich seinem Vater, zum Mitglied der kaiserlichen Akademie der
Naturforscher, zum Hofrath und Professor zu Helmstadt ernannt
worden war. Auch er hatte bereits viel geschrieben, doch fehlte ihm
die Zeit, es gehörig zu bearbeiten und herauszugeben.
Johann Michael von Loeu.
Goethe'» Grossoheim.
Quellen:
Strodtmann, das Neue Gelebrtc Europa. Th. 2. S. 520—570.
Stosch, des Neuen Gelehrten Europa 9. Th»il, S. 42»— 439. Brucker,
Bildersaal. Hymmen, Bey träge zu der juristischen Literatur in den
preussischen Staaten. Fünfte Sammlung. S. 257— 28G. v. Locn, Gc
sammelte kleine Schriften. Diarium der Wahl und Krönung Kaiser
Karls VII.
In dem Werke „Aus meinem Leben" sagt Goethe unter Anderm :
„Mein Vater mochte sich auf Reisen und in der freien Welt, die er
gesehen, von einer eleganten und liberalen Lebensweise einen andern
Begriff gemacht haben, als sie vielleicht unter seinen Mitbürgern
gewöhnlich war," und fugt dann hinzu : vZwar fand er darin Vor-
gänger und Gesellen." Als solche nennt er ausser anderen den
Schöffen von Uffenbach, den Baron von Häckel und seinen Gross-
oheim Johann Michael von Locn, bei welchem letzteren er, neben-
bei bemerkt, sich des kleinen Irrthums schuldig macht, dass er ihn
als nicht von Frankfurt gebürtig, sondern als einen in die Rcichs-
stadt Eingewanderten bezeichnet
Goethe eröffnet seine Mittheilung über Loen mit dem Bemerken,
dass derselbe in der literarischen Welt sowohl wie in Frankfurt
ziemliches Aufsehen gemacht habe. — In der That war der Ge-
nannte zu seiner Zeit besonders als Schriftsteller und vornehmer
freimtithiger Mann geschätzt Er schrieb — ein ächter Vertreter
seiner Zeit — lateinisch, deutsch und französisch. Theils also au*
eben erwähntem Grunde, theils aber auch wegen der socialen Stel-
lung, welche dieser Verwandte der Goethe'schen und Textor'acheu
Familie eine geraume Zeit lang in seiner Vaterstadt einnahm, dürfte
Digitized by Googl
535 -
wohl ein Abriss seiner Lebensgesclüchte den Lesern des Archivs
nicht unwillkommen erscheinen.
Im ersten Viertel des siebenzehnten Jahrhunderts hatte sich der
Niederländer Justus oder Jost von Loen aus seiner Heimath nach
Frankfurt gewendet, am 18. Februar 1623 mit Margaretha, der nach-
gelassenen Tochter des hiesigen Handelsmanns Hans Steffen, ver-
heirathet und ein grosses und ansehnliches kaufmännisches Geschäft
errichtet (negotium suscepit magnum et copiosum). Er starb am
20. März 1660. Sein Sohn Johannes (1628—1703), vermählt mit
Anna Jordiss, aus der angesehenen Frankfurter Familie dieses Na-
mens, führte das väterliche Geschäft, jedoch nicht mit demselben
ausdauernden günstigen Erfolge, weiter (magna commercia patris,
ast impari successu, continuavit). Von seinen elf Kindern setzten
nur zwei Söhne, Paulus und Michael, das Geschlecht fort: ersterer
in Schlesien, letzterer in Frankfurt Im Jahr 1690 verheiratete sich
Dämlich Michael von Loen mit Maria Passavant, der Tochter des im
Jahr 1666 hier eingewanderten reichen Handelsherrn Rudolph Eraa-
nuel Passavant, des ehren werthen Ahnherrn der Frankfurter Passa-
vant Dieser Ehe entstammte unser Johann Michael von Loen. Da
im hiesigen Kirchenbuche der 13. December 1694 als dessen Tauf-
tag eingeschrieben ist, so erscheint die Angabe, dass er am 21. De-
cember des genannten Jahres, d. h. am 11. nach dem bis zum
1. Januar 1701 hier gebräuchlichen Julianischen Kalender, geboren
sei, als vollständig begründet. Leider verlor das Kind seine Mutter,
die als „ein Beispiel kluger Frauen" bezeichnet wird, schon im dritten
Lebensjahre. Sie starb am 17. April 1697. Wegen seiner hervor-
stechenden geistigen Anlagen wurde indessen sowohl von Seiten des
Vaters als von der des Grossvaters Passavant auf seine Entwickclung
und Ausbildung eine besondere Sorgfalt verwendet „Sein sich zeitig
äussernder munterer Geist, der feurige Witz, der schon in der Kind-
heit leuchtende Blicke sehen Hess, und ein aufgewecktes Wesen
machten, dass man für seine Erziehung sorgfältig bekümmert war.
Kriegssachen, Komödien, Malen, Versemachen ergötzten diesen feu-
rigen Knaben und entdeckten die Gluth, von der man sich nach
verlodernder Flamme eine wärmende Hitze zu versprechen hatte."
Dreizehn Jahre alt kommt er in den fürstlich Isenburgischen Resi-
denzort Birstein, „wo damals eine gute Landschule war und wo
junge Leute von den besten Franckfurtischen Häusern studirten.'
Hier hatte er sich eines guten Umgangs und trefflichen Unterrichts
zu erfreuen, so dass er bereits 1711 die Universität Marburg be-
ziehen konnte, wo er sich dem Studium der schönen Wissenschaften
und der Rechtskunde widmete« Auch am letztgenannten Orte waren
alle äusseren Verhältnisse seiner Ausbildung überaus förderlich, so
dass er denn unter anderm schon als siebenzehnjähriger Jüngling in
einer öffentlichen Disputation auftrat und sich bald den Ruf eines
jungen Gelehrten und dadurch die besondere Liebe seines Gross-
vaters Passavant erwarb, der ihm „seine Disputation reichlich be-
lohnte4*.
Im Jahr 1712 vertauschte von Loen die Marburger Hochschule
mit der zu Halle. An letzterem Orte fand er, was er suchte: reich-
liche Nahrung für seinen wissbegi erigen Geist, und Lehrer nach
seinem Wunsch und Verlangen. Insbesondere war es der berühmte
Thomasius, aus dessen Unterweisung und Umgang er den möglichsten
Vortheil zu ziehen verstand. Neben seinen ernsten Studien ver-
säumte er nicht die Erlernung der Musik und des Zeichnens, und
betrieb auch das Fechten und Reiten. Letzteres, sowie der persön-
liche Verkehr mit Leuten von feinster Bildung trug natürlich viel
dazu bei, ihn allraälig zu einem gewandten Weltmann zu machen.
1715 kehrte er nach Frankfurt zurück. lu seiner Bescheidenheit
sah er die mitgebrachte Gelehrsamkeit mehr für glänzend als gründ-
lich an, und drang desshalb in die Seinigen, ihm die Erlaubniss zu
einer längeren Reise zu gewähren. Seinem wiederholten Verlangen
wurde auch entsprochen, doch musste er sich zuvor im Herbste des
zuletzt genannten Jahres zu Wetzlar mit dem Kammergerichta-
prozess bekannt machen, oder, wie er selbst sagt, „den Kammer-
schlender kennen lernen und einen sechzigjährigen Prozess von einer
alten Grossmutter besorgen". „Man hätte es,* fügt er hinzu, „wohl
nicht übler treffen können, um mir eine Lust zur Juristerey beizu-
bringen.0
v. Loen berichtet ausserdem über diese kurze Episode seines
Lebens unter Anderm noch Folgendes: „Zu meiuer Zeit war kein
Kammerrichter in Wetzlar. Der Freiherr von Ingelheim und der
Graf von Solms- Laubach waren Präsidenten : zwei redliche Männer
von gleich grossem Ruhm. Der Assessor Ludolff war damahls einer
der wichtigsten Referenten: er war sehr gelehrt, man konnte es
ihm recht ansehen. Der Assessor F. machte die Ehre der Kaminer
auf eine andere Art. Wer ihn besuchte, kam insgemein betrunken
wieder nach llauss. Dieses war ein solainen miserum für manche
unglückliche Sollicitanten."
Im Frtthlinge des Jahres 1716 trat von Loen seine Reise an
und verweilte zunächst eine Zeitlang in Regensburg, dem Sitze des
^ Digitized by Google
— 537 —
deutschen Reichstags *. Von hier ans begab er sich nach Augsburg,
dann nach München an den kurbayerischen Huf, hierauf durch
Schwaben, Franken und Thüringen nach Halle, von da nach Dres-
den, Torgau, Berlin und Frankfurt a. d. O. zu seinem Oheim von
Loen, und endlich nach Wien. Von dem Treiben in dieser Haupt-
stadt und dem kaiserlichen Hofe gibt er eine sehr anschauliche und
lebendige Schilderung.
v. Loen gedachte von Wien aus den englischen Diplomaten
Lord Montague auf seiner Gesandtschaftsreise nach Konstantinopel
zu begleiten, konnte aber dazu nicht die Erlaubniss seines Gross-
vaters Passavant erwirken und kehrte desshalb nach Frankfurt zu-
rück. Von hier aus besuchte er die benachbarten Fürstenhöfe, dann
die vorzüglichsten Städte der Niederlande und reiste hierauf über
Bremen und Hamburg nach Berlin, wo er den Winter von 1717 —
1718 verweilte. Von dem Hofe des Königs Friedrich Wilhelm L,
des Vaters von Friedrich dem Grossen, hat er eine sehr anziehende
Schilderung hinterlassen.
Einige Stellen daraus dürften von besonderem Interesse sein : „Ich
sehe hier, sagt unter Anderm v. Loen, einen königlichen Hof, der
nichts glänzendes und nichts prächtiges als seine Soldaten hat. Es ist also
möglich, dass man ein grosser König sein kann, ohne die Majestät
in dem äusserlichen Pomp und in einem langen Schweiff buntfärbig-
ter, mit Gold und Silber beschlagenen Creaturen zu suchen. Hier ist
die hohe Schule der Ordnung und der Haushaltungskunst, wo grosse
und kleine sich nach dem Exempel ihres Oberhaupts mustern lernen".
. . . Der König ist von seiner Neigung für die Soldaten ein wenig zu
1 Beachtenswerth erscheint, geradeln unseren Tagen, was er Über letzteren
anter Anderm äussert : „Es wäre zu wünschen, dass besser auf unsere Reichs-
grundgesetze gehalten würde; allein die besten Verfassungen in der Welt leiden
durch die Veränderung der Zeiten und Menschen allerlei Anstösse. Hätte das
Reich in seiner vortrefflichen und glückseligen Gestalt bleiben sollen, so hätte
auch ein jeder Stand so bleiben müssen , wie er war. Es hätte keiner mehr
Hechte, mehr Macht, mehr Ansehen, mehr Gewalt und mehr Länder gewinnen
müssen, als er zu der Zeit, da die goldene Bulle gemacht wurde, wirklich be-
saas und innen hatte; denn der Wachsthum eines Körpers verändert auch
die Gestalt, und was einen kleinen wohl kleidet, das kleidet darum nicht
auch einen grossen. Die allzuwichtige Erhöhung einiger mächtigen Reichs-
stände macht die andern zu klein und zu schwach. Diese müssen es zugeben i
daes sich jene über sie vieles herausnehmen. Gebet Gesetze, wie ihr wolt, wo die
Macht ist, da verlieren sie ihre Kraft. Grosse und mächtige Fürsten, die durch
sich selbst bestehen können, lassen sich nicht wohl mehr ex decreto Sancti
Imperli und durch Reichsabschiede behandeln."
Digitized by Google
- 538 -
sehr eingenommen. Vergebens sucht er alle Mittel anzuwenden, um
Leute in sein Land zu ziehen, welche die Handlung und die Fabri-
ken darinnen empor bringen könnten. So lang aber nur noch ein
Schatten der gewaltsamen Werbungen herum wandert, so ist derselbe
wie ein Gespenst, welches alle Menschen schrecket.41 v. Loen knüpft
gleich daran eine Betrachtung, die den ganzen Mann kennzeichnet.
Er sagt: „Das sicherste Mittel ein Land zu bevölkern, ist die Frei-
heit. Wo diese ist, da ziehen sich die Menschen hauffenweise hin.
Wo viel Volk ist, da ergiebt sich die Nahrung von sich selbst Man
lasse nur den Landmann ruhig bei seinem Ackerbau; der Haudwerks-
raann und der Künstler werden beyde genug Arbeit finden, und der
Kaufmann wird sich ebenso geschäftig erzeigen, den Anwachs der
Früchte und die verarbeiteten Waaren zu vertreiben. Dadurch ent-
stehet die Handlung, welche die Seele der Reichthümer und desUeber-
flusses ist. Die Gelder kommen von einer Hand in die andere, und
dieser glückliche Umlauf, der alle Nerven beweget, wird den ganzen
Staatskörper mit Geist und Stärcke beleben. Eine Handthirung wird
auf die andere wirken, und wie das Räderwerk in einer Maschine
fortlauffen. Die Einkünfte des Königs werden sich dadurch erstaun-
lich vermehren, nnd sein Volk wird, wann es zugleich durch eine
gute Policey regiert wird, das glücklichste auf Erden seyn. Man
könnte dieses alles mathematisch erweisen , wann die Erfahrung uns
dieser Mühe nicht überhoben hätte, indem sie zu obigen Grundsätzen
den völligen Beweis vor Augen legt.1'
v. Loen kommt sodann auf den jungen Kronprinzen zu spre-
chen und sagt: „Dieser zeiget bei einem noch zarten Alter eine unge-
meine Fähigkeit, ja etwas ganz ausserordentliches. Er ist ein über-
aus munterer und lebhafter Prinz. Er hat eine sehr feine und geist-
reiche Bildung; er fasset, er lernt alles, was man ihm vorlegt, mit
der grössten Leichtigkeit. Er gehet nun in das siebente Jabr; man
ist beschäftiget denselben aus dein Frauenzimmer zu tliun und ihm
einen besondern Hofstaat beizulegen.... Man sagt, dass der König
im Stande sey, für das Geld, womit er unter dem Schloss die Ge-
wölber angefüllet hätte, noch zwey Armeen auf die Beine zu setzen.
Dieses ist wohl zu glauben. Als unlängst der Kronprinz mit einem
grossen Gefolg von Offizieren hinter dem König herging, radelte
derselbe mit seinem kleinen Stöckchen wider die Pallisaden, und rief
dabey aus: Wie froh werden einmal diese Gefangene sein, wenn man
sie erlösen wird. Die Offiziere, die um ihn waren, fingen darüber
an überlaut zu lachen. Der König hörte solches, er wand sich herum
und fragte, was da wäre. Niemand wollte sich erkühnen das gute
Digitized by Google
- 539 —
Wörtchen, welches dem Kronprinzen entfahren war, dem König zu
»agen ; dieser drang mit Heftigkeit darauf und machte, als er es ver-
nahm, darüber keine gar gnädige Miene ; er entdeckte in den Worten
des Kronprinzen die Sprache anderer Leute."
Den nächsten Frühling und Sommer verbrachte v. Loen am
prachtvollen Hofe des Königs von Polen und Kurfürsten von Sachsen,
August des Starken, zu Dresden. Er entwirft davon unter Anderm
folgende Schilderung:
„Ich beschreibe hier den prächtigsten und g a la ntes t e n Hof von
der Welt. Man muss mir das letzte Wort im Teutschen gelten las-
sen, denn es ist in Hachsen sehr üblich, und ich finde auch sonst kei-
ne» in allen mir bekannten Sprachen, welches dasjenige besser aus-
drücken solte, was ich hier sagen will: es bedeutet solches so viel,
als ein lebhaftes artiges Wesen, das gefällt, das rühret, das sich der
Sinnen bemächtiget und den Witz gebrauchet, um desto empfindlicher
wollüstig zu sein.
„Das sächsische Blut ist das schönste in Teutschland : es ist feurig,
zärtlich und überaus verbuhlt. Die Wollust macht die Einwohner in
diesem Land sinnreich, angenehm, höflich und schmeichlerisch; aber
zugleich auch wanckelmütliig, weichlich, plauderhaft und schwelgerisch.
Weil sie von Natur mit einer glücklieben Erfindungskraft begäbet
sind, so findet man unter ihnen die meisten Poeten und .Romanen-
schreiber: sie sind die ersten, die sich erkühnt haben, teutsche Schau-
spiele nach dem Geschmack der Franzosen zu verfertigen. Wenn
man die Gottschedische Sammlung und Lustspiele des Herrn Gellerts
lieset, so muss man ihre glückliche Nachahmung bewundern.
„Sie sind Uberhaupt zu allen Künsten und Wissenschafften vor
andern Teutschen aufgelegt, und was dabey am merkwürdigsten ist,
so sind sie eben so glücklich in tiefsinnigen und ernsthaften, als in
lustigen und scherzhaften Sachen. Unsere zwey gröste Weltweisen
Leibnitz und Wolff haben sich in diesem Land hervorgethan. Drey
gelehrte Thomasii, Jacobus und dessen berühmte Söhne, Christian
und Gottfried, sind Leipziger gewesen: und wenn wir die SchrifFten
und die Nachrichten von den gelehrten Leuten lesen, durch welche
die vier sächsische hohe Schulen Leipsig, Wittenberg, Jena und Halle
so berühmt worden sind, so können wir sie fast allein allen andern,
welche sich in den übrigen Theilen von ganz Teutschland bekannt
gemacht haben, entgegensetzen.
„Das Frauenzimmer, und darunter vorzüglich das Meissnische,
hat etwas überaus holdseliges und liebreizende« ; hier findet mau
die besten Sprachmeisterinnen der Teutschen; der liebliche Klang
Digitized by Google
- 540 —
ihrer Stimme macht auch selbst unsre sonst rauhe Thönc zärtlich und
angenehm. Das sächsische Frauenzimmer übertrifft noch die Eng-
länderinnen an Wuchs und Schönheit. Es hat die Freybeit der Fran-
zösinnen, und das Feuer der Italienerinnen ; in dem schmeichelhaften
und zärtlichen Wesen aber geht es allen vor. Es hat dem Ansehen
nach etwas sehr sittsames und unschuldiges ; es schläget aber die Au-
gen insgemein nur deswegen nieder, um mit einem geschärfften Blick
desto mehr Unheil anzurichten.
„So sehen die Menschen aus, welche zu unserer Zeit den Glanz
des dresdnischen Hofs ausmachen. Nie hat man eine solche zusammenhan-
gende Pracht und eine solche stets fortstreichende Galanterie gesehen.
„Der König scheint recht darzu gebohren zu sein, den Menschen
Lust und Freude zu machen. Alle seine Lustbarkeiten sind auf eine
Art angestellt, dass sein Volk nicht darunter leidet, und Beine Schätze
nicht erschöpfet werden. Er befördert dadurch die Künste, die Wis-
senschaften, die Handlung und den Umlauf des Gelds, wovon alle
Handthierimg und Nahrung ihren ersten Trieb bekommt. Viele mey-
nen, August hätte das Geheimniss Gold zu machen. Es ist glaublich,
das», wo diese Wissenschaft der Verwandlung der Metalle möglich
wäre, dieser König solche besitzen mttste. Alle chymische Philoso-
phen haben ihre Künste hier probiret, und die Ausgaben des Königs
beziehen sich gleichsam auf unerschöpfliche Einkünfte. Ich bin aber
der Meynung, dass diese Distillirer nichts dazu beytragen ; wohl aber
die stattliche Handlung, die reichen Bergwerke, der gesegnete Acker-
bau und eine .Menge Volk , das sich durch Fleiss und Arbeit nährt :
Quellen, die nicht zu erschöpften sind, wenn das Geld fein im Land
herum lauft, und mehr hineingebracht, als hinaus geschleppet wird.
Sachsen hat es unter allen teutschen Ländern darinnen am weitesten
gebracht."
v. Loen gibt nun eine kurze Charakteristik der vornehmsten Hof-
und Staatsbeamten, des Feldmarschalls Grafen v. Flemming, der Gra-
fen v. Vitzthum, v. Wackerbart u. s. w., schildert dann die in Dres-
den aufgehäuften Kunstschätze, und geht hierauf zur Beschreibung
einiger Feste Uber, denen er als Augenzeuge beigewohnt hatte. Eins
derselben war in gewisser Beziehung so eigenthümlich , dass wir es
nicht ganz übergehen wollen. Am 13. Juli 1718 Hess der Feldmar-
schall Graf v Flemming sechs Regimenter ungefähr eine Stunde vor
Dresden ins Feld rücken und eine Schlacht improvisiren. Neben dem
König ritt als Amazone gekleidet die von ihm begünstigte Gräfin
Dönhof. Nach geendigtem Treffen setzte sich der König unter ein
grosses Gezelt mit den vornehmsten Herren und Damen zur Tafel.
Digitized by Google
— 5*1 —
„Da» lustige Schauspiel", berichtet v. Loch, begunte nach geendigter
Tafel. Die Tische wurden nicht aufgehoben, sondern alles Esswerk,
was darauf stund, den hungerigen Soldaten preisgegeben. Weil es
aber an Brod gebrach, so befahl der Feldmarschall 1000 harte Gul-
den; um diesen Mangel zu ersetzen, in so viel kleine Stücke Brod
zu stecken. Es wurde darauf Sturm geblasen. Die in Schlachtord-
nung gestellte Soldaten rannten muthig auf die mit Speisen angefüll-
ten Tiscbe loss; die fordersten aber wurden von den hintersten zu
Boden gedruckt, sogar dass auch das eine Tischblatt mitten entzwey
brach und also wohl über 100 Mann auf einem Hauffen untereinan-
der wühlten. Hierauf wurde Alles aus dem Weg geschaffet, in dem
königlichen Gezelt aber ein Teppich ausgebreitet und bis Abends um
7 Uhr getanzet. Der Feldmarschall tranck dabey seinen Gästen
wacker zu und wurde selbst trunken. Der König schien auch nicht
mehr ganz nüchtern : doch begieng er nicht die geringste seiner Ma-
jestät unanständige Ausschweiffung, sondern geberdete sich in allem
als ein König. Ich beobachtete hier mitleidigst die Marter eines
gewissen Cammerherrn, welcher die Aufwartung bey demselben hatte.
Dieser stund eine lange Zeit mit einem Glas Wasser hinter dem
König und war dabey so wankelmüthig auf seinen Füssen, das man
ihn mit einem Finger hätte übern Hauffen stossen können. Man hatte
eine muthwillige Freude ihn in dieser Stellung zu sehen. Der Feld-
marschall aber war für Freuden ausser sich. Er fiel dem König,
als er sich wegbegeben wolte, ganz vertraulich um denHalss: Bruder,
sprach er: Ich sage dir alle Freundschaft auf, wann du weg gehest
Die Gräfin von Dönhof, die den König nie verliess, suchte ihn zwar
von solchen Unanständigkeiten zurück zu halten. Allein Flemming
war viel zu vergnügt, ab dass er sich diesesmahl mit dem Wohl-
stand hätte viel zu schaffen machen sollen. Er wolte die Gräfin lieb-
reich in seine Arme schliessen. Du kleines H** sprach er, schweige
du nur still, du bist doch ein gutes H * * ! Dergleichen artige Com-
plimenten war die Gräfin von dem Feldmarschall, wann er getrunken
hatte, schon gewohnt^ sie beantwortete solche mit Lachen und
bemühete sich nur ihn von dem König abzuhalten. Der König setzte
sich darauf zu Pferd, schlug aber hinten über, und würde einen üblen
Fall gethan haben, wann nicht einer von seinen starken Läuffern
gleich bei der Hand gewesen wäre und ihm unter die Armen gegrif-
fen hätte. Alles lieff darüber zusammen. Man bat den König, dann
er sich in eine Kutsche setzen möchte. Der Stallmeister Rakc-
nitz war etwas heftig in seinen Vorstellungen; der König stiess ihn
deswegeu im Zorn von sich. Die Gräfin Dönhof liesB darauf ihre
Digitized by Google
Beredsamkeit wirken. Der König aber antwortete ihr sehr höflich :
Laiaaez moi, Madame, je connois mon cheval: Ne Von« en raettez
pas en peine. Er rannte damit in einem Galopp nach Dresden; ihm
folgten die Cavaliiergarde und andere Herren des Höffes nach. Die
Gräfin Dönhof wolte ihren Heldenmuth auch bey dieser Gelegenheit
zeigen und den König nicht verlassen; sie hätte aber bald das Un-
glück gehabt vom Pferd zu ztürzen, wo nicht ein Ca valier, der sie
begleitet, den Fall noch mit Geschicklichkeit unterbrochen hätte.
Man bat sie desswegen sich in die Kutsche zu setzen. Sie bedachte
sieh auch nicht lang, sondern stieg vom Pferd und fahr sicherer mit
sechsen, als sie auf einem ritt; wiewohl sie sonst eine gute Reutcrin
war. Nachdem sich auf solche Weise der Hof entfernt hatte, begunte
der Feldmarschali immer noch lustiger zu werden. Er grif in Er-
mangelung der Damen, nach den anwesenden Grisetten und sprang
mit ihnen herrlich und in Freuden herum. Endlich brach die Nacht
darüber ein nnd machte dieser sehr natürlichen Kurtzweit ein Ende.
„So sehen öfters die grossen Leute in der Nähe aus. Wann es
geziemend und erlaubet wäre, ihre persönliche Geschichte mit einer
freyen Feder zu beschreiben, was würde der politische Aberglauben
nicht darunter leiden müssen, der uns in ihnen Götter zu verehren
vorstellet? Ich befragte einen von meinen guten Freunden, der de*
Hofs kundig war, ob die bezeigte Unehrerbietung des Feld raarschalis
gegen den König ihm so hingehen würde. Ha! sprach er im Lachen,
das sind wir so gewohnt Flemming hat wohl noch andere Sachen
angefangen; allein wenn der Rausch verschlaffen ist, und er wieder
nach Hof kommt, so heist es: Ich höre, Flemming ist gestern ein
wenig närrisch gewesen; Ihro Majestät werden es il.m doch nicht
ungnädig nehmen. Der König lacht darüber, und dann ist alles wie-
der gut In der That ist Flemming ein grosser Mann, der dem Kö-
nig sehr getreu ist, und dem also eine kleine Ausschweifung im Trünke
mit nichten übel zu nehmen ist; zumaht da der König selbst dazu
Gelegenheit giebt und auf solche Weise seinen Ministem öfters in
den Grund ihres Herzens sehen kann.*
Am Ende des Jahres 1718 (7. December) starb von Loen's
Grossvater Passavant, von welchem er so viel erbte, dass er von
nun an, ohne sich um Aemter und Anstellungen zu bemühen, seiner
Neigung und seinem Grundsatze „Nemo sit alterius, qui suus esse
potest" nachleben konnte. Zunächst bereiste er die Schweiz und
Frankreich, üeberall, wo er sich aufhielt: in Basel, Zürich, Bern,
Lausanne, Genf, Lyon und Paris benutzte er jede Gelegenheit sich
im Umgänge mit Leuten aus allen, namentlich den höheren Ständen
Digitized by Google
und im persönlichen Verkehr mit den ausgezeichnetsten Gelehrten
auf das vielseitigste auszubilden. Von seiner scharten und richtigen
Beobachtungsgabe zeugt seine Darstellung des französischen Hofes
und französischen Volkscharakters. Nach längerem Aufenthalt in
unserem westlichen Nachbarlande kehrte er über Gent, Brüssel,
Löwen, Mastricht, Aachen und Köln nach Frankfurt zurück, wo
die Verwaltung des ihm zugekommenen mütterlichen Erbes seine
Gegenwart erforderte und ihn auch an der Ausführung einer nach
England beabsichtigten Reise verhinderte.
Nachdem er dagegen eine zweite Reise in die Niederlande
gemacht hatte, gedachte er Italien zu besuchen, Hess sich indessen
durch Befreundete, welche ihm den Posten eines königlich preussi-
schen Ministers am oberrheinischen Kreise verschaffen wollten, im
August 1720 zu einer Reise nach Berlin bestimmen, um dort dem
Könige vorgestellt zu werden, der aber mittlerweile nach Preusseu
sich begeben und das Patent als Hofrath für ihn zurück gelassen
hatte. Aus letzterem Umstände glaubte v. Loen zu erkennen, dass
man mit der Absicht umgehe, ihn in preussischen Staatsdienst zu
ziehen, und da dies um jene Zeit seinen Neigungen völlig wider-
sprach, kehrte er nach Frankfurt zurück. Unterwega besuchte er
in Halle seinen früheren Lehrer Thomasius, welcher ihn in der
Meinung bestärkte, „er solte nicht eines andern Knecht seyn, wann
er sein eigener Herr sein könne".
Den Schluss seiner Wanderungen bildete im Sommer des Jahres
1722 eine Reise zu seinem Oheim nach Breslau, bei welcher Gele-
genheit er sich auch in Nürnberg, Prag, Dresden und Berlin ver-
weilte, und 1724 eine Reise nach Italien, welche jedoch, gegen
seinen Willen, in Folge unvorhergesehener Hindernisse auf einen
Theil von OberitaUen beschränkt blieb.
In einem Alter von 30 Jahren stehend und im Besitz eines an-
sehnlichen Vermögens gedachte nun v. Loen fernerweit als freier
Mann zu leben, und sich völlig ungehemmt und nach eigenem Er-
messen seinen Studien und geistigen Neigungen zu widmen. Zunächst
vermehrte er seinen Büchervorrath durch Ankauf einer ansehnlichen
Bibliothek und seine Kupferstichsammlung durch den des Meriani-
schen Kabinets, welches letztere damals in Folge der unsinnigen
Verschwendung des mit der Merianischen Erbtochter verheiratheten
Eosander von Goethe zur Veräußerung gelangte. Obschon er Stille
und Zurückgezogenheit liebte, konnte er es doch nicht verhindern,
dass sein Haus bald ein Mittelpunkt guter Gesellschaft wurde.
„Was einen feinen und geläuterten Geschmack hatte, fand sich -
- 5*4 -
so wird berichtet — in seiner Gesellschaft ein, und was von Frem-
den was zu bedeuten hatte, kam von Zeit zu Zeit dazu. Es wurde
eine ordentlich eingerichtete Gesellschaft daraus, welche durch ein
auf praktische Art wöchentlich gehaltenes Zeitungscollegium unter-
stützt wurde. Gelehrte und politische Unterredungen, musikalische
Concerte und allerlei Gattungen von ehrbaren Belustigungen machten
sie lebendig, und zogen auch Standespersonen herbei*
Zu von Loen's Freunden zählten unter andern die gelehrten
Herren v. Uffenbach und v. Lersner, sowie später der um einige
Jahrzehende jüngere ausgezeichnete Staatsrechtslehrer Johann Daniel
v. Olenschlager.
Im Jahr 1729 verheirathete sich von Loen mit Katharina
Sibylla Lindheimer, der Schwester von Goethe's Grossmutter Textor,
dereu Vater, Cornelius Lindheimer, im hiesigen Kirchenbuche aU
b. R. Doctor, verschiedener des heiligen römischen Reiches Stände
Raths und des Kaiser- und Reichskammergerichts Advocat und Pro
curator ordin. bezeichnet ist, später aber unter dem Namen „v. Lind-
heim" in den Adelstand erhoben wurde. Sein Hochzeitstag war
seines einzigen Bruders Sterbetag. Letzterer verschied ohne Leibes-
erben und hinterliess ihm seinen Antheil von dem Merianischen
Landgut „auf der Windmühle*, welches beide gemeinsam erkauft und
besessen hatten. Im Jahr 1733 kaufte er das Rittergut Mörfelden,
um daselbst das Landleben zuweilen ungestörter, ab in der unmittel-
baren Nähe von Frankfurt gemessen zu können. 1742 gab die Wahl
und Krönung Kaiser Karls VII. Gelegenheit, dass der spanische
Gesandte Graf von Montijo seine Villa miethete und zu einem
Schauplatze der herrlichsten Feste machte. Unter Anderm fand am
18. November des gedachten Jahres zur Verherrlichung des Namens-
festes der Königin von Spanien ein prachtvolles Feuerwerk daselbst
statt. Die Beschreibung desselben im Diarium der Krönung Kaiser
Karls VII. gibt zugleich einen Beleg für den stattlichen Umfang der
Loen'schen, früher Merianischen Besitzung.
Die freisinnige Richtung seiner Lehrer: Homberg in Marburg,
Thomasius und Gundling in Halle, verbunden mit dem ihm inne-
wohnenden lebhaften Trieb die Wahrheit zu ergründen und dabei
zugleich die Menschen zu friedlichem Einverständnisse zu bringen,
führte von Loen zu einer eben so regen als vielseitigen schriftstelle-
rischen Thätigkeit. Zunächst richtete er seinen Blick auf die religiösen
Zerwürfnisse zwischen den protestantischen Confessionen und Sekten,
was zur Herausgabe seiner ersten Schrift, die unter anonymer Be-
zeichnung des Verfassers erschien, Veranlassung gab. Ihr folgten
Digitized by Google
dann Publikationen der verschiedensten Art Wir lassen hier das
Verzeichnis» seiner sämmtlichen Werke in chronologischer Reihe
folgen:
1) Evangelischer Friedenstempel nach Art der ersten Kirche
entworfen von Christian Gottlob von Friedenheim. Frankfurt, 1724.
2) Jo. Joach. de Kussdorf consilia et uegotia politica, accedit
collectio epistolarum tamiliarium ad viros illustre» cx bibliotlieca
Loeniana. Francof. 1725.
3) Sylvander's von Kdelieben zufällige Betrachtungen von der
Glückseligkeit der Jugend. Ebend. 1726. In zweiter Auflage er-
schienen zu Hanau 1728 unter dem Titel : Moralische und politische
Schriften.
4) Oeuvres Francoises de Mr. d'E. 1726. Mit einer Vorrede von
Dr. Burggrave.
5) Höchst bedenkliche Ursachen, warum beyderseits Lutherische
und Reformirte in Fried und Einigkeit sollen zusammenhalten und
mit einander einerlei Gottesdienst pflegen, von G. E. von F., 1727.
Eine Fortsetzung des Friedenstempels.
6) Hiob Ludolfs allgemeine Schaubühne oder Beschreibung der
vornehmsten Weltgeschichte des XVII. Jahrhunderts. Fünfter Theil,
von 1676 bis 1688. Mit einer Vorrede von Dr. Pritius. Frankfurt,
1731.
7) Bibliotheca Loeniana selecta realis systematica. 1734. (Ein
Verzeichniss seines beträchtlichen und auserlesenen Bucherschatzes,
dessen Druck aber in's Stocken gerieth.)
8) Hrn. S. von E. Bedenken vom Separatisroo und Vereinigung
der Religionen. Frankfurt, 1737.
9) Fr. de Salignac de la Mothe Fenelon's geistliche Schriften
in's Deutsche übersetzt. 2 Theile. Frankfurt 1737 und 1743.
10) Der vernünftige Gottesdienst nach der leichten Lehrart des
Heilandes, untersucht bey Gelegenheit einiger an Ihro hochgrärl.
Excellenz den Hrn. Grafen von Zinzendorf gerichteten und von
Ihroselben beantworteten Fragen. 1. Thessal. V. 21. Prüfet aber
Alles, und das Gute behaltet. Frankfurt, 1738. 3. Aufl. 1741. - Die
von v. Loen in der Frankfurter Zeitung an Zinzendorf gerichteten
und von diesem nur sehr dürftig und unvollständig beantworteten
Fragen waren folgende: 1) Ob die Herrnhuter nicht besser thäten,
wenn sie keine besondere Brüderschaft und Gemeine unter sich auf-
richteten und sich in Einfalt zur evangelischen Kirche hielten, weil
sie doch zu ihren Lehren sich bekenneten? 2) Ob die besonderen
Versammlungen in den Häusern , die eine Art eines öffentlichen
35
- 546 -
Gottesdienstes vorstellen und zu vielen verkehrten Urtheilen Anlass
geben, nicht fUglieher eingestellet, und die Erbauung gutgesinnter
Seelen in einem gewöhnlichen Umgange, durch gute Ermahnungen,
vertrauliche Gespräche und dergleichen möchte befordert werden,
damit es nicht das Ansehen hätte, als wollte man etwas apartes
haben? 3) Ob ihre Lieder, weil viele darunter anstössig, seltsam
und dunkel schienen, in allgemeinen Versammlungen, wo allerhand
Leute mit zugegen sind, besser nicht gesungen würden? 4) Ob es
ihren Absichten nicht gemässer seyn sollte, in adiaphoris sich auf
keinerlei Weise auszuzeichnen? In Betrachtung, dass weder Christus
noch seine Apostel etwas getban und gelehret, woraus man einen
singularismum in decoro, Kleidern, Manieren und dergleichen äusser-
lichen Dingen abnehmen könnte. Es heisset wohl, stellet euch nicht
dieser Welt gleich ; wir halten aber davor, die Welt heisse hier so
viel als Gottlosen, und nicht der in der Welt übliche Wohlstand.
5) Ob sie in ihrer Sittenlehre öfters nicht auch zu weit gehen, wenn
sie dem Menschen den Genua» eines zeitlichen Vergnügens gar leicht
pflegen zur Sünde zu machen ; da doch Gott diese ganze Welt, und
alles wsb darinnen ist, zum Dienst und Genuas des Menschen er-
schaffen, doch so, dass er allezeit die Früchte des verbotenen Baumes,
welche noch immer die Strafe und den Tod nach sich ziehen, sorg-
fältigst zu meiden hat. Wie viel Schätze und Reichthüraer hat uns
nicht die Güte und Freundlichkeit Gottes zu unserer Freude und
seiner Verherrlichung ausgesetzet, bey deren Genüsse wir weiter
nichts, als die uns vorgeschriebene Ordnung zu beobachten haben ?
6) Ob die Lehre, dass ein Jünger Christi zur Stillung der Lüste
nicht heirathen soll, so zu verstehen sey, dass dieses nicht finis Pri-
marius matrimonii seyn müsste; oder ob dadurch die Lust selbst au
verstehen, von welcher Paulus sagt: Es ist besser heirathen, al*
Brunst leiden. Wie wir im ersten Sinne der Meynung völlig bey-
pflichten, das» unser Hauptzweck in allem die Ehre und Verherr-
lichung Gottes, und nicht die Befriedigung unserer Begierden seyn
soll, so könnten wir im andern Sinne, so fern dadurch die Lust
selbst verbothen würde, diesen Lehrsatz nicht verstehen, gestalten
die actus matrimoniales ohne Lust nicht vollführet werden können;
es bleibt und haftet in unsern Sinnen diejenige lustgebtthrende Em-
pfindung, welche der Einfluss ausser lieh er Dinge in unser Wesen
ordentlicher Weise zu haben pflegt, und die wir desswegen als etwas
GuteB und unserer Natur gemässes appetireu? 7) Ob die Notwen-
digkeit der Wiedergeburt zugleich auch involvire, dass man den
Moduin müsste wissen und determiniren können? und ob nicht der
Digitized by Google
- 547 -
Processus conversionis sowohl nach und nach (nachdem ein Mensch
guter Art und eine feine Seele empfangen, mithin den Wirkungen
der Gnade bey sich Raum lässt), als durch einen ganz merklichen
Umsturz seiner ganzen Natur auf einmal vor sich zu gehen pflege,
und der neue Mensch spiritualiter, wie er in partu naturali physice
gebohren würde? — Am Schlüsse dieser Schrift fasst v. Loen den
religiösen Glauben in Einem Artikel zusammen. 8Es ist schwer,
sagt er, sich einzubilden, dass der Glaube so vielerley Begriffe und
Wissenschaften in sich halten sollte, welche kaum den sdiarfsinnigsten
und gelehrtesten Köpfen verständlich vorkommen. Es muss demnach
eine gewisse Grundwahrheit seyn, welche die andern alle begreift,
und welche alle diejenigen verstehen müssen, die da suchen selig zu
werden. Diese Grundwahrheit muss die Eigenschaft haben, 1) dass
sie deutlich, 2) allgemein, 3) nach der Fähigkeit aller, auch der
schwachsinnigsten Menschen eingerichtet sey." v. Loen bezeichnet
diese Grundwahrheit. „Sie ist der Glaube au Jesum Christum, nicht
aber ein historischer, soudern lebendiger. Denn von diesem Jesu
zeugen alle Propheten, Apostelg. IV, 12; X, 43, und alles ist ge-
schrieben, dass wir glauben sollen, Jesus sey der Christ u. s. w.
Joh. XX, 31.a „Meynungen, fährt er fort, Wörterkriege, Lehrsätze
nach eigener Weisheit, symbolische Bücher, gelehrte Kritik, Wissen-
schaft der Alterthümer, alle diese Dinge gehören nicht hieher: sie
laufen gemeiniglich nur auf leere Fragen hinaus, die nicht zur
Besserung dienen, und hernach in so viele Sekten ausbrechen, als
Menschen sich finden, die von ihrer eigenen Weisheit eingenommen
sind." — Es erhellet auch hieraus v. Loen's Verlangen nach con-
t'essioneller Vereinigung.
11) Gelehrte Zeitungen und amusemens litteraires. Einiges davon
findet sich iu der „Frankfurtischen Gelehrten Zeitunge" Jahrgang
173«.
12) Discours vom Soldatenstande; s. des GeneralB Eosander
Kriegsschule, welcher es vorgedruckt ist Frankfurt, 1738.
13) Der redliche Mann am Hofe, oder die Begebenheiten des
Grafen von Bivera, nebst beygefügten freyen Gedanken von der
Verbesserung eines Staats. Frankfurt, 174Ö. Diese Schrift erlebte
verschiedene Auflagen und wurde auch in's Holländische übersetzt.
14) Novemviratus oder kurzer Entwurf von der Macht, Hoheit,
Würde und Gerechtigkeit der neun hohen Churhäuser des h. röm.
Reichs. 1741.
15) Die güldene Bulle Kaiser Carl's IV. uach dem zu Frankfurt
befindlichen lateinischen und deutschen Original iu einer neuen Ueber-
35*
Digitized by Google
- 5*8 —
setznng Dach dem eigentlichen Wortverstande nnd den verschiedenen
Lesearten, mit Anmerkungen, auch andern beygefügten Reiehsgrund-
geaetzen. Frankfurt, 1741.
16) Der Kaufmannaadel, untersucht von einem nnpartheyischen
Rechtsgelehrten. 1742. (Erschien in vielen Auflagen).
17) Lettre« curienses d'nn Gentilhomme AJ Jemand touchant les
moenrs et les affaires du tems. 2 Theile. 1741 und 1742.
18) Memoire« dun Gentilhomme au sujet de ce qui se passe de
plus remarquable a la diete de Frankfort, 1741.
19) Le Soldat, ou le metier de la guerre considere* comme le
metier d'honneur, avec un essais de bibliotheque miliuire. Frft. 1748.
Eine vermehrte deutsche Auflage 1748, und eine weitere 1752.
20) Das Bild eines weisen Mannes und eines Christen am Hofe
in dem Leben des Erzbischofs Fenelon. Frankfurt, 1743.
21) Die Religion, entworfen von dem Herrn Racine und in's
Deutsche Ubersetzt mit Anmerkungen. 1744 in gebundener Rede.
22) Fenclon's Gespräche der Todten der aiteu und neuen Welt,
mit einigen Fabeln, aus dem Französischen fibersetzt, mit Anmer-
kungen. 2 Theile. Frankfurt, 1745.
23) Lob der Bankerutirer. 1745.
24) Freye Gedanken zur Verbesserung der menschlichen Gesell-
schaft. 4 Theile. Frankfurt 174ö und 1747. Neue Auflagen: 1748,
1750, 1752. Das Buch beginnt mit dem Schreiben eines TTtopianers
von den Sitten und Mängeln der Europäer.
25) Entwurf einer StaatBkunst, worin die natürlichsten Mittel ent-
deckt werden, ein Land mächtig, reich und glücklich zu machen. 1747.
26) Bedenken von der Schädlichkeit der Festungen und dem
wider das Natur- und Völkerrecht laufenden Gebrauche des Pul-
vers. 1747.
27) FenelouV kurze Lebensbeschreibungen und Lehrsätze der
alten Weltweisen, ins Deutsche übersetzt und mit Anmerkungen und
Zusätzen vermehret 174M.
2H) Nene Sammlung der merkwürdigsten ReiBegeschichten , von
einer Gesellschaft gelehrter Leute in einen historischen Zusammen-
hang gebracht. 1. Theil. Frankfurt, 1748. v. Loen hatte vielen An-
theil an diesem Unternehmen, verzichtete jedoch nach Erscheinen
des fünften Theils auf die Leitung desselben.
29) Les rejouissancen des Hollandois. Epitre gratulatoire par
ChrisocostnopopMlax. 1749. Auch in deutscher Sprache gedruckt
Eine feine und zugleich scharfe Satyre Uber die Freudenbezeugungen
der Holländer bei der Erhebung des Prinzen Erbstatthalters.
Digitized by Google
- 549 -
30) Abbildung des Grafen von Zinzendorf.
31) Gesammelte kleine Schriften, besorgt und herausgegeben
von J. E. Schneidern. 4 Theile. Frankfurt, 1749. 1750. 1751 und
1752 * (In einer Recension — Göttinger Zeitung, 1750, No. 53 —
heisst es von dem zweiten Theil, welcher 35 Sendschreiben enthält,
folgendermassen: „Des Herrn v. Loen angenehme und abgemessene
Art zu erzählen, seine viele am rechten Ort angebrachte moralische
und politische Betrachtungen geben ihnen besondere Vorzüge. Herr
v. Loen kennet die Welt und das menschliche Herz. Eine edle und
wirksame Menschenliebe zeiget sich bei ihm allenthalben. Er folget
nicht dem gemeinen Wahne und laset sich nicht durch den Schimmer
der ausserlichen Hoheit blenden. Er sagt öfters Wahrheiten, die
andere Scribenten in Gedanken behalten. Er ist ein abgesagter
Feind der Schmeicheley, der Pedanterey, des lieblosen und zänkischen
Religionseifers. Dabei aber schreibt er ohne alle Bitterkeit und be-
sitzt die seltene Gabe, seine Lehren so vorzutragen, dass sie auch
denen, deren Eigennutz dadurch getroffen wird, an's Herz gehen.")
32) Moralische Gedichte, herausgegeben von Naumann, mit einer
Zuschrift an Albrecht v. Haller. 1750.
33) Die einzige wahre Religion, allgemein in ihren Grundsätzen,
verwirret durch die Zänkereyen der Schriftgelehrten, zertheilet in
allerhand Sekten, vereiniget in Christo. 2 Theile. 1750 und 1752.
Neue veränderte Ausgabe 1756. Dieses ins Lateinische und Hollän-
dische übersetzte Buch machte grosses Aufsehen und erweckte dem
Verfasser viele Gegner. Ein kurzer Ueberblick über den Inhalt
desselben wird dies begreiflich machen. Das Wesentliche der ganzen
Religion setzt v. Loen in die Liebe und in die Begriffe von Gott,
seinen Eigenschaften und Werken, die auch der beschränkteste
Mensch auffassen könne. In den Grundwahrheiten stimmen Vernunft
und Offenbarung, vernünftige Heiden und Christen, Katholiken,
Protestanten, Socinianer, Pietisten und andre Sekten miteinander
überein. Die Sätze, worin sich diese Sekten unterscheiden, betreffen
nicht das Wesentliche der wahren Religion und dürfen also die
Vereinigung nicht hindern. Alle Glaubensformen , Systemata, Contro-
' Dieses Werk , das doch nicht leicht in einer Bibliothek damaliger Zeit
fehlen durfte, wurde dem Verfasser von seinem Verleger Heinrich Hutten mit
zwei Thal er n fUr den Bogen bezahlt; dasselbe gab Fleischer für dessen
Werk „der Soldat", in welchem mit grossem Freirauthe die Cirundztige einer
Landwehrorganisation entwickelt wurden. Vgl. Didaskalia 1867, Nro. 51.
„«»oethe's Vaterstadt vor seiner Geburt- von A. v. L.
4
Digitized by Google
Versen müssen abgeschafft werden. Alle Ceremonien, zu denen er
auch Taufe und Abendmahl rechnet, sind Erfindungen der Geist-
lichen und daher in religiöser Beziehung gleichgültig; man kann sie
beibehalten, „wenn sie nützlich und ehrerbietig Bind" Das Abend-
mahl aber gehört nicht in die Kirche, sondern nach Christi Absicht
sollen wir uns nur, wenn wir essen oder trinken, seines Leidens
erinnern. Papst, Bischöfe, Klöster u.dgl. will er beibehalten, jedoch
von Missbräuchen gereinigt wissen. — Aus der nicht unansehnlichen
Zahl der Gegenschriften, welche das Buch hervorrief, wollen wir
hier nur zweier Erwähnung thun: der einen „dass die Kindertaufe
in der heiligen Schrift befohlen und in der ersten christlichen Kirche
üblich gewesen sei", weil sie von J. J. Plitt, damals (1751) Professor
in Marburg und später Senior des lutherischen Predigerministeriums
zu Frankfurt ausging; und einer andern, als der bedeutendsten:
„Historische und dogmatische Anmerkungen über das Lehrgebäude
des Herrn von Loen in der Schrift die einzige wahre Religion, mit
einer Vorrede von Dr. Siegm. Jac. Baumgarten (dem bekannten
Hallischen Theologen)". Letztere enthält eine gründliche und einge-
hende Kritik der v. Loen'schen Schrift. Ausser mehreren Verthei-
digungsschriften des Verfassers erschien „Lob- und Trauerrede auf
die letzte Unionsschrift des Herrn v. Loen, das ist freundschaftliche
und bescheidene Prüfung derselben, abgefaaset von einem die Wahr-
heit liebenden evangelisch -lutherischen Christen. Leipzig, 1751".
Der ungenannte Verfasser ist der Meinung, man habe sich in Beur-
teilung der v. Loen'schen Schrift zwischen den beiden Extremen
massloser Lobpreisung und verächtlicher Geringschätzung bewegt
Er verfährt auf andere Weise. Im ersten Theile ftlhrt er solche
Dinge an, die man in der Schrift des Herr v. Loen nicht recht gut
heissen könne. Dahin rechnet er 1) dass Herrn v. Loen allzu viel
Gleichgültigkeit in Bezug auf die Religion an den Tag lege, weil
er den Glauben zu sehr beschränke und die meisten Glaubensartikel
für Kleinigkeiten und Erfindungen der Geistlichen halte, 2) dass er
allzu verschwenderisch mit der Seligkeit umgehe, da er sie auch
denen ohne Unterschied zuspreche, die von Christo nichts wissen
sofern sie nur Deisten seien, 3) dass er allzuviel Gleichgültigkeit
gegen die vou Jesu selbst eingesetzten Sacramente blicken lasse,
4) dass er alle Concilien und symbolischen Bücher als werthlos und
schädlich verwerfe, und 5) dass er über die Geistlichen allzu übel
urtheile, sie für die Urheber alles Unheils ansehe, alle theologischen
Streitigkeiten für unnütz halte und die theologischen Facul täten
am liebsten aufgehoben sehen möchte. Der zweite Theil ist die
Digitized by GooqI
— 551
Lobrede und handelt von dem, was man in der Schrift billigen
inüsse. Dahin zählt er 1) die Vereinigimg verschiedener christlichen
Sekten und Religionen, 2) die Herstellung und Gründung gewisser
Arten von Klöstern u. s. w. Er lobt die Vorschläge v. Loen's mit
satyrischer Feder, empfiehlt sie als erspriesslich und vermehrt sie
mit neuen Vorschlägen, zweifelt aber mit Recht an deren Erfüllung.
34) Der Adel. Ulm, 1752.
35) Systeme de la Religion universelle. 1763.
36) Freye Gedanken von dem Hofe, dem Adel, den Gerichts-
höfen, der Policey etc. Ulm, 1760. 3. Aufl. 176a
37) Freye Gedanken vom Hofe, der Policey, dem gelehrten,
bürgerlichen und Baurenstande, von der Religion und einem be-
ständigen Frieden in Europa. Frankfurt und Leipzig, 1768.
In Betrefl einiger anderer Schriften ist seine Autorschaft
zweifelhaft.
Zur Entwerfung einer Parallele der hiesigen Zustände um die
Mitte des vorigen Jahrhunderts und wie sie jetzt sind, möchte wohl
nachstehender Aufsatz aus den „Gesammelten kleinen Schriften" (31)
sehr geeignet erscheinen.
Frankfurt im Jahr 1741.
Mein Herr,
Die schöne Zeit ist wieder kommen, und ich habe Gelegenheit
gehabt, diesen Ort näher kennen zu lernen. Ich will Jhnen deswegen
eine kurze Beschreibung davon machen.
Die Stadt Franckfurt ist eine der schönsten Städte im deutschen
Reich, sie ist zwar nur mittelmässig gross, aber sehr angebauet und
volckreich: die Lage derselben ist unvergleichlich und die Gegend
daherum ist eine der angenehmsten in der Welt Der Mayn formiret
gegen den Aufgang von Seiten der Brücke ein rechtes Schaugelüste,
wo sich die Stadt auf beyden Seiten in einem prächtigen Ansehen
aeiget Sowohl in der Stadt, als ausserhalb derselben sind die
schönsten Spaziergänge. Man siebet allenthalben Höfe und Lust-
gärten, deren einige sehr wohl angelegt sind, und kostbar unterhalten
werden.
Es ist nur Schade, dass das inwendige der Stadt gröstentheils
sehr Übel gebauet ist Die meisten Häusser sind von Holz und
Lahnen aufgefuhret, und haben weder Einrichtung noch Bequemhch-
Digitized by Google
— 552 -
keit. Dieses ist ein allgemeiner Fehler in allen alten Städten, die in
der Gegend des Rheinstroms liegen. Eine so schlechte Bauart ist
Ursache, dass an diesem Ort die Feuersbrünste so leicht Uberhand
nehmen und öfters ganze Strassen in die Asche legen. Wo einmal
ein Brand ausbricht, da stehen gleich etliche Häuser in Flammen,
ehe man die Anstalten zur Gegenwehr machen kann, so sehr hängen
die Gebäude in einander. Man hat zwar diesem Uebel bisher da-
durch vorzubauen gesucht, indem man die Häuser durch Mauren von
einander absondert und gleichsam wie mit einem steinernen Mantel
umgiebt; allein diese Erfindung macht die Wohnungen sehr feucht,
dunckel und ungesund, ohne gleichwohl die Gefahr des Feuers davon
abzuwenden, dann die mehreste Strassen sind enge und die Häusser
häugen von fornen etliche Schuhe Uber, dergestalt, dass sie fast in
den kleinen Gassen oben zusammen stossen. Was hat demnach eine
solche Stadt bey dermaligen Umständen nicht zu furchten, da sie mit
so vielen Fremden angefüllet ist, welche nicht alle die nöthige Be-
hutsamkeit haben mit dem Feuer, wie sie sollen, umzugehen. Wenn
man die grossen Küchen von Brettern eichet, welche einige Herren
und Abgesanden zu ihrem Gebrauch haben auffuhren lassen, so solte
man sagen, sie seyen deswegen gebauet, um die Stadt in Brand zu
stecken. Die Einwohner hätten deswegen Ursache zu wünschen,
dass sie eben so geschwind und so glücklich möchten von der Flamme
verzehrt werden, als neulich die französische Küche. Man würde da-
durch auf den natürlichen Einfall kommen, solche von Steinen und
Backsteinen aufzuführen, wie solches würklich in den Quartieren des
französischen und spanischen Gesanden geschiehet.
Im übrigen so gefällt es mir überaus wohl in dieser Stadt. Ein
Fremder bringt hier seine Zeit nicht übel zu; er darf nur einmal
den Eintritt in ein gutes Hauss gewinnen, so stehen ihm die meisten
andre offen. Der Umgang ist fast durchgehend* leicht und ange
nehm. Man siebet sich einander in den Cafleehäussern, in den Schau-
spielen, auf den Spaziergängen und in den Gesellschaften. In den
Häussern des Adels ist man wohl , bey den Kaufleuten aber noch
besser; ich werde wenigstens allezeit bei diesen ein Quadrille mit
zwey oder drey artigen Kindern, der traurigen Ehre vorziehen, mit
etlichen alten Damen zu spielen, bei denen sich sogar die Ahnen
auch auf der Stirne blicken lassen.
Es finden sich hier unter den Kaufleuten sehr gute Familien.
Man beobachtet in ihren Häussern eine ungemeine Reinlichkeit,
welche sie , nebst ihrer ganzen Aufführung sehr deutlich von ge-
meinen Bürgersleuten unterscheidet. Es ist wahr, dass der Eifer für
Digitized by Google
— 553 —
die Reinlichkeit bey .einigen zusehr übertrieben wird. Man kann
auch in guten Sachen ausschweißen und lächerlich werden. Da«
franckfurter Frauenzimmer gleichet hierinnen viel dem holländischen.
Es macht sein gröetes Geschäme aus dieser Kleinigkeit, und ich
wolte demselben lieber eine grobe Unhöftichkeit erweisen, als einen
Kleck von ungefehr auf den Boden machen.
Ich bekam hier einen wüsten Handel wegen meines Dieners.
Dieser hatte einst, als er nach Hause kam, die Schuhe nicht recht
abgeputzt Beydes, Frau und Magd überfielen ihn darüber mit der-
ben Scheltworten. Ich wolte Friede machen, allein ich konnte lange
nicht zum Worte kommen Endlich kriegte mich das Mädgen, wel-
ches die Zunge geläufiger hatte als ihre Frau , bey dem Arm zu
fassen, und bat mich den Koth zu betrachten, den ihr mein Laquay
von der Gassen ins Haus getragen hätte. Sehen sie doch, mein
Herr, sprach sie, mit einem gerechten Zorn, sehen sie doch, man
kann alle seine Tritte erkennen. Es ist heut Samstag; das Haus ist
von oben bis unten gerieben worden. Wir leben hier nicht wie die
Schweine. Wir sind Gott lob! zu Franckfurt Die Arbeit ist mir
sauer worden. Ich habe meine Arme nicht gestohlen. Sie sagte mir
noch viele andere dergleichen Dinge mit solcher Geschwindigkeit,
dass ich sie kaum hören konnto. und wünschte dabey mit dem besten
Hertzen von der Welt, die Fremden mit samt der Kayserwahl auf
den Blocksberg. Alles Recht, so ich ihr konnte wiederfahren lassen,
bestünde darinnen, dass ich meinem Bedienten die Abscheulichkeit
seiner That verwies, und ihn zu gleich bedrohete, ihn als einen
Menschen, der gar nicht zu leben wüste, fortzujagen, wenn er noch
einmal vergessen würde seine Schuhe abzuputzen.
Sonst kann hier ein jeder leben, wie er will: Er kann Kutsche
und Pferde und Libereydiener halten. Er kann sich prächtig kleiden
und aller frey herrlichen Vorzüge gemessen, wann er nur Geld hat.
Verschiedene, wie man mir sagt, sollen, ohne Mitteln zu haben, eine
solche Figur machen, und sich mit einer grosmüthigen Seele, in das
Verderben, welches sie vor sich sehen, hinein stürtzen.
Man liebet hier nicht allein einen grossen Aufwand, sondern
auch eine gute Tafel. Leute , die ein wenig Vermögen haben , ver-
abscheuen insgemein die Arbeit. Ja, einige sind gar so gemächlich,
dass sie auch das Spazierengehen für eine Beschwerlichkeit halten : in-
dem man dabey die Füsse zu viel beweget Andere scheuen die
Luft, weil sie das Fell verderben soll, oder weil sie sich solche der-
massen entwöhnet haben, das» sie gleich davon Husten und Schnupfen
bekommen. Man siebet nicht leicht eine Gegend, die so reizend ist
Digitized by Google
die Menschen ins Grttne su locken und die gleichwohl so wenig ge-
nossen wird. Die Franzosen bedienen sich dieses Vortheils schon
besser. Man siehet sie in der Menge auf den Spaziergängen, mittler-
weile dass die mehreste vornehme Einwohner dieser Stadt hinter
ihren Fenstern sitzen und ihre Zeit mit einem langweiligen Spiel
vertreiben.
Man sagt, dass es hier gewisse reiche Leute gäbe, die gleichsam
von Gesundheit bersten und dem ungeachtet sich doch immer be-
klagten, dass sie kranck wären. Kinder des Glücks, die im Müssig-
gang und in Uebcrfluss erzogen sind; die nur leben, um zu leiden,
weil es ihnen zu wohl ist. Die Zeit wird ihnen zur Last, sie peiniget
sie mit einer grausamen langen Weile. Was das wundersamste ist,
bo kann mau nicht wohl mit diesen Leuten umgehen, ohne eben
dieses Uebel zu empfinden. Einer von meinen Freunden drohet mir,
mich in ihre Bekanntschaft zu bringen, um mich , wie er sagt , zur
Gedult zu gewöhnen. Er ist im Stand sein Wort zu halten. Ich
fürchte mich schon davor.
Das Blut ist hier nicht hesslich : es gibt schöne Weibsbilder in
dieser Stadt; allein die grosse GemUthsneigungen stören nicht viel
ihre Ruhe. Wann sie nur gefallen, so ist ihnen dieses schon genug.
Wie viel Ehre ist also denen jungen Marquisen nicht vorbehalten,
welche mit dem Marschall von Belleisle ankommen sollen, wann sie
diese träge und kaltsinnige Schönen werden empfindlich machen
können ?
Man siehet hier allerhand Menschen und Völker unter einander,
besonders in Messzeiten. Es wird hier viel Französisch gesprochen,
weil noch viele Familien aus Franckreich sich hier niedergelassen
haben. Sonst giebt es hier auch Italiener, Savoyarden, Tyroler, in-
sonderheit viele reiche niederländische und schweitzerische Familien.
Diese beyde letztere sind meistenteils refonnirter Religion und haben
ihren Gottesdienst ausserhalb der Stadt im hanauischen Gebiete : sie
suchen schon lang eine Kirche in der Stadt Kingmauren, welches
ihnen über der Magistrat, nicht aus Religions soudein aus Stautsur-
saehen verweigert. Dieser Process, wo mir recht ist, dauert schon
lang über hundert Jahre uud dürfte sobald auch nicht zu Ende
gehen, dann er gehört unter die nützliehe und einträgliche Rechts-
streite, die mit einem grossniüthigen Eigensinn aus dem gemeinen
Seckel gefuhret werden. Die Akten füllen schon zwey starcke
Foliante : man hat mir davon eine Verehrung gemacht, welche ich
aber nur mit diesem Beding angenommen, dass ich sie nicht lesen
dörftc. Eine Streitigkeit welche verursacht, dass man aus christlichem
Digitized by Google
— 555 —
Eiter in der Liebe des Nächstens öfters manche kleine Ausnahmen
macht Doch ist die Geistlichkeit nicht schuld daran, dann sie ist
hier durchgehends sehr friedliebend und bringt selten grobe Contro-
versen auf die Canzel.
Die Juden haben in dieser Stadt ihre eigene Synagoge. Das
Quartier, welches man ihnen eingeraumet hat, ist ein hessliches Aus-
lüger voller Unreinigkeit. Sie leben in diesen sumpfigten Winkeln
wie das Ungeziefer im Unflat. Das Feuer hat diesen kothigten
Aufenthalt schon zweymahl zu reinigen gesucht, und durch seine
Flammen in Schott und Asche verkehret. Allein dieses hat nur
darzn gedienet, ihre I I ausser desto schneller wieder aufzubauen und
den Raum in der Luft zu suchen, den man ihnen auf der Erde nicht
vergönnet; dann sie dörifen sich nicht ausserhalb ihren Ringmauren
ausbreiten. Je mehr sie sich also eingespärrt sehen und einander
über den Köpfen sitzen, je besser geht auch hey ihnen die Ver-
mehrung von statten; es wimmelt und grabelt darinnen alles mit
hebräischen Figuren. Fragt man, wovon sich dieses alte Ueber-
bleibsel der zwölf israelitischen Stämme nähret, so heisst es, vom
Betrug.
Eb ist hier die rechte hohe Schule von dieser Wissenschaft, und
wann anders Witz und Trug und List unter die Verdienste des Ver-
standes gerechnet werden, so kann man solche diesem verschmitzten
Volk nicht streitig machen, dann es treibet solche bis zur Vortreff-
lichkeit. Doch gibt es auch noch ehrliche Juden, welche an die
zehen Gebote glauben. Man hat mir davon einige Exempeln
crzehlt, welche die Christen beschämt machen; dann es
gibt viele unter diesen letzten, welche ohne dasZeichen
der Beschneidung zu haben, ihren Nächsten im Handel
und Wandel mit gleicher Fertigkeit zu beschneiden
wissen, wo sie nicht gar darinnen noch die Juden über-
treffen.
Die Handlung ist die Seele dieser reichen Stadt: sie allein hält
sie empor und giebt ihr einen Rang unter den vornehmsten Städten
der Welt. Unter den Kaufleuten selbst sind grosse und ehrwürdige
Männer, die als wahre Patrioten ihre erworbene Reichthümer zur
Aufnahme der Stadt und zum besten ihrer Mitbürger, insonderheit
der Armen, mit vielem Ruhm zu gebrauchen wissen. Diese Leute
haben meistens in ihrer Jugend schöne Reisen gethan, verstehen die
vornehmsten europäischen Sprachen, lesen gute Bücher und zeigen
in ihrem ganzen Umgang eine edle Lebensart. Sie müssen sich nicht
wundern, wann sie hier in ein vornehmes Handelshaus kommen, dass
Digitized by Google
- 556 -
sie von Libereydienern bedienet werden, und darinnen einen Zircke!
von geputzten Damen antreffen, der allen Glanz und alle Vorzüge
der Höfe zeiget Was ist billiger, ab dasa Leute, die ein grosses
Vermögen besitzen, solches auch gemessen und sich damit eine Ehre
machen ; doch soll auch hier das Sprichwort gelten : Alles ist nicht
Gold was glänzet Es giebt auch falsche Diamanten und beschnittene
Ducaten unter diesen guten Geprilgen. Allein wo ist ein Stand, wo
ist eine Art von Gewerbe darunter man nicht eine gleiche Vermisch-
ung der guten und bösen beobachtet
Die Stadt ist ziemlich wohl befestiget : sie unterhält ihre eigne
Besatzung, die sich auf tausend Mann und mehr belauftet Ihre Sol-
daten sind in Wehr und Waffen so gut geübt, als andre und stehen
noch besser im Sold. Diejenigen so ein Handwerk verstehen, können
demselben dabey gerul) ig abwarten, und die andern verdienen sich,
wann sie keine Wacht haben, als Taglöhner, ihren Trunk, welcher
die einzige Erquickung ihrer sonst wenig mühsamen Kriegsdienste zu
seyn scheinet Unter ihren Befehlshabern giebt es artige und ver-
suchte Leute: Die strenge Kriegszucht aber muss man an einem
Orte nicht erwarten, wo man keine Eroberungen zu machen sucht
Man findet hier auch viele gelehrte Leute, deren einige sich
durch ihre Wissenschafften berühmt gemacht haben: sie haben nicht
alle das Unglück so arm zu seyn, als es insgemein Leute von diesem
Handwerck zu seyn pflegen. Sie kennen die Welt, sie wissen zu
leben und sind gleichwohl gelehrt.
Was mir am seltsamsten vorkommt, ist, dass man hier unter dem
Pöbel alles Herren und Jungfern heisset Als ich hier ankam, ver-
langte ich einen Lohnlackeyen. Die Magd im Hause kam kurz dar-
auf in mein Zimmer und sagte mir, der Herr Heinrich wäre da und
begehrte mich zu sprechen. Ich lies meinen Diener hinausgehen,
um den Herrn Heinrich herein zu führen. Dieser erschien mit einem
grossen Degen an der Seite und in einer ziemlich schmutzigen
Kleidung. Was ist zu ihren Diensten , mein Herr Heinrich , redete
ich ihn an; Er antwortete mir mit einer gewissen Art, die seine
kleine Meisterschaft zu erkennen gab: ich bin der Lohnlackey, den
die Jungfer Luise hat raffen lassen. Ich konnte mich hierbey des
Lachens nicht enthalten; Die Jungfer Luise war ein kleiner Küchen-
pudel, den man ohne sich schmutzig zu machen nicht hätte anrühren
können. Ich sagte darauf dem Herrn Heinrich, er solte meinem
Diener nur die vornehmsten Strassen in der Stadt und die Posthäusser
zeigen. Den andern Tag darauf lies sich der Herr Grünpech bey
mir melden. Ich fragte wer ist der Herr Grttnpech V es ist , sagte
Digitized by Googl
- 557 —
man mir, der Sohn des Herrn Grünpechs, den ich hätte bestellen
lassen, um mir ein Paar Schuhe anzumessen. Ich konnte die Höf-
lichkeit dieses kleinen Volks nicht genug bewundern: ich betrachtete
solche als eine Würkung derjenigen glückseligen Freyheit, die hier
einem jeden erlaubet, aus sich zu machen, was er will.
Es ist hier ganz etwas gemeines, dass man einem Schneider,
einem Schreiner, einem Schuhmacher und dergleichen den Titel, dem
Wohledlen giebt. Ja der geringste Tagdieb weis sich gross damit
ein freyer Reichsbürger zu seyn.
Es sind viele Dinge die eine Stadt gross und mächtig machen;
darunter rechnet man auch den starken Zugang von Fremden und
Reisenden, welche sich darinnen eine Zeitlang aufzuhalten pflegen
und durch ihren Aufwand ansehnliche Geldsummen hinterlassen. Kein
Ort ist darzu besser gelegen, als Franckturt. Anderwärts sucht man
die Fremden herbey zu locken, und ihnen allerhand Veränderungen,
Lustbarkeiten und Schauspiele zu geben. Hier aber ist man nicht
so eigennützig. Es dürflen sich hier keine Fremde, als in denGast-
häussern aufhalten, und es ist noch nicht gar lang, dass man eine
Verordnung gemacht hat, vermöge deren allen Fremden der Schutz
aufgekündiget würde, wo sie sich anders nicht würden gefallen
lassen, sich, wie man es hier nennet, schreiben zu lassen, und einige
Lasten mit zu tragen : weil sich darunter verschiedene vornehme
Leute befanden, denen dergleichen Zumuthen nicht gefiel, so wurden
auch verschiedene grosse Häusser leer ; dem ungeachtet ist die Stadt
volkreich genug, und es halten sich auch beständig Fürsten, Grafen,
Gesanden, Ruthe, Residenten und dergleichen Personen vom Rang
hier auf; wie dann unter andern der Fürst von Taxis hier seine
Wohnung hat und prächtig Hof hält.
Das I^ooa hat die ehmalige Bemühungen in Rath zu kommen
glücklich unterbrochen. Dieses IvOob, das durch Kugeln gezogen
wird, entscheidet die Wahl unter dreyeu Candidaten. Man muss be-
kennen, dass es bisher noch ziemlich glücklich ausgefallen ist; dann
es finden sich in der Tliat unter dieser ansehnlichen Versammlung
solche Glieder, die ihr viel Ehre machen. Im übrigen aber so giebt
e» wenige Riirger hier, die nicht eine Würde oder ein Aemtgen be-
sitzen, darauf sie sich nicht etwas zu gut thun und einbilden gölten.
Man findet hier noch treffliche alte Familien unter dem sogenannten
Patriciat. Sie treiben nicht allein keine bürgerliche Handthierung,
sondern heyrathen sich auch nicht ausser dem Adelstand. Desshalben
sie dann sowohl Stifft- und Thurniermäsig sind, als die freye Reich-
Ritterschaft: sie haben auch meistens ihre Ritter- und Landgüter.
Digitized by Google
— 558 —
Der alte Adel zeiget in verschiedenen Stücken die Schwachheiten
der eigensinnigen Greisen, die sich nicht mehr nach der Mode richten
wollen. Der neue Adel im Gegentheil gleichet einer wilden und
unbesonnenen Jugend, welche alle ihre Ausschweiffungen für lauter
Artigkeiten will gelten machen.
Man muss hier die Scharfsinnigkeit der Menschen bewundern
um die Fehler des Nächsten zu entdecken, wann es etwann um einen
Rang oder Voraug gilt. Hier findet man eine tiefe Erkenntnis des
menschlichen Herzens, liier siehet man eine lebhafte Abschilderung
von seinen Vorgebungen. Ich habe bey dieser Gelegenheit öfters die
Verschlagenheit unsrer Eigenliebe bewundern müssen, da sie mit
einer so scharffeu Einsicht die Fehler des Nächsten entechleyert;
mittlerweile sie unsre eigne so künstlich zu verbergen weiss. Mich
dünckt, der liebe Neid habe hier einen starken Anhang. Ein Nach-
bar siehet des Andern Aufkommen mit schälen Augen an: man iat
sinnreich die Absichten, die Geschaffte und die Auffuhrung anderer
Leute verdächtig zu machen.
Ein neuer Aufsatz von Haaren erwecket nicht selten eine Eifer-
sucht unter den Frauen, welche deswegen vor dem Richterstuhl ihrer
Männer um Rache schreyen. Die feinere Spitzen, die reichere Stoffe,
die verbrähmte Kleider, haben sich hier durchaus keiner Gnade zu
getrösten. Man höret alsobald von der Buhlerey der einen und dem
Stammbaum der anderen sprechen Alle groBse Familien machen
hier Banden unter sich : wer unter ihnen ist, oder das Glück hat,
sich unter sie zu verheyrathen , der ist von gutem Herkommen, der
hat Verstand, der hat Ehre; ja man sagt, dass einige wären, unter
welchen es nie keine Thoren gäbe.
O ihr Einwohner dieser Stadt ! denk ich manchmal bey mir selber,
wie glücklich wäret ihr, wann ihr euer Glück erkennen woltet! Der
Himmel hat euch alles gegeben, um eure Tage in Friede und in
Ruhe zuzubringen; und ihr verhindert euch selbst einander den Ge-
nuss dieser Glückseligkeit durch eure Eifersucht und durch den
Mangel einer gewissen natürlichen Einträchtigkeit, welches das süsseste
Band des geselligen Lebens ist.
Sie müssen im übrigen nicht denken, mein Herr, dass die Sitten
der Franckfurter vor audern Menschen etwas besonders haben. Nein,
mau findet hier alle Arten von Geschöpfen, ihre Fehler und ihre Ge-
brechen sind der ganzen Welt ihre.
Dasjenige, was hier besser seyn könnte, ist die Policey, zum
wenigsten klagen die Fremden darüber : sie klagen über die Wirthe,
welche ihre Weine verkauften, nicht nach dem was sie werth sind,
Digitized by Google
sondern nachdem sie für gut finden, sie zu tauffen, und ihnen einen
Namen zu geben : sie klagen über die schlechte Herbergen und
Bettungen, für die man sich doch nicht entblödet, ihnen grosse
Summen abzufordern : sie klagen , wenn sie des Nachts über die
Strassen giengen, dass sie entweder einem vollen Kerl, oder sonst
anderm Lumpengesinde ausweichen müßten, welches dasjenige öffent-
lich treibet, was auch heimlich zu thun verbotten wäre : sie klagen,
d iss sie des Nachts für dem Lermen in den Bierhäussern und dem
Schreyen auf den Strassen kaum schlaffen könnten u. s. w.
Auf alle diese Klagen pflegen die Einwohner zu antworten, dass
es immer einen Wiederspruch und eine Art der Empörung in einer
Republick setzen würde, wo man allzu streng auf Policey und gute
Sitten halten wolte. Ein bürgerlicher Magistrat hätte damit genug
zu thun, nur die gröbsten Ausschweiffungen im Zaum zu halten : zu
dem, machten jetzt die Fremden in ihrer Stadt das meiste Geräusch
und verursachten die grössten Unordnungen. Diesem Uebcl sei also
eben so wenig hier als in London, Paris, Wien und andern volk-
reichen Städten zu steuern.
Ich will mich in dieser Sache nicht zum Schiedsrichter auf-
werffen. Mich dünket überhaupt, dass dasjenige, was andre Staaten
ruiniren würde, ebendasjenige sey, was manche Republicken erhält.
Jene erfordern Zwang und Gewalt, alles nach gewissen Absichten
- einzurichten; diese aber haben gar keine Absichten: ihre Sachen
treiben sich selber wie die Wirbeln in den Fluten. Die Freyheit
allein giebt ihnen ihre Bewegung, und wo diese aufhöret, da sind sie
nicht mehr. Ich bin,
Mein Herr,
Franckfurt, den 4 Junii Dero V^onrnrntm und
ergebenster Diener.
Im Jahr 1746 ward v. Loen zum Präsidenten des Oberconsisto-
riuras zu Berlin in Vorschlag gebracht und kurz darauf ihm ein für
jene Zeit höchst ansehnlicher Gehalt von 2000 Thalern angeboten,
wenn er sich in Berlin niederlassen wollte. Er konnte sich aber
dazu nicht entschliessen, und wohl Niemand hätte damals vermuthet,
dass der nun an Jahren bereits ziemlich vorgerückte Mann aus seiner
unabhängigen Stellung jemals scheiden würde. Und doch war dies
endlich der Fall. Im Jahr 1752 erging nämlich von Seiten des
Königs von Preussen, Friedrich d. G., der Ruf an ihn, als Geheimer
- 560 -
Rath und Regierungspräsident der Grafschaften langen und Tecklen-
burg in seine Dienste zu treten, welchem v. Loen wirklich Folge
leistete. „Dieser Entschlussa, sagt Stosch „hat viele nicht ohne Ur-
sache in grosse Verwunderung gesetzet. Der Herr v. Loen hatte
in seinen Schriften vielfältig seine Meynung dahin geäussert, dass es
eine Art Thorheit sey, wenn man für sich selbst leben, und sein
eigener Herr sein könne, sich bei Fürsten in Dienste zu begeben,
und Ehrenstellen unter denselben zu suchen. Nun lebte er zu Frank-
furt in einer recht stolzen Ruhe, und in einem solchen Ansehen und
allgemeiner Achtung, dergleichen die alleransehnlichsten und höchsten
Ehrenämter nicht leicht Jemanden zuwege bringen können. Er ge-
noss die Einkünfte und die Ergützlichkeiten eines der angenehmsten
Landgüter, so er ohnfern der Stadt besass; es war nicht lange, dass
er eines der prächtigsten Häuser in der Stadt angekaufet und nach
seinem Geschmack ausgebauet und eingerichtet hatte. Er fand das
grosseste Vergnügen in seiner zahlreichen Bibliothek und schönen
Sammlungen von Schildereyen, Kupferstichen, Zeichnungen und an-
deren zur anmuthigen Gelehrsamkeit gehörigen Sachen. Seine Land
leute ehreten und schätzten ihn hoch, als eine der grossesten Zierden
ihrer Stadt; die Fremden rechneten es für eine Ehre, ihren Besuch
bey ihm abzulegen ; alles, was Witz, Belebtheit und Liebe zu den
Wissenschaften besass, versammelte sich wöchentlich bei ihm ; Fürsten,
Grafen und hohe Standespersonen drängeten sich, ihm ihre Hoch-
achtung zu bezeugen; in allen Ständen hatte er eine grosse Anzahl
Freunde und Verehrer. Und dieses alles verliess er in seinem acht
und fünfzigsten Jahre, um es mit einem kloinen und unbelebten Orte
zu verwechseln, und einen Dienst anzunehmen, dessen er gänzlich
entbehren konnte. Noch mehr: Er war bereits vor sechs Jahren zum
Präsidenten des Oberconsistorii zu Berlin in Vorschlag gebracht, und
ihm kurz darauf im Namen des Königes ein Gehalt von zwey tausend
Thalern angeboten worden, wenn er sich entschliessen wollte, sich in
Berlin niederzulassen. Er hatte sich aber dazu nicht völlig ent-
schliessen können etc. Und nun fand er für gut, in dem äussersten
Westphalen mit einem geringeren Gehalte zufrieden zu seyn. Was
linden sich nicht auch selbst in den grossesten Geistern für Wider-
sprüche?"
Loen's Wegzug aus seiner Vaterstadt erklärt sich zum grösseren
Theil aus der schon angedeuteten Stelle in Goethes Selbstbiographie.
Es heisst dort nämlich von ihm, nachdem sein didaktischer Roman
„der Graf von Riverra, oder der ehrliche Mann am Hofeu eine sehr
beifällige Aufnahme gefunden gehabt habe , sei eine zweite seiner
Digitized by Google
■
— 561 —
Schriften „die einzige wahre Religion", welche die Absicht hatte,
Toleranz, besonders zwischen Lutheranern und Cal vi nisten zu beför-
dern, desto gefahrlicher für ihn geworden, indem er dadurch mit den
Theologen in Streit gerathen sei. Man vergleiche dazu die bei 33)
seiner Schriften gemachten Bemerkungen.
Dazu kam, dass ihm die Stelle zu langen von einem seiner
Berliner Freunde, dem Grosscanzier Freiherrn von Cocceji, angetragen
worden war. Auch von Lingen aus ward ihm stark zugesetzt Man
malte ihm die dortigen Zustände und Verhältnisse sehr reizend aus
und appollirte sogar an sein Herz und sein Gewissen* „Zugleich",
sagt Stosch, „musste es sich zutragen, dass ihm zu Frankfurt einige
Verdriesslichkeiten in den Weg gelegt wurden. Die Betrachtung,
dass es ihm bereits so nahe gelegt worden, sich in die Dienste eines
in der ganzen Welt höchst gepriesenen Königs zu begeben, ward
dabey aufs neue belebet. Kurz, Herr von Loen meynetehier einem
höheren Berufe zu folgen, den er ohne Vorwurf seines Gewissens
nicht ausschlagen könne."
In der That war sein Empfang in Lingen sehr zufrieden-
stellend und zu den schönsten Hoffnungen berechtigend. Man
beeiferte sich, ihn aufs Freundlichste willkommen zu heissen. Aber
bald sollte, wie Goethe berichtet, die Behauptung seiner ehemaligen
Landsleute in Erfüllung gehen, dass er dort nicht zufrieden sein
könne, weil sich ein Ort wie Lingen mit Frankfurt keineswegs
messen dürfe. Und Stosch meldet: „Man wird vermuthlich begierig
seyn, zu wissen, wie der Herr von Loen zu Lingen lebe, und was
er daselbst ausrichte. Ich kann dieser Neubegierde einiger Massen
ein Genüge thun. Er hat es nicht so gefunden, wie er es gedacht
und gehoffet hatte, und die Erfahrung überzeuget ihn anbey täglich,
dass es weit leichter sey, der Welt und der Kirche in
seinem Cabinet Verbesserungsregeln vorzuschreiben,
als solche zur Ausübung derselben zu bewegen und zu
bringen. Man muss indessen beynahe erstaunen über die Ver-
leugnung, mit welcher er sich von allem, so ihn zuvor vergnügte, ent-
fernt, in Ort und Umstände zu schicken und zu finden weiss. Das
ist ein Vorrecht des Weisen."
Während des siebenjährigen Krieges wurde von Loen von den
französischen Truppen als Geissei nach Wesel gebracht, wo er „in
dem allerelendesten und unanständigsten Zimmer" vier Jahre lang
(von 1757—1761) wohnen musste. Zwar gab man ihn endlich frei,
doch musste er eben seiner Söhne an seine Stelle treten lassen.
Nach seiner Losgebung verbrachte er nur noch vier Jahre in seinem
36
Digitized by Google
- 562 -
Amt und trat dann in den wohlverdienten Ruhestand. Er starb im
hohen AJter von beinahe 82 Jahren, zuletzt fast gänzlich erblindet 3,
am 24. Juli 1776.
Einer Beiner Söhne — Johann Jost—, geb. 1737 in dem Hause
auf der Windmühle, vermählte sich 1779 mit der Prinzessin Agnes
von Anhalt-Dessau, einer Tochter des regierenden Fürsten Leopold
Maximilian von Anhalt-Dessau. In Bezug auf einen Besuch, den
Goethe zu Ende des Jahres 1796 bei diesen Verwandten abstattete,
äussert sich derselbe in den Annalen*: „In Dessau ergötzte uns die
Erinnerung früherer Zeiten: die Familie von Loen zeigte sich als
eine angenehme, zutrauliche Verwandtschaft , und man konnte sich
der frühesten Frankfurter Tage und Stunden zusammen erinnern.*
Ein Sprössling der zuletzt erwähnten Ehe, Friedrich v. Loen , be-
kleidete das Amt eines Oberhofmarschalls am Dessauer Hofe. Sein
Sohn Hugo v. Loen, der Urenkel Johann Michaels, k. preussischer
Major a. D., lebt auf Schloss Krangan bei Pollnow in Pommern
und ist Mitglied der hiesigen adeligen uralten Gesellschaft des Hauses
Ein Enkel v. Loen's, gleich dem Grossvater Johann Michael
genannt, und an dessen Geburtstage, dem 21. December, im Jahr
1760 geboren, ward 1785 als Frauensteiner in den hiesigen Rath
erwählt, starb aber bereits im sieben und dreissigsten Jahre seines
Alters , am 26. September 1797. Ueberhaupt ist in Frankfurt der
Mannsstamm des v. Loen'scben Geschlechtes erloschen.
» Ein wohlrenommirter junger Arzt wagte eine Operation, die aber un-
glücklich ausfiel; es war die letzte Operation des jungen Mannes, der sich seit
dem mit schriftstellerischen Arbeiten beschäftigte und seinem Kamen — Jung
8tilling — eine ehrende Stelle in der Literaturgeschichte erwarb.
♦ Goethe*« Werke XXVII. 61.
Digitized by Google
flamheun
a Strahbuthttrfjmr
rLJoJicmniltj - H*f
Ii.',- iüH
7Jtn7Uii«t
Btttntlti -
Umgegend der Kraiiienfurt
mit Andeutung der Lage einiger im
Laufe der Zeit errichteten Gebäude und
Tterke
• i
Digitizefi by Goo*^
1 •
AKCfflV
für
FRANKFURTS GESCHICHTE
und
KUNST.
Neue Folge.
II erausgegeben
von dein
Vereine für Geschichte uud Alterlhuniskuiide
zu Prankfurt am Main.
Vierter Band.
Mit Abbildungen
FRANKFURT a. %
Im Selbst-Verlage des Verein».
In Comuiiseion bei Heinrich Keller.
18f>0.
Uruckerel ,„„ Ai.gu.t O.terrUlb iu Kr»,.kf„rt M.iu.
,/ 2
ZOPI '- .-iok I
Digitized by Google
Inhalt.
Seite
Die religiöse Bedeutung des Brückenbaues im Mittelalter mit besonderer
Beziehung auf die Frankfurter Mainbracke. Von Professor Dr. J. Becker 1
Beiträge zur Geschichte der Befestigung Frankfurts im Mittelalter. Von dem
königl. Oberst A. von Cohausen 21
(Der Eschenheimer Thurm. 8. 21. — Das Fahrthor. 8. 20. — Mittelalterliche
8chutx- und Trutzbauten im Innern von Frankfurt 8. 87. — Die Warten. 8. 49 )
Reformatorische Persönlichkeiten, Einflüsse und Vorgänge in der Reichsstadt
Frankfurt a. M. von 1519 bis 1522. Von G. E. Steitz, Doctor der Theologie 57
(Hatten und Arnold Glauburger. 8. 59. — Uutten und Philipp Furstenberger.
8. 88. — Johannes Cochlaeu». 8. 90. - Die Kitterschaft und die Geistlichkeit.
8. 112. — Johannes ab Indagino. 8. 138. - Der vorläufige Ausgang dieser
Geschichten. 8. 149. — Glauburg'scho Geschlechtstafel. 8. 174.)
Eine neuerdings entdeckte, bisher unbekannte Auflage des grossen Merian'-
schen Stadtplans von 1628. Mitgetheilt von Senator Dr. Gwinner . . 175
Berichtigung und Fortsetzung der beiden Abhandlungen: Schaumünzen zum
Angedenken von Bewohnern Frankfurts und Münzen und Medaillen auf
geschichtliche Begebenheiten Frankfurts. Von Dr. Eduard Rüppell.
(Mit zwei Tafeln.) 177
Der Kampf gegen die Bücher der Juden am Anfange des 16, Jahrhunderts
in seiner Beziehung auf Frankfurt Von Dr. Ludwig Geiger . ... 208
Verzcichniss der Frankfurter Hauptleute, Stadt Advocaten und Oberstrichter
bis zum Jahre 1500. Nach don Aufzeichnungen des Herrn Archivars
Dr. G. L. Kriegk mitgetheilt von Dr. L. H. Euler 218
Ludwig von Hörnigk. Ein Charakterbild aus der Geschichte der Medicin.
Von Dr. Wilhelm Stricker 237
Mittheilungen über eheliches Güterrecht mit besonderer Hinsicht auf fränki-
sches und Frankfurter Recht, von Dr L. H. Euler 247
Urkunden zur Geschichte der Familie Frosch und ihrer Besitzungen, mitge-
theilt von Dr. L. H. Euler 298
Der Verein fiir Geschichte und Aiterthumskunde hat bis jetzt folgende
Schriften veröffentlicht :
1) Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Nene Folge. Band I. II. III.
Mit Abbildungen. Frankfurt 18G0. 1862. 1865. (Schliesst sich an das gleich-
namige von der Gesellschaft für Frankfurts Geschichte und Kunst in 8 Heften
1839-1858 herausgegebene Archiv an.)
2) Mittheilungen an die Mitglieder des Vereins. Band I. II. III. Frankfurt
18(30-1868. (Diese schliessen sich an die periodischen Blätter an, welche von
1853 - 1857 der Frankfurter Verein in Verbindung mit andern Vereinen heraus-
gegeben hat, nemlich periodische Blätter der Geschichte- und Alterthums-
Vereine zu Cassel, Dannstadt, Frankfurt, Mainz und Wiesbaden, Jahrg. 1853,
Nr. 1—4; Jahrg. 1854, 1855, 1856 Nr. 1-12, sodann der Vereine zu Cassel,
Dannstadt, Frankfurt und Wiesbaden, Jahrgang 1857 Nr. 1 — 4.)
$) Des Canonicus Baldemar von Peterweil Beschreibung der kaiserl. Stadt
Frankfurt am Main aus dem 14. Jahrhundert. Urschrift mit Uebers. und Erl.
Herausgegeben von Dr. L. H. Euler. Frankfurt 1858. (Ist besonderer Abdruck
aus Nr. 1 der Mittheilungen.)
4) Das steinerne Haus und die Familie von Meiern in Frankfurt. Frankfurt 1859.
(Besonderer Abdruck aus Bd. I. Nr. 3 der Mittheilungen.)
5. Neujahrsblatt für 1859. — Dorf und Schloss Rödelheim. Beitrage zu der
Geschichte derselben von Dr. L. H. Euler. Frankfurt 1859. 4".
6) Desgl. für 1860. — Der Frankfurter Chronist A. A. von Lersner, von Dr.
E. Heyden. Frankfurt 1860. 4».
7) Desgl. für 1861. — Die Melancbthons- und Lutherherbergen zu Frankfurt
am Main: Claus Brommeu Haus, Lisa's von Rückingen Haus, Wolf Parente's
Haus. Eine Untersuchung zur topograph. Geschichte der alten Reichstadt
von G. E. Stcitz, Dr. der Theologie. Frankfurt 1861. 4°.
8) Desgl. für 1862. — Samuel Thomas von Soemmering, der Heilkunde Doctor,
k. baier. Geheimerath, nach seinem Leben und Wirken geschildert von Dr. med .
W. Stricker. Frankfurt 1862. 4".
9) Desgl. für 1863. — Drei römische Votivh&ode aus den Rheiulanden, von Dr.
J. Becker. Frankfurt 1863. 4°.
10) Desgl. für 1864 und für 1865. Johann David Passavant Ein Lebensbild von
Dr. A. Cornill. Abth. I. II. Frankfurt 1864. 1865. 4».
11) Desgl. für 1866. — Die deutsche Schrift im Mittelalter, ihre Entwickelung
ihr Verfall, mit besonderer Rücksicht auf Frankfurt und seine Umgehend von
Dr. Friedrich Scharff. Mit acht Tafeln. Frankf. 1866. 4°,
Digitized by Google
12) Desgl. fltr 1867. - Geschichte der Dr. Senckenberg'scben Stiftshäuscr von
Sebastian Alex. Scheide!. Mit 5 Tafeln. Frankfurt 1867. 4".
13) Desgl. für 1868. — Grabschrift eines römischen Panzerreiter-Ofßciers ans
Rödelheim bei Frankfurt a. M. erläutert von Dr phil. Jacob Becker. Mit 2 Ta-
feln. Frankfurt 1868. 4°.
14) Desgl. für 186t). - Der Staatsrath Georg Steitz und der Fürst Primas Karl
von Dalberg. Ein Blatt aus Frankfurts Geschichte im Anfange des XIX.
Jahrh. Mit urkundlichen Beilagen, von G. E Steitz, Doctor der Theologie.
Frankfurt 1869. 4".
l.r>) Die Ueddernheimer Votivhand, eine römische Bronze aus der Dr. Römer -
Biichner'schcn Sammlung der XX. Versammlung deutscher Philologen, Schul-
männer und Orientalisten zu ehrerb. Begrüssung vorgelegt von dem Verein
für Geschichte und Alterthumskunde. Frankfurt 1861. 4°. (Mit dem innern
Titel: Die Heddernheimer Bronzehand. Ein Votivdenkmal des Juppiter Doli
chentts mit den übrigen Dolichenus-Dcnkmälern aus Heddernheim zusammen-
gestellt von Prof. Dr. J. Becker.)
16) Acrzto, Heilanstalten, Geisteskranke im mittelalterlichen Frankfurt a. M. Zwei
Abhandlungen von Dr. G. L. Kriegk. Der Dr. Senckenberg. Stiftung zur Feier
ihres 100jährigen Bestehens dargebracht von dem Verein für Geschichte und
Alterthumskunde. Frankfurt 1863. 4°.
17) Oertlichc Beschreibung der Stadt Frankfurt am Main von Johann Georg
Battonn, gew. geistl. Rath, Custos und] Canonicus des St. Bartholomäusstifts.
Aus dessen Nachlaas herausgegeben von dem Vereine für Geschichte und
Alterthumskunde durch den zeitigen Director desselben Dr. jur. L. ü. Euler.
Helt I. II. III. IV. Frankfurt 1861-1866.
Digitized by Google
Die religiöse Bedeutung des Brückenbaues im Hittelalter,
mit besonderer Beziehung auf die Frankfurter Mainbröcke.
Von Professor Dr. J. Becker.
Die spärlichen Nachrichten, welche uns über die Schicksale der
alten Mainbrücke zwischen Frankfurt und Sachsenhausen wahrend
des Mittelalters überkommen sind, beschränken sich bekanntermassen
auf gelegentliche Erwähnungen derselben aus verschiedenen Anlässen.
Zumeist sind es die Aufzeichnungen in den Frankfurter Stadtrech-
nungsbüchern theüs über mannigfache Ausgaben für Baumaterial und
Arbeitslöhne bei kleineren oder grösseren Neubauten oder Wieder-
herstellungen an der Brücke, vornehmlich infolge von Hochwassern
und Eisgängen, theils über Aufwendungen1, Einkünfte, wie auch
1 Die von Fichard zu Battonn's Oertlicher Topographie der Stadt Frankfurt
a. M. S. 212-214 für die Zeit von 1867 -1685 zusammengestellten bezüg-
lichen Angaben lassen sich noch durch folgende ergänzen. Schon im Stadt-
rechnungsbuche von 1357 fol. 34 ist die Rede von 23 ff vm steyne quadracien,
41 ß vm bord zu den bogestellin zu der brücken und von 6 ß Ausgabe zu der
swebogen waz gcfallin. In dem Stdt.-Rchbch. v. 1398 findet sich ausser der von
Fichard S. 213 ausgezogenen Notiz von Holzfuhren aus dem Walde zu Bogen-
stellen an der Brücke auch noch foL 35 b. : 18 fl. han wir gegeben vmb ein
schiff voll Mildenberger quaderatein zu den swiebogen zu der brücken. In gleicher
Weise erhält Fichard's Auszug aus dem Stdt-Rchbch. von 1399 bezüglich des
Lohnes für einen Knecht, welcher in einem Nachen auf dem Maine Wache halten
und die Leute warnen sollte „daz Bie in den siebenten pieler nicht füren- beson-
dere Bedeutung durch zwei weitere Notizen aus demselben Rechnungsbuch, deren
eine fol. 54 vormerkt: 8% fl. vmb ein ald schiff, als nnder dem sybinden piler
der brücken zubrach, während die andere toi. 40 notiert: */a fl. den murern zu
slosswin, als sie daz gewelbe vff der brücken zugeslossen han. Auf den Aufbau
dieses siebenten Pfeilers bezieht sich ohne Zweifel die zum Jahre 1398 erwähnte
Errichtung eines Schwibbogens aus Miltenberger Quadersteinen, welcher hinwieder
identisch ist mit dem von Meister Madern Gerthener, dem Steinmetzen, erbauten
Schwibbogen und alsbald wieder rissig gewordenen vorgedachten Gewölbe, welche
IV. 1
Digitized by Google
Schicksale bezüglich der Gebäulichkeiten auf und an derselben, aus
welchen Mittheilungen eine Geschichte der Brücke selbst nur lücken-
haft ermittelt und oft blos vermuthungsweise entnommen, insbeson-
dere die Zeit der ersten Anlage eines Fussüberganges, seine anfäng-
liche Construction aus Holz, später sodann sicherlich aus Stein und
Holz, bis zur endlichen Erbauung der jetzigen steinernen Mainbrücke
mit Sicherheit allseitig nicht festgestellt werden kann*: Unter diesen
Aufzeichnungen der Stadtrechnungsbücher nehmen nun aber vor
allen diejenigen ein ganz besonderes Interesse in Anspruch, welche
Einkünfte zur Brücke betreffen, die sich als fromme
Spenden verschiedener Art zum Baue, wie zur Unterhaltung und
eventuellen Reparatur der Beschädigungen derselben beurkunden und
um so unzweideutiger als ein frommes, gottgefälliges, in der ganzen
religiösen Anschauung des Zeitalters wurzelndes Werk kennzeich-
nen, als überdiess auch anderweitige Urkunden jene kirchlich-religiöse
Bedeutung besagter Spenden und Stiftungen zur Brücke nicht allein
bestätigen, sondern weiter noch bezeugen. Es erstrecken sich nämlich
sowohl jene Aufzeichnungen, als auch die übrigen hierhergehörigen
urkundlichen Zeugnisse einestheils auf Schenkungen, Zuwen-
dungen und Opfer gaben bei Lebzeiten der Donatoren, wie auch
auf testamentarische Verfügungen, anderntheils auf abgeschlos-
sene Verträge, erthcilte Privilegien und Ablässe, wie sich aus
nachfolgender, inchronologischer Folge geordneten Zusammenstel-
le unter dem 30. November 1399 ausgestellte Urkunde bei Böhmer Cod. diplom.
p. 780 f. erwähnt Auch die beiden Fichard'schen Auszüge zu den Jahren 1407
und 1408 ergänzen sich durch die fol. 30 des Stdt-Rchbch. von letzterem Jahre
verzeichnete Ausgabe für Steine: die piler an der brücken wider zu machen, ata
sie von dem ise ser beschedigt waren. Endlich heisat es in dem Stdt-Rchbch.
von 1419 fol. 44 b. : 250 ß 16 ß ban wir gebin zum buwe, uff die brücken cczliche
phyler vff zu füren vnd zu muren, daz man vurter des köstlichen buwes mit
holzwercke nit bedarff, sondern balken darüber leget vnd daruff brackendele-
Hr. Stadtarchivar Prof. Dr. Kriegk, dessen preiswürdiger Güte die vorstehenden
und die weiterhin von uns verwerteten Auszüge aus den Stadtrechnungsbüchern
verdankt werden, bemerkt hinzu: „Nach dieser Stelle scheint es, als wenn bis
1419 einige Pfeiler von Hole gewesen wären, um im Kriege über ihnen die Brücke
leicht abbrechen und so ungangbar machen zu können, und als wenn man erat
damals dieso Holzpfeiler durch Steinpfeiler ersetzt hätte, welche indessen oben
offen gelassen und dort mit Balken gedeckt wurden. Bis dahin konnte man also
auch von einer hölzernen Hain-Brücke reden , indem man darunter den hölzernen
Tbell derselben verstand."
2 Dass demnach auch die von Lersner Chronik I. S. 19 f. vgl. 531 ff. und
Battonn a. a. 0. S. 205—212 gegebene „Geschichte der Mainbrücke" in keiner
Weiso gonügen kann , bedarf keiner näheren Begründung.
Digitized by Google
- 3 -
hing ergibt, deren Mannigfaltigkeit beredtes Zeugnis» ablegt, dass die
auf ein gleiches praktisches Ziel gerichteten Ausstrahlungen einer und
derselben christlichen Glaubensanschauung sich mehr oder weniger
gleichzeitig und unter verschiedenen äusseren Formen kund gaben
und wohlthätig erwiesen.
Höchst bedeutsam eröffnet die Reihe derselben das 'unter dem
6. Mai 1235 ergangene Privilegium Heinrichs VII, durch welches er
den Bürgern zu Frankfurt die halbe Nutzung der Münze und das
nöthige Holz aus dem Reichswalde zur Reparatur ihrer Brücke ver-
günstigte, als vornehmlich in dem Winter desselben Jahres die letz-
tere durch Ueberschwemmung theilweise so beschädigt worden war,
dass infolge der Zerstörung einiger Pfeiler in der Mitte der völlige
Ginsturz der ganzen Brücke drohte. Wie aus dem unten theilweise
mitgetheihen Wortlaute des Privilegs erhellt, ist diese königliche
Gnade ausdrücklich „intuitu pietatis et vestre devocionis respectu"
motiviert, d. h. doch wohl ebenso sehr mit Rücksicht auf die Natur
des gottgefälligen Werkes, als auf die Ergebenheit der Bürger
gegen Kaiser und Reich 3.
An das Kaiserprivileg reiht sich der Zeit nach zunächst das be-
scheidene Legat eines Frankfurter Bürgers zu Gunsten der Brücke,
rar welche er schon darum ein besonderes Interesse haben mochte,
weil sich seine Wohnstätte in deren Nähe befand. Es war Wicker
an der Brücke (Wickerus super pontem), der Sohn des Harpernus
von Offenbach, welcher im Mai des Jahres 1270 gemeinschaftlich
mit seiner Ehefrau Gisele verschiedene letztwilHge Verfügungen
traf. Mitten unter einer Reihe von Vermächtnissen an Kirchen, Ka-
pellen, Klöster und Hospitäler findet sich auch und zwar schon an
vierter Stelle eine jährliche Spende von einem Solidus an die
Brücke *.
Eine ähnliche jährliche Abgabe an die Brücke beurkundet
auch der Vertrag *, durch welchen Schultheiss, Schöffen, Rathmannen
und Bürger zu Frankfurt unter dem 2. August 1291 mit ihren Mit-
bürgern, den Deutschordensbrüdern, dahin übereinkamen, dass die
3 Vgl. Privilegienbuch p. 8 : cum igitur ex repentina inundatione aquarum
pons vester aliquocieos destruatur in parte et taodem forte coimeret sicut iam
perpenditur manifeste ex eo, quod quedam pile medie sint destruete : haue vobis
gratiain intuitu pietatis ac vestre devocionis respectu duximus faciendam : über
die Bestätigungen dieses Privilegs durch spätere Kaiser Vgl. Lersner Chron. I. S. 19 f.
♦ Urkunde bei Böhmer Cod. diplom. p. 165 f.: ad pontem ibidem 1 sol.
levis monete singulis annis.
1*
Digitized by Google
Güter, welche dieselben dermalen besitzen, gegen eine jährliche Ab-
gabe von 2 Mark zur Mainbrücke steuerfrei, dagegen künftig von
denselben zu erwerbende Güter steuerpflichtig sein sollten: auch
hier wird diese Abgabe „pio devocionis affectu" motiviert*
Wiederum testamentarische Spenden zur Brücke aus frommer
Intention erweisen zwei letztwillige Anordnungen von Frankfurter
Bürgern aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Zuvörderst
beurkundet der Probsteiofficial dahier unter dem 8. Juni 1327, dass
die Trcuenhänder der Frankfurter Bürgerin Hedewig Kachilhertin
nach deren Willen dem Dominicaner - Kloster vier Mark jährlicher
Zinsen von näher bezeichneten Häusern übergeben haben, mit dem
Bedinge, das Jahrgedächtniss der Hedwig feierlich zu begehen. Bei
diesem Vermächtnisse wurde ausdrücklich vorbehalten, dass, sofern e
ein Verkauf oder irgend eine andere Entfremdung dieser vier Mark
jährlicher Zinsen eintreten sollte, von da ab die eine Hälfte der
Brücke, die andere der Domfabrik zukommen sollte« Wird hier die
Brücke erst in zweiter Linie bedacht, so erscheint sie dagegen als
Miterbin in dem feria octava S. Martini d. J. 1348 ausgestellten
Testamente des Henkele zu den Kannen und der Kuntzele, seiner
„elichen Fruwe", Bürger zu Frankfurt, in welchem sie „zu der
brücken die über den Moyn get" zu Frankfurt eine Mark Gold
„ewiger Guide" setzen, die gelegen ist auf dem Hufs genannt zu den
Gyseleren bei den „minre Brudirn" (Minoriten); ausser diesem from-
men Vermächtnisse zur Brücke werden noch eine Reihe anderer
daneben aufgeführt7.
Es würde zu weit führen alle diese frommen Schenkungen
und Vermächtnisse zur Brücke einzeln aufzuzahlen, welche
sich in den Stadtrechnungsbüchem insbesondere vor und nach dem
Jahre 1367 verzeichnet finden; wir heben daher ftir jetzt nur noch
einzelne besonders bemerk enswerthe Aufzeichnungen heraus. Das
* Urkunde bei Böhmer Cod. diplom. p. 261 f. : qua exemprione a nobis facta
et recognita, iidem commeodator et fratres motu proprio libenditer, pio devo-
ci onis affeetn, redditus duarum marcarnm denariorura coloo. perpetoo
solvendarum, pro edifieaeione, reparatione, conservatione pootis trans Mogum
oppidi aostri tradiderant et assignaverunt etc.
« Urkunde bei Böhmer Cod. diplom. p. 488 f. : Ita sane, si prior, qai
pro tempore foret, die tos redditua venderet vel auenaret quo quam modo, quod
ex tunc media pars prefatorum reddituum cedere debet fabrice pontis, reli-
qna vero pars cedere debet fabrice chori eeclesie saneti Bartholomei frankin
fordensw.
» Stadtarchiv Mglb. E. 17.
Digitized by Google
Stadtrechnungsbuch von 1357 selbst enthält eine aus lauter bezüg-
lichen Schenkungen bestehende Einnahme-Rubrik mit der Ueber-
schrift: „Nota die bruckin ubir den Moyn" im Gesammtbetrage von
697V« * Heller, darunter allein 36 Ä als s. g. „Seelengeräte", d. h.
mit dem Zusätze: „für sine (irc) scle"; demnach ganz in derselben
Weise, wie man auch sonst Spenden und Vermächtnisse an Kirchen,
Kapellen und zu sonstigen frommen Zwecken pro remedio animae
zu machen pflegte. Auch das Rechnungsbuch von 1300 hat vornen
eine besondere Rubrik mit der Ueberschrift: „Nota daz man an die
brücken bescheidt über den Moyn", welche zwei Posten enthält:
„Her Hartmud Radeheymer eyn Prediger hat an die brücken geant-
wortet von eynes mentzen (Menschen) wegin 2*/t f£ minus 2 ß; item
6 ä heller an die brücken, die Conczichins frawe an Ezschirsheymer
porten daran beschyt." Während der zweite Posten die fromme
Gabe einer Frau an Ezschirsheimer Thor verzeichnet, berichtet die
erste Notiz, dass der Prediger Hartmud Radeheimer eine ihm ohne
Zweifel als gestohlenes Gut von einem Menschen restituirte Summe
dem Brückenfond überantwortet hat
Recht bezeichnend flir diesen frommen Gebraueh sind endlich
noch einige Angaben aus den Rechnungsbüchern der Jahre 1373 und
1374. In ersterein findet sich fol. 66 b. folgender Eintrag: 40 heller
vmb vierczig messen (wurden ausgegeben) die (die) gotlichen 8 Beckinen
gelobet hatten, daz die brücke in dem grossen wasser it (nicht) file".
Während vorher öfters einer grossen Ueberschwemmung in der Mitte
Januars gedaeht wird, sind jene 40 Heller unter dem 10 März als
Ausgabe eingetragen*. Noch interessanter ist ein Eintrag in dem
Rechnungsbuch von 1374 fol. 16: „9 fC minus 2 ß hell, hand uns
gfeantwort Hertwin Wiesse vnde Gipel von Holczhuss, daz sie zu
zweyn malen vz dem stocke vff der brücken gnommen han vnde yn
auch ist worden vmb aide cleyder, die zu der brücken
gesast sin worden". Eincstheils wird hier die Existenz eines
Opferstockes beurkundet, welcher zur Aufnahme milder Gaben
der Vorübergehenden zum Besten der Brücke unter dem einen
Brückenthurme angebracht war, anderentheils zugleich der rührenden
* Ootlich ist nach Scherz Glossar: quod cultui divino in gen. inservit vel
convenit, in specie quod ad eletnosynas et ad pias caussaa pertinet, hier also
soviel als fromm und aus Frömmigkeit mildthätig.
' Dieser Eintrag findet sich anch mitgetheilt in den „Extracten ans den Raths -
protocollen 1428—1687 und aus früheren Jahrhunderten" Tom. IX.
Gabe einer ohne Zweifel armen Person gedacht, welche ihre alten
Kleidungsstücke testamentarisch zur Brücke vermacht hatte.
Obwohl in allen diesen Urkunden und Spenden — von dem
Privilegium des Kaisers bis zu dem Testamente des Armen, von der
vertragsmässigen Abgabe der hohen Ordenscommende bis zu dem
Opferstockschärflein des vorüberziehenden Wanderers — nur die
Bethätigung eines und desselben frommen Sinnes sich unzweideutig
kundgibt, die gottgefällige Beisteuer nämlich zu Bau oder Erneue-
rung und Wiederherstellung des Allen insgesammt diensamen Brücken-
werkes: so erhält dieser fromme Sinn, diese Ueberzeugnng von der
Mitfbrderung eines gottgefälligen Werkes überdiess noch eine kaum
noch nothwendige, immerhin aber doch erwünschte Bestätigung durch
einen vollwichtigen Act der kirchlichen Organe selbst Es besteht
aber dieser Act in einem i. J. 1300 von einigen italienischen Bischöfen
allen denjenigen ertheilten Ablasse, welche etwas zur Unterhaltung
der Frankfurter Mainbrücke beisteuern. Wiewohl die über diesen
Act sprechende Urkunde bei Böhmer cod. diplom. p. 337 10 leider
nur in lückenhaftem und mehrfach gekürztem Texte vorliegt, so bietet
sie doch selbst in dieser beklagenswerthen Form der Ueberlieferung
immer noch genug wichtige und interessante Momente zu näherer
Betrachtung dar. Zuvörderst erscheint es bemerkenswert}!, dass Ita-
lienische Bischöfe, von denen leider nur Nicolaus capretanus und
Landulphus brixinenais genannt sind, die kirchliche Wohlthat des Ab-
lasses zu Gunsten einer deutschen Flussbrücke verwerthen, wiewohl,
wie sich unten zeigen wird, dieser Fall nicht vereinzelt steht Weiter
gibt die Urkunde sodann durch die Erwähnung der Menge von Men-
schen, Thieren, grössern und kleineren Wagen und Fuhrwerken,
welche die Brücke benutzen, ein anschauliches Bild des lebhaftesten
Verkehres, der schon damals, im Beginne des 14. Jahrhunderts, die-
selbe ebenso belebte, wie noch jetzt, zugleich aber auch das Bedürf-
nias eines ungehemmten Ueberganges schon für jene Zeiten klar
herausstellt Nicht undeutlich, wie uns scheint, werden dabei die
10 Die fllr unseren Zweck erforderlichen Hauptstellen dieser leider lückenhaften
Urkunde lauten : Cupientea igitur ut pons de Prankenvort, ubi nmltitudo Dominum,
anitnalium, cumium, vebieulorum frequentea facit, congniis elemosinis a
Christi fidelibus cAritative auatentetur, omnibus vere peoitentibos et confessis, qui
predicti pontis repamtionibus, emendacionibus seu aliia ejuadem pontis multa
pericnlosa Corsas suos fadant, ita quod, nisi recenter et continue idem pons refi-
datur, dapmna multimoda, tedia et impedimenta .... toti populo frequenter
deo collatia manus porrexerint adiatrices etc.
Digitized by Google
- 7 -
Gefahren, Schäden, Aergerlichkeiten und Heirtmnisse des regen Ver-
kehres in der bischöflichen Urkunde angedeutet, welche eine Störung
und Unterbrechung der Communication zwischen beiden Flussufern
durch Beschädigungen oder Unbrauchbarkeit der Brücke im Gefolge
habe und ganz besonders befürchten lasse, soferne nicht sofort und
ohne Zögern die Brückenbahn wieder hergestellt werde. Da die uns
bekannten dem Jahre 1300 zunächst vorausgehenden Beschädigungen
der Mainbrücke durch Eisgänge und Hochwasser in die Jahre 1236,
1276 und 1288, sowie weiterhin ins Jahr 1306 fallen, auch der beson-
dere Fall einer bezüglichen Zerstörung in der Urkunde nicht ange-
deutet wird, so bezog sich die in Rede stehende Ablassertheilung
ohne Zweifel auf Wiederherstellungen und Ausbesserungen der Brücke
im Allgemeinen, welche durch den steten Gebrauch und die Abnutzung
im Ganzen und in einzelnen Theilen von Zeit zu Zeit unabweisbar
erforderlich wurden. Uebersieht man nun aber , die ganze Reihe der,
von 1232—1300 für Frankfurt erlassenen Ablassbullen, so ergibt sich^
dass unter der Zahl von 34 zu Gunsten von Kirchen, Kapellen, Klö-
stern und Hospitälern daselbst vorliegenden bezüglichen Urkunden11
nur allein die mehrerwähnte von 1300 zum Besten der Mainbrücke
ausgestellt ist, sonach also die Unterhaltung derselben mittels Bei-
steuern aus der Ablassortheilung in die Reihe der übrigen gottgefäl-
ligen Werke ebenso einordnet, wie die übrigen den Bau oder die
Wiederherstellung und Erhaltung gottesdienstlicher Gebäude und
Krankenhäuser; insbesondere dürfte gerade auch die Einreihung der
letztern noch mehr als bei den kirchlichen Gebäulichkeiten darauf
hinweisen, dass die Ermöglichung und Unterstützung der Kranken-
pflege nicht minder als ein Pflichtgebot und eine Bethätigung der
christlichen Liebe erschien, als die Ermöglichung und Unterstützung
des ungestörten Flussüberganges mittels Bau und Erhaltung der
Brücken. Erscheint uns dieser Parallelismus beim ersten Anblicke
auch befremdlich und unzutreffend, so muss doch alsbald jeder Zweifel
an Beiner Wahrheit schwinden, wenn der tiefere in der christlichen
Anschauung ebenso sehr wie in der kulturlichen" Stellung der Kirche
wurzelnde Grund desselben in seinem ganzen Umfange erkannt
wird 12.
11 Vgl. die Zusammenstellung von Dr. Römer-Büchner im Archiv für Frank-
furts Geschichte und Kunst VI. S. 156 ff.
i* Auch die Ertheilung des Brücken-Ablasses von 1300 durch Italienische
Bischöfe fällt nicht auf, wenn man aus der Anm. 11 erwähnten ZusammenstelluDg
ersieht, dass auch die übrigen Frankfurter Ablasscrtheilungen des 13. Jahrhun-
Digitized by Google
Schon im hohen (heidnischen) Alterthume, bei den Griechen, wie
bei den Römern sind die kulturlichen und die religiösen Momente
menschlicher Entwicklung ebenso enge mit einander verbunden, wie
im christlichen Mittelalter. Nicht blos die Bildung von kleineren und
grösseren Gemeinwesen, die öffentlichen Ordnungen und Gesetze
stehen in engstem Bezüge zur Religion, auch alle sonstige Lebens-
thätigkeit, Feldbau wie Handel und Verkehr, gedeihen in einer Weise
unter dem Schutze der Religion, dass jede Förderung derselben von
letzterer selbst gewissennassen in die Hand genommen und somit
selbst ein religiöses Werk wird. So hat denn vorab bei den Hellenen
der Götterdienst auch auf diesem Gebiete äusserer Werkthätigkeit
die Kräfte der Menschen auf das Mannigfaltigste angespannt: der
Tempel ist die Seele der Felder geworden, der Anfang des Anbaue«;
die Tempel sind die Mittelpunkte des Verkehrs. Ihretwegen werden
die Sümpfe gedämmt, Bergjoche überwunden, Gewässer überbrückt.
Dem Apollo zu Ehren Hess Nikias eine Meeresbrücke bauen über
den 4 Stadien breiten Sund zwischen Delos und Rhenaia 11 , ein
nolvyofupov Z9i$p* nach dem Ausdrucke des Aischylos. Ebenso gehö-
ren hierher die doppelten Kephissosbrücken des heiligen Weges zwi-
schen Athen und Eleusis **. Dem Gotte und seinen frommen Ver-
ehrern sollten überall die Wege gebahnt und geebnet werden: es zu
thun oder zu fordern war ein frommes hoch verdienstliches Werk,
zu welchem der Gott selbst oft der Leerende nach die Anweist i uir
gegeben zu haben schien. Wenn , um ein Beispiel anzuführen , die
pythische Theorie (Gesandtschaft) von Athen auf dem von Theseus
gebahnten Wege auszog, wandelten nach alten Satzungen vor dem
Zuge Männer mit Aexten und Beilen zur lebendigen Erinnerung an
die alten Werkmeister, welche einst zuerst dem Gotte Apollo die
Stege bereitet hatten, die Hephaistossöhnc ; sie wurden odonoioi, Wege-
macher, genannt und gehörten zu den ., heiligen Werkmeistern " **.
Gerade aber zur Wegebereitung und Bahnmachung gehören nun
auch die Ueberbrückungen von Gewässern aller Art, deren Ueber-
»lerts theils von deutschen Kirchenfürsten, theils aber auch von Pibsten, ausser
deutschen, insbesondere auch italienichen, wie griechischen und selbst orientaü-
&cht*D tlrzbiscii1 *tcn utui Iii schoft^n HUJ^^vjjTtti^c.D sind.
» Vgl PluL Nik 3.
'» Curtitis über den Wegebau bei den Griechen 8. 18 u. 23.
15 Daher auch Joh. L, 23: rv£vw*r Tij» odör xvqiov, den Weg des Herrn be-
reiten
Digitized by Google
- 9
Windung oft erst an die heilige Stätte und zur Verehrung des Gottes
gelangen Hess. Ihre Anlage und Erbauung musste demnach ganz
besonders verdienstlich und für alle Gottesverehrer um so wohltä-
tiger sein, je grösser die Schwierigkeiten waren, welche gerade diese
Gewässer der Erreichung frommer Ziele und Zwecke entgegenstellten.
Noch weit bedeutsamer als bei den Hellenen tritt dieses Moment bei
den Römern hervor. Cultuszwecke nämlich waren es, um derentwillen
die Tiberufer durch eine Brücke verbunden wurden, welche bekannt-
lich die Tiberinsel zum Stutzpunkte hatte. Diese heilige Brücke war
die uralte Balkenbrücke, pons sublicius, um 638 v. Chr. von Ancus
Marcius erbaut und später erneuert, welche bis in die Zeit Konstan-
tins des Grossen bestand: im 5. Jahrhunderte aber war die Fürsorge
für ihre Unterhaltung verschwunden, sie war verfallen und zerstört
Auf ihr wurden Opfer vollzogen, der Weg zu den heiligen Orten
jenseits des Tiber ging darüber; sie abzubrechen war ein prodigium,
ein Unglückbedeuteudes Zeichen. Die heiligen Gebräuche, welche
sich an ihre Erhaltung und Reparatur knüpften, machten schon in
uralter Zeit die Einsetzung eines eigenen Collegiums lebenslänglicher
Brückenmeister, pontifices, erforderlich. Wiewohl ihr Namen und
seine Ableitung verschiedenen Deutungen unterstellt wurde, so ist
doch wohl von dem Worte pons dabei nicht abzusehen. Die ponti-
fices hatten bekanntlich in der ältesten Zeit eine untergeordnete Stel-
lung gegen später, wo sie das angesehenste Priester- Collegium bilde-
ten und der Mittelpunkt des römischen Staatscultus waren; den Titel
ihres Oberhauptes, des pontifex maximus, nahmen in allen Zeiten
Roms die grössten Männer des Staates, in der Folge selbst die Kaiser
an und fühlten sich durch denselben geehrt; infolge dieser Tradi-
tionen ist er auch auf das Haupt der katholischen Kirche übergegan-
gen. Noch in den späteren Zeiten wurde man an die ursprüngliche
Bedeutung und Aufgabe ihres Amtes durch den charakteristischen
Umstand erinnert, dass sie eine Axt als symbolisches Zeichen ihrer
einstigen Brückenmeisterschaft führten, wie die oben erwähnten helle-
nischen Wegemacher. *6. Es kann nach allem dem nicht auffallen,
dass auch später noch, als die Römer in der Anlage grossartiger
Strassennetze eine» der Hauptmittel ihrer civilisatorischen Praxis
erkannt und angewendet hatten, die Brücken stets als der vorzüg-
lichere Theil der Strassen (potissima pars viae) bezeichnet und oft mit
i« Vergl. über den pons snblicius und die anderen Tiberbrücken Th. Momra
aen in den Berichten der K. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 1850
S. 320 ff.
Digitized by Google
- 10 -
letzteren zusammen als gewissei-massen gleichbedeutsam aufgeführt
werden 1T.
Wie bei den Griechen und Römern, so galt auch bei den nordi-
schen Völkern und den Germanen die Bruckenbaukunst ab eine ab-
sonderlich heilige und geistliche, zumal nachdem insbesondere die
christliche Kirche die antike Cultur, wie ein berühmter Staatsmann
und Redner gesagt hat, als ein unter den Streichen der Barbaren
blutig zerfetztes Kind vom Boden aufgenommen und an ihrem mütter-
lichen Busen zu neuem Leben und neuen Blüthen erweckt hatte. Auf
nordischen Runensteinen wird mehrfach Uberliefert, dass der Verstor-
bene bei seinen Lebzeiten für das Heil seiner Seele eine Brücke
bauen liess. — Die früheste Art über die reissenden Ströme zu setzen,
war in dem alten Gallien mit Flössen, selbst mit Schläuchen, wie
Inschriften und aufgefundene Ueberreste erweisen. Um den Reisen-
den zu helfen und den Waarenbetrieb zu fördern , bildeten sich an
der Seine, Sambre, Loire, Rhone, Saar und Durance eigene Gilden
von lenuncularii, lintrarii und utriclarii, d. h. Schiffergilden, welche
mittelst Kähnen und Schläuchen die Reisenden Ubersetzten. Die Ent-
artung der Zeiten ergriff Öfter aber auch ihre Mitglieder in dem
Grade, dass sie die überzusetzenden Wanderer und Kaufleute aus-
plünderten und Manchen, wie sich ein Schriftsteller ausdrückt, statt
an das andere Ufer, gleich in die andere Welt beförderten. Unter
dem wohlthätigen Einflüsse der christlichen Lehre fassten daher
fromme Seelen schon bald den Entschluss, an sehr besuchten Stellen
der Flussufer besondere Herbergen zu errichten und Flösse zu halten,
endlich Brücken zu bauen. Das gleiche Bedürfniss machte sich in
jenen Zeiten in Italien, Spanien, Schweden, Dänemark und Deutsch-
land geltend ; überall erhoben sich Brücken , welchen religiöse Mei-
nung und frommer Sinn den Ursprung gab. Die Herstellung einer
Brücke galt nächst dem Kirchenbaue als ein höchst verdienstliches
Werk, Ablässe (wie noch bei der Frankfurter Mainbrücke), päpst-
liche und bischöfliche, wurden dazu bewilligt und nicht selten ge-
" Tacit Annal. I., 20 nennt itioera et pontes neben einander ; ebenso finden
sich oft viae et pontes auf Steinschriften verbunden ; vgl. Örut p. 149 ff. Hurat.
T. I. s. t opera et loca public«; in einer spätem kaiserlichen Constitution (Cod.
Thood. L. XV. tit. 1) hebst es: itincra celebrantur per vi&s et pontes; auch die
zum Andenken gebauter Strassen geschlagenen Münzen zeigen diese Strassen, aber
auch zugleich Brücken auf ; vgl. Spanhoiui de usu et praestantia nuraism. p. 195.
J. H. Wyttenbach Ueber das Alter der Moeelbrücke 2a Trier (Gymaaaialprogramm
1826), S.4Ä.6.
Digitized by Google
- 11 —
lobte ein reuiger Sünder für schwere Schuld einen solchen Bau, oder
aber die Kirche selbst verwandelte auferlegte canonische Bussen in
solche Anordnungen, bei welchen der Vortheil für die Armen mehr
ins Auge gefasst war, als der Gewinn für die Reichen. Dahin ge-
hörten auch Wallfahrten nach Born, nach Jerusalem und St Jakob
von Compostella in Spanien : den Theilnehmern derselben die Reise
zu erleichtern und zu sichern, war selbst schon eine fromme und
religiöse Handlung. Besondere geistliche Verbrüderungen und Ge-
nossenschaften, von denen unten die Rede sein wird, bildeten sich zu
diesen Zwecken und Ubernahmen die bezüglichen Leistungen i6. Nach
allem diesem erklärt sich zur Genüge einerseits die tiefreligiöse Be-
deutung des Brückenbaus im Mittelalter und alle demselben geweihte
Hingabe und Fürsorge, wie andererseits die Heilighaltung und Be-
deutsamkeit der Brücken im politischen wie im Privatleben; feierliche
Friedensschlüsse wurden von Völkern und Königen auf Brücken ge-
festet, Gefangene ausgewechselt und Bündnisse geschlössen, und die
heute noch umgehenden Sagen von Schatzträumen, die immer auf
einer Brücke ihre Aufklärung und Lösung gefunden, zeigen deutlich,
wie tief die Erinnerung, selbst wenn sie bis zum Mährchen geworden
ist, noch im Herzen deB Volkes wohnt tt. Da das Amt eines Brücken-
bauers demnach ein so wichtiges und bedeutendes war, so blieb es
lange ein geistliches Vorrecht, und Päbste, Bischöfe, Priester und
Mönche sind daher seit den ältesten Zeiten der christlichen Kirche
entweder vorzugsweise die ersten Gründer und Bauherren von Brücken
oder aber selbst sachverständige Künstler und leitende Architekten
bei dem Entwürfe der Pläne und bei der Ausfuhrung des Baues
derselben gewesen.
Aus den ältesten Zeiten der christlichen Kirche ist in dieser Hin-
sicht zuvörderst Theodoret, Bischof von Kyrrhos in Vorder-
asien um das Jahr 450 hervorzuheben, welcher, wie er jj selbst
sagt *°, nichts besitzen wollte, als die ärmliche Kleidung, womit er
seine Blosse deckte, dagegen aber die kirchlichen Einkünfte zur Ur-
barmachung des Landes, Austrocknung von Sumpfen, zur Anlage
von Landstrassen, insbesondere aber von öffentlichen Säulengängen
"> Vgl Leger io Ersen u. Graber's Encyclopädie XIII. S. 128—169. Histo-
risch politische Blätter für das katholische Deutschland, Bd. 52 (1863) S. 448 ff.
'» Hist-polit Bl. a> a. 0. S. 449.
» Theodoret. Epist. 81: praeter panniculos, quibus amictus «mm, nihil volui
possidere.
und Bädern, einer Wasserleitung und endlich zweier grossen
Brücken verwendete81.
Wenden wir uns von diesen altchristlichen Zeiten dem germani-
schen Mittelalter zu, so erscheint es nur in dem Geiste derselben
christlichen Glaubensanschauung, wenn auch Carl der Grosse, der
Wiederbegrilnder der Europäischen Cultur nach den Stürmen der
Völkerwanderung, dem Strassen- und Brückenbau seine Sorge wid-
met: es bedient sich dabei der nach allen Seiten bewundernswürdig
thätige Regent desselben altrömischen Ausdruckes, ad institutionem
viarum et pontium, welcher oben n besonders hervorgehoben worden
ist Wenn er bei Ausführung dieser hoch verdienstlichen Werke zu-
gleich auch von der Geistlichkeit Beisteuern fordert, welche doch
sonst von allen Lasten befreit war, so gibt sich auch darin ein recht
charakteristisches Zeichen der tiefreligiösen Bedeutung kund, die mau
dem Strassen- und Brückenbau gab. Wie Carl bekanntlich die Bi-
schöfe uud den Clerus seines weiten Reiches allüberall zum Bau neuer
und der Wiederherstellung verfallener Kirchen aufforderte und antrieb,
so wird er es auch in letzterer Hinsicht zu thun sicherlich nicht unter-
lassen haben. Schon für den Ausgang des 10. Jahrhunderts wenig-
stens liegen Beispiele vor, welche auf die Fortdauer dieser Anregung
" Ueber Theodoret s. Herzog Theolog. Encyclop. XV. p. 726. Die Haupt
stellen über seine öffentlichen Werke finden sich in Epist. 138 an den Patricias
Anatolius : Novit enim magnitndo vestra civitatulae solitudinem , cuius nos defor-
mitatem quoquo modo diversorutn aedificiorum tnagnis snmtibus obtexituus, Epist.
79 an ebendenselben: Quod vero eoclesiasticorum quoque reditnum partem non
exiguam in pobiieis aedifieiis consumserimus , porticus excitantes et lavacra et
pontes extruentes et publioi usus alia procurantes nmgnificentia tua non lg-
noret; endlich Epist. 81 an den Consul Nomus : publicas porticus ex reditibua ec-
clesiastici8 erexi, pontes duos maxi mos exstruxi, balncoruin publicorum curam
gessi, cum ex alluente flumine aquas uon hanrientem eivitatem nactus easem aquae-
duetum condidi et carentem aquis eivitatem aquis replevi. Wasserleitungen
und Wasserbauten Uberhaupt werden auch von andern Bischofen und späte-
ren geistlichen Architekten erwähnt, so von dem berühmten Sidonius, Bischof zu
Mainz, bei Venant. Fortun. IX, 11. — Benno, Bischof von Osnabrück (1054— 1079)?
war berühmt als Architekt und Festungsbauer, schützte auch den Dom zu Speier
durch ungeheuere Grundlagen gegen die Fluthen des Rheins, vgl Pertz SS. XII
p. 65. Seb. Brunner die Kunstgenossen der Klosterzelle (Wien 1863), S. 569.
Petor, ein Abt des Klosters „Nostre dame des Dunes", baute (um 1200) mächtige
Wasserleitungen für das Bedürfniss des Klosters, nnd Fray Juan von Escobcdo,
Laienbruder bei den Hicronymitanern zu Parral in Spanion und Architekt des Kö-
nigs, eine grosse Wasserleitung, die auf Bogen das Wasser in die Stadt Segovia
führte im 15. Jahrhunderte; vgl. Brunner a. a. 0. I. S. 307 u. 328.
" Vgl. Anmerkung 17 und J. H. Wyttenbach a. a. 0. S. 4 A. 6.
Digitized by Goog
.- 13
und zugleich die Erfüllung dieser christlichen Liebespflicht hinweisen.
Ausser andern Bauten, welche um diese Zeit nämlich der berühmte
Staatsmann und Erzbischof Willigis von Mainz ausführen Hess,
gedenken die chronistischen Berichte über sein Leben und seine
Wirksamkeit insbesondere auch zweier Brücken, die er bei
Aschaffenburg über den Main und bei Bingen über die Nahe bauen
Hess 23. An die Zeit des Willigis reichen zunächst die Mittheilungen,
welche über geistliche Brückenbauten in Franken tiberliefert sind:
Bischof Gundekar von Eichstätt (1057—1075) erbaute „als ein gutes
Werk der Nächstenliebe" eine Brücke über die Altmühl; in Würz-
burg wurde ein gewisser Enzelin vom Bischöfe Embricho, einem
Grafen von Leiningen, mit Brückenbauten betraut **. In gleicher Weise
verewigte sich Benno, Bischof von Meissen, aus dem Geschlechte der
Grafen von Weltenberg, ein mit der Gabe des Wunderwirkens aus-
gerüsteter Mann, dessen Andenken die Meissner Kirche in den alten
Versen bewahrt, welche auch die von ihm errichteten Bauwerke mit
aufzählen:
An, Mausoleum, Tunis, Templum, Indica vasa,
Pons, Schola, Fons, Fornix, Vinea, rara tacens».
Den deutschen Bischöfen reihet sich würdig ein französischer,
Humbert, Erzbischof von Lyon, an, welcher eiuo steinerne Brücke
w Beider Brücken gedenkt die von Ed. Sander im J. 1850 herausgegebene
Binger Chronik (Annalea Bingensea) des Johannes Scholl aus dem Jahre 1613
S. 49 mit den Worten „Anno 989 hatt er (Willigis) zu Bingen die steinerne Brück
über die Nahe bauwen lassen, wie auch die brück zu Aschaffenburg Aber den
Fluss des Mcynss u Das vor dem letzten Brande unten am Stephansthurm zu
Mainz angeschriebene fast alle Bauten des Willigis aufzählende Epitaphium desselben
erwähnte die beiden Brücken in den drei letzt n Versen also:
Pontem construxit apud Aschaffburg, bene duxit
Ac pontem per Nahe: miles transit quoque vema,
Et bene necesse prope Bing Mäussen dedit esse,
so gibt sie C. Euler in seiner Schrift : Erzbischof Willigis von Mainz in den ersten
Jahren seines Wirkens (Naumburg 1860) S 42 an. Sander aber a. a. 0. S. 45 f.
weiset darauf hin, dasa Rodmann Rheingauische Alterthümer S. 148 aus einer
Pergamenthandschrift des XIII. Jahrhunderts, die sich im Archive des St. Ste-
phansstiftes befand, den letzten Vers dahin berichtigt habe, dass er laute : Et bene
necesse prope Binguensem dabis esse. — Andere Bischöfe des Namens Willigis
und gleichfalls Erbauer von Kirchengebauden nennt Brunner a. a. 0. IL S. 591.
*♦ Vgl. Hist. polit Bl. a. a. 0. S. 449 und Sighart Geschichte der Kunst in
Bayern I, 77. 153.
25 Vgl. Kessel's Anzeige von Dr. Theodor Stabella Lebensbildern der Heiligen
im Bonner Theologischen Literaturblatt, I. Jahrg. (1866), No. 26 S. 847. — Fons
imd fornix im zweiten Verse scheinen sich auf Anlage von Brunnen und Wasser-
leitung zu beziehen.
Digitized by Google
in Mitte der Stadt über die Saone baute; er war dabei selber Architekt
und gab auch die bedeutenden Summen zu diesem Baue aus seinem
Einkommen her*6. Als Bauherren berühmter Brücken werke sind endlich
auch die pontifices maximi der Christenheit, die Römischen Päbste,
besonders in der spätem Zeit nicht hinter den vorgenannten Kirchen-
fürsten zurückgeblieben. Noch etwas mehr als 50 Jahre vor der Zeit,
in welcher der zu Gunsten der Frankfurter Mainbrücke sprechende Ab-
las» verliehen wurde, im Jahre 1245 liess Innocenz IV. aus den Er-
trägnissen der Ablässe die Brücke de la Guillotiere über die Rhone
bei Lyon durch die Genossenschaft der Brückenbrüder erbauen, von
welcher unten zu sprechen ist Unter ihren Inschriften spielte eine mit
dem Worte pontifex; sie lautete: Pontifex animarum fecit pontem aqua-
rum. Im Jahre 1450 liess Nicolaus V. einerseits die noch übrigen Brü-
ckenpfeiler des pons Milvius oder Aemilius über den Tiber bei Rom
erneuern und mit gothischen Spitzbogen wölben (ponte molle), anderer-
seits den pons Aelius (Engelsbrücke) über den Tiber wieder aufrichten,
die marmornen Fussgestelle wieder herstellen, zwischen denselben ein
durchbrochenes Geländer anlegen, worauf Clemens IX. i. J. 1668 auf
den zehn Fussgestellen von weissem Marmor ebensoviele colossale Bild-
säulen von demselben Gesteine nach den Zeichnungen des Ritters Ber-
nini aufstellte. Gleicher Weise liess Sixtus IV. in den Jahren 1473 bis
1478 den ehemaligen pons ianiculensis Uber den Tiber ganz neu und
im Römischem Style aufbauen und nach sich benennen. Auch das
Ende dos 16. Jahrhunderts sah zwei Tiberbrücken neu erstehen, indem
Sixtus V. im J. 1589 den ponte felice neu erbaute und Gregor XT1I.
im J. 1598 die alte Tiberbrücke, den pons senatorius oder palatinus
wieder aufführen liess. Etwa hundert Jahre später endlich im J. 1680
ordnete Innocenz XI. die Erneuerung des alten pons Fabricius oder
TarpeiuB an, welcher die Tiberinsel mit dem linken Flussufer ver-
bindet, und liess sie mit steinernen Brustlchnen versehen.
Diesen kirchenfurstlichen Brücken-Bauherren niedern und höchsten
Ranges lassen sich nun aber auch, wie schon oben angedeutet, eine
Reihe geistlicher Architekten und insbesondere Brückenerbauer zur
Seite stellen, welche theils der Pyrenäischen Halbinsel und Italien,
theils auch England, Schweden, den Niederlanden und Frankreich an-
gehören und auch ihrerseits durch die besondere Bcthätigung ihrer
Kunst im Brückenbaue die hohe Verdienstlichkeit des letztern als fromm-
christliches Liebeswerk beurkunden. An die Spitze dieser geistlichen
* Vgl. Paradin Geschichte von Lyon II, 32 bei Brunner a. a. 0. I. 8. 306.
Digitized by Google
Architekten ist Johann von Ortega zu stellen, der Sohn eines spa-
nischen Edelmannes Vela Velasquez, im 12. Jahrhunderte zu Fontami
d'Ortunno bei Burgos geboren, pilgerte nach Jerusalem, um den ein-
heimischen Wirren zu entfliehen, zog sich nach seiner Rückkehr als
Einsiedler in die Wildniss von Montesdosa zurück und baute dort
eine Kirche, ein Kloster und ein Hospital, welche am Ende des
18. Jahrhunderts noch in dem Besitze der Hieronymiten waren. Ausser-
dem aber baute er eine Brücke Über den Ebro bei Logronno, eine
bei Nagera und eine dritte bei San Domingo von 500 Schritten Länge;
wegen der vielen Brücken, die er mit grossem Geschick erbaute,
wurde er Pontifex (Brückenmacher) genannt n. Ihn ahmte sein Zeit-
genosse der h. Dominikus von Calzada nach, der gleichfalls als
Einsiedler lebte, dabei Brücken baute, Wälder ausrottete und das
Verdienst hat unter der Regierung von Alphons VIH. die gothische
Baukunst nach Spanien zu verpflanzen M. Der Zeit nach steht ihnen
zunächst der im Jahre 1259 verstorbene selige Dominikaner Gundi-
salvus aus Portugal, welchem die Steinbrücke über die Timaga zu-
geschrieben wird, die sechs Jahrhunderte dem reissenden Strome Wi-
derstand geleistet hat Der Mitte des 15. Jahrhunderts gehörte
Juan de Pozo an, Canonikus an der Kathedrale zu Cuenca in Spa-
nien und Stifter des Dominikanerklosters San Pablo in der Nähe die-
ser Stadt. Er galt als einer der grössten Baumeister seiner Zeit:
ausser dem von ihm gestifteten Kloster und dessen gothischer Kirche
ist sein Werk auch die berühmte Brücke, welche über den Flusa
Huecar zum Kloster führt. Sie schwebt auf 5 Bogen, deren mittlerer
150 Fuss Höhe hat, ist 350 Fuss lang und soll 63,000 Dukaten ge-
kosten haben»
Unter den geistlichen Architekten Italiens sind vor allem die
beiden Dominikaner Fra Sisto und Fra Ristoro, geboren um 1220
bis 1225, voranzustellen. Einstimmig schreiben ihnen alle Florentiner
Historiker den Bau der Brücke „alla Carraja" zu. Als nämlich Flo-
renz im Oktober des Jahres 1269 durch eine furchtbare Ueberschwera-
mung heimgesucht wurde, bei welcher die Brücken von den Fluthen
des Arno bis auf den Grund der Pfeiler zerstört, Häuser und Paläste
" Vgl. Franc. Milizia Meuiorie degli Architetti antichi e moderni 1786 L p.94
bei Brauner a. a. O. I. S. 318 f.
28 Vgl. BninneT a. a. 0. I. S. 319.
*' Vgl. Brev. ord. Praed. 10. Januar bei Branner a. a. 0. 1. S. 62.
30 Vgl. Antonio Pons Viaggio de Spagna u. Fr. Milizia a. a. O. I. p. 136
bei Brunner a. a. 0. L S. 327 f.
- 16 -
umgestürzt wurden, so erbauten jene beiden Domin ikanerbrttder die
hölzerne Brücke obenerwähnten Namens. Als auch diese Holzbrücke
in der Folge von der grössten Wasserfluth, welche je Florenz ver-
, heert hatte, zerstört worden war, so erbaute wiederum ein Dominika-
ner Fra Giovanni da Campi im Jahre 1337 auf 5 majestätischen
Bogen über den Fluthen des Arno jenen kühnen Quaderbau, welcher
noch heutigen Tages die Brücke „alla Carraja" als die schönste und
solideste über den Arno in Florenz auszeichnet«.
Wie die Pyrenäische und Apenninische Halbinsel so haben auch
England, der hohe Norden und die Niederlande ihre geistlichen
Architekten und Brückenbauer aufzuweisen, deren Werke jetzt noch
ihre Meister loben und deren Namen der späten Nachwelt überliefern.
In England ist insbesondere die London- oder alte Brücke über die
Themse zu London selbst hervorzuheben: sie ist ein grosses schwer-
fälliges Gebäude, im Jahre 1176 unter Leitung Peters, Predigers
von St Maria Colecharch, eines der berühmtesten Baumeister seiner
Zeit, begonnen, bei seinem im J. 1205 erfolgten Tode von drei Lon-
doner Kaufleuten fortgesetzt und 1209 vollendet Ganz gleichzeitig
mit Peter von St Maria Colecharch tritt zwischen 1178—1191 auch
im hohen Norden ein Benedikt, Bischof zu Skara in Schweden, als
Brückenbauer auf, dessen Andenken die schwedischen Chroniken
ehren*1. Den Niederlanden entstammte der 1646 zu Gent in Belgien
geborne Dominikaner P. Francois Romain, dessen Hauptstudium
Arithmetik und Architektur war. Zuerst beriefen ihn die General-
staaten von Holland zu der sehr schwierigen Construktion eines Bo-
gens bei der Brücke zu Mastricht, sodann, nachdem er daselbst noch
verschiedene andere Bauten glücklich ausgeführt, Ludwig XIV. nach
Frankreich, er erhielt den Titel Inspektor der Brücken, Strassen und
Bauten auf den königlichen Domänen und in der Stadt Paris und
erwarb sich besonders in Wasserbauten einen grossen Ruf. Als der
Architekt Gabriel sich bei dem neu auszuführenden Pont rouge
wegen immer aufsteigender Quellen beim Baue eines Pfeilers gegen
St Gennain zu nicht mehr zu helfen wusstc, wurde Romain 1685
mit der weiteren Ausführung beauftragt Er construirte nun zwei
Pfeiler gegen St Gerinaiii und spannte darüber einen Bogen: so
wurde dieses Werk durch ihn zu Ende gefuhrt Er starb 89 Jahre
alt im Dominikanerkloster Faubourg St Germain zu Paris am
" Vgl. Branoer a. s. 0. I. S. 48 f. u. S. 66 f.
" Vgl Olai Celsii acta literaria Sueciae II. p. 272 sq.
Digitized by Google
7. Januar 1635: man rühmte sein exemplarisches Leben, sein der
Religion, Kunst und Wissenschaft geweihtes Herz 33.
Mit P. Francois Romain ist unsere Zusammenstellung endlich zu
demjenigen Lande gelangt, dessen Brücken, gleich denen der Römer
im Alterthume, sich durch ihre Grösse, ihre Kühnheit, musterhafte
Einrichtung und Schönheit vor den Brücken aller übrigen Völker im
Mittelalter und theilweise noch in der neuern Zeit auszeichnen. Keine
Nation hat es in der zweckmässigen Anlage und in der richtigen Aus-
führung dieser Gebäude so weit, keine hat eine so grosse Menge
steinerner Brücken zu Stande gebracht, wie die französische. Alle-
zeit hat Frankreichs Regierung das lebhafteste Interesse flu* den
Brücken- und Canalbau als Mittel zur Förderung gemeinsamer Thä-
tigkeit genommen und verwerthet M. Dass diese Thätigkeit anfanglich
und noch lange hin gerade in Gallien als eine Sache der Religion
und eine Bethätigung der christlichen Nächstenliebe angesehen wurde»
ist schon oben angedeutet worden. Es kann demnach nicht auffallen,
dass sich gerade in Frankreich zur Förderung des Brückenbaues eine
eigene geistliche Genossenschaft, der Orden der Brückenbrüder,
bildete welche recht eigentlich nur als eine rein christliche Insti-
tution anzusehen ist, da weder die Verordnungen der späteren Rö-
mischen Kaiser noch die Inschriften aus der Römerzeit eine Brücken-
bauzunft erwähnen. Welchen Verhältnissen in Gallien diese Genossen-
schaft frommer Seelen ihren Ursprung verdankte, ist ebenfalls bereits
oben angeftlhrt worden. Von wem diese Brückenbrüder, freres pon-
tifes, freres du pont, fratres pontis, pontificales, factores pontium, ge-
stiftet worden sind, ist nicht ausgemacht. Die gewöhnliche, aber un-
33 Vgl. Branner a. a. 0. II. S. 418 f. Dass die Franzosen auch za anderen
Zeiten berühmte Baumeister, insbesondere Brückenerbauer, aus der Fremde be-
riefen, dafür zeugt Leben und Wirken des unten zu erwähnenden Dominikaners
Fra 6. Giocondo, des Erbauers der Seinebrücke zu Paris ; dass weiter aber auch
die Nachfolger Ludwigs XiV. die Fürsorge für Strassen und Brücken ganz im
Sinne der alten römischen Imperatoren und Carls des Grossen nicht verabsäumten,
bezeugt die im Jahre 1720 von Ludwig XV. errichtete besondere Abtbeiiung von
Baumeistern zur Leitung des Strassen- und Brückenbaues unter dem Namen eines
„corps d'ingenieurs des ponts et chausseea".
»♦ Vgl. Leger a. a. 0. XIII. S. 149.
35 Vgl. Hase in Efsch u. Grubers Encyclopädie s. v. Brückenbrüder XIII.
8. 169 f. Die vollständigste Literatur über die Brückenbrüder findet sich bei B.
GregoireRecberche8 historiques sur los congregntions hospitalierea des freres pon-
tifes, Paris 1818. 8.
IV. a
- 18 -
sichere Annahme ist, dass Benezet (der kleine Benedikt), ein Hirte
aus Hautvilar im Vivarais um das Jahr 1177 ihr Stifter gewesen sei,
der wahrscheinlich um 1184 starb und zuerst in Avignon auftrat.
Eine Urkunde aus dem Jahre 1187 besagt, dass Johannes Benedictas 3*.
Brückenprior, für sich und seine Brüder eine Kirche, einen Friedhof
und Caplan erhielt. Zu jener Zeit bildeten sich fromme Verbindungen
zur Unterstützung der Pilger (Romieux, Romfahrer) und der Reisen-
den überhaupt: da mag wohl Benezet der Gesellschaft, welcher ersieh
anschloss, den Zweck des Brückenbaues als Ziel ihrer bezüglichen Be-
tätigung gegeben haben. Die innere Organisation der Brückenbrüder
bestätigte sodann Pabst Clemens III. im Jahre 1189: als Symbol tru-
gen sie einen Spitzhammer auf der Brust", welcher an die oben-
erwähnten sinnbildlichen Abzeichen von Aexteu und Beilen bei den
altgriechischen Wegemachern und römischen Pontifices erinnert Von
diesen Brükenbrüdern sind folgende Brücken erbaut worden. Fürs
erste die Brücke über die Durance unterhalb der ehemaligen Kart-
hause von Bonpas, sodann die Brücke über die Rhone bei Avignon,
die beiden ersten grossen Brücken in Frankreich nach dem Unter-
gange des weströmischen Reiches, und letztere einst die grösste Brücke
in Europa, erbaut unter der Leitung des h. Benezet von Avila von
1177—1188, endlich die heilige Geistbrücke über die Rhone bei Lyon,
die grösste Brücke in Europa, begonnen 1285, vollendet 1906 M. Ausser
diesen Brückenbauten bezeugen die rühmliche Thätigkeit der Brücken-
brüder noch einzelne Uebcrlieferungen von ihrer bezüglichen Für-
sorge zu Bonpas um 1270, zur Lourmain zwischen Aix und Apt, zu
Malemort an der Durance, an einer Stelle, die wegen der häufigen
Raubanfälle auf Reisende podium sanguinolentum genannt wurde:
auch zu Mirabeau an demselben Flusse hatten sie einen Wachtposten
zum Schutze und zur Ueberfahrt der Wanderer Uber das Wasser
errichtet. Die letzte Erwähnung der Brückenbrüder findet Gregoire
(vgl. Anm. 35) in einem Edikte Ludwigs XIV. vom Jahre 1672, durch
welches ihre Güter dem LazaniBorden zugetheilt worden. Ueberhaupt
lösstc sich an vielen Orden die Brückenbrüderschaft in solche Orden,
wie die Johanniter, auf, deren Tendenz verwandte und gleichfalls
" Der Name Benedictas (der Gesegnete) scheint bei den Brückcnbrfidern
typisch und stehend gewesen zu sein, wie die vorliegenden Beispiele bezeugen.
" Vgl. Dubreil antiquites de Paris, Paris 173!), 4, p. 435 sq. bei Base
a. a. 0.
» Vgl. Leger a. a. 0. S. 149.
Digitized by Google
auf den Schutz, die Pflege und Unterstützung der Pilger gerichtet
war, und ihre Guter fielen alsdann solchen Orden zu.
Die von den frommen Brückenbrüdern durch Jahrhunderte ge-
gebene Anregung hat auch nach ihrer Zeit noch mächtig fortgewirkt,
und Frankreich hat, wie oben bemerkt, auch in späterer Zeit noch
den Ruf ausgezeichneter Brückenbauten bewahrt. Zur Ausführung
derselben berief man in Ermangelung einheimischer Künstler auch
auswärtige Baumeister: dem schon erwähnten Belgier P. Francois
Romain kann in diesem Bezüge der hochberühmte Italiener Fra Gio-
vanni Giocondo würdig angereiht werden. Er war um 1435 zu
Verona geboren, trat in den Dominikanerorden und erwarb sich als
Ingenieur und Alterthumsforscher einen europäischen Ruf. Als im
Jahre 1499 die alte Brücke von Notre Dame durch die Seine weg-
gerissen wurde, kamen Architekten aus Blois, Auvergne und ander-
wärts. Nach Einsicht der verschiedenen Pläne und Zeichnungen wurde
dem Fra Giocondo der Bau im Juli 1504 übertragen, 1507 begonnen
und 1512 mit einem Kostenaufwand von 1,600,124 Livres vollendet
Nach Temanza hatte die Brücke 5 Bogen, jeder 54 Fuss innerer
Lichte, jeder Pfeiler 15*/t Fuss Durchmesser, während die Höhe von
dem gewöhnlichen Wasserspiegel zu den Bogenspitzen 40 Fuss be-
trug; an den beiden Breitseiten der Brücke standen Häuser zu 4
Stock Höhe. Als der Architekt Scamozzi im Jahre 1600 zu Paris
war, erklärte er diese Brücke für das schönste Bauwerk der ganzen
Stadt. Noch während der Ausführung dieses grossartigen Brücken-
baues wurde Fra Giocondo im Jahre 1506 nach Veuedig zur Führung
der sehr schwierigen Brenta-Uferbauten berufen, und seine Pläne da-
zu als die besten genehmigt: ingleicherweise übernahm er im Jahre
1507 den ganzen Festungsbau von Treviso, welcher Kaiser Carls V.
staunende Bewunderung erregte, und legte dabei die sinnreichen Wasser-
werke an, durch "welche die Umgegend, um den Feind unschädlich
zu machen, unter Wasser gesetzt werden konnte. In seinem 72. Le-
bensjahre 1512 baute er die Pfeiler der neuen Etschbrücke und ent-
warf im folgenden Jahre, von den Venetianern von Neuem berufen, einen
prächtigen Plan zur Herstellung nicht nur der Brücke, sondern der
ganzen Gegend um das berühmte Emporium des Rialto, welches
durch Feuer verwüstet worden war39. Er starb 1529 oder 1530 wahr-
scheinlich in Frankreich als einer der letzten geistlichen Architekten
und Baumeister, welchen sicherlich der Brückenbau nicht blos in dem
« Vgl. Brunner a a. O. II. S. 339 f, 341 f , 345.
2*
— 20 —
Geiste moderner Zeiten ab ein Theil ihrer Berufe- und künstlerischen
Thätigkeit an »ich, sondern auch im Geiste ihrer mittelalterlichen Vor-
gänger als ein hochverdienstliches Werk derselben Nächstenliebe er-
schien, welche sich gleicherweise auch in dem Schärflein des Armen,
den Spenden und Vermächtnissen des Reicheren, den Opfergaben der
Wanderer, wie endlich in der kirchlichen Ablassrerleihung vom Jahre
1300 zu Gunsten der alten Frankfurter Mainbrücke aus der Tiefe
christlichen Glaubens ebenso einmüthig wie unzweideutig beurkun-
det hat
Digitized by Google
Beiträge zur Geschichte der Befestigung Frankfurts
im Mittelalter.
Von dem königlichen Oberst A. voo Cohaiseii
I.
Der Eschenheimer Thurm. 1
Unter den mittelalterlichen Thorthürmen Deutschlands ist wohl
keiner, dessen Name bekannter, als der des Eschenheimer Thurmes
in Frankfurt, und wenn auch die Gasse und das Palais, dio den
Namen mit ihm theilten, seit dem Jahr 1866 ihre Bedeutung cinge-
bUsst haben, so ist er doch selbst Mannes genug, sich und seinen
Ruf aufrecht zu erhalten, indem er in seiner Gesammtform wie in
seinen Einzelheiten den Zweck trefflich ausspricht, den er einst
wacker erftlllt hat und dessen Erinnerung noch Jahrhundertc zu be-
wahren seine solide Construktion ihn befähigt.
Der Grund und Boden, auf dem Frankfurt sich erbaut hat, be-
steht aus Kiesbänken, die zwischen Flussarmen, »Sümpfen und Sccen
sich nur wenig über das Hochwasser erhoben und so ein Gelände
bildeten, das die Römer mit ihren Strassen und Absiedlungen ver-
mieden und wie die Ueberreste zeigen, in halbstündigem Abstand
umgingen, um erst weiter Mainaufwärts die Verbindung ihrer Tau-
nensischen Stationen mit denen des Odenwaldcs zu vollziehen.
Erst die Kriege zwischen den Franken und Alcmaimen Hessen
die Mainfurth hier aufsuchen, von den Pranken benutzen, benennen
und festhalten. Es war ein ihrer niederrheinischen Heimath ähnliches
Gelände.
Im Jahr 793 erscheint Franconovurd als villa regia, in welcher
Karl der Grosse den Winter verbrachte , zum ersten mal in den uns
' Deoaclben behandelt ein mit Zeichnungen ausgestatteter Aufsatz desselben
Verfassers in Erbkam's Zeitschrift fiir Bauwesen. Jahrgang 1868 p. 71. Berlin.
Verlag von Ernst & Korn. Ein am 15. Juni 1866 in dem hiesigen Vereine verlesener
kürzerer Vortrag Uber diesen Thurm ist in der Didaskslia 1866 Nr. 187 abgednickt.
VgL Mittheilungen an die Mitglieder des Vereins für Geschichte in Fr. III. 208.
Digitized by Google
22 -
erhaltenen Schriftquellen, und war schon bedeutend genug, das» im
darauf folgenden Jahre eine Versammlung der fränkischen Bischöfe
dahin berufen werden konnte.
Während die kaiserliche Pfalz, der Saalhof mit den Nebenge-
bäuden nur den untern Theil einer Insel zwischen dem Main und
seinem Seitenarm, der Antau, einnahm, zog sich der Weg durch die
Furth über deren obern Theil und die werdende Stadt bildete im
9ten Jahrhundert zwischen beiden, ohne die Insel zu überschreiten
und daher ringsum von Wasser beschützt, ein schmales Rechteck
von 1000 Schritt Länge und 250 Schritt Breite.
Im Jahr 868 verdoppelte Ludwig der Deutsche ihre Breite, indem
er sie auf das rechte Ufer ausdehnte und dessen Höhenrücken, den
Liebfrauenberg mit Mauern und trockenen Gräben umzog.
Die Häuser und Höfe, die sich im Laufe der Zeit vor dieser
Umschliessung ausgebreitet hatten, umfing Kaiser Ludwig der Bayer
durch eine neue Mauer, mit welcher wieder bis zu einer wasserrei-
chen Niederung vorgegangen und hierdurch der Stadt aufs Neue der
Schutz von Wassergräben verschafft wurde.
Man begann die neue Umschliessung im Jahr 1343 thcils mit
Mauern, thcils nur nothdürftig mit Planken und mit hölzernen Erkern
statt der Thürrae, jedoch verstärkt durch nasse Gräben und „ge-
btickte" Hecken. Allmälig und wie die Mittel reichlicher oder die Noth
drängender wurde, ersetzte man die schlechtem und einstürzenden
Befestigungswerke durch bessere in solider und stattlicher Weise.
So entstanden die Thor- und andere Thürmc, von denen heute
leider nur mehr der Eschenheimer Thurm besteht: seine Baugeschichte
ist es, die wir hier, in dankbarer Erinnerung an die freundliche
Förderung durch den städtischen Archivar Herrn Professor Kriegk,
aus den städtischen Baurechnungen (den Baumeisterbüchern) zusam-
menstellen.
Der Thurm besteht aus einem quadratischen Unterbau von 33
Fuss Seitenlänge und 27 Fuss Höhe, auf welchem sich ein runder
Thurm 75 Fuss hoch erhebt und oben mit einem kegelförmigen
Mauerhelm, umgeben von einer Zinnenkrone mit vier Erkern, bedeckt
ist Durch den Unterbau führt der Weg durch spitzbogige nach
der Feld- wie nach der Stadtseite verschliessbare Thorwölbungen.
Der Raum zwischen beiden ist der Bewegung der Thorflügel ent-
sprechend durch zwei flache Tonnengewölbe und ein Kreuzgewölbe
überspannt.
In letzterem befindet sich eine viereckige Oeflnung, die, wenn
der Angreifer so weit eingedrungen wäre, als Gussloch dienen konnte,
Digitized by Google
- 3 -
durch welche aber auch, wenn beide Thore geschlossen wurden,
der Schliesser sich zurückzieht, und die Erde herabgeschüttet wird,
um das Thor zu „darrassen".
Die Thorgewänder sind von porösem Basalt, der sich frisch
ziemlich gut bearbeitet; nur der Bogen nach der Stadtseite ist von
Sandstein, einfach mit Rundstab und Hohlkehle profilirt, und zeigt
in letzterer im Schluss einen kleinen männlichen Kopf.
Vor dem äussern Bogen sind, wie der Augenschein zeigt, nach-
träglich Sandsteine eingesetzt worden, um Falze für ein Fallgatter
zu bilden, welches von der Kammer im zweiten Stock aus bewegt
wurde.
Hier lief das Seil, an dem die Schosspforte hing, über einen
Holzblock, neben dem ein Beil bereit lag — selbst angekettet war —
um das Seil im Augenblick der Gefahr durchzuhauen und so plötzlich
das Thor zu sperren.
Wie der viereckige Unterbau zur Durchführung des Thorwegs,
so war die Rundung des obern Theils die zweckmässigste Form, um
den Geschossen der Artillerie jener Zeit zu widerstehen oder sie ab-
gleiten zu machen. —
Von den vier Ecken, welche der runde Thurm auf dem quadra-
tischen Unterbau frei lässt, fallen zwei vor und zwei hinter die an
die Mitte des Thurmes anschliessende Stadtmauer. Sie bieten sich
von selbst dar und sind vortrefflich benutzt: aussen um zwei Erker
zur niedrigen Beobachtung und Vertheidigung des Thoreinganges,
innen um die Fortsetzung des Mauereinganges hinter dem Thurm
zu tragen. Erstere aus dem Achteck construirt , entwickeln sich or-
ganisch aus dem rechtwinklichen Thurmunterbau, während der Mauer-
gang die Thurmrundung über dem iiinern Thor auf einer balkon-
artigen Auskragung umgeht, von welcher aus man durch eine Pforte
ins Innere des Thurmes gelangt. — Dieser Umgang ist, wie einst
der ganze Wehrgang auf der Stadtmauer mit einem Dache versehen.
Da zu Anfang unseres Jahrhunderts mit der Stadtmauer auch der
Zugang zu den obern Stockwerken des Thurmes verschwunden war,
so wurde damals ein elendes Treppenhaus angebaut, und als dies
endlich zur Verbreiterung der Passagen beseitigt werden musste,
wurde 1863 durch den Stadtbaumeister Henrich eine neue Wendel-
treppe—seine Amtsvorfahren würden „ein Schneck" gesagt haben—
angebaut, welche in Form und Ausführung sich dem alten Thurm
ebenbürtig anschliesst.
Entsprechend dem quadratischen Unterbau beträgt der äussere
Durchmesser des runden Thurmes 33 Fuss, sein innerer misst 21 Fuss,
Digitized by Google
- 24 -
und es würde seine Mauerstärke 6 Fuss betragen, wenn der innere
und der äussere Kreis concentrisch wären ; dies ist jedoch nicht der
Fall, sondern der innere ist so weit zurückgerückt, dass die Mauer
der Feldseite zugewendet 7 Fuss, nach der Stadtseite aber nur 6 Fuss
Stärke hat.
Die sechs Stockwerke des Thurmes sind durch Balkenlager ge-
schieden, durch hölzerne Blocktreppcn verbunden, durch schmuck-
lose viereckige Fensteröffnungen mit Fallladen, die am Sturz eingc-
hangon sind, mässig erhellt, und einige durch Kamine geheizt
Die Zimmer sind durch Kragsteine und Friessbogen um ihre
halbe Mauerstärke, einen Fuss vorgebaut; vor sie treten auf tiefer an-
gesetzten Kragsteinen vier Erker mit einem Viertelkreissegment noch
einen Fuss weiter vor. Indem sie hinter dem kegelförmigen Thurm-
helm angebaut sind, lassen sie den Wehrgang durch sich hindurch
gehen. Die beiden auf den äusseren Ecken des viereckigen Unter-
baues aufgesetzten Erker sind achteckig und ursprünglich auf ein eben
so viereckiges Dach aus Zimmerwerk mit Schicferbekleidung ange-
legt. Die vier aus der Zinnenkrone vortretenden Erker aber haben
die runde Form , welche sich zu einem kegelförmigen aus Bruchstein
gemauerten und verputzten Dach besser eignet. Jetzt haben auch
jene gemauerte Spitzdächer und alle steinerne Knäufe ; der des Haupt-
helms liegt 155 Fuss über dem Thorweg.
Der ganze Bau ist mit sehr geringem Aufwand von Steinmetz -
arbeit aufgeführt und mit Ausnahme dieser wenigen durchaus, selbst
sein Gedäch und seine Zinnenabwässerung, nur mit Kalkmörtel ver-
putzt; und dennoch wie monumental ist sein Schein und sein Sein.
Wie treffend ist durch die einfachen Mittel, mit denen hier so Würdi-
ges erreicht ist, die Behauptung, Bauten im mittelalterlichen Style
seien zu kostspielig, widerlegt und so manche pretensiöse moderne
Restaurations-Velleität beschämt. Es mag als bautechnische Eigen-
tümlichkeit hervorgehoben werden, dass bei Vollendung des Baues
die runden durch die ganze Mauer durchgehenden Rüstlöcher nicht
vermauert, sondern,{um sie bei künftigen Arbeiten leicht wieder finden
und öffnen zu können, mit eigens geformten Thonkrügen zugesetzt,
und bis auf deren (auch für Spatzen zu enge) Mündung , deren viele
besonders auf der Wetterseite sichtbar, mit Mörtel überputzt worden sind.
Am 11. October 1349 wurde in der Gegend, wo heute das
Eschenheimer Thor steht, ein runder Thurm begonnen und ausge-
führt. Er wird sich nur wenig von den andern runden Mauerthür-
men — die auch als „Rohre" bezeichnet werden — unterschieden
haben.
Digitized by Google
Da er rund war und eine Thorwölbung in einem Rundbau sich
nicht wohl und solide herstellen lässt, so ist zu vermuthen, dass der
Thorweg, wie wir dies im 13. und 14 Jahrhundert häufig finden,
neben und zwar aus Vertheidigungsrticksichten rechts neben dem
Thurm hinausgeführt hat. Der Weg lief dann weiter gerade aus in
den Oeder Weg ; die Eschersheimer Landstrasse ist, wie es schon aus
ihrer Richtung schräg durch die durchlaufenden Grundstücksgränzen
ersichtlich, neuern Ursprungs.
Wir wissen aus einer Nachweisung, die sich über die Artillerie-
Ausrüstung sämmtlicher städtischer Befestigungswerke verbreitet, dass
jener Thorthurm im Jahr 1391 mit vier Feuerbüchsen, dazu 44 Blei-
klötzen (Kugeln) und einem Sack Pulver, mit vier Stegreif- Armbrüsten
und drei Laden voll Pfeile armirt war.
Die Gegend lag tief und der Graben stand voll Wasser und
war zwischen Weiden und Schilf reich mit Fischen besetzt; doch
bestand sein Untergrund aus einem kalkig schiefrigen Gestein, da*
zu verschiedenen Zeiten tiefer ausgebrochen wurde.
Im Jahr 1400 begann Meister Mengoz, zweifelsohne derselbe
Clea Mengoss, den wir aus „Gwinner's Kunst und Künstler in Frank-
furt" kennen, der 1413 in der St Bartolomäus- Kirche einen Taber-
nakelbau ausführte, den Abbruch jenes runden Thurmes, und in
der letzten Woche des Monats Juni wurde der erste Stein für den
viereckigen Unterbau des heute noch stehenden Thorthurms gelegt. —
Die Steinmetzen erhielten dafür einen Gulden Trinkgeld. Der Grä-
ber Eberhard hatte mit seinen Leuten und den Opperknechten das
Fundament (das Fulmond) gegraben und durch den Zimmermeister
Folraar waren die Grundbäume gerichtet worden — denn ohne diese
verankernden Schwellroste wurde auch bei gutem Baugrund nicht
wohl ein Bau gegründet. Nennen wir hier gleich noch Meister
Wyker, den Steindecker, und Meister Thomas, den Schmied, so
haben wir die Haupthandwerksmeister aufgeführt, an deren Spitze
freilich Cles Mengoz der Steinmetz steht. Das Wohlwollen, das man
für ihn und seine Familie hegte, bethätigte der Rath durch „14 Heller
für Wein als Jeck Mengoz Dochtcr ein Man nara" und dadurch,
dass er das Zinshaus, das Mengoz an der Bornheimer Pforte inne
hatte, 1409 neu aufbauen Hess.
Während die Hausteine, theils Sandstein von Miltenberg am Main,
theils poröser Basalt von Bockenheim, und die gewöhnlichen Mauer-
steine aus denselben Basaltbrüchen und aus den Gruben von Cerithien-
kalk bei Sachsenhausen kamen, schaffte man Backsteine und Tannen-
holz von Mainz herauf, und benutzte zu den Baugerüsten viele Schock
Stockfischstränge, hindeutend auf den grossen Bedarf der damit ver-
packten Fastenspeise.
Im November desselben Jahres wurde die hölzerne Brücke Uber
den Graben, und die Thordurchfahrt fertig und durch die beiden
untern Erker vertheidigt. Diese sowie der ganze viereckige Unter-
bau, der nicht höher war als die Stadtmauer, wurde nun in Zimmer-
werk Uberdacht und mit Schiefer eingedeckt und blieb so 25 Jahre
stehen. —
Ehe man zum Weiterbau schritt, fand man an dem Bestehenden
schon eine Verbesserung nöthig. Es wurde nämlich schon 1409 zur
grössern Sicherheit vor dem äussern Thor eine Schosspforte — ein
Fallgatter eingehängt und dazu nachträglich die schon oben bezeich-
neten Falzen aus Sandstein ausgeführt, und oben durch einen Stich-
bogen aus gleichem Material überspannt Zugleich wurde jenseits
des Grabens ein „Vorbord" errichtet, d. h. ein Vorthor mit zwei
Treppenthürmchen, um zum Wehrgang und der Pechnase über dem
Thor zu gelangen. Statt des treffenden deutschen Namens Vor-
bord bedienen wir uns heute für dergleichen Anlagen der Bezeich-
nung Tambour — die so unpassend als möglich ist, da sie von der
runden oder halbrunden Form einer Palisadirung herrührt, wie sie
im vorigen Jahrhundert manchmal angewendet wurde.
Im Jahr 1412 und 13 führte man hier und am Friedberger Thor
eine Wasserleiturg in steinernen Kändeln ein.
Zum Aufbau des runden, auf dem viereckigen Untersatz stehen-
den Thurmes fand man erst 1426 Zeit und Mittel.
Meister Madern , den wir als Werkmeister des Pfarrthurms kennen,
war auch der Meister, der den Eschenheimer Thurm vom Untersatz bis
zum Knauf mit seiner schönen Zinnen- uud Helmkrone ausgeführt, und
wohl auch entworfen hat, denn es scheint nicht wahrscheinlich, dasa
dieser Meister einen alten, wenn überhaupt vorhandenen , Plan nur aus-
geführt habe. Meister Madern Gertener war schon 1399 am Bau der
Mainbrücke beschäftigt gewesen und hatte sich damals verpflichtet
den Schaden zu tragen, der aus den Rissen an den von ihm gebau-
ten Schwibbogen] entstehen möchte. Als Werkmeister des Pfarr-
thurms, dessen Bau er seit der Grundsteinlegung am 6. Juni 1414
bis zu seinem Tode 1432 führte, erhielt er 10 Gulden Jahresgehalt
und 2 Gulden Trinkgeld. Von seiner Iland sind die beiden Wappen-
adler, die wir an der innern und an der äussern Seite des Thurmes
sehen; er erhielt dafür 1426 am Tag vor Palmsonntag 8 Pfund
Heller und 8 Schillinge, während „Meister Endres Polier" für minder
kunstvolle Arbeit im Tagelohn 5 Schillinge empfing. Die Adler
Digitized by Google
- 27 -
wurden gemalt und dafür 7 Pfund 16 Schillinge, für Gold dazu noch
besonders 6 Pfand 12 Schillinge ausgegeben. Man beschäftigte täg-
lich 5 bis 10 Steinmetzen und Maurer und zwei Pferde mit einem
Knecht zum Aufziehen der Baumaterialien mittels Seil und Rolle.
Einem armen Gesellen Freyermund, der vom Gerüste gefallen war,
gab der Rath „so lang ihm gelüste" wöchentlich 4 Schilling.
Mit Ende des Jahres 1427 war der Bau so weit fertig, dass er
beworfen werden konnte, seine Helme schon Steinknäufe und Fähnchen
hatten, und dass der Maler um Pauli Bekehrung (25. Januar) 1428
4 Pfund 16 Schillinge erhielt, um diese Fahnen und die Kragen der
Knäufe auf den vier obern Erkern roth zu malen, den des Haupt-
helms aber zu vergolden, und zwar wurde dazu für 10 Pfund
16 Schilling Gold verbraucht und dem Malerknecht auch 12 Heller
geschenkt.
Auch die beiden untern Erker erhielten statt der Schieferdächer
nunmehr, wie die obem, gemauerte Helme und Steinknäufe, welche
letztere ebenfalls roth gemalt wurden.
So schaute der Thurm trotzig und fröhlich ins Land als man
Samstag Abend vor Pfingsten 1428 den Maurern ihr Bade- und
Schlüsselgeld gab.
Der Epheu, der jetzt dem alten Thurm zu immer frischer Zierde
gereicht, ist von Jugend auf sein treuer Gefährte, und Hess sich
nicht beirren, als schon wenige Jahre nach dem Bau 1436 Leute
angestellt wurden, „den Ebich an der Mauer bey Eschersheimer
Porte abezubrechen".
Der Thurm hatte Thor und Brücke unter sich zu vertheidigen,
die den Raubanfällen der Überhöhischen Ritterschaft besonders aus-
gesetzte nördliche Umgebung der Stadt zu überwachen; die
Thurmknechte hatten, wie bei den andern Thorthürmen, durch Auf-
ziehen eines Korbes die Fcldarbeiter und Hirten zu warnen, dass
sie sich innerhalb der Landwehren und in die Höfe der Warten
flüchten konnten, sie hatten Zeichen zu geben, damit „die unterm
Storm" auf dem Pfarrthurm die Bürgerschaft durch das Horn auf
die Alarmplätze, zur Besetzung der Mauern und zu Ausfällen bereit,
zusammenrufen konnten.
Von dem Thurm aus liefen die gedeckten Wehrgänge auf der
Stadtmauer nach dem Rödelheimer und Friedberger Thor hin, und
gewährten den Einblick in Höfe und Gärten, welche Goethe so rei-
zend beschreibt und aus denen das Knabenmärchen entstand, das
hinter der nahen schlimmen Mauer spielt
Bis zum Jahr 1444 war der eigentliche Zwinger, der vor der
Digitized by Google
- 28 -
Mauer, nur durch eine gebückte Hecke vom Graben getrennt; um
diese Zeit aber wurde die Hecke beseitigt und vom Grabengrund
aus eine Zwingermauer mit Scharten und wenigen Ecktiiürmchen ftir
die Wächter erbaut
Wir Übergehen eine Erneuerung der Knäufe in Material und
Malerei im Jahr 1464 und die Aufstellung einer Schlaguhr, die der
Blitz 1584 herabwarf und deren Funktion seitdem gleichfalls nicht
infallibel durch einen Wächter vorsehen wird.
Ohne namhaften Schaden ging der Eschenheimer Thurm 1552
aus der Belagerung durch den Schmalkaldischen Bund hervor. Die
Befestigungskunst des 17. Jahrhunderts schob ihn ins zweite Treffen,
Vertrauen und Pietät aber erhielt ihn, wie sie einst den Bering Lud-
wig des Deutschen vorsichtig und treu beibehalten hatte. Nachdem
mehrere Ingenieure befragt worden waren , berief die Stadt den
Architekten W^ilhelm Dillich aus Kassel und seinen Sohn Johann
Wilhelm, und beauftragte den letztern mit der Ausführung einer
bastionirten Wallbefestigung vor der mittelalterlichen Mauer. Die
genannten legten dazu zahlreiche nach mannigfaltigen Erwägungen
modifizirte und endlich festgestellte Pläne vor — welche sie nach
ihrem eigenen nicht nach dem Vauban'schen System , wie wohl
behauptet worden, entworfen hatten — schon deshalb, weil Vauban
erst 1633 geboren wurde. — Während jedes Handbuch der Befesti-
gungskunst die Systeme der Italiäner, Franzosen und Niederländer
enthält, sind die nicht minder sinnreichen und durchdachten der deut-
schen Ingenicure des 16., 17. und 18. Jahrhunderts noch aus den
wonigen erhaltenen Ueberresten und aus den städtischen Archiven
hervorzusuchen und zu beschreiben. Möge Kenntniss und Muse eine
glückliche Hand dahin fuhren!
Im Jahr 1628 wurde vor dem Eschenheimer Thor die Wallcurtine
mit einem niedern Thor angelegt und durch eine hölzerne Brücke
und Zugbrücke über den Graben, mit einem grossen Waffenplatz —
keinem Ravelin, wie Vauban gethan haben würde, — im gedeckten
Weg verbunden.
Dies Thor, in dem nicht reizlosen Schnörkelstyl des 17. Jahr-
hunderts erbaut, hat seine Schuldigkeit gethan zwei Jahrhundertc
lang, und mehr als das, da es sich nach geringem Umbau 1807 die
zweifelhafte Ehre gefallen Hess nach dem Fürsten Primas Karls
Thor genannt zu werden.
Damals waren die Wälle geschleift , und, wie man sich ausdrückte,
um dem Licht und der Luft den Zutritt in die Stadt zu schaffen,
die alten Thorthtinne und Mauern niedergerissen worden, und das
Digitized by Google
I
- 29 -
Verderben stand nahe auch unserm Thurm; nur der kräftigen Ein-
spräche des französischen Gesandten Grafen Hedouville gelang es,
ihn zu erhalten — desselben der sich auch später bis 1813 als Civil-
gouverneur von Rom und als Curator der Vatikanischen Bibliothek
als ein wackerer deutsche Gelehrte und Künstler fördernder Mann
bewiesen hat — Aehnlich hat in den vierziger Jahren ein anderer
trefflicher Mann, der preussische Bevollmächtigte General v. Radowitz
erneuerte Angriffe abgewendet.
Heute aber , wo wir den Eschenheimer Thurm frei umgehen kön-
nen, wenn wir in die lachende Landschaft hinauswandern, wo wir
auf unsern Wanderungen ihn neben dem Pfarrthurm als treues Wahr-
zeichen immer zuerst aufsuchen, wo wir zurückkehrend bei seinem
Anblick — auch wenn wir nicht in seinem Schatten geboren — vom
Gefühl der Heimath erfüllt werden — steht er — des walte Gott—
geliebt und gesichert fest für alle Zeiten.
H.
Das Fahrthor. <
Da dieser Tage nun auch die letzte Spur des Fahrthors, als sol-
ches, verschwunden ist, wird es sich ziemen, ihm seinen Nekrolog
nachzusenden.
Die kaiserliche Pfalz, der Saalhof, lag am untern Ende einer
Insel, welche sich von der Einmündung des längst verschwundenen
Elkenbaches an der schönen Aussicht bis ans Fahrthor erstreckte,
und deren Breite vom Main und der grossen Antau (durch die Do-
minikaner-, Krug-, Born-, Neu- und Wedelgasse) bestimmt wird.
Die Heerstrasse erreichte an der oberen Inselspitze durch die
Fahrgasse die Mainfurth, in welcher sie sich schräg nach der Para-
diesgasse hinzog.
Schon früh verlandete der Arm, der diese Insel von der weiter
abwärt» bis zum Zollhof reichenden trennte, und heute noch den Sams-
tags- und Römerberg scheidet, er blieb nur als Bucht unter dem
1 Vortrag gehalten in der Sitzung des Vereins für Geschichte and Alterthumfl-
kunde zu Frankfurt am 4. Mai 1866. Vgl. Mitteilungen ID. 203.
Digitized by Google
— 30 —
Saalhof znm Anlanden der Schiffe, die noch lange den Hauptverkehr
vermittelten. .
Als die Stadt anwuchs und im 9. Jahrhundert jene beiden Inseln
bedeckend zum erstenmal umschlossen wurde, blieb hier das Fahrthor
offen.
Baldemar v. Peterweil (starb 1382) nennt die Pforte zum ersten-
mal, wir finden sie dann 1388, aber wohl nicht zum erstenmal im
Bau begriffen.
Hessemer, der unter vielen andern auch das Verdienst hat, das
Fahrthor vor seinem Abbruch im Jahr 1842 durch eine Zeichnung
von Ballenberger in dem Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst
erhalten zu haben, vermuthet in dem beigegebenen Text, dass dies
eben der Bau wäre, der 1388 errichtet worden sei.
Da mir die Gelegenheit freundlich geboten war, die städtischen
Baumeisterbücher jener und späterer Zeit durchzusehen, so will ich
hier aufzeichnen, was sich aus denselben ergibt, und gleich dabei
den mit dem Fahrthor verbundenen Rententhurm mitnehmen, um so
lieber, da, wie Battonn sagt, auch über seine Bauzeit schon Wider-
sprüche in der Frankfurter Chronik bestehen.
Lersner sagt nämlich: „1403 ist der Rententhurm gebaut worden,
und weil auf diesem Thurm alles verzollt wird, was in die Stadt
kommt und daraus geht, also ist zum Behuf 1489 die Stuben darauf
unter Direktion Johann Heysse Visirers auf den Tag St. Viti ange-
fangen, und vollendet uff den Tag St. Michaelis gebaut und akkomo-
dirt worden." An einer andern Stelle sagt Lersner: „1455 wird der
Rententhurm angefangen aus dem Grund zu mauern, kostet der Ad-
ler uff die 30 Ä zu hauen, zu malen und zu vergolden."
Nun findet sich aber in Wirklichkeit die Bauthätigkeit der Jahre
1403 und 4 nach einer ganz andern Seite hin gerichtet.
Der Unfug der Wetterauischen Raubritter, der damals den höch-
sten Grad erreicht hatte, drängte vor allem zur Vollendung der Fried-
berger- Thor-Befestigung; wir finden dort im Jahr 1403 den Meister
Eberhard (ob derselbe viel belobte, Meister, den wir 50 Jahre später
in Thätigkeit sehen, weiss ich noch nicht) an dem Damm und der Brücke,
am Zwinger, am Mantel und am Schneck vor Friedberger Pforte beschäf-
tigt; es werden zwischen dem Friedberger- und Allerheiligen-Thor
die drei niedre Mauerthürme ausgebaut, die man damals die drei
Rore nannte, und welche ein Jude zahlen inusste, da man ihn in un-
erlaubtem Umgang betroffen, und es wird in Eile an den Funda-
menten der Mainbrücke gearbeitet, die wieder einmal eingestürzt
war oder einzustürzen drohte. 1404 wurden Befestigungen auf Knobela-
Digitized by Google
hof (Kuhornhof), welcher der Stadt vor Erbauung der Friedberger
als Warte diente, ausgeführt, und unter Kaiser Ruprecht» Führung
ein Zug gegen die Wetterauischen Raubschlösser unternommen. Aber
am Fahrthor und am Rententhurm — und nehmen wir gleich das
nahe Holzpförtchen mit — auch an diesem geschah jetzt und in den
nächst vorher und nachfolgenden Jahren nichts.
Erst im Jahre 1456 (Baumeisterbuch von 1454 sabbato ante invo-
cavit) ging man mit Ernst an die fortifikatorische Verstärkung der
Mainfront. (Doch hatte man schon 1449 die Zinnen am Saalhof ver-
mauert und SchieBslöcher eingesetzt, eine gleiche Arbeit aus demselben
Jahr ist an der Nordseite des Weissfrauenklosters noch zu sehen.)
Am genannten Tag erhält Meister Eberhard (Friedeberg, der städtische
Werkmeister und Parlier) 1 t( ß für 6 Taglöhne „als er dem Rad
den Aberiss an der Farporten gemacht hat und zu Riedern und zu
Bonemes." — Wenn man annimmt, dass er dazu je einen Tag an den
letztgenannten Plätzen war, so erhielt er also 16 Schillinge Honorar
für seinen Plan.
Die Steinhauer behauen Windelsteine, Fenster und Ortsteine in
der Steinmetzhütte am Main, die man Meister Eberhard schon 1449,
als er am Thurm und der Simsbekrönung der Nicolaikirche arbeitete,
eingeräumt hatte. Meister Carpchen, der Steindecker, reisst das Dach
ab auf dem Ort, d. h. auf der Ecke, wo der Rententhurm erbaut
werden sollte, die Opperknechte reissen die Mauern ab, und graben
den Grund. Da man hier dem Saalhof sehr nah kam, so musste ihm
eine „Want gestotzelt" und ein Stück Dach abgebrochen werden ; die
Opperknechte stiessen mit den Heyen Pfahle in den Grund, und am
Vorabend vor Pfingsten konnten schon 4 ß 4 h. berechnet werden
„vur ein virtel Wins geschenkt den Murern als sie den Grund anhüben
zu muren by der Fahrporten an dem Rentstobechen".
Die Fahrpforte selbst blieb noch unberührt bis der Thurm, der
sie zu vertheidigen bestimmt war und der sichere Gang zu ihm höher
aufgeführt war. Es sind täglich 10, 14, 20 bis 30 Maurer und Stein-
hauer daran in Thätigkeit
Der Gang wird bald fertig, so dass die „Blumen uff die fenster
die in dem Dach uff dem Gang steu vor der Fahrport" aufgesetzt und
roth und weiss gemalt werden konnten. Am Thurm war länger zu
thun. — Mit 17 Taglöhnen, das machte 4 % 15 ß, wird der Adler be-
zahlt, der ihn schmückt; freilich wäre zu wünschen gewesen, dass der
alte Geselle, der ihn gemeiselt, in der Inschrift dasMCCCCLV deut-
licher gemacht hätte, damit, was wohl Anlass zu dem oben erwähnten
Irrthum geben konnte, man nicht MCCGC1V lesen und die Funda-
- 32 -
mentirung ein Jahr früher vermuthen mogte. Auch konnten vor den
Fensterladen die Geremse (die uff die nuwe Rentetobe kommen sin)
schon angebracht und gemalt werden.
Ueber die Fensterladen, Schalden, der Bauten jener Zeit mögen
hier ein Paar Worte Platz finden. Wie wir von der Art, die Laden
in Angeln neben die Fenster zu hängen und Sturm und Wetter aus-
zusetzen, allmälig abkommeu, und sie — wenn auch nicht zur größ-
ten Solidität des Baues — zur Seite in Mauerfalzen schieben, so brach-
ten die Alten vorspringende Steinfalzen unter den Fenstern an, und
Hessen die Schalden an einem Seil in sie hinab oder zogen sie auf. —
„7 ß 7 h. vur 5 £ Seiles zu den Schalden uff dem nuwen thorn by
der Farporten." Diese Einrichtung ist am Rententhurm auf der Süd-
seite noch zu errathen, auf der Ostseite noch wohl erhalten und in
einer für Schiesscharten nöthigcn Abänderung im Holzmagazin zu
Sachsenhausen zu sehen an dem Bollwerk, welches derselbe Meister
Eberhard in den Jahren 1450 und 1462 erbaut hat Zur Bewegung
der Schaldor muss das Geremse etwas vorstehen — es wird daher
auch wohl Korb genannt — und nicht an der Fensterbank, sondern
nur oben und an den Seiten in den Stein befestigt sein.
Im Jahre 1456 wurden dem Maler nochmals 1 fC gegeben die
Geremtze roth zu malen und zu streichen in dem nüwen Thore bey
der Fahrporten, und 18 von dem Adler zu malen an dem thorn
by der Fahrporten, 4 M h. aber des Malers Knecht zu Trinkgeld
geschenkt und noch für 8 Ä 2 ß l1/* buch geslanes fynes goldes da-
zu geliefert
Um Maria Himmelfahrt wird der Thurmhelm errichtet, wobei
Opperknechte mit dem Haspel den Zimmerleuten helfen, um Bartho-
lomae wird er mit Schiefer gedeckt, auf dem Haupthelm ein Knauf
von 146 % und auf die vier Erkern vier kleinere von zusammen
137 gesetzt und das Banner aufgesteckt Die vier Erker wurden
jedoch nicht, wie wir sie jetzt sehen, mit Schiefer bekleidet, sondern
geweisst mit blau, schwarz und grün bemalt
Das Fahrthor selbst wird auch noch in diesem Jahre soweit ge-
baut, dass der Thorweg gepflastert und dem Maler 1 gegeben
wurde, dass er die Fahrporten gemalt und das Gewölbe bestrichen
hat. Die Durchfahrt war also frei.
Während der Jahre 1457 und 58 war das Fahrthor in seinem
Oberbau unvollendet stehen geblieben; erst im Jahr 1459 und 1460
wird es ganz ausgebaut, gedeckt, und die Räume über ihm wohnlich
eingerichtet Ein Ofen mit vier Zinnen wird gesetzt uud der Glaser
Meister Thomann erhält 4 K vur vier gewappnete Finster — sin koin-
Digitized by Google
- 33 -
men uff den Saal uff die farport, 5 Gulden ftlr 6 doppelte und 7 flache
Glasrahmen mit 20 Windeison und Riegeln dazu, — und um Gregori
1460 ftlr 600 Schyben Glas zu versetzen zu finstern in dem Saal uff
der Fahrport von jedem 100 Stück 12 ß, von 3 Wappenfenster (wohl
im Erker), je 10 f*. — Der Maler erhält 16 Pfund Farbe, Bleiweiss,
schwarz und roth, im Sommer des Jahres 1460, 21 12 ß „von dem
Addeler zu malen und vur Golt an die farport". So war dasselbe auch
von Aussen würdig geschmückt zum Erwarten und Empfangen von
Fürsten und Gesandten, die noch immer den Main bequemer als die
Landstrasse fanden und lockend genug zu des Rathes Trinkstube, auf
die er ohne Angabe des Weinmaasses „zu einem Mandel Kees und
rostigem Häring" männiglich laden mogte.
Gleichzeitig mit dem Fahrthor und dem Rententhurm wurden
auch die andern Wasserthore gründlich umgebaut und vollendet.
Die Fischerpforte, welche schon ums Jahr 1350 vorkommt,
und ohne Zweifel eine der ältesten Wasserpforten war, hatte um 1428
noch einen Thurm. Dieser war entweder baufällig geworden oder er-
schien bei der Nähe des Brückenthurms nicht mehr nöthig, jedenfalls
wurde er bei dem Umbau der Pforte, welcher 1449 stattfand, nicht
mehr aufgebaut, sondern es wurde durch andre Befestigungsbauten für
deren Sicherheit gesorgt. Dies geschah mit Benutzung des Thurmunter-
baues durch eine auf Friessbogen ruhende Zinnenbekrönung dicht
über dem Thor, und durch ein Bollwerk neben demselben. Es ist
dies der dreieckige Vorsprung, den wir auf den Plänen von 1552 und
von Merian neben der Brücke sehen, und welcher noch bis in unser
Jahrhundert dem Eckhaus (Fahrgasse No. 1) als Wirthschaftsgartcn
diente. Dies Bollwerk wurde nicht, wie der Name etwa vermutheii
lässt, aus Holz, sondern, wie andre gleichbenannte, aus Steinen er-
baut, und diese zum Theil im Main am Thiergarten gebrochen, oder
durch Backsteine ersetzt, die man gleichfalls bei Sachsenhausen ge-
brannt hatte. Sowohl die Zinnen am Bollwerk, als auch die Fries-
bogen und Zinnen am Thor lassen vermuthen, dass die Nachrichten
im Baunicistcrbuch von 1449 über den Bau an der neuen Fischer-
pforte, an der Ringmauer bei der Fischerpforte, und am Bollwerk
vor der Fischerpforte, von den Schiesslöchern, die daselbst gesetzt,
oder von den Fischern in dem Bollwerk bei ihnen geöffnet wurden,
sich auf die, in jenen Plänen noch dargestellte Anlage beziehen.
Die Juden- oder Löwerpforte war um jene Zeit schon ver-
mauert, sonst würde sicher auch für sie etwas geschehen sein; sie
blieb geschlossen, und durch ein Haus verbaut, bis zu Anfang unse-
res Jahrhunderts.
IV. 3
Digitized by Google
-34
Die Metzelpforte wurde im Jahr 1456 von Grand ans, und
nachdem zur Bewältigung des Wasser» Tag und Nacht geäst (ge-
schöpft ) worden war. als stattlicher viereckiger Thurm aufgeführt,
mit Backsteinen von Sachscnhausen eingewölbt, und mit Geremsen
vor den Fenstern bewahrt. Im Jahr 1457 schlugen die Zimmerleute
den Dachstuhl und Erker auf. der Schieferdecker deckte ihn und
brachte den 1291/* tf schweren Knauf und 2 Banner an Ort und
Stelle, und der Maler malte diese und das Geremse, sowie einen Ad-
ler — wohl über dem Thor auf die Mauer.
Das alte Heilig-Geistpförtchen wurde 14Ö4 vom Dach bis
zum Grund abgebrochen, und ein neuer viereckiger Tborthunu — -
nicht so hoch als der Metzgerthorthurm — aber gleichfalls mit einem
Erker über dem Thor erbaut.
Diese Erker sind allen unsern Wasselthoren eigen, sie dienten
nicht nur zur L mschau nach den Sehen, sondern da sie im Fuss-
boden eine Oeflnung hatten, auch als Peehnase, um unter sich dicht
vor das Thor zu sehen, zu leuchten, zu werfen oder was man sonst
gut hieh zu thun.
Im selben 1454er Jahr wurde der Thurm gedeckt und zum
Zeichen der Vollendung die Knäufe auf die beiden Firstenden und den
Erker gesetzt und letzterer mit Bleiweiss und Leinöl , mit Minige und
Kynschwarz gemah.
Das Holzpf örtchen, damals Wyssenpörtchen genannt, wurde
1456 an Stelle eines ähern, schon von Baidemar von Peterweü er-
wähnten, von Grund aus. nicht ohne dass auch hier wegen der
nöthigen Fundamenttiefe geost werden rausste, erbaut Wie die
Maurer und Steinhauer sind auch die Zimmerleute schon im selben
Jahre dort beschäftigt, das Dach wird gedeckt, die Dachgaupen mit
Blech Ü5 Tafeln) überzogen, die Knäufe 109 Pfund schwer aufgesetzt,
Leisten und Stabwerk mit Bleiweiss, blau und roth — und da dies
vielleicht nicht effektvoll genug schien, nochmals roth. weiss und
Im Februar des Jahres wurde der Durchgang gepflastert, dem
Schmied (Meister Merz hiess er) - 13 Gulden „die Wyssen
zu beslan" gegeben, und dieselbe so dem Verkehr wieder
Ich weiss sehr wohl, dass sowohl Battonn als Ht
ja dass Babenberg es selbst zeichnet, dass das Holzpförtchen 1404
erbaut »ei. So ungern ich diesen Dreien widerspreche,
doch nur an das Bauraeisterbuch bähen, und die
chen , dass auch hier der Steinmetz uns einen Stre
er jene verfuhrt, sein LIM für IUI zu lesen. Aber auch wenn wir
Digitized by Google
- 35 -
den Baustyl des Fahrthores und des Holzpförtchens in den Zeichnun-
gen im Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst betrachten und
vergleichen, werden wir auf dieselbe Zeit, und nicht in den Anfang,
sondern in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts geführt; schon die
wieder rundbogig gewordene Gothik, sowie die Durchkreuzung der
Leisten und Kehlen an den Erkerfenstern des einen, und am Erker-
träger des andern Baues leiten uns dahin.
Die Leonhardspforte war schon 1388 durch einen hohen
runden Thurm befestigt worden, doch erschien es auch in der Zeit,
von der wir sprechen — 1466 — nöthig, das Thor selbst zu verstärken,
es wurde nun eingewölbt, neue Thorflügel gemacht, das alte Thor-
schloss gebessert und wieder an das neue angeschlagen.
Das danach folgende Pfbrtchen am Weinmarkt muss zu dieser
Zeit schon vermauert gewesen sein, 1374 wurde für das Beschließen
desselben — des Dumpelpörtchens — noch Zahlung geleistet; nur
der Erker über demselben war beibehalten worden, wir finden ihn
unter dem Namen einer „Ausladung by dem Dtimpelborn" im Jahr
1400 und als „Sneck by dem Dümpelborn" 1408 aufgeführt. Unter
Sneck wurde ohne Zweifel ursprünglich eine Wendeltreppe, dann auch
das Thurmchen, das sie barg, verstanden; da besonders die Vor-
thore, Thorzwinger jenseits des Grabens solche Thürmchcn hatten,
mittels denen man zum Aufzug der Fallgatter und zur Pfbrtnerwoh-
mrag gelangte, — so wurde oft das ganze Vorthor so genannt, und
die Pförtner als sitzend auf dem Sneck verzeichnet.
Noch 1461 hatte Meister Eberhard ein neues Frauenhaus — der
gemeynen Dochter hus by dem Dympelborn — erbaut.
Auch ein grosses Thor auf dem Weinmarkt (dessen ausser
Battonn auch Feyerlein gedenkt) war damals schon vermauert. Es
mag dies in der Zeit von 1401 bis 1405 geschehen sein, wo man
die Mainufer mittels eingerammter Pfähle und dahinter gelegter
Bohlen, sowie durch den Schutt erhöhte, den man vom Römer und
Schwan und sonst aus der Stadt beifuhr oder aus dem Main dahinter
warf. (1404 Erde aus dem Main bei dem Knäbleinsborn hinter die
Pfähle zu werfen.)
Unfern dem Knäbleinsborn bestand die F r a u e n p f o r t e. Die Mauer
war 1396 hier durchbrochen und auch sonst waren Mauerarbeiten hier
ausgeführt worden, um, wenn wir nicht irren, die bald darauf soge-
nannte Frauen -Pforte dort anzulegen. 1409 durften die Bäcker,
welche in der Umgegend des Kornmarkts wohnten , ihre Schweine
nur zum Leonhardsthor hinaus an den Main „gen Knebleinsborn" trei-
ben, während die aus der Mainzergasse sie nur vor die Frauenpforte
3*
Digitized by Google
- 36 -
schicken durften: und zwar sollten sie sie schnell treiben, „das* sie
vor der Leute Häuser nit blieben stehn"; — 1416 wurde die Erde
au» dem Graben, der durch die Stadt geht (aus der grossen Antau)
bei Knäbleinsborn an den Main geführt: als man 1417 die Schleif-
muhle dort begann, wurde eine steinerne Pforte eingesetzt; 1418 an
die „Molen uff dem Mein zusehen dem Knablinsborn und dem Meinzer
Thorn" — sowie an das Frauenhaus daselbst zu dem Mühlenbau
Steine gefahren. Die Pforte erhielt von jenem öffentlichen Hause
den Namen Frauenpforte — und noch später Mühlenpforte. Aach
ihr Umbau gehört in das Jahr 1456; dass dies von Grund aus ge-
schah, geht aus dem Wasaerschöpfen (Osen) bei Tag und Nacht im
Fundament hervor.
Der Unterbau wird aus Stein, der Oberbau aus Fachwerk (wel-
ches im Bruckhof zugerichtet worden war) ausgeführt, auch hier
fehlt der Schmuck nicht , wenn man auch keine grossen Kosten darauf
verwendete, denn man gab dem Maler nur 10 Heller „für ein Mas
Wyna, von den Wappen uff der frawenporten zu malen". Man
überzog gewisse Dachtheile mit Blech und setzte 4 Knäufe darauf,
welche zusammen 158 0 wogen.
Wir]<aben hier eine ganze Reihe bedeutender Werke des Meisters
Eberhard Friedeberg aufgefülirt, und wollen sie nochmals mit deneu,
die Sen. Dr. Gwinner in Kunst und Künstler in Frankfurt erwähnt,
und denen, welche wir der gütigen Mittheilung des Herrn Archivar
Dr. Kricgk verdanken , zusammenfassen.
Ob die Bauten am Friedberger Thor im .Jahr 1403 von unserm
Meister oder von »einem Vater gebaut wurden, bleibt noch dahin-
gestellt ; 1435 baute er den Thurm Frauenrode am Römer ; von
1441 —1451 den Thurm der Liebfrauenkapelle zu Würzburg und
noch andere Bauten am Rhein ; 1445 liehen ihn die Bürger von Fried-
berg von Frankfurt zum Bau ihrer Pfarrkirche: 1449 baute er an
dem Thorzwinger vor Kschersheimer Pforte, am Thurme und der
Simskrönung der Nikolauskirche in Frankfurt und gab sein Gutachten
über die Burg Goldstein; 1450-1452 erbaute er das Rondel im Holz -
magazin zu Sachsenhausen; und von 1454 bis 58 die Thore und
Thürme am Main, uämlich die Metzger-, Heiliggeist-, Fahr-, Holz-
und Frauenpforte mit ihren Erkern und Thürmen und den Renten-
thurm.
Wir haben in Eberhard Friedeberg einen Meister von grosser
künstlerischer Begabung, grosser Erfahrung und grossem Rufe nicht
uur im Kirchen-, solidem auch im Kriegs- und bürgerlichen Baufach.
So hatte durch ihn innerhalb weniger Jahre (von 1454, 1457 bis
Digitized by Google
- 37 —
1460) die Wasserseite der Stadt »ich verjüngt, und bot sich im
Schmuck der Formen, de» Goldes und der Farben wehrhaft und fröhlich
den Blicken dar, der Mainzer Thurm beginnt wie der Baven von
Cöln den Beigen, dem die Pforten und Thürme, die wir genannt,
sich einfügen, und St. Leonhard, der Saalhof und das Heilige Geist-
Hospital eine höhere Weihe, der alte Brackenthurm mit seinem Knap-
pen dem Fischerfeldthurm aber den passenden Abschluss geben.
Wenn ich vergangner Tage
Reich an Kunst zu denken wage,
Muss ich ihre Werke missen
Da man kurz sie abgerissen.
in.
Mittelalterliche Schutz- und Trutzbauten im Innern
von Frankfurt.
Der städtische Archivar Professor Dr. Kriegk hat uns von den
Frankfurter Bürgerzwisten und Zuständen im Mittelalter ein so wahr-
uud meisterhaftes Gemälde aufgestellt, und mir neben der Liberalität
der städtischen Archiv- Deputation durch seine fördersamstc Gefällig-
keit die Lust belebt und die Quellen eröffnet, dass ich es unternehme,
einige Veduten aus dem Stadt-Innern jener Zeit zu skizziren und sie
der Zeitschrift eines Vereins Ubergebe, in dessen Mitte ich viele
der genussreichsten Stunden zugebracht habe.
Man würde irren, wenn mau glauben wollte, mit der Umschliessung
der mittelalterlichen Stadt mit Mauern, Thürmeu und Thoren seien
ihre Befestigungsbauten abgemacht gewesen.
So sehr es im Interesse der Bürgerfreiheit lag, keine „festen
Häuser" und Thürme in ihrem Innern oder in ihrem Umfang zu
dulden, so war die Macht des Einzelnen oder der Einfluß« der Ver-
hältnisse doch sehr oft grösser als der Widerstand dagegen und
stärker als alle kaiserlichen Befehle. — Das Versprechen, das Kö-
nig Richard 1257 gegeben, innerhalb Frankfurt keine burglichen
Bauten anzulegen, das 1322 von Kaiser Ludwig ertheilte Privilegium,
dass künftig Niemand in einem Bering von 5 Meilen um die Stadt
einen burglichen Bau, eine Burg oder Stadt anlegen sollte, und die
Bestätigung dieses Privilegs durch Karl IV. im Jahr 1366 hatten kein
Digitized by Google
I
— 38 -
anderes Resultat, als uns zu zeigen, daas die Bürger Grund hatten
die entgegenstehende Absicht zu befürchten.
Von den Ketten, welche der Rath selbst zur Hemmung von
Volksaufläufen oder zur Abgrenzung von Truppendurchgängen in
gewissen Strassen befestigen und schlieasen liess — bis zu den festen
von hohen Mauern und sichern Thoren umfangenen Höfen und zu
den VertheidigungsthUrmen, welche die Strassen flankirten und die
niedern Nachbarhäuser beherrschten — und welche der Rath oder
mächtige Einheimische wie Auswärtige in der Stadt ausführten, lie-
gen eine Menge Uebergänge von kleinem zu grössern Befestigungs-
anlagen, die Bich selbst von Burgen zu Gegenburgen , von Schutz -
zu Trutzfesten neben einander steigerten.
Der FrohDhonaorn.
Wenn man den Belagerungsplan von 1562 betrachtet, so fällt
am Ende der heutigen Predigerstrasse ein stattlicher Thurm auf, von
dem heute keine Spur mehr vorhanden. Auf den Merian'schen Plä-
nen von 1628 und den folgenden Jahren erkennt man neben jenem
Thurm einen von Mauern und einem Thor beschlossenen Hof mit
einem Ziehbrunnen. — Es ist der dem Probst des St Bartholomäus-
Stifts zuständige Frohnhof.
Der Thurm tritt an der Aussenseite der Stadtmauern nur wenig,
desto mehr aber an der Innscite, und namentlich in dem Frohnhof
vor , er hat vier Stockwerke , über welche der Zinnensöller auf einem
Bogonfriess etwas Ubertritt und von einem spitzen Helm mit drei
Erkern bedeckt wird. Die Erker sind auf dem altern Plane vier-
eckig und mit einer in der Ebene des Thurmes aufsteigenden Mauer-
front — auf dem Merianischen aber als anscheinend gezimmerte
sechs- oder achteckige Thtirmchen dargestellt Wir sehen, dass der
Thurm auch unten auf der Höhe der Stadtmauer von einem Bogen-
friess umgeben ist, welcher auf späteren Plänen verschwindet oder
durch eine sockelartige Verstärkung verdeckt wird, indem sie viel-
leicht selbst oder in ihrem Unterbau schadhaft geworden, allem An-
schein nach unterfahren worden ist Ein Bogenfriess in den untern
Lagen eines Thurmes konnte entweder einen Umgang tragen, wel-
cher den Wehrgang der Stadtmauer, ohne das Innere des Thurmes
zu betreten, fortsetzte, oder er musste mit Zinnen gekrönt den
Thurm hier schon abschliessen. — Jedenfalls zeigt er, daas der
Thurm von hier an einen wesentlichen Umbau erfahren hat Ur-
kundliche Nachrichten bestätigen dies. Nachdem das Stadtrechen-
"V.
ä
Digitized by Google
- 39 —
buch von 1364—55 9 & Heller nachweist „umb einen Erker der vir-
kauft ward/' und uns aus dem nachfolgenden die Vermuthung frei-
stellt, es handle sich hier um einen natürlich hölzernen Erker, der,
wie andere Stellen der Stadtniauor, beim ersten Bau auch hier provi-
sorisch da angebracht worden war, wo später ein steinerner Thurm
erbaut werden sollte — sagt uns Lersner I. 20: in diesem Jahre 1356
ist der runde Thurm in der Stadtmauer bei dem Frohnhofe erbaut
worden. — Wir nehmen an, dass dies nur bis zu der Höhe geschah,
mit welcher die Zinnenfirste über dem untern Bogenfriess ab-
schloss und dadurch immer noch höher war als die 1381 bewerkstel-
ligte Erhöhung der Mauer am Frohuhof. Im Jahre 1406 und 7
finden wir aber im Baumeisterbuch einen nochmaligen Bau am Frohn-
hofthunu, und zwar unter Umständen verzeichnet, die uns lehren,
dass es sich um einen hohen Bau handelt; deun es werden
Pferde angewandt, um die Baumaterialien über zwei Rollen hinauf-
zuziehen. Es werden Zahlungen an Handlanger und Holzschneider
für den Thurmhelm geleistet, und in der Woche vor Ostern 1408
30 Gulden berechnet, dem Zimmermann „an dem Helm uff denThorn
im Frohnhof zu machen mit vier Erker, Symsen, Dore, Finster und
Lene zu machen als im daz verdingt was; item den murern ö*/a dag
uff den Erkern uff den Thorn im Frohnhof zu arbeiten " und endlich
fünf Knäuff für denselben in Rechnung gestellt Es ist daher keine
Frage, dass der Thurm um diese Zeit so viel höher gemacht wor-
den ist und vier Erker bekam, welche wie der Haupthelm mit Knäuffen
und Fähnlein verziert wurden.
Aber es lassen sich auch die Gründe angeben, weshalb dieser
Bau eben jetzt vorgenommen wurde. Die feindselige Stimmung,
welche zwischen der Stadt und den drei geistlichen Stiften bestand, hatte
sich bei der Geistlichkeit des St Bartholomäusstiftes so weit gestei-
gert, dass im Sommer 1406 dessen Dechant Johann Musshund und
sein Offizial die Bürgermeister — ob alle drei, Gerbrecht von Glau-
burg, Conrad Wyss und Diele Monthabur, oder nur zwei, wird nicht
gemeldet, — als sie ohne Zweifel wegen der dort beabsichtigten
städtischen Befestigungsbauten in den Hof kamen, fest halten liess,
und sie nur durch Uebersteigung der Mauer ihre Freiheit retteten.
Die Erhöhung des Thurmes war keineswegs durch ein- fortifika-
torisches Bedürfniss nach Aussen hervorgerufen, denn jener Stadt-
theil war durch seine zurückgezogene Lage hinter dem wenig zu-
gänglichen wasserreichen Fischerfeld, sowie durch den Elkenbach,
der hier durch den Stadtgraben dem Main zufloss, mehr als jeder
andere gesichert
Digitized by Google
- 40 -
Auch hat man den Thurm nicht, wie es zur Vertheidigung gegen
eben äussern Feind zweckmässig gewesen wäre, aussen vor die Mauer,
sondern in den Frohnhof eintretend gesetzt. Die festen Höfe in der
Stadt, zumal solche, welche durch ihren unmittelbaren Anschlug an
die Umfassungsmauer eine Communikation nach Aussen und mit den
Feinden der Stadt möglich machten, waren Uebelstände, die man
bei der Feindseligkeit der Hofbesitzer und nach solcher Gewahthat
doppelt empfand, und durch die eben gemeldete Erhöhung des
Thunncs, der nun den Frohnhof wehrlos unter sich hatte, beant-
wortete.
Um dieselbe Zeit ereignete sich am andern Ende Deutschlands
fast dieselbe Sache. Auch in Danzig bestand um's Jahr 1410 grosse
Feindseligkeit zwischen dein deutschen Orden und der Stadt, und
auch hier setzte diese der Ordensburg, welche sich der Stadtmauer
anlehnte, einen hohen Thurm entgegen, so nahe, dass man Alles,
was dort vorging, übersehen konnte. Man nannte ihn „Kick in de
Köck", weil selbst die Küchengeheimnisse ihm nicht entzogen waren.
Auch er steht nur mit einer Achteckseite vor der Stadtmauer vor,
ist 100 Fuss hoch und bis auf 70 Fuss Höhe mit Ausnahme der vom
Wehrgang zugänglichen Pforte ohne Oeffiiung, ganz oben aber mit
breiten Maschikulis und mit Zinnen gekrönt Er steht noch wohler-
halten, zugleich ein Denkmal dem tapfern Bürgermeister Letzan, da.
Man schlug und vertrug sich und übte die Kräfte.
Schon 1409 war wieder Friede zwischen der Stadt und dem
St. Bartholomäusstift ; 1456 gab selbst der Stiftsprobst 250 IC Heller
freiwillige Beisteuer, um den Thurm am Frohnhof von Neuem zu
bewerfen. — Wir finden ihn als Ochsenthurm im Schöffenprotokoü
von 1444, dann als Wollgrabenthurm und als Pulverthurm hinter dem
Frohnhof bezeichnet, hier mit dem Zusatz, dass wegen Feuersgefahr
von der Judengassc kein Pulver mehr in ihn gebracht werden solle.
Im Jahr 1793 wurde er abgerissen. 4
Auf eben so feindlichem Fuss wie mit dem Bartholomäusstift
stand die Stadt auch mit dem Leonhardsstift und baute um 1388 ihm
entgegen; und zwar trotz alles Protestes auf stiftlichem Grund und
Boden einen hohen Vertheidigungsthurm. Weder seine Lage am
Ufer , wo keine Belagerungsthürme gegen ihn errichtet werden konn-
« Vgl. Battonn ortl. Beschreibung von Frankfurt I. 69.
» Vgl. Battonn 1. c. I. 64.
Digitized by Google
— 41 —
ten, noch der Zweck einer fernem Umschau, die später vom Main-
zerthurm an der Südwestecke der Stadt weit vollkommener erfüllt
wurde, reichen aus, den Bau des Leonhardsthurmcs zu rechtfertigen,
sondern wir müssen auch hier den Grund für seine Lage, Höhe und
Stärke in der Absicht erkennen, dem Leonhardsstift einen Zaum an-
zulegen und dessen Verkehr nach Aussen zu überwachen. Er war
1391 mit 3 Büchsen armirt, und später als städtisches Archiv benutzt,
blieb er immer unter strengem Verschluss des Raths. Im Jahr 1409
kam es zu einer für die Stadt günstigen Ausgleichung mit den
Stiften und wir hören später nichts mehr von ernsten Streitigkeiten.
Im Jahr 1808 wurde der Leonhardsthurm abgerissen.
1 Der Möncbsthorm. * * ,
Gleichfalls nicht ohne Absicht gegen die Dominikaner ist der
Mönchsthurm erbaut, welcher von deren Vulgärnamen und Kleidung
auch Prediger- und Weisse-Thurm benannt worden ist. Das Kloster
war schon 1238 hier an einer sumpfigen, vom Elkenbach benetzten
Stelle an dem alten Stadtgraben nicht fern der Stadtmauer auf einem
Platz bei dem Lachen gelegen , zu bauen begonnen , und nach Mass-
gabe der beschränkten Mittel vollendet worden. Seine Geistlichen
hatten das Interdikt, welches wegen der Parteinahme der Stadt für
den Kaiser Ludwig über Frankfurt verhängt worden war, zur Aus-
führung gebracht, und waren deshalb 1335 vertrieben worden; sie
kehrten zwar wahrscheinlich nach dem Tode des Kaisers 1347 wieder
zurück; aber das Misstrauen scheint fortbestanden zu haben. Wahr-
scheinlich um diese Zeit wurde der Mönchsthurm erbaut; dies geschah
zu einer Zeit, wo er eigentlich keinen Vertheidigungszweck nach
Aussen mehr zu erfüllen hatte, denn die von Kaiser Ludwig im Jahr
1333 gestattete neue Mauerumschliessung war damals schon viel wei-
ter vorgerückt und ausgeführt, denn es heisst z. B. in dem Stadt-
rechenbuch von 1349 „item Gerharte Zimmermanne von den eylfEr-
kerchin umb die Stadt und umb den Judenkirchhob zu machen 67s fr."
Diese bestanden dort allerdings schon, ehe die Mauer selbst aus-
geführt war, und dienten zur bessern Verteidigung des zuerst nur
palisadirten Grabens; wurden dann, als man mit dem Bau der Mauer
allmälig an sie kam, wieder abgebrochen, verkauft und durch stei-
nerne ersetzt; 1354 werden 9 fß um „einen Erker der verkaufft ward;"
1358 wieder 9 % „umb eyuen erkyr Gerharte Salinsteyn by sime
3 Vgl. Battonn 1. c. I. 37. Anch am Liehfrauenberg erbaute die Stadt einen
Thurm der noch steht und seit als Glockenthurm der Kirche dient.
Digitized by Google
- 42 -
I
garten , und den (Krker nämlich) Bai man ime gebin wann die mure
darkommt", und um Wettmachten desselben Jahres wieder 11 £
„umb eynen erker den neyston (nächsten) den man abbricht", verein-
nahmt. Der auch später öfters erwähnte Halmensteiiis Erker, oder „Erker
hinder Salraensteyner Hof", lag wie dieser zwischen dem Judeneck
und den Judenbacköfen. An seiner Stelle sehen wir auf dem Plan
von 1652 und dem Alerianischen ein sehr stattliches mit Erkern und
Thürmchen versehenes btlrgerlices Haus, das Salmenateinische, auf
der Stadtmauer aufsitzen.
Eine Veranlassung, hinter diesen Mauern und Erkern an der
zurückliegenden altern Stadtmauer noch einen Thurm wie den Mönchs-
thurm zu bauen, muss also nicht in einem äussern, sondern in
einem innern Feinde gesucht werden. Im Jahr 1384 kamen
Schlosser- Reparaturen , 1396 desgleichen an dem Stockhaus im
Mönchsthurm, 1413 werdeu die Bönen (Bühnen = das Gebälk),
mittels 11 Zimmermanns -Tagewerken „uff dem Gefengnis uff
Prediger Thorin wieder gemacht", auch Mauer und Estricharbei-
ten hergestellt. Auf dem ältesten Stadtplan und nach den noch vor-
handenen Ueberresten stellt er sich als ein runder Thunn von 30
Fuss Durchmesser dar, welcher die innere Stadtmauerflucht tangirend
fast ganz nach Aussen vorspringt. Er hatte 4 Stockwerke und einen
auf Friessbogen ausgekragten Zinnensöller, welcher von einem kegel-
förmigen Schieferdach mit zwei Dacherkern bedeckt war. Diese
gute ursprünglich allen Frankfurter Befestigungsthürmen — auch dem
Eschenheimer — eigene Dachconstruction wurde später (zwischen
1562 und 1628) dahin abgeändert, dass das Schieferdach beseitigt
und hinter dem Zinnengang, welcher nun unbedeckt blieb, ein stei-
nerner spitzkegelförmiger Helm aufgemauert wurde; es wurde da-
durch zwar die kleine jährliche Unterhaltung des Schieferdaches er-
spart, aber bei Vernachlässigung eine langsam fortwirkende Zerstö-
rung des ganzen Mauerwerks vorbereitet. Da der Thurm später als
Pulverthurm benutzt wurde, so rechtfertigt dies jedoch die neue
feuersicherere Construction. 1786 sollte er abgebrochen werden, aber
seine V/t Fuss dicke Mauer und ihre ungemeine Festigkeit erschwer-
ten die Arbeit so, dass man für gut fand den untern Theil davon
stehen zu lassen; wie er auch noch zwischen dem Dominikaner-
Kasernenhof und der Judengasse sichtbar ist.
Der Ulriehsteti.
In den Streitigkeiten, welche während der zweiten Hälfte de»
14. Jahrhunderts in Frankfurt bestanden, treten vor allem Ulrich HL,
Digitized by Google
— 43 —
Herr von Hanau, Sifried zum Paradis und Jacob Knobloch hervor;
wir sehen alle drei im Besitz oder im Bau befestigter Sitze begriffen,
die in der Stadt oder ihrem nächsten Weichbild lagen.
Ulrich von Hanau vertrat als Landvogt der Wetterau den Kaiser
in Frankfurt; als Pfandinhaber des Schultheissenamtes kam ihm die
Rechtspflege in der Stadt und deren Einkünfte zu, er ernannte den
Schulthciss; ebenso besasa er die 19 Dörfer, welche das Gericht des
Bornheimer Berges bildeten. Ihm war der Reichswald mit dem Forst-
amt verpfändet und aus gleichem Rechte zog er die Hälfte des Um-
geldes in Frankfurt, sowie die Judensteuern zahlreicher Ortschaften
in der Umgebuug der Stadt Da sich viele seiner Unterthanen in
Frankfurt niedergelassen hatten, so war er der städtischen Freiheit
gegenüber im Besitz von grossen Mitteln des Einflusses und der
Gewalt, denen für alle Fälle eine feste Burg — unmittelbar an der
Stadt gelegen— wir meinen den Ulrichstein — als Stützpunkt diente.
Dass dem so gewesen, dass der Ulrichstein wirklich dem Herrn
von Hanau gehörte, können wir allerdings zur Zeit noch nicht ur-
kundlich nachweisen, doch wie es uns scheint, sehr wahrscheinlich
machen. Wir finden den Ulrichstoin (an der Stelle des heutigen
Schaumainthors) zum erstenmal 1391 und zwar im Besitz der Stadt
erwähnt bei Gelegenheit, dass die Rathsfreunde Hertwin Guldenschaff
und Arnold zu Lichtenstein die Geschütze der Stadt und ihre Ver-
theilung auf den Befestigungswerken beschreiben. Damals war der
Ulrichstein mit „3 Bussen, 1 Ladeysen, 2 Pengysen, 1 Sack Pulver,
2 Stegreifarmbrusten, 2 Gürtel, 3 Laden mit Pylen, 21 Blykoczer"
(Bleikugeln) ausgerüstet Einige Jahre früher thut Baldemar von
Peterweil (f 1382) in seiner Beschreibung von Frankfurt, wo er den
westlichen Theil von Sachsenhausen aufführt, noch keine Erwähnung
vom Ulrichstein. Man kommt daher auf die Vermuthung, dass der-
selbe erst zwischen der Abfassung seiner Topographie und dem Jahr
1391, und zwar von Niemand anderm als von dem, dessen Namen
er trägt, erbaut worden sei Die Limburger Chronik erzählt, dass
etwa um dieselbe Zeit (1360) ein Graf von Isenburg, eine Burg er-
baut und Gretenstein genannt habe, „denn sein Libge hies Gretha";
aber Herr Ulrich mochte sich nicht gleicher Galanterie von Frank-
furt zu versehen gehabt, und daher besser gethan haben, selbst seinen
Namen im Ulrichstein zu verewigen. Wollte man den Namen und
Bau der Burg nicht von diesem Ulrich HI. von Hanau, sondern
schon von jenem Ulrich H. von Minzenberg ableiten, der 1221 einen
grossen Theil seines Besitzes in Sachsenhausen an den deutschen
Orden abliess, so leitet auch dies uns wieder auf den Landvogt
Digitized by Google
- 44 -
Ulrich als den Besitzer von Ulrichstein, weil er von mütterlicher
»Seite von den Minzenbergern abstammte und deren grosser Besitz
1255 an die sechs Erbtöchter kam, deren eine Ulrichs von Hanau
Grossmutter (t 1292) war.
Die Benennung Stein ist eine im 14. Jahrhundert für Burgen
gebräuchliche, ohne dass deshalb so wenig wie beim italienischen
Kocca oder dem französischen la röche an einen Felsen gedacht
werden muss. Am Ausfluss der Weschnitz in den Rhein lag z. B.
die Burg Stein, die aus der Darstellung von Merian zu schliessen,
dem 14. Jahrhundert angehörte, fern jedem Felsen oder Stein.
Wie die Stadt in den Besitz des Ulrichsteins kam, ist nicht be-
kannt; wir vermuthen aber, dass es in ähnlicher Weise geschah, wie
es Sifried zum Paradies gelang, auch das Schultheissenamt, den
Reichswald raft dem Forstamt, vielleicht auch das Ilmgeld, dem Herrn
von Hanau zu entziehen und für alle Zeit der Stadt zu verschaffen.
Der Ulrichstein bestand in einem runden, in Bekrönung und
Gedäch dem Bergfried von Steinheim bei Hanau und dem Eschen-
heimer ähnlichen Thurm mit Nebengebäuden, durch welche der
Thorweg führte. Er wurde wahrscheinlich gleich damals, als man
in seinen Besitz kam und als die weiter zurückliegende Fischerpforte
einging, mit in die Befestigung von Sachsenhausen gezogen, und
diente zur Vertheidigung des neuen Thores. Wir finden im Bau-
meisterbuch erwähnt, dass 1396 ein Thor am Ulrichstein eingehängt,
und dasB Stcindecker, Cleiber, Ofensetzer und Fenstermacher daselbst
beschäftigt waren. 1401 wurden 22 Hölzer gebraucht, ein Hub
(Fallgatter) der Pforte au Ulrichstein zu machen; 1402 wurde eine
Wächterhütte daselbst, und 1407 hier und an der benachbarten Oppen-
heimer Pforte verschiedene Wintereinrichtungen für die Wächter ge-
macht. Im Jahr 1409 wurden die Ketten, mit denen bei Tag die
ThorötTnung verhängt wurde, damit das Vieh sich nicht in's Feld
verliefe, nieder gehangen „von der Kedden die an Ulrichstein ge-
macht ist uz zu hauen und wieder anzugiessen an beiden Enden als
die zu hoch war und die Kuwe darunter us hin gingen". Es bestand
daselbst ein Graben, über den eine Brücke führte, und an dessen
Rand mau 1418 die Zwingerniauer erbaute. 1416 zerschlug das
Wetter das Dach. Als im Jahr 1439 Eberhard von Erbach mit vie-
len seiner Mitrittcr und Zuleger die Kühe vor Sachsenhauscu weg-
genommen hatte, sah man sich veranlasst, dort und namentlich am
Ulrichstein grosse Bauten, theilweise im Wasser vorzunehmen. Erst
im Jahr 1470 wird die Pforte am Ulrichstein so gross gemacht, das»
zwei Pferde mit einem Wagen dadurch gehen konnten. Aber ihre
Digitized by Google
- 45 -
grössere Frequenz erhielt sie erat 1633, ab die Oppenheimer Pforte
wegen der Belagerung durch den Schmalkaldischen Bund durch den
neu angelegten Wall zugeschanzt und die betreffende Strasse durch
jene geleitet worden war. Sie wurde deshalb auch durch ein Vor-
thor (Barbakan) verstärkt und diesem der Name Schaumainthor ge-
geben.
Der Sulhof.
Wie durch Sifried zum Paradies die wichtigsten Regalien, der
Reichsforst und das Schöffengericht — und wir dürfen wold den
Besitz des Ulrichsteins dazu nennen — aus den Händen eines mäch-
tigen Dynasten in die der Stadt kamen, so hatte schon vorher ein
anderer ausgezeichneter adlicher Bürger Jacob Knobloch die kaiser-
liche Pfalz auswärtigen Lehnsinhabern, dem Herrn von Breuberg,
dem Grafen von Wertheim, dem Herrn von Eppstein und dem von
Heusenstamm entzogen und 1338 an sich gebracht. Er hatte sie
dadurch um so ungefährlicher gemacht und um so sicherer seiner
Vaterstadt verbunden, als er ihren Besitz mit andern Bürgern theilte
und ganerbschaftlich machte.
Er hatte schon ehe der Saalhof in seinen Besitz gekommen war,
denselben pfandweis besessen und viel iu demselben gebaut. Als
man im Jalir 1842, um zu neuen Bauten Platz zu gewinnen, die
alten und namentlich einen viereckigen Thurm abbrach, welcher der
Westseite der nach Osten vorspringenden Kapelle vorgebaut war,
fand der Oberst Krieg von Hochfelden (Archiv für Frankfurts Ge-
schichte und Kunst, 3. Heft 1844) in dessen Unterbau die Baumerk-
male der Carolingischen, in den mittlem Stockwerken die der fränki-
schen oder der sächsischen Kaiserzeit; während der 4. Stock, wie
berichtet wird, der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts angehört zu
haben schien. Woraus dies geschlossen, wird nicht gesagt, und da
hier wie überhaupt bei Befestigungsbauton, die im Gegensatz mit
kirchlichen, arm an Steinmetzarbeiten, an Ornamenten und Profili-
rungen, die Kriterien der Bauzeit daher auch minder scharf sind,
so halte ich es, ohne meinem hingeschiedenen Freunde zu nahe zu
treten, für wahrscheinlicher, dass jenes obere Stockwerk überhaupt im
14. Jahrhundert, und zwar damals gebaut wurde, als Knobloch noch
besser bei Kasse und namentlich der Saalhof noch kaiserlich, also,
was die Befestigungen anlangte, nicht unter bürgerlichen Verordnun-
gen stand. Knobloch benutzte diese Baufreiheit , um sich einen durch
den hohen Thurm festen Burgsitz zu schaffen.
Wenn die Inschrift am Rententhurm 1404 (IU) und nicht
Digitized by Google
46
1455 (Cü) lautete; und wenn die Lersner'sche Chronik Recht hätte,
tlasa er 1403 erbaut worden, so hätten wir in ihm einen städtischen
Trutzthurm gegen den Baalhof und den vierstöckigen Thurm in dem-
selben; dem ist aber nicht so, der Rententhurm ist 52 Jahre später
erbaut 1449 sind es die städtischen Baumeister, die Zinnen am
Saalhof zumauern und Schiesslöcher einsetzen lassen, was damals
eine allgemeine Staatsregel filr alle städtischen Befestigungen war.
Erst 1456 beginnt der Bau der Fahrthorpforte und des Rententhurmes.
H«. Ii nnhlAAhehnf
WCl ILBvlllvl II „> U U I <
Wie Jacob Knoblauch als wehrhafte Burg in der Stadt den
Saalhof an sich zu bringen gewusst, so besass seine Familie auch
im Knoblauchshof — heute Kühhornshof 4 — einen festen Burgsitz
an einem für Frankfurt sehr wichtigen Zugang, nämlich da gelegen,
wo die älteste Abzweigung von der Römerstrasse nach Frankfurt
hinabführt. Aber auch ihn finden wir zu Ende des 14. Jahrhunderts
unter dem Oeffiiungsrecht der Stadt, sie verfügt und zahlt die dortigen
zur Befestigung nöthigen Bauten, verdingt 1404 dem Ziinmermeister
Mengoz den Helm auf den Thurm für 24 Gulden, legt eine steinerne
Treppe an und lässt — woraus die Grösse des Baues erhellt — 28
neue Fenster daselbst einhängen; sie lässt sowohl die „uff ziehend
brücken am Clobclshof" selbst, als auch den Schlag und Steg bei dem-
selben in Stand erhalten. Kurz der Knoblauchshof dient der Stadt
vollkommen als Warte, welche die Eschenheimer und die Ekcnheimer
Strasse, zwischen welchen, selbst einen Thcil der Landwehr bildend,
sie liegt, überwacht.
Der GrfMvogel.
Finden wir so Jacob Knoblauch den ältern als Freund des Kai-
sers Ludwig im Besitz fester Burghäuser in und vor der Stadt, so
sehen wir Sifried vom Paradies in den bürgerlichen Unruhen, die er
so siegreich bekämpfte, bestrebt , ja genöthigt sich gleichfalls in einem
festen Burghaus eine Basis, eine Bürgschaft für seine persönliche
Sicherheit zu schaffen.
„Im Jahre 1364", sagt Kriegk in seinem oben angeführten Werke,
„drang eine bewaffnete Schaar bei Nacht und Nebel in Sifrieds Haus
ein. Sie ward von dem Rathsherrn und Metzger Henne Wirbel an-
geführt, welcher 1360 schon einmal wegen einer revolutionären Hand-
lung durch den Kaiser bestraft worden war, und noch wenige Wochen
♦ Auch Bertramshof genannt Vgl. Battonn 1. c I. 246.
Digitized by Google
- 47 -
vorher das Bürgermeisteramt bekleidet hatte. Er und seine Genossen
überfuhren, wie der urkundliche Ausdruck lautet, den Schöffen Sifried
mit hässlichen und frevelichen Worten, welche dem Kaiser, dem
Reiche und dem genannten Schöffen schmählich und unehrlich laute-
ten. Die Angreifer wollten offenbar Sifried weder gefangen nehmen
noch tödten, sondern blos durch angedrohte Lebensgefahr einschüch-
tern und entweder zur Abdankung oder zur Uebernahme gewisser
Verpflichtungen nöthigen. Ihre Absicht scheiterte jedoch an dem
unerschütterlichen Muthe Sifrieds. Dieser begab sich hierauf sogleich
klagend nach Prag, und erwirkte vom Kaiser sowohl den Befehl,
dass Schultheiss, Schöffen und Rath den Henne Wirbel und seine
Mithelfer gebührend bestrafen sollten, als auch die Erklärung, dass
der Kaiser den Schöff Sifried im fortwährenden Besitze seines Schöffen-
arates erhalten haben wollte, und dass jeder, welcher denselben mit
Worten oder Werken in diesem Amte hindero oder dränge, in des
Reichs Ungnade und in die gesetzliche Busse, sowie noch insbeson-
dere in eine Strafe von 10 Pfund Gold verfallen sein solle."
Doch der Kaiser war fern und sein Wort nie gar mächtig. Die
Revolution der Zünfte gegen das Patriziat kam nach jenen Vorgän-
gen nur noch mehr in Fluss, und so war nichts natürlicher, als dass
Sifried sich nach einem Ort umsah, in dem er gegen nächtliche
Ueberfalle, und wenns kam auch gegen den Sturm eines aufgeregten
Pöbels sicher war.
Er erwarb im Herbst 1366 neben seinem gegenüber der Lieb-
frauenkirche gelegeneu Haus zum Paradies von Irmentrud des Jacob
Roden Wittwe, Jeckel ihrem Sohn und Lucard dessen Hausfrau
alle ihr Recht an dem Haus Grimvogcl (die Ecke des Liebfrauen-
berg und der neuen Kräm) und im darauf folgenden Jahre auch
noch das südlich daneben liegende Eckhaus (des Salmansgässchens)
und erbaute an deren Stelle 1367 ein festes Wohnhaus mit einem
mächtigen Bergfried auf der ebengenannten Ecke. Derselbe hatte
4 Stockwerke, wie er sich in Reifenstein's trefflicher Zeichnung dar-
stellt, von denen das obere auf Friessbogen etwas übergebaut war,
und den Söller mit Zinnenbekrönung trug. Es macht also keine Hehl
aus seiner wehrhaften Absicht. Während auf drei Ecken Erkerthürm-
chen, Wighuslin, vortraten, und sowohl längs der neuen Kräm, als
in das Salmansgässchen hinab sahen, führte auf der vierten Ecke
ein gleichfalls ausgekragtes Treppen-Thürmchen zwischen dem Berg-
fried und dem Wohnhaus bis zu dessen ersten Stock hinab. Ebener
Erde war das Haus in vier grossen Arkaden geöffnet, und gestattete so
Waarenlager und bürgerlichen Verkehr •, sie waren aber deshalb nicht
Digitized by Google
- 48 -
minder fest, denn die Vertheidigung ging überall vom ersten Stock
aus, und wehe dem Angreifer, der in den Bogenhallen des Erdge-
schosses sich Sieger geglaubt hätte, er würde durch Gusslöcher im
Gewölbe und durch aufgehobene Fussbodendiele von Oben mit Ver-
derben überschüttet worden sein, und gefunden haben, dass eine
Treppe im Innern des Hauses viel leichter als eine Hausthür zu ver-
rammeln und zu vertheidigen und also schwerer zu überwinden sei.
Wir finden oder konnten einst dieselbe Anordnung offener Arkaden
finden in dem gegenüberliegenden grossen Braunfels, ferner im Haue
Stolburg, wo jetzt die deutsch-refonnirtc Kirche am grossen Korn-
markt steht, im Leinwandhaus, im Fürsteneck und in den im Römer
verbundenen Häusern sowie in andern im Stadtplan von 1566 darge-
stellten Gebäuden. Das Haus Stalburg und Braunfels hatten ausser
der Zinnenkrönung und den Eckthüraichen noch das gemein , dass in
der Mitte ihrer Front ein kleines Kapellen-Chor erkerartig ausge-
kragt war. Auch der Grimm vogel hatte seine Kapelle, von der aber,
da sie nach Osten gerichtet sein niusste, auf der Strassenseite Nichts
zu sehen war. Als letzte fremd herabschauende Erinnerungen au
das wehrhafte Haus hat man oben an dem zum Salmansgässchcn
gewandten Schnörkelgiebel Wappen und Helm der Marburg ange-
bracht. »
Friacnrode.
Wir gedenken hier nur noch eines Hauses oder vielmehr der *
mit dem Römer verbundenen Häusergruppe , welche die Stadt sich
wie sie
die Bedeutsamkeit der Stadt oft nöthig machte, erbaute. Auch hier
durfte eiu fester Thurm nicht fehlen; und wenn derselbe jetzt auch
von den anstossendeu Gebäuden und Dächern grössteutheils verdeckt
ist, so ist er doch noch ziemlich wohl erhalten vorhanden, und hat
unter der Schlafhaube des vorigen .Jahrhunderts doch noch seine
Zinnenkrone zu bewahren gewusst Er wird gewöhnlich als Ober-
und Untergewölb des Archivs bezeichnet und vom Paulsplatz aus
leicht erkannt
Im Jahr 1435 wurde der Thurm zu bauen begonnen. Damals
hat Meister Eberhard (der Steinmetz) und Hcrthenne für 2 Schillinge
„Wina virdrunken als sie den bawe hinter dem Römer besahen".
Wir finden den Bau als Gewölb im Frauenrode bezeichnet Materia-
lien werden beigeschan% Maurer- und Steinmetz- Arbeiten bezahlt; im
s Vgl. Battonn IV. 2üT>.
Digitized by Google
- 49 -
darauffolgenden Jahr wurde den Maurern 4 ß 1 h. (als Trinkgeld)
geschenkt: „zum bade als das Geweih bereitet was"; und der Maler
erhielt „4 Ä 14 ß von den 4 Thüren und den zwei Geremsen zu
malen und zu firnissen, 4 % von den vier Adlern und 4 ß von der
Rosen zu malen."
Dass er von der Zehe bis zum Scheitel im Jahr 1436 vollendet
war, erkennen wir daraus, dass er auch seine Thurmknöpfe bekam;
und zwar zwei, weil sein Grundriss nicht quadratisch, sondern ein läng-
liches Rechteck bildete. 6 « 9 ß für zwei „Kneuff uff das Gewölbe
die han gewichte 5 « für jedes 22 Heller."
Die Zinnen und Erker des Fürstenecks, der gezinnte Bergfried
in dem daneben liegenden Hof der drei Sauköpfe, das Haus zur Viole
und so viele andere bethurmte uud zinnenbekrönte Häuser, die
uns aus den alten Planen charakteristisch entgegentreten, und deren
kräftige Züge wir jetzt in dem Einerlei schmerzlich vermissen, er-
zählen uns besser, als die leider so lückenhafte Geschichte von den
Aufläufen und Kämpfen im Innern unserer Stadt, von Kämpfen, die
ihr so wenig als andern deutschen und italienischen Städten erspart
waren, und sich auch dort in Cöln, Coblenz, Regensburg, Florenz,
Bologna, Genua ihre steinernen Monumente gesetzt haben. Bei dem
Mangel von erzählenden Darstellungen der Begebenheiten des 14
und Anfangs des 15. Jahrhunderts muss die innere Gescliichte von
Frankfurt, wie dies Kriegk in dem eingangs gedachten Werke ge-
than, mühsam aus zerstreuten Kaiser-Erlassen, Fehdebriefen, Kauf-
acten und Rechnungen zusammengetragen und erschlossen werden;
auch die steinernen Denkmäler sind geeignet, ihren Theil dazu bei-
zutragen, wenn gleich die Umschau auch hier zeigt, wie reich wir
sind an Wundmalen, die wir uns selbst geschlagen.
IV.
Die Warten. i
Frankfurt hatte vier eigentliche Warten, die glücklicher Weise
noch stehen, die Bockenheimer, Galgen, Friedbergcr und
* Umarbeitung eines kürzeren Vortrags über die Bockenheimer Warte, der
in der »Sitzung des Vereins vom 15. Deoember "1866 gehalten, und in den Didas-
kalien Nr. 101 vom 12. April 1866 abgedruckt wurde. Vgl. Mittheilungen III. 80.
IV. 4
Digitized by Google
- 50 -
Sachsenhäuser Warte. — Battonn (Gerd. Beschreibung 1. 149) nennt
auch noch eine Bornhe inier Warte, welche am Bornheimer Weg
am Ende der Weingärten gestanden habe, und deren noch 1504 ge-
dacht werde. Fichard fuhrt dieselbe au» dem Stadt-Rechenbuch von
1350 „als den Stock gein Bornheim" an, und macht bei einer andern
Gelegenheit, wo das Stadt- Rechenbuch de 1484 von der Warten zu
Bornheim (alibi gein) spricht, die Bemerkung „also die Friedberger
Warte".
Dem, was Battonn von der Friedberger oder Vilbeler Warte sagt,
haben wir vorläufig nichts hinzuzufügen. Ihre Funktionen werden, so
lang die Friedberger Landstrasse noch nicht angelegt war, und der
Verkehr von Frankfurt zur Römerslrassc noch ausschliesslich der
Rckenhcimer Landstrasse folgte, durch die Bornburg (Günthersburg)
zur Rechten, und durch den Cnoblochshof (Kuhhornshof) zur Linken
erfüllt worden sein. Erbaut wurde die Friedberger Warte nach
Battonn 1476.
Vor Sachsenhausen : haben wir drei Warten zu unterscheiden.
1. eine hölzerne, deren Stand wahrscheinlich auf dem Mühlberg
war; 2. eine Steinwarte, sie stand ober dem Mühlberg auf dem
Neuenberg, und ist auf dem Belagerun gsplan von 1552 als ein runder
Thurm ohne Bekrönung und Dach an ihrem Platz zu erkennen;
3. die noch heute erhaltene Sachsenhäuser Warte. Die erste höl-
zerne Warte begegnen wir 1396, wo ein Knecht auf ihr wacht,
und 1411, wo daselbst BüchsenschUtzen wachten, als man gewarnt
war; bei einer andern Gelegenheit, 1415, sorgen für die Sicherheit
der Stadt ein Paar Weiber, die Morgens, ehe man das Vieh austrieb,
im Wald vor Sachsenhausen patrouillirten. Diese Holzwarte wurde
1425 abgebrochen und ihr Holzwerk in die Stadt gebracht.
Die Stein warte am Neuenberg wurde 1413 erbaut, wenigstens
wird da ihr Helm, die Deckung, Thüren und Estrich in Rechnung
gestellt, eine Büchse dahin gebracht, das Warnungszeichen (der Korb)
dort aufgestellt Einige Zeit lang bestanden beide Warten, die Holz-
und die Steinwarte, denn 1415 wurden für erstere 2 Paar Thürbe-
schläge, für die andere ein Schlüssel bezahlt. Die jetzt bestehende
Sachsenhäuser Warte endlich wurde nach Fichard 1471 erbaut
und betrugen die Gcsammtkosten 1056 t£ 15 ß 1 h.
Die Galgen warte wurde ziemlich gleichzeitig mit der ältern
Sachsenhäuser Warte, nämlich 1414, erbaut, nachdem schon früher an
deren Stelle oder doch in ihrer Nähe eine Holzwarte bestand und
1390 ist von einer solchen im Niederwalde die Rede, und auf diese
möchte es «ich beziehen, wenn Battonn (I. 148) behauptet, dass die
Digitized by Google
- 51
Galgen warte 1396 zugleich mit der Landwehr erbaut worden sei; für
einen Schlagw ächter, wo diese durch den Höchster Weg durchschnitten
wurde, war jedenfalls ein festes Haus nöthig. — Der um Vitus, 15. Juni,
1414 begonnene Bau wurde rasch vollendet, da die Zimmerleutc schon
um Jacobi mit dem Aufschlagen des Helmes fertig waren. Der Man-
tel — die Hofumfassungsmauer — wird Mitte August den Arbeit-
leuteu um 80 nämlich 32 ß fUr die Ruthe verdingt, und sie erhal-
ten dabei 2 ß 6 h. Winkauf; der Thurm wird beworfen, mit Leven
gedeckt und mit Knäufen versehen. Ende September schon wird das
Rüstholz in den Bauhof zurückgebracht und die Rüstlöcher vermauert,
der Schlagbaum angebracht, 16 FenBter „Uber sich", und 8 „neben
sich" am Thurm eingehängt, und 5 Thüren angeschlagen. Die Warte
wird mit einer Fahne zu 1 4 ß geschmückt, für das Aufziehen des
Warnungskorbes 13 tt gesponnen Seil und um den Schlüssel herab-
zureichen für 15 Heller Schnur angeschafft. Im darauf folgenden Jahre
werden die Mauern im Graben gebaut, auf welchen die Brückenstege
lagen, und ein Brunnen im Hof ausgeführt, welcher 1419 vertieft und
mit einem Schwengel versehen wird. Die Landwehr vom Gutleuthof
bis zur Galgenwarte, welche bis dahin nur aus einem einfachen Gra-
ben und einer mit Hecken besetzten Erdanschüttung dahinter bestan-
den hatte, wurde im Jahre 1414 zweifcldig gemacht, und erhielt so-
mit auch auf der andern Seite der Heckenpflanzung einen zweiten
Graben. Es war dies die Normalanlage der Landwehr, welche sich
zwischen der Sachsenhäuser Warte und dem Schtitzenplatz von Ober-
rad noch ziemlich gut erhalten hat, und wie wir wünschen, trotz et-
waiger forstwirtschaftlicher Bedenken, auch erhalten wird. Wir sehen
dort einen mein* oder minder, 50 bis 100 Fuss, breiten Waldstreifen
zwischen 15 bis 30 Fuss breiten und 8 bis 12 Fuss tiefen steilen Gra-
ben längst Forst und Flur hinlaufen. Er und seine Grabenränder
sind mit Hecken und Baumstümpfen besetzt, welche dadurch, dass
ihre Kronen gekappt, ihre Seiten-Aeste und Ausschüsse eingekerbt
„gebückt" und mit einander verschränkt wurden, ihr verkrüppeltes
Ansehen erhielten, durch dies Verfahren aber auch so dicht mit ein-
ander verwuchsen, dass sie sowohl für die raublustige Ritterschaft der
Umgegend als selbst auch für einzelne Leute undurchdringlich wur-
den und auch die wilden Pferde, welche den Dreieichenforst bevöl-
kerten, von den Ackerfeldern abhielten. Die Graben dienten nicht min-
der zum Schutz dieses Gebückes gegen das weidende Vieh, als zur
Verstärkung der ganzen fortifikatorischen Anlage.
Die Galgenwarte beschloss den ganzen Terrainabschnitt westlich
der Stadt, von dem Main bis zur Nidda, indem die Landwehr mit
4*
Digitized by Google
- 52 -
einer Palisadirung oder Planke, vom Gutleuthof, wo sie den Fluss
berührte, bis zur Galgemvarte fortlief und sich neben derselben am
Heller- (Virnburger) Hof an die Gewässer des Wolfeees und des See-
grabens, die mit der Nidda iu Verbindung standen, anschioss. Dort
wurden sie nur mittelst der leicht abzuwerfenden Biegbrückc von der
Römcrstrasse überschritten.
Welchen Gründen die Bockenheimer Warte ihre Entstehung
verdankt, zeigt wiederum ihre Lage.
Um die Verbindung von Frankfurt mit der von Nidda über
Bockenheim nach Bergen ziehenden Römerstrasse abzukürzen, schlug
man statt der zu allererst hierzu dienenden Eckenheiraer Strasse einen
Weg ein, der in seiner grössten Strecke der Kettenhofweg ist. Be-
ginnend von der Rbdelheimer (Katharinen )-Pforte über den Steinweg,
die Bockenheimer Gasse, durch das Bockenheimer (Neue Rödel-
heimer) Thor, längs des Rustcrsccs, setzte man seinen Weg bis zur
Biegbrücke bei Rödelheim fort, um dort die Römerstrassc zu erreichen.
Man hatte dabei zwei Wasserläufe oder sumpfige Mulden zu tiber-
schreiten, die der Grund waren , weshalb man diesen Weg nicht schon
früher gewählt hatte. Das erste Wasser war der Leerbach, der alle
Gewässer zwischen der Eckenheimer Strasse (Kirchhofsweg) und dem
Ginnheimcr Weg aufnahm — also die Gewässer der Holzhauser und
Stallburger Oede, der Bornwiesc, des Sauborns, der Buttersuppe, der
Lindau mit dem Dautcnbrünnchen und den Gerinnen des Kirschgar-
tens und des Affensteins vereinigte und unter dem Namen Leerbach
in die Nähe des Bockenheimer Thores brachte, und sie dort am Be-
ginn der Bockenheimer Chausse durch eine Wede und eine Brücke
dem Gebiet des Rustersees zuführte. [1410 uzgeben zu dem
Graben der von Nydenau her und vor Rcdelnheimer porten uff hin
gemacht ist, darüber das brückclchen vor Redeinheim geet als man
den duffte und besserte.]
Das andere zu überschreitende Wasser war der Ablauf des
Leonhardbrunnens, welches durch den Rücken, auf dem der Ghm-
heimer Weg läuft, von dorn des Leerbachs geschieden wird, dann
westlich der Bockenheimer Warte vorUber, der Landwehr entlang,
zum Rustersec und mit dessen Ablauf durch die Biegbrticke zur
Nidda floss.
Zwischen diesen Wassergebieten lag, durch den Ginnheimer Weg
mit dem höheren Land zusammenhängend, eine lange und schmale,
aus Kies und Sand gebildete Halbinsel — der Rücken, der heute die
Bockenheimer Chaussee trägt und auch damals die Wegeftlhrung ver-
anlasste.
Digitized by Google
- 53 -
Der Abflugs des Leonhardbrunnens bildete die Gränze des städti-
schen Gebietes und floss durch den Graben der dortigen Landwehr.
Dieselbe hatte hier zwei durch Schläge gesperrte Eingänge. Der eine
lag, wo jetzt die Warte steht; der andere 500 Schritte südlich, wo
der Kettenhofweg jenen Ablauf des Leonhardsbrunnens überschritt; sie
hiessen der kleine und grosse Schlag. Der kleine Schlag von Niden-
au hiess auch Redelnheimer Schlag [Schlag uff der Landwehrlache
vor RedelnheimJ, denn das alte Bockenheim lag weit rechts ab bei
der Kirche und längs der Römerstrasse; der Büdliche Schlag führte
den Trivial-Namen Kuwedregksschlag. Es stand bei demselben eine
Hütte, in der die Kuwedregksfrau hauste und den Schlag öffnete und
schloss. [1411 .... ein Slossel Kuwedregksfrau zu einem Slage by
Nydenauwe. 1414. Derselben wieder zwei Schlüssel.]
Dort war der (erst vor wenigen Jahren ausgehauene) Kuhwald,
auch Bockenheimer Busch genannt In jenem Wäldchen ruhte das
Vieh zur Mittagszeit und die genannte Frau sammelte den Dünger,
der, wie dem dortigen Steeg auch ihr Namen und Erwerb ver-
schaffte.
Weniger umständlich betrieben die Ritter aus dem Taunus —
die Ueberhöhischen — ihren Erwerb, indem sie nach dem Vieh selbst
griffen, das dort weidete. Jährlich sehen wir sie grössere oder kleinere,
mehr oder minder gelungene Viehabtriebe ausfuhren — trotz der
Landwehren, die grossentheils diesen Razzias ihre Entstehung ver-
danken.
Zur grösseren Sicherheit der auf dem Felde beschäftigten Stadt-
angehörigen, zur Sicherung des Viehes am Pflug und auf den Wei-
den sollten auch die Warten mit ihren ummauerten Höfen beitragen,
indem sie jene warnten und ihnen eine nahe Zuflucht eröffneten
(Fliehöfe werden sie im Deutsch-Ordens-Land genannt). Zu diesem
Zweck gaben die Wächter auf den Warten ein Signal, das die auf
den Stadtthoren aufnahmen und die „unter dem Storni" auf dem Pfarr-
thurm durch ihr Horn den Bürgern zu Gehör brachten. Das Signal
auf den Warten und Thorthürmen bestand zu der Zeit, von der wir
reden, aus einem Korbe, der in die Höhe gezogen wurde — ähnlich
wie noch am Rhein die Schiffer zu Berg und zu Thal mittels eines
aufgezogenen Korbes gewahrschaut werden. — Das Baumeister-Buch
vom Jahr 1413 sagt: ipso die nativitatis Johannis. 16 Heller umb ein
Seil und ein Korph uff die Warte für Sassenhuseu die lüde zu war-
nen. — 1389. Hennen von Cleberg 17 ß 1 h. von 11 Tagen des Kor-
bes uff Redelnheimer porten zu warten. Desgleichen uff Friedberger
porten u. s. w.
Digitized by Google
- 54 -
*
Die Warte von Heilbronn hatte noch 1793 eine ähnliche Einrich-
tung. Goethe sagt in seiner „Italienischen Reise", Taschen-Ausgabe
43 p. 79: Oben auf dem Thurm der Warte von Heilbronn stand ein
hohler, mit Kupferblech beschlagener grosser Knopf, der 12 bis 16
Personen zur Noth fassen konnte. Diesen konnte man ehemals manns-
hoch in die Höhe winden und ebenso unmittelbar wieder auf das Dach
herablassen. So lang der Knopf in der Höhe stand, mussten die Ar-
beiter ihr Tagewerk verrichten, so bald er niedergelassen ward, war
Mittagsruhe oder Feierabend.
Im Jahr 1410 hatten die Ueberhöhischen den Schlag an der
Nidenau gebrochen und die Hütte verbrannt. (Die Siege by Niden-
au und Virnburghof (jetzt Hellerhof) wieder zu machen, als sie die
Ueberhöhische hatten gebrochen.)
Im Jahre 1415 wurde Schlag, Hütte und Steeg wieder ganz er-
neuert. Es werden berechnet: 5 Taglöhne an der Brücke by Kuwe-
dregkssclilag zu arbeiten, die Dielen zu fuhren, den Steg helfen aus-
graben und eingraben, als man den besserte. Es wurde der Schlag
aus dem Brückhof dahin gefahren, Weidenstämme dort eingestossen
U. 8. W.
Im Jahre 1434 endlich erbaute man die Bockenheimer Warte
selbst; zuerst wurde zum Bau des Steeges daselbst der Hey (auch
das schiessend Werk genannt — die Ramme) aus dem Brückhof in
den Bockenheimer Busch gefahren und Pfähle „eingestossen", wäh-
rend die Warte und ihr Mantel auf Grundbäumen — liegenden Schwell-
rosten — fundamentirt wurden. Steine wurden vom nahen AfFenstein
dahingeftihrt, Kalk „beslagen". Die Steinmetzen dingten den Born
(die Brunneneinfassung), die Pforte zum Hof, 33 Schiessfenster ä 7 ß,
46 Kragsteine ä 12 Heller, einen Schornstein u. s. w. Krumholz zu
Mauerlatten wurde gesägt, das Gehölz zum Helm dahin gebracht, und
so wie Schiefcrsteine durch Pferde aufgezogen. Es wurden 6 Knäufe,
zusammen 100 Pfund wiegend ä 22 Heller, auf die Thurm- und Dach-
fenster Spitzen gesetzt, und dem Maler 1 1f gegeben „von der Fahne
zu malen uff die Nuwe Warte (2 Ellen Schechter und ein Schaft
zum Banir)". So wurde die Warte im Rohbau noch unter denselben
Baumeistern (dem Bauamt) Sifrid Welder, Clas Oppenheimer und
Gilbrecht Krug — vor Ablauf ihres Amtsjahres, also vor Walpurgi»
(1. Mai) 1435 fertig, und man konnte die Kilsthölzer wieder nach dem
Bruckhof fahren. — Die Baumeister Sifried Welder, Joh. Stralnberg
und Conrad Günther des nächsten Baujahres, vom 1. Mai 1435 bis
1. Mai 1436, zeichnen nur noch auf: als der polir und sine gesellen
den Hoff umb die Nuwe Warte und die zwei muren durch die Schlege
Digitized by Google
- 66 -
gedingt hatte zu muren, dess hatten wir mit ihm abgerechnet imd
abgemessen und ist desselben geding, Läng, Höhe und das Gcwclbc
durch die Wege muren in ein gerechnet 77 rüden, und hau wir im
für die rude geben 1 % 8 ß das brengt summa an Geld 107 % 16 ß.
Es seheint auch, dass im 16. Jahrhundert eine Windmühle auf
der Bockenheimer Warte bestand, denn nach einer Notiz der Stadt-
rechenbücher gab man damals dem „Georgen Müller uff der Bocken-
heimer Warte zu Ufrichtung seiner Windt Mulen daselbst zu Steuer
8 H."
Die Hinrichtung dieser Warten ist eine besonders sinnreiche und
praktisch durchgebildete. Ein viereckiger Hof bering von etwa 70 & 100
Fuss Länge und Breite liegt dicht an der Landwehr, da wo sie von
einer der Uauptstrassen durchschnitten wird. Meist im Winkel zwi-
schen beiden erhebt sich der runde Thurm oder vielmehr dessen Man-
tel, der ihn in einem Abstand von nur 3 Fuss bis zu einer Hohe von
24 Fuss umgibt Es ist dadurch ein enger Zwinger gebildet, dessen
Zugang vom Hof aus auf einer 8 — 10 Fuss hohen Leiter erstiegen
werden rauss, ehe man , in ihm rings um den Thurm allmählig auf-
wärts gehend, an den eigentlichen Eingang gelangt. Nachdem er ge-
öffnet, steigt man im Innern des Thurmes auf Leitern zur ersten
Wächterkammer, welche, weil die Mauern durch einen Bogenfriess
Ubersetzt sind, sich etwas erweitert; darüber befindet sich die obere
Wächterkammer, welche im Achteck aus Fach werk erbaut und mit
Leven bekleidet, einige Fuss vor die Mauerflucht des Thurmes vor-
tritt, und von welcher man durch einige Spalten im Fussboden Den-
jenigen sehen und beschäftigen kann, welcher in den Zwinger vor-
dringen wollte. Diese Kammer hatte nach allen Seiten Fenster mit
Läden, welche sich nicht nach der Seite, sondern nach Oben auf-
sclüugen. Da sie nun etwas länger ab die Fensterhöhe waren, so
konnte man sie etwas vorstossen, ohne von einem gegenüber stehen-
den Feinde beschossen zu werden, ja man konnte unter ihrem Schutz
sich selbst so weit vorlegen, dass man fast den äusseren Mauer-Fuss
des Zwingers zu übersehen vermochte. Der Wächter konnte daher
mit genügender Sicherheit ausspähen und seine Zeichen nach der
Stadtseite geben.
Wenn auch in minderem Masse, war auch der ganze Hofbering
vertheidigungsfahig.
Die 2 Fuss dicken Hofmauern waren 15—20 Fuss hoch; an sie
lehnte sich ein Schuppen und eine Stallung, wohl auch ein Wohn-
haus. Das Hofthor, aus dicken Eichenplanken und mit Schienen be-
schlagen, war durch den vortretenden Wartthurm von Aussen be-
Digitized by Google
- 56 -
strichen, so dass Die, welche mit ihrem Vieh in den Hof geflüchtet
waren, sich wohl halten konnten, bis von der Stadt ihnen Ent-
satz wurde.
Noch im Jahre 1644 beabsichtigte man am Eisernen Schlag eine
Warte ganz in der Art der übrigen zu erbauen, sie wurde mit Thurm
und Hof, mit Maurer-, Zimmer- und sonstigen Ausbauarbeiten zu
1196 fl. 40 kr. veranschlagt, aber nicht ausgeführt.
Schliesslich wollen wir noch daran erinnern, dass, als man im
Jahr 1808 die Stadtbefestigungen nicht ohne den Widerspruch der
Bürgerschaft schleifte und auch die Warten zerstören wollte, der
Schöff v. Olenschlager sie durch Schrift und Rede auf das Kräftigste
vertheidigte und rettete. *
Mögen diese Warten, die eben so innig mit der Geschichte der
Stadt und ihrer fehdclustigen Nachbarn verbunden sind, als sie wesent-
lich zum landschaftlichen Bild derselben gehören, immer so wirksame
Fürsprache finden! Namentlich die Bockenheimer Warte bedarf der-
selben, da sie, seitdem ihr Zwingerhof im Sommer 1866 der Erde
gleich gemacht wurde, nun zwischen zwei Wegen ängstlich dastehet
und furchten muss, neuen Nützlichkeits-Gründen zu erliegen.
» Die Fürsprache Klüber's für die Warten. 1826, S. in den Mittheilungen 111.265.
Digitized by Google
Reformatorische Persönlichkeiten, Einflüsse und Vorgänge
in der Reichsstadt Frankfurt a. M.
von 1519 bis 1522. *
Von Georg Edaard Steltx, Doctor der Theologie.
Die Anfänge unserer Frankfurter Reformationsgeschichte sind
wie meistj die geschichtlichen Anfänge grosser Entwiekelungen der
älteren Zeit in Dunkel gehüllt. Wir sehen plötzlich die, reformatori-
schen Bewegungen gleich einer bewältigenden Fluth in die Kreise
unseres Bürgerlebens und unserer angesehenen Familien hereinbrechen
und mit Ungestüm Alles mit sich fortreissen; was sie aber im Stillen
vorbereitete und die Gemüther für eine neue Anschauung und Ordnung
der Dinge aufschloss und empfänglich machte, liegt für uns noch viel-
fach im Verborgenen. Selbst die Chronik Job Rohrbach's, die uns mit
ihren Schilderungen lebhaft in die Lebenskreise eines Haman Holz-
hausen und seiner Tante Katharina, geb. Fröschin, versetzt, — 'Per-
sönlichkeiten, die bei dem ersten Auftreten Luther's, für ihn und seine
Sache, die volle Theilnahme bethätigten — zeigt uns noch das unbe-
fangene Festhalten an dem alten Kirchenglauben und seinen frommen
UebungcD, aber keine Spur deutet auf eine vorhandene Ahnung des
grossen Umschwungs, der schon nach zwei Jahrzehnten mit gewalti-
ger Erregung und Erschütterung eintreten sollte. Der fühlbare Mangel
an gleichzeitigen Nachrichten hat denn auch den bisherigen Frank-
furter Geschichtschreibern eine leicht erkennbare Verlegenheit bereitet.
Ein altes Steinbild in der ehemaligen Barfüsserkirche, aus dem nur
missverständlich auf eine bestehende Unzufriedenheit mit den damali-
gen kirchlichen Zuständen geschlossen werden konnte; der Widerstand,
den man um das Jahr 1445 der Zumuthung der öffentlichen Buss-
übung von Seite des Pfarrers Hermann Stümmel zu St. Bartholomaei
1 Die folgende Darstellung enthält eine Reihe von Vorträgen, die der Ver-
fasser in den Jahren 1864-1866 in dem Verein für Geschichte und Alterthuum-
kunde in Frankfurt gehalten hat Er giebt sie so, wie sie vorgetragen wurden,
und bittet deshalb manche Wiederholung, die durch den ursprünglichen Zweck
gefordert war, entschuldigen zu wollen.
- 58
entgegengesetzt ; der Kampf zwischen Diether von Isenburg und Adolf von
Nassau um den erzbischöflichen Stuhl zu Mainz, während der Jahre
1459—1462, der auch das zur Erzdiöcese gehörige Frankfurt mitbe-
rührte; der Streit um die unbefleckte Empfängnis» der Maria, der
1500 zu Frankfurt durch den Dominikaner Wigand Wirth und seinen
Gegner den Franziskaner Hans Sprenger eröffnet wurde, und im
Jahre 1600 mit der Verbrennung von vier Dominikanern zu Bern
endigte ; die einunddreissigjährige Wirksamkeit des Stadtpfarrers Con-
rad Hensel am Bartholomäusstifte , die nichts weniger als einen refor-
matorischen Charakter trug; die Predigten des bekannten Barfüssers
Thomas Murner zu Frankfurt, der zwar die Thorheiten und ver-
derbten Sitten der Zeit geisseltc und selbst noch in den Briefen der
Dunkelmänner als Feind der Pfaffheit, namentlich der Domini-
kaner, erscheint, aber später als entschiedener Gegner aller reforma-
torischen Gc'danken auftrat; die Stellung endlich, die der freisinnige
Johannes ab Indagine neben seiner Pfarrei zu Steinheim als Decan
des hiesigen Leonhardstiftes seit 1522 einnahm, das sind im Ganzen
die Thatsachen und Ereignisse, aus deren vorgängiger Einwirkung
Joh. Balth. Kitter in seinem evangelischen Denkmal von dem äusser-
lichen Standpunkte seiner Zeit aus sich die Vorbereitung der Ge-
müther ftir die Reformation erklärt. Kirchner hat diese und ähnliche
Erscheinungen ohno Zusammenhang mit der Reformation dargestellt
(I. Band, 8. Buch 2. u. 5. Cap. S. 509 u. 566 ff.); die grossen Kirchen-
veränderungen selbst lässt er unmittelbar aus einem neuen Zeitgeiste,
„dem frommen, aber streitsüchtigen Geiste des 16. Jahrhunderts" her-
vorgehen. Dass Xescn und Micyllus seit 1520 durch ihre humanisti-
schen Bestrebungen wesentlich dazu beigetragen, den Boden in Frank-
furt für die neue Geistessaat zu bestellen und die reformatorischen
Einflüsse in den massgebenden Kreisen kräftig zu unterstützen, haben
alle Darsteller Frankfurter Geschichten längst anerkannt, aber eiueu
eingehenden Blick in die Art ihrer humanistisch- reformatorischen
Wirksamkeit, die nicht blos dem jungen, aufwachsenden Geschlcehte,
sondern auch dem altern bereits in Amt und Würde stehenden galt,
verdanken wir doch erst unserm unvergesslichcn Classen , der in
seinem Jacob Micyllus und in den Nachträgen dazu zuerst darüber
erschöpfendes Licht verbreitet hat. Bei dieser Sachlage und bei dem
beklagenswerten Mangel gleichzeitiger Aufzeichnungen wird man
jeder Notiz über die vor der Reformation in hiesigen Kreisen herr-
schende Stimmung, die dazu beitragen kann, die überraschenden
Fortschritte der grossen Bewegung zu erklären, mit Sorgfalt nach-
gehen und verfolgen müssen. Aus diesem Gesichtspunkte mochte
Digitized by Google
- 69 -
ich in den folgenden Blättern, die Beziehungen Ulrich 's von Hutten,
dos Johannes Cochläus, des Johannes ab Indagine und anderer Man-
ner zu unserer Vaterstadt behandeln. Sic sind ganz gemacht über
die Anfänge und den Charakter der ersten reformatorischen Tenden-
zen in Frankfurt uns zu verständigen.
L Hutten und Arnold Glauburger.
Von Ulrich von Hutten sind noch fünf Briefe an den hiesigen
Rechtsgelehrten Dr. Arnold Glauburger vorhanden, von denen neuer-
dings vier von Böcking in seiner trefflichen Ausgabe der Hutten 'sehen
Werke abgedruckt sind, der fünfte aber sich im Originale in der
Radowitzischen Autographcnsammlung mit zwei der bereits gedruck-
ten befindet und nur nach seinem allgemeinen Inhalte aus dem Cata-
loge derselben bekannt ist. Radowitz hat sie ohne Zweifel mit vielen
andern Urkunden aus einem hiesigen Archive empfangen, dessen
Schätze unbedenklich verschleudert werden, während sie jeder wissen-
schaftlichen Forschung misstrauisch verschlossen Bind. Obgleich einer
dieser Briefe schon in der Sieckeiberger Sammlung steht, zwei aber
im vorigen Jahrhundert zum Abdruck gekommen sind, so geschah
dies letztere doch erst nach Ritter's Zeit und er konnte sie nicht mehr
benützen, aber auch Kirchner hat von ihnen keine Notiz genommen.
Zuerst erscheinen sie nach ihrer Bedeutung in Hutten'« Leben von
Strauss gewürdigt und erläutert, dem sie Bleking abschriftlich mit-
getheilt hat Allein noch grösseres Interesse müssen sie für uns
Frankfurter haben, da sie an einen unserer längst dahingegangenen
Mitbürger gerichtet sind und über dessen Charakter und Bestreben
ein helleres Streiflicht fallen lassen. Ich habe daher diese lateinischen
Briefe übersetzt und begleite sie mit Erklärungen, die zum Theil
schon von Strauss gegeben sind, hoffe aber, dass es mir gelungen
sei, den dunkelsten Pimkt, an dessen Aufhellung Strauss als Nichtfrank-
furter noth wendig verzweifeln musste, gleichfalls aufklären zu können.
Ueber das Leben des Mannes , an welchen diese Briefe gerichtet
sind, giebt uns die Lersner'sche Chronik und Fichard's Geschlechter-
geschlchte nur dürftige Nachrichten. Arnold Glauburger, der jüngere
Sohn des Arnold Glauburger, der von seinem Hause K. 48, Neue
Kräme 25, zu Schwanau genannt war, und seiner Ehefrau Ottilia
aus dem Stamme der Brun, ist geboren am 31. Januar 1486 zu
Frankfurt am Main. Sein Bruder Johann war um sechs Jahre älter
als er. Dieser Johann heirathete später im Jahre 1510 Katharina
Geuch, von deren Familie Fichard sagt, das» sie mehr durch Reich-
Digitized by Google
thum als Ahnen geglänzt habe, eine Phrase, die wahrscheinlich ver-
hüllen soll, dass die Geuche zwar reiche Leute, aber, obgleich Lim-
burger, doch nicht von Adel gewesen seien. Katharina Geucli war
eine Erbtochter, mit der ihr Geschlecht erlosch und die durch ihr
eingebrachtes Vermögen den dauernden Wohlstand des von ihr
stammenden Zweigs des Glauburgischen Hauses begründet hat Durch
sie gingen die vereinigten Häuser Laneck und junger Frosch, der
heutige Gläsernhof, früher Eigenthum der Rohrbache, in den Besitz
der Glauburger über und ihr Ehewirth hiess seitdem auch Johann von
Laneck. Er kam 1515 in den Rath, wurde im folgenden Jahr Schöffe
und bekleidete 1522 das ältere Bürgermeisteramt. 1525 ist er 4b
Jahre alt gestorben. Sein einziger nachgelassener Sohn ist der Schöffe
Doctor Adolf Glauburg gewesen, der Erbe des Hauses Laneck, der
Begünstiger der eingewanderten Reformirten und darum angefeindet
von Hartmahn Beyer und Matthias Ritter; er ist im September 1555
einer hitzigen Krankheit erlegen. Johann's jüngerer Bruder Arnold,
der Freund Hutten's, der schon im 9. Jahre seinen Vater verlor,
wandte sich dem Rechtsstudium zu. Er scheint in Italien studirt zu
haben , wenigstens hat er in Pavia am 15. Mai 1515 den Grad eines
Doctors beider Rechte erworben. Eine Spur, der wir später begeg-
nen werden, wird uns auf die gegründete Vermuthung leiten, dass
er auch Rom besucht hat Ob er vielleicht hier oder in Pavia die
Bekanntschaft Hutten's gemacht hatte, dessen erste Reise nach
Italien in das Jahr 1512 fiel, und sich bis zum Jahre 1514, wenn
nicht bis 1515, ausgedehnt hat, oder demselben erst in Deutsclxland
begegnet ist, lässt sich nicht mehr ausmachen; doch ist das erstere
wahrscheinlich, da sieh Hutten 1520 auf die vieljährige Freundschaft
mit ihm beruft. In die Heimath zurückgekehrt, heirathete Dr. Arnold
Glauburger am 9. Juli 1515 Katharina, die zweite Tochter Haman's
von Holzhausen, und gründete seinen Hausstand in dem Trier'schen
Hof, wo auch sein Schwiegervater wolinte. Er heisst nun Arnold
zum Trierischen Hofe. In demselben Jahre wurde er Procurator des
Reichskammergerichts, scheint aber von den ihm mit dieser Ernen-
nung verliehenen Rechten keinen Gebrauch gemacht zu haben, da
er sich fortwährend in Frankfurt aufhielt und von 1516 — 1521 die
Stelle eines Syndicus oder Rathsadvocaten begleitet hat
Von diesem Zweige der Glauburger haben wir einen andern zu
unterscheiden, der für die Geschichte Frankfurts von grosser Bedeu-
tung geworden ist Der beiden Brüder Johann und Arnold älterer
Vetter, der Sohn von ihres Vaters Bruder, war der ältere Johann
Glauburger zum Lichtenberg, der erste dieses Geschlechtes, der sich
Digitized by GooqI
61 -
überhaupt den Wissenschaften und dem Rechtsstudium zugewendet
hat. Bereits 1478 hat er in Pavia den Doctorgrad erworben. Be-
kannt ist das Unglück seiner ersten Ehe mit Katharina Weiss von
Limburg, die ihn in einen langwierigen skandalösen Process ver-
wickelte. Er musste sich nicht blos von ilirem Tisch und Bette
scheiden, sondern überdies in Folge der boshaften Anklage, die sie
gegen die Sittlichkeit seines Charakters erhob, seinem Rathssitze
entsagen. Eine Zeit lang hatte er sogar das Bürgerrecht gekündigt
und lebte in Mainz, in so freundschaftlicher Beziehung zu Kurfürst
Berthold, der sich seiner kräftig annahm, dass sich die Sage gebil-
det hat, er sei bis zu seinem Tode 25 Jahre kurmainzischer Kanzler
gewesen. Später trat er wieder in die Bürgerschaft ein und heira-
thete nach dem Tode seiner ersten Frau Katharina von Breidenbach.
Am 8. November 1497 fand die Trauung und das Beilager statt,
aber schon am folgenden Tage erkrankte seine junge Frau und am
25. November war sie eine Leiche. Tags zuvor war ihr Vater Fried-
rich von Breidenbach seinem Kummer erlegen« Trotz dem schritt
Dr. Johann von Glauburg am 29. Öctober 1498 zur dritten Ehe mit
Margaretha Horngiu von Ernstkirchen; er wollte nach den trüben
Erfahrungen seines ehelichen Lebens seine Hochzeit ganz im Stillen
feiern; aber der Stadthauptmann Friedrich von der Filsch, Olass
von Rückingen, Ludwig Holzhausen und der Canonicus Job Rohr-
bach erschienen ohne sein Wissen mit einem Pfeifer bei den Neu-
verehelichten und eröffneten in seinem Hause den Tanz. Die älteste
Tochter dieser Ehe ist Kongundis , geb. 1501 , die für unsere Dar-
stellung noch von Interesse werden wird; der ältere Sohn
Johann, der junge, zum Lichtenstein, ist derselbe, an den Marga-
retha Horngiu im Jahre 1526 den durch Fichard veröffentlichten müt-
terlichen Brief mit Heirathsplänen gerichtet hat, als er in Wittenberg
studirte, später als Schöffe mit seinem Vetter Adolf — beide waren
Nachgeschwisterkinder — der Patron der fremden Reformirtcn, der
Freund Calvin's und Melanchthon's ; der jüngere Sohn Hieronymus,
gleichfalls Jurist und gräflich Königstein'scher Rath, wurde der warme
Freund Hartmann Bcyer's und entschiedener Lutheraner. Die beiden
andern Töchter Margaretha und Anna hatten, diese schon vor der
Reformation durch der Eltern Verfügung, jene 1526 durch eignen
Entschluss, den Schleier im Kloster Marienthal bei Mainz genom-
men. So schwer fielen die Gegensätze der Zeit mit ihrer trennen-
den Macht in das Leben einer Familie.
Wir kehren zu Arnold zurück. Die ersten Briefe Hutten's an
ihn sind im März und April 1519 geschrieben, als er durch
Digitized by Google
- G2 -
»eine Theilnahme an dem Feldzuge gegen Ulrich vo n Württemb e r g
seinen Haas gegen diesen Mörder seines Vetters Hans zu stillen
suchte; die beiden letzten beziehen sich auf die Heirathspläne de»
liitters. Wir wenden uns dem ersten zu.
Ulrich von Hutten an Arnold Glauburger, Rechtsgelehrten,
(beiBöckinjj in Ulrich von Hatten'» Werken I., 255, Nr. 115).
Aus Sachsen hat mir Stromer geschrieben, dass meine Sachen,
Bücher und Kleider, die nächste Messe nach Frankfurt kommen wür-
den; dessen, ersuche ich dich, wollest du dich annehmen, und täglich
bei den Zöllnern anfragen, ob sie angekommen sind. Ks ist aber ein
Pack Bücher, nach italienischer Weise verpackt und geschnürt, und
noch eine Lade, welche Bücher und Kleider enthält. Wenn du er-
fahren hast, dass sie dorteu eingetroffen sind, so sende so schnell als
möglich einen Boten an mich. Ich schicke dir das Gespräch „Phala-
rismus". Eben wird „das Guaiac" gedruckt, das du, sobald es fertig
sein wird, gleichfalls haben sollst. Das Gespräch „Fieber" ist in das
Deutsche übersetzt, ich werde es den Deinigen, deinem Bruder, dei-
nem Schwiegervater und übrigen Verwandten zum Geschenk schicken.
So weit bin ich davon entfernt, dass ich jenen fürchtete, der von der
Seite [Cardinal Cajetan] hierher kommt. Eine grosse Noth macht
mir der Kauf der Pferde: veranlasse deinen Schwiegervater, dass er
sich dort erkundige, ob einige verkäuflich sind, und schreibe mir dies
mit Nächstem, deim es ist kein Verzug ^ so schnell wird dieser unser
Feldzug gerüstet, bei dem ich, wenn du es noch nicht wissen solltest,
selbst mitziehen werde. Lebe wohl mit deinem Schwiegervater, deiner
Hausfrau, deinem Bruder und den Kindern. Mainz, in Eile.
Lieber Herr Doctor, ich versehe mich, in des Wagemeisters
Haus werdet ihr mein dinglich (?) finden. Des Pferdes halber, müsstc
etwa ein Pferd sein von XX oder XXII Gulden, einem Knecht zu
reiten.
Der Brief ist im Frühjahre 1519 geschrieben. Hutten stand da-
mala seit etwa 2 Jahren in dem Dienste des Kurfürsten Albrecht
von Mainz. Im Anfange des Jahres 1518 hatte er seinen Herrn in
dessen Bächsischc Diöcescn begleitet, wo derselbe bis zum Beginne
des Augsburger Reichstags im Juli verweilte. Noch vor der Rück-
kehr des Kurfürsten war er Ende März oder Anfang April in desseu
Aufträgen wieder nach Mainz zurückgekehrt, hatte aber, wie es scheint,
einen Thoil seiner Bücher und Kleidung zurückgelassen, von wo sie
erst zur Ostermesse des folgenden Jahres nach Frankfurt befördert
Digitized by Google
- 63 -
werden konnten. Wie nahe und vertraut ihm Arnold Glau burger
stand, ersieht man nicht Mos daraus, dass er ihn überhaupt mit der
Sorge um diese Angelegenheit belastet, sondern ihm auch zumuthen
darf, täglich auf dem Zolle nach der Ankunft seines Gepäcks zu fra-
gen, um ihn sogleich von derselben zu benachrichtigen. Wie schwer
und unbehüMich muss es doch damals um das Transport- und Ver-
kehrswesen bestellt gewesen sein! Die Frankfurter Messen boten fast
allein Gelegenheit zur Versendung grösserer Stücke aus dem nörd-
lichen nach dem südlichen Deutschland. Ein volles Jahr fast ruhen
Hutten's zurückgebliebene Habseligkeiten in Sachsen; einem dort eben
verweilenden Freunde, dem churfUrstlich mainzischen Leibarzte Heinrich
Stromer, muss er es überlassen, ihre Beförderung nach Frankfurt zu
besorgen und hier musB sie wieder bei dem gänzlichen Mangel an Spe-
ditionsvermittlung ein Freund in Empfang nehmen, um sie nach Mainz
schaffen zu lassen.
Der Brief eröffnet uns überdies einen Blick in den Freundeskreis,
den der geniale Humanist sich in Frankfurt eröffnet hatte; es ist die
nächste Familie von Arnold Glauburger: dessen Hausfrau, sein älterer
Bruder Johann und sein Schwiegervater Haman Holzhausen unver-
geßlichen Andenkens. Zu ihnen dürfen wir noch Philipp Fürstenberger,
den Freund der Wissenschaften und der Humanisten, mit Haman den
warmen und thiitigcn Beförderer der Reformation, rechnen, mit wel-
chem Ulrich, wie wir sehen werden, gleichfalls Briefe wechselte.
Was übrigens den Brief für den Freund der vaterländischen Ge-
schichte besonders wichtig macht, ist die Erwähnung seiner Schriften.
Eben ist seine Schrift über das Guaiac unter der Presse. Sie heisst
vollständig de Guaiaci medicina et morbo Gallico und theilt Hutten's
eigne Erfahrung von dieser Krankheit mit, an der er bekanntlich
von 1508 — 18, also 10 Jahre gelitten. Da er selbst versichert, das»
die Lustseuche vom Jahre 1500 an ihren anfänglich epidemischen
Charakter verloren und sich nur noch durch unmittelbare, namentlich
geschlechtliche Berührung weiter verbreitet habe, so können wir sie
bei ihm nur als eine selbstverschuldete beurtheilen. Im Herbste des
Jahres 1518 hatte er zu Augsburg während des Reichstags eine lange
Cur durchgemacht; Hunger und Anwendung des Guaiacholzes hatte
ihm den lange entbehrten Genuas und das frische Gefühl der Ge-
sundheit wieder gegeben. Er empfiehlt daher in Uebereinsthnmung mit
ärztlichen Autoritäten das Guaiac als Specificum gegen diese Krankheit;
er widmet seine Schrift dem Erzbbchof von Mainz, er schliesst sie mit
dem einen Wunsahe, dass seine hochwürdige Gnade nicht, wovor sie
Christus bewahren wolle, in die Lage kommen möge, die von ihm
Digitized by Google
— 64
gemachten Erfahrungen selbst verwerthen zu müssen, sondern das*
sie nur seinem Hofe zu Gute kommen möchten. Die Offenheit, womit
Hutten über seine selbstverschuldete Leiden nicht blos in dieser
Schrift, sondern auch in vertrauten Briefen an Freunde sich ausläset
und seine Krankheit« zustände umständlich beschreibt, zeigen übrigens
iucht blos, dass, wie Strausa I, 335 bemerkt, das ganze Mittelalter
in solchen Dingen weit weniger streng dachte, als man von seiner religiö-
sen Richtung erwarten sollte, sondern auch wie haltlos und schwankend
der sittlich-religiöse Charakter selbst des deutschen Humanismus vor
der Reformation noch grossentheils gewesen ist; denn in Witten-
berger Kreisen wenigstens würde man einer ähnlichen Naivetät und
sittlichen Gleichgültigkeit in der Beurtheilung solcher Zustände schwer-
lich begegnen. Die zweite Schrift, deren Hutten erwähnt, ist sein
Gespräch Uber das Fieber, das er damals bereits in das Deutsche
Übersetzt hatte. Es ist eine Satvre, die mit scharfen Streichen das
üppige Leben der höheren Stände geisselt; die Gedanken zu dieser
Schrift waren ihm in Augsburg gekommen, wohin der Cardinal von
St. Sixt Thomas de Vio, genannt Cajetan, von Leo X. geschickt
worden war. Derselbe hatte Luther dort bekanntlich verhört. Noch
nahm Hutten an dem reforraatorischen Auftreten des Letzteren keinen
näheren Antheil, ja er wnsste dasselbe nicht einmal zn würdigen; er
sah in dem Ablassstreite nur einen Mönchsstreit, ein bellum omnium
contra omnes; noch am 25. Öctobcr, als Luther bereits Augsburg ver-
lassen hatte, schreibt er an Willibald Pirckheimer: „Eck streitet mit
Luther, Luther mit Vielen; siehe, wie sich die Theologen mit ver-
bissener Wuth unter einander zerfleischen/' Dagegen bezeugt er um
so unverhohlener seine Freude Uber Melanchthon's Erwerbung für
Wittenberg: „Melanchthon, so äussert er sich am 25. August 1518 an
Julius Pflug, den nachmaligen Bischof von Naumburg, ist mit einem
nicht unansehlichen Gehalte nach Wittenberg berufen, um daselbst
die griechische Litteratur zu lehren: ein Jüngling, über sein Alter
gelehrt." Noch war darum die nationale Unabhängigkeit des deut-
schen Reichs und der deutschen Kirche von Rom der einzige Ge-
sichtspunkt und das ausschliessliche Ziel von Hutten'» Kampf. Damit
steht keineswegs in Widerspruch, dass der Kurfürst Albrecht von
Mainz ihn trotz seines glühenden Hasses gegen das römische Wesen,
Curtisanenleben und lntriguenspiel in seine Dienste zieht „Die Au«
beutung Deutschlands durch die römische Curie, sagt Strauss I, 286,
war längst so drückend geworden, dass das Interesse eines deutschen
KirchenfÜrsten mit dem des pabstlichen Stuhls nicht mehr in allen
Stücken Hand in Hand ging." Gegen diese Ausbeutung, die beson-
Digitized by Google
65 -
dem die Mainzer Diöcese drückend traf, bot aber die Abiaaspredigt
1517, an deren Ertrag Kurfürst Albrecht betheiligt war, einigen Er-
satz; insofern begreift sich leicht, wie Albrecht eben so entschieden
gegen Luther's Angriff auf den Ablass Partei nehmen musste, als er
Hutten wenigstens im Stillen begünstigen konnte. Nicht anders dachte
man Uberhaupt an dem Mainzischen Hofe ; hier war in massgebenden
Kreisen das humanistische Interesse und die Abneigung gegen die
päpstliche Politik vorherrschend vertreten. Erst als Hutten mit Luther
in engere Verbindung trat, konnte er auch die religiöse Seite der
Reformation unbefangen würdigen, doch blieb auch jetzt der politisch
nationale Gesichtspunkt bei ihm vorwaltend, und er konnte Luther im
Grunde nur als willkommenen Bundesgenossen gegen die gemeinsamen
Gegner betrachten.
Auch in dem Frankfurter Freundeskreise dürfen wir wohl die
gleiche Richtung voraussetzen; auch hier waren es zunächst nicht re-
ligiöse Gedanken und Interessen, welche gegen Rom verstimmten,
sondern die nationale Antipathie und die Erfahrung der vielfachen
Eingriffe der römischen Politik in die Rechte und Selbständigkeit des
deutschen Reichs- Dass aber eine solche Gesinnung die Glauburger,
die Holzhausen und Philipp Fürstenberger bewegte, zeigt das Prädi-
cat osor cleri, das in dem Schurgischen Manuscripte schon dem am
22. Mai 1499 verstorbenen Schöffen Henne von Glauburg zum Nürn-
berger Hofe und wiederum dem am 7. Juni 1514 verschiedenen Gil-
brecht Holzhausen zum Goldstein, Hamans jüngerem Bruder, gegeben
wird. Den Frankfurter Freunden verspricht, wie wir sahen, Hutten
seinen Dialog, das Fieber, dessen deutsche Uebersetzung er eben vol-
lendet hatte. Als den Repräsentanten des üppigen Clerus schildert
er darin jden Cardinal Cajetan, dessen Erscheinen schon als päpst-
lichen Legaten in Deutschland zu Augsburg seinen Unmuth erregen,
dessen hochmüthige Verachtung aber gegen die deutsche Barbarei,
die besonders sein verwöhnter und feingebildeter Gaumen drückend
empfand, den bitteren Hohn des deutschen Ritters herausfordern
musste. Im Anfange des Dialogs weist Hutten dem Fieber als lästi-
gem Gast die Thürc seines Hauses. Das Fieber fordert, dass er ihm
zu einem reichen, üppigen Herrn verhelfe, der Pferde, viel Diener,
Gefolge, gross Gesinde, hübsche Gewänder, lustige Gärten und Bä-
der habe. Darauf Hutten: Zu dem ich dich führe, ist selbs hie ein
Gast, aber ihm mangelt solcher Ding nit, gebraucht sich auch der.
Und sieh dort jenes Haus, darin hält sich der Cardinal Sant Sixten
mit einem grossen hofgesind, ist von Rom heraus kommen, dass er
Geld von uns Deutschen aufbringe, damit die Römer ein Weil zu
IV. 6
Digitized by Google
- 66 -
zehren haben, ich glaub, wider den Türken, gegen den sie abermals
mit grossem Gepränge ein Heerzug ftlmehmen, denn es sind gar er-
fahren geübt Kriegsleut und über das ein Volk, das dir gemeinlich
unterwürfig ist. Hör mich und nimm dir diesen vor, du wirst ihn
dort geborgen ruhen finden, in einem scharlachen Talar, hinter viel
Umhängen. Er isst nur aus Silber, trinket aus Gold, aber so schleck-
huftig, dass er nit will, dass in deutschen Landen Leut sein, die des
Geschmacks Verstand haben. Er veracht auch die hiesigen Feld-
hülmer und Krammetsvögel, spricht, sie seien den walischen im Ge-
schmack und sunst ganz ungleich. So widersteht ihm unser Wild-
pret; sagt, das Brod sei unschmackhaft, und wenn er dieses
Weins trinkt, so gehen ihm die Augen über und schreiet alsdann:
O Italia, o Italia, den guten wälschen Corsen anrufend. Und zuvör-
derst um der Ursach willen nennt er uns grob, viehisch und trunken
Leute; sagt auch, er hab' in vier Monaten sein Gelüst nit können
büssen, dieweil er gute Schlecklein und recht saftige Bisslein hie nit
bekummen möge. Das Fieber: Solchs Liedlein singest du einer
Tauben. Ilutten: Wie, gefallt er dir denn nit zu einem Wirth? Nu,
wie möchtest du doch einen grösseren Fürsten lue finden, gegen den
man mehr Gepräng, Verneigens und Bückens braucht? Oder meinst
du, dass er des Fiebers nit würdig seiV Fieber: Ja, auch deaPoda-
grams. Hutten: Nu, warum gefallt er dir dann nit? Fieber: Da
ist er mager, dürr, schwach als ein Binse, hat keinen Saft hinter
ihm, er hängt den Kopf, ist etwa ein Mönch und Käsejäger gewesen,
jetzo ein neuer Cardinal, sonst in allen Dingen alt, er darf wohl drei
Heller zu einem Mahle verzehren, seinen Koch seh ich oft ein halb
Unz Fleisch vom Markt heim Bich tragen. Hutten: Ei du verkerest
alle Ding. Ich sag dir, es ist der grösst Geacht, der aller Ehrwür-
digst, der von der Seiten, den man nennet a latere, zu welchem man
spricht: Euer Herrlichkeit und Gnad, euer Väterlichkeit, euer fürst-
lich Müdigkeit, von dem nit zu glauben, dass er nit köstlich oder
wohl leben sollt, dieweil er doch die Deutschen nit reichlich oder zier-
lich genug achtet. Fieber: Wie er für sich selbst lebe, streit ich
nit Aber wie wollt er mich wohl halten, der all die Seinen übel
speiset und kleidet? Dann als ich jüngst vor seiner Thür klopfet und
ein Tag oder etliche Herberg begehrte, graint mich der Thorwart
an sagend: hörst du nicht das Gepolter? Ja ich hör es wohl, sprach
ich, denn ich hörte ein Geklopf, gleich als ob man etwas haben
wollte. Da sprach der Pfortner: Es hat diese Gestalt, unser Gesind,
das jetzu gegessen hat, fordert Brod. Sprach ich: Wie? Brod? Giebt
man denn so kärglich hie ihnen Speiss, dass auch des Brods nit ge-
Digitized by Google
— 67 -
nug dargelegt würde? Ja, «jagt er, eben so kärglich. So sein anch
kein Kiaschen, noch Pflumfcdern, oder einige weiche wat hie in, aus-
genommen die, da sich der Cardinal selbs ausstrecket, darinnen er
seinen Lust hat. Aber er ist wahrlich wider dich gewappent mit
Vermaledeiung, wird dich in Bann thun, alsbald du einen Fuss herein
setzest. Er ist ein Legat Papst Leonis, und steht in seiner Gewalt
Einen , danach er Uebels oder Guts verdient hätte oder wie es ihm
gefällt, zu behalten oder zu verdammen. Das liess ich mir genug
gesagt sein. Und im Hingehen hab ich dich wohl ein bessern
Wirth fanden (IV, 30—32). Solche Schilderungen raussten wohl auch
im Frankfurter Freundeskreise Beifall finden und der herrschenden
Stimmung entsprechen, sonst würde Hutten schwerlich sie den Freun-
den geschickt haben. Zwar durfte or des Cardinais Zorn voraussehen,
aber er schreibt an Arnold mit absichtlicher Zweideutigkeit : er fürchte
den nicht, der von der Seite komme.
Die dritte Schrift, die Hutten nicht blos ankündigt, sondern dem
Arnold Glauburger übersendet, ist sein Dialog Phalarismus, der mit
dem Wahlspruche: Jacta est alea, schon März 1517 erschienen war,
eine beissende Satyre gegen Ulrich von Wtirtemberg. Dieser hatte
Meinen Stallmeister Hans von Hutten, Ulrichs Vetter, am 8. Mai 1515
im Walde zu Böblingen angegriffen und ermordet, weil Hans es ge-
wagt hatte, ihm nicht nur seine ehebrecherische Neigung zu seiner
Hausfrau Ursula Thumbin unter vier Augen vorzurücken , sondern
auch von der Sache mit Verwandten und Freunden zu sprechen. Der
Herzog hatte den Gemordeten, um ihn als ehrlosen Buben zu be-
zeichnen, nachträglich noch aufgeknüpft. Erst hundertfünfzig Jahre
später hat man von würtembergischer Seite die That mit dem Vorgeben
beschönigt, der Herzog habe seinen Trauring an Hansen's Hand ge-
funden und ihn als Freischöffe des westphälischen Gerichtes rechtlich
gerichtet. Die ganze fränkische Ritterschaft fasste mit den Hutten'-
schen gegen den Tyrannen einen unversöhnlichen Hass, dem Ulrich
auch den schriftstellerischen Ausdruck gab; namentlich in seinen fünf
Reden gegen Herzog Ulrich, deren letzte im Jalurc 1519 geschrieben
ist, und in seinem Phalarismus. In dem zweiten Briefe an Glauburg
bittet er diesen, die früheren Reden abschreiben zu lassen, um sie zu
revidiren und mit der fünften zum Drucke zu befördern. Arnold muss
also im Besitze des Manuscripts gewesen sein. Als aber die Herzogin
Sabina, eine bayrische Prinzessin, aus Würtemberg geflohen war,
fanden die Hutten'schen in den Herzogen von Baiern Bundesgenossen
und betraten gegen den Mörder ihres Stammesgenossen den Rechts-
weg, bei der Unentschiedenheit des Kaisers, trotz eines zu Stande
B*
Digitized by Google
- 68 -
gekommenen Vergleichs, ohne Erfolg. Erst als Maximilian am 12. Januar
1519 gestorben war und Ulrich die Reichsstadt Reutlingen, ein Glied
des schwäbischen Rundes, Uberfallen und eingenommen hatte, erhob
sich der Bund, die Herzoge von Baiem und die Hutten'achen vor
Allen: auch Ulrich von Hutten und Franz von Sickingen schlössen
»ich an. Am 27. März brach das Heer von Ulm auf und rückte in
Würtemberg ein ; der Brief Ulrichs muss also wohl vor diesem Tage
1619 geschrieben sein, da er Arnold bittet, durch seinen Schwieger-
vater Haman Pferde für ihn kaufen zu lassen. Es ist bekannt, dass
die Schweizer Tagsatzung auf eine Abmahnung des Bundes ihre in
Ulrichs Sold stehenden Landsleute zurückrief; die Besorgnis», dass sich
Franz I. von Frankreich des Verlassenen annehmen werde, hat sich
nicht gerechtfertigt; am 7. April übergab der Herzog seine feste
Burg zu Tübingen und seine Kinder unter Thränen seiner Ritter-
schaft und ritt mit 20 Pferden nach dem Schwarzwald zu. So rückte
das Bundesheer ohne Widerstand in das offne Land; Stuttgard ergab
sich ohne Schwertstreich. Hutten nahm seine Wohnung in Reuchlin's
Hause, dessen er sich in seinem Kampfe mit den Dunkelmännern so
wacker angenommen hatte; von hier aus schrieb er den zweiten Brief
an seinen Freund Arnold Glauburger. Er lautet:
Ulrich von Hutten an Arnold von Glauburg,
(bei Böckuig a. a. 0. S. 256 flg. Nr. 116.)
Weil ich zu Felde liege und dem kriegerischen Stande eine ge-
wisse Kürze ziemt, so vernimm über den Krieg folgendes in Kürze.
Noch habe ich den Feind nicht gesehen; Städte und Dörfer haben
sich meist ergeben, nur von Tübingen, in das sich der Adel geworfeu,
glaubt man, es werde Widerstand leisten, denn wegen des Asperg
haben unsere Krieger nicht gleiche Sorge. Man enthält sich der
Plünderung, soweit sie nicht der Unterhalt erfordert Der Tyrann,
der sich das Ansehen gab, als wolle er in emstlicher Schlacht uns
nicht blos erwarten, sondern auch niederwerfen, ist, wie die Meisten
glauben, mit wenigen Reisigen nach Frankreich geflohen, wie Einige
meinen, zu den Schweizern, die ihn wunderbar betrogen, nachdem
sie von ihm viel Geld empfangen und ihm die Treue gebrochen
hatten. Denn obgleich die Tübinger die Belagerung beharrlich zu
bestehen gesonnen sind, so werden sie einem so grossen [Heere] nicht
widerstehen können. Unsere Truppen haben eine ausserordentliche
Tapferkeit, der Reisigen sind 4000 oder darunter, des Fussvolks
30,000; der Stücke Ansehen, hochentzückend für die Freunde, ist dem
Feinde grauenhaft und schrecklich. Ich habe dir gesagt, man fürchte
Digitized by Google
- 69 -
nicht die Schweizer; daran habe ich nicht gelogen, denn unsere
Krieger wünschen gegen das treulose Volk zu streiten und in allen
Reihen heisst es hin und wieder: „Möchte es mit ihnen zum Kampfe
kommen!" Ueber den Franzosen weiss man nicht, was er vorhat,
auch wir sind vor ihm nicht in Furcht, sondern in Hoffnung, denn
da wir Ueberfluss an Truppen haben, so verlangen wir nach einem
mächtigen und reichen Feinde in der Aussicht auf Beute und Ruhm
zugleich. Von der Beute habe ich noch nichts empfangen, sobald ich
empfangen haben werde, werde ich etwas deiner Hausfrau, dir und
deinem alten Schwiegervater schicken. In meinen Angelegenheiten kann
ich für jetzt keinen bestimmten Auftrag ertheilen, erwarte einen weite-
ren Brief von mir; unterdessen trage Sorge, dass die Reden gegen
den Tyrannen abgeschrieben werden. Was mir beinahe entfallen
wäre, wenige Tage vor der Flucht, als der Tyrann zu Tübingen ver-
weilte, war dort zugleich mit ihm die Hausfrau meines gemordeten
Vetters. Ich wünsche deshalb, dass dies zu deiner Kenntnis» komme,
damit du Niemand darüber in Zweifel lassest, die Ursache des Mor-
des sei das unfläthige Weib, die schandbare Metze, unser Verderben
und die Helena dieses Krieges; o wäre sie durch der Götter Gunst
doch in unsere Hände gefallen, sie hätte ihre Strafe verbüsst Dies
in der Kürze bei solcher Fülle des Stoffes. Lebe wohl mit deiner
Hausfrau und deinem Schwiegervater. Nochmals lebe wohl. Am
14 April. Stuttgard bei Capnio.
Nachschrift: Heute fiel die Stadt Reutlingen zusammt der Burg
in unsere Hände.
An diesen Brief, der gleichfalls für das herzliche Verhältnis»
Zeugnis» ablegt, in welchem Hutten zu Arnold, zu Haman Holzhau-
sen und dessen Tochter Katharina stand, reihen wir sogleich den
folgenden, der sich über den Fortgang des Feldzuges ausführlich ver-
breitet.
Ulrich von Hutten an Arnold von Glauburg,
Rechtsgelehrten zu Frankfurt
(bei Böcking a. a. 0. 1, 261. Nr. 118).
Vor drei Tagen hat sich uns Tübingen ergeben, ein Schloss auf
jede Weise und gegen jeden Angriff fest verwahrt. Aber mit uns
kämpft der, welcher der Menschen Gewissen rülirt und ihre Gedan-
ken treibt. Er selbst siegt , er selbst überwindet. Hierher mit denen,
wenn je ihrer Einige sind, die es leugnen, dass Gott irgendwie der
Sterblichen sich annehme! So gegenwärtig, mein Arnold, haben wir
Digitized by Google
- 70 -
den göttlichen Beistand gefühlt, so offenbarlich geschaut, so unver-
hohlen erfahren. Aufs beste und ehrenvollste werde ich von Franz,
meinem Anführer behandelt; grössere Humanität habe ich in diesem
Stück in Deustchland nicht gefunden : bestandig hat er mich um sich
und an seiner Seite, er schläft mit mir zusammen, ergeht sich in
Erzählungen, verkehrt mit mir in bewunderungswürdig amnuthigen
Gesprächen. Die Wissenschaften bewundert er wie Niemand : ein
Mann gross in Allem und werth , dass Alle ihn aufs höchste schätzen ;
sein Sinn ist gegen Glück und Unglück gewaffnet, hoch, unbesiegbar ;
seine Rede, ernst in dem Höchsten, athmet Gedanken, die nichts
Niederem, sondern nur allem Erhabenen und Glänzenden gelten;
sein Umgang ist angenehm, anmuthig seine Formen; nichts spricht
und thut er stolz, sondern alles edel; er selbst ist offen, er hasst
den Trug, er verabscheut das Gepränge. Und bei den Kriegern
welche Gunst, welche Liebe: fast Bchmerzt es sie, dass der Ober-
befehl einem Andern anvertraut ist. Theuer, wünsche ich, soll deiner
Bürgerschaft der Held sein, den jeder Art Tugenden adeln -und
schmücken. Von hier schreiten wir zur Belagerung des Asperg,
der, wie ich glaube, mit Gewalt genommen werden muss, denn ver-
zweifelte Menschen halten ihn besetzt; ist er mit Christi Hülfe ein-
genommen, so bleibt nur noch Neuffen , das nach aller Meinung leicht
zu erobern ist. Welcher Sieg und wie fast ohne Mühe zu gewin-
nen! Wo der Tyrann selbst sich aufhält, wissen wir nicht; er ist
geflohen, nur von Wenigen begleitet und hat fast Alles hinter sich
gelassen, sogar das Geld und seine Kinder. Den Hans Hutten haben
wir aufgegraben , er lag in einem Dorfe unweit des Waldes , wo er
gemordet worden ist, eingescharrt. Dabei war ein Wunder zu sehen,
das kaum ein Mensch glauben und fassen kann , schon vier Jahre
beerdigt, war sein Körper nicht verwest, nicht in Fäulniss tiberge-
gangen, sein Angesicht noch in allen Zügen zu erkennen, ja das
Blut flosB bei jeder Berührung, wahrlich ein Zeugniss seiner Un-
schuld. Wir haben Um in Esslingen beigesetzt, um ihn von da zur
heimischen Bestattung fortzuführen. Was ich dir von Heirath ge-
schrieben, nimm, wie es geschrieben steht: ich verstelle mich nicht,
es ist mein Vorsatz, wenn jene es verstatten. Grüssc mir deine
Hausfrau, deine Kinder und vor Allen jenen verehrungs würdigen
Greis, deinen Schwiegervater Hammon. Grüßse ausserdem von
mir deinen Bruder und alle die Unsrigen dort. Lebet wohl. Bei
Stuttgart, den 30. April 1519.
Wir haben kein Interesse, den weiteren Gang des württember-
gischen Handels zu verfolgen, da die Mittheilungen darüber uns hier
Digitized by Google
■
— 71 —
nur soweit in Betracht kommen , als sie für die innige Beziehung
Hutten'» zu seinen Frankfurter Freunden und zu Arnold Glau-
burger sprechen. Gewiss war es auch nicht eine blosse Form, wenn
er in den Aufschriften diesen bald den hochgelalirten Doctor, seinen
aufrichtigen und verehrten Freund, bald seinen um seiner Treue
und Rechtlichkeit willen unter Wenigen verehrten Freund nennt,
bald neben Seiner Redlichkeit seine elegante Gelehrsamkeit hervor-
hebt. Der Schluss des letzten Briefes lenkt unsere Aufmerksamkeit
auf einen andern Gegenstand. Hutten war das abentheuernde Leben
des fahrenden Kitters und Poeten und das unstäte Umherschweifen
müde geworden; er sehnte sich nach Ruhe und erkannte, dass er
diese nur am häuslichen Herde, an der Seite einer gehebten und
hebenden Gattin zu finden vermöge. Bereits hatte er seine Wahl
getroffen und in einem leider noch nicht aufgefundenen oder viel-
leicht auch absichtlich zurückgehaltenen Briefe den Gegenstand seiner
Neigung seinem Arnold mitgetheilt. Wahrscheinlich hatte dieser
darüber gescherzt und das Ganze als eine Kurzweile betrachtet. Hutten
versichert ihn seines vollen Ernstes, wenn ihm die Verwandten die
Erreichung seiner Absicht nicht unmöglich machen. In der That,
wie ernst es ihm damit war und wie die Bilder des häuslichen
Glückes um diese Zeit seine Seele umschwebten, ersehen wir aus
einer Aeusserung an den ihm befreundeten Würzburger Domherrn
Friedrich Fischer in einem Briefe vom 21. Mai 1519 (I, 273):
„Mich beherrscht ein Verlangen nach Ruhe, in die ich mich künftig
begeben möchte. Dazu bedarf ich einer Gattin, die mich pflege.
Du kennst meinen Charakter: ich kann nicht leicht allein sein, nicht
einmal bei Nacht. Möge man endlich aufhören, mir die Vortheile
der Ehelosigkeit und die Vorzüge der Einsamkeit anzupreisen ; ich
halte mich dessen nicht fähig. Ich muss ein Wesen haben, bei dem
ich meine Sorgen und auch meine ernsteren Studien auf Augenblicke
vergesse, mit dem ich spiele, Scherze austausche, in anmuihigen und
leichten Erzählungen' mich ergehe , in dessen Nähe ich den Kümmer-
nissen ihre Schärfe benehme und den Drang der Sorgen mildere.
Gieb mir ein Weib, Friedrich, und wenn du wissen willst, was für
eins, ein schönes, junges, rechtschaffen erzogenes, heiteres, scham-
haftes, geduldiges; sie habe ausreichenden, nicht grossen Besitz,
denn Reichthümer suche ich nicht, und was ihr Geschlecht betrifft,
so glaube ich hinlänglich wird die geadelt sein, welche dem Hutten
ihre Hand reichen wird. Diess schreibe ich bei Esslingen, wo nach
Beendigung der kriegerischen Operation jetzt eine Bundesversamm-
lung gehalten wird. Von da kehre ich nach Mainz zurück zu meinen
Digitized by Google
Büchern, zu meinen Htudien, obgleich für jetzt, auch zum Hole.
O Höfe, o Fleischtöpfe! Am 21. Mai 1519."
In dem folgenden Briefe bittet Hutten nun Arnold Glauburger
um seine, seines Bruders Johann und Haman's von Holzhausen Ver-
mittlung bei der Mutter der Braut. Auch seinem Freunde Philipp,
ohne Zweifel Fürstenberger , hat er in dieser Angelegenheit geschrie-
ben und von ihm Winke erhalten. Auch dieser Brief ist nicht mehr
vorhanden. Er schreibt am 26. Juli 1519 an Arnold:
Hutten seinem Arnold,
(a. a. 0. I., 286 flg.)
Was ich nicht einmal erwartet habe, dass ihr, du selbst, dein
Bruder und dein Schwiegervater beisammen wäret, das ist, wie
ich nun erfahren habe, wirklich der Fall und ich freue mich
dess von Herzen. Darum, mein treuester Arnold, wenn jemals sonst,
gedenke nun des Hutten; jetzt vermagst du die Herzen der Einzel-
nen zu erforschen , jetzt wirst du wie von einer Warte aus alle Pläne
durchschauen. Vielleicht wird es leichter sein zu erkennen, wohin
die Mutter neigt, denn fast offen liegen die Entwürfe der Frauen.
Damm stelle den Alten an, dass er dies Amt übernehme; er selbst
wird die Umstände , die Charaktere, die Art und Weise kennen ;
was uns jüngeren Männern schwer fällt, uns zu verbergen und zu
verstellen, wird er mit seinem geübten Tacte anfassen; von Weitem
und wie aus dem Hinterhalte wird er gegen die Schweigsamkeit eines
Jeden den Angriff eröffnen. Du glaubst nicht, wie viel mir daran
liegt, dass das geschehe. Jetzt wünsche ich nichts mehr zu wissen,
als wie ihre Mutter gesinnt sei, was sie vorhabe, durch welche Ver-
bindung sie ihr Haus zu ehren gedenkt, welche Bilder sie sich ver-
langend entwirft. Man sagt, ihr Zorn könne leicht gereizt werden—
wenn sie meinen Charakter kennen und sehen wird, dass ich das
Mädchen innig liebe, dass ich sie selbst ehrerbietig achte, dass ihr alle
im engsten Bunde mit mir handelt, dass in mir nichts Unruhiges
und Aufrührerisches, sondern dass meine ganze Art angenehm,
scherzhaft und anmuthig ist, so hoffe ich zuversichtlich, sie werde
mich ihr gefallen lassen und sich mir gefällig erzeigen. Ich bitte,
präge deinem Schwiegervater nicht blos den Sinn, sondern auch alle
Worte dieses Briefes ein, damit er berathe, erforsche, ergründe. Ich
zweifle nicht, er wird mir auch um deinetwillen, weil er sieht, dass
wir uns wechselweise lieben, wohl wollen und seinen Rath nicht ent-
ziehen. Ermittle bei deinem Bruder (ex fratre), was an des Mäd-
Digitized by Googl
- 73 -
chens Vermögen ist, was ftkr's erste die Mutter gleich mitgiebt, was
sie hinterlassen wird. Wenn es deinem Schwiegervater (socero) gut
dünket, so pflege auch mit deinem Bruder (cum fratre) Rath. Tilge
vor Allem jene Meinung, bei Allen jene Furcht, in der sie, wie
Philipp meint, befangen sind, als wolle ich das Mädchen in irgend
eine Felsenhöhle, einen Wald mitnehmen; auch ich würde ja einen
solchen Aufenthalt nicht ertragen, und was ich euch oft gesagt, auch
jüngst geschrieben habe, ich suche nur darum in den Städten eine
Ehe, damit es mir in Städten zu wohnen vergönnt sei: Pallas hat
die Städte gegründet; der Pallas Studien sind die meinen, mögen
den Centauren vor Allem die Wälder behagen.
Denn nicht Allen behagt das Gehölz und niedre Gestrüppe (Verg. fiel. IV, 3).
Doch ich glaube, du wirst zur Genüge verstanden haben, was
ich will. Nur versuche es mit Eifer und sorge mir dafür, dass
nichts in die Oeffentlichkeit komme und nicht Einer, der keinen
Verschluss hat, sondern überströmt, Jemandem dies anvertraue. O
möchte Hutten euch würdig und geeignet erscheinen, dass ihr ihm das
Bürgerrecht schenket und ihn in eure Schwägerschaft (affinitas) auf-
nehmet: nicht viele Städte hat er erobert, wie einer von jenen
Thrasonen (Eisenfressern), aber viele Reiche durchwandert seines
Namens Ruf, und hat er auch nicht Viele erlegt, so liebt er doch
sehr Viele und wird von Vielen innig geliebt; er hat nicht Schien-
beine von anderthalb Ellen Länge aufzuweisen und schreckt nicht
mit gigantischem Körperbau die ihm Begegnenden, aber an Seelen-
stärke steht er nicht leicht hinter Einem zurück; er rühmt sich nicht
seiner Schönheit, noch thut er sich auf Wohlgestalt etwas zu gut,
aber dass er durch Geistesbildung liebenswürdig und begehrungswerth
sei , dessen ist er sich nicht unklar bewusst ; er weiss nicht gross-
sprecherisch zu reden, noch pflegt er sich ruhmrednerisch anzuprei-
sen, aber weil er einfach, offen und aufrichtig handelt und spricht,
hofft er sich gewürdigt und nicht verworfen zu sehen. Doch die»»
ist ja selbst geradezu prahlerisch. Ich wünsche dir, deinem Bruder,
deinem Schwiegervater, deiner Hausfrau und ganzen Familie langes
Wohlergehen und sehe einem erfreulichen Briefe entgegen, oder
was er auch bringe, wenn er nur Wort für Wort den meinigen be-
antwortet Nochmals lebe wohl und schreibe mir bald und ausführ-
lich. Mainz, den 26. Juli (1519).
Meine Büchlein sind im Druck, mit denen ich euch bald zu er-
freuen gedenke. Nun schicke ich deinem Bruder „das Fieber". Meine
Digitized by Google
- 74 -
Stildien fesseln mich jnit wunderbarem Reiz. O! wären wir zusam-
men, damit du sähest, an welchen Scherzen ich mich ergötze. Ich
werde wieder an den Hof gefordert, aber nicht leicht mich dazu ver-
stehen. Zerreisse meinen Brief, wenn mein Ruf dir am Herzen liegt,
ich beschwöre dich bei deiner Treue.
Wir wenden uns nun zu der Frage, wer war Hutten's Erwählte V
„Sehen wir", sagt Strauss I, 369 flg., „die drei Briefe an Glauburger
vor und während des Feldzugs näher an, so fallt die Pünktlichkeit
auf, mit welcher er jedesmal selbst in dem eiligst geschriebenen Zettel
dessen Frau und Schwiegervater, den verehrungswürdigen Greis Ham-
inon, d. h. Haman von Holzhausen" [es ist damit der römische Be-
griff der senoctus gemeint, denn Haman war damals gerade 50 Jahre
alt] „zweimal auch die Brüder" [vielmehr den Bruder] „grüssen lässt,
überdies von der Beute, sobald er seinen Theil erhalten haben werde,
jedem ein Stuck zu verehren verspricht" .... „Es muss eine Frank-
furteriii gewesen sein, auf die er es abgesehen hatte und zwar muss
sie der Glauburgerischen Familie durch Verwandtschaft
oder Verschwägerung nahe gestanden haben." Ist diese
Schlussfolgerung richtig, wie gewiss jeder anerkennen muss — denn
Hutten bittet ja die Glauburger ihn als angeheiratheten Verwandten
(affiiiitas) in ihre Sippschaft aufzunehmen — dann ist uns für die
Untersuchung ein sicherer Anhaltspunkt gegeben. Die Glauburgische
Familie war nämlich damals bis auf wenige Glieder zusammen ge-
schmolzen; es waren die beiden Brüder der Schöffe Johann, der Ge-
mahl von Katharina Geuch, und Dr. Arnold, der Schwiegersohn von
Haman Holzhausen; ausser diesen beiden nur noch die fünf Kinder
ihres Vetters Dr. Johann und seiner dritten Ehefrau Margaretha
Honig. Die letztere konnte darum im Jahre 1525 oder 1526 mit
Recht an ihren in Wittenberg studirenden Sohn Johann schreiben :
„So hastu und dyn geschwister nit vil frund", d. h. Verwandte
(Fich. Archiv H. 128). Johann Glauburger, Arnolds Bruder, hatte sich
erst 1510 verheirathet, an eine Schwester seiner reichen Frau Katha-
rina Geuch kann aber nicht gedacht werden, weil sie eine Erbtochter,
die letzte ihres Stammes, war. An eine Schwester von Arnold's Frau,
der Tochter Haman Holzhausen'», ist eben so wenig zu denken, die-
ser hatte keine heirathsfahige Töchter mehr und Ulrich würde sich
in diesem Falle ihn nicht zum Vermittler bei der Mutter erbeten ha-
ben. Es blieben also nur die Kinder des 1510 verstorbenen Dr. Jo-
hann Glauburg und der Margaretha Horng von Ernstkirchen übrig.
Von diesen Kindern war das älteste, Kongundis, am 2. August 1501
getauft worden, stand also damals, als Ulrich schrieb, im 18. Jahre,
Digitized by Google
- 75 -
während ihre folgende Schwester Margarethe erst 14 Jahre alt war.
Wird nicht also diese Kongundis der Gegenstand seiner Neigung und
seiner Wahl gewesen sein müssen? In der That trifft Alles zu, um
dieser Annahme die grösste Wahrscheinlichkeit zu sichern. Zunächst
das nahe Verwandtschafts- und Freundschafts verhältniss der Männer,
an die sich Hutten wendet, mit der Mutter. Dr. Johann's Mutter war
eine Holzhausen gewesen. Nach seinem Tode waren im Jahre 1511
auf seiner Wittwe Margaretha Bitten Haman von Holzhausen Schöff
und Johann Glauburg, also Arnold's Schwiegervater und Bruder, vom
Schöffenrath zu Vormündern seiner Rinder bestellt worden. Als 1517
die Wittwe Margaretha Horngin in die zweite Ehe mit dem Schöffen
Wicker Frosch trat, einem Sohne von Georg Frosch und Anna Holz-
hausen, Haman's Tante, waren die Zeugen der Braut: „Arnold Glau-
burger Doctor juris, Haman von Holzhausen, Johann Glauburg, Schöffen
und RathBmänncr zu Frankfurt, ihre günstigen Herren und Schwäger"
fd. h. Verwandte], also wiederum die drei Männer unseres Briefes.
Wie geeignet mussten sie also erscheinen, um Hutten 's Bewerbung
bei der Mutter von Kongundis zu vertreten. Man beachte nun den
ganzen Operationsplan : Arnold soll die leitende und bewegende Trieb-
feder sein, er soll seinen Schwiegervater anstiften, mit feinem diplo-
matischem Tacte die Mutter zu bearbeiten und den Wünschen des
Ritters geneigt zu machen ; er soll von seinem Bruder ermitteln (disce
ex fratre, nicht wie Strauss meint : der Bruder soll sich auf Kundschaft
legen), was au der Jungfrau Vermögen sei, wieviel ihr die Mutter
gleich mitgeben und was nachlassen werde. Auch das erklärt Bich auf
das augenscheinlichste, da Johann Glauburg als Vormünder genau
seines Mündels väterliches Vermögen kennen musste. Allerdings hätte
sich Arnold mit dieser Frage auch an seinen Schwiegervater, den Mit-
vormund, wenden können, aber wahrcheinlich stand Johann der Wittwe
noch näher als Haman, war auch mit ihren eigenen Verraögensver-
hältnissen und Intentionen bekannter und überhaupt der Mann ihres
rückhaltlosen Vertrauens, der am kräftigsten und unmittelbarsten
ihre Interessen vertrat. Sie selbst spricht (a. a. O.) dies 1526 in den
Worten aus, „dass ihr der Tod ihres Vetters Johann wohl so wehe
gethan habe, als ihrer beiden Hauswirthe selgen Absterben, da ihr
doch gar leid an geschehen sei". Eine Andeutung, dass Hutten des
Beistandes von Haman wie auch von Arnold sich unbedingt ver-
sichert hielt, dagegen den Johann Glauburg mehr auf der Seite der
Mutter stehend dachte, gibt der Brief selbst in den Worten: „Wenn
es deinem Schwiegervater gut scheint, so pflege auch mit deinem
Bruder einigen Rath (si vidobitur socero, etiam cum fratre a liquid
Digitized by Google
consiliorum eommunica) : also nicht unbedingt, sondern nur mit Ha-
tnan's Zustimmung und jedenfalls mit zurückhaltender Vorsicht soll
.Johann in dicBerathung gezogen werden. Wenn es dann unmittel-
bar'darauf heisst: „benimm ihnen Allen vornehmlich jene Meinung
und Furcht, die, wie Philipp (Fürstenberger) meint, sie befaugen hält,
als ob ich das Mädchen von ihnen fortführen werde", so schobt, wie
der Zusammenhang liegt, unter den omnes ausser der Mutter und
ihrem zweiten Ehemann Wicker Frosch auch Johann mit zu denken.
Ist unsere Ansicht begründet, dass Hutten es auf Kongimdis Glau
burgerin abgesehen hatte, so kann es freilich auffallen, warum der
Stiefvater Wicker Frosch nicht ausdrücklich erwähnt wird; wir wissen
indessen zu wenig von ihm, als dass dieser Umstand schwer in die
Wagschale fallen könnte; bei der Entschiedenheit, womit wir Marga-
retha Horngin die Heirathspläne für ihre Kinder entwerfen und durch-
fuhren sehen werden, ist es überhaupt fraglich, ob er bei solchen
Angelegenheiten eine so gewichtige Stimme im Rathe hatte; viel-
leicht war er schon damals siech und krank, denn er ist in demsel-
ben Jahre am 10. December gestorben. Seine Krankheit und sein
Tod könnte sogar einer der Gründe gewesen sein, warum die Ent-
scheidung der zögernden Familie sich bis in den Februar des folgen-
den Jahres hinauszog. Ein andrer Umstand, der nicht zuzutreffen
scheint, ist die Erinnerung, die Margaretha Horngin sechs Jahre spä-
ter ihrem Sohno Johann gibt, dass seine Nahrung nicht gross sei,
während es Hutten um eine reiche Braut zu tliun war und Cochlaeus
sie als opulenta et nobilis bezeichnet, aber es ist ungewiss, welcher
Maatistab Margarethen in ihrem mütterlichen Briefe bei dem Begriffe
eines grossen Vermögens vorschwebte. Hutten selbst wusste über das
Erbgut des Mädchens nichts, sondern wollte dessen Grösse erst durch
seinen Freimd Arnold von dessen Bruder Johann erfahren, Cochlaeus
aber stützte sein Urtheil nur auf die Amiahme der öffentlichen Mei-
nung, in der die Glauburger nicht nur als angesehene, sondern auch
als wohlhabende und begüterte Leute des damaligen Frankfurt galten.
In der That waren die Vermögensverhältnisse Dr. Johann Glaubur-
ger's keine mittelmässigen ; Fichard selbst nennt sie bedeutend flir jene
Zeit; er hinterliess seinen Kindern 540 fl. jährlicher Gülden, die zu
5®/o berechnet einen Capitalwerth von 10,800 fl. repräsentiren, keinen-
falls aber ist dabei sein Grundbesitz, das Haus zum Lichtenstein auf
dem Kömerberg und die Feldgtiter, mit veranschlagt. Auch Philipp
Fürstenberg scheint zu der Familie Glauburg in der nahen Beziehung
gestanden zu haben, welche unser Brief andeutet; denn als Marga-
retha Horngin ihren Sohn Johann später zur Bewerbung um die
Digitized by Googl
— 77 -
Hand Anna Knoblauch 's bestimmen wollte, schreibt sie diesem, dass
zwar Fürstenberger der Werber für Johann Wolf Rohrbach und seine
Mutter sei, aber sich unverhohlen geäussert habe, er wolle lieber, dass
sie Johann Glauburger zu Theil werde, als Johann Wolf Rohrbach,
denn er gönne jenem Gutes. Es stimmt daher wiederum ganz zu
Kunigunden, dass in unserem Briefe Fürstenberger so genau und ein-
gehend Uber die in der Famile von Hutten's Geliebten herrschenden
Bedenken und Scrupel unterrichtet ist
Vielleicht hängt auch mit diesen Entwürfen Huttens zusammen,
dass er den Mainzer Hofdienst zu Ende des Jahres 1519 verliess,
gegen den er bei seiner entschiedenen Liebe zur Freiheit imd Unab-
hängigkeit doch einen Widerwillen empfand, wie er ihn in dem einen
Worte so drastisch ausgesprochen: o aulas, o ollas! Der Kurfürst gab
ihm im November die erbetene Entlassung und bewilligte ihm einen
jährlichen Ehrengehalt. In seinem Geiste aber wirkten die Bilder
eines ruhigen Lebensgenusses an der Hand einer gebildeten Gattin
und in glücklicher sorgenfreier Lage mit allen ihren frischen Reizen
fort und tauchen auch in seinen damaligen Schriften vielfach auf, wenn
auch wohl in einer poetischen Uebertreibung ausgemalt, mit der es
ihm unmöglich Ernst sein konnte. Zu Neujahr 1520 widmet er dem
Bischof von Würzburg Conrad von Thüngen seinen Dialog Fortuna,
den er somit in der zweiten Hälfte des Jahres 1519 geschrieben ha-
ben muss, eben damals als diese Pläne ihn bewegten. Die Hoffnungen
und die Befürchtungen , in denen sein Herz auf und nieder wogte,
sprechen sich darin deutlich aus. Er fordert von Fortuna, die ihm
mit dem Rad und dem Füllhorn entgegentritt, soviel als zur Unter-
haltung seines wissenchaftlichen Musseiebens und zur Aufrechthaltung
seiner Würde nothwendig sei. Er sagt: Vorerst wenn mir eine Frau
zu Theil wird, möchte ich mir dort in der Stadt ein Haus kaufen,
dabei Gärten, auswärts Landgüter mit Fischteichen darin, ferner
müSBte ich Hunde haben zur Jagd, Pferde nur wenige, um bisweilen
ausreiten zu können, dann was zum Betrieb der Güter erforderlich
ist, Knechte, Hüter, Vieh; zu Hause aber einen Prunktisch, Betten,
Polster, Sänften, Galerien, eine Bibliothek, Speisesäle, kalte und warme
Bäder; für die Frau Kleidung und Schmuck und das Alles zum Ge-
brauch mit Geschmack, nicht üppig und im Ueberfluss, ausserdem
müsste noch etwas übrig sein, um die Kinder zu versorgen. Auf die
Frage der Fortuna, wie viel er jährlich wolle, um davon jene Dinge
anschaffen und erhalten zu können, fordert er 1000 Goldgulden (Strauss
Gespräche von Ulrich v. Hutten p. 15 flg.). Auf die weitere Frage,
welche im Verlaufe des Gespräches Fortuna an ihn richtet, was ihm
Digitized by Google
- 78 -
Jupiter solle glücken lassen, antwortet er faßt in denselben Worten,
welche er an den Domherrn Friedrich Fischer geschrieben: dass ich
eine Frau bekomme schön, reich, jung, wohl unterrichtet und erzogen
(21). Als ihn später Fortuna fragt: Wenn du sie nun hast, willst du
denn in der Art müssig sein , dass du überall nichts thust, entgegnet
er: Ich setze mir eine Art unmüssiger Müsse vor; ich werde sinnen,
studireu, lesen, ausarbeiten. O wünschenswerthes Gut, ersehnter Hafen,
glückselige Ruhe! Komm, führe mich zu diesem Leben, das Müsse
mit Würde verbinden, Thätigkeit ohne Gefahren haben wird! Das
sei die Summe meiner Wünsche (p. 41)! Zuletzt blickt er zudring-
lich und keck in Fortunas Horn und ruft entzückt: sie ist gefun-
den, da schaut ein Mädchen hervor, die ist's, die hab' ich ge-
wollt, liebliches Gesicht, reizende Gestalt, für ihre Sitten zeugt
die Farbe der Stirn, ihr ganzes Wesen voll Anmuth, o ein be-
gehrungswürdiges Geschöpf (p. 42)! Jetzt greift Fortuna über dem
sich drehenden Rade in ihr Füllhorn — und das Mädchen ist einem
Andern zugefallen: „einem von den Hofleuten, der von Dünkel strotzt,
vor Eitelkeit sich bläht, vor Ruhmredigkeit rast, sich selbst gross
macht, Andere verachtet, mit Ketten um den Hals und Edelsteinen
an den Fingern, in bunten Kleidern" (p. 43). Auch dor letzte Zug
stimmt zu dem Briefe Hutten's an Arnold, der deutlich die Be-
sorgniss verräth, dass vielleicht die Mutter mit der Tochter hoch hin-
aus wolle. Alles darauf berechnet, den Freunden und der Familie
die Augen zu öffnen, wie sie sich selbst betrüge, wenn sie aus ehr-
geiziger Berechnung über die Hand der Jungfrau verfuge. Auch in
dem Gespräche: Die römische Dreifaltigkeit, das Hutten gegen Ende
1519 geschrieben und am 13. Februar 1520 dem ihm verschwägerten
Mainzischen Domherrn Sebastian von Rotenhan gewidmet hat — wir
müssen später ausführlicher darauf zurückkommen — begegnet uns
eine ähnliche Anspielung. Ernhold fragt darin Hutten, wie der von
Rom zurückgekelirte Vadiscus das römische Unwesen bekämpft habe.
Hutten darauf: „WTillt du denn auch in meiner Sach, als du wohl
weiset, Fleiss haben? Ernhold: Ja, wahrlich, ernstlichen Fleiss.
Hutten: Und meinst du mir jenes zu Wegen zu bringen? Ern-
hold: Wo es möglich ist (si Ulis persuasero). Hutten: Du willt cb
aber unterstehen? Ernhold: Mit allem Fleiss und Arbeit" (Opp.IV,
167). Wenn wir erwägen, dass das Gespräch in Frankfurt geführt
wird, und Ernhold nur ein verdeckter Name für Arnold ist, so kann
es keinem Zweifel unterliegen, dass hier in scherzhafter Weise die
Heiratlisangelegenheiten Hutten's und das Versprechen Arnold Glau-
burger's sie zu fördern eingeflochten ist, offenbar eine Mahnung an den
Digitized by Google
-
- 79 -
Freund, darin nicht nachzulassen, zumal damals Uber den Erfolg von
Hutten'» Bewerbung noch nichts entschieden war.
Noch am 8. Februar 1520 standen Ulrich's Hoffnungen in voller
Bltithe. An diesem Tage nämlich schrieb Joh. Cochlaeus, damals
Decan am Liebfrauenstift, an Willibald Pirkheimer: „In diesen Ta-
gen war jener edle Hutten hier und zwar zweimahl. Nun begibt er
sich auf seine väterliche Burg Steckelberg und ist gestern abgereist.
In Kurzem wird er, wenn seine Hoffnung ihn nicht trügt, eine edle
und reiche Hausfrau heimfuhren" (Heumann documenta litteraria p. 43).
Diese Hoffnung hat ihn allerdings betrogen. Trotz aller Unterhand-
lungen und Verwendungen, an denen es die Glauburger und Haman
nicht fehlen Hessen und die auch Anfangs nicht ohne Erfolg geblie-
ben zu sein scheinen, hat er dennoch eine ungünstige Antwort erhal-
ten. Der Catalog der von Radowitz hintcrlassenen Autographensamm-
lung führt unter Nro. 74 einen lateinischen Brief Ulrich's von Hutten
an Arnold von Glauburg, offenbar in derselben Angelegenheit ge-
schrieben, au. Als Inhalt wird angegeben: „Die Sache habe für ihn
eine ungünstige Wendung genommen , wahrscheinlich weil man die
üblen Sitten seines Standes auch bei ihm vermuthe." Dies wird mit
Ulrich's eignen Worten erläutert : „Nämlich jene gemeinen Sitten, die
ich niemals angenommen, da ich ganz anders erzogen bin, jene rauhe
Art unserer Standesgenossen, von der, wenn meine Natur sie sich hätte
aneignen können, die Studien mich gereinigt haben müssten". Er be-
ruft sich dafür auf seine vieljährige Bekanntschaft mit Arnold. Der
Brief ist geschrieben zu Steinheim, nämlich Steinheim an der Strasse
bei Steckelberg, und ohne Datum. Da Hutten sich mehrere Wochen
in Steckelberg aufhielt, denn am 29. Februar 1520 schreibt er von
dort an Melanchthon, dass er in wenigen Tagen fortreisen werde , so
ist es mir mehr als wahrscheinlich, dass der erwähnte Brief an Ar-
nold in diesen Wochen geschrieben, und dass ihm somit die Ableh-
nung seiner Bewerbung im Laufe des Februar unmittelbar auf dem
Fusse nachgefolgt ist. Mit meiner Ueberzeugung aber, dass diese Er-
wählte Niemand anders als Kunigunde Glauburgerin gewesen ist,
stimmt weiter der Umstand, dass diese sich am Dienstag nach Kreuzes-
erhöhung, am 18. September 1520, also sieben Monate später, mit Dr.
Adolf Knoblauch, der in demselben Jahre der Stadt Advocat gewor-
den war, verlobt hat. Jedes der Glauburgischen Kinder hatte von
dem Vater her 90 fl. jährlicher Gülte, die einen Capitalwerth von
1800 fl. repräsentiren und in deren Besitz es sofort nach des Vaters
Tode eingetreten war. Dieselbe Summe war der Mutter als Nutz-
messerin zugesichert. Dr. Adolf und Kunigunde verschreiben einan-
Digitized by Google
- 80 -
der in der Eheberedung jedes tausend Gulden. Margaretha Horngin
ist uns übrigens als eine Frau bekannt, die bemüht war, die eheliche
Wahl ihrer Kinder nach eignen Meinungen und Plänen zu leiten.
Ihrem Sohne Johann ersah sie eine Cousine ihres Schwiegersöhne*
Adolf Anna Knoblauch zur Braut und wusste ihn in dem bekannten
Briefe (Fich. Archiv II, 125) zu diesem Entscldusae zu bestimmen.
Den Junggesellenstand beurtheilte sie nicht günstig, und bezeichnete
ihn mit dem Ausdruck „Buberei". Es ist ihr in einer Schwieger-
tochter um „ein fyn Haushälderinn" zu thun, damit „wem sy zu deill
werd, irenthalben nyt verderbe". So mochte sie auch Bedenken tra-
gen, einem fahrenden Ritter und Litteraten ihre Tochter anzuver-
trauen, zumahl die Seitenblicke auf ihr Vermögen und auf reichen
Lebensgenuss, die sogar aus Hutten's Druckschriften nur allzudeutlich
hervorschielten, sie nicht allzusehr erbauen konnten. Sieht sie doch so-
gar mit Besorgniss auf das viele Geld, das ihr Johann auf der Aca-
demie verbraucht; befurchtet sie doch, dass den, welcher allzuviel
studiert, der Teufel durch Hochmuth verführe, und schreibt mütter-
lich warnend: „du wähnst, du seist gar wohl in Wittenberg? Gott
geh, dass es wahr sei. Du wirst's wohl befinden." Wie hätte sie von
diesem Standpunkte aus die freie ungebundene Genialität Hutten's zu
würdigen gewusst! Sein unruhiges Treiben, seine politischen Ent-
würfe mussten ihr unheimlich, ja aufrührerisch, die Offenheit, womit
er sich über seine Krankheit ausspricht, geradezu frivol und verwerf-
lich erscheinen. Auch bei der Verheirathung ilirer ältesten Tochter
Kunigunde scheinen dieselben Ansichten für sie massgebend gewesen
zu sein; Dr. Adolf Knoblauch war ein im Civilrechte sehr gelehrter
und braver Mann, jedoch mürrisch und zur Geringschätzung Andrer
geneigt. „Hätte, sagt sein Zeitgenosse Joh. Fichard (Annalen, Ar-
chiv I, 68 flg.), die Natur ihm diesen Fehler nicht mitgegeben oder
er selbst ihn durch die Pflege der Humanitätstudien, die er
unter der Mittelmäsigkeit betrieben hat, verbessern oder doch
wenigstens bedecken können, so wäre er uns das Bild eines abso-
lut guten und vollkommenen Bürgers geworden." Kuni-
gunde, seine Hausfrau, starb schon am 30. Januar 1533 nach 13jähri-
ger Ehe im 32. Jahre ihres Lebens. In demselben Jahre erheirathete
er mit Margaretha Weiss von Limburg die beiden Häuser zum Affen
und zum alten Frosch. Noch sind in einem Zimmer des letzteren
Beider Wappen in Farben mit der Jahreszahl 1534 erhalten. Er starb
am 11. März 1543 im fünfzigsten Jahre (Lersner 1, 277. U, A. 207 ).
Die Freundschaft Hutten's und Arnold's hatte übrigens durch das
Fehlschlagen dieses Planes nichts gelitten. Nach einem Briefe des
Digitized by Google
- 81 -
Cochlaeus vom 12. Juni 1520 bewilligte eben damals Cardinal Al-
brecht von Mainz dem Ritter 100 Gulden zur Reise nach Holland zu
König Ferdinand und zwar war es Arnold gewesen, der durch seinen
Einfluss am Mainzer Hof ihm diese Unterstützung verschafft hatte,
vielleicht um so bereitwilliger, weil er ihn in seinen Heirathsange-
legenheiten nicht mit Erfolg hatte fördern können.
Es drängt sich uns am Schlüsse noch die Frage auf: wie weit
hat Arnold Glauburger die antirömische Gesinnung und Anschauung
Hutten's getheilt — denn dass wir überhaupt die unter den Huma-
nisten allgemein verbreitete Ueberzeugung von der Verderblichkeit der
römischen Einwirkungen auf die deutschen Verhältnisse auch bei ihm
voraussetzen dürfen, haben wir bereits oben gesehen. Eine Antwort
auf diese Frage giebt uns Hutten's zu Ende des Jahres 1519 ge-
schriebener Dialog : Trias Romana oder die römische Dreifaltigkeit.
Dieses Gespräch ist nach Frankfurt verlegt und wird zwischen Hutten
und seinein Freunde Ernhold geführt. Dass, wie zuerst Böcking
gesehen hat, unter dem letzteren Namen sich Arnold Glauburger nur
leise und sehr kenntlich verbirgt, kann kaum bezweifelt werden,
wenn man nur die eine oben mitgetheilte Stelle beachtet, in welcher
Hutten ihn erinnert, sich auch in seiner Angelegenheit, nämlich in
seiner Bewerbung um die Erwählte, thätig und sorgsam zu erweisen.
Auch Ernhold ist wie Arnold Doctor beider Rechte , und wahrschein-
lich ist auch dieser, wie von Ernhold mehrmals gesagt wird, früher
in Rom gewesen, zumal wir von ihm wissen, dass er 1515 in Pavia
promovirt hat. Ist auch der Dialog selbst fingirt, so dürfen wir
doch imbedenklich annehmen, dass die Aeusserungen, die Ernhold in
den Mund gelegt werden, dem Standpunkte, den Arnold Glauburger
in Wirklichkeit vertrat, durchaus entsprechen und seine Richtung be-
zeichnen. Hutten erzählt in Fraukfiirt seinem Freunde, dass vor
Kurzem Vadiscus aus Rom zurückgekehrt sei und seine dort gesam-
melten Erfahrungen in Frankfurt ausgesprochen habe. Ernhold hat
ihn zwar nicht selbst gesehen, aber von seinen freien Urtheilen durch
den Bürgermeister Philipp , d. i. Fürsteuberger, gehört , und bittet
Hutten ihm darüber umständlicher zu berichten. Vadiscus ist, wie
Böcking gezeigt hat, niemand anders als Hutten's Freund, der Er-
furter Dichter und Humanist Crotus Rubianus, der erste Urheber
und hauptsächliche Verfasser der Briefe der Dunkelmänner, der um
diese Zeit noch in Italien weilte. Gehört es darum auch wohl nur zur
dichterischen Einkleidung , dass er damals in Frankfurt gewesen sein
soll, so ist doch dagegen ziemlich gewiss, dass er seine Beobachtun-
gen über das römische Wesen in Triaden niedergelegt und seineu
IV. 6
Digitized by Google
— 82 —
Freunden in Deutschland zugeschickt hat. Als Beispiele theilen wir
folgende nach einem von Böcking herausgegebenen Aufsatz mit, der
wahrscheinlich von Grotus selbst herrührt (IV, 266): „Drei Ding
halten Rom in Würden: Hcilthuin, Papst und Ablass. Drei Ding
sein köstlich gehalten zu Rom: Frauen, Ross und Briefe. Drei Ding
seind wohlfeil zu Rom: Fieber, Pestilenz und arme Leut Drei Ding
bringt man gewöhnlich von Rom: böse Gewissen, bösen Magen,
leeren Säckel .... Drei Ding sein im Bann zu Rom: Fasten,
Feiern, Wahrheit sagen .... Drei sein Burger zu Rom: Simon,
Judas, populus Gomorrhae .... Dre^Ding sein theuer zu Rom :
Aempter, Recht und Liebe. Drei Ding küsset mau zu Rom: Hände,
Backen und Altana .... Drei Ding glaubet Rom nit fest: Der
Seelen Unsterblichkeit, der Todten Auferstehung und die Hölle mit
den Teufeln .... Drei Ding seind Rom schrecklich zu hören:
Generalconcil, Reformatio und dass die Deutschen sehen werden ....
Drei Räuber Uber alle Räuber sein zu Rom: Pergament, Wachs und
Blei .... Drei Ding sein zu Rom gross Sünde: Armuth, Forcht
Gottes, Frömmigkeit .... Drei Ding hält mau vor Wahrheit zu
Rom: Der Römer Heiligkeit, der Walen Weisheit und. der Deut-
schen Unwitz. Drei Waaren seind, damit man handelt zu Rom:
Christus, geistliche Lehen und Weiber. Drei Ding wären Rom am
besten: der Gesetze Minderung, Aemter Abgang und ganze Umkeh-
rung. Drei haben dies geschrieben: Krnst, Noth und Wahrheit. Drei
Nutz giebt dies Stücklein: Erfahrung, Lehre und Warnung etc."
Diese Behandlung entsprach so sehr dem Geschmacke jener Zeit,
dass sie mehrfache Nachahmung fand. Huttens Dialog ist nur eine
Commentirung dieser und ähnlicher Sprüche ; es ist das Entschieden-
ste, was er bis dahin geschrieben: sein Fehdebrief gegen die ganze
Clerisei bis zur Spitze, in der sie gipfelt. Eine feine Parallele zieht
Strauss, wenn er (Ifl, 95) daran erinnert, dass auch Luther in seiner
im folgenden Jahre erschienenen Schrift: An den christlichen Adel
deutscher Nation , von des christlichen Standes Besserung, von drei
Mauern redet , welche die Romanisten um sieh gezogen , von drei
Ruthen, die sie, um ungestraft zu bleiben, gestolüen haben. Wich-
tig sind für uns hier nur die Aeusscrungen, die Emhold beigelegt
werden und von denen wir bei dein Umfange des Dialogs nur einige
der charakteristischsten heraushoben wollen. Sie zeigen, dass er den
Haas gegen Rom und das römische Wesen ganz und gar mit seinem
ritterlichen Freunde theilt und dass die Unabhängigkeit Deutsch-
land^ von Italien seine Lieblingsvorstellung ist. Die Notwendigkeit
der Reformation sehwebt auch ihm vor, aber im Vordergrund steht
Digitized by Google
- 83 -
ihm dabei nicht der religiöse, sondern der politisch-nationale Ge-
sichtspunkt. So citirt er dem Hutten das Gesetz Kaiser Leo's I.
über die Freiheit der Bischofswahlen vom Jahr 469 (§. 26 bei Böcking
Hutteni Opp. IV., 162). Schwer empfindet er die Habsucht der
Curie: „Ist wohl ein jämmerlich Sach das und dergleichen vil, so
wir Deutschen leiden und tragen; wann will es doch ein End neh-
men mit den Bischofsmänteln, mit den Annaten, Pensionen und
der Unzahl dergleichen Räubereien? Wann wollen doch die Römer
einmahl iliren Dingen Maas geben. Ich furcht, wir Deutschen wer-
dend nit länger leiden mögen, denn es ist ein unbillig Vornehmen,
damit sie uns vergewaltigen, nimmt täglich zu und hat ihre Geld-
forderung kein Aufhören, Weis noch Maass .... Wollte Gott, es
geschah, dass wir unsere Dienstbarkeit abwerfen, auf dass wir nit
länger von Ausländern und unsern Nachbarn verachtet würden."
(§. 12 u. 14). Mit Abscheu beschreibt er den kriegerischen Papst
Julius II: „0 Gott, was ein Mensch, was ein Wunder! seine Augen
greulich, sein Angesicht erschrecklich, er mit all seiner Weis und
Geberden grausam, mürrisch und unmenschlich" (§. 47). „O Frauen",
ruft er (§. 66 flg.) „o Pferde, und o Papst! Soll man uf solche Ding
grösser Fleiss haben, denn uf den christlichen Frieden, unsern Glau-
ben, die evangelische Wahrheit, und — die Summa, davon zu re-
den — uf die christlichen Liebe? Wann ist aber das Christi unsers
Herrn Meinung oder Gedanke je gewesen , einen nach ihm zu lassen,
tder sein göttlich Gesetz und Ordnung zurückschlug, ein neues un-
christliches Leben führte, die ganze Welt mit Ablass und Bullen
vexiret und belästiget? So auch ein Papst oder Bischof ist zu einem
Hirten der Seelen gesetzt, was darf er denn einem, dem er da«
ewig Leben oder Himmel giebt, ein Bullen darauf schreiben oder
versiegeln, so doch im Geschäft der Seelen weder Brief, noch äusser-
lich Gezeugniss von Nöthen ist, sondern eines guten Gewissens, wel-
ches Got der Maasen kennt, dass er, als menschlicher Gedanken er-
fahren, niemand's Anzeigung, noch Beweisung darüber bedarf? Was
thut denn mit hübschen Pferden ein Vicarius des Christus, der nit mer
dann zu einem mal" (und zwar) „auf einem ungestalten Esel gesessen
ist? Will er Krieg führen? Fürwahr Christus hat die Krieg ge-
scholten und ruhesam Leben gelobt, zu dem Frieden gerathen, den
er auch seinen Nachkommenden als Erbtheil gelassen." Mit Ent-
rüstung beklagt er (§. 53): „Der Papst last keinen Kaiser sein, er
fall ihm dann vorher zu Füssen und empfahe die kaiserliche Krone
von seinen Füssen ab, verschwöre ihm auch das italienische Reich
und die Stadt Rom." In Rom, meint er, (§. 43 und 55) ertödte man
6*
Digitized by Google
mit drei Dingen, nämlich dem guten Gewissen, der Andacht zu
Gott und dem Eid, auch das jüngste Gericht. Als Hutten (§. 60 flg.)
berichtet, Vadiscus meine, drei Ding seien den Römern schrecklich
zu hören: von einem gemein Concilio reden, einer Reformation des
geistlichen Standes gedenken, und dass die Deutschen jetzt Augen ge-
winnen ; danebeu besorgten und fürchteten sie auch drei Ding : der christ-
lichen Fürsten Einigkeit, Verstand und Merkung des Volkes, nämlich
dass ihre List und TrUgerei au den Tag käme, erwidert Ernhold : „Vor-
wahr, der kennet Rom wohl, denn möcht es zu einem freien Conci-
lio kommen, so möchte es dahin kommen, dass man nit mehr sehen
würde Christum, das ewige Leben und der Seelen. Seligkeit zu Kauf
stehen . . . Dem Concilio sein sie so gar wider, dass ich höre, der
Papst zwinge alle deutschen Bischöfe in der Confirmation , ihm zu
Gott und zu den Heiligen zu verschworen, dass sie nimmer daran
sein wollen oder das fordern , dass je ein Concilium werde ... Ist
es denn also, so möcht doch grösser Sünd und Schand nit geschehen".
„Mehr", sagt er (§. 71 flg.), „find' ich auch in keinen Schriften und
Historien, dass in etlichen hundert Jahren ein redlicher oder taug-
licher Papst gelebt hab. Wohl sein ihr viel grosse Krieger gewesen,
haben Städt' und Schloss zerstört, nach Geld und Gut getracht, dem
verdammten Geiz dienstlich gelebt. Der aber hitzig in göttlicher
Lieb, in den evangelischen Schriften scheinbarlich gelehrt oder mit
Inbrunst seines Herzens zu wahrer Geistlichkeit gerieht oder gesinnt
gewesen sei, muss man weit hinter eich rechnen, bis einer runden
werde . . . Sag' mir aber eins! Wie reimt es sich, dass die Kirche
für einen, der sich lässt allcrseligst nennen, bitte, dass er selig
werde? Denn also singen wir in der Kirchen : „Wir bitten vor imsern
Papst Leo, Gott woll' ihn fristen, erquicken und selig machen uf
der Erden". Ueber die Concordate bemerkt (§. 89) Ernhold: „Vor-
wahr sags ich, sie sein nit deutschen Namens, ich geschweig fürst-
licher Ehren, werth gewesen, die anfänglich dieselbigen zwieträchti-
gen Eintracht" (discordem concordiam im lateinischen Text, der
Ausdruck, womit man nach dein Vorgang Hospinians später von re-
formirter Seite die lutherische Concordienformel bezeichnete) „mit den
römischen Bischoffen gemacht haben. Aber wir sein dreifältige Nar-
ren, die, ob unsere Vorfahren etwas geirret haben, das wir keren
[d. h. ändern] mögen, uns dahin schwätzen lassen, dass wir bei le-
bendigen Leibern, mit gesunden Augen und freiem Willen zu unaerm
grössten Schaden desselbigen Entgeltung tragen. Und das nit allein,
sondem auch lassen wir uns noch täglich mehr und weiter mit Be-
schwerungen überladen." Von den Schenkungen zu kirchlichen
Digitized by Googl
Zwecken und dem Kaufe der Ablaßbriefe sagt Ernhold (§. 178 flg.) :
„Meinen die thörichten Menschen Gottes Huld und Gnad damit zu
erwerben , das» sie ihr Geld zu gütigem geistlichem Gebrauch geben,
denn sie glauben gänzlich, es sey wohl angelegt, und voran die gu-
ten Fräulin, die dann erbärmlich also betrogen werden und mit wun-
derlichen Zusagungen durch die Beichtiger Uberschmeichlet. Diesel-
bigen melken von ihnen , so viel sie wollen. Und meinen die guten,
frommen Weiblin, sie mögen daran nit sündigen, ob sie schon von
ihren Mannen pflücken, ihren Rindern abnehmen, das Haus leeren,
damit sie den Göckelkrämern [d. i. den Gaukelkrämern] etwas zu ge-
ben haben. Ja mehr, nennet man solichs einen Gottesdienst und Werk
der Barmherzigkeit und wissen die Ablasspredigcr das in den Him-
mel zu heben vor allen Tugenden. Denn frauliche Zucht unversehrt
behalten, ist nit so viel. Die Kinder frömmlich und zu heiligem Le-
ben erziehen, ist nit so viel. So viel ist auch nit die Ehe treulich
halten und einträchtiglich darin bis uf den letzen Athem leben. In
der Summ, nichts ist so viel. Stehlen, damit man Ablas» löse, Uber-
windet alle Tugend und Wohlthat. Hat das Christus gewollt? Oder
mag etwas richtiger wider seine Lehre gefunden werden?" Hutten
selbst scheint über diese Auslassungen seines Freundes betroffen:
„Jen mein , sagt er, du habest Vadiscum gehört." „Ihn hab' ich nit
gehört, erwiedert Ernhold, diese Ding aber hab' ich selb gesehen
und erkannt"
Diese Stellen, die noch keineswegs die stärksten des Dialogs sind,
mögen genügen, um zu zeigen, welche Anschauungen und Gesinnun-
gen Hutten seinem Freunde Arnold Glauburger in Ernhold in die
Seele und auf die Lippen legt. Nur zwei Aeusserungen fügen wir
noch bei, weil sie für uns Frankfurter ein besondres Interesse haben.
Die eine im Anfange des Gespräches ist eine Parallele zwischen
Mainz und Frankfurt, die sich nicht zu Gunsten der alten Reichsstadt
wendet. „Ernhold: Als ich sehe, Hutten, bist du doch zuletzt wieder
einmal zu uns gein Frankfurt kumen von Mainz , das du pflegst gül-
den zu nennen. Hutten: Und nit unbillig gülden. Denn auch noch
mein Bedünken ist, dass unter allen Städten deutscher Nation, die
man einweder Lusts halben ihrer Gelegenheit oder aber um Gesund-
heit willen des Lufts lobt, möge Mainz den Fürgang und Preiss be-
halten. Denn bessere Luft hab ich in keiner Stadt nit fanden, so ist
es onmassen lustig gelegen, bei der Vermischung zweier grossen
schiffreichen Wasser, darum man leichtlich und ohne grossen Kosten
hin und wieder spazieren und allweg bald, was an allen Oertern neuer
Mähr sein, Wissens bekommen mag. So bin ich ganz der Meinung,
dass vor einen Jeden, der studieren und sein Sinn brauchen wölle,
Mainz ein gewünscht Wohnung sei, und mag dir vorwahr sagen, dass
so oft ich ausgewesen und wieder uf Mainz reise, wenn ich noch die
Stadt nit in Gesicht hab, geht mir ein Erfrischung meines Gemüths
und der Sinne entgegen, kann auch zu Mainz nimmer genug lesen
oder schreiben. Uebcr das bedünkt mich, ich hab an keinem Ort
besser Infall in meinem Dichten. Ernhold: Ich bin nit ohne Wis-
sen, dass Etlichs also sei, wie du gesagt, hätte aber doch gemeint,
du habest Mainz aus einer andern Ursach gülden genannt. Hutten:
Aus was Ursach? Ernhold: Dass die Pfaffen daselbst viel Gulden
haben und die zu sammeln mehr Fleiss denn auf ihre geistlichen
Aemter anlegen. Hutten: Aus sollicher Ursach sollt ich noch billiger
euer Frankfurt gülden nennen, denn bei eucli ist das Geld in Ueber-
flüssigkeit und allhie treibt man Gcldhändcl mehr, denn an keinem
Ort. Hiehcr kommen aus allen Landen, die da kaufen und verkaufen.
Hie bringen die Kaufleut ihr Geld zusammen, hie haben die Fugger
ganze Berg von Gold liegen. Aber Mainz hab ich gülden genannt,
als man pflegt ein Ding, das vor andern schön und lustig ist, oder dor-
zu wir ein sondere Lieb und Begier haben und das uns zu vorderst
wohl gefällt." Die zweite Stelle betrifft einen Vorfall zu Frankfurt,
der für die dem Clerus und insbesondere der Curie ungünstige Stim-
mung der Bevölkerung kurz vor der Reformation zeugt und dessen
Thatsächlichkeit ich nicht bezweifle. Hutten erzählt, als er nach Rom
gekommen, habe er die ganze Fastenzeit nie keine Fleischbank zu-
schlicssen gesehen, ja etliche Cardinäle hätten dieselbige Zeit an ihren
Höfen ohne Unterschied Fleisch gespeist. Darauf (§ 78. 79) E rnhold:
„Sollichs haben wir zu Rom gesehen, was ist aber nächsthie zu Frank
furt geschehen? Mit was grosser Beweglichkeit (quibus convieiis) hat
das Volk des Papstes Legaten Küche verflucht? Denn sie hielten «ich
nit nach christlicher Ordnung, sondern assen die Fasten über allerlei
Speise, unangeschen, was geboten oder verboten ist. Hutten: Als sie
dassclbig thaten, Hessen sie auch desto weniger Butterbrief von ihnen
kaufen? Ernhold: Nichts desto weniger, denn in dem behielten sie
ihre Weis und Gewohnheit, nicht des denkend, ob sich das Volk ob
ihren bösen Sitten ärgern möchte; denn hätten sie sollichs ansehen
wöllen, sie wären also scheinbarlich nit über die Gesetz getreten.
Hutten: Haben sie auch um solichs red gehört? Ernhold: Ja von
etlichen und es ist ihnen mit Rufen [laut] gesagt worden. Hutten:
Was antworten aber sie? Ernhold: Die deutschen Fisch wollten
ihren Mägen nit bekommen. Hutten: Was' sagt das Volk dar-
zu? Ernhold: Es glaubt viel mehr, dass sie Kargheit halber
Digitized by Googl
- 87 -
Fleisch essen, denn die Fisch waren thcuer." Ist, wie ich nicht be
zweifle, in dieser Stelle ein wirklicher Vorgang erzählt, so eröfftiet
sich damit ein Blick, der die plötzliche Bewegung, welche die Refor-
mation im Jahre 1522 in Frankfurt hervorrief, aus der bereits in der
Bürgerschaft bestehenden Stimmung begreiflich macht. Das Gespräch
schücsst mit den Worten: „Ernhold: Aber hör, was willst du, dass
ich den Curtisanen diese Nacht wünsche? Hutten: Was anders, denn
dass sie die Pfründen immerhin begehren und nit erlangen, bitten
und doch nit erwerben, suchen und doch nit finden, und dass sie in
solcher Begier, Sorg' und Fleiss sich selbs armseliglichen fressen und
verzehren. Ernhold: Und soll ich meiner Hausfrau sollichs vor-
sagen, dass sie es auch mit mir wünsche? Hutten: Wie dir geliebt."
Am 6. September 1521 wurde Dr. Arnold Glauburger vonChur-
trier als Cammergerichtsassessor präsentirt und siedelte mit seiner
Familie von Frankfurt nach Speier über. Wenn Fichard in dieser
Präsentation den Beweis sieht, „dass Arnold, obgleich ein Schwieger-
sohn des für Luther ganz eingenommenen Hamann von Holzhausen,
doch der römischen Kirche treu geblieben Bei", so hat er mit diesem
Urtheile nur gezeigt, wie wenig man in seiner Zeit die Stellungen
der Partheien und die ganze Situation im Anfange der Reformation
zu begreifen gewusst hat. Im Jahre 1521 kann von einem Lutheri-
schen Kirchenwesen und folglich auch von einem Beharren bei oder
einem Abfalle von der römischen Kirche überall noch nicht die Rede
sein, sondern nur vom Verfechten der römischen Tendenzen und einer
liberalen Opposition gegen dieselbe. Diese letztere hatte nicht blos
eine religiös-sittliche, sondern zugleich eine national-politische Seite
und fand ihre stärkste Stütze in den Interessen der Bildung, beson-
ders der humanistischen. In den Reihen der Opposition finden wir
daher nicht allein hochstehende Geistliche, namentlich Domherren der
bischöflichen Capitel, sondern sie blühte überdies kräftig an den Hö-
fen der geistlichen Fürsten, die sich in jener Zeit noch gerne als
Mäcene der W'issenschaften und Künste preisen Uesen, wie wir dies
namentlich von dem Mainzer (Jhurhofe wissen, an welchem Männer
wie Frowin Hutten, Stromer, Capito, Hedio u. A. Einfluss übten und
selbst ein Ulrich von Hutten gerne gesehen und fürstlich belohnt
wurde. Dass daher Dr. Arnold Glauburger von einem geistlichen
Fürsten zum Kammergericht präsentirt wurde, hat nichts Auflallendes
und beweist eher alles Andere als seine fortwährende Treue gegen
die römische Kirche, auch wenn man in Trier, wie dies wirklich der
Fall war, den reformatorischen Tendenzen weit energischer entgegen-
trat, als in Mainz. Ohnehin dachten damals selbst diejenigen, welche
Digitized by Google
- 88 —
die Reformation mit grossen Hoflhungen begrüssten, an nichts weni-
ger, als eine völlige Umgestaltung des kirchlichen Cultus, die selbst
in Sachsen erst nach dem im Jahre 1525 erfolgten Tode Friedrich'«
des Weisen unter der Regierung seines Bruders Johann erfolgte.
Ohne Zweifel besuchte man noch in Frankfurt und an den meisten
Orten mit Andacht die Messen und selbst reformatorisch gesinnte
Frauen stifteten Jahresgeziten und Seelenmessen, wie 1523 in ihrem
Testamente Katharina llolzhausen, geb. Fröschin, zu St Bartholomaei
und zu St. Catharinen. Nur eine völlige Verkennimg des Charakters
jener Zeit kann daraus mit Fichard die Folgerung ziehen, ein solcher
Eifer flu* die Religionsgebräuche , in welchen sie erzogen worden sei,
stimme nicht ganz mit der doch so wohl begründeten Ueberlieferung,
nach welcher sie Luther bei seiner Durchreise nach Worms begrüsst,
ihm die Hände geküsst, ihn mit Malvasier gelabt und die Hoffnung aus-
gesprochen, er sei der von ihren Ahnen geweissagte Mann, der den
Immunitäten des Papstes widersprechen werde. Hat doch am
22. Juli 1525 am Maria-Magdalenentag noch Haman Holzhausen
nach Wolfgang Königstein 's Bericht den das Sacrament tragenden
Priester in feierlicher Processiou geleitet.
Wir besitzen übrigens noch urkundliche Zeugnisse, auf dem Stadt-
archive, aus welchen hervorgeht, dass Arnold Glauburger seiner Ab-
neigung gegen die römische Priesterschaft auch in seiner neuen Stel-
lung nicht untreu geworden ist 1627 wurde er von dem Liebfrauen-
stifte zu Frankfurt beim Schöffengericht verklagt, weil er elf Gulden •
sechs Schillinge Zinsen jährlicher Gülte, die er und sein Vater demsel-
ben früher entrichtet, fortzuzahlen sich geweigert habe. Vom Schöffen-
gerichte zur Zahlung vcrurtheilt, wandte er sich appellirend an das
Kammergericht und erwirkte von diesem eine Citation des Stiftes, die
am 18. September dem Decan und Capitel durch einen geschwornen
Boten insinuirt wurde. Man vcrgl. das Schreiben des Capitels an den
Kurfürsten von Mainz von Samstag nach Dionysii 1527 und die Auf-
zeichnung Königstein 's zum 18. September dieses Jahres.
Arnold Glauburger errichtete sein Testament im Jahre 1534 zu
Spcicr, in welchem Jahre er auch ohne Erben verschieden ist, da seine
Frau und drei Kinder vor ihm gestorben waren.
IL Hutten und Philipp Fürstenberger.
Unter den Männern, mit welchen Hutten ausserdem in Frank-
furt in freundschaftlicher Beziehung stand, haben wir bereits Philipp
Fürstenberger genannt Er ist geboren 1479, heirathete 1503 Katha-
Digitized by Googl
- 89 -
rine Bromm, kam 1506 in den Rath und wurde 1610 Schöffe. In die-
ser Stellung scheint er sich zu Anfang nicht befriedigt gefühlt zu
haben ; am 1. Mai 1513 bat er nach Lersner LI, 149, in offnem Rath
um günstigen Urlaub vom Schöffen- und Rathsamt; der Rath, der den
ausgezeichneten Mann ungern entbehren mochte, ersuchte ihn, so ihm
Noth wäre, auf ein Vierteljahr Urlaub zu nehmen. Dadurch scheint
seine Verstimmung nicht beschwichtigt worden zu sein; denn am
31. Mai bittet er abermals ihn seines Schöffen- und Rathsitzes gnädig-
lieh und günstiglichen zu entlassen und von seinem Eide ledig zu
sagen; der Rath beauftragte darauf Johann Frosch mit ihm zu han-
deln, dass er hier bleiben wolle. Wahrscheinlich waren seinem hoch-
strebenden Geiste die städtischen Verhältnisse zu enge. Von nun an
finden wir ihn häufig mit grösseren staatsmännischen Missionen be-
traut: 1518 als Abgeordneten der Stadt auf dem Reichstag in Augs-
burg, 1521 zu Worms, 1527 zu Regensburg und Speier, 1530 zu Augs-
burg, 1532 zu Regensburg. 1521 wurde er mit Stephan Grünberger
zu dem in Mainz weilenden Kaiser Carl V. abgeordnet. 1519, 1525
und 1531 hat er das ältere Bürgermeisteramt bekleidet und sich na-
mentlich im schweren Jahro 1525 um die Beilegung der Bttrgerun-
ruhen grosse Verdienste erworben. Die Reformation hat er mit Ha-
inau Holzhausen am kräftigsten und mit grosser Besonnenheit beför-
dert Er starb am 18. September 1540.
Noch besitzen wir zwei Briefe von Hutten an Fürstenberger. Nur
den ersten können wir hier mittheilen, da der zweite sich auf Er-
eignisse bezieht, die wir später im grösseren Zusammenhange zu be-
trachten haben. Jener lautet in deutscher Uebersetzung:
Hutten seinem Philipp Ftirstenberg.
Ep. 170. Fol. 354 flg.
Weil ich dir meinerseits versprochen habe, dass ich, wenn du
meines Dienstes dich je bedienen willst, dir gewärtig, bereit und wil-
lig sein wurde, darum scheue ich mich nicht, deinen Dienst anzuspre-
chen. Und für jetzt muss ich dich mit folgender Besorgung belasten:
ich bedarf dringend zu dem, was mich nun beschäftigt, des Aeneas
Sylvius, des nachmaligen Papstes, Europa und Asien; die Bücher sind
in Frankreich unter anderm Titel gedruckt und haben, wenn ich mich
recht erinnere, die Aufschrift: des Aeneas Sylvius Cosmographia ;
ausserdem bedarf ich das Büchlein des Michael Ricci über die spani-
schen, sicilianischen , hunnischen und andre Könige. Ich bitte dich,
gehe bald zum Buchhändler, kaufe, was auch und wieviel sie kosten
Digitized by Google
- 90 -
mögen, und schicke sie mir in das Hau» des Johannes von Hatzstein-
Du hast meinen Brief gegen die Aftertheologen. Ich habe den gan-
zen Kerker meiner Geduld gebrochen und schreite heraus in meinem
ureignen Wesen. Gegeben zu Mainz [wahrscheinlich Anfang Juni
1520].
Dieser Brief bezeugt zunächst den engen literarischen Verkehr, in
welchem Hutten mit Fürstenbcrger steht, zugleich aber spricht er auch
ftir des letzteren Bildung, für den Umfang seiner wissenschaftlichen Inter-
essen und für den Reichthum der Hülfsmittel und Bezugsquellen, die da-
mals Frankfurt vor Mainz voraus hatte. Endlich, und dies ist das
Wichtigste, finden wir darin den Wendepunkt in Hutten* Entwick-
lung angedeutet; den Hofdienst hat er quittirt; die Zeit der Rück-
sichtsnah me liegt als durchschrittenes Stadium hinter ihm, selbst die
blosse litterarische Opposition genügt ihm nicht mehr; mit stürmischer
Ungeduld drängt es ihn hin zur entschiedenen rcforraatorischen That,
reisst es ihn fort zum eingreifenden, wirksamen Handeln — er bedarf
der Freunde, die ihn dariu verstehen, weil sie seine Gesinnungen
theilon, und er ist gewiss, sie in Frankfurt, in Männern, wie Arnold
Glauburger, wie Hanian Holzhausen, wie Philipp Ftirstenberger zu
finden.
III. Johannes Coohlaeus.
- Ehe wir den angesponnenen Faden der Erzählung fortfuhren, gehen
wir zu einem Manne über, den wir gewohnt sind, nur in den Reihen
der Gegner derer uns zu denken, mit denen wir uns bis dahin be-
schäftigt haben, und den wir nichts desto weniger bis zum Juni 1520,
-also bis zu dem Zeitpunkte, zu welchem wir die Beziehungen Ulrich 's
zu dem Frankfurter Freundeskreis verfolgt haben, selbst als Glied
desselben und wie mit Hutten, so auch mit Fürstenberger durch die
manigfachsten Verhältnisse verknüpft sehen werden — es ist Johannes
Cochlaeus von Januar 1520 bis 27. November 1530 Decan am Licb-
frauenstifl dahier. Im Jahre 1758 gab derAltorfer Professor Johannes
Heumann unter dem Titel documenta litteraria varii argumenti einen
Band Briefe verschiedener Gelehrten an den Nürnberger Patricier
Willibald Pirckheimer mit einer litterarischeu Einleitung heraus. Die-
selben werden durch eine lange Reihe von Briefen des Joh. Coch-
laeus eröffnet, 15 derselben sind aus Italien, 4 aus Frankfurt geschrie-
ben, die späteren von andern Orten. Kein Darsteller Frankfurter
Geschichte hat diese Briefe benützt oder auch nur durch eine flüch-
tige Erwähnung derselben seine Bekanntschaft mit ihnen verrathen
Digitized by Google
- 91 —
— und doch bilden gerade die vier Frankfurter Briefe in einer Zeit,
aus der man so wenige und meist nur fragmentarische Aufzeichnungen
hat, ein interessantes historisches Denkmal. Ich glaube mich nicht
erst entschuldigen zu müssen, wenn ich aus diesen Briefen, so wie
aus den von Italien geschriebenen, das für uns Interessante hier mit-
theile, namentlich sofern es uns ein Urtheil über die Persönlichkeit
des Mannes gestattet, der mindestens drei Jahre hier in bedeutender
Stellung gewirkt und die folgenden sieben Jahre wenigstens nominell
noch diese Stellung in unsem Mauern bekleidet hat.
Johannes Dobeneck war um das Jahr 1479 geboren in dem
fränkischen Marktflecken Wendelstein an der Schwarzach in der
Burggrafschaft Nürnberg unterhalb des Gebirges (dem späteren Für-
stenthum Onolzbach oder Anspach). In seinem gewöhnlichen Namen
Cochlaeus erscheint der seines Geburtsortes latinisirt. Wendelstein
bezeichnet nämlich im Mittelhochdeutschen eine Muschel oder Schnecke,
lateinisch „Cochlea". Da Nürnberg die Mitherrschaft über den Flecken
hatte, mag er mit der Reichsstadt frühzeitig in Beziehung gekommen
sein und in ihr vielfache persönliche Verbindungen angeknüpft haben.
Er wird daher später auch häufig Cochlaeus aus Nürnberg genannt.
Im Jahre 1510 finden wir ihn als Magister der freien Künste und
Humanisten in Cöln. Von dort berief ihn am 5. März des genannten
Jahres der Nürnberger Rath als „Rector und Schulmeister bey Sanct
Lorenzen Pfarrkirchen". Während ein gleichzeitiger Brief des Bür-
germeisters Tetzcl ihm die Annahme dieses Rufes widerrieth, weil seine
eigne Mutter und sein in Schwabach lebender Bruder nicht damit einver-
standen seien, dass er seine beste Zeit mit der „Scolasteroi" verderbe,
die ihm nur geringe Aussichten eröffne, für die sich ihm bald die Ge-
legenheit eröfliien würde, mit etlichen jungen Leuten als „Ueberseher
und ZuchtmeiBtcr" nach welschen Landen zu gehen, um da zu grossen
Künsten zu gelangen, rieth ihm der Propst zu St. Lorenzen Dr. Anton
Kress in ausfuhrlichem Schreiben vom 7. März dem Rufe ungesäumt
zu folgen. Er bietet ihm, bis sein Vorgänger an der Schule die
Wohnung geräumt haben werde, gastliche Aufnahme in seinem Hause,
wo es ihm an den Gaben der Ceres und des Bachus nicht fehlen
werde. Wenn er die Gehälter seiner Collaboratoren beatritten habe,
dürfe er sich auf 100 fl. des Jahres stehen, obgleich diese Einnahme
bei den wechselnden Verhältnissen und der launenhaften Gunst der
Eltern seiner Schüler nicht als eine ganz sichere zu betrachten sei.
Wenn man ihm von einer Seite her bessere Aussichten eröffne, so sei
dies eine Intrigue, da er einen begünstigten Nebenbuhler habe, in
dessen Interesse man ihn vielleicht abzumahnen versuche. Dieser Rath
Digitized by Google
■
- 92 -
schlug durch, Cochlaeus kam und leitete in der Schule die Humani-
tätsstudien; als Erstlingsfrucht seiner dortigen Wirksamkeit erschien
bereits im Jahre 1511 seine Geographie des Pomponius Mela, dem
Nürnberger Patricier und Rathsgliede Willibald Pirckheimer zuge-
eignet.
Es ist ein glänzendes Bild, das Strauss in markigen Zügen von
dem letzteren entwirft. „In keinem Andern ist das Patriciat der deut-
schen Reichsstädte dem römischen näher getreten. Nichts war klein
und eng angelegt in dem Mann und seinen Verhältnissen. Ein grosser
gewaltiger Körper, von früh auf ritterlich geübt; Geburt aus einem
edeln Geschlechte der damals ersten deutschen Stadt; ererbter Reich-
thum; gelehrte Ausbildung in Italien, höfische und kriegerische im
Dienste des Bischofs von Eichstädt; wo zu einem solchen Geiste von
starker und umfassender Anlage solche Mitgaben hinzu kamen, da
konnte sich etwas Bedeutendes entwickeln. Kaum hatte er seine Bil-
dung vollendet, so nahm er im Rathe seiner Vaterstadt Platz; seine
imponirende Gestalt, seine Wohlredenheit , seine diplomatische Hal-
tung machten ihn besonders zu Gesandtschaften geschickt; bald lernte
Kaiser Max ihn schätzen und ernannte ihn zu seinem Rathe; manche
Gunst, die er der Stadt Nürnberg bewies, hatte sie der Geltung zu
verdanken, in welche sich ihr Sprecher bei dem Kaiser zu setzen
wusste. Auch seine kriegerischen Gaben anzuwenden, fand Willibald
Gelegenheit. Als der Schweizerkrieg des Jahres 1499 ausbrach, führte
er [29 Jahre alt] dem Kaiser die Nürnbergischen Truppen als ihr
Oberster zu; der Krieg war unglücklich, da es an der obern Leitung
fehlte: Pirckheimer an seiner Stelle erprobte seine Tüchtigkeit und
beschrieb nachher selbst seinen Feldzug, wie Xenophon und Caesar.
Heimischer Neid und Anfeindung fehlten dem hervorragenden Manne
nicht: einmal trat er grollend aus dem Rathe und Hess sich ein andermal
nur durch die ehrenvollste Genugthuung darin zurückhalten. Alle Zeit,
die ihm von öffentlichen Geschäften übrig blieb, gehörte der Wissen-
schaft und Kunst, dem persönlichen oder brieflichen Verkehre mit
ihren Vertretern, von denen die Meisten seine Bekannten, die Besten
seine Freunde waren. Aber auch die Bedeutendsten unter denselben
näherten sich ihm nur mit Verehrung, legten auf sein Urtheil und
seinen Rath das grösste Gewicht und nahmen seine Zurechtweisung
willig hin. Sein Haus, dessen Gemächer die Besuchenden königlich
nannten, seine mit Büchern und Handschriften reich versehene Bi-
bliothek, standen jedem Gelehrten offen. Seine glänzenden Gastmahle,
bei denen er vorzugsweise Leute von Geist um sich zu versammeln
liebte, waren berühmt Durch ihn vornehmlich wurde Nürnberg ein
Digitized by Google
- 93 -
litterarischer Mittelpunkt. Seine Geistesrichtung war die humanistische,
in dem Heere der Keuch Ii nisten nahm er eine der vordersten Stellen
ein. Sein lateinischer Stil ist nicht tadellos, hat aber, besonders in
seinen gehaltvollen Vorreden und Zueignungen, einen klassischen
Strich und römische Würde. Eine seltene Stärke besass er im Grie-
chischen. Schriften von Plato und Xenophon, von Plutarch und Lucian,
hat er in's Lateinische , manche auch in 's Deutsche übertragen
Wie verkörpert ist in Firckheimer der allseitige Wissens- und Bil-
dungsdrang der Zeit. Hermann, Graf von Nuenar, wechselt Briefe
mit ihm über ältere deutsche Geschichte, Erasmus, Cochlaeus über
Theologie; Gabriel Hummelberger erbittet sich ein botanisches Buch
aus seiner Bibliothek und fordert ihn auf, auch einige der griechischen
Aerzte, wie bereits den Kirchenvater Gregor, lateinisch reden zu
machen; dazwischen legen ihm Andere verwickelte Rechtsfalle zur
Begutachtung vor; Hubert Thomas von Lüttich bittet ihn um Er-
klärung etlicher Verse aus Hesiod, Glareanus freut sich Vor-
habens, die Geographie des Ptolomaeus herauszugeben. Auch die
Kunst war Pirckheimer nicht fremd. Die Musik übte er selbst als
Liebhaber aus; den Landsmann Albrccht Dürer bewunderte er als
Maler und liebte ihn als Menschen und es war ein tiefer Kummer
für ihn, dass er den trefflichen Freund als das Opfer der Quälereien
eines bösen Weibes vor der Zeit hinwelken sah. Wie antik spricht
das Bild uns an, das Willibald selbst von seinem Landleben auf dem
Gute seines Schwagers, als zu Nürnberg die Pest hauste, uns ent-
wirft. Hier, entfernt von städtischen und Staatsgeschäften, lebt er
ganz dem Studium und der Natur, liest Vormittags im Plato, sieht
nach Tisch von hoher Burg herunter, da ihn das Podagra am Gehen
hindert, dem Treiben der Landleute auf den Feldern, der Fischer
und Jäger im Thal und auf den umliegenden Hügeln zu; empfangt
und bewirthet Besuche aus der Nachbarschaft oder auch die eigenen
Maier und Bauern mit Weib und Kind; der Abend gehört wieder
dem Studium, besonders geschichtlicher Werke und solcher, welche
von den Sitten der Menschen oder der Herrlichkeit der Natur han-
deln; dabei wacht er tief in die Nacht, und ist der Himmel hell, so
beobachtet er noch mit Instrumenten den Lauf und die Stellung der
Waudelsterne; in denen er die Ereignisse der Zukunft, die Sclücksale
der Fürsten und Nationen zu lesen glaubt."*)
Mit diesem Manne trat der junge Magister der freien Künste in
Nürnberg in enge Beziehung; er rühmt und benutzt seine Bibliothek,
*) 8trau88, Ulrich v. Hotten I, 319 flg.
Digitized by Google
er orientirt Bich an seinem Rath und »einem vielseitigen Wissen, er
wählt ihn zum Protector seiner Studien und seiner ersten litterarischen
Arbeiten. Diesem nahen Verhältnisse hatte er es zu danken, da««
bald die Aussicht sich ihm verwirklichte, die ihm bei seiner Berufung
uach Nürnberg der Bürgermeister Tetzel eröffnet hatte. Eine der
Schwestern Willibald Pirckheimer's war an Martin Geuder, einen
Rathsinann zu Nürnberg, verheirathet Vier Söhne, Johannes, Georg,
Sebald und Martin waren dieser Ehe entsprossen. Pirckheimer hatte
sich nicht zu hoch geachtet, die reichen Schätze seines Wissens ihnen
zu eröffnen und sie selbst im Griechischen zu unterrichten; sie er-
kannten später noch auf der Hochschule dankbar, ihr bester Lehrer
in dieser Sprache sei ihr Oheim gewesen. Wie ihr Wissen, so suchte
er auch ihren Character durch eindringliche Vorstellungen und Vor-
schriften zu bilden. In einem Briefe vom 30. September 1515 schreibt
er ihnen: „Nicht allein die Christen, die Bekenner der wahren Reli-
gion, sondern auch die Weisen unter den Heiden pflegen ihre Söhne
zu lehren, Gott vor Allem zu fürchten und dann auch die Eltern zu
ehren, in der eben so wahren als frommen Ueberzeugung, dass alle
menschliche Weisheit und Glückseligkeit ohne die Furcht des Herrn
eitel und nichtig sei, weshalb der Psalmist die Gottesfurcht aller
Weisheit Anfang nennt. Wie sehr aber die Ehrfurcht vor den Eltern
durch jede Religion empfohlen sei, halte ich für überflüssig im Ein-
zelnen nachzuweisen, da alle wie mit einem Munde die kindliche Pie-
tät fordern, und wie sie den Verehrern Gottes und denen, welche die
Eltern verehren, in der gegenwärtigen und zukünftigen Welt alle
Güter, Ehren, Glückseligkeit und langes Leben verheisseu, so weis-
nagen sie denen, welche die göttliche Religion verachten und die Pflich-
ten gegen die Eltern verletzen, das Gegentheil. Obgleich uns nicht
ganz klar ist, welche Strafen in der andern Welt solche Uebertreter
zu verbüssen haben, so sehen wir doch deutlich, dass die Verächter Gottes
und der Eltern nicht nur dieses Leben elend dahinbringen, sondern
auch unheilvoll untergehen. Ich schreibe euch dies desshalb, damit
ihr, obgleich es euch ziemt, in Allem tugendhaft zu leben, doch vor-
zugsweise dieser beiden Gebote eingedenk seid, die so enge zusam-
menhängen, dass das eine ohne das andere nicht erfüllt werden kanu.
Darum furchtet und ehret Gott vor Allem und dann auch die Eltern ;
dies werdet ihr thun, wenn ihr eingedenk seid, welche Wohlthaten
euch die göttliche Güte beschert hat und wie wohlwollend eure Eltern
sie euch zuwenden, und ihnen dafür den Dank abstattet, der in eurer
Macht liegt, indem ihr tugendhaft lebet, Zeit und Geld zusammen-
haltet, und vorzüglich eurem Lehrer in allem gehorchet; denn da er
Digitized by Googl
I
- 95 -
ein eben so guter als gelehrter Mann ist, wird er euch nichts befeh-
len, was ihr bereuen könnt. Haltet euch daher, wie es guten Jüng-
lingen ziemt, ehret Gott, eure Eltern und euren Lehrer, der an euch
Elternstelle vertritt, so, das« ihr nicht minder der menschlichen als
der himmlischen Glückseligkeit eingedenk seid. Wenn ihr das thut,
so werden in euch Männer heranwachsen, wie wir sie hoffen; wo
nicht, so dürft ihr allem Missgeschick entgegensehen. Lebet wohl
und seid nochmals eingedenk, zu welchem Zwecke euch eure Eltern
mit so grossen Kosten in Italien erhalten."
Der Lehrer, dessen hier Willibald gedenkt, ist Niemand anders
als Johannes Dobeneck oder Cochlaeu». Er war mit den drei älteren
Söhnen Martin Geuder's im Jahre 1515 nach Bologna gegangen, mn
dort ihre Studien zu überwachen und zu leiten. Wir besitzen von
ihm noch die Briefe, die er vom 9. September 1516 bis zum 3. Octo-
ber 1517 aus Italien an seinen väterlichen Freund gerichtet und die
Uber seine Beschäftigung, seine Studien, seine Umgangsverhältnisse,
seine Beobachtungen des Landes imd der Leute und seine Richtung
Aufechluss geben.
Seine wichtigste Sorge galt den ihm anvertrauten Zöglingen. In
Bologna hatte er für sich und sie eine geräumige und anständige
Wohnung von 6 Zimmerr. gemiethet Da sie für den geraeinsamen
Bedarf zu gross war, so wollte er das sechste an Fremde abgeben.
Er bittet daher Pirckheimer noch einen Neffen, seinen Bruderssohn,
nachzusenden. Auch eiu junger Holzschuher gehörte zu der kleinen
deutschen Colonie, deren Zahl einmal bis auf acht anwuchs. Ueber die
Beschäftigung seiner Zöglinge erstattet er Pirckheimer folgenden Be-
richt: „Deinen Neffen werden in öffentlichen Vorlesungen morgens
die Briefe Cicero's an Atticus und die Georgica Virgils, nachmittags
griechisch Thucydides und Aristophanes, lateinisch Cicero's Redner
und Properz erklärt. Während der griechischen Vorlesung hört Sebal-
dus Institutionen. Zu Hause hören sie morgens bei mir den Text der
Pandecten, wir sind bis zur Petitio hereditatis gelangt; ich werde
aber zu nützlicheren Büchern und Titeln eilen, deren uns noch viele
bevorstehen. Den Livius exponiren sie selbst bei mir ; ich den Ovid
und Solin us, doch stehen wir mit beiden am Ende." Ein andermal
schreibt er, er habe dem Johannes einen Dialog des Lucian vorge-
lebt, .ihn in das Lateinische zu übersetzen, Georg habe lateinische
Verse gemacht und werde deren noch mehr zu Stande bringen, wenn
er nicht zu nachlässig sei ; dem Sebald habe er eine zu Constantinopel
gedruckte hebräische Bibel gekauft, sie sei theuer, aber schön; täglich
unterrichte ihn ein Jude in dieser Sprache.
Digitized by Google
*
- 96 -
Der Aufenthalt in Italien war damals nicht ohne Gefahr. Zur
Zeit des Carnevals 1516 war ein Deutscher ermordet worden, der
Mörder aber unbekannt geblieben. Kin Studentonzwist endigte mit
wüstem Tumult „Neulich, schreibt er im März 1517, war unsere
ganze Nation in den Waffen gegen die ganze Nation der Lombar-
den; auch ich sah mich genöthigt, meine beiden älteren Zöglinge zu
den Waffen und folglich in die Gefahr zu entsenden. Man lief wild
und wüthend durch die Strassen, gewiss, die Feinde dem Tode zu
Überliefern. Sie stürmten in die Häuser, der Kampf wurde mit jeder
Art von Waffen geführt, auch mit Schusswaffen; die Lombarden
Hessen sich draussen nicht blicken, sondern hielten sich in den Woh-
nungen versammelt. Hätte sich nicht der Gouverneur dareingelegt,
so wäre es in der That zum Handgemenge und zum Morde gekom-
men; nach zweitägigem Wüthen gebot er Frieden. Getödtet wurde
Niemand, verwundet nur Wenige, die zufällig hineingerathen waren:
zu unserem Beistande erboten sich die Toscaner, die Piccner, Spanier.
Ungarn, Polen, so dass Schüler gegen Schüler inmitten der Stadt
sich bekämpften, aber zur rechten Zeit wurde die Sache geschlichtet
Jetzt ist unter den Schülern Friede, draussen aber Krieg und Tu-
mult" Auch Hutten, der damals in Bologna studierte, scheint bei
diesen Händeln nicht gefeiert zu haben. Als Sprecher vertrat er vor
dem Gouverneur, einem Genuesen, das Recht seiner Nation mit einem
Feuereifer, der den Ingrimm des Italieners erregte. Er reiste bald
darauf, um sich Nachstellungen zu entziehen, nach Ferrara und Ve-
nedig. Nach seiner Rückkehr weilte er nur wenige Tage in Bologna
und kehrte in der Stille nach Deutschland zurück (Strauss I, 183).
Neben der Beaufsichtigung seiner Zöglinge beabsichtigte Coch-
laeus für sich die Betreibung juristischer, insbesondere canonistischer,
und theologischer Studien. Doch war er zu unruhig, als dass er in
geordneter Stufenfolge die Vorlesungen hätte hören können. Auf die
Autodidaxie sind Naturen wie die seinige vorzugsweise angelegt
Auch sagten ihm die Lehrer nicht zu. „Ich höre gar nichts, schreibt
er, doch bin ich nicht müssig; ungern lasse ich einen Augenblick
der Zeit unbenutzt dahingehen. Die Thorheiten der Theologen und
Juristen halte ich für mich nicht nützlich; darum lebe ich zu Hause
meinen Büchern." Er will sich vornehmlich auf die Rhetorik legen
und hofft sich auf dem Wege der Privatlecture dnreh Nachahmung
de* Cicero, Chrysostomus, Origenes und Augustin zum Redner zu bil-
den. Jesaias und Paulus hat er sich zu Vorbildern gewählt Mit
grosser Liebe durchläuft er, wie er sagt, den Text der Evangelien
— aber seine Liebe ist nicht wie bei tieferen Naturen aus einem
Digitized by Google
- 97 -
Heilsbedürfhisse entsprungen, er liest sie nur um zu wissen,rwo eine
von Augustin oder Origenes citirte Schriftstelle sich findet Kaum hat
er, wie er selbst erzählt, in die Anfange des Rechtsstudiums hinein-
geblickt, so schreibt er bereits sieben Querelen gegen Justinian, in
welchem er einen unerträglichen Despoten wie Nero erblickt. Die
Verrinischen Reden des Cicero dienten ihm dabei als Muster. Er be-
absichtigt nichts geringeres als eine völlige Reformation des Justinia-
neischen Rechtes in Deutschland. Mit scharfem Eifer geisselt er die
Glossatoren und leert gegen Accursius den ganzen Köcher seiner
Zornespfeile aus. Drei Monate hat er mit diesem Werke verbracht,
24 Bogen voll geschrieben ; er wagt den Wunsch an seinen Protector,
dass dieser seine Ausarbeitung dem Kaiser vorlege und verspricht
sich davon eine Verbesserung des ganzen Rechtszustandes im deut-
schen Reiche. Er wird aber von diesem scharf getadelt, dass er, statt
erst Jurisprudenz zu studiren, schon jetzt eine verfrühte und unreife
Kritik übe. So besinnt er sich allmählig wieder auf die Zwecke sei-
nes italienischen Aufenthaltes. Aus Deutschland hat er nur die niederen
Grade des Priesterthums mit nach Italien gebracht. Auf den Wunsch
des Propstes Kress, dass er nicht ohne den theologischen Doctorgrad
wieder zurückkehre, begibt er sich am 26. März 1517 nachFerrara,
um dort zu promoviren. Obgleich den theologischen Studien längst
entfremdet, erreicht er, die Hin- und Rückreise mitgerechnet, in vier
Tagen dies Ziel seiner Wünsche mit einem Aufwand von 13 Ducaten.
Jetzt wendet er sich um so eifriger dem canonischen Rechtsstudium zu.
Unter den Bekanntschaften, die er in Bologna macht, und den
Freunden, mit denen er dort verkehrt, tritt in seinem Briefe vor Allem
Ulrich Hutten hervor. Dessen satyrisches Gedicht Marcus, ein Gemisch
von griechischen und lateinischen Hexametern — die ersteren hat er
der Batrachomyomachie entlehnt — zur Schmach des Froschsumpfes Ve-
nedig, tibersendet Cochlaeus an Pirckheimer. Beim Abendessen liest
ihm Hutten einige neue Briefe unter lautem Gelächter vor: es
sind die Briefe der Dunkelmänner, durch welche die deutschen Hu-
manisten sich ihres Freundes Reuchlin angenommen und die kölni-
schen Theologen sammt dem Ketzermeister Hoogstraten dem Öffent-
lichen Hohne preisgegeben haben. Doch leugnet Hutten beim Vor-
lesen, dass er der Verfasser des Buches sei, mit den Worten: „durch-
aus nicht, Gott selbst hat es verfasst" Wenn Cochlaeus bemerkt, dass
einer dieser Briefe ganz Deutschland durchschweife und auch Pirck-
heimers gedenke, der gegen den Wucher geschrieben, so kann da-
mit nur, wie auch Strauss meint (I, 232), das neunte Stück des 2.
Theila, das Carmen rythmicale des Magister Schlauraff, gemeint sein,
IV. 7
Digitized by Google
I
- 98 -
in welchem es v. 39 flg. heisst: „Ich kam nach Nürnberg; dort ist ein
gewisser Pirckheimer, der nicht einmal Magister ist, mir entgegenge-
treten; aber ich hörte im Stillen, dass er mit vielen Genossen sich
für Capnio verschwören und gegen uns Theologen viele Bücher schrei-
ben wolle; auch wurde mir gesagt, er habe neulich ein Buch über
den Wucher geschrieben, den die Theologie erlaubt, wie in Bologna
disputirt und durch unsere Magister [d. h. die Doctoren der Theo-
logiel erwiesen worden ist" Es unterliegt kaum einem Zweifel, dass
dieser Brief, wie andere des zweiten Theils, aus Hutten's muth williger
Feder geflossen ist; schon die Fülle des Witzes, die diesen Brief so
lebendig durchströmt und der acht Hutten'sche Ausdruck: salutem sea-
quipedalem im Anfange desselben deuten darauf hin. Am zweiten
Theile dieser Briefe haben überhaupt mehrere Verfasser gearbeitet,
dagegen scheint es ausgemacht, dass der erste Theil ausschliesslich
dem Erfurter Humanisten Crotus Rubianus angehört. Cochlaeus ist
unerschöpflich in Hutten's Preise: „In der That ein wunderbares Ta-
lcut, schreibt er, besonders in der Verspottung fremder Thorheit Er
strömt über von Scherz und beissendem Witz; sobald ich den Mann
hörte, sagte ich, er sei der zweite Lucian." Und gerade an Lucian
und Aristophanes, welche er imd vier andere Genossen sich von einem
Griechen in Bologna interpretiren liessen, bildete damals Hutten sei-
nen congenialen Geist ; an ihnen studirte er die dramatische Gesprächs-
form, deren er sich später mit so grossem Geschicke, vornehmlich
in der römischen Dreifaltigkeit und anderen Dialogen, gegen die Hier-
archie bediente. Der Streit zwischen Reuchlin und den Kölnern be-
schäftigte vielfach Hutten und Cochlaeus : wie jener, so stand auch
dieser noch unbedingt auf Seiten der Humanisten. Ein andermal ruft
er aus: „Ich habe einmal die Deutschen wegen des Erasmus angeklagt,
dieser ausgezeichneten Zierde Deutschlands, die zu Basel in so be-
schränkten Verhältnissen sich behilft. Ich könnte sie auch wegen
Hutten's anklagen, den die Deutschen vernachlässigt, die Italiener
ausgeplündert, die Franzosen verwundet haben. Wenn ein solches
Genie dort vernachlässigt wird, was dürfen Andere für sich hoffen."
Er zittert für die Gefahren, denen er sich durch seine Freimüthigkeit
aussetzt : „Ich lobe und ehre einen so grossen Mann um seines Geistes,
seines Studiums, seiner Gelehrsamkeit willen, weil er sein Volk und
sein Vaterland liebt und verherrlicht, doch fürchte ich, dass sein deut-
scher Freimuth, wenn er ihn nicht massigen lernt, ihm verderblich
werde; Erasmus wird ihn zügeln, zügle auch du ihn, wenn du es
vermagst, damit nicht durch der Barbaren Nachstellung unser ge-
meinsames deutsches Vaterland vor der Zeit einen solchen Geist ver-
Digitized by Google
■
- 99 -
liere; ich darf nicht offen schreiben, du jedoch wirst von ihm Alles
offen erfahren." Hutten hielt seine Rückreise nach Deutschland ge-
heim, weil er Nachstellungen von den Italienern befürchtete; nicht
einmal des Cochlaeus Zöglinge durften etwas davon erfahren. Doch
taucht beim Scheiden wohl in beiden Männern die Ahnung, vielleicht
schon die Gewissheit, auf, dass ihre Naturen nicht zu einer dauern-
den Freundschaft zusammenklingen. „Vor acht Tagen", schreibt am
5. Juli 1517 Cochlaeus, „ist Hutten zu euch abgereist, ein Mann,
mehr von scharfem und schneidendem Geiste, als von sanftem und
ruhigem Gemüthe. Ich habe ihm Briefe mitgegeben, obgleich es-
scheint, er sei uns etwas fremder geworden. Ich liebe seinen Geist,
aber nicht seinen Ungestüm, leichter werde ich mir in der Ferne als
in der Nähe seine Freundschaft bewahren." Cochlaeus empfiehlt den
jungen Ritter, der damals 27 Jahre alt war, auf das Wärmste zu
ehren- und liebevoller Aufnahme, doch, fügt er hinzu, hat mich die-
ser — wie soll ich sagen : Diener oder Schirmherr der Wissenschaft oder
beides? — gebeten, dir vertraulich zu schreiben, dass du ihn nicht
mit Nürnberger Gepränge, wie man zu sagen pflegt, empfangest.
Denn er sucht nicht deine prächtigen und glänzenden Gastmähler,
sondern deine gelehrten Gespräche, trotzdem dass er auf seiner Reise
beeilt ist" Auch Huttens Freund, den Würzburger Canonicus, nach-
maligen Domherrn, Friederich Fischer lernt Cochlaeus in Bologna
kennen ; er erwähnt häufig seines Umgangs und eröffnet ihm den
brieflichen Verkehr mit Pirckheimer. Ebenso empfangt er Briefe
und Schriften von Reuchlin und leitet den Briefwechsel und den
Schriftenaustausch zwischen dem Grafen Picus von Mirandola und
Pirckheimer ein.
Schon diese Umgangskreise lassen erwarten, dass Cochlaeus da-
mals mit den Humanisten verkehrend und ihre Interessen theilend,
von der römischen Gesinnung, die er später vertrat, noch weit ent-
fernt war. So verhält es sich auch in der That. Mit Spott und Ent-
rüstung berichtet er die monströse Thatsache, dass durch eine Er-
nennung oder vielmehr durch ein Messgeschäft 31 Cardinäle ge-
schaffen worden seien. „Nicht genug", fügt er hinzu, „dass man den
Abgesetzten ihre Güter eingezogen, man behauptet auch, dass durch
die an ihre Stelle Getretenen dem Papst über 400,000 Ducaten zuge-
flossen seien, die als fette Beute dem vertriebenen Herzoge vonUrbino
zufallen werden, aber ich sage dies nicht, dass ich nicht gebannet
werde. Man behauptet, der Cardinalat stehe zum Verkaufe feil, wie
auch die übrigen Officien." Mit sichtlicher Freude erzählt er, dass
Hutten am Tage vor seiner Abreise bei ihm des Laurentius Valla
7*
Digitized by Google
- 100 -
Schrift über die erdichtete Schenkung Constantin's des Grossen gefun-
den, die er von einem Bekannten auf kurze Zeit zur Ansicht ge-
liehen, dass sie ihm Hutten abgebeten, um eine Abschrift davon zu
nehmen und sie in Deutschland aufs neue zum Abdruck zu befördern
und zu verbreiten; dass Friedrich Fischer, der Würzburger Canoni-
cus, sie rasch abgeschrieben und dass in wenigen Tagen auch Deutsch
land Exemplare davon haben werde. „Ich halte", bemerkt er dazu,
„für sehr wahr, was Laurentius geschrieben hat; furchte jedoch, dass
es nicht ohne Gefahr herausgegeben werden könne. Aber Hutten
fürchtet das Anathema nicht und mir scheint es unwürdig, dass die
Wahrheit durch das Schwert, das nur die Wahrheit führen dürfte,
gehemmt werden soll. Leicht wird durch Hutten's Wagniss des Lau-
rentius Freimuth wieder an das Licht treten." Ueber den Zustand
der Wissenschaft und des kirchlichen Lebens in Italien ergeht er sich
in lauten Klagen: „Es ist ein Elend," schreibt er, „hier sich mit der
heiligen Wissenschaft zu beschäftigen, ohne Lehrer, ohne Bücher,
ohne Zuflucht Es lesen Mönche .... mit ihnen will ich meine Zeit
nicht verderben, denn sie jagen nur sophistischen Traumbildern nach.
Ich höre hier nichts, immer halte ich mich eingeschlossen zu Hause,
ausser wenn ich die Kirchen besuche. Selbst die Fastenpredigten
höre ich jetzt nicht, da ich die Worte nicht genugsam verstehe und
keinen Gewinn sehe. Die Meisten sind auf der Kanzel, wenn ich es
sagen darf, mehr Possenreisser oder declamirende Schauspieler als
Prediger, als Apostel, als Augustine. Während Viele, wenn sie in
Gesticulationen und in der Stimme sich auf thörichte Weise überbieten,
den Paulus oder Cicero nachzuahmen meinen, reden und agiren sie
doch nur heuchlerisch zum Volke. Kann es befremden, wenn sie nichts
ausrichten? In ihrer Heftigkeit halten sie keine Commata ein; bewe-
gen die Köpfe wie Krähen, springen auf, treten hinüber und herüber,
schreien, fechten mit den Armen, wenden der Gemeinde den Rücken,
besonders wenn sie zu dem kleinen hinter ihnen stehenden Crucifbcc
fiir die Gemeinde beten, weinen äusserlich, lachen innerlich und ge-
fallen sich selber unendlich. In Deutschland wäre, wie ich glaube,
Alles meinem Studium entsprechender." Aehnliche Schilderungen ent-
wirft er von den canonischon Rechtslehrern: der eine, der Gelehrteste,
hat keine Lehrgabe, der andere spricht so leise, dass er nicht ver-
standen wird, der dritte ist so gelehrt, dass er in seinen Digressionen
auf ganz heterogene Dinge kommt, ein vierter ist ein Schwätzer, ein
fünfter ein junger Mann ohne Wissen. Um so grösseres Interesse
scheint ihm das Volksleben eingeflösst zu haben; er sendet Pirek
heimer's Tochter eine ausführliche Beschreibung von acht welschen
Digitized by Google
Tänzen, die er den Spanier, den Rostibin, die Angelosa, die Amo-
rosa, den Leoncell, Belreguerd, Mercasan und vite de Colei nennt
und die sämmtlich in graziösen Bewegungen, Schritten und Figuren
ausgeführt werden. Im September 1517 finden wir ihn mit seinen
Zöglingen in Florenz. Unter den Büchern, die er dort an dem Stapel-
platz des humanistischen Verkehres für Pirckheimer kauft, nennt er
namentlich die Schriften des Areopagiten Dionysius, an deren Aecht-
heit er nicht zweifelt und deren Sublimität ihm Uber die menschliche
Fassungskraft weit hinauszugehen scheint. Am 20. September er-
reichen sie Rom. Während am 4. October seine Zöglinge? Johannes
und Sebaldus G-euder nach Neapel reisen, rüstet er sich zum ernsten
Studium in der geistlichen Hauptstadt der Christenheit; aber in den
Hörsälen ist der Lärm so gross, dass er nichts versteht. Audi sonst
fühlt er sich nicht behaglich. „Allzugross ist hier die Zügellosigkeit
des Lebens, aber jeder hat für sich selbst einzustehen, ich werde für
mich und meine Angelegenheiten besorgt sein, damit ich nicht die
Zeit und die grossen Kosten unnütz verschwende." Auch den Papst
hat er unterwegs gesehen: jagend bei Viterbo kam er an den Reisen-
den vorüber.
Mit diesen Nachrichten aus Rom schliessen die italienischen Briefe
am 3. Oktober 1517, kurz vor dem Ausbruche des Ablassstreites,
dessen Folgen auch dem Leben des Cochlaeus eine neue Wendung
geben und seine kirchliche Stellung wesentlich umgestalten sollten.
Die nächsten Briefe, die wir von ihm noch haben, sind von Frankfurt
aus an Willibald Pirckheimer geschrieben und gehören sämmtlich dem
«Jahre 1520 an, welches, wie es scheint, den entscheidenden Wende-
punkt für Cochlaeus bildete. Es sind ihrer nur vier.
Im Jahre 1519 war Joh. Cochlaeus zum Dcchanten des Lieb-
frauenstiftes gewählt worden und im Januar 1520 traf er in der Reichs-
stadt ein, um sein neues Amt anzutreten. Er selbst schildert am
26. Januar Pirckheimer den Empfang, den ihm die Canoniker seines
Capitels bereitet haben und der von dem Vertrauen zeugt, womit
man hier seiner Wirksamkeit entgegensah. „Unter guten Vorbedeu-
tungen bin ich hier eingetroffen und nichts Widerwärtiges ist mir
unterwegs begegnet, ausser dass meine Bücher mir von Räubern
nicht genommen, sondern beschädigt worden sind, nur wenige habe
ich verloren — ein leichter Verlust, da mir die übrigen geblieben
sind. Meine Canoniker haben mich ausserordentlich gefallig aufge-
nommen; morgens kamen sie mir auf der Brücke entgegen und führ-
ten mich sofort ein, um an den Präsenzen Antheil zu nehmen, welche
sie jedoch nicht täglich in Brod und Wein, wie an den meisten Orten
1
- 102 -
üblich, verabfolgen, sondern wöchentlich in Geld auszahlen. In unsern
Einkünften beziehen wir an Wein gar nichts, sondern nur Geld und
Getreide. Auf einige muss ich 18 Monate lang verzichten; in den
ersten 6 Monaten darf ich überdies nicht ausserhalb der Stadt über-
nachten Dem Herrn Jacob Heller habe ich deinen Brief per-
sönlich übergeben, aber etwas später wegen meiner Geschäfte. Der
Mann erbietet sich mir auf deinen Brief zu jeder Gefälligkeit Er
lobt unsern Scholaster [Fischer], den zweiten Prälaten nach mir, was
ich sehr gerne gehört habe ; denn derselbe erweist sich mir sehr wohl-
wollend, er ist ein Mann von 60 Jahren, nicht eigentlich gelelirt, aber
erfahren, doch hat er Nebenbuhler und Gegner. Denn der Decan
zu St. Bartholomaei (Friedrich von Martorff) will ihm nicht allzuwohl
und fast alle Vicare unserer Kirche sind wider ihn; sie prozessiren
unter einander in Mainz, die Vicare machen Opposition gegen das
ganze Capitel. Vor sechs Monaten werde ich in das Capitel nicht
aufgenommen werden. Unterdessen suche ich die Eintracht herzu-
stellen, ich möchte Niemanden beleidigen. Mein Haus ist geräumiger,
als dass ich es mit meinem Hausrathe füllen könnte; der eine Theil
desselben ist zu schadhaft, als dass ich ihn jetzt schon herstellen
köimte, und meine Einkünfte geringer, als das Gerücht sie angab.
Doch danke ich zufrieden Gott; es wird mir mehr Ehre erwiesen,
als ich begehre; mit Wenigem auszukommen wird mich das canonische
Leben lehren und meine Muttor ist zu zähe, als dass sie mir unnütze
Ausgaben gestattete."
Ich habe diesen Brief seinem wichtigsten Inhalte nach mitge-
theilt, weil er uns einen klaren Blick in die Verhältnisse eröffnet, in
die Cochlaeus zu Frankfurt eintrat; er gibt uns Veranlassung zu eini-
gen erläuternden Bemerkungen, an welche wir zugleich das Wichtigste
der drei folgenden Briefe anknüpfen werden. Wir ersehen zunächst
aus dem bereits Mitgetheilten , dass ein eintretender Canonicum und
Prälat eine halbjährige Residenzzeit abzuhalten hatte, während der
er noch nicht alle regelmässigen Einkünfte bezog, sondern nur an den
Präsenzen Antheil hatte und sich nicht über eine Nacht von dem
Residenzorte entfernen durfte. An dem Tage, an welchem die soge-
nannte Residenzpflicht ablief, zeigte er ihre Erfüllung dem Capitel
an und wurde sofort zugelassen. Nach dem Manuscripte des ( II Olli-
cus Königstein am Liebfrauenstift fand die Reception des Cochlaeus
am 1. Juli 1520 statt, der Tag seiner Ankunft in Frankfurt und sei-
ner Einführung rauss also wohl der Neujahrstag gewesen sein. Nach
herkömmlichem Brauche rousste er flu* die Reception den Gliedern des
Capitels einen Weinsatz geben, der aber nicht mehr in Natur, son-
Digitized by Google
— 103 -
dern in Geld entrichtet wurde. Er gab jedem Prälaten 12, jedem
Canoniker 6 alte Turnosen.*) In Bologna hatte er einst mit sehr
bescheidenen Wünschen und Hoffnungen in die Zukunft geblickt:
„Ich werde", hatte er an Pirckheimer geschrieben, „alle meine Be-
mühungen dahin richten, dass ich einst meinem Vaterlando und mei-
nen Freunden mit Nutzen dienen möge. Ich trachte nicht nach lleich-
thum und Glanz der Ehre, es wird mir übergenug sein, wenn ich
eine kleine Wohnung habe, in der ich mit mir nicht grosse Kühe
oder Pferde, sondern eine einzige Katze, ein Hündchen, das mich
bewacht, und eine alte Mutter ernäliren kann. Das Uebrige stelle ich
der Fürsorge der Götter anheim, wenn ich nur Vielen dienen kann.
Du möchtest mich hoclistrebend sehen, auch icli theile diesen Wunsch
und es fehlt mir nicht der Drang emporzukommen, aber es hindert
mich Vieles, die Eitelkeit der Welt, die Kürze des Lebens, die Ge-
ringfügigkeit meines Vermögens und inannichfache körperliche Ge-
brechen. Mit Freuden werde ich daher in untergeordneten Verhält-
nissen mich bewegen, wenn ich nur Einiges leiste." Wie hatte sich
doch über seine Erwartungen sein Loos gestaltet. Im kräftigsten
Mannesalter stand er als Prälat einem Stifte vor; er war im Besitze
einer über Beinen Bedarf geräumigen Wohnung, seine Mutter führte,
ihm seinen Haushalt und war die Gesellschafterin des Sohnes. „Dass
ich meine Mutter mit mir hergebracht habe," schreibt er am 8. Fe-
bruar, ,,darob preissen mich die Priester glücklich, so mürrisch und
ohne Treue sind ihre Mägde." „Wenn du etwa nach meinen Verhält-
nissen fragst," heisst es in demselben Briefe, „so bin ich hier, Gott
sei Dank! nicht ungern. Ich habe grössere Ehre, als ich wünsche'
kleinere Einkünfte, als ich hoffte, doch bin ich mit meinem Loose
wold zufrieden. Die erste Einrichtung meines Hauses fallt mir schwer.
Schon sieben Wochen habe ich mit nicht geringen Kosten einen eig-
nen Schreiner im Hause. Auch die priesterlichen Kleider, die ich hier
bedarf, muss ich mir für schweres Geld anschaffen. Ich habe mir
einen Wagen voll Weines gekauft, womit soll ich die übrigen Aus-
gaben des Hausstandes, womit den Hausrath bestreiten? Doch werde
ich, wenn mir das Geschick günstig bleibt, in wenigen Jahren, wenn
ich es erlebe, zu ruhiger Gemüthlichkcit kommen".
Seine Canoniker scheinen ihm mit Achtung und Liebe entgegen-
gekommen zu sein; besonders rühmt er den Scholaster, der wie wir
aus Königstein's Aufzeichnungen wissen, Stephan Fischer hiess, als
*) Vergl. Steita Luthers- und Melanchthoiiaberbergen 8. 40 Anm. 44.
Digitized by Google
einen zwar nicht gelehrten, aber gcsehäftserfahrenen Mann; doch
wirft ihm Königstein Unverträglichkeit und herbes Wesen vor. Sonst
bietet der Zustand des Stiftes wenig Erfreuliches: Neid und Missgnnst
herrschen, wie unter dem Clerus überhaupt, so auch unter seinen
Gliedern und die Vicare treiben ihre Opposition bis zur Anklage bei
dem bischöflichen Gerichte. Es ist dieselbe innere Auflösung und Zer-
setzung, die wir in der Reformationszeit unter der Priesterschaft aller
Orte finden, eine Gemeinschaft, die nur noch äusserlich durch die
Bande des kirchlichen Organismus mühsam zusammengehalten wird.
Des Cochlacus Gelehrsamkeit, wenn auch unzusammenhängend
und ungründlich, wie es bei dem ungeordneten Gang seiner Studien
und seinem unruhigen, eiteln Sinne nicht anders sein konnte, war
dennoch durch die Vielseitigkeit seines Wissens ein seltenes Phäno-
men unter der damaligen Geistlichkeit und musstc seinen Umgang
an einem Orte wie Frankfurt, das sich an wissenschaftlicher Bildung
nicht mit Nürnberg messen konnte, Vielen, die dafür wenigstens Em-
pfänglichkeit und Verständniss hatten, wünschenswerth machen. Er
selbst war bemüht, sich einen Kreis angesehener Bekannten zu bilden,
und überall war er gerne aufgenommen und gesehen. „Ich speise
nirgends lieber als zu Hause," schreibt er am 8. Februar, „doch lehne
ich Einladungen nicht ab, um mir Freunde zu erwerben, die ich mir,
wenn es schicklicher Weise geschehen kam), wünsche." Mit besondrer
Gefälligkeit erbietet sich ihm sein Nachbar Johannes von Ostheim,
genannt Scheffer Henn, an den er durch Pirckheiraer's Schwieger-
sohn Straub empfohlen war; er war wohl der Sohn des von Job
Rohrbach (§. 315) erwähnten, im Jalire 1494 als Wollenwebcr in den
Rath gewählten und 1515 gestorbenen (Lcrsuer II, I, 147) gleich-
namigen Vaters und wohnte wie dieser in dem Uause zur Weinrobe
am Ecke der Döngesgasse und des Liebfrauenberges (G. 53); drei
Tage lang hatte er den Cochlacus nach seiner Ankunft in Frankfurt
bei sich köstlich und unontgeldlich bewirthet Am 6. Februar speist
er bei dem Stadtpfarrer, Dr. Peter Meyer, der bereits in dem Rcuch-
linischen Streite seine Rolle als Schildträger der Cölner Theologen
gespielt, deshalb von Hutten gcgeisselt worden war und seine Stelle
in den Briefen der Dunkelmänner gefunden hatte.*) Am 9. Februar
wird er mit seinem Scholaster von Jacob Heller zur Tafel geladen;
*) Er hattte sich auf der Frankfurter Herbstmesse 1511 als Mainzer Comuiissär
gerirt und den Verkauf von Reucblio's Augenspiegel verboten. Strauss, Hutten I,
200. In den Briefen paradirt er Vol. I, ep. 5.
Digitized by Googl«
dem kunstsinnigen Schöffen, der durch seine Oorrespondenz und sein
Zerwurfoiss mit Albrecht Dürer auch in weiteren Kreisen bekannt
geworden ist, dessen Stiftung das schöne Dürer'sche Bild in der Do-
minikanerkirche und der noch heute stehende Calvarienberg auf dem
Kirchhofe zu St Bartholomäi *) war. Heller hatte nach Lersner
II, I, 146 im Jahre 1517 seinen Kuthssitz aufgekündigt und lebte in
sinniger Ruhe dem Genüsse der Wissenschaft und der Kunst; im
Jahre 1522 erlosch in ihm sein Geschlecht. Auch Cochlaeus scheint
für die Kunst nicht ohne Sinn gewesen zu sein und besasB selbst
Dürer'sche Holzschnitte. Am 5. April bittet er von Frankfurt aus
Willibald, ihn dem Meister Albrecht zu empfehlen. „Gestern/' fügt
er zu, „war der Bürgermeister bei mir und sah den Hieronymus und
die Melancholie. Viel war von ihm (Dürer) unter uns die Rede, nur
nimmt es mich Wunder, warum seine Denkmäler hier so selten sind
und so häufig die Gemälde des Holländers Lucas (von Leyden) auf
den Messen."**) Hieronymus und die Melancholie gehören zu den
besten und bekanntesten Holzschnitten des Meisters.
Der Bürgermeister, dessen er in diesem Briefe gedenkt, ist Nie-
mand anders als der bereits erwähnte Philipp Ftirstenberger, im Klei-
nen für Frankftirt, was Willibald Pirckheitner für Nürnberg war, der
thätige Beförderer der Wissenschaft, der Bildung und der Kunst, mit
Pirckheimer selbst, wie mit Hutten, in freundschaftlichem literarischen
Verkehre, eben damals vom Mai 1519 bis 1520 älterer Burgermeister,
35 Jahre hindurch bis zu seinem Tode 1540 wie Haman Holzhausen
eine Zierde seiner Vaterstadt, eine staatsmännische Grösse im Rathe,
die starke Stütze der humanistischen und reformatorischen Interessen.
Gleich nach seiner Ankunft in Frankfurt muss Cochlaeus mit ihm in
engere Beziehungen getreten sein. Er hatte damals die Schriften des
Maxentius herausgegeben und schreibt am 8. Februar: „Ich habe
einen Brief an Philipp Ftirstenberger zugefügt, der hier der ältere
Bürgermeister ist, ein Mann, der dich innig liebt, in den griechischen
und lateinischen Wissenschaften massig (medioeriter) zu Hause, neu-
lich war er mit Hutten und mir zu Tische bei dem Decan zu St. Bar-
tholomäi, bei welchem Anlass deiner ehrenvoll gedacht wurde; auch
in dem Briefe habe ich deiner Erwähnung gethan, vielleicht mehr,
als du glaubst, aber weit geringer, als du verdienst."
•) Reliquien Albrecht Dürers 8. 34 flg. Gwinner, Kunst und Künstler in
Frankfurt a. M. 8. 35 u. 480.
**) Ileumann 1. c. P. 47.
— 106 —
Es kann allerdings befremden, dass Cochlaeus in diesem Urtheil
einen Manu, den wir noch heute mit Stolz den unserigen nennen,
von dem wir wissen, dass er nicht nur Homer's Gesänge in der Ur-
sprache gelesen, sondern das Griechische mit Leichtigkeit gesprochen
und in der lateinischen Sprache mit jedem Gelehrten zu disputiren
verstand, an den sich ein Hutten wandte, um fiir seine gelehrten Ar-
beiten seltenere Bücher auf dem Frankfurter Buchhändlermarkte zu
erhalten, nur littcris et graecis et latinis medioeriter eruditus nennt, und
man fühlt sieh fast versucht, vor medioeriter das Wort haud ausge-
fallen zu denken. Allein näher betrachtet, bedarf es vielleicht einer so
gewaltsamen Aenderung nicht. Fürteuberger war damals, so weit
wir den Kreis von hervorragenden Persönlichkeiten in der Reichsstadt
übersehen können, fast der einzige Vertreter humanistischer Bildung,
und bei der Beschränktheit der Hülfsmittel und bei dem gänzlichen
Mangel an entsprechender persönlicher Anregung ist es fraglich, ob
ihn sein Privatstudium bereits darin zum wirklichen Gelehrten ge-
fördert haben dürfte. Gerade im April 1520 kam Wilhelm NeBen
nach Frankfurt, und es ist aus seiner von Herrn Director Classeu
herausgegebenen, am Tage der Kreuzeserhöhung (14. September)
ausgestellten Verschreibung bekannt, dass er nicht blos zum Unter-
richte der Jugend in den Huraanioribus angestellt wurde, sondern sich
auch verpflichtete, „wo er ehrbare Hörer finden möge, in seinem
Hause oder in einem Kloster jeden Tag eine Stunde öffentlich zu
lesen". Eben so setzt es eine Notiz des jüngeren Ritter in den Con-
ventsacten, die ich seiner Zeit interpretirt habe, ausser Zweifel, dass
es gerade Philipp Fürstcnberger , Jacob Neuhaus und Haman Holz-
hausen waren, die von dieser Gelegenheit Gebrauch machten und
sich nicht schämten, die Zuhörer und Schüler des jungen Poeten zu
werden. Von diesem Zeitpunkte an datirt erst das Aufblühen der
Alterthumswisscnschaft und der philologischen Bildung in unserer
Vaterstadt und wahrscheinlich verdankt auch Fürstcnberger erst diesen
Anregungen, die später von Mieyllus fortgesetzt wurden, die fort-
geschrittene Kenntniss der alten Sprachen und den Ruf ausgebreiteter
Gelehrsamkeit auf diesem Gebiete, der sich mit seinem Namen für
die Nachwelt verwob und verknüpfte.
Am 5. April berichtet Cochlaeus: „Gestern war unser Bürger-
meister Fürstcnberger bei mir, der gute und milde Mann. Er ver-
sprach mir von freien Stücken seine Mitwirkung zu meinen Zwecken
und bat mich, diesen Sommer, wo ich die Stadt verlassen darf, zu
ihm auf das Land in den Rheingau zu kommen, denn da er dort
viele Besitzungen hat, will er nach Ablauf seines Bürgermeisteramtes
Digitized by Google
- 107 -
auf ihnen im Sommer einen ländlichen Aufenthalt machen." Unter
den Zwecken, zu deren Förderung ihm Fürstenberger seine Beihülfe
zusagt, ist auch die Herausgabe des Cassiodorus einbegriffen, von
dessen Werken sich eine Handschrift in der Klosterbibliothek zu
Fuld befand, deren Inhalt Cochlaeus kennen möchte. Fürstenberger
hatte selbst vor Kurzem ein Exemplar dieser Werke gehabt, das er
in Kurzem wiederzuerhalten versichert. Zugleich verspricht er ihm,
er wolle ihm die Möglichkeit verschaffen, die Bibliotheken von Spon-
heim und andern Klöstern jener Gegenden einzusehen, da er deren
Aebte sehr gut kenne und glaube, dass sich dort alte Handschriften
befänden. In einem derselben habe er den noch nicht edirten Tco-
gus Pompejus gesehen. Am Schlüsse des Briefes sagt Cochlaeus:
„Als die Bibliotheken (Bücherläden) schon gescldossen und die Messe
beendigt war, sandte mir unser Philipp Fürstenberger mehrere neue
Tractate. Er hebt darunter namentlich drei Bücher des Bischofs
Claudianus Mamercus von Vienne über den Zustand der Seele her-
vor, dio in einem alten Kloster zu Meisen gefunden und zu Basel
gedruckt worden waren. Da er sich lebhaft dafür interessirtc und sie
doch nicht kaufen konnte, machte ihm Fürstenberger damit ein Ge-
schenk. Am 12. Juni schreibt er in dem letzten Frankfurter Briefe:
„Mein Philipp Fürstenberger ist von hier mit Frau und Töchtern
nach dem Rheingau gegangen; nach Vollendung meiner Residenz-
pflicht werde ich, wenn ich lebe, ohne Zweifel zu ihm gehen, um
auch in Mainz mir Freunde zu machen."
Diese nahen Beziehungen, in welchen Cochlaeus zu Fürstenberger
steht, berechtigen uns bereits zu der Annahme, dass er damals dem
kirchlichen Liberalismus noch nicht abgesagt haben, wenigstens noch
kein principieller Gegner der Reformation geworden sein kann. Diese
Annahme wird durch verschiedene Thatsachen und Urtheile in seinen
Briefen zur unumstösslichen Gewissheit erhoben. Noch steht er mit
Hutten in freundschaftlicher Verbindung, er sieht ihn, als derselbe im
Anfange des Februars in Frankfurt weilt und seinen Heirathsplan be-
treibt, er verkündigt, dass er nächste Messe mehrere Dialoge, unter
andern die römische Dreifaltigkeit und die Anschauenden, die be-
kanntlich polemisch gegen Rom und die Hierarchie gerichtet sind, in
die Welt senden werde; er erzählt, dass Hutten in der Fulder Kloster-
bibliothek eine Geschichte Heinrichs des Vierten (es heisst im Briefe
irrthümlich des Dritten) gefunden, der selbst Caesar an Schlachten-
zahl übertroffen habe und sie mit einer Apologie gegen den römi-
schen Bischof herausgeben werde. „Der Mann," ruft er aus, „vertritt
mit bewunderungswürdigem Freimuthe Deutschlands Ruhm und ent-
Digitized by Google
- 108 -
brennt in heftigem Hasse gegen den römischen Bischof." Trotzdem
speiet er mit ihm und Fürstenberger bei dem Dcchanten des Bartho-
lomäusstiftes und bittet ihn, für ihn in Fuld die Handschrift des Cas-
siodor einzusehen. Er erzählt, er werde nächstens, wenn ihm seine
Hoffnung nicht fehlschlage, ein reiches und edles Mädchen heimfuhren ;
der Cardinal habe ihn gnädig vom Hofe entlassen und ihm einen
Jahresgehalt ausgesetzt; am 12. Juni meldet er, er habe vom Doctor
Glauburger, mit dem er also auch in Verbindung stehen musste, ver-
nommen, Hutten sei vor acht Tagen nach Holland zu König Ferdi-
nand gereist; durch Glauburgers Vermittlung seien ihm 100 Gulden
auf Befehl des hochwürdigen Herrn von Mainz ausgezahlt worden.
Im Mai des Jahres 1520 hatte eine Verhandlung zwischen drei
von Franz von Sickingen gesandten Rechtsgelehrten aus Mainz und
Worms und den Cölner Dominicanern im Reuchlin'schen Processe
statt, in deren Folge die Dominicaner die ihnen seiner Zeit durch
das Urtheil des Bischofs von Speier auferlegten Processkosten im Be-
trage von 111 Gulden bezahlten und ihre Appellation in Rom ab-
riefen. Cochlaeus erzäldt, dass er der Schlussverhandlung als Zeuge
beigewohnt habe. Nach seinem Berichte scheint es, als ob dieselbe
in Frankfurt stattgefunden habe (erant a Franc Sickingen tres doc-
tores.... huc misai ex Spira et Vormatia); auch würde man nicht
begreifen, wie er um diese Zeit vor Vollendung seiner Residenz habe
in Cöln sein können. Die Art, wie er sich über das Resultat aus-
spricht, legt trotz der Objectivität seiner Darstellung die Vermuthung
nahe, dass Cochlaeus mit seiner Ueberzeugung noch auf Seite Reuch-
lin's gestanden habe. Unzweideutig sind folgende Aeusscrungen in
demselben Briefe vom 12. Juni : „Von Luther höre ich hier nur äus-
serst selten etwas. Drei Tage habe ich mit den Predigern (den Do-
minicanern) disputirt, nach ihrer Weise und auf ihre Bitten; aber
Lutherisches wurde nichts aufgestellt Ich würde es sicher nicht
versäumt haben, für ihn einzutreten, wenn mir ein Anlass
dazu geboten worden wäre. Ich habe seine und eines Andern
Antworten gegen die Cölner und Bolognoser gelesen: sie sind sehr
stark und ächt deutsch." Noch standen in wissenschaftlicher und
kirchlicher Hinsicht die freisinnigen Tendenzen an dem Mainzer
Churhofe in voller Blüthe. 1520 hatte sogar der Cardinal Albrecht
den nachmaligen Strassburger Reformator Wolfgang Fabricius Capito
als Hofprediger nach Mainz berufen; am 20. April traf er dort ein
imd predigte im Dome das Evangelium. Vergebens eröffneten gegen
ihn sofort die Mönche einen Kampf; sie mussten dem von angesehe-
nen Männern Beschützten das Feld räumen. Auch Cochlaeus hatte
Digitized by Google
- 109 -
seine Freundschaft erworben. „Vor wenigen Tagen," meldet er, „hat
mir von Mainz Fabricius Capito zweimahl geschrieben, dessen Pre-
digten auch hier ausserordentlich gelobt werden; im zweiten Briefe
bat er mich, dass ich ihm Cicero's sämmtliche Werke in der Aldini-
schen Taschenausgabe senden möge." Da er sie in Frankfurt ver-
gebens gesucht, bittet er Pirckheimer, er möge sie durch venetia-
nische Kaufleute dem Manne, den ja auch er liebe, verschaffen, und
verbürgt sich für die richtige Zahlung des ausgelegten Preises.
Alle diese Beziehungen und Aeusserungen können uns über des
Cochlaeus kirchliche Stellung in der ersten Hälfte des Jahres 1520
keinen Zweifel gestatten: er stand noch in den Reihen der frei-
müthigen Theologen und Humanisten. Aber schon keimen Zweifel
an seiner Aufrichtigkeit unter seinen Freunden. Am 17. Februar
1520 schreibt der freisinnige Augsburger Canonicus Bernhard Adel-
mann von Adelmannsfelden an Pirckheimer: „Was du mir von un-
serm Cochlaeus schreibst, wundert mich und erweckt mir einen bösen
Verdacht ; ich fürchte, er möge anderswie als durch die Thüre in den
Schafstall gedrungen sein, denn ich erkenne die an ihren Früchten,
mit denen er in Rom verkehrt hat." Ebenso am 11. Juni: „Ich habe
neulich den Prolog unseres Cochlaeus zum Maximin (er wollte sagen
Maxentius) gelesen, er scheint mir darin beiläufig verrathen zu ha-
ben, was Rom in ihm gewirkt habe; ich fürchte, dass er sich bei
gelehrten und guten Männern verdächtig mache."*) Bald drängten ihn
die Ereignisse zu einer Entscheidung. Hutten kam enttäuscht von
Ferdinand zurück. In einem Breve vom 12. Juli beschwert sich der
Papst bei Cardinal Albrccht, dass Hutten gegen Rom Schmähschriften
geschrieben; derChurfÜrst muss ihm seinen^Schutz entziehen, Hutten
findet eine Zuflucht bei Franz von Sickingen, er schliesst sich fester
an Luther an; der Kampf nimmt eine drohendere Wendung. Da
scheint auch Cochlaeus in der Wahl seiner Stellung rasch entschieden
gewesen zu Bein. Am 0- October 1520 erschien Luther's Schrift über
die Babylonische Gefangenschaft der Kirche; am 10. December er-
wiederte er den römischen Bannstrahl durch das Manifest seiner
That, durch die Verbrennung der päpstlichen Bulle. Von jetzt an
sehen wir auch Cochlaeus entschlossen, seine neue Stellung offen zu
bekennen. Er schreibt sechs Jahre später: schon vor dem Wormser
Reichstage habe er drei noch nicht herausgegebene Bücher Über die
Eucharistie gegen die Babylonische Gefangenschaft geschrieben, in
*) Bei Henmann p. 186 und 200.
Digitized by Google
- 110 -
I
deren zweitem er den Beweis erbracht zu haben glaube, daas die
Transsubstantiation leugnen nichts anderes heisse, als die Realität de«
Sacramentes leugnen. Wir dürfen nach dem Allen mit Gewissheit
annehmen, dass der Umschwung in des Cochlaeus Denkungsweiae
und Richtung sich erst in Frankfurt vollzogen hat und in die zweite
Hälfte des Jahres 1520 fallt Ohne Zweifel war damit auch seine
Verbindung mit. allen bisherigen Freunden in und ausserhalb Frank-
furts gelöst. Selbst in seinem Briefwechsel mit Pirckheimer erscheint
eine Lücke von fünf Jahren: erst, nachdem dieser selbst von der
Sache der Reformation, für die er anfangs mit Entschiedenheit sich
erklärt hatte, wieder zurücktrat, weil das rücksichtslose Zerstören ihm
als Inipietät erschien und weil der rohe Klostersturm ihn an der zar-
testen Seite seines Herzens angriff : drei seiner Schwestern und seiner
Töchter trugen den Schleier, knüpfte sich auch die alte Verbin-
dung mit Cochlaeus wieder an und ist bis zu Pirckheimer's Tode im
Jahre 1530 durch eine Reihe von Briefen bezeugt
Am 14. April 1521 kam Luther auf der Reise nach Worms durch
Frankfurt und wurde von dem kleinen humanistischen Kreise, der
sich um Wilhelm Nesen gesammelt hatte, gefeiert Am 16. April
reiste ihm Cochlaeus nach, um ihn dort zu bekämpfen. Da ihn Nie-
mand gerufen, sondern nur die eigene Streitlust ihn dorthin getrieben
hatte, so wurde begreiflicher Weise seine Reise von der Frankfurter
Bürgerschaft in eben dem Maasse misstrauisch und missgünstig an-
gesehen, als Luther's Erscheinen Enthusiasmus und Begeisterung er-
weckt hatte. Vergebens versuchte Cochlaeus sich in Worms hervor-
zudrängen und eine hervorragende Rolle zu spielen. Er Hess sich
von Capito, der schwerlich dort schon von seiner Sinnesänderung
wusste, dem päpstlichen Legaten vorstellen und von diesem beauf-
tragen, ihm von der Conferenz mit Luther unter dem Vorsitze
des Churfursten von Trier, zu der er als Theologe zugezogen
wurde und der Aleander nicht selbst beiwohnen wollte, geheimen
Bericht zu erstatten. Allein er kam hier nur dazu, einige Worte
dazwischen zu werfen. Sein brennender Eifer, sich Lorbeeren zu
erwerben, verleitete ihn hierauf, sich, nachdem er einen Bericht an
Aleander erstattet hatte, sofort selbst in Luthers Herberge zu be-
geben, ihn zu besuchen und ihm in Gegenwart von Amsdorf und
Jonas und sechs Adeligen einen Vorschlag zu machen, der ganz ge-
eignet war, das gegen ihn bestehende Misstrauen ins Ungeheure zu
verstärken und ihn zum Gegenstande der gründlichsten Verachtung
zu machen. Er forderte von ihm nichts Geringeres, als dass er auf
das vom Kaiser ihm gewährte freie Geleit verzichte und sich mit ihm
Digitized by Google
- 111 -
in einen gelehrten Zweikampf unter der Bedingung einlasse, dass der
ron beiden, der nach dem Urtheile unparteiischer Richter erliege, sich
freiwillig dem Tode mit dem Schwerte oder mit dem Feuer über-
liefere. So gibt Cochlaeus in der unten näher zu besprechenden
Schrift gegen Luther und gegen Nesen selbst an. Da er unmittelbar
von Aleander sich zu Luther begeben hatte, so lag der Verdacht
nur allzunahe, dass der vorgeschlagene Vertrag eine Schlinge des
schlauen Italieners sei, um Luther zu fangen. Sclilug dieser nämlich
die Herausforderung aus, so konnte man ihn nicht ohne Schein der
Furcht und Feigheit zeihen. Nahm er sie an, so verzichtete er auf
des Reiches Schutz, und es war ohne Mühe erreicht, was der Legat
vergebens als freies Zugeständniss mit allen Künsten der Ueber-
redung dem Kaiser abzudringen versucht hatte. Luther lehnte ent-
schieden ab und die Entrüstung über Cochlaeus war unter den Zeu-
gen so gross, dass nach einem Berichte einer derselben, der Edel-
mann Vollrath von Watzdorf, den Cochlaeus erfasste, ihn zur Thüre
hinaus stiess und von weiteren Misshandlungen nur durch das Da-
zwischentreten der Uebrigen abgehalten werden konnte. Jetzt er-
goss sich der Öffentliche Spott gegen den Frankfurter Decan in
den bekannten Liedern über die „unsinnige Schnecke", die in latei-
nischen und deutschen Versen ihn auf allen Schritten verfolgten und
sich mit so unglaublicher Schnelligkeit verbreiteten, dass sie schon
früher in Nürnberg bekannt wurden, als Cochlaeus in Frankfurt ein-
traf. Das letztere geschah am Abend desselben 28. April, an wel-
chem Luther Morgens um 10 Uhr unsere Stadt verlassen hatte. Noch
einmal besuchte Nesen drei Tage später den Cochlaeus, wie dieser in
^,der erwähnten Schrift zwei Jahre später erzählt, mit erheuchelter
Freundschaft in seiner Dechanei und thcilte ihm in muthwilliger,
triumphirender Laune die Berichte mit, die er von Worms über seine
Begegnung mit Luther empfangen hatte und die begreiflicher Weise
nicht zu des Convertiten Gunsten ausgefallen waren. Cochlaeus er-
klärte sie später aus leicht verständlichen Gründen für erdichtet, hat
aber doch selbst in seiner Darstellung im Wesentlichen die Thatsache
bestätigen müssen, die ihm Luther zum Vorwurfe machte, und nur
die arglistigen Hintergedanken, die man ihm dabei Schuld gab,
zurückgewiesen. Nesen's Besuch und der Ausdruck simulata amicitia,
dessen sich Cochlaeus bedient, lässt darauf schliessen, dass dieser
auch dem jungen Poeten im Sommer 1520 nahe gestanden hatte.
Wenn er indessen diesem imd seinen Gönnern schon seit Monaten
fremd geworden sein musste, so kam es nach dem Wormser Reichs-
tage sicherlich zum offenen Bruche und seine Stellung fing an un-
Digitized by Google
haltbar zu werden. Er hat das Seinige redlich gethan, sie in den
folgenden Jahren noch völlig zu erschüttern. Der Gang der Ereig-
nisse gestattet uns indessen erst später darauf zurückzukommen.
IV. Die Ritterschaft und die Geistlichkeit*)
Im Jahre 1522 sollte Hutten noch einmal mit Frankfurt in Be-
ziehung treten, nicht wie in den Jahren 1519 und 1520 mit einzelnen
Freunden blos, sondern mit dem ganzen Rath und der Bürgerschaft.
Der frische Anhauch der reformatorischen Bewegung, der so viele in
der Zeit schlummernde Keime und Kräfte geweckt, war zum Sturme
geworden, der fessellos alle Verhältnisse erschütterte und zerstörend
an dem festen Baue mehr als tausendjähriger Traditionen rüttelte.
Viele, welche mit unverholener Freude und Hoffnung den Anbruch
eines neuen Weltalters in dem Auftreten Luthers begrüsst hatten,
zogen sich ängstlich zurück, als sie die Verwüstungen sahen, welche
stets solche Uebergänge zu bezeichnen pflegen; nur die Muthigen
schritten kühn und wagend auf der gefahrdrohenden Bahn vorwärts;
Hutten, von dem Papste bedroht und von dem ChurfÜrsten zu Mainz
verlassen, hatte sich im September 1520 auf die Ebernburg zurück-
gezogen, dio Herberge der Gerechtigkeit, wie er sie nannte, wo er
an den langen Winterabenden Franz von Sickingen Luther's Schrif-
ten vorlas und diesem den Ausruf entlockte: „Ist denn wirklich .Je-
mand so kühn alles Bestehende einzureissen? und wenn er den Muth
dazu hat, hat er auch die ausreichende Kraft?" Von hier aus erliess
er Schreiben an die Fürsten, die er für wohlgesinnt hielt, an Fried-
rich den Weisen und an den Cardinal ChurfÜrsten von Mainz und
schürte durch neue Schriften das Feuer, dessen Flammen bereits lo-
dernd aufstiegen.
Auch in Frankfurt waren die reformatorischen Sympathien all-
mälig erstarkt. Viel mag Nesen dazu beigetragen haben, der seit
April 1520 nicht blos die Söhne der Bürger in den alten Sprachen
unterrichtete, sondern auch durch seine humanistischen Vorträge, au
*) Ueber die hier geschilderten Ereignisse vergleiche man von neuern Schrif-
ten ausser Herrn Kirchenratb Keller e Geschichte Kassaus seit der Reformation,
1. Band, auch die gründlichen Arbeiten von Herrn Professor Kebe in den Denk-
schriften des Herborner theol. Seminars: zur Geschichte der evangel. Kirche iu
Nassau, insbes. 1. Abtheilung, 1863. Erstes Kapitel : der Ritter Hartmuth von Kronen-
berg, S. 4-24. In Beziehung auf die Frankfurter Vorginge war er für seine
- 113 -
denen Ftirstenberger, Haman Holzhausen und Jacob Neuhausen theil-
nahmen, den Sinn für allgemeinere und freiere Bildung weckte. Der
Humanismus wird auch hier der Reformation vorgearbeitet und die
Gemtither für sie aufgeschlossen haben. „Eine neue Welt ging da,"
wie Richard Rothe sagt,*) „vor den staunenden Blicken auf: eine
Fülle von gediegenen sittlichen Idealen, denen gegenüber die Welt
der Heiligengestalten, wie die Kirche sie in ihrer Legende ausgeboren
hatte, in ihr Nichts zurücksank; eine Fülle von reellen praktischen
Aufgaben, denen gegenüber die künstliche Ausbildung des kirchlichen
Dograa'8 sich wie müssige Grübelei ausnahm; neue reiche Hinaus-
blicke in eine bis dahin fast verschlossene Welt — auf die Natur und
die Geschichte — eröffneten sich in diesen Schriften der Griechen
und Römer." Es war eine ungemein günstige nnd fördernde Fügung,
dass der Humanist und Dichter, der in Frankfurt diese bildenden
Einflüsse vermittelte, nicht in dem ausschliesslichen Umgange mit
den Alten zu einem heidnischen Weltweisen geworden, sondern im
Geiste des Erasmus, Luther, Melanchthon und Zwingli, deren Ach-
tung und Liebe er genoss, die Vermittlung zwischen der antiken
Bildung und den christlich religiösen Gedanken, wie sie das XVI.
Jahrhundert in schöpferischer Kraft beherrschten, ernstlich anstrebte.
Der Bund des Humanismus mit der Kirche, wie er in Melanchthon's
Geistesrichtung seinen classischen Typus, seinen persönlichen Aus-
druck hatte, wurde durch Nesen in Frankfurt begründet und erhielt
gleichsam seine bekräftigende Weihe durch Luther, als dieser auf
der Reise nach und von Worms zweimal am 14. und 27. April hier
übernachtete, Nesens Schule besuchte und unvergessliche, in ihren
Wirkungen nachhaltige Stunden mit den Männern der neuen Rich-
tung, mit Haman Holzhausen, Jacob Neuhausen und den beiden Glau-
burgern in Frankfurt, wohl auch mit Fürstenberger und Blasius Holz-
hausen in Worms verlebte. Die Theilnahmo der Bürgerschaft an
diesem Ereignisse können wir nur voraussetzen, aber wir sind zu
dieser Voraussetzung durch den Fortgang der Bewegung vollkommen
berechtigt.
Vielleicht hängt es gleichfalls mit der kirchlichen Bewegung zu-
sammen, dass am 22. Februar 1622 der Rath — wie Köuigstein ver-
muthet, auf Anordnung des Vicarius in spiritualibus zu Mainz — einen
Vicar zu St. Leonhard, Heinrich Silonis, wegen eines Excesses gegen
*) Rede zur dreihundertjährigen Todesfeier Philipp Melanchthon's. Hoidelb.
1860. 8. 4.
IV. 8
Digitized by Google
- 114 -
den Schöffen Jacob Neuhaus, der ausdrücklich unter Nesen's Zuhörern
genannt wird, gefangen nehmen und in das Leinwandhaus verbringen
Hess. Wichtiger war es, dass am Sonntag Invocavit, den 9. März,
Nachmittags ein Schiller Luther's, wie ihn Königstein nennt, Hart-
mann Ibach, zu St. Catharinen predigte, die Verdienstlichkeit des
Cölibates bestritt und die Nützlichkeit der Ehe sowohl für Laien als
fiir Geistliche bewies. Der Rath will nichts davon gewusst haben,
nurHaman Holzhausen, Johann Frosch und die beiden Bürgermeister
Clas Stallburger und Blasius Holzhausen werden als die Veranlasser
und Begünstiger dieser Gastpredigt genannt Sonntag Oculi, den
23. März, betrat Hartmann Ibach abermals die Catharinenkanzel und
forderte die Gemeinde auf, keine Zinsen mehr zu entrichten, Bondern
dieselben den Armen zu geben, womit er wohl nur die Erbzinsen
gemeint haben kann, welche der Clerus von den meisten Häusern
Frankfurts empfing. Zum dritten Male predigte Hartmann Ibach am
Sonntag Judica, den 6. April, über die Anrufung der Heiligen und
wies nach, dass die Jungfrau Maria nicht allzuhoch gelobt werden
dürfe und dass dies auch nicht ihr Wille sei. Auch über die Brüder-
schaften Hess er sich vernehmen. Mit Recht hat Herr Kirchenrath
Keller in dem 1. Bande seiner Geschichte Nassau's seit der Refor-
mation S. 15 hervorgehoben, dass Ibach in seinen Predigten nur bei
einigen Aeusserlichkeiten, die das Volk vorzugsweise besprach, ver-
weilte, ohne auf die evangelischen Principien zurückzugehen, nach
welchen diese Aeusserlichkeiten zu beurtheilen seien — er trat eben
als stürmischer Eiferer gegen Bräuche auf, die auf der Oberfläche
lagen und den Massen den grössten Anstoss gaben — um so stärker
wirkten seine Predigten auf diese und riefen eine ungemeine Auf-
regung in der Bürgerschaft hervor, welche freilich durch die ün-
klughcit des Clerus noch gesteigert wurde. Schon nach der ersten
Predigt Ibach's wandte sich der Dechant zu St. Bartholomäi, Ludwig
Martorff, beschwerend an den Rath. Man sieht es den Beschlüssen,
die dieser fasste, an, dass er noch keine bestimmte Stellung zu den
Ereignissen gefunden hatte; er fürchtete, die Predigt Ibach's möchte
unter dem geineinen Volk viel Gerede verursachen und am Eude
gemeinsame Schritte des Kaisers und Papstes zum Nachtheil der
Stadt veranlassen; man möge daher mit Ibach reden, dass er von fer-
neren Predigten abstehe, und den Vorfall bei dem Dechanten zu St.
Bartholomäi und der Meisterin zu St. Catharinen, Elisabeth Siboltin,
entschuldigen; umgekehrt entschuldigte sich letztere mit ihrem ganze»
Couvent, man habe ihnen gesagt, die Predigt geschehe von Befehl
eines Ratlica (Bürgermeisterprotocoll vom Dienstag und Dunnerstag
Digitized by Google
- 115 -
nach Invocavit p. 128). Allein an demselben Tage, an welchem der
Rath diesen Beschluss fasste, am 11. März, erliessen schon der Statt-
halter und Domdechant Lorenz Truelisess von Pominersfelden mid
der Vicarius spiritualis Dietrich Zobel in Mainz, ein Schreiben an
denselben mit der Forderung, den kühnen Prediger als eine geist-
liche Person, die Aufrulir und Empörung anzurichten versuche, fest-
zunehmen und zur Verantwortung verwahrlich nach Mainz zu senden.
Dieses Schreiben veranlasste den Rath zu versöhnlichen Schritten;
er beschloss am 14 März drei Männer aus seiner Mitte, Philipp Fürsten-
berger, Stephan Grünberger und Heilinann Steinheimer, an den Dom-
dechanten und den Vicarius in spiritualibus nach Mainz abzuordnen,
um die Unschuld des Rathes in dieser Angelegenheit darzuthun. Die
Abgeordneten mussten harte Vorwürfe hören, unter anderen: „dass ein
erbar Rath ein Schulmeister haben soll, der Luthern anhange und
Luther's Bücher in teutsch transferire", wobei man Nesen im Auge
hatte, sodann dass der Amtmann in Bonames die geistlichen Prozesse
nicht mehr vollstrecke, endlich erinnerte man sie daran, dass kaiser-
liche Majestät ein Mandat gegen den Verkauf der Lutherischen Schrif-
ten habe ausgehen lassen (vergl. Protoc. vom Freitag nach Invocavit
und Dienstag nach Reminiscere fol 128 u. 129).
Die Predigt, die Ibach schon auf den Sonntag Reminiscere den
16. März angekündigt hatte, musste nun unterbleiben, allein begreif-
licher Weise wurde dadurch nicht nur das Verlangen des Volkes nach
solcher Speise höher gespannt, sondern auch sein Hass gegen die
verrautheten Urheber dieser Masregeln, den Clerus, leidenschaftlicher
gesteigert Diese Stimmung wurde durch ein Schreiben genährt, wel-
ches die Edeln Marx Lösch von Mölnheim, Georg, von Stockheim
und Emmerich von Reifenstein am 13. Marz an den Rath gerichtet
hatten und das in derselben Sitzung am 18. März verlesen wurde, an
welchem die nach Mainz verordneten Freunde über den Erfolg ihrer
Mission Bericht erstatteten. Die Junker klagen darin die Feinde
Christi, die vermeintlichen Geistlichen Frankfurts an, dass sie sich
unterstehen, dass lautere Wort Gottes, das heilige Evangelium, nieder-
zudrücken, und den werthen ersten evangelischen Prediger, Herrn
Hartmann Ibach verhindern zu predigen, auch etliche Gebotabriefe
durch oder von Geistlichen zu Mainz ausbracht. Sie bitten den Rath
er wolle als Obrigkeit die vermeintlichen Geistlichen miterrichten und
vermögen, dass sie von ihrem unchristlichen Fürnchnien abstehen und
dem christlich evangelischen Prediger Herrn Hartmann Ibachen Raum
lassen, dem frommen Volklin zu Frankfurt die Lutherisch evangelische
Lehre zu predigen und zu sagen. Sollten aber jene verstockt auf
8*
Digitized by Google
— 116 -
ihrem Fürnehmen beharren, so erkennen die Ritter sich schuldig, ge-
gen sie als allerärgste Feinde des lebendigen lauteren Gotteswortes
zu handeln. Das Schreiben war unter des ehrenfesten Hartmann
[Hartmuth] von Cronberg Insiegel Donnerstag nach Invocavit er-
lassen. Der Rath anwortete ihnen: „Unsern freundlichen Grus« zu-
vor, besunder gute Frunde. Wir haben euer Schrift, von jüngst zu-
geschickt, darin ihr unter Anderm begehrt, dass wir aus Oberkeit
unsere Geistlichen vermögen, Herrn Hartmann Ibach Platz zum Pre-
digen zu geben, ferner» Inhalts verstanden und geben euch guter
Meinung zu erkennen, dass solches in unserm Thun nicht stehet, als
ihr selbst zu ermessen habt, denn die Priesterschaft haben geistlich
Oberkeit, der in der und dergleichen Sachen Insehens zu haben ge-
büret: die mögt ihr desshalb ansuchen. Das haben wir euch im
besten nit verhalten wollen, denn euch sonst ftlglichen Willen zu be-
weisen, sind wir geneigt. Datum Freitags nach Reminiscere 1522."
Aber schon hatte der unaufhaltsame Gang der Ereignisse weiter ge-
fuhrt. (Acta, das Religion- und Kirchenwesen betr., auf dem Stadt-
archiv I, 20.)
Am Sonntag Reminißcere, 16. März, hatte Hartmuth von Cron-
berg selbst einen Brief an die Bürgerschaft gerichtet, worin er vor
den reissenden Wölfen, vor den falschen Hirten warnt, die nicht durch
die Thür eingehen, sondern als Diebe und Mörder einsteigen. „Sie
schätzen, sagt er darin, das arme Volklin wider Gott und sein heili-
ges Evangelium, sie verkaufen die heiligen Sacramente auf das aller-
thüerst; ich hab gehört, wie euer Pfarrer von wegen seines über-
schwenglichen Geizes euch eure Todten nit anders gestatten will zu
begraben, denn in seinem Nutzen; desgleichen viele Gaukeleien mit
dem Butterkaufen; auch so ein Kinderbctterin mit Tod abgeht, so
muss man den todten Leichnam eingesegnen. So sie uns lehren, dass
die Armen den reichen Pfaffen und Mönchen Almosen sollen geben,
so sie uns lehren Kirchen bauen, kostliche Bild, grosse Glocken, köst-
lich Tabernakel machen, in ihren Klostern Messe, Vigilien, Bruder-
schaften stiften und alle dergleichen unzählich Werk, die doch dem
Nächsten kein Nutz bringen und denen Gott feind ist, ihr wollt das
wissen, welcher Pfarrer oder Prediger uf solcher Meinung und Lehre
beharrt, der ist wahrhaftig ein reissender Wolf, Dieb und Mörder."
Ibach's Name ist nicht genannt, aber alles Gesagte geht darauf aus,
in dem Gegensätze des falschen und rechten Predigers die beiden
Antipoden Dr. Peter Meyer und Hartmann Ibach erkennen zu lassen.
Diesen Brief hatte Hartmuth mit einem Begleitschreiben au den
Rath gesandt und gefordert, dass er an dem Römer angesclüagen
Digitized by Google
- 117 -
werde. Der Rath Hess Cronbcrger entbieten: so er etwas mit der
Geistlichkeit habe, solle er es ihnen selbst verkündigen. Darauf schlug
ein Diener des Cronbergers den Brief am Montag nach Reminis-
cerc, den 17. März an dio Fahrpforte an. Durch alle diese Vorgänge
wurde die Aufregung unter den Bürgern gesteigert und ihrem Drängen
ist es wohl zuzuschreiben, dass am Sonntag Oculi, den 23. März,
Ibach seine zweite Predigt halten durfte. Die herrschende Aufregung
gab sich in Aufläufen kund, die am Abend von Reminiscere und
Oculi vor dem Pfarrhofe stattfanden und zur Verübung vielfachen
Muthwillens führten, so dass der Rath sich veranlasst sah, den Ur-
heber des Excesses, wie Königstein sagt, einen „Lecker", d. h. einen
Taugenichts, gefangen nehmen zu lassen. Ich vermuthe, dass der Verhaf-
tete derselbe ist, von dem die Bürgermeisterprotocolle Fol. 131 und 133
erzählen, dass er einen Caplan Peter Meyer's auf dem Pfarrhof an-
hielt und zum allgemeinen Gespötte fragte: ob er auch gut Lutherisch
sei. Es war der Bildhauer Hans Stüde. Der Rath Hess ihn schon
Donnerstag nach Reminiscere verhaften, aber acht Tage später auf
Urtreue ledig. Unterwegs sollte ihm bedeutet werden, dass er sich
künftig dieser und ähnlicher Händel enthalte. Auf solche Neckereien
mag sich wohl auch „die gross Verfolgung hin und her der Geist-
lichen" beschränkt haben, von der Königstein berichtet. Sie setzte die
Priesterschaft in solche Angst, dass sie am Abend des Sonntag Oculi
Sturm zu läuten versuchte. Der Rath Hess sie durch die Baumeister
bitten, solches in Zukunft zu lassen, denn es könne ihnen zu grossem
Nachtheil gereichen (B. Prot. 132). Der zweiten Predigt Ibach 's hatte
nnter Andern der Pfarrherr Peter Meyer selbst beigewohnt und fuhr
gleich den folgenden Tag mit dem Decan seiner Kirche Friedrich
Martorff nach Mainz, um ein neues Einschreiten deB erzbischöflichen
Ordinariats zu erwirken. Don wachsamen Augen der Bürgerschaft
entging ihre Abreise nicht und es entstand, wie Königstein sagt, ein
Murmurn unter dem Volke. Die dritte Predigt hielt Ibach am Sonn-
tag Judica, den 6. April. Wie gross die Bewegung in der Bürger-
schaft gewesen sein muss, bezeugen mehrere Vorgänge: Hamman
Holzhausen musste sich vorher den Jungfrauen von St. Catharinen
verbürgen, für jeden Schaden einzutreten, der dem Kloster daraus
erwachsen könne; nach der Predigt entstand wieder ein Auflauf
und die Spannung der Gemüther machte sich in tumultuarischen
Worten Luft. Unter diesen Umständen hielt es der Rath für das
Klügste, den Hartmann Ibach zur freiwilligen Abreise zu bestimmen.
Dieser ergriff, wohl auch auf seine eigene Sicherheit bedacht, den
Wanderstab und zog seiner Wege. Er wurde bald darauf auf Nico-
Digitized by Google
118 -
Inns Amsdorf« Empfehlung Prediger in dem von Minkwitz'schen
Städtchen Sonnenwalde in der Niedcrlausitz und später (1529) zu Mar-
burg. In dem Sacra mentstreite wandte er »ich dem Zwingli'schen
Standpunkte zu.
Aber der Sturm, den er in Frankfurt heraufbeschworen hatte,
legte sich nicht so bald, sondern hielt bis in den Hochsommer die
Stadt in fortdauernder Erregung. Im August des abgelaufenen Jah-
res 1521 hatte Hutten nämlich die Ebernburg verlassen, weil sein
ritterlicher Freund und Schützer dem Waffenrufe des Kaisers mit
2000 Heitern und 15(XK) Lanzknechten nach Frankreich gefolgt war.
Er hielt sich' an einem verborgnen Orte, wahrscheinlich auf der Burg
Dirmstein bei Kaiserslautem*), auf. Hier war zu ihm ein aus dem
Carthäuscrkloster zu Mainz entsprungener Mönch, Otto Bnmfels, ge-
flüchtet, den er an seiner stillen Einsamkeit Theil nehmen Hess.**)
Dieser, der Sohn eines in Mainz ansässig gewordenen Benders aus
dem Städtchen Braunfels, hatte gegen den Willen seines Vaters den
Klosterstand erwählt, aber nach mehreren Jahren, die er im Orden
verbracht, hatte er sich seines Standes entäussert und war glücklich
den Nachstellungen seiner Feinde entgangen. Da zu Anfang des
.Jahres 1522 Huttens Vater starb und der Sohn hoffen durfte, nebst
seinen Brüdern die Belehnung über seine väterliche Burg als Gan
erbe zu empfangen, so übertrug er die Pfarrei Steinheim (oder
Steinau) an der Strassen, in der Nähe von Steckelberg, seinem Schütz-
ling, der hier die neue Lehre predigen sollte. Wahrscheinlich hatte
dieser auf der Reise dorthin mehrere Tage in Frankfurt geweilt und
war hier nicht Mos mit Ibach, sondern auch initNesen und dem gan-
zen reformatorischen Kreise bekannt geworden. Durch freie Aeusse-
rungen im Ilutten'schen Geiste mag er den besonderen Zorn des
Stadtpfarrers Meyer auf sich gelenkt, mit Ibach von diesem oder
einem seiner Parteigenossen in Mainz denuncirt und von dort aus be-
droht worden sein.
Beides veranlasste Hutten zum kräftigen Einsehreiten. Von Schloss
Wartenberg, welches keineswegs, wie Fichard (Archiv n, 124) meinte,
eine pseudonyme Bezeichnung von Steckelberg ist, sondern eine
Sicking'sche Burg in der rheinischen Pfalz war, drei Stunden von
Kaiserslautern und Dirmstein entfernt (Böcking a. a. O. II, 88 Anm.),
crliesa er am 31. März und am 1. April 1522, also wenige Tage vor
*) Böcking's Anmerkung II, p. 81.
**) Hatten'« Brief ao Bacer vom 4. September bei Böcking II, 82.
Digitized by Google
- 119 -
der letzten Predigt Hartmann Ibach's, drei Schreiben, das erste an
seinen Freund Philipp Fürstenberger, das zweite an Peter Meyer, das
dritte an den Rath zu Frankfurt.
Das erste (Böcking II, 114) lautet in deutscher Uebersetzung
folgendermaassen :
Ritter Ulrich von Hutten grüsst den Rathsfreund Philipp Fürsten-
berger. Ich habe einen Brief an den Rath gesandt und es wird nun
an dir liegen, die Einzelnen zu bearbeiten und dahin zu wirken, dass
keiner mein »Schreiben ungünstig aufnehme. Dann mahne sie die
Freiheit zu ergreifen, zu der ihnen, wie du siehest, das Fenster weit
geöffnet ist, da viele Edele uns gleich gesinnet sind, insbesondere je-
ner Hartmann [von Cronberg], der allein gleich einem grossen Heere
sein wird. Richtet ihr nur eure Herzen auf und lasset sie nicht durch
einen oder den andern Gebotsbrief gleich einschüchtern. Die ehe-
mals viel vormochten (die Fürsten], sind jetzt olmmächtig, weil der
Adel allmählig von ihnen abtritt Ich kann euch von nicht geringem
Nutzen, namentlich in dieser Sache, werden, indem ich euch unter
den Adeligen Freunde verschaffe, wenn, was nahe bevorsteht, ge-
schehen wird, dass ich mit meinen jüngeren Brüdern in den Besitz
der Burg Steckelberg gelangen werde; denn mein Vater Hutten ist
jüngst verschieden. Es scheint aber Einigen der Ort nicht ungeeig-
net, um von ihm aus die Feinde des Kreuzes Christi zu bekämpfen,
denn er liegt in dichten Waldungen und Bergen, die einem Heere
nicht leicht zugänglich sind. Du wirst daher der Stadt in allen Stücken
meinen Beistand versprechen. Wenn ich dort wohne, so werdet ihr
einen nützlichen Nachbar haben und ich hoffe mich wiederum der
Euren zu bedienen. Unterdessen lasse nichts unversucht, was die
Austreibung Peter Meyer's fördern kann. Was duldet ihr länger
einen durchaus aufrührerischen Menschen, geboren um Tumulte und
Unruhen zu erregen? Ursachen habt ihr genug: schreibt dem Mainzer
und seinen Domherrn, ihr müsstet verhüten, dass euer Gemeinwesen
keinen Schaden leide, da jener vor Alien nicht ruhe, sondern uner-
müdlich neue Unbilden auf die alten häufe und es dahin gebracht
habe, dass schon einige Edele euch mit Fehde drohen, wenn ihr
länger diese Pest in euern Mauern heget ; bittet sie, dass sie auf euch
Rücksicht nehmen und nicht durch eines Menschen Treiben euere
ganze Stadt der Gefahr aussetzen. Durch solches Schreiben werdet
ihr euch auch bei dem Kaiser entschuldigen und später selbst Ruhe
haben, wenn wir wissen, wohin jener Vogel, aus diesem Neste ver-
trieben, flüchten wird. Gieb dir nur Mühe! Die verbrecherischen
Curtisanen wollen mit Geld meinen Tod erkaufen: einer unter ihnen
Digitized by Google
verspricht von seinem Vermögen 1000 Goldgulden zu geben, wenn
mich Jemand auf welche Weise auch immer mordet, doch werden
sie nicht zu Wege bringen, dass ich auch nur um ein Haarbreit von
meiner vorgezeichneten Hahn weiche. Der Mainzer Kirche habe ich
einen vorwurfsvollen, aber doch freundschaftlichen Brief geschrieben,
aber anders schreibe ich den Carthausen!, die, denke ich, mir büssen
sollen, wenn sie nicht etwa die Thatsache leugnen können. Abschrif-
ten der Briefe habe ich an Otto [Brunfels] gesandt. Lobe wohl und
mehre unsern Anhang. Von Wartenburg am 31. März 1522.
Der Brief Hutteu's an die Mainzer Kirche ist verloren, dagegen
sind noch einige an die Garthauser zu Strassburg erhalten. Diese
hatten ihn beschuldigt, er habe mit zwölf Reisigen zwei ihrer Mönche
aus dem Kloster entfuhrt. Obgleich er die Thatsache in Abredo ge-
stellt, hatten sie sich eine Anzahl seiner gestochenen Bilder verschafft
und sie zum unsaubersten Gebrauch im Kloster, der sich nicht näher
bezeichnen lässt, verwandt. Auch Bchrieen sie ihn in diffamirenden
Reden als einen Ketzer aus. Hutten verlangte von ihnen Genug-
tuung, und durch die Vermittlung des Strassburger Rathes wurde
eine gütliche Verhandlung eingeleitet, in Folge deren der Prior und
der Convent der Garthauser zu Strassburg ihm eine Ehrenerklärung
ausstellten und ihn demUthig um Verzeihung baten (Böcking II, 83 ff.)
Für die angethane Schmach inusstcn sie überdies eine Entschädigung
von 2000 rheinischen Gulden an den Beleidigten zahlen — auch nach
unserem Geldwerthe ein theuerer Spass. Da indessen dieser Handel
bereits in die Monate October und November des Jahres 1621 fallt, so
bezweifle ich, dass man mit Böcking (n, 115, Anm.) die Worte sei-
nes Briefes vom 31. März 1522: aliter carthusianis scribo, auf diese
schon vor vier Monaten zum Austrag gekommene Sache und nicht
vielmehr auf eine verloren gegangene oder auch vielleicht nur beab-
sichtigte Gorrespondenz mit den Mainzer Garthäusern zu beziehen
hat, die er oline Zweifel als die moralischen Miturheber des gegen
Otto Brunfels von Seiten des Mainzer Glems versuchten Attentates
betrachtete, und gewiss nicht ohne Grund, da derselbe aus ihrem
Kloster geflohen war. Jedenfalls lassen die Worte: Exempla epiato-
larum ad Othoncm dedi, darauf schliessen, dass Brunfels nach diesem
Attentate, von welchem wir später Näheres hören werden, seine Pfar-
rei Steinheim verlassen und in den Mauern der Reichsstadt bei Neten
Aufnahme und Schutz gesucht habe. Diese vorläufige Vennuthung
wird sich uns im Folgenden bestätigen.
Der Strassburger Vorgang war nur ein Vorspiel zu dem Frank-
furter. Der Brief Hutteu's an Filrstenberger ist ein merkwürdiges
Digitized by Google
— 121 —
Docuraent uud zeigt, welche abentheuerliche, hochfliegende Entwürfe
das unruhige Leben des fränkischen Ritters ausgeboren hatte. Vor
kaum 30 Jahren waren die Uutten'schen noch eine Plage der Stadt
Frankfurt gewesen und oft hatte der Klang des „Gcmperliu's" in
schreckenvoller Weise den friedlichen Bürgern ihren räuberischen
Anzug und Einfall verkündet. Die neue Wendung, welche die Re-
formation in die deutschen Verhältnisse brachte, hatte die Stellung dieser
Ritter zu Frankfurt gründlich verändert Zur Durchfuhrung und
Wahrung der höchsten Interessen bietet der flüchtige Ulrich aus sei-
nem Verstecke seinem Freunde Fürstenberger nicht bloss seine Bundes-
genossenschaft und seine alte Burg Steckelberg, deren Besitz noch
überdies für ihn in der Zukunft lag, als Vorwerk der bürgerlichen
Freiheit der Reichsstadt an, er verspricht auch eine Einigung zwi-
schen den Reichsbürgern und dem benachbarten Adel, ihren alten
Feinden, zu Stande zu bringen. Es ist nicht zu bezweifeln, dass er
mit diesen Verabredungen getroffen und dass die Einmischung des
edeln Marx Lösch von Mölnheim, Georgs von Stockheim, Emmerichs
von Reiffenstein*), sowie HartmuthB von Cronberg in die Ibach'sche
Angelegenheit eine Frucht dieser Verabredungen gewesen ist. Jetzt
folgte die Einmischung Hutten's auf dem Fusse nach, die freilich,
wenn man sie mit kühlerem Blute ab der leidenschaftliche Ritter be-
trachtet, den auf seine Selbständigkeit eifersüchtigen Rath viel mehr
zur Vorsicht und Zurückhaltung stimmen musste, als zur Einigung
mit dem unruhigen Adel einladen konnte. Von Fürstenberger erwartet
und fordert Hutten, dass er die Väter der Stadt für seine Entwürfe
bearbeiten und gewinnen werde.
Gleichzeitig ging ein Schreiben vom 1. April an Bürgermeister
und Rath selbst ab (Böcking II, 117): „Mein freundlichen Gruss und,
was ich liebs und guts vermag, zuvor, Ehrbaren, Fürsichtigen und
Weisen, günstigen, lieben Freunde. Von meinen kindlichen Tagen auf
und besonders, seit ich durch Uebung Glücks und Unglücks etzlicher
Massen zur Erfahrung weltlicher Sachen kommen, bin ich, wie meu-
niglich wissen, auch aus meinen Büchern und Geschritten, die öffent-
lich gelesen werden, erscheinet, allwegcn der Meinung gewest, und
soviel mir möglich ist, hab ich angehalten, dass Irrung[en], so etwa
viel Jahr her zwischen etzlichen des heiligen Reichs Städten und etz-
lichen vom gemeinen Adel geübt [worden], ufgehoben und die zween
Orden, an denen die mehrere Macht deutscher Nation gelegen, unter
*) Die Acten and Protooolle haben constant die Form Riffensteyn.
Digitized by Google
- 122 -
einander zur Vereinigung und Freundschaft kämen, derfaalben achte
ich mit dieser Zeit, da ich aus nothhaftigen Ursachen bezwnn^eo
werde, euch, aLs ohnedies meinen besondere guten Freunden und zu
deuen ich mich alles Guten versehe, mein Anliegen zu klagen, nit
vonnöthen sonderlicher Ömred und Praefation zu brauchen, darinnen
ich mich euch entschuldige, dass solches guter Meinung von mir be-
sehene. Ich hoffe, ihr wisset mein Gemtith und Hera gegen euch."
„Und ist dies die Sache: Doctor Peter Meyer, zu St. Bartholo
mes, bei euch Pfarrherr und Prediger, hat ein lange Zeit, ungefähr-
lich zehn Jahr her (ich geschweige, was er indem wider meine gute
Gönner und Frunde, zuvor an dem frommen und hochgelahrten Doc-
tor Johannsen Reuchlin ohn alle Ursach und Verschuldung, aus nn-
christlichem Hass tyrannischer Weise geredet und gehandelt;, auch
gegen meine Person, der er doch wohl müssig gegangen wäre, ein
giftig natterisch und überaus grimmigst Gemttth und Meinung ge-
tragen*, als denn oft in seinen hinter mir gehabten Reden bei red-
lichen Leuten vieler Stände klärlichen von ihm gehört, auch etwan
durch ihn selbst mit nnsern Augen entdeckt ist Wiewohl nun eim
jeden Menschen, ja auch unvernünftigen Gethier, wie wir denn an
den mindesten [kleinsten] sehen, sein Injurien weh thut, und in uteini
Vermögen wohl gewest war, mich billiger Weis an ihm zu rächen, so
hab ich doch, aber nit ohn Schmerzen, dasselbig also bei mir ver-
drückt und mich weiterer Förderung, die ich in allen Rechten an
ihn, Doctor Petern, gehabt, als ich ihm auch [durch] seinen an mich Ge-
sandten zu Frankfurt auf dem Churtag zuentboteu habe, bis auf die-
sen Tag enthalten, und wäre vielleicht, was er also gegen mich ge-
übt, durch mich in ewige Nachlassung meiner Person halben gestellt
worden, wo er nit itzo vor wenig Tagen die Wunden, so sich in mei-
nem Herzen zur Heilung gestellt und schon mit einem Rumf über-
zogen warfen], wiederum ufgerissen und erneuert hätte, indem er den
frommen christlichen und wohlgelartcn Priester, Herrn Othen Brun
fels, meinen Diener, als dcrselbig zu Steinheim aus Pflichten und von
Amts wegen das heilig Evangelium und unwiderruflich Wort Gottes
gepredigt, durch erdichte, falsche, lügenhafte Angebung bei dem
Fürsten der Priester und Schriftweisen zu Mainz in Hass und Gram-
schaft [gejbracht, dermassen, dass dem frommen, unschuldigen Men-
schen durch solche Besagungen nach seinem Leib und Leben ge-
trachtet und gestellt worden ist, wie ihr denn selbst besser, denn ich
euch schreiben mag, wisset, dass, wo er nit von guten F runden ge-
warnt worden, [er] gebunden und eingeschmiedet in grausam Ge-
fängnis« oder vielleicht den Tod geführt [worden] war. Wann ich
Digitized by Google
- 123 -
nun sehe, dass bei ihm, Doctor Petern, keine seiner bösen Stuck und
Fürnehmens gegen mich und die Meinen Nachlassung ist, er auch
sein empfangene Gift, so ihm ohne Zweifel der Feind menschlichen
Gesclilechts gegen uns eingegossen hat, von Tag zu Tag schärfe
und all seine neue Handlung die älteren in Bosheit übertrifft, aber
ich mir allwegcn gewandelt zu haben bewusst bin, daas ich billig von
ihm unverhasst und [un]beneidet sollte geblieben sein, so werde ich nach
langwieriger und, ich schätze, überflüssiger Geduld mich in Gegen-
wehr wieder ihn zu setzen genothdrängt, und ist derhalben an euch,
als meine insonder gute Frund und Gönner, mein ernstlich, gütlich
und fleheliche Bitt, ihr wollet euch genanntes Docter Peters, um seine
gegen mich und Andere ohne Ursach begangene Misshandlung, auch
angeschen, dass er etwa in euere Stadt durch sein ufrührige, un-
christliche, giftige Predigt viel Gezänk und Zwietracht erweckt, die
dann, wo uit durch weise Leut vorkommen [worden wäre], zu grosser
Ufruhr und vielleicht Verderbniss der Stadt gereicht hätten, auch
dass er nie an keinem Ende, von Ort zu Ort, da er gewandelt, zu
rechnen, gewest, an dem er friedlich und sonder Erweckung bürger-
licher und innerer Tumult und Ufruhr blieben, [ihr wollt euch seiner]
gänzlich entschlagen, ihn als einen eingelassenen Wolf unter die
Schafe, als einheimisch Gift und verletzliche Pestilenz aus eurer Stadt,
die länger in seinem Beiwesen ohne Schaden nit sein mag, thun und
absondern, denn ihr könnt denken, dass mir Leid geschehen würde
von einem Jeden, der furder mehr mit diesem des Teufels Apostel
Theil oder geraein hätte. Wiewohl ich dann euch zu aller Lieb und
Frundschaft geneigt etwas hierin zu gut halten möchte, so ist doch
euer selbst halben zu betrachten, dass ob ich ruhig stund, vielleicht
Jemand anders von meinetwegen Doctor Petern, wo er also bei euch
bliebe, mit euemi Schaden oder Nachtheil, (das doch Gott verhüte)
zusetzen möchte. Das hab ich euch freundlicher guter Meinung nit
verhalten wollen. Euch Lieb, Freundschaft und Dienst zu beweisen,
bin ich von Herzen willig. Datum, Wartenburg, Dienstag nach Lä-
tare im Jahr nach Christi Geburt XXII. Ulrich von Hutten zum
Steckelberg."
Ein dritter kürzerer Brief vom 1. April 1522 war an Peter Meyer
selbst gerichtet (Böcking ü, 116):
„Doctor Peter, wisse, dass nachdem kein Aufhörens an dir ist,
mir und meinen guten Freunden und Gönnern Widerwärtigkeit zu
erzeigen, sondern du deinen unchristlichen Hass und das teuflische
Gift, so du wider uns in deinem Gemüth empfangen, täglich je mehr
schärfst und anders nit, denn wie ein leidiger Scorpion stets und ohn
Digitized by Google
124 -
Unterlass «um Stich bereit ist, wie du denn jctzo an dem frommen
christlichen und wohlgelehrton Herrn Othen Brunfelß und Herr Hart-
mann Ibach, zweien evangelischen Predigern, indem du sie verräther-
lich in Fahr und Noth bracht, scheinbarlich zu erkennen host ge-
geben, so soltu wissen, das» ich hin für mit allem meinem Vermögen,
durch mich selbs und alle, die ich zu meiner Hülf bringen mag, in
alle Weg und Gestalt mir muglich sein wird, nach deinem Leib und
Gut trachten will, und soll dies meine endlich Verwarnung gegen
dich sein, da hast du dich nach zu richten. Gegeben zu Wartenberg
unter meinem Tnsiegel, Dienstag nach Lätare anno XXU."
Unter diesem Briefe steht noch die Bemerkung: „Diese Ding
hot ein geistlicher Mann hie in dieser Stadt angericht, soll ihn uff
sein Zeit gereuen, darum ehrsamen, weisen Herrn, ich [erjbiete mich
zu Recht und kann Recht erleiden bei allen Leuten, denn mir ge-
schieht Gewalt und Unrecht" Sie ist, wie Böcking (a. a. O.) richtig
gesehen hat, nicht von Hutten, sondern von Peter Meyer selbst zu-
gefugt, der ohne Zweifel den an ihn gerichteten Brief mit dieser Be-
theurung seiner Unschuld dem Ratlie communicirt hat „Der geist-
liche Mann" [d. h. der Mönch] „der diese Dinge hie in dieser Stadt
angericht," kann nur Otto Brunfels sein, in Mcyer's Augen der Ur-
heber alles über ihn hereinbrechenden Unheilos.
Der Rath stellte am Donnerstag nach Judica den empfangenen
Brief Hutten's Peter Meyer zu und forderte seine Verantwortung.
Diese erfolgte am 10. April in folgender Fassung (Böcking 11,
119): „Meyn williger Dienst sei E. ftlrsichtigen Weisheit allezeit
zuvor bereit, ehrsamen und weisen Herrn. Nachdem euch schreibt
Herr Ulrich von Hutten, hab ich überlesen und antwort also: ich
weiss nicht mit Herrn Ulrich von Hutten zu schicken oder zu schaf-
fen; bin ihm auch weder mit Worten noch Werken nie wider ge-
wesen, auch allen seinen Frundcn und Dienern, und wo ich wüsste,
ihm beizustehen, witr ich gewillt, Dienst und Willen zu beweisen ;
dass er aber anzeigt, Herrn Othen von Brunfels, seinen Diener, soll
ich in Fährlichkeit bracht haben, ist mir nit bewusst; ich kenn auch
Herrn Othen nit, ich weiss auch nit, wer er ist; ich kann weder bö-
ses noch gutes von ihm sagen; Herr Ulrich von Hutten zeige den,
der solches von mir sagt, will mich also entschuldigen, dass Herr Ul-
rich von Hutten soll erkennen, das man mir Unrecht thut; es mocht
einer noch mehr sagen, man glaubt ihm da doch, was man will; do-
mit mein willigen Dienst Dat. auf Donnerstag nach Judica, anno
XXU. E. W. williger Petrus Meyer, Pfarherr.
Den folgenden Montag, am 14 April, Ubersandte der Rath an
Digitized by Google
— 125
Ulrich von Hutten eine Copie des Verantwortungsschreibens Meyer's
mit folgender Eröffnung (Böcking II, 120):
„Unser freundlichen Gruss zuvor, besunder gut Freund; wir ha-
ben euer Schrift, uns jüngst, den Herrn Petern Meyer Doctor etc.
untern Pferner bcrürend, zugeschickt, wie [ihres] Inhalts verstanden,
demselben Doctor Petern die fürhalten und mit ihm davon reden
lassen, der ist uns laut eingeschlossener Copien mit Antwort begeg-
net. Dieweil nun es nit in unserm Vermögen ist den Pferner zu
setzen oder zu entsetzen, so bitten wir euch freundliches Fleysses,
ihr wollet gegen uns und die Unsern nichts unguts fUrnehmen lassen.
Denn wo ihr etwas zu ihm zu sprechen hättet, möget ihr sin Obir-
keit ansuchen: die werden euch ungezwiffelt mit gebührlicher Ant-
wort begegnen, das haben wir euch nit verhalten, denn euch mit
Fugen sonst Willen zu beweisen, sind wir geneigt. Dat Montags
nach dem heiligen Palmtag anno XXII.
Allein schon am folgenden Tage, Dienstag nach Palmarum, den
15. April,*) noch ehe des Käthes Antwort in des Ritters Hände ge-
langt sein konnte, erfolgte in Frankfurt für den Clerus ein neuer
Schreckschuss : Ulrich von Hutten Hess nämlich zwei Briefe an das
Thor der Liebfrauenkirche anschlagen: in einem sagte er den Pre-
digermönchen, in dem andern den Curtisanen, d. h. den nach Pfrün-
den gierigen Anhängern der römischen Curie, ab und rief alle Kriegs-
leute auf, ihm beizustehen: wo sich die Genannten der Ansprach
halben nit mit ihm vertragen wollten, sollten sie dieselben angreifen
an Leib und Gut sammt ihren Verwandten, in deutschen und wel-
schen Landen. Ob unter den Curtisanen ausser an Meyer vielleicht
auch an Cochlaeus gedacht war, der Hutten als Apostat erscheinen
musste, steht dahin, doch macht es der Umstand nicht unwahrschein-
lich, dass die Fehdebriefe gerade an das Thor seiner Kirche — wie
Köiiigstein sagt — geleimt wurden. Jedenfalls waren Ulrich 's Fehde-
briefe schon in den Händen seiner Frankfurter Freunde gewesen,
und dass sie am Tage nach dem Rathsschlusse, noch ehe dieser in
seine Hände gekommen sein konnte, angeschlagen wurden, deutet
auf einen wohlüberlegten Plan und auf eiuen bestimmten Zusammen-
hang mit dem Meyer'schen Streite.
*) So gibt Königstein in seinem eigenbändigen Manuscripte das Datum an ;
bei der unbedingten Glaubwürdigkeit, die ibin als Zeitgenossen, der täglich die
Begebenheiten aufzeichnete, gebührt, muss Ritter's Angabe, die wohl aus den Uffen-
bachisebon Handschriften geflossen ist und der auch Strauss und Böcking gefolgt
sind, — sie lautet auf den 11. April — corrigirt werden.
Digitized by Google
- 126 -
Nach diesen offenen Absagebriefen Btellte Hutten seine Corre-
spondenz über Meyer nicht ein. Arn 9. Mai erliess er von Warten-
burg sein Antwortschreiben an Bürgermeister und Rath und forderte
wiederum, dass dieselben seinem Gegner den Schutz der Stadt auf-
sagten und ihn seiner und seiner Helfer Rache preissgäben.
Er schrieb (Böcküig H, 120): „Mein freundlichen Dienst zuvor.
Ersamen, Fürsichtigen uud Weisen, besondern guten Freunde! Euer
Schrift, mir antwortsweise auf mein Zuschreiben, Doctor Petern,
euern Pfarrherrn betreffend, gethan, hab ich verlesen und nimm euer
Eutschuldiguug, dass ihr den Pfarrherr weder zu setzen, noch zu ent-
setzen habt, an, doch also, dass ihr ihn auch wider mich und die
Meinen und meine Helfer nit schützet oder schirmet; und wo er ei-
nige Vertröstung uf euern Schutz und Schirm hätte, ihm denselbigen
aufsaget und ihn sein Abentheuer gegen uns bestehen lasset, denn
ihr ermessen könnt, wo er sich eures Schirmes getrösten wurde, dass
ich verursacht [wäre] auch mein Bestes zu bedenken. Versehe mich,
ihr habt nit Ursach mich oder Jemand genannte Pfarrherrs halben,
besonders so er unter andere Oberkeit gehört und sich in eurer Stadt
aufrührig hält, zu begeben" [d. h. zu verlassen, zu benachtheiligen].
„Will mich hierin kein» Abschlagens zu euch verschen, doch begehre
ich des bei diesem meinem Boten ein beschriebene Autwort. Euch
Lieb und Freundschaft zu erzeigen bin ich von Herzen geneigt. Da-
tum Wartenberg, Freitag nach Misericordias Domini anno XXH.
Ulrich Hutten zum Stcckelberg."
Auch diesen Brief sandte der Rath dem Bedrohten zur Verant-
wortung zu. Aber noch ehe dieselbe einlief, entspann sich ein neuer
Kampf. Am Montag, 12. Mai, Hessen die umwohnenden Ritter einen
offnen Brief an die Fahrpforte anschlagen und eine Abschrift den
Herrn zu St Bartholomaei überantworten. Derselbe betraf sämnit-
liche Pfaffen und Mönche und erregte keine geringe Bewegung in
den Stiftern und Klöstern. Um indessen den Zusammenhang der Er-
zählung nicht zu unterbrechen, behalten wir uns vor, auf diese neue
Fehde unten zurückzukommen.
Meyer antwortete dem Rathe (Böckiug H, 121): „Ersamen, Wei-
sen, günstigen, lieben Herrn. Ich hätte verhofft, Herr Ulrich vou
Hutten, angeschen, dass mir ungutlich geschieht, sollt mit meiner
Antwort, erst gethan, gesättigt sein gewesen, so es aber nit seiu will,
so rauss ich die Sach thun, als sich gebttrt, und gieb euern fursieh-
tigen Weisheiten nach Antwort, wie vor, dass man mich nit mit
Wahrheit Herrn Ulrich von Hutten augeben hat, sollt auch billig
mir mein Leib und Gut uuerkamiter Sach nicht abschreiben, das be-
Digitized by Google
- 127 -
fehl ich Gott und dem Rechte; Ulrich von Hutten und den Seinen
guten Willen zu beweisen, bin ich allzeit geneigt. Es ist auch Herr
Otto von Braunfels in vergangen Tagen zu mir kommen, mich ge-
beten, ich soll reden mit dem Vicario zu Mainz, dass er wiederum
uff seinPfarr mag ziehen gen Steinern; so wolle er mit seinem Herren
reden, dass er mich zu Frieden lass, hab uff solche Worte meinem
Herrn dem Vicario geschrieben und mit seinen Gnaden lassen reden;
giebt sein Gnad Antwort, seiner Person halber hab [es] kein Noth,'
doch zu mehr Sicherheit, soll ich die Sache an [den] Domdechant
lassen [ge]langcu; [er] ist zu dieser Zeit nit vorhanden, sondern ich
will uff['s] schierste mit sein Gnaden handeln und das will ich thun
aus gutem Willen, angesehen, dass er [Otto] gelehrt ist. Dann ich
hab Herrn Otten nit angeben bei [dem] Domdechant; soll mir sein
Gnad Gezeugniss geben, und der mich Herr[n] Ulrich von Hutten
hat angeben, der weiss, dass Andere sein, die über Herrn Otten ge-
klaget haben, darum so gesclüeht mir Unrecht und will mich zu mei-
nen Herrn versehen, so viel an ihnen sein werde, mich vor Gewalt
vertheidigen. Recht kann ich leiden vor mein ordentlichem Richter
oder seiner Gnaden Statthalter, wo aber Herr Ulrich von Hutten das
Recht nit geliebt, so erbiet' ich mich zu einer gütlichen Verhörung
vor ein ehrbar Rath zu Frankfurt, meinem Herrn, dem Comcnthur im
Deutschen Haus, [dem] Schultheissen oder Hauptmann zu Frankfurt,
sämmtlichen oder einem itzlichen besonderlich, verhoffe auch nicht,
das ich bei euch lebe uffrührlich, sondern ich wollt gern Einigkeit
machen, wo ich könnte ; hoff hierumb nit, dass ich also bei euch ge-
lebt hab, dass mich Jemand vertreiben solle, so ich Recht, GutigkeH
und Billigkeit vor Gott und aller Welt leiden kann. Damit willigen
Dienst meinen günstigen Heren zu beweisen, bin ich allezeit geueiget.
Datum uff Donnerstag nach Jubilaten im XXII. Jahr. Petrus Mayer,
der heiligen Schrift Doctor und Pfarrer."
Der Rath bcschloss am 22. Mai auf diese Verantwortung Peter
Meyers, „Ulrich von Hutten von des Pferners wegen Antwort zu
geben zum andern mal." Sie erging in folgender Fassung [Böcking
II, 122]: „Unscrn freundliclien Gruss zuvor, besunder gutFrunt Wir
haben euer Widerschrift, uns uff unser gethan Antwort unsere Pfer-
ners halber zugeschickt, alles Inhalts verstanden, demselben die für-
halten und mit irue davon reden lassen, der ist uns laut eingeschlosse-
ner Copieu mit Antwort begegnet und zweifeln wir nit, ihr habt un-
ser Autwort guter Maass vermerkt; dass wir aber einigen Gewalt
gegen Jemauds in unser Stadt oder Gebieten gestatten sollen, köimt
ihr bei euch selbst ermessen, dass uns solches nit gebuereu will.
Digitized by Google
— 128 -
Bitten darum wir euch freundtichs Fleisses, ihr wollet in dieser unser
Antwort nit Missfallens haben, das verdienen wir gern. Datum auf
Donnerstag nach Cantate anno XXII."
Damit endigen die Acten des Streites zwischen Ulrich v. Hutten
und Doctor Peter Meyer. Aber die Fehde selbst war noch nicht zu
Ende, ein Verbündeter Hutten's trat ein und warf von Neuem dem
bedrängten Stadtpfarrer den Handschuh hin. Unter den benachbarten
"Rittern ragte durch seine herzliche und aufrichtige Frömmigkeit vor
den andern der uns schon bekannte Hartmuth von Cronberg hervor,
der Freund Franzen von Sickingen, ein Mann, von dem Ranke
(deutsche Gesch. im Zeitalter der Ref. U, 106) urtheilt, „man könne
ihn ab den ersten im Style einer spätem Zeit frommen, vollkommen
überzeugten Lutheraner betrachten". Eine Reihe seiner religiösen Zu-
schriften gehört dem Jahre 1522 an; sie athmen sämmtlich den fri-
schen, ursprünglichen, durch theologische Streitigkeiten noch nicht
verbitterten Geist der ersten Reformation, die kindlich reine Freude
an dem aus trüben Nebeln siegend emporgestiegenen Licht des laute-
ren, einfältigen Gottesworts. „Lieben Brüder, schreibt er an die vier
Bettelorden, die Lehre, so Doctor Luther geprediget, ist nicht seine
Lehre, sondern ist geflossen aus dem Bronnen Christi Jesu. Welcher
Mensch dieser himmlischen Lehre folget, der folget nicht Dr. Luther'n,
sondern Christo. Wir glauben Dr. Luther nicht weiter, denn soviel
wir im heiligen Evangelio gegründet finden (Walch, Luther s Werke
XV, 1956). In demselben Sinne schreibt er an den Kaiser Karl und
an Papst Leo X., insbesondere aber an seine Bürger und Unterthanen
zu Cronberg, donen er die Annahme des Evangeliums, wie ein Vater
seinen Kindern, empfiehlt (Ebend. 1959 und 1967).
In einem Brief an ihn schildert Luther im März 1622 den Ein-
druck, den er aus seinen Schriften empfangen : „Ich hab euer Schrif-
ten zwo, eine an kaiserliche Majestät, die ander an die Bettelorden
gethan, mit grosser Freude gelesen. . . . Dann man spüret wohl, dasa
euer Wort aus Herzens Grund und Brunst quellen und beweisen, dasa
nicht, wie in vielen, das Wort Christi allein uff der Zungen und den
Ohren schwebe, sondern ernstlich und gründlich im Herzen wohne."
„Sehet," so ruft er am Schlüsse, „wie bin ich auslaufen und über-
flössen mit Worten. Das macht der Glaub Christi, der sich also er-
schwenkt hat in Freuden über euerm Glauben und freudigem Be-
kenntniss. Johannes muss also springen im Mutterleib, wenn Christus
zu ihm kommt Wie ihr denn sehet, dass er durch euer Schrift zu
mir kommen ist. Wollt Gott, er kam auch also zu euch durch diese
meine Schrift, und machte, dass nicht allein euer Johannes, sondern
Digitized by Google
- 129 -
auch Elisabeth und das ganz Haus fröhlich und voll Geistes wurde,
und blieb nicht allein drei Monat, sondern ewiglich. Das geh Gott
der Vater aller Barmherzigkeit" (De Wette Luther's Briefe IT, 162.
169)! Wiederum Hartmuth Montag nach Palmsonntag 1522 an Luther:
„Demnach so halte und achte ich euch für einen meiner allerliebsten
Bruder; denn ihr habt die wahrhaftige brüderliche Liebe, darinnen
aller Gebote Erfüllung steht, mit den Werken gegen Alle und son-
derlich gegen deutsche Nation höchlich bewiesen und habt damit
sonder Zweifel vollbracht den Willen des himmlischen Vaters, dessel-
bigen ihr euch billig erfreuet. Darum sollt ihr wissen, dass ich mich
aus der Gnade Gottes euer und euers gleichen Brüderschaft höher
erfreue, denn aller leiblichen Brüderschaft oder alles zeitlichen Gutes."
(Walch, a. a. O. 1992).
Dieser Mann, der sich schon am 16. März 1522 gedrungen ge-
fühlt hatte, ein Warnungsschreiben an den Rath und die Bürger-
schaft zu richten, fand auch jetzt Veranlassung gegen Peter Meyer
aufzutreten. Am Pfingstmontag den 9. Juni schrieb er an ihn: „Euch,
dem Pfarrherr zu Bartholomaeus zu Frankfurt, entbeut ich, Hartmuth
von Cronberg, meinen Gruss und füg euch zu vernehmen, wie ich
glaublich bericht bin und erkundet hab, welcher mass ihr die wahr-
haftig christlich Lehr Dr. Martin Luther's, sonder aller Gründ der
heiligen Schrift, unterstehet unterzudrücken, dargegen der Päpstlichen
Gewalt und Regiment so hoch zu erheben, dass ihr alle die für
Ketzer achtet, die dem christlichen Doctor Martino oder seiner evan-
gelischen Lehre folgen, . . . dessen euere Worte und öffentliche Pre-
digt unwidersprecldich Zeugniss geben. . . . Auch wollet ihr keinen
rechten evangelischon Prediger zulassen, mit eurer Genehmigung zu
predigen, und sonderlich uf den Pfingsttag einem christlichen Prediger,
den ich gen Frankfurt geschickt, nit vergönnen wollen zu predigen.
Die weil aber euch als einem Pfarrherrn der Stadt Frankfurt Ursach
und Grund eurer Meinung und öffentlichen Predigt gebüret zu sagen,
wie Sant Peter gebeut, so erforder und begehr ich von euch aus
christlicher Schuld und Pflicht, dass ihr mir mit evangelischem Grund
und heiliger göttlicher Schrift anzeigen wollet, aus welchen Ursachen
wir dem päpstlichen Regiment glauben oder folgen sollen. . . . Wo ihr
aber dasselbige nit zu thun wisset, so vermahne ich euch brüderlicher
Weise, dass ihr euch von eurer Irrung mit uns zu Gott kehret und
bekennet, wie eure hohe Nothdurft erfordert, dieweil ihr nit wissen
raöget, wie lang ihr Zeit habet, denn wahrlich ich warn' euch: wer-
det ihr euch versäumen, so werdet ihr beständiglich nit bestehen mit
allen denen, die ilur verführet" (Walch a. a. 0. 2004 flg.)
IV. 9
Digitized by Google
— 130 —
Auf dieses Schreiben, dessen Inhalt wir nur in seinen Hauptge-
danken mitgetheilt haben, erwiderte am 11. Juni Meyer (eben<L
2006 flg.): Meinen willigen Dienst zuvor, ehrbar fester lieber Junker!
Euer Schreiben, an mich gethan am dritten Pfingsttag, hab ich ver-
lesen und wohl verstanden, antwort: uf den Artikel, dass ich den
Pfingsttag einem evangelischen Prediger, von euch gesandt, verboten
hab, dass er nit zu predigen zugelassen sei, sprich ich, dass man mir
Unrecht thut, es ist keiner bei mir gewesen, auch hat mich Niemand
darum ersucht, hab auch auf diesen Tag erfordert ein ganz Capitel,
ihnen filrgelegt, ob an ihr einen etwas ersucht sei, haben sie geant-
wortet bei ihren Treuen und Eid: Nein, es sei an ihr keinen nie ge-
langt. Bitt darum, ihr wollt mir anzeigen den, der mir solche Sache
ufleget, so will ich also mit ihm reden, dass ihr erlernen sollt, dass
man mir Unrecht thut, und bin nie der gewesen, der Gottes Wort
gehindert, sondern allezeit gefördert mit Worten und Exempeln. Dass
ihr mir aber schreibt von meinen Predigten, sprich ich, ich hab öffent-
lich vor der ganzen Welt geprediget und jetzund in das dreizehnt
Jahr zu Frankfurt, und verhoff, die Wahrheit und das heilige Evan-
gelium. Das haben drei oder vier Tausend Menschen von mir ge-
höret und gestehe meine Predigt frei vor aller Welt. War aber
Jemands, der sich Hess dünken, ich hätt zu viel oder zu wenig ge-
than, so hab ich einen ordentlichen Richter, do mag man mich an-
sprechen, do will ich Antwort geben. Damit guten Willen euch zu
beweisen bin ich geneiget. Datum uf Mittwochen nach Pfingsten
Anno XXII. Williger Petrus Meyer, der heiligen Schrift D. und
Pfarrherr zu Frankfurt.
Auf die Mainzer Appellation konnte Hartmuth* keinen Zug fühlen
sich einzulassen; es hätte dies nichts anders geheissen, als den Pontius
beim Pilatus verklagen. Um so schärfer setzte er Meyer'n in seinem
zweiten, am 14. Juni erlassenen Sendschreiben zu (Walch a. a. O.
2007 flg.), aus dem wir das Wichtigste im Auszüge mittheilen : „Erst-
lich so hab ich des Predigers, den ich gen Frankfurt [geschickt], ein
Genüge, denn es stehe damit, wie es woll, so ist nichts daran gele-
gen. Aber, dass ihr weiter übergangen habt mir zu antworten, aus
was Grunds ihr das päpstlich Regiment und die Menschengebot und
Lehre also hoch erhebet und damit die unwidersprechliche Wahrheit
Gottes also offenbarlich unterstehet unterzudrücken und zu schmähen,
— welches uff euch öffentlich erzeugt mag werden durch vielBieder-
lcut zu Frankfurt und anderswo, die euer Predigt gehöret — des-
halb hab ich kein Genügen. Auch dass ihr schreibet, wie ihr das
heilig Evangelium dreizehn Jahr zu Frankfurt gepredigt habt, darurT
Digitized by Google
131 -
sag ich, dass ihr das heilig Evangelium nit gepredigt habet, inmassen
wie Christus geboten, sondern mehr in euerm Geiz und Eigennutz,
denn zu des Volklins Seligkeit und heilsamer Weide solches gezogen.
Darum euer Berühmen und dass ihr euch nennet ein Doctor der hei-
ligen Geschriften, das reichet dem heiligen Evangelio und der wahr-
haftigen heiligen Schrift zu unleidlicher Schmachheit. . . . Ihr habt
nit allein euerm Geiz nach die Schaf wider Gottes Gebot geschoren
und böslich aufgesogen, sondern auch, das viel grösser und schwerer
ist, die heilsame Weid Christi mit Füssen getreten. O was grossen
Seelenmord habt ihr in den dreizehn Jahren gethan! Bedenkt, wie
streng die Gerechtigkeit urtheilt einen leiblichen Mörder, darum be-
trachtet, wie viel greulicher euer und euere Gleichen Morden sei,
welche nit durch die recht Thür einsteigen, allein dass ihr metzlet
und tödtet." Am Schlüsse eröffnet er ihm die Aussicht, wenn er
nicht seine Irrung erkenne und Gottes Barmherzigkeit annehme, würde
seine Handlung dermassen an den Tag gebracht werden, dass ihn
alle Menschen zu Frankfurt für einen Verfuhrer halten und dass aller-
meniglich mit gutem Gewissen gegen ihn mit der That zu handeln
erlaubt sein werde, so viel sich gegen einen reissenden Wolf, geist-
lichen Dieb und Mörder mit Worten und Werken zu handeln gebühre.
Die solches dann thäten, würden keine Scheu tragen weder vor sei-
nem ordentlichen Richter, noch vor dem Rathe zu Frankfurt, dess-
lialb Rod und Antwort zu geben, denn ihr Grund werde sein auf
dem unzerstörlichen Gotteswort. Das Schreiben schliesst: Datum unter
meinem Insiegel uf Samstag nach Pfingsten. Anno Domini im zwei
und zwanzigsten.
Obgleich sich Hartmuth directe Antwort erbeten hatte, unterblieb
diese; statt dessen wandte sich Meyer, für seine Sicherheit besorgt, am
17. Juni mit einem Schreiben an den Rath (Walch a. a. ü. 2010 flg.), das
mit folgenden Worten schliesBt:
„Darum bitt ich E. Weisheit als mein gunstigen Herrn, sie wol-
len mich als ihren Pfarrheim und Geistlichen . . . vor Gewalt bei
Recht uud des Reichs Landfrieden und Ordnung günstigen, hand-
haben, schützen und schirmen und dem unziemlichen gewaltigen
Dreuen und Fürnehmen, so Junker Hartmann von Cronberg letzsts
seins Schreibens anhenket, kein Statt geben, so ich Recht und Billig-
keit vor Gott und aller Welt leiden mag ; das gebürt mir alles meins
armen Vermögens um E. Weisheit ewiglich und gutwillig zu ver-
dienen. Bitt des unverzögliche tröstliche Antwort. Datum uf Diens-
tag nach Trinitatis anno XXU. Williger Petrus Meyer Pfarrherr."
Als dieser Brief am selben Tage in der Rathssitzuug verlesen
9*
Digitized by Google
- 132 -
wurde, erging der lakonische Bcscbluss, es dabei zu lassen und dem
Pfarrer zu sagen: „er werde sich angesehen seines Richters wohl zu
halten wwen (B. P. 1522 fol. 17)."
Die Verwickelungen, in welche der Clerus durch die Ritterschaft
gerieth, wurden von Tag zu Tag grösser und mit ihnen inehrten sich
die Verlegenheiten. Schon am Samstag nach Ostern, 26. April, hatte
Wilhelm von Bommersheim der Alte in einem Brief an die Herren
zu St Lenhard, Predigermönche, Frauenbrüder und Jungfrauen zu
St Katharinen sich beschwert, dass „ihm seine Behausung, so er vor
Zeiten gehabt, genannt zum Stein zu Frankfurt, ohn alle Vorbot und
Recht entfrumrat (entfremdet) war worden, dazu etlich Holz, Bett,
Bettladen, Pfann, Schüsseln und dazu etlich Gülden uff einen Köln-
schen Mann" und die Wiederherstellung seiner Behausung nebst al-
lem Angezeigten und den Ersatz flir weitere Kosten und Schäden
verlangt Die Betreffenden kamen am 28. April in dem Capitelhaus
des Liebfrauenstiftes zusammen und beschlossen den Kläger an den
Rath zu verweisen, mit dessen Genehmigung die, wie es scheint,
früher bestandene Verpflichtung dieser Stifter und Klöster dem Jun-
ker eine Behausung in der Stadt aufzuhalten, seiner Zeit aufgehoben
worden war; schliesslich erklärten sie sich zu jeder Leistung, drin-
nen rechtlich obliege, bereit Dieser Handel hielt die Priesterschaft,
wie sich aus den Aufzeichnungen Königstein's und aus den Bürger-
meisterprotokollen ergiebt, den ganzen Sommer hindurch in Span-
nung, ohne seine Lösung zu finden.
Neue Verwickelung und Aufregung brachte der schon erwähnte
Fehdebrief, den Marx Lösch, Georg von Stockheim und Emmerich
von Reifenberg am 12. Mai an die Fahrpforte hatten anschlagen lassen
und den wir zum ersten Male nach Tom. I, fol. 14 der Acta, daa
Religions- und Kirchenwesen betreffend, in dem Stadtarchive hier mit-
theilen:
„Allen vnnd iglichen pfaffen vnnd Munichen in der statt franck-
furt thund wir hie vnnden beschryben kunt vnd zu wissen: nachdem
etlich auß euch, sonnderlich die fumempsteu in den prelaturen dem
wort gottes zuwider strebent vnnd, so vil an euch were, solchs gern
vnndertrucken wolt, sunderlich in dem, das durch ewer vngestime
anhalltcn eyn ewaugelischcr Prediger, der dem andechtigen folek in
Frangkfurt das wort gottes zu predigen furgenomen, daselbs vertry-
ben vnnd also dem folgk die recht heylsam gottes lere enntzogen ist,
vnd nit alleyn enntzogenj besunder schier gar nydergclegt Dann Ir
rieht durch supptile practica zu, das derselbig noch anudere by oder
neben euch die öffentlich luter ewangelisch warheyt nit predigen dürf-
Digitized by Google
- 133 -
fen, zu dem das ir selbst nit thut oder vielleicht thuu kundt, wellichs
dann von euch, als die sich geistliche stanndts berumen vnd davon
sonnderlich fryheyt vnnd ere haben wollen, höher dann von anndern
vnverstenndigen vnnd mere zubeclagen, dann zu erbarmen. Nun ist
bisher by euch der gebrauch gewest, welcher weltlichs stannd's euer
Person oder gutter mit der that berawbt oder angriffen, den habt ir
durch euch oder euer conservitores onerfordert, on alles erbarmen
offenntlich in bann verkundt vnd darzw das weltlich swert vnd straf
vber inen erfordert, vnnd hapt euch das vnverschembt als für recht
vnd wolgethan berumbt; vil höher vnnd mere will sich gepuren, mit
höchstem ernnst (ob glych tyrannische Verfolgung leybs vnd guts da-
ruff stünde) eyn strenglichs eynsehens zuthun, das das heiig ewange-
lium vnd die warheyt gottes vor euch vnnd annderer desselbigen
vheynden, tättlichen anfechtern vnd wydersachern vnverdruckt pleybe,
vnnd anfennglick durch cristliche ermanung vnd, wo das nit frucht
trüge, annder gestalt euch davon in bessemng zu pringen. Darvmb
ermanen wir euch in gemeyn vnd sonnder vor weytern furneraen hie-
mit gar gutlich, das ir euch von ewerm verkerten willen vnd ver-
truckung der evangelischen warheyt vmbkert vnnd bessert vnd hin-
für das heiig Ewangelium in ewern Kirchen öffentlich selbs predigen
oder anndern vnuerhyndert zuthun gestattet, auch andere gleyssnerey,
sonnderlich die im scheyne eynns Guten zu ewerm geytz vnnd nutzen
gericht seynnt, gegen dem gemeynnen unuerBtenndigen folek abstellet,
sie weyter darauff nit leytet oder vberredt, damit die schaff Christi
nach desselbigen lere recht geweydet vnnd wie bisher nit geschunden
werdent. Wo ir aber diß verachtent, so werdet ihr vnns damit nit
veracht haben, besonnder den, der euer vnnd vnnser aller herr, rich-
ter, schapffer vnd erlöser ist. Alsdann mocht ir vns vnnd, die wir in
unnser hilff bringen kunten, vervrsachen zuhanndeln, des wir ge-
trauwen gegen Gott vnd der weit fug zu hoben, vnnd lieber ver-
tragen sein wollten, dann ewer Verachtung vnd nydertruckung des
wort gottes ist vnns billich leydt. Nach dieser vnnser fruntlichcr er-
manung vnd Verwarnung wisst euch zu richten, wellicher aber vnnder
euch sich in disem thuu von den anndern absonndern vnd sich vns
anzeygen wurdet, den wollen wir dermassen zu alter fruntschaft an-
nemen; bitten hicrvff ewer aller beschrybene anntwurt, die inwendig
acht tagen nechst volgennd gecn Reyffcnbcrg in Friederichs von
Reyffenbergs oder in meyn Marx Leschen von Mulluheyms huß zu
Felschberg zw vberschicken.; Geben vnnder meyn, Jorgen vonStock-
heyms vnd Emmerich Reyffensteyns Inngesigeln, der ich mich Marx
leBch von Mulnheym obgenannt mit geprauet (mitgebrauchet). Auff
Digitized by Google
- 134
Montag nach dem Sonntag Jubilate Anno dni etc. im zwey vnd
zwentzigisteu.
Marx Losch von Molnheym.
Georg von Stockheim.
vnnd Emerich Riffensteyn.
Die drei Stifter traten sofort zu einer Besprechung mit den
Mönchsklöstern — nur die Barfüsser schlössen sich aus — zusammen
und verabredeten eine gemeinsame Antwort. Schon bei dieser Be-
redung scheint es nicht an Widerspruch und Uneinigkeit gefehlt und
überhaupt die Rathlosigkeit, welche unter den Versammelten herrschte,
sich unverhohlen kundgegeben zu haben. Man schickte die beschlos-
sene Antwort zunächst an Dicterich Zobel, den geistlichen General-
viear des Erzbischofs, nach Mainz, um sich bei ihm Raths zu er-
holen. Dieser Hess den Absendern durch den Ueberbringer, den Ca-
nonieuB zu St. Bartholomaci, Johann Wagomncister entbieten: „Die
Pfaden zu Frankfurt seien der Sache selbst nit eins; wie man ihnen
rathen solle? Die Antwort gefalle ihm wohl, wo sie einträchtiglicli
geschickt werde, wo nit, sei kein Antwort auch ein Antwort" (Re-
uigstem). Gleichzeitig wandte man sich an den Rath, um dessen
Meinung zu erfahren. Dieser äusserte sich am 14 Mai noch diplo-
matischer als Zobel; er Hess antworten: „Dergleichen sei auch an
den Rath geschrieben, wie ihnen, und wisse ein ehrbar Rath sonder-
lich ihnen nit zu rathen ; sie hätten aber Oberherren, die möchten sie
ansuchen, die würden ihnen wohl Rath können geben. So wisse der
Rath nit anzuzeigen, wer die wären, so wider das Evangelium ge-
predigt haben" (B. P. fol. 5).
So fein gab der Rath der Priesterschaft die stete Berufung auf
ihre eigenen Obern, ihre selbständige Jurisdiction und den evange-
lischen Charakter ihrer Predigt weise zurück! Das Bartholomäuscapitel
hütete sich wohl, die beschämende Erwiederung des Generalvicar»
den Andern mitzutheilcn, es Hess sie nur kurzer Hand fragen, ob sie
in dieser Sache mit ihnen noch ferner zusammen gehen wollten. Das
Licbfraueucapitel beschloss sich zwar die gemeinsame Antwort anzu-
eignen, sie aber für sich unter dem Stiftssiegel nach Reifenberg zu
senden. Der Bote ging am Sonntag Cautate, den 18. Mai, dortbin
ab, und fand die Edelleute endlich in Cronberg, wo ihm Friedrich
von Reifenberg erklärte, es gefalle ihm wohl, dass das Liebfrauen-
stift ihn schriftlich ersuche, allein er verlange eine andere Schrift.
Durch denselben Boten erfujir das Stift, dass die Junker, denen
sich auch Wilhelm von Bommersheim der Junge anschloss, die Bauern
Digitized by Google
- 135 -
*
zu Ursel überredet hatten, die Zahlung der fälligen Grundzinsen und
Zehnden an den Stiftskämmerer einzustellen. Da durch diese neue
Agitation auch die andern Stifter mit berührt wurden, beschloss die
Geistlichkeit, sich vorerst mit dem einen Gegner zu verständigen und
zu diesem Behuf den Grafen von Königstein um seine Vermittlung
mit Wilhelm von Bommersheim dem Alten anzugehen. Eine Ver-
handlung, welche in dem Predigerkloater am 22. Mai in Gegenwart
des Grafen stattfand, endigte mit dessen Erklärung, man sollo ihm
die Sache schriftlich anzeigen, dann wolle er thun, was billig und
recht sei, er müsse vorerst auch den andern Theil hören. Als am
28. Juni ein Schreiben des Grafen von Königstein einlief, dem ein
Brief des Bommersheimer's beilag, fand wieder eine Versammlung
des Clerus im Capitelhaus des Liebfrauenstiftes statt, in welcher offen-
bar wurde, dass nicht einmal der Druck der Zeit, den allo schwer
empfanden, die bestehenden Zerwürfnisse der Stifter in den Hinter-
grund drängen und wenigstens vorübergehend eine Einigung bewir-
ken konnte. Königstein erzäldt: „Unter andenu hat unser Scholaster
(Stephan Fischer) angefangen zu holhippen*) und den Scholaster zu
St. Leonhard in Abwesenheit hochlich gescholten, darnach kommen
an den Decan saneti Leonhardi Lutherisch halben mit vielen
unnützen Worten, wie denn allwog sein Gewohnheit gewest ist."
So zankten, höhnten und eiferten sie unter einander, während
der gemeinsame Feind nicht ruhte, sondern rührig seine Neckereien
gegen sie weiter verfolgte. Zwei Tage später, am Montag nach Pe-
ter und Paul, den 30. Juni, crliesson die drei Junker an die Gemeinde
von Bornheim folgendes Schreiben, das wir aus den erwähnten Acten
des Stadtarchivs 1. c. f. 29 hier einrücken:
„Schultheis, Burgermeister vnd gantz geraoynde des dorffs Born-
heim!
Ist vnser hie vnden benenten bitt an euch , das ir der tyran-
nischen vermeyntenn geistlichenn der stat Franckenfurt, die das wort
Gottes vnnd die heiligen Euangelia nit lydenn wollen, noch selbst
thun predigen, darvmb wollet die selbigenn tyrann iren zehenden
selbst samein lassen, so ir vinb vnd by euch habt, nit entnemen, bc-
hußen, wartten, noch infuren. Damit euch chein schade enstee, wol-
len wir euch als armen luden gutter Meynungc im besten nit ver-
halten, Datum vff montag nach petri vnd pauli Anno m. Vc vnd
im XXUV
*) Hohlhippeln oder hohlhippen = sticheln, spötteln, vgl. Jon. Leonh. Frisch,
deutach-lat. Wörterbuch I, 462 und 456.
Digitized by Google
■
- 136 -
Schon in der Triuitatiswochc waren von Seiten des Decans und
Capitels zu St. Bartliolomaei Klagen beim Rathe eingelaufen, daas
die Gemeinde Bornheim der Erhebung des Zehnden Schwierigkeiten
entgegensetze (B. P. fol. 17). Die Junker bestärkten sie in diesem
Widerstande. Gleichzeitig erlies» der Vicarius in spiritualibus zu
Mainz, Dr. Zobel, ein Mandat gegen die Renitenten unter Androhung
geistlicher Censuren. Da der Rath darin eine Beeinträchtigung sei-
ner Jurisdiction sah, beschloss er am 4. Juli, Haman Holzhausen,
Arnold Rciss und Heilmann Steinheimer nach Mainz zu senden. In
der Sitzung am 6. Juli, in welcher diese über ihre Sendung berich-
teten, wurde in dem Rathe auch ein kaiserliches Mandat verlesen,
welches das Bartholomäusstift von dem Reichsregimente in Nürnberg
erwirkt hatte und das wir hier zum ersten Male aus den erwähnten
Acten fol. 31 voröffentlichen:
„Carl von Gottes Gnaden, erweiter Römischer Kaiser, zu
allen Zeiten Merer des Reichs.
Ersamen, lieben, getreuwen. Vnnserm kaiserlichen Regiment im
heiligen Reicli ist glaublich angezeigt, wie vusere vnd des Reichs
lieb, getreuw, Marx Lesch, Georg von Stockham vnd Emerich von
Riffensteyn, der gemeinen geistlicheit vnd sunderlich Probst, Dechant
vnd Capitel sanet Bartholomeen Stiffts bey euch in Franckfurt eines
Predigers vnd ires Ambts vnd Staudts halb durch einen offen breue
bedroet. Desshalb sy in sorgen steen müssen. Darumb haben wir
den obgenanuten Dreien gepothen, so fern dem also, wie gemeltem
vnnserm kaiserlichen Regiment angebracht sey, das sy dann ir fur-
nemen abstellen vnd sich an geburlichen Rechten benugen lassen.
Beuelhen euch darauf, das ir genannte geistlicheit getreulich schützet
vnd schirmet vnd sy durch die vorgenannten drey, noch andere wi-
dere Recht, souil an euch ist, nit vergewaltigen lasset. Daran thut
ir vnnserc ernstlich mainung. Geben in vunser vnd des Reichs stat
Nurmberg am vierdten tag Juuij Anno Domini im zwaivndzwan-
zigsten, vnnseres Reichs des Römischen im dritten jaren."
Schien die bisherige Haltung des Rathes wenig guten Willen
zum Schutze des Clerus zu verrathen — noch am Donnerstag nach
Cantatc hatte er auf ihre Bitte, sie zu versehen, so sie mit Kerzen
gingen, ihnen erwiedern lassen: er müsse dem Unrath seiner Feinde
selbst zuvorkommen; es sei besser, dass sie hie innen blieben, doch
stelle er es ihrem Gefallen anheim — so sehen wir nun mit einem
Male die Stimmung des Rathes verändert Er dringt darauf, daas
das Bartholomaeu8capitel sich für die Zurücknahme des Mainzer Man -
Digitized by Google
- 137
dates verwende, und verspricht ihm den Schutz der Stadt; er ver-
ordnet, dass die Früchte der Zehenden ungehindert in die Stadt ein-
geführt werden, er nimmt die Beschwerden des Churfürsten von
Mainz wegen Ibach'» und wegen der Junker am Taunus entgegen
und erwirkt, dass das Mainzer Mandat nebst angehängter Poen am
22. Juli suspendirt wird. Er verspricht dem Bartholomaeuscapitcl
rechtlichen Beistand auf einer Tagfahrt in Aschaffenburg, dio der
ChurfÜrst von Mainz zur Beilegung einer Irrung zwischen diesem
Capitel und Junker Quirin von Cronberg angeordnet hatte; er ge-
stattet Wilhelm von Bommersheim freies Geleit in die Stadt und ist
geneigt, selbst die Vermittlung zwischen ihm und seinen Gegnern in
die Hand zu nehmen. Wie wenig übrigens trotz dieses guten Wil-
lens der Rath geneigt war, die Unabhängigkeit seiner Stellung und
Berathung gegenüber der Priesterschaft aufzugeben, beweist sein am
8. Juli gefasster Beschluss : „Wo hinfUro im rate Sachen, die pfaffheit
belangend, gehandelt werden, sollen die fründe des Rates, der Pfaff-
heit in Sippschaft oder sunst verwandt, abtreten/'*) In diese Zeit
des Monat Juli, wo sich alles zum Frieden anliess, gehört auch die
Antwort, die sich foL 28 in den Religionsacten auf ein verloren ge-
gangenes Schreiben befindet, das noch einmal die drei Junker an
den Rath gerichtet:
„Marx Lesch von Molheim, Jorg von Stockheim vnd
Emerich von Riffensteyn.
„Vnsern fruntlichen grüß zuuor, besonder guten frunde. Wir
haben euwer schrifft von jungst etlicher handlung halber, so Hern
Hartman Ibach von vnscr priesterschaffit in vnser stafc hegegent solt
sin, mit begere, wo die vff irem furnemen beharren wollten, wurdet
ir geursacht thetlich handelung gegen dieselben furtzunemen, vnd euch
zu uerstendigen, weß ir euch deßhalb gegen vns vnd den vnsern ver-
sehen soltet etc. ferners inhalts verstanden, vnd ist vns vnd den vn-
sern nit von noten frembde priestere, die bei vnß nit gefrunt sin, zu
schicken, dan wir vnd vnsere gemeinschaft deßmals nach notturft mit
predigern versehen sin. So hat auch die römisch Keys. Mt. vnser
allergnedigster herr etliche penalia mandata vßgeen lassen, auch vns
eyn sendbrieff zugeschickt, dar inn vns trewelich gewarnet, auch ge-
beten etliche mißbruch by vnuß nit zugestaten, dem wir vß schul-
diger pflicht als des heiligen Reichs vnderthan gehorsam sin müssen.
*) VgL B. P. foL 5—10, 14, 17, 20, 22, 24, 25, 26, 27, 30.
Digitized by Google
Darvmb bitten wir euch freuntlichen, ir wollet deshalb gegen vns
vnd den vnsern vnd vnsern verwanten nichts vngutes furnemen, des
wollen wir in glichom vnd mererm mit willen gern verdienen.
Datum."
V. Johannes ab Indagine.
Es ist bereits erwähnt worden, dass in einer Sitzung am 28. Juni,
in Sachen Wilhelm's von Bommersheim gehalten, der Scholaster de»
Liebfrauenstiftes, Stephan Fischer, seiner Gewohnheit gemäss den
Decan von St Leonhard mit vielen unnützen Worten seiner luthe-
rischen Denkart halber gehöhnt und gescholten hat Dieser Decan,
dessen Namen Königstoin verschweigt, ist Niemand anders als Jo-
hannes ab Indagine, oder wie er gewöhnlich genannt wird und sich
selbBt nennt, Johannes Indagine (eigentlich Johann von Hagen), Pfar-
rer von Steinheim am Main und seit 1622 Decan zu St. Leonhard.
Die grosse Unordnung, welche um diese Zeit des Verfalles in dem
Leonhardsstifto eingerissen war und auch in dem Archive desselben
bemerkbar ist, erschwert es sehr, die Geschichte desselben in ununter-
brochener Continuität zu verfolgen. Als im Jahre 1515 der Decan
Engel starb, wurde auf Empfehlung des päpstlichen Legaten Cam-
peggi Johann von der Burg, oder wie er sich gewöhnlich nennt, Jo-
hann de Castro, beider Rechte Doctor, erwählt (Urkunde Nr. 364
des Leonhardsarchivs). Noch am 25. October 1521 schenkte er dem
Capitel 400 Gulden rheinisch gegen eine lebenslängliche Rente von
20 Gulden und gegen die Verpflichtung, ihm nach seinem Tode eine
Anzahl Messen jährlich zu lesen (Urk. 381). Schon im Mai 1522
linden wir im Besitze des Decanates unsern Job. Indagine. Da Lers-
ner in seinem Verzeichnisse der Canoniker des Leonhardsstiftes zu
demselben Jahre 1522 eine Praebenda anführt, quam ultirous possedit
Doctor Joh. Dridorf Decanus, so muss entweder angenommen wer-
den, dass das Decanat dieses Dredorf oder Dridorf zwischen das des
Joh. de Castro und des Joh. Indagine gefallen sei und nur kürzt"
Zeit gedauert habe, oder, was mir das Wahrscheiiüicherc ist, dass
Dridorf und Joh. de Castro oino und dieselbe Person ist, die bald mit
ihrem Familiennamen bald mit dem Namen ihres Geburtsortes (Drei-
dorf, Amt und Flecken in Hessen) bezeichnet wird. Diese Angabe
wird noch dadurch gestützt, dass Lersner in allen den Abschnitten,
in welchen er den Dr. Joh. de Castro erwähnt (1509, 1515—1518,
1521), den Dr. Joh. Dridorf nicht berührt, und umgekehrt, wo er,
wie in den Jahren 1499, 1500, 1501, 1510, 1511, 1512, 1513, den
Digitized by Googl
- 139 —
Dr. Joh. Dridorf anführt, keinen Joh. de Castro hat. Wir haben
darum wohl den Joh. Indagine als unmittelbaren Nachfolger des Joh.
de Castro anzusehen und anzunehmen, dass er zu Ende 1521 oder
zu Anfang 1622 gewählt worden sei. Vor diesem Jahre wird er von
Lersner (II, II, 186) nur einmal unter der Bezeichnung : Camerarius,
Hübanus et Calarius (Cellarius?) in Steinheim aufgeführt.
Joh. Indagine ist bekannt geworden durch ein Werk, das den
Titel fuhrt: Introductiones apotelesmaticae elegantes in Chiromantiam,
Physiognomicam, Astrologiam naturalem, complexiones hominum, na-
tura« planetarum u. s. w. Autore Joanne Indagine, und in den Jahren
1522 und 1539 in Folio, und (wahrscheinlich später) in 16°. erschienen
ist Auf dem Titel ist er selbst in geblümtem Gewände abgebildet.
Dieses Werk zeigt, dass er ein Freund der Naturwissenschaften war,
dieselben aber in der phantastischen und abentheuerlichen Richtung
seiner Zeit betrieb. Aus den Gestirnen wollte er die menschlichen Ge-
schicke und den Lauf der Zeiten; aus den Linien der Hand, aus der
Bildung der Stirne, der Brauen, der Augen, der Nase, des Mundes,
der Zunge und Zähne, des Kinnes, der Haare, aus des Gesichts Farbe
und Form, aus der Gestalt der Ohren, aus dem Bau der Brust, des
Rückens, der Füsse und der Statur wollte er den Character und die
Sinnesart der Menschen erkennen.
Von Wichtigkeit sind uns hier zwei Briefe, die er 1522 als De-
can geschrieben hat und die in seinem Buche aufbewahrt sind. Der
erste ist die Zuschrift, womit er seine Physiognomik dem Vicarius in
spiritualibus Dieterich Zobel gewidmet hat: „Dem hochgebornen und
gelehrten Manne, Doctor Dieterich Zobel, des hochwürdigen Vaters in
Christo, Herrn Albrecht Erzbischofs zu Mainz, geistlichem Vicare,
der Mainzer Kirche Scholastcr und würdigem Canonicus, entbietet
Johannes Indagine, Decan zu Frankfurt, seinen Gruss. Vielleicht
nahe ich als später Warner und bringe Rath nach der That, hochge-
borner Mann, wenn ich dir das in das Gcdächtniss zurückrufe, was
wir in diesen Zeitläuften allenthalben sich zutragen sehen , wie
Alles, wenn du mit gesammeltem Geisto beobachtest, in Verwirrung
liegt und auf dem Spiele steht Du weisst, dasB ich es dir vorherge-
sagt, ehe diese Partheiungen entstanden sind ; aber damals lächeltest
du leichthin, als ob ich dir Possen berichtete, und darum erscheine
ich [heute] als später und ungelegener Erzähler. Denn so ist es ein-
getroffen. Mögen wir wollen oder nicht, den Geschicken müssen wir
gehorchen, sie ziehen die Widerstrebenden und Niemand kann ihnen
entrinnen; möchten wir doch wenn auch spät zur Einsicht gelangen!
Denn obgleich die verspätete Einsicht nur mit Schaden erworben wird,
Digitized by Google
- 140 -
«
ist sie doch besser als die Thorheit. „Spät kommt den Phrygcra die
Einsieht" und wiederum: „nur durch Schläge wird der Phryger ge-
bessert." Alles, was ich damals gesagt habe, wiederhole ich dir. Ich
weissagte aus den Gestirnen einen neuen Zustand der Kirche, ferner
Kriege, Aufstände, die Bewegung vieler Völker, eines Reiches gegen
das andere, Seuchen und grosses Sterben. Zum Theil sehen wir die»
nun erfüllt, zum Theil steht es noch bevor. Schon siehest du Alles
so angelegt, das» wir die vier folgenden Jahre nicht ohne schwere
Gefahr, nicht ohno viele Unglücksfälle verleben können. Du fragst
vielleicht, was ich dir wiederum vorbelfere? Um dir Glauben an die
Gestirne einzuflosBen, leite ich dies aus den Gestirnen ab; obgleich
um des Wortes Christi willen das Alles geschieht, weil es auf diese
Weise sich entwickeln, durch diese Tragödien gepflanzt, durch diese
Mittel in das Werk gesetzt werden muss. Weil jedoch die Sterne
die Ausleger des göttlichen Willens sind, so verdanken wir es zum
grossen Theile den Sternen, nicht als ob diese es erzwängen, sondern
weil es so vorbestimmt ist, das« sie uns drohen und anzeigen, was er
[Christus] über uns beschlossen hat. Aber was hat er denn be-
schlossen? In der That, die Gestirne weissagen nur Kriege und
Neuerung; sie werden Alles unter einander wirren und umkehren.
Gewiss, schon sehen wir dies Alles und noch ist das Ende nicht da.
Wie sehr auch die Grossen sich dawider stemmen, es wird kommen,
dass jenes Gepränge der Priester und Mönche sich mindere. Einmal
muss die Krone des Stolzes abgelegt werden; obgleich wir dies nicht
ursprünglich don Gestirnen zuschreiben dürfen, sondern Christo, dem
Lenker der Gestirne, und seinem Zorne gegen uns; weil wir den
ohne Ende geroizt haben, können wir ihm nicht entrinnen; noch viel
weniger können wir den Gestirnen widerstreben, welche das von
Gott vorgezeichnete Geschick nicht unerfüllt lassen, das Alte ver-
nichten, Alles neu gestalten werden. Das schreibe ich dir, damit, wenn
die Verkleinerer dich etwa zweifelhaft gemacht haben und dich nun
durch diese Gründe überzeugt sehen, sie durch dein Ansehen in die
Schranken gewiesen werden, denn nicht leicht kann verworfen wer-
den, wozu du deine Stimme gegeben hast Einen grossen Theil der
Studirenden glaube ich überzeugt zu haben, wenn ich dich zu dem
Glauben gebracht habe, dass die Gestirne nicht ohnmächtig sind. Denn
so hast du dich den Wissenschaften gewidmet, dass du den Studien
nicht blos wohlwillst, sondern sie auch schirmst; dadurch hast du eine
solche Auctorität erlangt, dass deine Ansicht von Allen als Orakcl-
spruch aufgenommen wird. Mögen auch Mehrere darüber lachen, hier
muss man sich an das Sprüchwort halten: es verlohnt die Verachtung
■
Digitized by Google
- 141 -
zu verachten. Auch wird dadurch deine Auctorität nicht gemindert,
noch wir selbst verringert, wenn unsere Ansichten von Schlechten und
Unerfahrenen verworfen werden. Immer hat das Beste den Schlechtesten
missfallen; die Augen der Nachteulen scheuen das Licht und am Ais
ergötzen sich die Geier. Es ist ebenso klug, den unerfahren reden-
den Thoren zu widerlegen als den frivolen Spötter zu verachten, da-
mit er sich nicht für einsichtsvoll halte. Bei den Meisten mehrt die
Vertheidigung der Wahrheit die Unverschämtheit und solchen darf
man die Geheimnisse nicht preisgeben, damit nicht jene Schweine
und Hunde die Perlen zertreten. Da du aber der beste Mann bist
und dein Urtheil anerkannt, weil du die Sache selbst erwägst, nicht
nach dem Scheine, sondern nach dem inneren Wesen, habe ich gern
das Büchlein dir gewidmet, damit es nicht nur von dir Ansehen ge-
winne, sondern du selbst auch Gewinn daraus ziehest Da du näm-
lich auf solcher Höhe stehest, dass alle geistlichen Fragen deinem
obersten Richterspruche unterstellt werden, so wird man — was eine
wahrhaft göttliche Beschäftigung ist — daraus auch die Geister unter-
scheiden können. Dass so um deines Namens willen mehr Andere
lesen werden, hebt deine Auctorität und Würde. Das kleine Ge-
schenk selbst verschmähe nicht, auch die kleinsten Freundesgaben
verdienen keine Verachtung, mir aber wird es das Angenehmste sein,
wenn dir meine Ansichten nicht missfallen, wie auch Andere darüber
urtheilen mögen. Lebe wohl, du unsere Zierde und Freude. Aus
unserem Hause zu Steinheim am 15. Mai im Jahre nach Christi Ge-
burt 1522."
Der ganze Brief ist ein Lob der Astrologie, und wenn selbst ein
Melanchthon, der doch in dem vollen Aufgange der neuen Zeit stand,
von dieser Schwäche nicht frei war, so dürfen wir uns noch weniger
verwundern, wenn wir einen Johannes Indagine in diesem Wahn-
glauben befangen sehen. In den Gestirnen will er gelesen und es
längst voraus verkündet haben, dass eine gewaltige Erschütterung
Uber die Völker und die Reiche kommen werde; er sieht in ihr eine
Strafe des erzürnten Christus, den man verachtet, er erwartet von
ihr eine durchgreifende Veränderung der kirchlichen Zustände, eine
Rückkehr von der Hoffarth zur Demuth, von dem eiteln Schau-
gepränge der Priester und Mönche zur apostolischen Einfachheit
Diese Gedanken entwickelt er dem Dietrich Zobel, der früher den
Ruf eines freisinnigen Theologen hatte und mit Hutten befreundet
gewesen war, dessen Stellung zu den Zeitereignissen aber durch den
Drang und Sturm, in dem die Reformation Luther's vorschritt, in
dem letzten Jahre doch eine andere geworden war. Man könnte aus
Digitized by Google
- 142 -
dem Briefe vielleicht schliessen, das» Johannes gleichfalls eine jener
stillen Naturen gewesen sei, welche zwar die Uebelstiinde der Kirche
erkannte, aber doch vor jeder gewaltsamen and radicalen Cnr zurück-
bebte. Wir würden ihm darin Unrecht thun. Das zeigt sein Send-
schreiben vom 1. Juli 1522 an Otto Brunfels, der auf seine Pfarrei
Steinheim an der Strassen nicht zurückgekehrt war, sondern noch in
Frankfurt bei Nesen verweilte. Schon das Datum dieses Briefes ist
geeignet unser Interesse in Anspruch zu nehmen: er ist drei Tage
nach jenen Schmähungen geschrieben, mit denen um Luther's willen
Stephan Fischer den abwesenden Dccan Indagine übergössen und die
diesem ohne Zweifel sein Scholaster Nicolaus Kuhn, der sie anhören
musste, nach seiner Pfarrei Steinheim bei Hanau berichtet hatte. Der
Brief bezieht sich auf diese Vorgänge:
„Dem wahrhaft christlichen Priester Otto Brunfels entbeut Jo-
hannes Indagine, Pfarrer in Steinheim, seinen Gruss. Wenn ich nicht
anderwärts deine Redlichkeit erkannt hätte, würde ich glauben, du
wollest mir schmeicheln, so sehr stimmst du mir bei und beglück-
wünschest du mich. Denn ich bin nicht, wofür du mich hältst, noch
vermag ich zu leisten, was du dir von mir versprichst. Stünde noch
die Astrologie in Bltithe und die Mathematik in Ehren, so könnte ich
mich ein wenig rühmen, aber jene ist schon ganz untergegangen.
Du lobst dennoch meine kleinen Abhandlungen so sehr; ich weiss
nicht, ob du es thätest, wenn du wüstest, in welcher Angst ich sie
herausgegeben habe. Ich stelle nicht ganz und gar in Abrede, dass
ich die Absicht hatte, eine schon in Vergessenheit gerathene Wissen-
schaft zu erneuern, aber grosser war die Beängstigung, die von an-
derer Seite her auf mir lastete. Mein Gemüth musste also irgendwie
erleichtert werden. Ich kannte dazu kein rascher wirkendes Trost-
mittel, als das, woran ich fast seit meiner Kindheit mich erquickt
habe, nämlich die Astrologie und die Kunde der Gestirne. Die Er-
quickung meines Geraüthes und das hereinbrechende Missgeschick
spornte mich zum Schreiben. Ich glaube, dass dir die Sache bekannt
ist, bekannter, als dass ich dich mit Vielem ermüden dürfte, da du
bei den meisten Tragödien selbst zugegen warst. Dennoch
will ich das Andenken daran mit einigen Andeutungen auffrischen.
Zuerst weisst du, wie hoch mich die Fürsten immer geschätzt, wie
vieles Geld ich an ihren Höfen fast achtzehn Jahre verzehrt habe; ausser-
dem stand ich nicht weniger als vier und dreissig Jahre im Amte
der Kirche vor; nach so vielen Mühseligkeiten, so vielen Lasten, die
ich für den Hof, nach so vielem Schweisse und ängstlichen Beküm-
mernissen, die ich für die Heerde Christi getragen, glaubte ich An-
Digitized by Googl
— 143 —
sprach auf einigen Lohn und endliche Ruhe zu haben. Nun aber
habe ich, wie ich wohl sehe, durch alle meine Arbeit nichts erreicht,
als dass ich mich nicht nur in dem Dienste der Fürsten getäuscht,
sondern auch ftlr alle meine grossen und schweren Sorgen nicht viele
Gunst davongetragen habe. Doch darf ich es nicht allzusehr bereuen:
haben mich die Höfe auch nicht bereichert, so haben sie mir doch
einen Gewinn gebracht, den ich für vielen Reichthum nicht missen
möchte. Hat mich die Mathematik nicht zu einem begüterten Manne
gemacht, so hat sie mir doch auch nicht geschadet. Wenn ich mit
der Wissenschaft Mangel leide, so habe ich dieses Loos mit Vielen
gemein. Es ist zu dieser Zeit das eigentümliche Geschick der Ge-
lehrsamkeit, dass sie Niemand reich macht. Mehr Scham und Ver-
druss erweckt mir die Frechheit der Priester. Der Mangel, wenn er
einmal einkehrt, lässt sich bannen und aufbessern: dem verdorbenen
Character der Menschen und ihren verkehrten Sitten ist ohne Christi
Willen nicht in gleicher Weise aufzuhelfen. Treffend wird auf mich
jenes Sprüchwort angewandt: aus dem Regen unter die Traufe (e cal-
caria in carbonariam). Ich Thor, der ich in der Prälatur Ruhe dachte !
Besser hätte ich das frühere Elend getragen, als das alte Uebel durch
neues vermehrt. Jetzt bin ich durch Schaden klug geworden! Aber
wer hätte das von Priestern erwartet! Nicht ganz ohne Grund wü-
thct gegen uns das Volk. Unsere Schuld ist es, wenn wir so leben,
dass unsere Schandthaten die der Schlemmer und Wüstlinge (ganeo-
rura et lurconum) hinter sich lassen. Wer hasst uns nicht mit Recht?
Wie hätte ich aber wissen sollen, dass dieses Uebel unter denen
herrsche, welche sich den Ehrennamen Canoniker anmaassen, d. h.
von Leuten, die nach der Regel leben. Wer hätte glauben sollen,
dass mit einem so hohen Namen eine so plumpe und faule Nach-
lässigkeit, eine so raffinirte Leidenschaft, ein in jeder Beziehung so
verbrecherischer Wandel verknüpft sei, Dinge die nicht Priestern,
sondern Taugenichtsen ziemen. Du weiset, ich sollte Decan sein, aber
ich werde geringer geachtet, als ein ägyptischer Esel. Das bringen
diese Zeiten mit sich. Alle wollen herrschen, Niemand will unter-
geben sein. Ich sei Lutheraner, werfen sie mir vor und vertheidigen
damit ihre Hartnäckigkeit. Denn ihnen heisst Lutheraner, wer ihre
Laster angreift, wer Christi Amt verwaltet, und wie zu grosser
Schmach wird ihm dieser Name gerechnet! Was den Namen selbst
betrifft, obgleich ich mit Paulus ihn nicht anerkenne, so schäme ich
mich doch seiner nicht allzu sehr, wenn Lutheraner sein heisst der
Wahrheit und der Gerechtigkeit nachstreben. Was jedoch die Lehre
betrifft, wie kann man mich um ihretwillen anklagen, da ich mich zu
Digitized by Google
- 144 -
ihr nicht bekenne, und wenn ich mich zu ihr bekenne, so bekenne
ich mich zu üir nur als zu Christi Lehre, denn wenn sie mit dieser
nicht stimmt, so erkenne ich sie unter Allen am wenigsten an. Aber
ob sie mit dieser stimmt oder nicht, danach habe ich, mein' ich, nichts
zu fragen. Auch ist sie, wenn ich sie verdamme, darum mcht ver-
worfen; wenn ich sie gut heisse, darum noch nicht angenommen.
Mich nimmt es Wunder, dass sie mir nicht einen anderen, gehässi-
geren Namen gegeben haben. Denn diesen sehen wir hochgeachtet
vom Volke, von allen Gelehrten, von allen Fürsten, kein anderer hat
bessern Klang und wird ehrenvoller erwähnt; je übler bei jenen Lu-
ther berüchtigt ist, - desto mehr wird er fast von allen Christen ge-
rühmt. Auch ich habe für meinen Theil Luther gelesen. Er lehrt
nicht schlecht leben, noch lehrt er Ubelthun. Aber geben wir auch
zu, dass er bei diesen ein Ketzer ist, was geht das mich an, der ich
hier [in Steinheim] mein Amt hatte, ehe Luther je schrieb? Mein
grösster Trost dafür ist, dass ich mit dir dieses Loos theile. Was dir
deine Musen zuziehen und der unermüdliche Eifer gegen die Be-
kämpfer der Wahrheit, das verursacht mir das Amt des Gebieten»,
Wer möchte daher heutzutage nicht lieber Schweinehirte als Decan
sein? Aber mich zurückzuziehen, steht mir nicht mehr frei. Wenn
ich mich auf meine Tfarrei begebe, — ich berichte es mit tiefer
Trauer — so finde ich Manche von schlechtem Rufe: Geizige, Nei-
dische, Unwissende, Ehebrecher, Trunkenbolde. Ich kehre zu mei-
nem Stifte zurück: hier finde ich nicht solche, die diesen gleichen,
sondern sie an Bosheit übertreffen. Doch warum soll ich dir eine Satyre
schreiben, da du die ganze Sachlage genauer kennst? Gleichwohl
fühlte ich mich um deines Briefes willen verpflichtet, mich zu ent-
schuldigen. Du beglückwünschest mich, während du lieber mit mir
hättest trauern sollen. Ich sah keine sicherere Zuflucht als zu Christus
und zu der Wissenschaft, das war die Ursache, warum ich geschrie-
ben habe. Wenn du daher die Absicht billigst, so weisst was
mich bestimmt hat. Wenn du mir schmeichelst, so genügt mir, daas
kein böses Gewissen mich ängstet. Auch was du so sehr forderst,
werde ich leisten, wenn es mir des Lebens Dauer verstattet, da ich
sehe, dass mir nirgends grössere Ruhe bereitet ist, als in der Wissen-
schaft Noch hast du nicht Alles gesehen.*) Du aber, der du deu-
*) Die Forderung des Brunfels musssicb auf die Fortsetzung der Iitterarisohen
Thätigkeit dos Indaginc bezichen. Der letzte Satz besagt, das« dieser noch
Vieles geschrieben hat, was nicht edirt ist. Im Folgenden muntert er auch den
Brunftls zur litterarischen Bethätigung anf.
Digitized by Google
- 145 -
selben Geist, dieselbe Gelehrsamkeit besitzest, bewähre auch du dich
als Manu; wisse, dass ich darum dich dringend gebeten; ich be-
schwöre dich, dass du es thuest und nicht nachlassest Ich hoffe, dass
wir uns einst wechselsweise an der Wissenschaft erquicken, wenn die
heisse Galle Emiger sich gekühlt hat Man muss den Zeiten Rech-
nung tragen. Unterdessen tröste dich in deinen Verfolgungen um
Christi willen an der Schrift, die du kennst Lebe wohl. Aus unse-
rer Pfarrei Steinheim. Am 1. Juli Anno 1522."
Beide Briefe stellen fest, dass Indagine schon im Jahre 1522
Decan zu St Leonhard war, während Lersner in seinem Verzeich-
nisse ftir die Jahre 1522—1527 keinen Decan auffuhrt. Der zweite
Brief eröffnet uns überdies einen Blick in sein Leben. 18 Jahre
hatte er an Höfen verbracht und wahrscheinlich als Astrolog willige
Ohren gefunden. Dann hatte er 34 Jahre als Pfarrer, ohne Zweifel
an derselben Stelle, zu Steinheim gegenüber Hanau, gestanden. Die
Behauptung Ritters im evangelischen Denkmal, dass er 49 Jahre
diese Stelle bekleidet habe, ist aus einer Angabe in Boissard's Ico-
nes n, 201 flg. geflossen, die um so weniger in's Gewicht fällt, da die
Quelle, aus der Boissard seine Biographie des Indagine geschöpft hat,
wie er selbst sagt, nur die beiden Briefe sind. Indagine muss also
im Jahre 1488 die Verwaltung der Pfarrei angetreten haben. Eine
verdeckte Spur deutet darauf hin, dass er schon vor Ablauf des
15. Jahrhunderts mit Frankfurter vornehmen Familien in Verbindung
gestanden habe. Job Kohrbach erzählt, dass er mit seiner Mutter
und der reformatorisch gestimmten Katharina Holzhausen geb. Frö-
schin von Hanau aus den Plebanus zu Steinheim auf seine Einladung
am 18. Juni 1496 besucht und bei ihm den ganzen Tag zugebracht
habe. Schon im Jahre 1515 finden wir ihn als Canonicus und Käm-
merer des Leonhardstiftes zu Frankfurt; 1521 oder 1622 wurde er
dessen Decan. Doch lässt sein zweiter Brief vermuthen, dass er
meist auf seiner Pfarrei lebte und sich nur zeitweise in Frankfurt
aufhielt Wahrscheinlich erschien er in Frankfurt nur zu den wich-
tigsten Capitelsitzungen. Daraus erklärt sich auch, warum König-
stein nur selten den Decan zu St. Leonhard, sondern meist nur den
Scholaster erwähnt; eben so wenig kommt auch sein Name in gleich-
zeitigen Urkunden dieses Stiftes vor. Dasselbe Bild der inneren Auf-
lösung, das im Liebfrauenstifte die Briefe des Cochlaeus entwerfen,
zeichnet dieser Brief für das Leonhardstift. Alle wollen herrschen,
Niemand gehorchen. Schlemmerei und Prasserei sind an der Tages-
ordnung; die Unsittlichkeit und Rohheit der Canoniker übertrifft
weit die sittlichen Mängel der Steinheimer. Von der Nothwendig-
IV. 10
Digitized by Google
- 146 -
keit der Reformation ist Indagine tief durchdrungen: Luther is:
ihm ein von Allen mit Hecht verehrter Mann. Er lehrt nicht»
Schlechte«. Indagine wird von den Andern — und nicht Mos von
dem Scholaster Fischer, sondern auch von seinen eigenen Cano-
nikern — ein Lutheraner gescholten; er trennt sich aber trotx sei
ner Anerkennung Luther s nicht vou seiner Kirche, ohne Zweifel,
weil das, was ihm das Wirken und die Person des Reformator*
ehren werth machte, mehr die sittliche als die theologische Seite der
Reformation war, für die er kein Interesse und Verständnis« zeigt
Er will auch keine Spaltung, sondern Wahrheit und Gerechtigkeit
Aus diesem Gesichtspunkte begreift sich die auffallende Thatsacht.
dass seine beiden Briefe an zwei Männer gerichtet sind, die gam
entgegengesetzten Heerlagern angehören und darüber mit einander
in harten Conflict gerathen sind: an den Mainzer Generalvicar Diete-
rich Zobel, der bis dahin selbst die freisinnigen Tendenzen in d«r
Kirche vielfach gefördert hatte, und an Otto Brunfels, der mit B**-
geisterung die Fahne der Reformation erhoben und sich eben nach
Frankfurt geflüchtet hat vor den Requisitionen der Mainzer Geist-
lichkeit, die ihn mit Kerker oder Tod bedrohen und die nur von
demselben Generalvicar ausgegangen sein können. Solche persönliche
Stellungen grenzen für unsere ganz anders geartete Zeit an das Ud-
begreifliche; ihre Constatirung mag dein Historiker als Warnung die-
nen, die Zustände früherer Jahrhunderte nich nach unsern Verhält-
nissen und Vorstellungen zurechtzulegen. Dass Indagine auch mit
den Hauptbeförderern der Reformation in Frankfurt mit Ha man Hor-
hausen und Fürstenberger, näher bekannt gewesen sei, ist mehr ab
wahrscheinlich, aber nicht urkundlich constatirt. Seine Beziehung m
Otto Brunfels könnte auf eine Verbindung mit dessen Schützer Wilhelm
Nesen hindeuten: allein näher erwogen, legt der Eingang seiner
Briefe die Annahme nahe, dass Brnufels durch die Schriften des In-
dagine, deren Gegenstände auch seiner Neigung entsprachen, sich
angezogen fühlte, ihm brieflich den Ausdruck seiner Bewunderung
entgegengebracht habe, und das» so die Bekanntschaft beider Männer
vermittelt worden sei. I>iese Auffassung hat eine Stütze in der That-
*ache, dass in der 1522 gedruckten Folioausgabe der Werke des In-
dagine der Brief an Brunfels sich noch nicht findet. Wahrscheinlich
war übrigens derselbe die Ursache, warum Paul Caraffa (Papst
Paul IV.), der Urheber der neueren Inquisition und seit 1567 de*
Index Hbrorum prohibitoruin , auch seine Schriften, obgleich diesel-
ben sonst nichts Verfängliches enthalten, verdammt und ihre Leetüre
verpönt hat. Auch wenn Indagine schreibt, sein junger Freund sei
Digitized by Google
- 147 -
selbst bei den meisten Tragödien gegenwärtig gewesen, so meint er da-
mit wohl nur die Verunglimpfungen, die beide von der clericalen Partei
gemeinsam erfahren haben. Wir bedauern, dass dies die einzigen
Notizen sind, in deren Besitz uns die Frankfurter Quellen bis jetzt
über das Wirken des Mannes gesetzt haben. Sie reichen indess voll-
kommen aus, das nebelhafte Bild, das sich frühere Zeiten von ihm
als Vorläufer der Reformation entworfen haben, auf das bescheidene
Maass der geschichtlichen Wirklichkeit zurückzufahren.
Auch später scheinen sich »eine Verhältnisse zu dem Stift nicht
gebessert zu haben. Im Jahre 1527 nennt Lersner II, II, 186 als
Decan den Petrus Rode und den Joh. Indagine als Decanus Eccle-
siae; im Jahre 1528 (187) bezeichnet er den letzteren als Plebanus
in Steinheim, quondam Decanus. Diese Angaben erhalten ihr Licht
durch zwei Urkunden des Leonhardsarchives. Nach der ersten (in
den Büchern des Leonhardstiftes Nro. 9) brachte Dr. Joh. Eier,
Scholaster der Collegiatkirchc St Johann zu Mainz, am 15. October
1527 einen Vertrag zwischen Petrus Rode, Altarist des Altars des
heib'gen Kreuzes zu St. Gangolph in Mainz, und Johannes Indagine,
Decan der Kirche der heiligen Maria und St. Georg's, sonst auch
St Leonhards, zu Frankfurt wegen Permutation zu Stande. In der
zweiten, ausgestellt zu Aschaffenburg am Sonntag Oculi (15. März)
1528, zeigt Cardinal Albrecht von Mainz dem Leonhardscapitel an:
uns hat der ehrsam, unser lieber, andächtiger Peter Rode, zu erkennen
gegeben, wie er sich mit dem Pfarrherr zu Steinheim um die Decha-
nei zu St Leonhard zu Frankfurt einer Permutation verglichen, also
dass er ihm dagegen seinen Altar auf dem Mönchhofe zustellen soll.
So erklärt es sich, dass 1531, 1534 und 1536 bei Lersner (1. c.) Joh.
Indagine als exemptus Canonicatus in dem Verzeichnisse aufgeführt
und 1534 sogar Tiburtius Griss als sein Vicar erwähnt wird. Wahr-
scheinlich kam der ehemalige Decan nicht mehr nach Frankfurt und
es wurde ihm zugemuthet, für seine Präbende sich einen Vicar zu
stellen. 1539 kam dieser Tiburtius Giss „die feria 5." (es ist ohne
Zweifel „die Februar. 5." zu lesen) in den Possess; du dies Lersner
mit dem Zusatz berichtet: antecessor Plebanus in Steinheim Joh. de
Indagine, so wird derselbe unmittelbar vorher verstorben sein; er muss
also die Pfarrei Steinheini über ein halbes Jahrhundert verwaltet und,
da er vorher 18 Jahre an Höfen gelebt, ein Alter von etwa 90 Jahren
erreicht haben.
Dass er die Zustände des Leonhardstiftes in seinem Briefe an
Otto Brunfels nicht mit allzugrcllen Farben geschildert hat, zeigen
uns die gleichzeitigen Urkunden des Stiftsarchives. Vier Urkunden
10*
Digitized by Google
(547 a— d) bezeugen, dass iin Jahre 1513 der Canonici» Gerlacli FoLu
von Idstein sich in Schinühworten gegen den älteren Bürgermeister
Gilbreeht llolzhausen vergangen und dass trotz der Verwendung
des Amtmannes von Idsein selbst die geistliche Oberbehörde ihm
die Permutation seines Canonicates für den Fall auferlegt hatte,
dass er nicht die Vergebung des Gekränkten erlangte. Obgleich der
Letztere im Mscrpt Schurg osor cleri genannt wird, scheint er doch
Grossmuth gegen seinen Beleidiger geiibt zu haben: wenigstens wird
dieser noch 1515 von Lersner als Canonicus aufgeführt Durch die
folgenden Jahre zieht sich im Schoose des Capitels ein ärgerlicher
Zwist mit dem Canonicus Joh. Bender von Lieh (vergl. das Buch
Nro. 9 des Stiftsarchivs), demselben, der uns durch seinen Streit mit
Wolf Bronner, gen. Parentc, im Jahre 1528 (Luthers- und Melanch-
thousherbergeu S. 19) bekannt geworden, und da wir ihn von Lers-
ner zu 1540 gleichfalls als Exemptus notirt finden, wahrscheinlich
als Storefried zur Permutation seiner Präbende genötliigt worden ist.
Von ihm und Peter Rode berichten uns die Urkunden eine bezeich-
nende Rohheit. Joh. Stotzel, städtischer Zöllner am Main, war einer
der Baumeister von St. Leonhard. Bei der Reparatur einer Capelle
hatte er am Dienstag nach Quasimodogeniti 1523 einige Schulden von
Joh. Bender eingefordert, der gerade aus dem Chore trat; dieser
nannte ihn Lecker, Buben, Schalk, Huren wirth und führte dabei Re-
den so gemeiner Art, dass sie sich nicht wiederholen lassen. Dann
stürzte er in sein Haus, legte seinen Chorrock ab, schnallte seinen Degen
um, eilte wiederum in die Steinhütte auf dem Kirchhofe und erneuerte
den Streit Später kam er mit Peter Rode wieder; auch dieser griff
ihn in derselben pöbelhaften Weise an und machte ihm kränkende
Bemerkungen über den rothen Rock, den er als städtischer Beamter
trug, als ob er durch diese Farben als unfrei und tinehrbar gekenn-
zeichnet sei (Urkunden 603 — 005).
Dass unter desselben Rodo Decanat, das bis zum Jahre 1553
währte, die Verhältnisse des Stiftes sich nicht gebessert haben, be-
weist eine Urkuude (Nr. 431) vom 2. October 1568, in welcher Chur-
fUrst Daniel von Mainz dem Capitel in ernsten, strafenden Worten
den Verfall des cauonischen Lebens vorhält und auf unverzügliche
Reformation dringt. „Das ganze Haupt'', sagt er im Eingange, „ist
krank, das ganze Herz ist siech, von der Fusssohle an bis auf das
Haupt ist nichts Gesundes (Jes. 1, 5. 6.). Demi wie in äusseren, so
in göttlichen Dingen herrscht die grösste Lässigkeit uud Trägheit:
die meisten Verrichtungen sowohl im Chor als in eurer Verwaltung
liegen in Verwirrung und werden versäumt. Keiuc Meister sind in
Digitized by Google
- 149 -
eurer Bauhütte, ihr habt keinen Chorschreiber, keine Visitation der
Höfe (nullae curiarum visitationos), keinen Scholaster, keinen Custo-
den; wenn diese Ehrenstufen wieder besetzt werden müssen, wird
dies schon dadurch erschwert werden, dasa ihre Güter und Einkünfte
verschleudert und ungewiss geworden sind .... nirgends neue Repcr-
torien, nirgends eine Aufzeichnung eurer Capitclbcsehlüsse, nirgends
Inventarien, oder wenn solche sieh finden, so sind es gewiss nur we-
nige, unvollständige, aus alten Zeiten herrührende. Uebcrdies die
grössten inneren Zwistigkeitcn, entsetzliche und verjährte Rechtsstreite
fast Aller unter einander, an denen nur Wenige unbetheiligt geblie-
ben sind. Die abgetragenen Capitalien sind nicht wieder angelegt
worden, die meisten sogar durch Laien und durch eure unnützen
Kämmerer verloren gegangen, woraus kein geringer Aulass eures
ewigen Haders erwachsen ist. An den meisten Orten sind die Gren-
zen eurer Aecker unbekannt; dieselbe Sorglosigkeit, Unordnung und
Verwirrung, die ihr in den äusseren Angelegenheiten zeigt, waltet
bei euch in den göttlichen Dingen: kaum wohnt einer oder der an-
dere dem Gottesdienst bei, kaum verwaltet er seine Amtspflichten,
oder wenn er es thut, so geschieht es ohne Andacht. Die Haltung im
öffentlichen Leben ist eine unpriesterliche. Die Meisten haben offen
ihre Concubinen, andere sind als Trunkenbolde bekannt" So Daniel
von Mainz: seine Schilderung ist nur der Commcntar zu den Andeu-
tungen, die etwa 40 Jahre früher Johannes Indaginc gegeben hat
VI. Der vorläufige Ausgang dieser Geschichten.
Wir wenden uns wieder zu dem Gange der Ereignisse zurück,
um innerhalb weniger Jahre fast alle die Persönlichkeiten, die wir
in denselben mit oder gegen einander wirken sahen, eine nach der
andern von dem Schauplatze abtreten zu sehen.
Vielleicht würde die Fehde der Ritterschaft mit der Geistlichkeit
zu Frankfurt sich noch lange fortgesponnen und eingreifendere Fol-
gen gehabt haben, wenn nicht das Interesse des Adels sich nach einer
andern Seite gerichtet hätte. Sickingen war es nicht allein um die
Freiheit des Glaubens und Gewissens, sondern auch um politische
Freiheit zu thun und wie die Meisten, welche für diese das Banner
erheben, forderte er dieselbe zunächst für seinen Stand. Das Empor-
kommen dos Letzteren und die Erhöhung seines eigenen Einflusses
zu fürstlicher Machtstellung war sein kühnes Ziel. Nur mit dem
Schwerte konnte die Bahn zu demselben gebrochen werden. Am
Digitized by Google
- 150 -
10. August 1522 brachte er unter der freien rheinischen Ritterschaft
zu Landau ein „brüderliches Verständnis»" zur Wahrung ihrer Inter-
essen und inbesondere ihrer Unabhängigkeit von fremder Gericht.-5 bar
keit zu Stande, zu dessen Hauptmann er selbst auf sechs Jahre ge-
wühlt wurde. Er achloss Bündnisse und befestigte seine Borgen, be-
sonders* Ebernburg und LandstuhJ. Als ersten Gegner ersah er sich
den Churfuraten von Trier, Erzbischof Richard von Greifcnklau, dessen
kriegerische Neigungen, wie Strauss sagt, im Kleinen an Julius IL
erinnern, wie die Prachtliebe und Eleganz Albrechts von Mainz an
Leo X. Den Churhut dachte er ihm vom Haupte zu nehmen und
das seine damit zu schmücken. Die Säcularisatiou und Reformation
des geistlichen Churstaates sollte wohl dem kühnen Handstreich eine
höhere Bedeutung geben und das menschliche Unrecht mit einem
Scheine göttlichen Hechts bedecken. Der Grund zur Befehdung war
leicht gefunden oder vielmehr vom Zaune gebrochen. Einer seiner
Verbündeten Georg Börner hatte zwei reiche Trierische Unterthanen
gefangen weggeführt und sie gegen mehr als 5000 Gidden losgelassen,
die Franz von Sickingen bezahlte, um eine Forderung gegen sie, be-
ziehungsweise ihren Landesherrn, zu haben. Umsonst bedrohte ihn
das Reichsregiment zu Nürnberg mit der Acht. Sickingen brach im
Churstaat mit gewaffneter Hand ein und stand am 8. September vor
Trier. Er hatte sich in seinem Gegner verrechnet Vergebens for-
derte er die Stadt zur Uebergabe auf; vergebeus beschoss er sie mit
glühenden Kugeln. Die Trierer setzten einen entschlossenen Wider-
stand entgegen; am 14. September hob Franz die Belagerung auf
und zog sengend und plündernd ab.
Der Churfürst von Mainz, von Richard von Greifenklau zur
Hülfeleistung aufgefordert, hatte öffentlich mit leeren Entschuldigungen
geantwortet, im Stillen aber Sickingens Unternehmen begünstigt,
wenigstens nicht verhindert; viele Mainzer Kitter eilten zum Heere
Siekingcn'» und setzten auf churmainzischen Fährten über den Rhein.
Dagegen hatte der Landgraf von Hessen die Schmach noch nicht
vergessen, die er während seiner Minderjährigkeit vor vier Jahren
von dem kühnen Ritter erfahren, als dieser Darmstadt erobert, sein
Land geschädigt, ihn selbst gebrandschatzt hatte; aus Oberhessen war
er längs der Lahn herabgezogeu, hatte den Zuzug abgeschnitten, den
Nicolaus von Minkwitz vom Norden her Franzen zufuhren sollte, und
war bis Limburg vorgedrungen: hier begrüsste ihn Ende September
der Trierer und beide trafen, um ihre Sicherheit gegen ähnliche
Ueberrumpelungen festzustellen, bindende Verabredungen, denen auch
der Churfürst von der Pfalz als Dritter beitrat.
Digitized by Google
— 151
Die nächste Absicht der Verbündeten richtete »ich gegen die
Helfer und Beistände Sickingen's, über die wie über ihr Haupt be-
reits die Reichsacht gefallen war (Keller, Gesch. Nassau 's I, 22, nach
dem Idsteiner Archiv), vor Allem gegen Hartmuth von Cronberg, der
zwar an dem Trierer Zuge keinen Theil genommen, aber zum Schutze
der Ebernburg auf dieser zurückgeblieben war. Der Churfürst von
Mainz versah sich nicht» Gute», zumal er es gestattet hatte, das»
die Beute des Trier'schen Zuges offen in Mainz verkauft wurde, und
traf Rüstungen zu seiner Sicherheit. Auch für Frankfurt traten un-
ruhige Wochen ein. „Am letzten September, berichtet Königstein,
ist viel Bauernvolk, zugehörig meinem gnädigen Herm von Mentz
dem Main hinab zu Schiff und Fuss gezogen und ist ein gross Rüs-
tung gewest, vom Pfalzgrafen, Landgrafen und Bischof von Mcntz,
so dasB viel Stadt, Schloss und Dorf geflohet han ihr Hab in Frank-
fort und Niemand» gewusst gänzlich wohin." Selbst die Natur schien
durch den Aufruhr ihrer Elemente Schrecken zu weissagen: an dem-
selben Tage „Abends zwischen sieben und acht Uhren hat sich ein
gross Wetter mit Blitzen, Donnern und Regen erhoben und unge-
fährlich drei und ein halb Stunden gewährt."
Donnerstag den 9. Oktober, erzählt derselbe Berichterstatter, „von
12 Uhren an bis fünfe ist der Pfalzgraf mit Namen Ludwig, Chur-
fürst, in Frankfurt geritten mit viel Fussvolk, nämlich vier Fähnlein
und seinem Wappen und ein Fähnlein, daran ist gestanden des Rieh»
Wappen, ein Adler; darnach viel Wagen mit Proviant, Geschütz 19
Stück, drei Hauptstück, da an jeglichem zogen 16 Pferd. Also ist Cl-
in das Frauenbrüderkloster gezogen, daselbst die Nacht und den an-
dern Tag still gelegen. Ist das Geschrei gewesen, er wolle vor Cron-
burg ziehen, davor die Zeit gelegen ist der Landgraf von Hessen.
Darzwischen ist viel Bittens geschehen von dem von Königstein,
Herrn Walther von Cronberg, Oomthur [zu Frankfurt], und andern
Herrn und Edeln , aber nichts verfangen, sunder den andern Tag
Samstag, welches der 11. Octobris war, wieder mit seinem Zeug uf
gewest und nach (Vonburg, daselbst sie Lager angesehlagen, in
Meinung die zween landsherrn, Pfalz und Hessen, ( Yonburg zu ge-
winnen. Gott geb ihnen Glück!"
„Am Sonntag [Samstag nach] Dionvsii," sagt Keller < a. a. G.23),
,,11. Okt. rückte Landgraf Philipp von der Lahn mit 1500 Reisigen heran
und lagerte sich auf der Südseite der Festung, Ludwig von der Pfalz, der
das Reichspanier vor sich hertragen Hess, war von Frankfurt her mit
600 Reisigen im Anzüge und besetzte die Ostseite, und Richard, der
bei Boppard über den Rhein ging, durch das Rheingau zog und über
Digitized by Google
152 -
Liederbach und Münster heranrückte, wollte sein Lager auf der West-
seite schlagen."
„Anno 1522 14. Octobris" (Dienstag), erzählt Königstein weiter,
„des Morgens zwischen fünf und sechs Uhren han die zween Fürsten
Pfalz und Landgraf Cronburg angefangen zu schiessen, ist des Abends
der Bischof von Trier auch zu ihnen ins Lager kommen, und also
den ganzen Tag viel Schüss gethan. Frauen, Jungfrauen und Kin-
der sind aus Cronburg kommen und durch den Landgrafen gefreit
worden. Son9t ist keinGnad gewcst. Item den Mittwoch darnach, den
15. Octobris, war Regenwetter, also dass sie nichts thun mochten,
sondern den Tag die Sach ward eingestellt und auf die Bitte von
Edelleuten ist Cronburg ufgenoramen worden und den dreien Land-
fürsten eingeben, Pfalzgrafen, Landgrafen und Trier. Den Donnerstag
darnach [haben sie] gehandelt zu Cronburg nach ihrem Gefallen."
Hartmuth von Crouberg hat den Ausgang der Belagerung nicht
abgewartet : er flüchtete durch einen unterirdischen Gang, der bei
der Anlage der neuen Königsteiner Landstrassc (wie Keller a. a, O.
S. 25 sagt) wieder zu Tage kam. Junker Quirin von Cronburg war
der Einzige seines Geschlechtes, der den Widerstaud bis zur äusser-
ten Grenze der Möglichkeit fortsetzte und die Burg seiner Väter
übergab.
„Donnerstag den 16. Octobris", berichtet Königstein, „des Abends
um sieben Uhren ist zu Schiff kommen, niyn gnädiger Herr von
Mentz und im Döngeshof gelegen. Han ihm die drei Stifter alsbald
den Wein geschenkt und der Dechant Sanct Bartholomaei das Wort
gethan. Freitag darnach 17. Octobris des Morgens um acht Uhren
ist kommen des Bischofs von Mentz Zeug 50 Pferd. Darnach zu
zwei Uhren der Landgraf und Bischof von Trier sind mit einander
kommen und geherbergt in Jorg Stalburgs Haus , auch der Pfalz-
graf. Was sie handeln werden, lass ich geschehen, Gott schick alle
Dinge zum Besten ! Item 18. Octobris, welches war der Tag Lucac
des Evangelisten, han die vier Fürsten der beiden Pfalz, Trier und
Hessen getagt mit meinem Herrn von Mentz und sind vertragen: der
Bischof zu geben ein Summe Gelds mit viel Verpflichtung und Zu-
sagung. Darnach sind kommen die Grafen, han auch müssen bocken."
Den Kurfürsten von Mainz kostete der Vorschub, den er Sickingen
stillschweigend geleistet, eine Entschädigungssumme von 25000 Gulden,
gegen deren Zusage auf zwei Termine sich die Verbündeten mit ihm
einigten. Die Geistlichkeit seiner Diöcese musste ihm dazu bei-
steuern. Am 14. Februar 1523 sandte er seinen G cneralvicar l)ietc-
rich Zobel mit dem Aschaffenburgcr Scholaster Conrad Rücker auch
Digitized by Google
— 153 -
an die Stifter, liess ihnen, wie Königstein sagt, „mit geschmückten
AVorten" sein unverdient Loos vorhalten und forderte von ihnen, dass
sie ihm in zwei ganzen Subsidien zu Tröste kämen. Auch in der
Noth ihres geistlichen Oberhirten zeigten sich die Stifter nicht allzu
opferwillig; sie sandten am 19. Februar jedes einen Abgeordneten
nach Mainz um mit ihrem Oberhirten zu verhandeln und waren so
glücklich ihm ein halbes Subsidium abzudingen, so dass der Churftlrst
sich mit drei Vierteln der ursprünglichen Forderung begnügen musste.
Am 20. März ging der Capitular Johann H umbracht abermals nach
Mainz und entrichtete das Subsidium, also zwei Drittel der zu bezah-
lenden Beisteuer, mit 68 ti. I1/* Turnosen für das Liebfrauenstift.
Wir befürchten der Cardinal wird nach diesem Maasstabc nicht allzu
viel empfangen haben. Erst im Jahre 1525 war er im Stande Stadt
und Ajnt Höchst, die er zum Pfand gegeben hatte, wieder auszulösen
(Keller a. a. O. 26).
Am Sonntag den 19. October 1522 um 6 Uhr Abends begab
sich der gebüsste ChurfUrst wieder zu Schiffe nach Mainz. Tags
darauf brach des Pfalzgrafen Volk von Cronberg auf und zog um
12 Uhr mit Wagen und Geschütz durch Frankfurt nach Hause. Um
drei Uhr ritt der Bischof von Trier, um vier Uhr der Landgraf von
Hessen mit seinem Zeug nach Cronberg. „Gott geb," bemerkt
Königsstein, wohl nicht ohne einen bittern Rückblick auf die Bedräng-
nisse des Clerus durch die Kitter, „dass sio's gut gemacht haben imd
schenk' uns allen Frieden ! " Reifenberg und Falkenstein wurden
gleichfalls belagert und genommen, aber die Ritter schlössen mit den
Fürsten einen Vertrag. Dann zog vom 23 — 26. October der Land-
graf vor Rückingen (die Burg Rüdicken's), vor Lindheim, Salmün-
ster, das Schloss Frowin Hutten's, vor Gelnhausen und andere feste
Plätze und nahm sie ein. „Der Adel floh hin und her," berichtet
Königstein und knüpft daran den frommen Wunsch : „Gott geb, dass
Fried und die Gerechtigkeit bleib."
Am besten kamen die beiden andern Bundesgenossen Cronber-
ger's im Frankfurter Streite, Marx Lösch von Möllnheim und Georg
von Stockheim, weg. „Wir hören nicht," sagt Keller, „dass sie sich
bei der Sickinger Fehde betheiligten; sie hatten daher nicht das trau-
rige Loos ihrer meisten Standesgenossen zu theilen; wir finden in
ihnen besonnene und umsichtige Männer, unter deren Einfluss und
Leitung die evangelische Lehre in den Nassauischen Landen bald
viele Anhänger gewann."
„Am 15. April 1523," fahrt Königstein fort, „des Morgens um
10 Uhren hat der Landgraf von Hessen angefangen durch Frankfurt
Digitized by Google
- 154 —
zu ziehen. Zuerst kam das Geschütz, grosse und kleine Stück, dar-
nach viel Wagen, ungefährlich vierhundert, etlich leer, die andern
haben Pulver und Stein geführet, darnach der Landgraf mit drei
Pferden ziemlicher Maassen gerüstet, darnach das Fussvolk auch nra
dreihundert Mann ungefährlich und sind also durch- und hinausgezo-
gen auf Russelsheim zu. Daselbst verharrten sie etliche Tage und
nahmen in vielen Dörfern, dem von Isenburg zuständig, Proviant.
Den neunzehnten April ist erst der Landgraf von Hessen über den
Rhein gefahren, hat, wie man sagt, zu Sanet Victor geherbergt, und
ist weiter gezogen auf Ebernburg. Ist ihm der Bischof von Trier
entgegen kommen und haben die drei Fürsten viel Volks gehabt."
Vor Ebernburg erhielten sie die Nachricht, dass Franz von
Sickingen mit den Rittern, die ihm treu geblieben waren, sich in
Landstuhl (Nannstuhl , Mannstuhl) eingeschlossen habe, und wandten
sich dorthin. Da die Burg durch ihre Lage jeden Sturm unmöglich
machte, so entschlossen sie sich Ende April zur regelmässigen Bela-
gerung. „Anno 1523," erzählt unser Frankfurter Chronist, „am
7. Mai sind die Fürsten, nämlich Pfalz, Trier, Landgraf gelegen vor
einem Schloss, genannt Landstall, darin war Franz von Sickingen
mit etlichen Edeln, und wiewohl das Schloss geschossen war zum
Sturm, haben sie doch uit wollen stürmen, so lange es ihnen fugiieh
war. Doch hat der Bischof von Trier den obgenannten Tag lassen
ein Büchsen richten wieder in das Schloss und geschossen, als man
sagt, in die Küchen und troffen einen Sparren, welcher Frauzen be-
griffen und geschlagen hat, dass er nach etlichen Tagen verschieden
ist. Gott wolle der Seel und aller Gläubigen Seelen gnädig sein.
Nach dem haben die, so noch darin gewest, den Fürsten das Schloss
übergeben, welche sie alle gefangen genommen haben und unter
einander getheilt. Ist dem Landgrafen Philipp von Rüdicken zu
Theil geworden, hat ihn mit andern gen Marburg geschickt, daselbst
gefänglich zu bewahren. Und sind die Fürsten weiter nach andern
Schlössern gezogen, dieselbigen auch zu rechtfertigen {justificiren,
bestrafen]. Gott geh ihnen Glück und uns Allen." Dieser Bericht,
der natürlich nur auf Hörensagen sich gründen kann, hat mehrere
Ungenauigkeiten. Sickingen ist nicht in einer Küche, sondern im
Freien verwundet worden durch Mauersteine^ und Pfahle, welche der
Schuss einer Nothschlange losriss und ihm in den Leib trieb. Der
siebte Mai war der Tag nicht seiner Verwundung, sondern seine»
Verscheidens. „Nachdem," schliesst unser Berichterstatter, „haben sich
die Fürsten gelagert vor Ebernburg, daselbst etlich Tag verharrt und
greulich geschossen; wiewohl die, so darin waren, sich zu Anfang
Digitized by Google
- 155
ihnen zur Gegenwehr gestellt, hat es ihnen doch wenig geholfen und
haben sich zuletzt den Fürsten auch ergeben. Dargegon haben die
Fürsten [die], so darinnen waren, edel und unedel ledig lassen ab-
ziehen und danach das Schlosa ausgebrannt Also haben die drei
Fürsten darnach gebeutet [die Beute vertheilt], und ist dem Land-
grafen werden Cronberg zu eigen. Darnach jeglicher heimgezogen."
Wir sind in der Darlegung dieser Begebenheiten absichtlich dem
Frankfurter Chronisten gefolgt: nicht nur trägt seine Erzählung den
knappen Zuschnitt, der unserem Zwecke auf diesem Punkte mehr ent-
spricht als eine weitläufige Darstellung, sondern sie ist auch überdies
von dem Frankfurter Interesse beherrscht und lässt uns deutlich den
Nachhall vernehmen, in welchem die Schwingungen der Ereignisse
in der hiesigen Bürgerschaft fortklangen.
Sickingen's Ausgang hat etwas Tragisches. Nicht ohne Bewegung
umstanden die drei Sieger das Sterbelager des Helden, der eines
besseren Looses würdig gewesen wäre. Als er geendet, beteten sie
für seine Seele ein Vaterunser. Luther brach bei der Kunde von
seinem Falle erschüttert in die Worte aus: Gott ist gerecht und wun-
derbar seine Gerichte! Viele riss sein Sturz mit hinab, auch mehrere
von denen, die in diesen Blättern unsere Aufmerksamkeit und Theil-
nahme beschäftigt haben. Zunächst den Hartmuth von Cronberg.
Als geächteter Flüchtling ohne Haus und Heimath finden wir ihn
schon im November 1522 in Basel (Glareanus an Zwingli, Basel
8. November 1522. Zwinglü opp. ed. Schuler et Schulthess VII, 247);
am 25. Februar 1523 weilte er mit Graf Albrecht von Mansfeld in
Wittenberg; Luther bewirthete beide im Augustinerkloster und schreibt
von Hartmuth an Spalatiu: „der Mann, der so vieles erduldet, steht
noch fest genug im Glauben." Neunzehn volle Jahre lebte er in der
Verbannung. Seine und der übrigen Ritterschaft Beraubung durch die
verbündeten Fürsten war ein so eigenmächtiger Rechtsbruch gewesen,
dass der Nothruf der Vergewaltigten zwar für die nächste Zeit durch
den stürmischen Drang der Ereignisse übertönt werden konnte, aber
später desto eindringlicher vernommen werden musste. Endlich nahm
sich der Wetterauische Grafenverein des unglücklichen Hartmuth mit
Wärme und Nachdruck an, und als 1532 auch der Kaiser ihn und
seine Genossen von der Reichsacht lossprach, als 1539 Tagfahrt nach
Frankfurt für sie anberaumt wurde, als 1540 Bucer sich mit seinem
ganzen Ansehen bei dem Landgrafen für den standhaften Glaubens-
genossen verwendete, versölinte sich Philipp der Grossmuthige mit
ihm und richtete am 2. November 1541 einen Burgfrieden aut^ durch
welchen Hartmuth wieder in den Besitz seiner väterlichen Burg und
Digitized by Google
156 -
»einer Güter gelaugte: er versprach die Angsburgische Confeasion.
die der Landgraf im Cronbergischen eingeführt hatte, aufrecht zu er-
halten, wogegen Hessen die Pflicht übernahm, der es mit Treue nach-
gekommen ist, ihn und seine Nachkommen, wenn sie desshalb An-
fechtung erleiden sollten, darin zu schützen und zu schirmen. Hart-
niuth starb am 7. August 1549 im ein und sechzigsten Jahre seine*
Alters und liegt in der Schlosskapelle zu Cronbcrg bestattet (KeDer
a. a. O. 131. Nebe I, 21.)
Seine Nachkommen traten wieder zur römischen Kirche zurück
und wurden in den Grafenstand erhoben ; sein Enkel Johann Schweikard.
Churfurst und Erzbischof von Mainz 1604 bis September 1626, setzte
mit Gewalt die Gegenreformation in Cronberg durch und versuchte
sogar die Jesuiten in Frankfurt einzuschmuggeln, wohin sein Gross-
vater einst dem Hartmann Ibach den Weg hatte bahnen helfen
(Steitz, Antoniterhof, Archiv IT, IV, 127 flg.); im Jahre 1692 erlosch
der Mannsstamm seines Geschlechtes (Rommel, Philipp der Gross-
mttthige II, 66).
Nächst Hartmuth empfand die Wendung von Sickingen's Glück
Niemand schmerzlicher als Ulrich von Hutten. Als nach dem ver-
unglückten Trierer Zuge die Belagerung Landstuhls in gewisser Aus-
sicht stand, musste Franz wohl seinen Hutten entsenden, dessen Krank-
heit — er hatte sie drei Jahre für ausgeheilt gehalten — wieder in
furchtbarer Heftigkeit aufgetreten war und den er darum um so we-
niger in seine Ungewisse Zukunft verflechten wollte. Wahrscheinlich
war es (wie Strauss U, 239 vermuthet), um dieselbe Zeit, dass Franz
von Frankreich ihn einlud, mit einem Jahrgehalt von 400 Kronen
als Rath in seine Dienste zu treten: er lehnte das Anerbieten als
deutscher Mann trotz seines Sicchthums und seiner Dürftigkeit ab.
Ende Juli war er noch auf dem Landstuhl, bald darauf wird er
wohl eine sicherere Zuflucht gesucht haben, einige Zeit hielt er sich
in Schlettstadt auf, wo er von seinen Freunden Geld borgen musste,
um sein elendes Dasein zu fristen; Ende Novembers war er, wie wir
aus dem angeführten Briefe des Glareanus an Zwingli ersehen ,' mit
Hartmuth von Cronberg in Basel ; hier fand er bei Hohen und Niede-
ren Theilnahme und empfing von ihnen Gastgeschenke ; nur Erasmus,
der ihm längst fremd geworden war und mit dem er sich in hartem
Streite überworfen hatte, verschloss ihm seine Thttrc. Bald verwan-
delte sich auch die Gunst, die er in der gastlichen Stadt anfangs er-
fahren hatte, in Kälte : der Magistrat kündigte, durch die Geistlichkeit
bestimmt, dem kranken Flüchtling den Schutz auf; er wanderte am
19. Januar nach der benachbarten Reichstädt Mühlhausen, wo ihm
Digitized by Google
- 157 -
die Augustiner in ihrem Kloster Herberge gaben. Hier schrieb er,
durch manche Zwischenfälle noch mehr erbittert, seine Expostulatio
cum Erasmo, gegen welche Erasmus seine Spongia setzte. Diese Ge-
genschrift erlebte Hutten nicht mehr. Im Mai oder Juni 1623 floh
er, von den Anhängern des alten Kircheuwesens bedroht und selbst
von dem Rathe wohlmeinend zur Entfernung aufgefordert, nach Zü-
rich, wo Zwingli in der ernten frischen Entfaltung seiner reformatori-
schen Wirksamkeit stand, aber selbst der Rath Hutten offen zu
schützen Bedenken trug. Ohne Mittel, nur auf die Mildthätigkeit
seiner Freunde angewiesen, hatte er hier eine elende Existenz; die
heissen Quellen von Pfaffers, deren Gebrauch ihm der reformatorisch
gesinnte Abt, ein Freund Zwingli's, gewährte, blieben an ihm ohne
Erfolg; aber noch war seine geistige Kraft nicht gebrochen, sein Feuer-
eifer für die Sache, der sein Leben gegolten, nicht ausgebrannt: bei-
des konnte ihm nur im Tode erlöschen. Nach kurzem Aufenthalte
in Zürich, wohin er um die Mitte des Juli zurückgekehrt war, fand
er eine Zuflucht auf der Insel Uflfnau, eine halbe Stunde von
Rapperschwyl, in dem Flecken Weideland im Hause des heilkundigen
Pfarrers Hans Schnegg, in welchem er Ende August'« oder Anfang
Septembers einem heftigen Anfall seiner Krankheit erlag. Seine
Hinterlassenschaft bestand in einigen Büchern und einer Feder; Haus-
rath hatte er keinen. Seine Handschriften und Bücher scheinen mit
der Sickingen'schen Beute den Siegern in die Hände gefallen und
verkauft worden zu sein. Der grösste Verlust ist, dass eine Samm-
lung von 2000 Briefen, die er in Worms 1522 in einem Band geord-
net hatte und unter dem Titel Familiarium epistolae herauszugeben
gedachte, gleichfalls abhanden gekommen ist. (Man vergl. über alles
Nähere Strauss am Schlüsse des zweiten Bandes.)
Wie lange der Aufenthalt des Otto Brunfels in Frankfurt ge-
dauert hat, darüber gibt uns ein Brief Nesen's an Zwingli in der
Schuler-Schulthess'schen Ausgabe von dessen Werken (Opp. Lat. VII,
267) die bestimmteste Auskunft Der Brief lautet in deutscher Ueber-
setzung:
„Du siehst, glaube ich, bester Ulrich, wie jener böse Geist nicht
aufhört, die Pflanze der evangelischen Lehre, die ohne unser Ver-
dienst durch Christi Gnade wieder treibt, zu zerstören, aber, wie
wir hoffen dürfen, nur damit sie fröhlicher gedeihe. Der deiner Hu-
manität diesen Brief überbringt, Otto Braunfels, einst ein Pharisäer
des Carthäuser Ordens, nun aber ein eifriger Verkündiger der Fröm-
migkeit, konnte auch bei uns durch die Missgunst der Papisten keine
Stätte gewinnen, an der er das ihm verliehene Pfund berge, um es
Digitized by Google
158 -
einst seinem Herrn mit Wucher zurückzuerstatten. Wenn du darum
dort bei den Deinen, von denen wir wissen, dass sie neben den
Deutschen freie Männer sind, für den Mann Sorge tragen willst, so
wirst du damit sowohl den Studien als Christo einen Dienst erweisen :
du darfst ihn nur als redlichen und guten Priester empfehleu. Ich
weis«, mit welchem Ansehen und welcher Freiheit du dort Christum
und wie viele Menschen du für Christum gewinnest, und bitte Chris-
tum, dass es dir lange verstattet sein möge. Er ist ein durchaus red-
licher Mann, seine Gelehrsamkeit hat er durch mehrere von ihm her-
ausgegebene Bücher bezeugt; mit nicht gewöhnlicher Fülle der Be-
redsamkeit verbindet er Vertrautheit mit der heiligen Schrift; mit
einem Wort, er verdient, dass du ihn förderest und mit dem Zeugnis*
deiner Stimme nicht blos ehrest, sondern auch unterstützest Dies in
Eile, hochgeehrter Ulrich- Ich habe Manches dir mitzutheilen , wa*
du von mir sehen und hören wirst, wenn ich nach Basel zurückkehre.
Dies wird, wie ich hoffe, zum kommenden Herbste geschehen.
Grüsse mit Fleins unaern Oswald und lebe aufs beste. Frankfurt,
10. Juli. Oecolampadiu.« ist hier bei mir, ein grosser Gelehrti r
in den Sprachen, nicht blos der lateinischen und griechischen, son-
dern auch der hebräischen. Er hat die Seinen verlassen, weil sie ihm
das Evangelium zu predigen verboten haben. Er hat hier gegen
zwanzig mir noch unbekaunte Homilien des Chryaostomus übersetzt
Die evangelischen Priester sprechen beim Gottesdienst das Evangelium
und die Paulinische Epistel mit lauter Stimme in deutscher Sprache,
auch lesen sie den Canon so, dass er von allen gehört werden kann
Darüber hat Öecolampad Rechenschaft gegeben in dem von ihm her-
ausgegebenen Büchlein."
Wir entnehmen aus diesem Briefe zunächst, dass Brunfels zur
Abreise sich gerüstet hat, um in der Ferne die Zuflucht und den sei-
ner neuen Ueberzeugung entsprechenden Wirkungskreis zu finden,
für welche die Verhältnisse im Main- und Rheingau keinen Raum
boten: im letzten Moment, wie es scheint, wirft in flüchtiger Hast
Nesen die empfehlenden Zeilen an Zwingli auf das Papier, so rasch,
dass er nicht einmal die Jahreszahl 1522 ausschreibt Am 11. Juli
etwa muss also sein Schützling aus seinem gastlichen Hause und au*
unsern Mauern fortgezogen sein. Aus einem Briefe, den dieser am
23. Februar 1523 an Zwingli richtete, (Böcking 11, 177) und worin
er die Ausstellung des Nesen'schen Empfehlungsbriefes nicht ganz
genau sechs Monate zurückdatirt,*) erfahren wir, dass er nicht in die
*) Dimidiusannas est, qnsndocnm commendutiis littcris iussit, nt ad te irem. Nesemis.
Digitized by Google
159
Schweiz gekommen war, sondern dass ihn Freunde in Neuenburg am
Rhein zwischen Breisach und Basel zurückgehalten hatten, um dort
das Evangelium zu verkündigen: er machte sich unter der Verfol-
gung wenig Hoffnung auf Erfolg und war bereit nach dem evangeli-
schen Rath von einer Stadt in die andere zu flüchten. ,,Wir werden,
schreibt er, als Verbannte durch alle Länder ziehen und ich wenig-
stens weiss nicht, wieviel Unglück ich noch für mich zu befürchten
habe." Wahrscheinlich hat er noch in Neuenburg und zwar 1523
seine Antwort auf des Erasmus Schwamm für Hutten geschrieben, der
sie nicht mehr zu geben vermochte. Wann er nach Strassburg ge-
kommen sei, ist mir nicht bekannt; nach Freher (Theatr. vir. erudit.
iliuatr. 1222) hatte er durch Krankheit den hellen Klang »einer Stimme
verloren, gab deshalb das Predigen auf und lehrte bis zum Jahre
1530 die alten Sprachen in der gelehrten Schule zu Strassburg; diese
Wirksamkeit, die Freher als eine neunjährige angibt, muss demnach
mindestens um zwei bis drei Jahre kürzer angesetzt werden. In
seinen Mussestunden ergab er sich wieder mit Liebe den Naturwissen-
schaften. 1530 promovirtc er zu Basel als Doctor der Medizin und
begab sich dann nach Bern, wo er bis zu seinein am 25. November
1534 erfolgten Tode als Arzt gewirkt hat. Er starb am Zungen-
brande, einer damals selbst den Aerzten unbekannten Krankheit Er
ist als theologischer, medizinischer und botanischer Schriftsteller be-
kannt Schuler und Schulthess nennen ihn (opp. lat. Zwingl. VII, 207)
den Wiederhersteller der Botanik. Sein Leben mit seinen schroffen
Wechseln und seiner heimathlosen Unstätigkeit ist ein characteristi-
sches Bild für die Zustände der ersten Reformationszeiten.
Der Brief Nesen's hat aber für uns noch das weitere Interesse,
dass er uns die Anwesenheit des Oecolampad in Frankfurt bezeugt,
eine Thatsache, die selbst Herzog in seiner trefflichen Biographie des
Reformators seiner Vaterstadt übersehen und erst in dem betreffenden
Artikel der von ihm herausgegebenen theologischen Real-Encyclopädie
nachgetragen hat. Oecolampad hat in Frankfurt zwanzig llomilien
des Chrysostonius in das Lateinische übersetzt; diess lässt bereits auf
einen längeren Aufenthalt vor dem 10. Juli schliessen und berechtigt
uns zu der Vermuthung, dass er bereits Ende Juni die Ebernburg
verlassen haben dürfte. Nesen's Brief macht ferner den Eindruck, als
ob Ibach schon reisefertig sich von ihm verabschiede, Oecolampad da-
gegen noch ruhig bei ihm weile; wir dürfen daraus wiederum abneh-
men, dass die Abreise des letzteren noch nicht so nahe bevorstand,
ja dass am 10. Juli an dieselbe noch gar nicht gedacht wurde. Die-
ser Aufenthalt Occolampad's in unseren Mauern wird für die refor-
Digitized by Google
- 160 -
matorische Entwicklung unserer Vaterstadt nicht ohne Einfluss ge-
wesen sein. Wir dürfen dies schon aus dem Verdrusse des Erasmus
schliessen, der im Jahre 1522 ihm darüber Vorwürfe machte, daa»
er sicli in Frankfurt in einer colluvies horainum herumgetrieben habe.
Zu meinem Bedauern konnte ich dieser Notiz, die ich einer brief-
lichen Mittheilung Herzog's verdanke, nicht näher nachgehen, da mir
die zu Clcricus' Ausgabe der Werke des Erasmus gehörige Briefsamm-
lung unzugänglich ist. Mit welcher Theilnahme Nesen seine münd-
lichen und schriftlichen Berichte über den ersten damals bestehenden
evangelischen Gottesdienst, über die von Oecolampad eingeführte
deutsche Messe auf der Ebernburg, vernommen hatte, spricht er selbst
aus : es mag ihm in diesen Gesprächen zuerst eine klare Vorstellung,
ein bestimmtes Bild von der Gestalt und Einrichtung eines protestan-
tischen Kirchen- und Gemeindewcscns aufgegangen sein. Ohne Zwei-
fel wird er auch den interessanten Gast in die Kreise seiner Gönner,
eines Haman von Holzhausen, Philipp Fürstenberger, Jacob Neu-
haus, Claus Stallburger und Anderer eingeführt und Oecolampad
diese Männer in ihrer jungen Ueberzeugung befestigt und bestärkt
haben. Indem wir darum auch seiner in diesen Erinnerungsblätteru
gedenken, können wir nicht umhin zu beklagen, dass die Aufzeich-
nungen der Zeitgenossen uns so bedeutsame Beziehungen nur in
dürftigen Spuren andeuten, aber das, was unter der äussersten Ober-
fläche verborgen liegt, die lebendigen Berührungeu und unmittel-
baren Wechselwirkungen der Persönlichkeiten, unseren Blicken so
völlig entziehen, dass uns nur schwankende Vermuthungen darüber
gestattet sind.
Leider stehen mir auch die im Jahre 1536 erschienenen Briefe
Oecolampad's und Zwingli's nicht zu Gebote ; Herr Professor Herzog,
wohl der genaueste und vertrauteste Kenner von Oecolampad's Wer-
ken unter allen jetzt Lebenden, an den ich mich wandte, ersetzte mir
diesen Mangel durch folgende Data, wodurch er mich zum lebhafte-
sten Danke verpflichtet hat. Schon am 29. Juli schreibt Oecolampad
einen Brief an den Mainzer Prediger Hedio von der Ebernburg aus
(Fol. 210 b); er muss also vor diesem Tage von Frankfurt zurück-
gekehrt sein und sein Aufenthalt dahier wird schwerlich über drei
Wochen gedauert haben. Zwei folgende Briefe an Hedio von der
Ebernburg aus sind 208 b vom 15. October (Jdibus Octobris) und
200 a vom 10. November datirt. In dem ersteren beklagt er das un
fruchtbare Feld, das er mit seiner Thätigkeit auf der Ebernburg be
stelle: hic enini in petra sementem facio. Zugleich Üieilt er mit, dans
er bereits vierzig Ilomilien des Chrysostomus Ubersetzt habe. Iu
Digitized by Google
161
dem letztern erklärt er, wenn binnen drei Wochen kein Brief von
seinen Eltern bei Hedio einlaufe, bo wolle er sich zur Reise rüsten
und nach Basel zu seinem Cratander ziehen (itineri nie accingar, ut
Basileam ad Cratandrum meum proficiscar). Der erwartete Brief scheint
unmittelbar darauf eingetroffen zu sein, denn am 16. November 1523
kam er in Basel, wo ihn ein segensreicher Wirkungskreis erwartete,
an und stieg bei seinem Freunde, dem Buchdrucker Cratander, ab.
Wenn man erwägt, von welcher Zufälligkeit er selbst den Zeitpunkt
seiner Abreise abhängig machte und wie rasch er dieselbe angetre-
ten haben muss, so wird man schon aus diesen Gründen die Ver-
muthung von Strauss II, 241 unwahrscheinlich finden, dass Hutten,
Oecolampad und Hartmuth von Cronberg die Reise nach Basel we-
nigstens theilweise zusammen gemacht haben dürften; sie gründet
sich nämlich auf die Aussage des Kanzlers Heinr. Schwebel im Jahre
1597 (Böcking II, 473), dass Sickingen vor der Belagerung von
Landstuhl (also 1523) die zu dem Waffendienst weniger Tauglichen
seiner Freunde von seinen Burgen entlassen habe, was ja auf Hutten
und Oecolampad, die bereits 1522 fortgingen, keinen Bezug haben
kann, noch auf die ganz zufällige Thatsache, dass am 23. November
die drei Männer in Basel waren. Hutten ist wohl schon viel früher
abgezogen, da er sich längere Zeit in Schlettstadt aufhielt, ehe er
nach Basel kam ; Oecolampad muss sehr direct und rasch gereist
sein, da er am 10. November die Zeit seiner Abreise selbst noch
nicht wusste und am 16. schon in Basel ankam. Der geächtete
Hartmuth von Cronberg endlich wird schon vorher auf seiner Flucht
so schnell wie möglich den Schweizerboden zu erreichen gesucht und
schwerlich erst auf Reisegesellschaft gewartet haben.
In einer Notiz des jüngeren M. Ritter (f 1588), in welcher wir
die Ueberlieferungen der Holzhausen'schen und Fürstenberger'schen
Familien kurz zusammengedrängt finden (Luther's und Melanchthon's-
herbergen S. 76) wird uns mitgetheilt, dass Nesen, nachdem ihm
Cochlaeus und der Carmeliter Thad. D. (wahrscheinlich Doctor Joh.
Dietenberger *) die Freundschaft gekündigt hatten, mehrere, die we-
*) Joh. Dietenberger, geboren zu Dietenbergen , in Mainz gebildet, dann Ca-
nonicos zu St. Bartholomaei dahier, zog sich um der Studien willen in das Domi-
uicnnerkloster dabicr zurück und wurde 1515 in Mainz zum Doctor der Theologie
promovirt. Nachdem er sich durch mehrere Schriften als Gegner der Reformation
bekannt gemacht, auch als Inquisitor gewirkt, starb ur 1537 zu Mainz, wo er
(wahrscheinlich seit in Frankfurt seines Bleibens nicht mehr gewesen) gleich-
falls ein Catiouicat an der Liebtrauenkirche verwaltet hatte, wurde aber im hioBi-
11
Digitized by Google
- 162 -
gen der Religion flüchtig geworden, wie einen gewissen Ibach, Otto
Brunfels und andere fromme Männer aufgenommen und ihnen Her-
berge gewährt habe. Dass auch Oecolampad darunter gehörte, be-
urkundet Nesen's Brief; Ritter hat seinen Namen nicht genannt; ent-
weder war derselbe im Laufe der Zeit in dieser Ueberlieferung ver-
klungen und nicht mehr auf Ritter gekommen, oder wollte dieser als
fanatischer Eiferer für das Lutherthum der Concordienformel die An-
fänge der Reformationszeit durch die Erinnerung an den Zwingli'sch
gesinnten Reformator nicht herabsetzen. Jedenfalls verbürgen alle
diese Nachrichten, dass Nesen nicht bloa durch die Belebung des
klassischen Altcrthuuis der Reformation in Frankfurt vorgearbeitet, son-
dern sie auch durch positive religiöse Thätigkeit in den Kreisen sei-
nes Umgangs selbst begründet hat. Er war nicht allein Humanist,
sondern zugleich entschiedener und eifriger Beförderer der Reforma-
tion, und diese Seite seiner Wirksamkeit, von keinem Frankfurter
Oeschichtschreiber, auch nicht von Classen in seinen Mittheilungen
über Wilhelm Nesen, näher berücksichtigt, haben wir noch später
in das Auge zu fassen.
Wilhelm Nesen war ursprünglich von der milden Erasmischcn
Richtung ausgegangen, hatte sich aber seit Luthcr's Auftreten mit
immer wärmerer Theilnahme der reformatorischen Bewegung zuge-
wandt *). Der Reichstag in Worms und Luther's zweimalige Anwe-
hen Dominicanerklostcr beigesetzt (vgl. Ritter cv. Denkmal, S. 96 und Nebe a a.
0. III, 29, wo auch ein Verzeichnis« seiner Schriften). Dass ihm aber M. Kitter
den Vornamen Thaddaeua beilegt and ihn zu einem Carmcliter macht, kann bei
einem Epigonen der Reformationszeit im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts nicht
befremden. Scheint er doch schien eigentlichen Namen nicht mehr klar gewusst
zu haben. Oleichwohl ist keine andere Persönlichkeit bekannt, an die man bei aei-
uer Notiz denken könnte.
*) üeber Nesen hatHr Prof. Nebe in seinen Abhandinngen: zur Geschichte der
evangelischen Kirche in Nassau, 3. Abtbig. 1866, S. 24-35, interessante Mittbci
lungen gemacht. Er ist 1493 zu Nastitten geboren und empfing eine tfichtige
Bildung. Von 1514 — 1517 sttidirte er in Basel und verdiente sich seinen Lebens-
unterhalt als Corrector in gelehrten Buchdruckereien. Hier lernte er wahrschein-
lich 1515 Zwingli kennen und trat in vertraute Verhältnisse mit Erasmus von
Rotterdam, dessen Schriften er corrigirte und dem er bei seiner Ausgabe des Se-
neca wesentliche Dienste loistete. 1517 begleitete er Nicobus und Kraft, die bei-
den Söhne Claus Stallburger's des Reichen (sein und seiner Ehefrau Margaretha
vom Rhein Bild befindet sich noch in der StüJel'schen Gemäldegallerie), nach Pa-
ris, und während er ihre Studien leitete, hört« er selbst dort Vorlesungen und er-
freute sich des Umganges mit Gelehrten verschiedener Nationen. Im folgenden
Jahre berief ihn Erasmus nach I,öwen, wo er am Collegium trilingne Vorlesungen
Digitized by Google
- 163 —
senhcit in Frankfurt, die Auszeichnung, die ihm von dem grossen
Manne widerfuhr, und die Gespräche, die er mit ihm in seinem
Hause gepflogen, scheinen den Wendepunkt zu bilden, an welchem
diese Theilnahme in die offene freie Thätigkeit überging und Luther's
Sache zu seiner eigenen wurde. Von jetzt an sehen wir ihn nicht
Mos mit Cochlaeus brechen und in mannigfachen Verkohr mit refor-
matorischen Persönlichkeiten, wie Zwingli und Oecolampad, und mit
Flüchtlingen, wie Ibach und Brunfels, treten, sondern auch sich litte-
rarisch in dieser Richtung bethätigen. Wir haben bereits oben aus
den Bürgermeisterprotokollen raitgetheilt, dass die Deputation, welche
der Rath in der Woche nach Oculi 1522 an den ChurfUrston nach
Mainz geschickt, nicht blos die Predigten Ibach's, sondern auch
Nesen habe entschuldigen sollen, der Bücher Luther's in das Deutsche
transferirt und in Druck gegeben habe. Vielleicht war darunter auch
das Büchlein über die Babylonische Gefängniss der Kirche, welches
den ersten Angriff auf die Siebenzahl der Sacramente enthielt,
denn dieses hatte schon bei seinem Erscheinen so erbitternd auf
Cochlaeus gewirkt, dass er, wie er selbst erzählt, darauf sofort, noch
vor dem Wormser Reichstag, drei Bücher zur Widerlegung schrieb,
die aber nicht im Drucke erschienen sind. Ist unsere Vermuthung
begründet, so erklärt es sich um so leichter, wie Cochlaeus noch im
Sommer oder Herbst des Jahres 1622 dazu kam, gegen Luther eine
neue Schrift de sacramentorum gratia abzufassen, welche wiederum
das grosse Thema der Babylonischen Gefängniss der Kirche be-
handelte. Keiner der ungenauen Cataloge von Cochlaeus Schriften
fuhrt sie auf, er selbst aber giebt an, dass sie im Winter 1522 auf
1523 gedruckt worden sei. Nesen schickte sie sofort an Luther uud
forderte diesen zu einer Gegenschrift auf. Diese erfolgte denn auch
in den ersten Monaten des Jahros 1523 unter dem Titel: Bescheid
vom Glauben und Werken wider den gewaffneten Mann Cochlaeum
hielt; aber der Humanismus, den er mit frischer Begeisterung vertrat, entzfigelu«
K'^en ihn den Fanatismus der Theologen, der ihn nach kurzer Wirksamkeit schon
in demselben Jahre 1518 ans Löwen vertrieb. Bis zum Ende desselben lebte er
gastlich im Stallbnrger'schcn Hause zu Frankfurt, im December reiste er zu aei-
uen Schweizerfreunden und kehrte im Januar nach Paris zurück, bis ihm des Eras-
mus Empfehlung im Frühjahre 1520 die Berufung an die neugegründete lateinische
Stadtschule in Frankfurt verschaffte. Die Bezeichnung schola parriciorum beruht.,
was wir diesen Mittheilungen noch anfügen, auf Irrthum und ebenso irrig ist die
Vorstellung, dass dieselbe von Patriciern mit eigenen Mitteln gegründet worden
sei. Nesen empfing seine Besoldung aus der Rechencikasso
11*
Digitized by Google
164 -
in lateinischer Sprache (Tom. II Witemberg. p. 438 und tom. II
Jenens. p. 599, deutsch bei Walch XJX, 689) und ist Wilhelm Nesen
gewidmet. Er behandelt darin Cochlaeus, den er als die Schnecke
und als den Kochlöffel anredet, mit wahrhaft souveräner Verachtung.
Schon das Motto : „einem Weibe stehet ein Rocken wohl an," ist
charakteristisch. „Mein Wilhelm," so beginnt das Büchlein, „so du
vielleicht denken magst, wie ich bei jetziger Fastnacht anfahe auch
seltsame Possen zu reissen mit diesem Büchlein, so sollt du wissen,
dass Niemand, denn du selbst, solcher Possen Anstifter bist, damit
dass du mich nöthigst, einem solchen Menschen zu antworten, wel-
chen du und deine Frankfurter vorlängst als einen Narren erkannt
und ausgelernt habt. Und scheinet, dass er das Büchlein wider mich
aus keiner andern Ursach habe lassen ausgehen, denn dass er seine
Unsinnigkeit je wohl offenbarte in aller Welt."
Cochlaeus Hess mit der Antwort nicht auf sich warten. Schon
am 12. April 1523 vollendete er die Schrift: Wiederum von der
Gnade der Sacramente gegen den Minotaurus im Mönchsgewand
zu Wittenberg (adversus cucullatum Minotaurum Wittebergensem
J. Cochlaeus de sacramentorum gratia iterum. Anno 1523 s. 1.). Sie steht
an massiver Grobheit der Luther'schcn Abwehr nicht nach. Auf den
theologischen Streit lassen wir uns hier nicht ein. Wichtig sind uns
nur die historischen Nachrichten, die wir aus dieser Schrift des Coch-
laeus entnehmen dürfen. Er sandte das • Manuscript an den Buch-
drucker, der im Winter »eine erste Schrift de sacramentorum gratia
gedruckt hatte, allein dieser stiess auf den Widerstand der Censoren.
Die unten weiter mitzutheilenden Thatsachen gestatten uns nicht an
einen Frankfurter Buchdrucker zu denken: hier war bereits früher
dem Cochlaeus verboten Bücher gegen Luther erscheinen zu lassen.
Erst am 2. Juli sah Cochlaeus sein Büchlein fertig und konnte die
Vorrede dazu schreiben. Er wendet sich in demselben an Nesen
selbst, den er wegen seiner Aufreizung Luthers gegen ihn bitter
tadelt und gegen den er seine Unschuld vertheidigt : „Was habe ich
hier gethan oder was thue ich, das mich dir so entsetzlich thöricht
uud unvernünftig erscheinen Hesse, ausser dass ich schon über zwei
Jahre (also schon vor dem Reichstage von Worms) gegen deinen
Minotauron geschrieben habe und schreibe, und mit festen Gründen
der Schrift dessen Gottlosigkeiten entkräfte?'' Alle diese früheren
Schriften des Cochlaeus scheinen verloren gegangen, wenigstens habe
ich deren keine in irgend einem Verzeichnisse gefunden. Einen
„Peroratio ad Nescnum" überschriebenen Abschnitt beginnt er siege« -
gewiss mit deu Worten: „Sage nun, ich bitte dich, mein Nesen,
Digitized by Google
165
deinem Kalbe, es habe seit mehr denn fünf Jahren aUzuviele Kalbs-
sprünge gemacht, damit es aufhöre zu spielen, da es nach seinem
Beinamen für einen Schauspieler gehalten und nur geduldet wird,
damit wir ihm nicht heute oder morgen mit Paulus zurufen : Glaubst
du, halb Mensch, halb Kalb, der du Andere in dem richtest, was du
selbst thust, du werdest dem Gerichte Gottes entgehen? Oder ver-
achtest du also den Reichthum seiner Güte, Geduld und LangrauthV
Du aber mit deinem harten und unbussfertigeu Herzen häufst dir
selbst den Zorn auf den Tag des Zornes" u. s. w. Am Schlüsse
wendet er sich nochmals an Nesen : „Ich inuss dich noch bitten, dass
du Niemanden fiirder zur Abfassung eines so schmählichen Buches
Anlaas werdest, da ich dich meines Wissens vorher nie mit einem
Worte oder einer That beleidigt habe. Wenn du aber Andere gegen
mich zu reizen und aufzuhetzen fortfahren wirst, so habe ich sicher-
lich noch Briefe von Dir und den Deinigen, womit ich mich verthei-
digen und dir vergelten kann." Auch diese Worte beweisen, dass
er mit Nesen, wie mit dessen Gönnern, denn nur auf diese können
„die Deinigen" bezogen werden, früher im besten Einvernehmen und
im vertraulichen Umgange gestanden, dass aber dieses Einverständ-
nis seit dem Reichstage von Worms sich gelöst und in bittere Feind-
schaft umgewandelt hatte. Um dieselbe Zeit erschien von Joh. Coch-
Iaeus in lateinischer Sprache, Ubersetzt von dem hiesigen Dominica-
ner Johann Dietenberger, „ein christliche Vermahnung der heiligen
Stadt Rom an das Teutschland, ihr Tochter im Glauben". Cochlaeus
hat sie Papst Hadrian VI. gewidmet und die Vorrede Frankfurt am
Main 23. März 1523 datirt. Von jetzt an verliess fast jedes Jahr
eine Schrift des Cochlaeus gegen Luther die Presse; wenige Schrift-
steller des katholischen Heerlagers sind so rührig und unermüdet
gewesen, als dieser. Luther hat sich nicht mehr ermüssigt gesehen
ihm zu antworten. Am 1. Februar 1524 sehreibt er an Spalatin, der
ihm zwei Schriften desselben von Nürnberg geschickt, wohin er den
Churftlrsten von Sachsen auf den Reichstag begleitet hatte (de W.
II, 473): „Cochlaeo zu antworten ist nicht noth, weil wir mit nütz-
licheren Arbeiten beschäftigt sind und weil dergleichen Bücher alle
Tage durch sich selbst wieder verschwinden." Eine einleuchtende
Bemerkung: während Luther's Schriften vollständig gesammelt sind
und eine neue Ausgabe derselben jetzt, mit kritischer Sorgfalt ver-
anstaltet, ihrer letzten Vollendung entgegensieht, sind des Cochlaeus
Arbeiten fast sämmtlich verschollen : kaum zwei derselben, sein Le-
ben Luther's und seine Geschichte der Hussiten, verdanken es dem
historischen Materiale, das sie neben vielem Einseitigen und Unrich-
Digitized by Google
- 166 -
tigen enthalten, dass nach ihnen noch eine Nachfrage besteht Nicht
einmal ein vollständiges Verzeichnisa seiner Werke ist mir bekannt
Derjenige, welchen er durch seine Sclirift gegen den Wittenberger
Miuotaurus in der Mönchskutte am empfindlichsten zu treffen hoffte,
Wilhelm Nesen, war bei ihrem Erscheinen nicht mehr in Frankfurt
Vielleicht hatte ihm der Streit mit Cochlaeus den Aufenthalt verbit-
tert, vielleicht hatten seine Gönner, weil er zu leidenschaftlich im
Religionsstreit vorgegangen war und zu rücksichtslos Partei ergriffen
hatte, seine Entfernung auf einige Zeit in seinem eigenen Interesse
wünschenswerth gefunden, wir wissen aus Lersncr's Chronik II, II, 110,
dasB er am Donnerstag nach Dreikönigen 1523 mit Clas Stalburger
sich beredete und ihn bat: nachdem er sich drei Jahre einem Rathe
zu dienen verschrieben, die Jungen zu lehren, so sei er Willens wie-
derum zu studieren und begehre dazu Urlaub , er schlage an seiner
Statt für die Zeit seines Ausbleibens Meister Ludwig vor. Der Bath
beschloss ihm die geforderte Erlaubuiss zu geben. Walirseheinlich
hat er bereits vor Ende März Frankfurt verlassen, denn schon in den
ersten Tagen des April schreibt Cochlaeus in seinem Wittenberger
Minotaurus, er werde, nach der Verleumdung der Frankfurter durch
Luther, zu der er den Anlass gegeben habe, niemals mit Ehren zu-
zUckkehren können. Als Stellvertreter hatte Nesen den Ludwig
Carinus gestellt, der bis zu der Ankunft des Micyllus im Herbste
1524 die lateinische Schule leitete. Auch Carinus war der neuen
Richtung zugethau, denn mit Wolfgang Fabricius Capito war er ün
Frühjahr 1520 als dessen Schreiber von Hasel nach Mainz 'gekom-
men *); auch mit Erasmus und Mclanchtlion war er bekannt und
*) Die bis jetzt bekannten Thatsachen ans dem Leben des Carinus sind fol-
gende. Er ist geboren in Luzern. 1517 ging er mit den beiden Söhnen Clans
Stallburger's, Clans und Kraft, unter Nesen's Leitung nach Paris und genosa daselbst
bis 1518 dessen humanistischen Unterricht Schon in dieser Zeit interessirte sich
für ihn freundlich Erasmus von Rotterdam, wie dessen Brief vom 27. Febr. 1517
(vgl. Classen „Micyll" S. 50, Anm. 30) beweist In die folgenden Jahre fallt jeden-
falls seine Hauslehrcrstellung in der Familie Fugger zu Augsburg und die Verwal-
tung eines Canonicates zu Luzern, das er indessen wegen seiner freisinnigen Rieh
tung und seiner Hinneigung zur Reformation wieder verlor (Freher Theatr. vir. erud.
clar. p. 1262 und Classen a. a. 0. S. 52). Ehe er nach Mainz ging, muss er sich
in Basel aufgehalten haben, da er von hier aus im Frühjahr 1520 an den chur-
fürstlichen Hof mit Capito flbersiedelte (Baum, Capito und Bucer S. 56). Von
Frankfurt scheint er 1524 nach Basel zurückgekehrt zu sein und hier de» Eras-
mus Unterricht genossen zu haben (Classen 47 und 51, Anm. 38). Aber bald nach
1527 trat ein dauernder Bruch zwischen ihm und Erasmus ein, dem er es nicht
Digitized by Google
- 167 -
befreundet (Classen Micyllus 47 u. Anra. 5. 51). Da die Beziehung
zu dem ersteren auch noch 1527 bestand, so dürfen wir wold anneh-
men, dass seine -Richtung ungleich milder und unentschiedener war,
als die seines Vorgängers. Im Juli 1523 musste es wohl als ausge-
macht gelten , dass Nesen nicht mehr nach Frankfurt zurückkehren
werde. Wenigstens trat der Rath am Donnerstag nach Ulrici
(4. Juli) mit Carums in Verhandlung, dass er sich auf drei Jahre
der Schule verpflichte; obgleich er sich dazu bereitwillig erklärt
hatte, muss sich dennoch der Plan zerschlagen haben, da bekanntlich
schon am 14. September 1523 Jacob Micyllus, der junge Freund
Melanchthon's, die dreijährige Verpflichtung unterschrieb, aber seine
Stelle noch ein Jahr lang durch Carums versehen Hess. Nesen hatte
sich nach Wittenberg begeben und dort auf einer Elbofahrt am
6. Juli 1524 seinen Tod in den Wellen gefunden. Für Frankfurt
war sein dreijähriges Wirken von grosser Bedeutung geworden.
Er vornehmlich ist es gewesen, der den blos humanisti-
schen und antihierarchischen Tendenzen in den freisinni-
gen Frankfurter Kreisen erst die bestimmte Grundlage
einer eigentlich religiösen und evangelischen Ueberzeu-
gung gegeben hat. Der wesentliche und durchgreifende Unter-
schied, wie er zwischen einem Philipp Fürstenberger und Haman Holz-
hausen auf der einen und einem Arnold Glauburger auf der andern
Seite bestand, wird nur begreiflich, wenn man neben dem Fortschritt
der Zeit und der Reformation überhaupt seine Wirksamkeit in
Frankfurt dazwischen in Anschlag bringt Cochlaeus' Ansehen, seit
dem Reichstage von Worms ohnehin schon hinfällig, hatte durch den
Streit mit Nesen und Luther den letzten Stoss erhalten. Seine Stel-
lung war erschüttert, der Boden unter seinen Füssen wankte. Daraus
werden die weiteren Mittheilungen vollkommen verständlich, die wir
über ihn empfangen. Er erscheint nämlich, nach dem Berichte Wolf-
gang Königstein's, am 10. December 1522 mit Notar und Zeugen vor
dem Liebfrauenkapitel und insinuirt ein päpstliches Indult des In-
halts: da Cochlaeus etliche Bücher gegon Luther geschrieben, aber
vergeben konnte, dass er den verunglückten Nesen beschuldigte, er habe die ihm
:uifgetragene Texteskritik des Seneca seiner Zeit ohne die notwendige Sorgfalt
vollzogen. Vielleicht war diese Verstimmung die Ursache, dass Carums sich noch
vor dem Jahre 1530 nach Dole in Südfrankreicb begab und dort längere Zeit ver-
weilte (vgl bei Classen S 52 den Brief des Vigliuu von Aytta, der noch vor dem
am 12. Juli lf>36 erfolgten Todo des Erasmus geBchriebcn ist und diese Vorgänge
hIs vor 6 Jahren geschehen borichtet). Er kehrte später wieder nach Basel zurück,
lugte sich auf die Medizin und starb am 17. Januar 1569.
Digitized by Google
- 168 —
dieselben nicht habe herausgeben dürfen, da ferner in Frankfurt »eine
Sicherheit durch solche bedroht sei, welche den Schriften Luther's
anhingen, so werde dem Capitel der apostolische Befehl ertheilt, ihm
sein corpus decanatus (d. h. seine Einkünfte als Decan), sowie seine
Präbcndc (d. h. seine regelmässigen Einkünfte als Canomcus) neb«t
den täglichen Distributionen (den sogenannten Präsenzen) zu geben,
damit er anderswo sicherer leben möge. Wir ersehen daraus, dass
der Rath, in der wohlwollenden Absicht die Aufregung nicht zu stei-
gern, wie er auf der einen Seite gerne dem Andringen de« Mainzer
Ordinariates nachgab und den Ilartmann Ibach entfernte, so auf der
andern den Druck und Verkauf der Luther feindlichen Schriften des
Cochlaeus verbot ; nicht minder zeigt uns das Verlangen des aposto-
lischen Stuhles , dass seine bürgerliche und gesellschaftliche Stellung
in Frankfurt seit dem Wormser Reichstage unhaltbar geworden war.
Der öffentliche Spott , der ihn schon in den Strassen zu Worms auf
Schritt und Tritt umtönt hatte, begleitete ihn sicher auch nach Frank-
furt und verfolgte ihn noch später auf seinen Lebensbahnen. Wir
behaupten nicht zu viel, wenn wir sagen, dass die blosse Beziehung
zu ihm und der Verkehr mit ihm schon hinreichte, verdächtig und
verhasst zu machen ; entschuldigt er doch selbst im Jahre 1526 sein
seltneres Schreiben an Pirckheimer mit der Besorgniss, seine Briefe
möchten in fremde Hände kommen und dem Rufe des Gönners scha-
den, denn er höre, so gross sei der Haas gegen ihn, dass selbst seine
Bücher unter dem Auathema der öffentlichen Meinung stünden.
Darum aber kümmere er sich nicht, sondern er freue sich, dass seine
Schriften den Feinden der katholischen Kirche missfielen. In dem-
selben Briefe erzählt er, er sei in Speier Herrn Christ Kresa, wahr-
scheinlich einem Verwandten des Nürnberger Propstes, begegnet,
habe ihn aber aus Schonung nicht angeredet, damit ihm nicht bei
den Seinen üble Nachrede entstehe.
Allein nicht blos bei den Gegnern, sondern auch bei den Ge-
mässigten seiner Parthei, insbesondere bei dem Clerus von Frank-
furt und seinem eigenen Capitel, scheint das polemische Auftre-
ten des Cochlaeus nicht die Anerkennung und Zustimmung gefunden
zu haben, auf die er als Vertreter gemeinsamer Interessen rechnen
zu dürfen glaubte. Wahrscheinlich hatte mau doch das klare Ge-
fühl, wie viel er dazu beigetragen hatte den bestehenden Hass gegen
den Clerus noch zu steigern. Wolfgang Königstein, der ihn noch
im Juli 1520 als einen verehrungswürdigen und vortrefflichen Mann
characterisirt hatte, äussert sich seit der Wormser Reise über ihn
mit auffallender Kälte und giebt sich sogar den Anschein, als ob er
Digitized by Google
- 169 -
nur darum über Vieles schweige, um nieht ein allzu ungünstiges Ur-
theil fallen zu müssen. Obgleich es damals auch in Frankfurt gar
nichts ungewöhnliches war, dass der Inhaber einer Präbende oder einer
Prälatur seine Einkünfte auswärts verzehrte, da die Residenzpflicht
nur die ersten sechs Monate umfasste, so lehnte dennoch das Capitel
das päpstliche Indultum mit der Bemerkung ab, dass es dasselbe so
nicht annehmen könne, sondern sich terminum juris vorbehalte, die
Sache weiter zu bedenken. Cochlaeus selbst erzählt in Luther's
Leben, dass er wegen aufrührerischer Bewegungen zuerst Frankfurt,
dann Mainz verlassen und in Cöln als Flüchtling gelebt habe. Da
er noch am 12. Februar 1525 von Frankfurt aus einen Brief an
Pirckheimer gerichtet hat, so muss seine völlige Entfernung aus unse-
rer Stadt bald nach diesem Datum erfolgt sein. Wahrscheinlich fand
sie im März statt Schon im Juli datirt er Schriften in Cöln. Erst
1526 wurde ihm ein Canonicat zu St. Victor in Mainz zu Theil, aber
mit ungeheuren Kosten, er musste pro statutis, pro domo, pro eman-
eipatione, pro fabrica etc. 300 Goldgulden entrichten imd entbehrte
ein Jahr lang alle Einkünfte (Heumann p. 55). Auf sein Decanat und
seine Präbende am hiesigen Liebfrauenstifte hatte er keineswegs ver-
zichtet, wie auch ein Nachfolger für ihn nicht erwählt ward, sondern
seine Stelle vorläufig unbesetzt blieb; aber bezahlt wurden ihm die
Einkünfte dieser Stellen nicht, das Capitel hatte sie mit Arrest be-
legt. Wir ersehen nämlich aus einem Briefe des Cochlaeus im hiesi-
gen Stadtarchiv vom 24. August 1527, dass die Pächter der Güter,
auf welchen die Einkünfte des Decanates ruhten, vom Capitel ange-
wiesen worden waren, den Zins nicht mehr an Cochlaeus, sondern
an das Capitel oder den Kämmerer zu zahlen. Er erbietet sich dem
Capitel zu einer Vergleichsverhandlung. Diese muss bald darauf zu
Stande gekommen sein, denn schon am 4. November 1527 bekennt
Cochlaeus in einer Quittung, die sich auf dem hiesigen Stadtarchiv
befindet, dem Capitel, dass er in Folge freundschaftlicher Verabre-
dung von demselben 20 rheinische Gulden empfangen habe. Am
27. November 1630 aber genehmigte, nach Königstein's Bericht, das
Capitel einen Vertrag, kraft dessen er sein Decanat und seine Prä-
bende an Jost (Jodocus) Lochmann, einen Vicar des Liebfrauenstiftes,
abtrat. Sein Nachfolger bezahlte sofort den vinum admissiouis mit
2 fl., sieben Personen vertheilten sich in dieselben so, dass der Prälat
12, der Canonicus 6 Albus erhielt. Damit waren die Beziehungen
des Cochlaeus zu Frankfurt auch formell gelöst *).
*) Die betreffenden Stelleo der Königstein'schen Handschrift sind von mir
grösstentheilB in den Luthers- und Melanchthonsherbergen abgedruckt. Hier füge
Digitized by Google
Dennoch hat Cochlaeus seit seiner Entfernung von hier noch
zweimal seinen Einfluss auf hiesige Verhältnisse zur Geltung gebracht
Im Jahre 1525 war auch der Stadtpfarrer Dr. Peter Meyer seinem
Geschicke erlegen; längst war er der Gegenstand des leidenschaft-
lichsten Hasses bei den Bürgern; er selbst beklagte sich in einem
Schreiben an den Rath vom 6. September 1624, dass ihm auf der
Strasse Spottlieder nachgesungen wurden : „der Pfarrherr uff der
Pfarr, der Pfarrherr uff der Pfarr" (Acta des K. W. betreffend 1,43);
auch Brod und Wein, sagt er, hätten sie ihm aufgehalten. Seine
leidenschaftlichen Predigten, namentlich die am Sonntag Reminiscere,
12. März 1525, hatten eben solchen Sturm heraufbeschworen, dass
er am 15. März die Nacht in einer Fischerhütte zubrachte und am
folgenden Morgen in einem „Scheich" nach Mainz flüchtete. Die
bürgerlichen Unruhen, die bald darauf ausbrachen, machten seine
Rückkehr unmöglich. Im Herbst wählte das Bartholomäistiftscapitol
an seiner Stelle den Friedrich Nausea, der gerade in Italien weilte
und erst im Frühjahr nach Frankfurt kam. Obgleich vom Cardinal
Campeggi warm der Stadt empfohlen, war seine Stellung keine be-
neidenswerthe. Während der Vacanz des Sommers, seit Pfingsten
1525, hatten die ersten ständigen Lutherischen Prädicanten, Dionysius
Melander und Johann Bernhard von Algesheim, von der freistehen-
den Kanzel zu St Bartholomaei Besitz ergriffen und predigten mit
Genehmigung des Raths. Als daher der neue Stadtpfarrer im An-
fang des Jahres 1526 in Frankfurt eintraf, richtete er an den Rath
die Forderung, die beiden Prädicanten aus der Kirche und der Stadt
auszutreiben, da ihm allein als rechten und einzigen Pfarrer die Pre-
digt und Seelsorge zukomme. Der Rath, der weder in dem Pfarr-
herrn das erzbischöfliche Ordinariat, noch in den beiden Prädicanten
die Zünfte beleidigen wollte, suchte beiden Partheien gerecht zu wer-
den, indem er Melander und Algesheimor in die Barfüsser Kircho
wies und an die Zünfte beruhigende Worte richtete. Am Sonntag
Reminiscere, 25. Februar 1526, wollte Friedrich Nausea seine Antritts-
predigt halten, eine grosse Zuhörerzahl hatte sich eingefunden, aber
ich noch die letzte zu, welche sich auf die Permutation des Decanats bezieht : „Anno
1590 den 27. tag Novembris, der do was prima dorainica aduentus Domini bat hr.
Jost lochman vicarius eyn missiven, so geschrieben was von vnsserm Dechanteo ,
angezeigt, in welcher er begert consensum permutandi sein Decanat vnd praeben-
dam, welches Im capitulariter zugesagt und alssbald goben is, salvis oonsuetudini-
bus, das hr. Jost auch alsbald bezalt bait, nemlich 2 fl. 7 peraonis, prelato 12
alboe et Canonico 6 albos. Actum vt supra.u
Digitized by Google
- 171
nicht in friedlicher Absicht ; dass er die beiden Prädicanten in seinem
Schreiben an den Senat Diebe und Mörder genannt, ihre Austreibung
gefordert und den Rath, wenn er nicht sein Begehren erfülle, mit einer
gerichtlichen Klage, ja mit Gottes Zorn und Strafe bedroht hatte, mochte
die Stimmung eben so gereizt haben, als die Aufstachelungen, an
denen es die beiden Prädicanten gewiss nicht fehlen Hessen. Als
daher Nausea die Kanzel betrat und seine Ansprache begann, fingen
die Zuhörer an zu husten, sich zu räuspern, zu singen und zu lachen,
überhaupt einen solchen Lärm zu erregen, dass nach langen vergeb-
lichen Versuchen zum Worte zu kommen der neue Pfarrherr die
Kanzel verlassen musste. Er zog schon in den nächsten Tagen ab,
bekleidete erst eine Stelle als Pfarrer an dem Dome zu Mainz und
wurde später Bischof von Wien. Er starb 1562 auf dem Concile zu
Trient und wurde im Münster von St Stephan in Wien begraben.
Von 1526-1648 war die Pfarrstelle in Frankfurt unbesetzt und die
Prädicanten predigten zu St BartholomaeL
Auf die Erfolge Nausea's hatte Niemand mit grösserer Zuver-
sicht gerechnet, als der, welcher seine Berufung nach Frankfurt er-
wirkt und von seiner Ankunft die Möglichkeit seiner eigenen Rück-
kehr erwartet hatte, Joh. Cochlaeus. Schon am 28. October 1525,
als noch Nausea in Italien verweilte, schrieb er von Cöln aus an den
der Reformation bereits ganz fremd gewordenen Pirckheimer : „Ich
schreibe dir, damit du mir Sorge tragest für unseren Nausea, der auf
meine Verwendung (mea intercessione) vom Capitel zu St. Bartholo-
maoi zum allgemeinen Stadtpfarrer von Frankfurt erwählt ist... Der
Ueberbringer des gegenwärtigen ist der Diener Nausea's, von ihm
von Bologna an uns vorausgesandt Er selbst aber bereitet uns kerne
geringe Schwierigkeit durch seine verzögerte Ankunft. Denn nicht
eher können füglich die aufrührerischen Apostaten ausge-
trieben werden, als bis der wahre Hirte erscheint" Diese
Hoffnung hat sich, wie wir sahen, nicht erfüllt und als den Ausdruck
des Verzichtes auf sie dürfen wir bei Cochlaeus die unmittelbar
darauf erfolgte Annahme des Canonicates zu St Victor betrachten.
1528 übernahm er ein Canonicat in Dresden und wurde Rath-
geber des reformationsfeindlichen Herzogs Georg von
dem Tode des^letztcren 1539 verschlug ihn die Reformation, die der
Bruder des Dahingeschiedenen, Herzog Heinrich, sofort ins Werk
setzte, aus Sachsen nach Schlesien. Noch bewahrt das Stadtarchiv
einen Brief, den er 1541 am 13. April von dem Reichstag in Regens-
burg an Dccan und Capitel des Liebfrauenstiftes gerichtet Er hat
sich, laut desselben, seiner ehemaligen Collegcn, denen die zum
Digitized by Google
- 172
Tjiitherthum übergetretene Gemeinde die Bezahlung der Grundzin-
sen versagte, freundlich angenommen, ihre Sache den mächtig-
sten geistlichen Fürsten empfohlen und ertheilt ihnen Rath, wie sie
sich verhalten sollen. Er hat den Brief als Canonicus Vratislawiensia
unterzeichnet. Er starb 1552, es ist ungewiss, ob zu Wien oder zu
Breslau. Sein Leben war eine beständige Flucht von einem Asyle
zum andern und Ruhe hat er erst im Tode gefunden.
Dass Cochlaeus der Reformation anfangs nicht ohne warme
Theilnahmc entgegensah, aber schon im Jahre 1520 sich von jeder
Sympathie für sie lossagte und ihr leidenschaftlicher Gegner wurde,
darin liegt eine Wendung, die mit ihm unzählige und fast alle her-
vorragenden Humanisten jener Zeit, Erasmus, Pirckheimer, Mutianus
Rufus, Crotus Rubianus u. A. theilten und um deren willen gewiss
kein billig Denkender über ihn den Stab brechen wird. Der scharte
Gegensatz, den die Reformation hervorrief, die Gewalt, mit der sie
sich gegen feindliche Fürsten und Bischöfe behaupten musste, die
Erhebung der Massen, die sie entfesselte, die zerrüttenden Stürme,
die in ihrem Gefolge einherzogen und gar manche ruhige und sichere
Existenz, namentlich die der wissenschaftlichen und gelehrten Müsse,
vernichteten, waren ganz geeignet, alle die von ihr abzuwenden,
welche von ihr nur eine oberflächliche Besserung, nicht eine durch-
greifende und radicale Erneuerung der kirchlichen Zustände, hofften.
Cochlaeus war einer der Ersten, der sich von ihr zurückzog, und hat
sie am bittersten bekämpft. Sein Name hatte darum bei den Prote-
stanten zu allen Zeiten einen üblen Klang; um seiner Heftigkeit
willen wies ihm die eigene Parthei zu seiner Zeit die Stelle mehr in
dem Hinter- als in dem Vordertreffen an ; in unseren Tagen geben
auch Katholiken *) unbefangen zu, dass der positive Gehalt seiner
Arbeiten und Leistungen ein mittelmässiger gewesen ist und nur
durch die Gewandtheit seiner Form gedeckt wird. Unter die Vor-
würfe, die sich mit seinem Namen verknüpft haben, gehört auch
der, dass er der Erste gewesen, der in seiner Biographie Luthcr's
den eifersüchtigen Neid der Augustiner gegen die Dominicaner
zur Ursache der Reformation gemacht habe. Da im Jahre 1749
D. Kraft in Göttingen diese Behauptung für wichtig genug hielt,
um sie in einer eigenen Dissertation zu widerlegen, so glaubte
sich Lessing berufen zur Rettung des Cochlaeus einzutreten, indem
er zeigte, dass jener angeblich zuerst von Cochlaeus nach Luthcr's
*) Vergl. den von Weiss in Besancon verfassten Artikel über ihn in der; „Bio
graphie universelle".
Digitized by Google
173 -
Tode ausgesprochene Gedanke sich bereits in einem Briefe finde, den
ein gewisser Alphons Valdez am 31. August 1520 an einen Petrus
Martvr (nicht den Genossen Calvin's) gerichtet habe. Auch, bemerkt
er, entscheide nicht der Ursprung, sondern das Wesen einer Sache
über ihren Werth. Ich glaube nicht, dass Lessing's Rettung eine
ganz glückliche gewesen ist und den Kern des Vorwurfes getroffen
hat. Wenn ein Spanier, wie Valdez, wenn ein Italiener, wie Leo X.
wenn selbst ein Hutten in der frivolen Periode seines Humanisten-
lebens in der ersten reformatorischen Bewegung nur ein Mönchge-
zKnke sahen , so ist dies begreiflich und entschuldbar, weil sie über
eine Sache nicht richtiger zu urtheilen vermochten, die sie nicht ver-
standen — aber anders war es mit Cochlaeus, dem Freunde Pirck-
heimer's, Hutten's, und Ftirstenberger's, der im Mai 1520 innerlich
noch so sehr von dem Rechte Luther's überzeugt war, dass er sich
geneigt fühlte, ihn zu vertheidigen. Dieser konnte später aus sub-
jectiv zureichenden Gründen an dem Fortgange der Reformation das
entschiedenste Missfallen finden, von ihr die verderblichsten Wirkun-
gen befürchten, sie hassen und bestreiten, — aber ihre Wurzeln
in einem blossen Mönchstreite suchen, konnte er auch jetzt nicht,
und wenn er es dennoch gethan hat, so hat er es gegen sein besseres
Wissen und Gewissen gethan. Dies ist die Bedeutung des gegen
Cochlaeus gerichteten Vorwurfs, den Lessing keineswegs entkräf-
tet hat.
Digitized by Google
Digitized by Google
175 -
Eine neuerdings entdeckte, bisher unbekannte Auflage des
grossen Mcrianischen Stadtplans von 1628.
Mitgetheilt von Senator Dr. Cwlnncr.
Dem unermüdlichen Eifer des Herrn Ferdinand Prestel ist es
abermals gelungen, einen interessanten Beitrag zu Frankfurts Kunst-
geschichte zu liefern. Nachdem er bereits im Jahre 1861 den als
Unicum im Besitze des Herrn Lempcrtz zu Cöln befindlich gewese-
nen grossen Mcrianischen Stadtplan von 1636 entdeckt hatte (Gwin-
ner: Kunst und Künstler in Frankfurt a. M., S. 151), fand er vor
Kurzem in denselben Händen noch eine weitere, bis jetzt ganz un-
bekannt gewesene Ausgabe dieses Planes vom Jahre 1649, womit
zugleich mein an dem angeführten Orte geäussertes, aber durch die
Bedrängnisse der Zeit erklärtes Befremden, dass Merian in dem lan-
gen Zeiträume von 1636 bis 1682 sich zu keiner neuen Auflage ent-
schlossen haben sollte, unerwartet seine Beantwortung findet Kaum
war der unglückselige dreißigjährige Krieg durch den Frieden von
1648 beendigt und das deutsche Volk durfte wieder aufathmen, als
der betriebsame, schon am Rande des Grabes stehende Künstler
(er starb im folgenden Jahre) mit einer neuen Auflage seines schö-
nen Werkes vor seinen Mitbürgern erschien. Aenderungen an den
Platten vorzunehmen, fand er sich nicht veranlasst. Der Krieg hatte
wenig Lust und Müsse zu baulichen Unternehmungen gelassen, das
Bild der Stadt war im Wesentlichen dasselbe geblieben. So lieferte
denn Merian ganz einfach einen neuen Abdruck seiner Platten mit
der einzigen Aenderung der doppelten Jahrzahl 1636 in 1649, wobei
die Spuren der ersteren in den Ziffern 4 und 9 noch erkenntlich ge-
blieben sind. Das zur Zeit einzige bekannte, dem Herrn Prestol ge-
hörige, hoffentlich aber bald in den Besitz des Städcrschen Instituts
Digitized by Google
176
übergebende Exemplar der Ausgabe von 1649 ist leider von unge-
schickter Fland colorirt, auch an einzelnen Stellen beschädigt, Man-
gel, welche indessen bei einem so seltenen Werke übersehen werden
müssen, zum Theil auch leicht zu erganzen sind. Abgesehen von
den nur als Probedrücke zu betrachtenden, unvollständigen Exem-
plaren von 1628, kennen wir also jetzt fünf verschiedene Auflagen
des Merianischen Stadtplans, die erste von 1636, die zweite von 1649,
die dritte von 1682, die vierte von 1761, die letzte von 1770, und es
darf wohl mit Grund angenommen werden, dass ausser diesen keine
andere erschienen ist.
Digitized by Google
- 177 -
Berichtigung und Portsetzung
der beiden Abhandinngen:
Schaumünzen zum Angedenken von Bewohnern Frankfurts
und
Minzen und Medaillen auf geschichtliche Begebenheiten
Frankfurts.
Von Dr. Eduard Rüppell.
Vor beiläufig 10 Jahren veröffentlichte ich in dein Archiv für
Frankfurts Geschichte und Kunst zwei Abliandlungen mit den Be-
schreibungen säramtlicher mir damals bekannten Schau- und Präge-
stückc, die zum Angedenken von Bewohnern Frankfurts oder daselbst
eiugebürgerten Personen und zur Erinnerung an geschichtliche Be-
gebenheiten der Stadt angefertigt wurden. Gegenwärtiges Schriftchen
ist ein Nachtrag zu dieseu beiden Abhandlungen und die Fortsetzung
der Beschreibungen der in neuerer Zeit gefertigten Münzen und Me-
daillen, welche auf das Geschichtliche Frankfurts und auf dessen Be-
wohner Bezug haben.
Ich gebe vor Allem einige berichtigende Notizen zu meiner Ab-
handlung über die Schaumünzen zum Angedenken der Bewohner
Frankfurts. Dass meine Angabe, Justinian von Holzhausen habe
im Jahre 1526 die Universität Wittenberg bezogen *). irrig ist, weil
er bereits 1525 dahin ging, war ein sehr unbedeutender Fehler, der
kaum einer Rüge werth ist. Ich hatte meine Nutiz aus den auf der
Stadtbibliothek befindlichen von Fichard'schen Manuscripten über
die Frankfurter Patrizier-Familien entnommen.
*) Archiv, Heft 7, p»g. 2.
IV. 12
Digitized by Google
- 178 —
In meinen biographischen Nachrichten über Sandrart gab ich
an (Heft 7, pag. 21), der Wahlspruch „Alles zum Nutzen" sei ein
bei seiner Aufnahme in die Nürnberger Malerakademie seinem Na-
men zugefügte Bezeichnung; es ist dieses aber der Wahlspruch de«
im Jahre 1617 gestifteten wissenschaftlichen Vereins: Die frucht-
bringende Gesellschaft. Bei der Aufnahme in dieselbe erhielt
jedes Mitglied einen Zunamen; derjenige von J. Sandrart war: der
Gemeinnützige und .solcher steht als Motto auf der Medaille von
1682. Der Palmbaum in der Baumgruppe auf der nämlichen Me-
daille war das Symbol der fruchtbringenden Gesellschaft
Bezüglich der zu Ehren Sandrart's gefertigten Medaillen habe
ich zn bemerken, dass von der dritten von mir beschriebenen von
der Kehrseite es zwei verschiedene Stempel giebt, die von einander
durch die Kopf- und Körper-Lage des schlafenden Amors abweichen ;
sofort sind fünferlei Medaillen zu Sandrart's Ehren geprägt vorhan-
den. Von einer jeden befindet sich ein Exemplar in der städtischen
Münzsammlung.
Die kleine Gedenkmünze des Christian Wermuth auf Hiob Lu-
dolf *) habe ich irrig als auf den berühmten allhicr verstorbenen
Orientalisten Hiob Ludolf bezüglich beschrieben; sie gehört dem
gleichnamigen Neffen dieses Mannes», der in herzoglich gothaUchem
Staatsdienste war, in Frankfurt nie domicilirt gewesen ist, dagegen in
jenem Herzogthum die vermeintlichen Segnungen des Lottos piel*
einführte. Ks befinden sich in den öffentlichen Münzsammlungen zu
Dresden noch einige andere ähnliche das Lottospiel preisende Me-
daillen mit Hiob Ludolfs Namen und den Jahreszahlen 1698, 1700
und 1702 und in der herzoglichen Münzsammlung im Rcsidcnzschlos*
zu Gotha eine V/% Zoll grosse Medaille mit des nämlichen Hiob Lu-
dolfs Namen in der Randschrift, auf welcher die Segnungen, die
man dem Lottospiel zuschrieb, durch bildliche Darstellung versinn-
ücht sind! Zu. Ehren des in Frankfurt gestorbenen Orientalisten Hiob
Ludolf scheint keine Gedenkmünze gefertigt zu sein.
Der Geburtsort des im vorigen Jahrhundert hier lebenden Han-
delsmannes Johann Maria Alesina **), auf welchen am 30. Mai
1774 bei Gelegenheit seiner goldenen Hochzeitsfeier eine Medaille
geprägt wurde, ist, wie ich zu ermitteln Gelegenheit hatte, das
») Heft 7, pag. 2f..
*») WM. pajr. 37.
Digitized by Google
— 179 —
Dörfchen St Silvcstro im Thale Vigezzo bei Domo d'Ossola in
Piemont. Das Geburtsjahr Alessina's konnte ich niebt erfahren.
Bei Beschreibung der Medaille auf die goldene Hochzeit von
Alexander Gontard *) habe ich irrig die Darstellung des Pelicans,
der mit seinem Blut seine Jungen nährt, als ein Emblem dos Gön-
tard'schen Familienwappens bezeichnet; es ist dieses aber nichts als
eine Allegorie auf elterliche Liebe, so wie der auf der Medaille neben
dem Blumenkorb abgebildete Storch die Dankbarkeit versinn-
Uchcn soll.
Der Vorname und das Geburtsdatum in der Beschreibung der
Medaille zu Ehren von Franz Alexander Bernus**) sind beides
irrig und müssen in Friedrich Alexander Boraus, geboren am 29. October
1778, umgeändert werden. Ich hatte meine frühere Angabe nicht
bei der StandesbuchfÜhning ermittelt, sondern bei der Familie selbst,
daher ich wegen der Irrung einige Entschuldigung verdiene. Fried-
rich Alexander Bernus ist am 20. Februar 18G7 in seinem 89. Jahre
gestorben.
I. Portsetzung der Beschreibung von Schaumünzen,
welche zum Angedonken von Bewohnern Frankfurts
gefertigt wurden.
C o n s t a n t i n F e 1 1 n e r. f)
Eine Medaille, welche weder ich, noch, wie es scheint, die an-
dern Münzliebhaber in Frankfurt jemals zu Gesieht bekommen hat-
ten und auf deren Existenz ich zuerst durch Herrn Bibliothekar
Merzdorf iu Oldenburg aufmerksam gemacht wurde, ist diejenige,
welche die Frankfurter Loge zur Einigkeit im Jahre 1802 zu Ehren
ihres Meisters vom Stuhl Constantin Fellner anfertigen Hess, zur
Krönung einer mutmasslich von Fcllncr selbst gestellten Preisfrage,
den besten Erziehungsplan betreffend. Es wurde zu dieser Medaille
der Stempel der Hauptseite der in Berlin gefertigten Fcllnerischen
Hochzcits-Medaille benutzt (beschrieben im Archiv für Frankfurts
Geschichte, 7. Heft, pag. 44), und ein neuer Stempel für die Kehr-
seite gefertigt. Derselbe hat eine Inschrift in 6 Zeilen :
*) Ibid. pag. 48.
**) ll.icl. pag. 79
t) fiohört im Heft I auf pag 46
12*
Digitized by Google
- 180 -
BONO AUSPICIO
FRATRIS MODERATORIN
CONSTANTINI FELLNER
V MDCCCII
MERITIS TUIS
ADPLAUDIT
Diese Medaille ist abgebildet in einer Brochure in 4°, betitelt :
„Zur Mittheilung an sämnitlichc Mitglieder der gerechten und voll-
konunenen Loge zur Einigkeit in Frankfurt am Main 5802. " Laut
Inhalt der Schrift ist die Medaille als Preis demjenigen Logeuniit-
gliede bestimmt, welches einen in der Brochure skizzirten Erziehungs-
plan durch Umarbeitung oder Abänderung am zweckmäßigsten ver-
bessere; sie sollte einen Metallwerth von 25 Ducaten haben. Ein
zweites Exemplar in Silber stellte man in Aussicht als Accessit der
zweitbosten Beantwortung der Preisfrage. Es scheint demnach, das*
in Allem nur zwei Exemplare der Medaille, das eine in Gold, da.*
andere in Silber geprägt wurden.
Das Goldexemplar befindet sich noch bei dem Sohne des Logen-
bruders, dem seiner Zeit der erste Preis zuerkannt wurde; ich er-
wirkte von ihm die Vergünstigung, solches auf galvauoplastischeni
Wege täuschend ähnlich nachbilden zu lassen ; und diese Nachbildung
schenkte ich der meiner Aufsicht anvertrauten städtischen Münz-
sammlung.
Ich will hier anreihen die Beschreibung einer mittelgrosscn Me-
daille neuester Zeit, die in Berlin angefertigt wurde für die Hoch
zeitsfeier einer Enkelin von,Constantin Fellner, Fräulein
Johanna Fellner
und
Otto Zickwolff.
Beschreibung der Medaille :
Hauptseite: In einem blattreichen Kranze von Eichenlaub und
Rosen Inschrift in fünf Zeilen :
Otto ZickwolfF | und | Johanna Fellner | Frankfurt a/M. |
19. Mai 1866.
Kehrseite: Fliegender Genius, der mit beiden Händen Blnmcn
streut; an seiner rechten Schulter ist Amor angelehnt, der in der
linken Hand eine Fackel emporhält.
Ueberschrift: Dem glücklichen Tage.
Unten : Loos D.
Um das Ganze eine geschmackvolle Randverzienmg.
Digitized by Google
- 181 -
Durchmesser 18 Linien.
Auf der Stadtbibliothek habe ich ein Exemplar in Silber hin-
terlegt
Eine andere Medaille zu Ehren eines allhier geborenen Gelehrten,
der freilich in frühester Jugend die Vaterstadt verlassen hat, war
mir gleichfalls entgangen; es ist diejenige auf den königlich preus-
sischen Oberbau-Inspector
Johann Albert Eytelwcin.
Beschreibung der Medaille:
Hauptseite: Kopf im Profil nach links, auf dem Abschnitt des
Halses: Brandt F. Zweizeilige Umschrift; innere: IOHANN ALB:
— EY TEL WEIN, äussere: Die Baumeister des Preussischen Staats
— zur Amts- Jubel-Feier am 25. Julius 1829. Abbildung: Taf. H.fig. 6.
Kehrseite : Auf einem Mauerwerk sitzende weibliche Figur,
deren rechto Hand auf einem Richtscheit ruhet, der linke Arm stützt
sich auf ein Maschinenrad, und hält in der Hand eine Papierrolle.
Im Hintergrund ein SchifFsmast mit gerafftem Segel ; links vor dem
Mauerwerk ein liegender Flussgott Durchmesser 18 Linien.
Eytelwein, zu Frankfurt a. M. am 31. December 1764 geboren,
war der Sohn gänzlich unbemittelter Aeltern, die für seine Jugend-
Erziehung sehr wenig thun konnten; er trat in seinem 16. Jahre als
Soldat in die preussische Armee ein und zwar in das ArtiHeriecorps.
Hier brachte er es durch unermüdlichen Fleiss, unterstützt durch aus-
zeichnendes natürliches Talent, bis zum Lieutenant, und als solcher
nahm er seinen Abschied, um als hydraulischer Architekt angestellt
zu werden. Schon in seinem 30. Lebensalter zum geheimen Ober-
baurath ernannt, stand er seitdem mit an der Spitze des preussischen
Staatsbauwesens, in welcher Stellung er eine sehr günstige Wirksam-
keit in seinem Amtsfache in Theorie und Praxis ausübte. Seine dar-
auf hinzielenden zahlreichen Schriften wurden allgemein anerkannt.
Er war Mitglied der königlichen Akademie der Wissenschaften in
Berlin und vieler andern gelehrten Gesellschaften.
Sein Gesundheitszustand nöthigte ihn bald nach der Feier seines
Amtsjubiläums im Jahre 1830 aus dem Staatsdienste zu treten. Später
erblindete er beinahe gänzlich; als 84jähriger Greis starb er zu Ber-
tin am 18. August 1848.
Die vorbeschriebene Medaille wurde Eytelwein bei der Feier
seines 50jährigen Dienstjubiläums überreicht
Auf der Stadtbibliothek Exemplar in Silber und Bronze.
Digitized by Google
Nachtrag
zu den Medaillen zu Ehren von
Wolfgang von Goethe.
Zur Erinnerung an das fünfzigste Dicustjubiläuin des berühmten
Dichters (1825) hatte sein fürstlicher Gönner und Freund Carl August,
Grossherzog von Sachsen- Weimar, eine Medaille durch den Münz-
graveur Brandt anfertigen lassen, welche jedoch, da sie sich Goethe'»
Beifall nicht erfreute, nicht ausgegeben wurde ; sie ward ersetzt durch
diejenige , welche auf Tafel III. fig. 4 a und 4 b abgebildet ist Die
Stempel von jener verblieben zur Aufbewahrung auf der Hofbiblio-
thek *zu Weimar und würden muthmasslich für immer in Vergessen-
heit gekommen sein, wenn nicht ein Zinnabschlag der Medaille zu-
fällig zur Besprechung und Beschreibung in der Berliner numismati-
schen Gesellschaft gekommen wäre. Die in Folge hiervon von mir
in Weimar gemachten Schritte hatten das erfreuliche Ergebnis«, dass
zum Zweck der Aufbewahrung in der städtischen Münzsammlung
zwei Exemplare der Medaille, in Silber und Bronze, angefertigt wur-
den, deren Beschreibung ich hiermit nachträglich veröffentliche :
Neunte Medaille. Hauptseite : Die auf einander liegendeu
Köpfe des grossherzoglichcn Ehepaares mit der Umschrift: Carl
August — und Luise.
Kehrseite: Zwischen zwei Lorbeerzweigen der Kopf Gocthe's im
Profil nach links, am Abschnitt des Halses : Brandt F. Unten : Goc-
then (als Fortsetzung der Umschrift auf der Hauptscitc).
Vermuthlich sollte auf den äusseren Rand der Medaille erläu-
ternde Inschrift über Zweck und Zeit geprägt werden , gleich wie
es auf derjenigen dor Fall ist, durch welche diese Schaumünze besei-
tigt wurde.
Durchmesser: 19 Linien.
Auf die Säcularfeicr von Gocthe's Geburtstag wurde nachträglich
in Berlin durch den Münzgraveur Kullrich nachbesehriebene Medaille
gefertigt
Zehnto Medaille. Ilauptseite: Kopf im Profil nach rechts,
darunter W. Kullrich F. Umschrift: Goethe, geb. 28. Aug. 1749,
gest. 22. März 1832.
Kehrseite : In einem Kranz von Eichenlaub Inschrift iu 5 Zeilen :
Zur J Erinnerung | an den | 28. August | 1849.
Durchmesser: 17 Linien.
In Silber und Bronze auf der Stadtbibliothek.
Digitized by Google
— 183 -
Bei Gelegenheit der Enthüllung des Schiller-Goethe-Monuments
in Weimar (1860) wurde auch eine Medaille gefertigt.
Eilfte Medaille. Hauptseite: Kopf im Profil nach rechts. Um-
schrift : Karl August Grossherzog v. Sachsen- Weimar.
Kehrseite : Die Standbilder von Goethe und Schiller, gemein-
schaftlich einen Lorbeerkranz haltend, darunter : Sebald F. Drentwett
D. Umschrift: Das Goethe- u. Schiller-Monument in W'eimar.
Durchmesser: 19 Linien.
In Zinn auf der Stadtbibliothek. Die Medaille ist auch in Silber
ausgeprägt worden.
Die städtische Münzsammlung besitzt ausser den 11 geprägten
Medaillen drei grosse Bronze-Medaillons olme Jahr zu Ehren Goe-
the's gefertigt
Zwölfte Medaillo. Hauptseite: Kopf im Profil nach rechts.
Umschrift: Johann Wolfgang de Goethe aotatis suac 66 Anno.
Kehrseite: Pegasus nach links springend. Umschrift: Ar Jl
&IAOX MOI ÜErASOT flTEPOW.
Durchmesser: 42 Linien.
Dieses schöne Bronzemedaillon ward im Jahre 1815 durch den
Bildhauer Gottfried Schadow modcllirt; es wurde der Stadtbibliothek
durch Herrn Dr. J. Fricdländcr geschenksweise zugeeignet
Dreizehnte Medaille. Einseitiges Bronzemedaillon von Pro-
fessor Carl Fischer in Berlin modellirt. Goethe's Kopf im Profil
nach rechts, zwischen einem Lorbeerzweig und einem dreifiissigen
Opfertisch: Unter dem Kopf die Inschrift: GOETHE.
Durchmesser: 46 Linien.
Vierzehnte Medaille. Einseitiges Bronzemedaillon von Herrn
Gustav v. Kress in Frankfurt a. M. modejjirt Goethe's Kopf im
Profil nach links, darunter: Gust v. Kress 1863. Umschrift: Erinne-
rung an Goethe's Geburtshaus.
Durchmesser : 48 Linien.
Ich erwähne noch beiläufig, dass ich in die Münzsammlung zwei
in Nürnberg von Lauer gefertigte in Messing geprägte Jctons
eingelegt habe, auf welchen ein Kopf befindlich ist mit der Um-
schrift: J. W. von Goethe; der eine Jeton hat auf der Kehrseite einen
Kopf mit der Umschrift: F. von Schiller, der andere hat einen Eichen-
laubkranz, in welchem IETON steht
Durchmesser : 8 Linien.
Digitized by Google
— 184 -
< eorg Friedrich Grote fend.
Beschreibung der Medaille:
Hauptseitc. Brustbild mit Profil nach rechts, darunter: Breh-
mer F. Umschrift: Dr. Georg Fried r. Grotefend, Director des Ly-
ceums zu Hannover. Zur öOjähr. Dienstjubelfeier. Abbildung: Tat*. I.
fig. 1.
Kehrseite. Zwei neben einander stehende Ritter, wovon der
vordere in der Rechten eine Urkundenrollc hält, mit der Linken
sich auf ein Schild stützt, worauf das Braunsen weig-Lüueburger
Wappen ist; ihnen gegenüber (zur Rechten) weibliche Figur mit
Mauerkrone, die rechte Hand auf ein Schild gestützt, worauf das
Wappen der Stadt Hannover ist; links steht Minerva, welche mit
ihrem Schild drei Knaben schirmt. Auf der Leiste unter dieser
Gruppe ist der Name des Stempelfertigers: Brehmer F. Umschrift:
Zur 500jährigen Jubelfeier des Lyccunis in Hannover. Im Abschnitt :
Am 2. Februar 1848.
Durchmesser: 22 Linien.
In Silber und Bronze auf der Stadtbibliothek.
Georg Friedrich Grotefend ward in Hannöverisch Münden 1775
geboren, studierte in Göttingen, an dessen Gymnasium er später
während mehrerer Jahre als Collaborator beschäftigt gewesen ist.
Im Jahre 1803 ward er als Conrector au das Gymnasium zu Frank-
furt berufen, wodurch er eo ipso hiesiger Bürger geworden ist. Bis
zum Jahre 1821 hat er mit Auszeichnung seiner hiesigen Lehrerstelle
sich gewidmet. In diesem Jahre folgte er einer Berufung als Direc-
tor des Gymnasiums in Hannover, woselbst er am 15. December 1853
allgemein geschätzt und betrauert gestorben ist.
Unter seinen vielen philologischen Schriften werden seine Arbei-
ten über die Babylonische Keilschrift mit besonderer Anerkennung
gedacht.
Die Medaille wurde, wie ihre Inschrift angiebt, im Februar 1848
dem Professor Grotefend bei der Feier seines 50jährigeu Dienstjubi-
läums zugeeignet.
Carl Ritter.
Beschreibung der Medaillen.
Erste Medaille. Hauptseite: Kopf im Profil nach rechts, ohne
Umschrift, am Abschnitt des Halses: F. Aberli F.
Abbildung : Tat*. I. fig. 2. a.
Digitized by Google
- 185 -
Kehrseite : Inschrift in sieben Zeilen : Carolo Rittero | geographo
| nato d. VII. Aug. | Ao. MDCCLXX1X | pio gratoque | animo | D.
Durchmesser: 19 Linien.
Taf. I. fig. 2. b.
Zweite Medaille. Sie hat die nämliche Hauptscitc und die
gleiche Inschrift auf der Kehrseite, aber oberhalb der Inschrift ist
ein Erdglobus und unterhalb derselben die achte Zeile
Ob: D: 28 Sept: 1859
beigefügt.
Der durch seine zahlreichen Schriften ausgezeichnete Gelehrte,
in welchen er vorzugsweise die geographische Wissenschaft nach einer
eigentümlichen Auffassung bearbeitete, war zu Quedlinburg am
7. August 1779 geboren, wurde zu Schnepfenthal in der Salzmann'-
schen Erziehungsanstalt ausgebildet , machte dann Studien auf der
Universität Halle und kam in seinem 21. Jahre als Erzieher nach
Frankfurt in das Haus des Banquiers Bcthmann-Hollweg. Mit den
ihm anvertrauten Zöglingen machte Bitter mehrere Reisen in die
Schweiz und Italien. Den jüngsten der Hollweg'schen Söhne, den
später als Professor an der Universität Bonn und als königlich preus-
sischer Minister des Cultus in Berlin bekannt gewordenen Freiherrn
August v. Bethmann-Hollweg, begleitete er während dessen Univer-
sitäts-Studien nach Göttingen. Auch nach Beendigung derselben
verblieb Ritter daselbst, rastlos beschäftigt die litterarischen Schätze
der dortigen Bibliothek zu benutzen. Zu Anfang von 1818 wurde
er als Professor der Geschichte an Schlosser's Stelle an das hiesige
Gymnasium berufen, durch welche Anstellung er in den Bürgerver-
band Frankfurts gekommen ist. Aber schon nach 10 Monaten ver-
liess er den Maingau, einen Ruf an dio Universität Berlin als Pro-
fessor der Geographie annehmend. Dort verblieb er in einem seiner
wissenschaftlichen Thätigkeit so sehr zusagenden Wirkungskreise,
machte im Verlauf der Jahre wegen seiner Studien umfangreiche
Reisen nach Scandinavien, Spanien und Griechenland. Der Tod er-
eilte ihn in Berlin am 28. September 1859.
Vorbeschriebene beide Medaillen wurden im Auftrago von Rit-
ter's grossem Verehrer und Freunde Herrn Ziegler in Winterthur
gefertigt. Die städtische Sammlung besitzt sie beide in Bronze. Die
eine empfing sie als Geschenk von Herrn Hirtzel in Leipzig durch
meine Vermittlung, die andere, welche ich zu ziemlich hohem Preise
in Winterthur selbst erkauft, wurde von mir der Sammlung zu-
geeignet.
Digitized by Google
- 186 -
Friedrich Christoph Schlosser.
Beschreibung der Medaille.
Hauptseite: Kopf im Profil nach rechts, darunter: Chr. Sclinitz-
spahn f. Unischrift: * Friedrich Christoph Schlosser * Geb. z. Jever
17. Nov. 1776. Gest. z. Heidelberg 23. Sept. 1861.
Abbildung: Taf. I. fig. 5.
Kehrseite : Inschrift in 6 Zeilen: Geschichtsforscher | Geschichts-
schreiber | und | öffentlicher Lehrer in | Jever, Frankfurt a. M. und |
Heidelberg.
Ucber und unter der Inschrift je drei Sterne.
Durchmesser: 231/* Linien.
Die Medaille giebt die Hauptdaten der Lebensphasen des be-
rühmten und unermüdlich thätigen Geschichtsforschers Schlosser. Da
er selbst Mittheilungen Über sein Leben bis zum Jahre 1826 im
5. Band der Zeitgenossen (Leipzig 1826) veröffentlicht hat, so ist
hierdurch den Wissbegierigen seine Biographie genügend bekannt
Ich entnehme daraus das Nachfolgende : Nach beendigtem G yranasial-
unterrieht in seiner Geburtsstadt Jever bezog er 1794 die Universität
Göttingen, wo er 21/« Jahre verblieb; im Mai 1800 kam er als Haus-
lehrer nach Frankfurt zur Familie des Handelsmannes Georg Meyer,
ward acht Jahre später als Conrcctor des Gymnasiums nach Jever
berufen, kehrte aber bereits im Januar 1810 nach Frankfurt zurück,
wurde daselbst Gymnasial-Collaborator und im Jahre 1812 Professor
der Geschichte am neuen unter dem Fürsten Primas Carl von Dal-
berg hier gegründeten Lyceum; später ward er auch zum Stadt-
. bibliothekar ernannt. Im Sommer 1817 nahm er einen Ruf als Pro-
fessor nach Heidelberg an, in welcher Stellung er verblieb bis zu
seinem am 23. September 1861 daselbst erfolgten Ableben.
Die meisten seiner zahlreichen, geistreich abgefassten und mar-
kig geschriebenen historischen Publicationen sind in die vorzüglich-
sten europäischen Sprachen übersetzt Freisinnig und gerecht, wie
er immer gewesen, hat er durch seine Schriften die ultramontone
Coterie sich zu erbitterten Feinden gemacht, die in ihrer bekannten
Weiso ihn stets zu verunglimpfen bestrebt gewesen ist
Persönlich seit einer langen Reihe von Jahren mit Schlosser be-
freundet, habe ich nach seinem Ableben vorbcschricbcnes numismatische
Denkmal auf meine Kosten anfertigen lassen, das in Beziehung auf
Portrait- Aehnlichkeit vollkommen gelungen ist. Diese Huldigung hat
Digitized by Google
- 187 -
aber bei seinen zahlreichen Schülern und Freunden fast jeglichen
Anklang entbehrt, indem eino kaum nennenswerthe Zahl der Medaillen
Abnahme gefunden hat
Johann Philipp Jacob Fuchs.
Beschreibung der Medaille.
Hauptseite: Kopf im Profil nach links, darunter Chr. Schnitz-
spahn f. Umschrift: Ueber dem Kopf: Jacob Fuchs — getrennt durch
zwei kleine Caduceen von: Consul gencral du Grand-Duclic* d'Olden-
hourg a Anvers. Abbildung: Taf. 1, fig. 3.
Kehrseite: Handel und Schifffahrt, personificirt durch Merkur
mit einem Caduceus, und einer Frau mit einem Steuerruder, gegen
einander Uber sitzend und sich die Hand gebend. Auf dem Sitz des
Merkurs als Relief ein Viaduct, über den ein Eisenbahnzug fahrt;
auf demjenigen der Frau ein Segelschiff. Zwischen beiden Figuren
etwas im Hintergrund ein mit Festons verzierter Votiv- Altar, an wel-
chem zwei Tafeln befindlich ; die obere mit dem k. Belgischen Wap-
pen, worunter stehet: Loi 12 Mars 1854; auf der untern Tafel ist
das grossherzoglich Oldenburger Wappen; links von demselben:
29. Decemb. 1830, und rechts: 1. Nov. 1836. Unten am vertieften
Hand der Abschnittsleiste stehet der Name des Stempelschneiders
Chr. Schnitzspahn.
Durchmesser : 35 Linien.
Johann Philipp Jacob Fuchs ward am 15. December 1797 allhior
geboren, widmete sich von Jugend an dem Handelsstand, wobei seit
1819 Antwerpen der Schauplatz seiner erfolgreichen Thätigkeit ge-
wesen ist Im Jahre 1853 war er Präsident der dortigen Handels-
kammer und seit 1830 ist derselbe grossherzoglich Oldenburger Gene-
ral-Consul; der Fürst dieses Staates hat ihm sechs Jahre später eine
Ordensdecoration verliehen. Die volle Naturalisation im Königreich
Belgien erlangte er durch ein specielles Gesetz vom 12. März 1854.
Mit besonderem Interesso betheiligte er sich an dem Aufblühen der
DampfschhTfahrts- und Eisenbahn- Verbindungen der Stadt Antwerpen.
Auf diese verschiedenen nur individuelles Interesse besitzenden Le-
bensbegebenheiten beziehen sich die allegorischen Darstellungen und
Datums-Angaben der Kehrseite der schönen Bronzemedaille, welche
ihm sein Neffe, der grossherzoglich Hessische Hofmedailleur Christian
Schnitzspahn im Jahre 1860 gewidmet hat.
Diese Medaille befindet sich in zwei Bronzeexemplaren in der
hiesigen städtischen Sammlung, beide von mir derselben gegeben.
Digitized by Google
- 188 -
Damit dem Beschauer der auf Frankfurt sich beziehenden Medaillen
Haupt- und Kehrseite ohne Manipulation sichtbar sind, bestrebe ich
mich, von jeder derselben möglichst zwei Exemplare, das eine in
Silber, das andere in Bronze einzulegen. Mein an Hrn. Jacob Fuchs
brieflich geäusserter Wunsch, von ihm ein Exemplar in Silber für die
städtische Sammlung als Angedenken an den Geburtsort zu em-
pfangen, blieb im berücksichtiget.
Gerhard Friederieh.
Beschreibung der Medaille.
Haupt seite: Brustbild in Profil nach links in geistlicher Aints-
tracht, darunter C. Zollman. Umschrift in zwei Zeilen; in der äussern:
Gerhard Friedorich Dr. Theol. et Phil. Senior d. ev. luth. Ministeriums *;
in der innem Zeile: Consistorialrath und Pfarrer, geb. 2. Jan. 1779.
Abbildung: Taf. I, fig. 4.
Kehrseite: Inschrift in 11 Zeilen:
Bei der Feier | fünfzigjähriger | Amtsführung | 6. April 1858 |
von den | ev. luth. Geistlichen | in Stadt und Land | und dem ev. luth.
| Gemeindevorstande | zu Frank furt | a. Main.
Durchmesser: 18 Linien. In Silber und Bronze.
Ich entnehme aus einer von einem Ungenannten bei Gelegenheit
des fünfzigjährigen Amtsjubiläunis des Pfarrer Friederich veröffent-
lichten Biographie Nachfolgendes. Derselbe war zu Frankfurt geboren
am 2. Januar 1779, erhielt seinen Jugendunterricht auf dem hiesigen
Gymnasium, studirte Theologie zu Jena, Marburg und Heidelberg,
erlangte in Giessen das Diplom eines Doctor Philosophiae ; er ward
1804 in Frankfurt als Candidat reeipirt und am 6. April 1808 als
Pfarreivicar der Peterskirche ordinirt; im Jahre 1812 erhielt er die
Pfarrei von Bornheim und acht Jahre später diejenige der Weisfraueu-
kirche in Frankfurt.
Auf welche Veranlassung ihm 1830 die Universität Jena das
Diplom eines Doctor Theologiae ertheilte, ist mir unbekannt. Friede-
rieh hat meines Wissens vorzugsweise Gclegcnheits-Predigten ver-
öffentlicht, auch eine ziemliche Anzahl kleiner Gedichte verfasst, von
welchen aber keins sich Uber die Mittelmäßigkeit erhebt. Für eine
poetische Production auf König Gustav Adolph empfing er im Jahre
1845 vom Schwedenkönig Oskar I. eine Goldmedaille, und auch von
andern Fürsten wurden ihm für dichterische Widmungen Ringe mit
Edelsteinen und dergleichen zu Theil. Er scheint sehr oft mit Erfolg
seine Musenerzeugnisse versendet zu haben, denn es wurden ihm
Digitized by Google
— 189 -
selbst zwei Ordensdecorationen von Hessen-Cassel und Württemberg
verliehen. Seit 1832 war er Pfarrer an der Katharinenkirche bis zu
seiner zu Ende des Jahres 1858 erfolgten Quiescirung. Der Tod er-
löste ihn von seinen irdischen BeYufsgeschäften am 30. October 1862.
Die städtische Sammlung besitzt die Medaille in Silber und Bronze
durch Zueignung seitens des löblichen Consistoriums.
Ludwig Börne.
Beschreibung der einseitigen Bronzemedaille:
Kopf in ziemlich erhabenein Relief, im Profil nach rechts, darun-
ter: David 1836. Inschrift über dein Kopf: Ludwig Börne; links vom
Kopf: Geb. zu Frankfurt a. M. 1786. Rechts von demselben: Gest.
zu Paris 1837.
Durchmesser: 38 Linien.
Abbildung: Taf. II, fig. 7.
Ludwig Börne ist in Frankfurt am 15. Mai 1786 von jüdischen
Eltern geboren und fUhrte in seinen drei ersten Lebcnsdccennien
deren Namen Baruch; er beabsichtigte sich dem Studium der Medi-
an zu widmen, bezog zuerst die Universität Giesscn, dann die zu
Berlin, wo das näher Bekanntwerden mit der philosophischen Schule,
die damals Fichte und Schleiennacher daselbst begründeten, ihn zum
Rücktritt von den medicinischen Studien bestimmte, um sich demje-
nigen der Staatswissenschaft zu widmen. In seine Vaterstadt zurück-
gekehrt, erliicit er unter der damals bestehenden fürstlich primatischeu
Regierung, die allen Religionsbekenntnissen gleiche Rechte zuer-
kannte, eine Administrativanstellung, welche ihm aber bei der im
Jahre 1814 wieder erlangten städtischen Freiheit entzogen wurde. Er
beschäftigte sich von nun an ausschliesslich mit litterarischen Arbeiten,
als Mitarbeiter mehrerer Zeitschriften. Im Jahre 1818 begann er die
Herausgabe eines selbstständigen Journals, die Wage, in welchem
er mit beisender Kritik die reactionairen Tendenzen der damaligen
Regierungen bekämpfte.
Börne ist damals zum Christenthum übergegangen, bei welcher
Veranlassung er seinen bisherigen Namen Baruch änderte. Die
Schärfe seines natürlichen Verstandes, verbunden mit der Meister-
schaft seines Schriftstyls und seinem furchtlosen Auftreten zogen ihm
Feindschaften und politische Verfolgungen zu; der gegen ihn verfüg-
ten Personalhaft als schuldlos entlassen, verliess er Frankfurt und be-
reiste die Schweiz und Frankreich, welches zur Folge die Veröffent-
lichung geistreicher Briefe, aus diesen Ländern geschrieben , gehabt
Digitized by Google
- 190 -
hat. Börne kehrte damals zeitweise in die Geburt&stadt zurück; nach
dem Ausbruch der Julirevolution im Jahre 1830 nahm er für immer
seinen Wohnsitz in Paris.
Wenngleich seine geniale Auffassungswcise und schriftstellerische
Befähigung ihm viele Freunde und Verehrer erwarben, so haben da-
gegen seine leidenschaftlichen und rücksichtslosen Ausfalle ihn zum
Gegenstand erbitterter Angriffe gemacht. Sein Streit mit Heine und
Menzel sind sattsam bekannt. In besonders freundschaftlicher Be-
ziehung stand er zum Bildhauer David, der eine vortreffliche Marmor-
büste von ihm fertigte, die geschenksweise der Frankfurter Stadt-
bibliothek durch Herrn Straus zugeeignet wurde. Auch das Modell
zu vorstehend beschriebener Broiizemedaille ist von David gefertiget;
ein Exemplar derselben übergab ich der städtischen Medaillen-
Sammlung.
Börne starb in Paris am 13. Februar 1837. Gutzkow und Heine
haben über ihn ausführliche biographische Mittheilungen veröffentlicht.
Simon Naub.
Zum Sehluss der Beschreibungen der zum Angedenken von Be-
wohnern Frankfurts gefertigten Medaillen habe ich noch diejenige
einer Personenmünze zu geben, über welche ich leider ausser der
Beschreibung selbst keinerlei Mittheilung zu machen im Stande bin.
Hauptseite: Brustbild eines jungen Mannes im blossen Kopf,
das Profil nach rechts, in einem vorn zugeknöpften Maschen wams
mit gauffrirter Halskrause. Unter dem Kopf die Jahreszahl 1587.
Umschrift: Simon Naub Franckenfortcnsis ae: 25.
Kehrseite: Brustbild einer Frau im Profil nach links mit einem
kleinen flachen dreieckigen Häubchen auf des Kopfes Mitte; da*
Haar des Hinterhauptes senkrecht durch mehrere Furchen gescheitelt
und vom Nacken abwärts in einen dicken Zopf geflochten. Anliegen
des hohes geblümtes Kleid mit einer gauffrirten Halskrause.
Umschrift: Maria Naubin Norimber: «: 29.
Durchmesser: 18 Linien. In Blei.
Ich erwarb diese schön gearbeitete Medaille in Nürnberg von»
Obrist von Gemming, und eignete sie der städtischen Münzsammlung
zu; in den Nürnberger Kirchenbüchern soll angeblich nirgends einer
Familie Naub erwähnt werden. Ein Gleiches Tür Frankfurt ergab
sich durch die Nachforschungen in den hiesigen Goburts- und
Trauungs-Büchern.
Digitized by Google
- 191 -
XL Nachträge und Portsetzung der Beschreibungen der
auf die Stadt Frankfurt bezüglichen Prägestucke auf
geschichtliche Eogobenheiten.
Geprägte achteckige Anhäng-Medaille ?on 1505, wahrscheinlich
das Abzeichen einer Brüderschaft znr Pestkranken-Pflege.
146) Hauptseito: In einem Perlcnring gekröntes bärtiges Brust-
bild im Vollgesieht, mit Reichsapfel und Schwert in den Hunden.
Umschrift: S. KAROLVS IMPE.
Kehrseite: In einem Perlenring der alte Frankfurter Wappenadler.
Umschrift: FRANCKFVRT 1505 * f *
Durchmesser: 15 Linien. Messing.
In den beiden mir bekannten Exemplaren dieses Priigestücks ist
ein Loch, unfern des Randes, zum Anhängen der Medaille; es befin-
det sich nicht über dem Kopfe des Brustbildes oder des Adlers, son-
dern seitlich.
Es ist bekannt, dass im Jahre 1502 Frankfurts Bewohner stark
von der Pest heimgesucht wurden, welche Seuche zwar 1503 aufhörte
aber zwei Jahre später mit grosser Heftigkeit gehaust hat. Der Stadt-
rath verordnete, dass jedes Haus, in welchem die Krankheit sich
zeigte, streng abgesperrt werde; da aber ein gewisser Verkehr mit
den Bewohnern solcher Häuser stattfinden musste, so scheint als Be
rechtigung hierzu vorbeschriebene Anhängsmedaille gedient zu haben.
In den Raths-Sitzungs-Protollen jener Zeit fand Herr Archivar Dr.
Kriegk keine Notizen Uber dieses Prägestück vor. Kaiser Karl der
Grosse ist bekanntlich der Schutzpatron der hiesigen Domkirche.
Die städtische Sammlung besitzt kein Exemplar dieses Prägestücks.
Ansicht der Stadt ?on 1664.
146a) Dieses einseitige Prägesttick (?) gibt eine Ansicht der west-
lichen Seite der Stadt; im Vordergrund sind die beiden Buchstaben
R V, Initialen eines mir unbekannten Stempelschncidcrs oder Gold-
schinieds.
Ueberachrift : 16 Francofurt 64
den 17. Dcc. 2 u. 3 U.
Durchmesser: 17 Linien.
Es bezieht sich das Datum 1664 den 17. Deecmber und die Ta-
geszeit 2 und 3 Uhr auf irgend eine Begebenheit, die für Frankfurts
Bewohner Interesse hatte. Was solches gewesen ist, verbleibt mir
Digitized by Google
- 192 -
unbekannt In Lersner's Chronik der Stadt, die bis zu Anfang des
vorigen Jahrhunderts geht, worin so vielerlei Angaben zusammen ge-
tragen sind von Ereignissen aller Art, die nur Local- Interesse haben,
findet sich nichts, das mit der auf dieser »Silberplatte bezeichneten
Zeh in Beziehung gebracht werden könnte. Es muss sofort dem Zo-
fall überlassen bleiben, dieses fragliche Ereigniss zu ermitteln.
icn erKaurte oie voroescnntucnt* •Mifjcrpiarte ix'i fincni .rLnuaui*
täten-Händler in Heidelberg und verehrte sie der städtischen Münz-
sammlung. Es fand sich nachher, dass eine ganz gleiche Silberpiatie
schon längst in der reichhaltigen Sammlung Frankfurter Prägestücke
im Besitze des Herrn Eduard Finger allhier aufbewahrt wird.
Geprägt« Metallplatten, welche unter Grenzsteine eingelegt
worden aind.
147) Beschreibung der einseitig geprägten runden Züwplatten :
Gleichseitiges Rechteck, um dessen Seiten ein eudlosea Band in Bogen-
wölbungen gewunden ist Innerhalb des Rechtecks
G. F.
1813.
Der innere Rand der Geprägsfläche ist fein gezackt
Durchmesser: 21 Linien.
Die beiden Buchstaben G. F. sind die Initialen von: Grossher-
zogt hu in Frankfurt Diese Zinnplatten wurden im Jahre 1813 unter
die neu gesetzten Grenzsteine gelegt, bei der Abtheilung eines zu
Frankfurt gehörigen Waldes auf der hohen Mark im Taunus.
Die städtische Sammlung empfing ein Exemplar die**?r Zinnplatte
im Jahr 1861 vom Senator Useuer als Geschenk.
Denkmal zur vierten Säcularfeier der Erfindung der
Buchdruckerkunst.
148) Hauptseite: Ansicht des Denkmals, daruuter: C. A. Wil-
helm, Hanau a. M. (Name und Wohnort des Stempelschneiders). Tin
schrift: Gutenberg. Fust Schöner. *)
Abbildung: Tafel II, fig. 8.
Kehrseite: In einem Lorbeer- und Eicheulaubkranz. Inschrift
in fünf Zeilen: Bei der | 4. Säcular | Feier | am 24. Juni ] IS40
Umschrift: * Zu Ehren der Erfindung der Buchdruckerkunst •
Frankfurt a. JL
Durchmesser: 16 Linien.
*) Der Name Gatenberg wird bald mit einem t bald mit zwei geschrieben.
Digitized by Google
- 193 -
Von dieser Medaille, die erst im Jahre 1857 gefertigt wurde,
konnten wegen ungenügender Härte des Stempels nur Exemplare in
Zinn geprägt werden.
Ausführliche Beschreibung des Denkmals: Auf einem Unterbau,
dessen Gmndriss ein Quadrat ist, aus dessen vier Ecken in diagonaler
Richtung je eine gleichfalls quadrirte Basis vortritt, erhebt sich ein
mehrfach gegliederter, massiver, vierseitiger Pfeiler, auf den Ecken
mit vier vorspringenden Pilastern. Die vier Hauptflächen des Pfeilers,
der sogenannte Kern, haben jede eine Nische mit der Statue einer
weiblichen Figur geziert, die Städte Mainz, Strassburg, Venedig und
Frankfurt darstellend, in welchen zuerst die Buchdruckerei in Aus-
übung kam. Das obere Ende des Pfeilers umgibt eine Reihe von
14 rautenförmigen Vertiefungen; 13 derselben enthalten den Portrait-
kopf eines herühmten Buchdruckers; der letzte Portraitkopf am hin-
tern Eckpilaster ist derjenige des Künstlers selbst, welcher dieses
Denkmal entworfen hat. Den Pfeiler deckt eine grosse verzierte
Platte, auf welchen die Gruppe der lO1/« Fuss hohen Statuen von
Guttenberg, Fust und Schöffer stehen.
Die unten an den vier Ecken des Kernpfeilers vorspringenden
quadrirten Basen sind die Träger von vier Würfel, mit Sitzen, auf
welchen vier allegorische weibliche Figuren ruhen, Theologie,
Poesie, Naturwissenschaft und Industrie, als Repräsentanten derjenigen
Thätigkeit des menschlichen Geistes, welche von der Erfindung des
Buchdruckes den grössten Vorthcü gezogen haben.
Auf der Vorderseite des Würfels, unter jeder sitzenden Figur,
befindet sich ein Thierkopf, der zur Ausmündung eines Wasserstrahls
dient, wodurch vier Brunnenwannen gespeist werden; letztere sind
durch dazwischen liegende Stufen unter sich verbimden. Durch jeden
Thierkopf soll ein Welttheil versinnlicht werden, nämlich: Europa
durch den Kopf eines Stiers, Asien durch den eines Elcphanten,
Afrika durch den Löwen und Amerika durch das Lama.
Um das Monument geht ein Eisengeländer in gothischem Style.'
Im Jahre 1840[, als das vierte Säcularfest der Erfindung der
Buchdruckerkunst allhier gefeiert wurde, führte Herr Ed. Schmidt
von der Launitz ein von ihm ausgedachtes Denkmal als Festzierdo
in vergänglichem Material aus; es wurde von ihm später in monu-
mentaler Weise durchgearbeitet, und in seiner gegenwärtigen Form
mittelst Geldbeiträgen von Privaten ausgeführt; das Ganze war erst
im Jahre 1857 vollendet
IV. 18
Digitized by Google
— 194 —
Vereinsthaler auf die Säcularfeier von Schillert Geburtsjahr.
149) Hauptseite: Der Wappenadler der Stadt Frankfurt; Um-
schrift: Freie Stadt Frankfurt.
Kehrseite: In der Mitte Inschrift in 4 Zeilen: Zu | Schiller'» ]
hundertjähriger | Geburtsfeier. Darunter sind fünf Sterne. Ueber der
Inschrift: Ein Gedenkthaler; unter derselben: Am 10. Nov. 1859.
und unter dieser sind abermals fünf Sterne.
Randschrift: Stark im Recht.
Durchmesser: 14'/. Liuien.
Vou diesem als Courant-Münze ausgeprägten Thaler, ebenso von
den nachstehend beschriebenen Fürstentag- und Schützenfest-Thalern
ist eine sehr grosse Anzahl in Umlauf gesetzt worden.
Zur Erinnerung an die fünfundzwanzig jährige Wirksamkeit
der Zollverwaltung.
150) Hauptseite der Medaille: Weibliches Brustbild im Profil
nach rechts, bekränzt mit Eichenlaub, und Perlenachnürc über die
Haarflechten; reich verzierter Mantel bedeckt Hals und Schultern.
Am Abschnitt des Annes: A. v. Nordheim (der Stempelschncider).
Umschrift: Freie Stadt Frankfurt.
Abbildung: Taf. II, fig. 9.
Kehrseite: Inschrift in 9 Zeilen: Zur Erinnerung | an die |
25jährige | Wirksamkeit ] der | Zollverwaltung | in | Frankfurt a.M. |
1836 * 1861.
Durchmesser: 18 Linien.
Der Stempel der Hauptseite ist der gleiche, welcher zur Prügimg
der doppelten Vereins-Thaler dient; es wurden von dieser Medaille
nur 40 Exemplare gefertiget, zur Austheilung an die hier befindlichen
Zollsteuer-Beamten.
Vereinsthaler auf das Schützenfest von 1868.
151) Hauptseite: Eine reich gekleidete stehende weibliche Figur,
nach der linken Seite gewendet, hält in der ausgestreckten rechten
Hand einen Lorbeerkranz, mit dem linken Arm ist sie auf ein Schild
gestützt, auf welchem der doppelköpfige Reichsadler. An der Bas»
dieses Standbildes ist der Name des Stempelsclin eiders A- v. Xord-
heim. Umschrift: Ein Gedenkthaler zum deutschen Schützenfest.
Abbildung: Taf. II, fig. 10.
Kehrseite: Der städtische Wappenadler mit der Umschrift:
Freie Stadt Frankfurt.
Digitized by Google
- 195 —
Handschrift: * Stark im Recht *
Durchmesser: 144/a Linien.
Von dieser Thalersorte wurden 20,000 Stück ausgeprägt, wovon
ein Theil zu den ausgesetzten Schiess-Preisen verwendet, die übrigen
in Umlauf gesetzt wurden. Der Spruch auf der Randschrift hat seit
1857 den alten Wahlspruch der Frankfurter Münzen: Nomen Domini
turris fortissima verdrängt, meines Erachtens eine ganz unnöthige
Neuerung, die sogar als Satyre auf die Ilülflosigkeit der deutschen
kleinen Staaten, wie die Stadt Frankfurt gedeutet werden könnte.
Medaillen und Jettons auf das Schützenfest von 1862.
Grosse Medaille mit Ansicht des Gabentempels.
152) Hauptseite: Auf einer mit Stufen umgebenen sechseckigen
Erhöhung erhebt sich ein dreistöckiges progressiv verkürztes Gebäude
mit Thür und Fenstern im Spitzbogen-Style; an den terassenförmigen
Absätzen ist Geländer mit gothischem Schnitzwerk. An jeder Ecke
derGallerie des ersten Stockwerks ist eine Fahne; die zweite Gallerie
ist nur mit zwei Fahnen geschmückt. Auf der Fläche des dritten
Stockwerks erhebt sich das colossale Standbild der Germania, in der
ausgestreckten Rechten einen Kranz haltend. Unten im Abschnitt die
Inschrift: Gaben-Tempel.
Abbildung: Taf. II, fig. 11.
Kehrseite: Zwischen zwei Eichenlaub-Zweigen Inschrift in sechs
Zeilen: Deutsches | Schützenfest | zu | Frankfurt a. M. | D.
13.— 18. Juli | 1862. Ganz unten stehet: Gebr. Hartwig, Otten-
bach a. M.
Durchmesser: 24Vt Linien.
Mittelgrosse Medaille mit Ansicht des Gabentempels.
153) Hauptseite: Der Gabentempel, dessen Gallerie des untern
Stockes mit vielen Fahnen geschmückt ist. Umschrift: * Heil dem
Deutschen Vaterlande. * Unten: Gabentempel.
Kehrseite: In einem Eichenlaubkranz Inschrift in 7 Zeilen:
Zur | Erinnerung | an das deutsche j Schützenfest | in | Frankfurt a. M.
| 1862. Beide Seiten der Medaille haben eine Randeinfassung von
feinen Perlen.
Durchmesser: 21 Linien.
13»
Digitized by Google
196
Kleine Medaille mit Ansicht dos Gabentempels.
154) Die Haupt seite gibt verkleinert dieselbe architectonische
Darstellung wie auf vorbeschriebener Medaille, nur ist der Fahnen-
schmuck der Gallerie des ersten Stockwerks auf zwei Fahnen be-
schränkt; die Inschrift im Abschnitt fehlt, dagegen hat das Denkmal
die Umschrift: Das I. Deutsche Schützenfest
Kehrseite: Ansicht von Frankfurt und Sachsenhausen von der
Ostseite. Im Vordergrund stehet ein Schütze, das ruhende Gewehr
in der Rechten; neben ihm liegen zwei Schiessscheiben. Umschrift:
Frankfurt a. M. Juli 1862.
Durchmesser: 131/* Linien.
Grosse Medaille mit Ansicht der Festhalle.
155) Hauptseite: Aeusserc Ansicht der grossen mit Fahnen
geschmückten Festhalle, darunter zwischen Blattgewinden, in einem
spanischen Wappenschild der doppelköpfige Reichsadler. Ueberschrift
im Felde: Festhalle. Umschrift: Zur Erinnerung an das deutsche
Schützenfest * Frankfurt a. M. 1862. *
Abbildung: Taf. H, fig. 12.
Kehrseite: Germania steht an einem Eichstamm, auf welchen
sie ihre linke Hand stützt; in der Rechten hält sie ein Schwert, wo-
mit sie einen auffliegenden Adler beschützt; rechts eine Büchse und
eine Schiessscheibe. Im Hintergrund sind die Thürme des Doms und
dor Paulskirche sichtbar. Umschrift in zwei Zeilen, äussere: Die
Freiheit zu schützen, zu schirmen das Land, gelobet (innere Zeile
als Fortsetzung) ihr Schützen mit Herz und mit Hand.
Unten im Abschnitt: Drentwett D. Sebald F. (die Stempel-
fertiger).
Durchmesser: 18 Linien.
-
Kleine Medaille mit Ansicht der Festhalle.
156) Hauptseite: Ansicht der Festhalle, vor welcher zwei »hohe
Flaggenstäbe stehen. Umschrift: Erstes deutsches Bundcsschiessen.
Unten: Frankfurt a. M. | 13.-20. Juli | 1862.
Kehrseite: An einem Baumstamm ist angelehnt eine Fahne,
vor welcher eine Schiessscheibe, eine Flinte, ein Waldhorn, Pulver-
hom und Patrontasche, seitlich links ein umwickelter Palmenzweig,
rechts ein geschnürter Bündel Stäbe. Umschrift: An's Vaterland,
an's thoure schliess dich an. *
Durchmesser: 15 Linien.
-
Digitized by Google
197 -
Medaille mit dem Frankfurter Wappenadler.
157) Hauptscite: Der Frankfurter Wappenadler in spanischem
Schild, von Schnürkelverzierungen umgeben, zwischen zwei Spruch-
bändern; im obern steht: Erstes deutsches Bundesschiessen ; im un-
tern: Zu Frankfurt a. ÄL d. 13. b. 19. Juli 1862.
Kehrseite: Auf einem Eichenlaubkranz liegen gekreuzt zwei
Bilchsen, in der Mitte ein Schützenhut Umschrift: Uebet Aug und
Hand fllr's Vaterland. Unten: Gebr. Hartwig (Name der Stempel-
schneider).
Durchmesser: 18 Linien.
Anhängemedaille, getragen von den die Festordnung
beaufsichtigenden Turnern.
158) Hauptseite: Die fast ganz gleiche Darstellung und Um-
schrift, wie auf der Kehrseite von 156; es fehlt nur der zur linken
Seite dort befindliche umwickelte Palmzweig.
Kehrseite: In einem Eichenlaubkranz Schrift in 7 Zeilen:
Deutsches | Bundesschützen | Fest | zu | Frankfurt a. M. |
13.-18. Juli | 1862.
Durchmesser: 15 Linien.
Vorbeschriebene sieben Medaillen (Nr. 152—158) befinden sich
in Zinnexemplaren auf der Stadtbibliothek. *)
Das Schützenfest veranlasste die Fertigung mchreror Jettons und
Marken, deren Beschreibung nachfolgt, ohne die Verbindlichkeit zu
übernehmen, diesen Gegenstand erschöpfend zu bearbeiten.
159a) Hauptseite: Mit Eichenlaub bekränzter Frauenkopf im
Profil nach links. Umschrift: Deutschland über Alles. Unter dem
Kopf: Lauer (Name des Fertigers).**)
Kehrseite: Schrift in 2 Zeilen: Gott segne | Deutschland.
♦) Es gibt noch eine in Nürnberg gefertigte Zinnmedaille von Theodor Oer.
Auf ihrer Hauptseite ist die Ansicht der Sängerfest-Halle mit der Ueberechrift:
Zur Erinnerung a. d. deutsche Sängerfost. Im Abschuitt : Zu Nürnberg | im Juli
| 1861. Kehr Reite: Gruppen von Fahnen und Flinten. Umschrift in drei Zei-
len: Zur Erinnerung a. d. deutsche Schützenfest | Scharfes Aug und sichere Hand
| das | Ganze sein dem Vaterland. Unten: Zu Frankfurt a. M. I im Juli | 1862.
Durchmesser: 19 Linien.
**) Ein bei der Versuchsprage abgesprungener gleicher Stempel hatte die In-
schrift: Deutschland hoch!
Digitized by Google
— 198 —
159b) Hauptseite: Drei Schützen, welche sich bei der Deutschen
Fahne die Hand reichen.
Kehrseite: Schrift in 5 Zeilen: Wir | wollen sein | ein einig |
Volk von I Brüdern.
159c) Haupt seite: Büchse, Hirschfanger und Jagdtasche zusam-
menliegend, darüber ein Spruchband mit der Inschrift: D. Vaterland
z. Ehr u. Wehr.
Kehrseite: Schrift in 4 Zeilen: Dem | Muthigen | gehört
die | Welt
159d) Hauptseite: Ansicht von Frankfurt von Süd-Osten aus;
darüber: Frankfurt
Kehrseite: Schrift in 4 Zeilen: Erstes ] deutsches | Schützenfest
| Juli 1862.
159e) Hauptseite: Kopf im Profil nach links. Umschrift: Emst
Herzog zu Coburg.
Kehrseite: Schrift in 5 Zeilen: Das erste | deutsche | Schützen-
fest | im Juli 1862 | in Frankfurt a. M.
Diese fünf Jettons sind in Kupfer; im Durchmesser von 10
Linien jeder.
159f) Hauptseite: Schrift in 2 Zeilen: Schuss | Marke.
Kehrseite: In einem Eichenlaubkranz: 1862*).
Messing-Jetton von 9 Linien Durchmesser.
Für das Schützenfest wurde auch geprägt eine einseitige runde
Messing-Platte mit einem Loch zum Anbinden einer Nummer. Auf
derselben ist ein nach einer Scheibe zielender Schütze, unter ihm die
Buchstaben G. u. H. (Gewehr und Hut?) Sie diente als Contremarke
für die Aufbewahrung der bezeichneten Gegenstände.
Durchmesser: 11 Linien.
Fflrstentaga-Thaler.
160) Hauptseite: Ansicht der Vorderseite des städtischen Rath-
hauses nebst des vor demselben befindlichen Springbrunnens ; im Vor-
dergrund aufgestelltes Volk und ein zweispäuniger Wagen, der über
den Platz fährt. Umschrift: Fürstentag zu Frankfurt am Main, im
August 1863. *
Abbildung: Taf. n, fig. 13.
*) Es gibt eine Ähnliche Marke mit der Jahreszahl 1884 , welche bei dem in
dicaem Jahre hier abgehaltenen Schützenfeste verbraucht wurde.
Digitized by Google
- 199 -
Kehrseite: Der städtische Wappenadler. Umschrift: * Freie
Stadt Frankfurt. * Ein Gedenkthaler.
Randschrift: — Stark — im Recht. — *
Durchmesser: 141/* Linien. Ist als Courant-Münze in grosser
Anzahl ausgeprägt
Medaille auf das Jubiläum der Frankfurter Freiwilligen ?on 1815.
161) Beschreibung der Medaille:
Hauptseitc: Ein Soldat stehet bei einem Felsen, aufweichen
seine linke Hand gestützt ist; in der Rechton hält er eine Fahne;
neben dem Felsen erhebt sich ein kräftiger junger Eichbaum. Um-
schrift: Mit Gott für deutsches Vaterland. Im Abschnitt der Frank-
furter Wappcnadler zwischen Schuürkeln; unten der Name des Stein-
pelschneiders Schnitzspahn — Darmstadt.
Abbildung: Taf. II, fig. 14.
Kehrseite: Di einem Kranz von Lorbeer und Eichen Blätter-
bündel gebildet, Inschrift in 9 Zeilen: Zur | 50jährig. | Jubelfeier |
der | Freiwilligen | von | Frankfurt a. M. | am 11. Dec. | 1863.
Durehmesser: 16 Linien.
In Silber und Bronze auf der Stadtbibliothek.
Diese Medaille wurde im Jahre 1865 geprägt zur Erinnerung
der vor 50 Jahren gegen Frankreich ausgezogenen Frankfurter Frei-
willigen. Die Zusammenstellung auf der Hauptseite ist äusserst ge-
schmackloss, wesshalb jedoch der ausgezeichnete Graveur Schnitz-
spahu keineswegs verantwortlich ist, da ihm das darzustellende genau
angegeben wurde.
Es wäre noch als Schluss die Preismedaillc zu beschreiben, welche
bei der im Sommer 1864 stattgehabten Frankfurter Gewerbe-Aus-
stellung vertheilt werden sollte; mit ihrer Anfertigung ist der Stern- •
pelschneider A. von Kurdheim betraut; bis zu Anfangs April 1867
waren die Stempel, obgleich sie längst bezahlt sind, noch nicht be-
endiget , und unter den jetzigen politischen Verhältnissen ist es sehr
problematisch, ob überhaupt noch eine Preismedaillen - Vertheilung
stattfindet*).
») Der verspätete Druck erlaubt mir die Beschreibung dieser erst im Februar
1868 beendigten und ausgetheiltcn Preismedaille mitzutheilen.
161a) Ilauptseite: Sitzende Frau mit nach links gekehrtem Kopfprofil; in
der ausgestreckten rechten Hand hält sie einen Kranz, und in der auf einem
Digitized by Google
- 200 -
Anhang:.
in. Fortsetzung der Beschreibungen verschiedener für
Prankfurt gefertigter Prägestücke zum Localgebrauch.
8tadtthor-Ein- und Auslasszeichen.
Zu den in meiner zweiten Abhandlung unter No. 136 und 137
beschriebenen beiden Stadtthor-Einlasszeichen sind nachfolgende bei-
zufügen.
137a) Einseitig geprägte messingene Zeichen, mit F T (Fried-
berger Thor), darunter stehet EIN LASS über zwei ins Kreuz lie-
gende Blattzweige. Es gibt sowohl von diesen Marken als von
den für das Eschenheimer- und Allerheiligen-Thor gefertigten runde
und viereckige Messing-Zeichen, beiläufig von 10 Linien Durchmesser.
137b) Runde Messing -Marken, zollgross, auf deren einen
Seite in einem von drei paralellen Strichen gebildeten Viereck:
* EINLAS. *
137c) Sechszehn Linien grosse runde Messingmarke, worauf die
in 4 Zeilen geprägte Inschrift: 4 Batzen | Sperr | für | 2 Pferde.
137d) Einundzwanzig Linien grosse viereckige Messingmarke,
worauf in einer Kreiscinfassung ein gleichseitiges Viereck, die Inschrift :
4 | Batzen | Sperr fUr | 2 | Pferde. Unten ist ein kleiner städtischer
Wappenadler.
137e) Achtzehn Linien grosse runde Ziun-Marke, worauf ein so-
genanntes Posthorn, umgeben von den 3 Buchstaben F. E. F. (freier
Wappenschild mit dem städtischen Adler ruhenden Linken zwei Kränze. Links
von dem Sitze an einer Sockelmauer die obere Körperhälfte eines Fluss-Gottcs,
der in seiner Rechten eine Keule oder ein Ruder hält, darüber an der Maust stehet
des Flusses Name: Main. Rechts von dem Sitz an der Sockelmauer ist der
Wappen der Frankfurter Künstler-Genossenschaft. Auf der Basalleiate stehet: A.
v. Nordheim (der Stempelscbneider). Umschrift oben: Die freie Stadt Frankfurt,
unten : Dem Verdienst. Zwischen dieser Schrift auf jeder Seite sind drei Rosetten.
Kehrseite: In einem Kranz von Eichenlaub und Lorbeerblättern Inachriit
in sieben Zeilen: Kunst | und | Industrie 1 Ausstellung j Frankfurter I Erzeugnisse |
1804.. Durchmesser: 24 Linien.
Diese Medaille ist nur in Bronze ausgeprägt worden und ist das letzte numis-
matische Dcukmal von Frankfurts selbständiger Verwaltung.
Digitized by Google
- 201 -
Einläse Frankfurt). Sie dienten zum Gebrauch der Postülone und
ihrer Pferde.
137f u. g) Runde zollgrosse Messingmarken, worauf geprägt ist
F E oder F A (freier Eirdass und freier Auslass). Diese Marken,
welche, wie es scheint, für alle Stadtthore gültig waren, wurden in
der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhuuderts gebraucht
137k il i) Runde, zehn Linien grosse Zinnmarken, mit aufgepräg-
tem städtischem Wappenadler, darunter (F) [Frankfurt] zwischen den
Buchstaben G B (Initialen des Münzmeisters Georg Bunzen). Es
waren dieses Thorsperr-Zeichen, die in der ersten Hälfte dieses Jahr-
hunderts an allen Stadtthoren im Gebrauch gewesen sind. Es gibt
davon zwei verschiedene Stempel.
137k) Viereckige, zehn Linien grosse geprägte Messing-Zeichen,
worauf in einem Perlenkranz in zwei Zeilen stehet: AUSLAS |
ZEICHEN. Diente zum freien Auslass an allen Stadtthoren.
1371) Runde, vierzehn Linien grosse Messingmarken , worauf in
einem kleinblatterigeu Kranz die Buchstaben WSP, welches angeb-
lich Wasser-Thor-Sperre bedeutet. Es waren Passirzeichen für die
Bediensteten der am städtischen Mainufer befindlichen Schiffe.
Eiförmige Bleimarken zum Verschluss der Geldsäcke der Frank-
furter Bank,
162) Auf der oberen Fläche stehet:
% Bank-
Casse.
auf der untern Fläche: Frank-
furt.
Durchmesser: 8 Linien.
Bleimarken des Frankfurter Hauptsteuer amtes.
163) Hauptseite: Der Frankfurter Wappenadlcr, umgeben von
einem Perlenkranz.
Kehrseite: Inschrift in drei Zeilen:
H. ST. A. | FRANK | FURT A. M.
Randschrift auf quer gefurchtem Grund:
ZOLLVEREIN FR. STADT FRANKFURT.
Durchmesser: 10 Linien:
In diese Blcimarken wurden seit 1861 die Enden der Um-
sclinürung der unverzollten Waaren bei der Einlegung in das Maga-
zin der Mauth eingepresst
Digitized by Google
— 202 -
Wirthschafts - Contremarken.
1) von Georg Sommer.
164) Ilauptseite: Schrift in drei Zeilen: Garten-Wirthschaft |
von Georg Sommer [ Frankfurt
Kehrseite: Ein Becher mit schäumendem Bier. Umschrift:
Gut für ein Glas Bier.
Durchmesser: 10 Linien. Messing.
2) von Eduard Fay.
165) Hauptseite: Inschrift oben: Eduard Fay in Frankfurt
a. M. ; in der Mitte: Gastwirth zur Harmonie.
Kehrseite: Schrift in 7 Zeilen: 18 Kr. | wovon 1 12 Kr. | wiedor
an j Zabhuig | angenommen [ werden.
Durchmesser: 12 Linien. In Messing und in Blei.
1G6) Einseitiges Gepräge. In der Mitte Schrift in 3 Zeilen :
18 Kr. | wovon 12 Kr. au Zahlung | angenommen werden.
Darunter Blatt- und Frucht-Verzierung. Umschrift: oben: Eduard
Fay; unten: Frankfurt a. M. Auf den Seiten links: Eintritts- rechts:
Marke.
Durchmesser: 17 Linien. In Blei.
Vorbeschriebene drei Wirthschafts-Marken sind seit 1861 im
Gebrauch.
Jettons, die ausgeworfen wurden bei dem Faschingsaug 1862.
167au.b) Hauptseite: Sitzende costumirte Figur, in der Rechten
einen Scepter, in der Linken ein Schaumwcinglas haltend. Um-
schrift: Carueval I, Kaiser der Bittern; oder auch: Kaiser Carneval I,
Frankfurt a. M. ^
Kehrseite: Schrift in 5 Zeilen: I. | naerrische | Kaiser } Krö-
nung | 1862.
Durchmesser: 9 Linien. In Messing und Blei.
Es gibt von diesem Jettou zwei Varianten durch Verschiedenheit
in der Umschrift der Ilauptseite. Die „Bittern" ist der Name eines
allhier bestehenden geselligen Vereines.
Rechonei-Control-Zeichen für das Schlachtvieh (seit 1864).
168—173. Es sind sechs verschiedene Stempel dieser Marken
vorhanden von zweierlei Grössen.
Digitized by Google
- 203 -
a) Grössere Marken:
Uauptseitc: Der Frankfurter Wappenadler mit der Umschrift:
Rechenei u. Renten- Amt der freien Stadt Frankfurt
Kehrseite:
Schlacht Schlacht
fl. 4 8 kr. oder fl. 2. 24 kr.
Gebühr. Gebühr.
Durchmesser: 13 Linien.
b) Kleine Marken:
Hauptseite wie auf den Vorstehenden.
Kehrseite:
Schlacht Schlacht Schlacht Schlacht
45 kr. oder 18 kr. oder 7 kr. oder 4 kr.
Gebühr. Gebühr. Gebühr. Gebühr.
Durchmesser: 11 Linien. Sämmtlich in Kupfer.
Nachdem im Jahre 1864 die Zunftgerechtigkeiten abgelöst wur-
den, mussten nunmehr bei dem Schlachten eines jeden Stück Viehes
je nach dem Werthe desselben eine der vorbeschriebenen Marken von
dem Schlächter eingelöst werden. Der Ertrag dieser Spccialsteuer
dient zur Verzinsung des bezahlten Capitales für die Zunftgerechtig-
keits- Ablösung.
Bauamts-Fnhnnarken.
174) Es gibt sehr verschiedene Arten dieser Contreraarken, die,
ausgetheilt ftlr Fuhren in Auftrag des Städtischen Bauamts, an dessen
Casse gegen Bezahlung Eingewechselt wurden. Diese Marken, die in
der städtischen Münze gefertigt wurden, sind theils geprägte Werth-
zeichen, theils runde Blechplatten mit eingeschlagenem Stempel.
Zu Anfang des 19. Jahrhunderts waren im Gebrauch für die
Fuhren, die für Rechnung des Bauamtes besorgt wurden:
a) Neun Linien grosse runde Scheiben von gelbem Blech, theils
mit einem eingeschlagenen B (Baufuhr), theils mit einem eingeschlage-
nen W (Wasserfuhr).
Für die Dienstfuhren im ersten Viertel des Jahrhunderts be-
nutzte man:
b) Fünfzehn Linien grosse runde Scheiben von weissem Blech,
in dessen Mitte ein kleiner städtischer Wappen adler eingeschlagen ist
Alle nachbeschriebenen Marken sind von der nämlichen Grösse.
Für Sand- oder Grund-Fuhren bei der städtischen Strassen-
Pflasterung erhielten die damit Beauftragten
Digitized by Google
c) Rande Scheiben Ton weissem oder gelbem Blech, worauf ein-
geschlagen ist: F ©°o je nach der Farbe der Blechplatte war ihr
Einlösungs-Betrag verschieden.
Bei den Kiesfahren zu Chaussee-Bauten wurden ausgegeben:
d) Für eine einspännige Fuhr: Eine weisse Blechmarke, einge-
stcmpelt mit K |.
e) Für eine zweispännige Fuhr: Eine Blechmarke, eingestempelt
mit K f.
Für die Grundfuhren beim Chausseebau sind im Gebrauch filr
f ) Einspännige Fuhr, Blechmarke mit eingestempeltem städtischen
Wappen- Adler, ein F auf der Brust; unter diesem Stempel die Zahl
12 (zwölf Kreuzer).
g) Zweispännige Fuhr, ähnliche Blechmarke mit der Zahl 24
(vierundzwanzig Kreuzer).
Die Grundfuhr bei dem Bau der Wasserleitung erhielt
h) Eine gelbe Blechmarke mit eingestempeltem W L.
Für die Wasserfuhren zum Begiessen der Strassen seit 1864 wird
gegeben :
i) Bei den Strassen innerhalb der Stadteinwallung: Marke von
gelbem Blech, woranf der städtische Wappenadler mit der Umschrift:
Freie Stadt Frankfurt, unter diesem Stempel ist B A (Bauamt). Diese
Marken werden mit 30 Kreuzer eingelöst
k) Bei den Strassen ausserhalb der ehemaligen Stadteinwallung:
Dieselbe Marke von weissem Blech, die mit 20 Kreuzer eingelost
wurde. Diese beiden Marken sind geprägt
Fuhrmarken der Omnibus-Unternehmer (1865).
174) Hauptseite: Ein Omnibusfuhrwagen. Schrift: oberhalb:
Frankfurter, unterhalb: Omnibus.
Kehrseite: In drei Zeilen: Fahr | 4 | Marke.
Die Zahl 4 deutet an, dass vier Kreuzer Personen-Taxe für jede
einzelne Fahrt zu zahlen ist.
Durchmesser: 11 Linien. In Kupfer.
Zu meinem Aufsatz : Die Abzeichen und Namen der Frankfurter
Münzmeister, habe als Nachtrag zu bemerken, dass ein Frankfurter
Goldgulden des Kaisers Friedrich HI. mit dem Titel Imperator, der
demnach zwischen 1452 und 1493 geprägt wurde, vorhanden ist, auf
welchem als Münzmeister-Zeichen zwischen den Füssen des Johannes
der Buchstabe T sich befindet Zu welchem Namen dieser gehört, ist
Digitized by Google
- 205 -
mir nicht bekannt; er muss einen Münzbeamten bezeichnen, der hier
in Thätigkeit gewesen nach Peter Guldenlieben (1462) und vor der
Anstellung des Münzmeisters Friedrich (1463). Die Kenntnis» seines
Namens ist übrigens von sehr precairem Interesse. Ich erkaufte
diesen Goldgulden in einer Münzauction in Nürnberg im Früh-
jahre 1867.
Ordens-Decorationen, welche für die Stadt und theilweise für das
Grossherzogthum Frankfurt gestiftet wurden.
a) Adeliges Cronstettisches Damenstift.
Durch Decret des Kaisers Joseph II. wurden die Mitglieder
dieser altadeligen Genossenschaft ermächtigt, auf der linken Brust
ein gleichschenkeliges goldnes Kreuz zu tragen, in dessen Mitte die
Inschrift: In hoc signo salus. befindlich ist.
b) Ganerbschaft des Hauses Alt-Limpurg.
Durch Diplom des Kaisers Franz II. sind die Mitglieder dieser
altadeligen Genossenschaft ermächtigt, ein gleichschenkeliges Kreuz
zu tragen, dessen Schenkel durch divergirende Strahlen verbunden
sind; in der Mitte des Kreuzes liegt ein rundes Schild, auf welchem
an der Vorderseite F II (Franz II.) mit der Umschrift: Avita vir-
tute fideque in Caesarem et Imperium juncti; auf der Rückseite ist
der gekrönte doppelköpfige Adler mit Schwert und Sceptcr in den
Klauen; über dem Kreuz ist die Kaiserkrone.
c) Adelige Genossenschaft des Hauses Frauenstein.
Kaiser Franz H. berechtigte durch ein Diplom die Mitglieder
dieser Genossenschaft, ein dem vorstehend beschriebenen ähnliches
Ordenskreuz zu tragen, das sich nur durch die Umschrift des Mittel-
schildes unterscheidet; dieselbe ist: Majorum gloria propria virtute
aemuli.
d) Concordia-Orden.
Nachdem die freie Stadt Frankfurt gegen Ende des Jahres 1805
durch Frankreichs Gewaltherrscher dem ehemaligen Erzbischof von ^
Mainz Carl von Dalberg, zuzüglich anderer Provinzen, unter der Be-
nennung Grossherzogthum Frankfurt, als Lohn für seinen Abfall
vom Deutschen Reich, zugewiesen war, fand dieser Fürst sich ver-
anlasst, für das neue Grossherzogthum einen eigenen Orden zu
stiften, welchem er den Namen Concordia-Orden gab. Die Ritter
Digitized by Google
einer der vier Classen dieser Decoration trugen einen in der Ge-
sammtform ähnlichen Stern, nur durch die Grosse verschieden, je
nach der Gasse, welche verliehen wurde. Der Stern war gebildet
von ungleichen divergirenden Kippen, welche in einem achteckigen
Rand endigten. Auf einem runden Mittelschild befand sich in der
obern Fläche ein Bogen von Wolken gebildet, darunter zwischen
zwei Palmenzweigen zwei vereinigte Hände, über welchen die In-
schrift : Concordia. Von dem Wolkenbogen liefen abwärts Strahlen-
linien. Der Durchmesser des Sterns variirte je nach der Classe des
Ordens von V/t bis 2»/* Zo11-
e) Ordenskreuz, gestiftet unter der provisorischen Verwaltung
Frankfurts im Jahr 1814 durch den von den Verbündeten Selbstherr-
schern eingesetzten Stadtcommandanten Fürst Heinrich XBI. von
Reuss-Greiz.
Ein gleichschenkeliges Kreuz von Bronze, auf dessen Vorder-
seite an den vier Enden der Kreuzarme stehet : A. I. (Alexander I.),
F I. (Franz I.), F W. (Friedrich Wilhelm III.) und 1814. In der
Mitte des Kreuzes ist eine cllvptische Einfassung, in welcher stehet :
Deutschland ; auf der Kehrseite des Kreuzes stehet in einer ähnlichen
Einfassung: H XHI R G (Heinrich XIH. — Fürst von — Reuss
Greiz).
f) Ehrenkreuz, gestiftet für das Frankfurter Linienmilitär wegen
des Feldzugs im Jahr 1848 und 1849.
Ein gleichschenkeliges Kreuz, auf dessen Vorderseite Inschrift
in vier Zeilen: Für | treue Dienste | im | Krieg.
Auf der Kehrseite ist im obern Kreuzschenkel der Frankfurter
Wappenadler, auf den beiden Querschenkeln stehet : 1848 und 1849.
Im untern Schenkel sind zwei Eichenlaubzweige.
g) Decorationskreuze, gestiftet 1840 zur Bezeichnung der Dienst-
jahrc der Frankfurter Linientruppen.
Ein gleichschenkeliges Metallkreuz, in der Mitte der Vorderseite
der städtische Wappenadler in einem Blätterring; in den vier Schen-
keln der Kreuze stehet:
X — Jahr — treuer — Dienste (Kreuz in Bronze),
oder XV — „ — „ — „ (Kreuz in Silber),
oder XXV — „ — „ — „ (Kreuz in vergoldet Silber),
oder L — „ — „ — „ (Kreuz in vergoldetem Sil-
ber am obern Schenkel mit
einer Krone).
Auf der Kehrseite eines jeden Kreuzes stehet in der Mitte in einer
verzierten Einfassung die Jahreszahl 1840.
Digitized by Google
- 207 -
Von jeder der vorstehend beschriebenen Decorationen, mit Aus-
nahme von a) und c), befindet sich ein Exemplar in der städtischen
Sammlung auf der Bibliothek in Frankfurt.
Zürich am 1. Juni 1867.
Dr. Eduard Büppel!.
Hinweis, wo die Beschreibung der abgebildeten Medaillen nach-
zulesen ist.
Taf. I. Fig. 1. G. F. Grotefend pag. 184.
„ 2. a. b. Carl Bitter pag. 184.
3. Jacob Fuchs pag. 187.
4. Gerhard Friederich pag. 188.
5. Friedr. Christoph Schlosser pag. 186.
Taf. II. „ 6. Joh. Albr. Eytelwein pag. 181.
7. Ludwig Börne pag. 189.
8. Guttenberg's Denkmal pag. 192.
9. 25jährige Wirksamkeit der Zollverwaltung pag. 194.
10. Schützenfest-Thaler pag. 194.
11. Schützenfest-Medaille mit dem Gabentempel pag. 195.
12. idem mit Ansicht der Festhalle pag. 196.
13. Fürstentags-Thaler pag. 198.
„ 14. Jubiläum der Frankf. Freiwilligen von 1815 pag. 199.
ff
r
ff
v
f)
ff
?'
V
Digitized by Google
208 —
Der Kampf gcgeu die Bücher der Jaden am Anfange des
16. Jahrhunderts in seiner Beziehung auf Frankfurt
Von Dr. Lldwig Geiger.
Ein jedes grosse Ereignis«, das sich in der Weltgeschichte ab-
spielt, ein jeder Kampf, und werde er um die höchsten geistigen Gü-
ter geführt, bedarf ausser der geistigen Waffen gar oft auch, und
vielleicht nicht selten in höherem Grade als dieser der körperlichen,
der materiellen, bedarf ausserhalb der Idee, in deren Hallen er aus-
gekämpft werden soll, eines Ortes, in dem er gefuhrt wird.
In dieser Weise hat Frankfurt den Platz hergegeben für den
Beginn eines der merkwürdigsten geistigen Kämpfe, den die Welt-
geschichte kennt, für den Reuchlin'schen Streit, für den Streit, den
man so gern das Vorspiel der Reformation zu nennen gewohnt ist,
und der, wenn er diese Bezeichnung auch nicht verdienen sollte, doch
den zum ersten Male in scharfen, markigen Zügen innerhalb Deutsch-
lands ins Leben getretenen schneidigen Gegensatz zwischen Obsku-
rantismus und Scholasticismus auf der einen, Wissenschaft und Gei-
stesbefreiung auf der anderen Seite darstellt
Der erste Ursprung dieses Kampfes lag in den Büchern der Ju-
den *). Johannes Pfefferkorn, ein getaufter Jude, richtete sein ganzes
Streben darauf, die Bücher seiner ehemaligen Glaubensgenossen zu
vernichten; sei dies geschehen, dann glaubte er das Hinderniss für
eine allgemeine Judenbekehrung hinweggeräumt. In mehreren Schrif-
>) Für das Allgemeine verweise ich auf die Biographieen Reuchlin's, am
liebsten auf die von Lamcy, Pforzheim 1855 und Grätz, Geschichte der Juden
Band IX; für Pfefferkorn speciell auf einen eigenen demnächst erscheinenden
Aufsatz.
Digitized by Google
- 209 -
ten hatte er die Schädlichkeit dieser Bücher zu beweisen gesucht,
auf ihre gewaltsame Wegschaffung durch Fürsten und Herren ge-
drungen; mit dieser mehr theoretischen Aufstellung seines Planes
glaubte er nicht genug gethan zu haben, um eine praktische Ver-
wirklichung desselben zu erlangen, wandte er sich an den Kaiser
Maximilian. Hauptsächlich unterstützt von des Kaisers Schwester
Kunigunde, erhielt er von Max ein Mandat aus Padua 19. Aug.
1509, das ihn beauftragte, die Bücher der Juden zu untersuchen, und
nur die schädlichen zu unterdrücken, nicht kurzweg alle wegzuneh-
men, wie Pfefferkorn gewünscht hatte. Es gehört nicht hierher zu
untersuchen, in welcher Weise Maximilian zur Ausfertigung dieses
Mandats bewogen wurde; es war ausgefertigt, und wenn auch darin
Pfefferkorn grosse Befugniss eingeräumt war, Alles war ihm nicht
nachgegeben. Er hatte eine kleine Schlappe erhalten, obwohl er
Uber die Niederlage, die er hier erlitten hat, sich entweder
selbst getäuscht oder andere hat täuschen wollen. Er trat weiter mit
der alten Siegesgewissheit auf, als wäre es ihm gelungen, eine voll-
ständige Gutheissung seiner Absichten zu erreichen. Er reiste von
Padua wieder zu der Erzherzogin Kunigunde, der er das kaiserliche
Mandat zeigte, „dar ynne sie sunderliche freudt entpfangen hat" *).
Mit Empfehlungen von ihr versehen, ging Pfefferkorn nach Frank-
furt, *), einer der wenigen grossen jüdischen Gemeinden in Deutsch-
land, die damals noch bestanden, und wurde vom Rath „mit groisser
Erwyrdigkayt" aufgenommen s).
Schon vorher hatte der Kaiser an den Rath der Stadt geschrie-
ben, dass „J. P. gedaüffter Jude oder nu Criste von Collen" nach
Frankfurt kommen würde, um „die Judische bucherc zu visiteren,"
und in Folge dessen der Rath am 20. Sept den Doctor Adam zum
Rathspfleger in dieser Sache ernannt*). Am folgenden Tage über-
') Pfefferkorn In lob vnd eer . . . dem Keyser Max. B 3a (1510).
2) Ausser den Schriften Keuchliu's und Pfefferkorns, die für dies und das
Folgende bisher als einzige Quello gedient haben, konnte ich noch die Frank-
furter Bürgernieisterbücher vou 1509 und 1510 aus dem dortigen Archive be-
nutzen, die über viele Einzelheiten interessante Aufschlüsse gewähren.
3) In lob vnd eer a, a. O.
«) Feria quinta in vigilia Matthci Bürgermeisterbuch 1509 fol. 52. vgl. Ex-
trakt aus den Rathsprotokollen F— U Band X fol. 310b im Frankfurter Archiv.
Ich bemerke, dass nach Mittheilungen des Herrn Archivar Professor Dr. Kriegk
diesem Extrakt keine officielle Bedeutung zukommt Er ist viel unvollständiger,
als das Protokoll selbst, indem er eine ganze Reihe wichtiger Stellen gar nicht
IV. 14
Digitized by Google
- 210
reichte Pfefferkorn gelbst die kaiserlichen Mandate1). Der Rath be-
schloöä, die „Rathsfreunde" Friedrich von Altzey, Gilbrecht von
Iloltzhauscn, Endres Herdan nebst dem Stadtschreiber zu dem Ca-
pitel d. i. dem Bartholomäusstift abzusenden, ihnen die kaiserlichen
Befehle anzuzeigen und ilir Rath und Gutdünken darin zu vorneh-
men 2). Die Herren vom Capitel erklärten den Befehlen Folge leisten
zu wollen. So wurde am 25. Sept. die Visitation vorgenommen *).
Die Juden weigerten sich freilich, ihre Bücher herauszugeben, nichts-
destoweniger aber wurde eine Anzahl derselben weggenommen und
beim Rathe niedergelegt4). Als Grund ihrer Weigerung führten sie
ilire Privilegien an, und theüten dem Rath eine Appellation mit, —
vermuthlich an den Kaiser zur Aufhebung der wider sie ergriffenen
Massregel gerichtet5). Sehe ich recht, so bezog sich diese Widerrede
der Juden eben auf nichts Anderes, als auf den Umstand, das*
Pfefferkorn alle Bücher ohne Unterschied confisciren wollte, wäh-
rend das Mandat, das er als Autorisation dafür vorzeigte, nur auf
Sclunachbücher lautete*). Der Rath aber beschloss, auf diese Wei-
gerung nicht zu achten 7).
erwähnt. Er wurde von den Stadtachrtibern in eigenem Interesse verfas&t, umi
nach Materien alphabetisch geordnet, um ein tiequemcs Nachschlagebach zu
haben. Die Abfassungszeit ist etwa die Mitte des 17. Jahrhundert», bestimmter
ist sie nicht angegeben, während dies auf anderen Bänden derselben Sammlung
oft der Fall ist
■ *) Die Originale sind im Frankfurter Archiv nicht vorhanden,
*) Bürgermeiaterb. fol. 53. Extrakt a. a, 0. Das Mandat natu- bestimmt,
riass die Untersuchung der Bücher „in gegenwurtigkeit des pastors" vorgenommen
werden sollte, der Rath wandte sich also ganz vorschriftsgemsss an die geist-
liche Behörde.
*) Fcria tertia post Matthei Bürgerin, b. fol. 54. Als Verordnete des Raths
werden hier Doctor Adam, der früher allein aut Rathspfleger bezeichnet wurde,
Altzey und Holtzhansen genannt.
♦) In lob vnd eer a. a. 0.
») Bürgcnnb. fol. 56. fcria tertia post Remigii 2 Okt. Als die gemeyn Jn-
discheit etlich Ire Privilegien durch meister friderich von altzey In eynem lyneo
sekelin dem Rat aufzeigen Isiasen hait vnd eyn copy eyncr appcllation darbj*.
*) Das sagt Maximilian selbst in seinem zweiten Edikte, dio Juden hatten
sieh beklagt quod sibi non solum prenominatl libri sed pleriqnt alii qui neqae
contra preeepta Moysi neqne prophetarum neque in contumeliam fidei nostre
Christiane essent. Pfefferkorn Defensio contra famosas obscurornm Virorum epi-
»tolas bei Böcking, Huttcni Opera, Supplemontum I, 8. 81-176, unsere Steife
8. 89.
T) Bmb. a. a. O. den Judden sagen der Rat sy gemeynt der key. mandnr
siecht nach synem Inhalt nnrhtzukommen.
Digitized by Google
211 —
Wahrscheinlich in den letzten Tagen des September hatte Pfeffer-
korn, vielleicht noch ehe die Beendigung seiner Thätigkeit in Frank-
furt abzuwarten, die sich von vorn herein sehr in die Länge zu zie-
hen schien, sich nach andern Städten gewandt und eine Confiscation
der Bücher in Worms, Mainz, Bingen, Lorch, Lahnstein und Deutz
bei Cöln vorgenommen *).
Indess, noch ehe er in Frankfurt weiter vorgehn konnte, war
von anderer Seite eine Störung eingetreten. Das Bartholomäusstift,
das unter dem Erzbischof von Mainz stand, hatte von demselben —
Uriel von Gemmingen — den Befehl bekommen, einzuhalten und
nichts Weiteres gegen die Bücher der Juden zu thun, „sie haben
dan zouuor ein sunderlich mandat von seinen gnaden " *). Die Bitte
des Stifts, der Rath möge in Gemeinschaft mit ihnen den Erzbischof
um die verlangte Erlaubniss ersuchen, wurde abgeschlagen und
vielmehr Pfefferkoni als der Geeignete vorgeschlagen, um das Ge-
wünschte zu erlangen *). Zugleich wurde beschlossen, auf die Bücher,
i) Pfeff. Brief an Geistliche und Weltliche. Für Lahnstein liest Grätz IX
Noten S. XIII: Lauffen. Das würde schon seiner geographischen Lage nach zn
den übrigen angegebenen Orten gar nicht passen, überdies steht auch in der in
Wolfenbüttel befindlichen Handschrift ganz deutlich Ion stein und wird ausserdem
durch eine aus Peff.'s Brief geschöpfte Aufzählung der Orte in der Schritt des
Johannes Rhomanus, Das ist der hochthuren Babel. . Id est confusio pape (1521)
B. 4 bestätigt
*) Bmb. fol. 57. Grätz IX, 30 sagt : „Der Erzbischof mischte sich ein , man
weiss nicht recht, ob aus Judenfreundlichkeit oder aus Eifersuchtelei, dass in sei-
nem Sprengel hinter seinem Rücken einer Privatperson Gewalt über seine Juden
eingeräumt worden war". Nun, aus Judenfreundlichkeit ist der Schritt jedenfalls
nicht geschehen, das erkennt man einfach daraus, dass der Erzbischof durchaus
auf die Pläne Pfefferkornes einging, sobald sie ihm einmal vorgelegt waren.
Eben so wenig aus Eifersüchtelei gegen eine Privatperson, sondern nur aus dem
allerdings sehr berechtigten Gefühle, nicht zu dulden, dass das ihm unterge-
bene geistliche Stift bei Handlungen mitwirke, zu denen er seine Zustimmung
nicht gegeben habe. Ich schliesse mich durchaus der Darstellung an, wie sie
das Frankfurter Rathsprotokoll gibt, und halte Pfefferkorn's Mittheilung, als wäre
die Botschaft des Erzbischofs direkt an ihn gegangen, für weniger glaublich :
Dcfensio S. 87 : In expeditione autem hujus negocii venerunt mihi a gratiosissimo
domino meo domino Uriele Archiepiscopo Hognntino scripta, ut in hoo negocio
supersederem et me ad Oschenburg (Aschaffenburg) ad suam Reverentiam quam
primum referrem. Der Erzbischof hatte naturgemäss nur mit der ihm unterge-
ordneten Behörde zu thun. Der Grund seiner Berechtigung zum Einschreiten
wird in Pfefferkorn's Erzählung ganz übergangen.
s) dwil seiner gnaden mandat den Rat iiit betrifft.
*) Es wurde beschlossen, pefferkorn sagen der Rat sy willig dem mandat
(d. h. natürlich dem früheren kaiserlichen, nicht dem erebiacbüilichen) nachzu-
14*
Digitized by Google
r
V
- 212 ~
die die Juden in Fässer geschlagen hätten,1) Acht zu geben, damit y
sie nicht aus der Stadt kämen. Einem Wunsche Pfefferkorn'«, ihm
einen Schein zu geben, „wess Inhalt der key. mandata der Jüdischen
bucher halber alhic gehandelt worden syhe" wurde Gehör gege-
ben Ä), und ihm ferner noch ein «Geschenk von zwei Gulden be-
willigt s).
Nach einigen Zwischenfallen, die hier nicht zu berühren sind,
wurde vom Kaiser ein zweites Mandat ausgestellt (Rovercdo 10. Nov.
1509), nun an den Erzbischof Uriel von Mainz gerichtet, in dem
dieser beauftragt wurde, das Gutachten von vier Universitäten, von
dem Ketzermeister Hochstraten, von Viktor von Karben in Köln,
und von Reuchlin einzuholen4), und erst nach Abgabe dieser Uber
die Vernichtung der Judeubücher zu entscheiden, wenn auch die
kommen, wo aber die hern vom Capittel nit mithe gecn wollen das er pefferkorr
das by v. g. h. von mentz erlang das der pierner oder die bern mit geue,
<) Mit diesem Ausdruck sollen die Bucher bezeichnet sein, die den Jodes
noch nicht abgenommen, aber doch durch die Art der Aufbewahrung ihnen zum
Gebrauch und zum Verkauf (s. Anm. 2) untersagt waren.
*) Diese Bescheinigung lautet: Wyr der Katt zu Franckenfurt Bekennen
öffentlich vnnd thun kunt allermeniglich mit diesem brieffe. Nachdem von weghen
des aller durchleuchtigisten Grossmechtigisten Fürsten vud herren. hern Maximi
Iian Romyschcn kaysers vnsors aller gnedigsten herren. vn seyner kay. Ma. offen
mandat. die gemeyno judischeit allenthalben, ym reich betreffen, darzu eyn mis-
syve von derselben k. M. vssgangen. vif vns sagende durch den Erbarn Johanes
Pfefferkorn von Collen, vff Donnstag 8ant Matheus des heylighen apostoeln {])
obent nehst vergangen vberantwort worden. Das wyr mit gepurlichen wyrden
entpfangen dem als die gehorsamen volge getban vnd etliche pueebere derselbe
Pfefferkorn angetzeigt hyndor vns genomen. auch den juden alle ander pueebere
sye hynder ynen haben, der Pfefferkorn sagen wil. vn toglich seyn sollen nit zu
vereussern verbotten. Des zu vrkunde han wyr der benanten vnser Stede
Ingesygel vff diesen brieff thun trocken. Am donnerstag nach Michaelis Anno
dni Millesimo quingentesimo nono. Sie ist uns allein erhalten in dem sehr selte-
nen Streydtpuechlyn Pfefferkorns, einer 1516 erschienenen, und sehr wichtige, sonst
völlig unbekannte Urkunden enthaltenden Schrift.
3) 4. Okt. Bmb. fol. 58. Pfefferkorn hatte gebeten vmb eyn stüer Domit er
syne angefangen wergk folge thun möge.
♦) Der Zusatz: ut insuper Judaeos de Francofurdia ad se atque illos accer
aas, den Pfeff. deutsch in der Schrift : In lob vnd eer B 3b wiedergibt : vnd die
Rabi der Juden tau solichenn erforderen soll, bedeutet nicht, wie Grits IX, Noten
S. XXVI annimmt, dass die Juden bei der Untersuchung mit gehört werden sol-
len, sondern dasB sie vorgefordert werden sollen, um die Bücher anzugeben, die
sie noch im Besitz haben, wie leicht aus den, den oben angefahrten, folgenden
Worten zu ersehen ist: ut libros qui eis nuper adempti sunt, et hos maxime
quos Pepcricornus adhuc indicabit, evolvss et perpenda«.
Digitized by GoogleJ
- 213 - .
Confiscation weiter fortgesetzt werden sollte. Der Erzbischof er-
nannte an seiner Stolle den Hermann Hess, damals Rector der Uni-
versität Mainz, um gemeinsam mit Pfefferkorn die Sacho in Frank-
iurt zu betreiben SJ.
Am 27. December wurde das kaiserliche Mandat in der Raths-
sitzung verlesen. Der Rath beschloß», mit dieser Angelegenheit den
Jakob Heller, der als Gesandtor der Stadt auf den Reichstag zu
Worms geschickt wurde, zu betrauen, ihm das Mandat vorzulegen, die
Sache seibat aber ruhen zu lassen, bis Pfefferkorn in eigner Person
«las ihm Uebertragene verrichten könne1). Die Zurüekkunft Pfeffer-
korn's hat aber ftlrs erste gar nicht stattgefunden. Der Rath be-
schloss unterdess (15. Jan. 1510), alle auf die Bucherangelcgenheit
bezüglichen Mandate des Kaisers dem Gesandten Heller zuzuschicken,
damit dieser die Angelegenheit auf dem Reichstag ordne3), und
schrieb ihm nach einiger Zeit (7. Febr.) nochmals, wie er sich „der
Judden bucher halber zu benehmen habe"*). Den Juden aber wollte
man, von dem Grundsatz ausgehend, den man schon früher geltend
gemacht hatte, dass die Confiskation der Bücher keine Angelegen-
heit sei, zu der der Rath die Initiative zu ergreifen, sondern nur
Mithülfe zu leisten habe, wann sie erlangt würde, „so vil mit fugen
bescheen möge Ine beholfflich syn"B).
Bei dieser allgemeinen Zusicherung begnügten sich die Juden
indessen nicht, sie reichten dem Rathe eine Petition ein — ohne
Zweifel mit der Bitte um Rückgabe der confiscirten Bücher — , die
dem Doktor Adam, den wir schon früher als Rathspfleger in dieser
>) Defenaio a. s. 0. p. 90. Von Hermann Hess erzählen die Bürgormeister-
böcher nichts.
*) Bürgermeister!}. 1509 fol. 87. feria quinta in die saneti Joh. Evangelistac.
So verstehe ich die nicht ganz klare Ausdrucksweise : Als die key. mt schreibt
pefferkorus halber die Judischeit betreffen Jacob heilern den brieff hören vnd
Bunst bisz vflf zukunfft pelTerkorns triben lassen. Mir scheint schon hierin ein für
die Juden günstiger Schritt des Rathes zu liegen, wie namentlich noch ans dem
Folgenden hervorgehn wird. Ob sich auf dieselbe Sache fol. 92 feria tertia post
Epiphanias domini = 8. Januar 1510 (die Ffter Bürgermeisterbücher fangen näm-
lich nicht vom Januar, sondern Mai des laufenden Jahres an) „Bisz nebst Dours tag
der Judden schlifft vnd Sachen In dem Rate verlesen * und fol. 94 f. tertia post
octavas Epiph. = 15. Jan. „Item vf nebst Dornstag der Judden Privilegien zum
ersten an statt des gesetzs lesen lassen*1 beziehen, kann ich nicht sagen.
i) Bmb. fol. 93.
♦) Bmb. fol. 102. feria quinta post purific. Marie,
s) fol. 93.
Digitized by Google
. _ 214 —
Sache angetroffen haben, zur Begutachtung übergeben wurde
(24. Jan.)1). Sein „Ratlich gutbedunkcn" (29. Jan.) ging dahin, die
Beihülfe bei dem Vorgehn gegen die Juden abzulehnen und davon
dem Kaiser Nachricht zu geben2), eine ähnliche Antwort ertheihe
man dem Friedrich von Sarnsheim, Amtmann von Babenhausen, der
vielleicht eine Confiscation der Bücher seiner in Frankfurt sich auf-
haltenden Juden wünschte3). (5. Febr.)
Die Petition, die die Juden an den Rath geschickt hatten, ge-
langte nun durch diesen auf Koston der Juden an den Kaiser *).
(7. Febr.) Ob darauf eine Antwort eingelaufen, ist nicht bekannt
Dass die Juden sich aber jedenfalls an den Kaiser gewandt haben,
wird auch durch Pfefforkorn's Erzählung bestätigt Wollen wir ihm
Glauben schenken, so bostachon sie viele Christen am kaiserlichen
Hofe, um eine für sich günstige Entscheidung zu erwirken*). Unter-
dess war aber Pfefferkorn wieder nach Frankfurt gekommen, und am
9. April beschwerten sich die Juden beim Rath, dass Pfefferkorn sich
gegen die Bücher unterstehe •). Trotz dieser Beschwerung hatte aber
Herman Ortlieb 7), subdelegirter Commissar, die Bücher confiscirt
«) fol. 96. quinta post Vincentii.
*) Fol. 97. Ich glaube so die unklaren Worte richtig verstanden zu halten.
Doctor Adam befclen ein Ratlicli gutbeduncken der Judden hiieher halben vnd
keyserlich oommission abetzuleynon vnd vff mitter wege zu bequemlichsten er-
langt werden mocht, vff zu zeichenen.
a) Fol. 100. tertia post purificationis Marie. Als Friderich von Sarons-
heym amptman zu Babeuhuscn schreibt der Judden bucher halben uff vorige ant-
wurt glichmesaig schriben dasz solich dem Rat Die Antwort des Raths ist nun
freilich ausgelassen, und das ganze Protokoll unklar genug abgefasst Ich halte
meine im Text gegebene Erklärung ftlr gerechtfertigt, weil zwischen dieser und
der fol. 97 enthaltenen Notiz (s. Anm. 2) über die Bücher keine andere sich findet
und ich daher das „glichmesaig" als ähnlich nämlich der Antwort an den Kaiser
auffasse. Ob dasselbe fol. 103. (4. Febr.) Markgraf Joachim von Brandenburg
schreibt „ wegen dictus (?) Judden wegen etlich Judisch bucher betreffenn hinder
Nason Judden ligende by dem Judden erkunden " zu findon ist, mag ich nicht ent-
scheiden.
*) Fol. 101. vff der Judischeit bitte vnnd begeren zu der key. maiestat zo
schicken der Jüdischen bucher halben so Inen alhie gnoinen worden syn, die zwo
leste petteioo vff der Judden kosten. Die Worte: die zwo leste etc. beziehen
sich nicht etwa auf zwei an den Kaiser gerichtete Briefe, sondern auf den an den
Kaiser und den an den Amtmann zu Babenhausen.
s) Defensio Pepericorni p. 91.
') Fol. 121. tertia post Quasimodogeniti : als die gemeyn Judischeit achribe
betreffen bansen pefferkorne den getauffton Judden der Sie Irer bttcher halber
vndersteet.
') Das ist vielleicht derselbe, den Pfefferkorn Hermann Hess nennt.
Digitized by Google
- 215 -
und zu den bereits früher fortgenommenen gelegt und erklärt, er
werde trotz des Widerspruchs der Juden sich verhalten, wie es
ihm der kaiserliche Befehl vorschreibe *) (11. April). Nun verlangte
auch Pfefferkorn, dass, gegen die früheren Rathsbeschlüsso, die Bü-
cher der fremden Juden so gut wie der einheimischen confiscirt
werden sollten 2), und bat um die Anwesenheit zweier Richter, um
nun die Untersuchung der weggenommenen Bücher vorzunehmen8).
Aber die Juden weigerten sich entschieden, die Bücher herauszu-
geben und baten sich Bedenkzeit aus, und der Rath, dem der Wider-
stand bedenklich schien, bescliloss, den Doktor Adam anzufragen,
welche Massregel man gegen die Juden ergreifen wolle, „wo sie sich
die bucher zu hinderlegen sperren oder aber hinderlegen wurden"4).
So blieb, wie es scheint, die Sache einstweilen noch in der Schwebe5).
Unterdess war Pfefferkorn auch nicht unthätig geblieben; er
verfasste eine neue Schrift, mit dem offenbaren Zweck, den Kaiser
-auf seine Seite herüberzuziehn, unter dem Tittel: Zu lob vnd eer
dem Allerdurchlouchtig8tcn Grossmechtigsten Fürsten vnd heren hern
Maximilian. Trotz dieser und andrer Anstrengungen gelang Pfeffer-
korn's Plan nicht. Die Juden erhielten ihre Bücher zurück.
In dem zu diesem Zweck erlassenen Mandat — dessen Aufzeichnung
uns verloren gegangen ist — wurde darauf aufmerksam gemacht,
dass die Bücher unverrückt bei ihnen bleiben sollten bis zum wei-
teren Befehle des Kaisers6). Und dieser erfolgte bald. Am
!) Quinta post Quasimodogeniti fol. 123. Als doctor herman ortlieb subdcle-
gerter commisarie der Judden bucher halber gehandelt hait die buchcr so ange-
zeigt ein by die vorige buchcr legen laisze mit der protestacion sich lutc der
kcy. commis8ion czu geleben. Nach Pefferkorn's Erzählung seien es zusammen
1500 Bücher gewesen Defensio S. 87.
>) Dwile haus pefferkorn sich höre laiszen hait der fremden Judden btichcr
halber so bie sin, dass die vorgeschrieben vnd welche vnder den vntuglich fanden
werden In der besichtigunge dasz Er die by sit thun vnd hinderlegen möge-
3) ferner als sich gedachter pefferkorne willig erbütet domit die hinderlegten
buchcr nit beschediget, vnd dester bass versorgt werden möge, Imc die bucher
In bywesen zweyer richter, besichtigen laisse vff der Judden kosten vnd wess er
vnder den buchern togelich befindet, der Judischeit widder zu zustellen.
♦) Fol. 125.
») Der Rath hätte am liebsten wohl die Sache ganz fallen lassen, so rictb
ihm wenigstens Karl von Hinssberg, der an Stelle von Jakob Heller nach Augs-
burg geschickt war. 7. Mai. Bmb. 1510 fol. 1.
*) Sed tantum est Uli (falsi Christiani) pro imperatori tarn diu ad aurcs in-
flaruut per falsas instruetiones quod sua Ccsarca raajestas JudeoB libros restituorc
mandaverit sub tali conditionc, quod bi libri sie conacripti et immoti usque ad
Digitized by Google
- 216 -
6. Juli 1510 bestätigte der Kaiser den Juden den einstweiligen Be-
sitz ihrer Bücher und verlangte die Einholung der Gutachten, die
schon im 2. Mandat gefordert worden waren. Es war daher eine in
dem Mandat nicht begründete Forderung, die die „Rechenmeister''
an den Frankfurter Rath stellten, die Bücher der Juden wieder weg-
zunehmen, uud der Rath beschlos», auch nur das zu thun, was das
kaiserliche Mandat vorschreibe1). Auch später ist eine nochmalige
Confißkation der Bücher nicht angeordnet worden.
Damit hat die Bücherangelegenheit für die Frankfurter Juden
eigentlich ihr Ende erreicht. In der gelehrten Welt fing nun der
Kampf erst an. Es ist zu bekannt, um hier näher darauf einzu-
gehn, wie Reuchlin sein Gutachten gegen die Vernichtung der
Bücher abgab, wie, nachdem dieses und die übrigen Gutachten dem
Kaiser zugeschickt waren, dieser dem Erzbischof Uriel erklärte, er
werde die Sache einem Reichstag zur Entscheidung übertragen. Das
ist indessen nie geschehen. Unterdessen hatte aber Pfefferkorn gegen
Reuchlin's Gutachten seinen Handspiegel herausgegeben, als Gegen-
schrift erschien Reuchlin's Augenspiegel Er wurde während der
Herbstmesse 1511 in Frankfurt verkauft, und begierig gelesen von
Christen, namentlich aber von Juden, die von aller Welt hier zu-
sammenströmten und begreiflicherweise mit grosser Spannung dem
ulteriorem commisBioneni apud cos remanerent, et hec erat frans diaboli qui bona
opera Semper impedire laboraL Defeneio Jo. Pepericorni a. a. 0. S. 91. Auf
diesen ganzen Umstand, der ausserdem noch aus einer andern fast gleichfoigeudeo
Stelle Pf.'s: post quam Judei Franckfordienses libros rehabuerunt (wobei ich
nicht zweifle, dass hier die Frankfurter Juden nur desshalb genannt werden, weil
sie die reichsten, angesehensten und zahlreichsten waren und der Befehl auch für
die Juden insgesammt galt) und einer Stelle im 4. Mandat des Kaisers hervor-
gebt, hat zuerst Grätz aufmerksam gemacht. Dieser Befelü kam dem Frank-
furter Rath am 9. Juni 1510 zu: dar Inno Syner Ma. Commission v. gn. h. von
mentz bescheen der Judischen bücher halber vffgehebt, vnd dieselbenn bucher
den Judden widder zu Iren zustellen vnd folge zu laisson. Der Rath beschlos«.
den Befehl auszuführen und verordnete dazu Jakob Neuhaus, Gilbrecht Holz-
hausen, Endres Herden und den Stadtschreiber. Binb. fol. 10. Einen merkwür-
digen Zusatz hat hier der Extrakt fol. 311, die Bücher seien zurückgegeben wor-
den „ohne Zweifle! vff der Juden vortheilhafftes Ansuchen vnd vor sie von Chur-
Fürsten vnd ander Herr beschehen Intercessiones. wie dann vndersebiedliche Ju-
den von Chur Mainz Chur Brandenburg Hessen etc. vmb Verfolgung der angehal-
tenen bücher verschrieben worden! Der Befehl des Kaisers erging etwa An-
fang Mai.
<) Inen scu sagen, so koyer mandat kompt mögen sie myn hern ansuchen,
wolle sich der Rat gepurlich halten. 6. Aug. Bmb. fol. 31.
Digitized by Google
- 217 -
indirekt filr sie geführten Kampfe folgten1). Da untersagte der
Frankfurter Pfarrer Peter Meyer den Verkauf der Schrift, fälschlich,
wie es scheint, vorgebend, er sei dazu vom Mainzer Erzbischof au-
torisirt, und Hess, um das Verbot wirksamer zu machen, Pfefferkorn
gegen den Augenspiegel predigen2) (17. Sept. 1511). War das un-
rechterweise geschehen, so ermahnte der Kaiser, freilich ein volles
Jahr später (7. Okt. 1512), wie alle Fürsten des Reichs, so „sunder-
lich Burgermeister und Rait der Stadt Frankfurt" den Verkauf des
Augenspiegels nicht mehr zu gestatten 8).
Der Streit wurde noch Jahre hindurch in heftiger Weise ge-
führt, wie Pfefferkorn, so war auch Peter Meyer mit eine Haupt-
zielscheibe, auf die sich die Pfeile der Dunkclmännerbriefe richteten.
Weitere Beziehungen auf Frankfurt kann ich nicht finden, der Ort,
an dem nun verhandelt wurde, war ein grösserer, es war Rom, die
Sache, um die gekämpft wurde, war eine bedeutendere, es war die
Berechtigung des Humanismus gegenüber der Allmacht der Dunkel-
männer.
>) Vgl. ausser den bei Grätz S. 126 A. 1 angeführten Stellen noch Fried-
länder, Betträge zur Reformationsgeschichte S. 125 Z. 4 v. u.
*) Reuchlin Defensio contra calumniatores Colonienses (1513) B 3a.
3) Pfefferkorn Beschyrmung yG fg.
Digitized by Google
— 218 —
Verzeiohniss
der
Frankfurter Hauptleute, Stadt-Advocaten und Oberstrichter
bis zum Jahr 1500.
Nach den Aufzeichnungen des Herrn Archivare Dr. G. L. Kriegk
mitgetheilt von Dr. Eller.
In derselben Weise wie Herr Archivar Dr. Kriegk ein urkund-
liches Verzoichni8s der Frankfurter Bürgermeister bis 1866 und der
Schultheisscn bis 1810 angefertigt hat (beide jetzt abgedruckt in sei-
nem Buche „deutsches Bürgerthum im Mittelalter Frankf. 1868"),
hat er zum Gebrauche des Stadt- Archivs auch ein Verzeichniss der
Frankfurter Hauptleute, Stadtadvocaten, Syndiker, Stadt -Procura-
toren, städtischen Schreiber, Gerichtsachreiber, Oberstrichter und welt-
lichen Richter bis zum Jahre 1500 nach urkundlichen QueUen verfer-
tigt. Er hat von Jahr zu Jahr die betreffenden Personen verzeichnet
und jedesmal die StcUen beigefügt, an denen sie in den stadtischen
Rechen- und Beodbüchern, den Bürgermeisterbüchern u. dgl. oder
in Urkunden erwähnt werden. Er hat aber auch solche Personen
eingereiht, für welche zwar eine urkundliche Begründung ihm nicht
bekannt wurde, die sich jedoch in den Lersner'schen und zum Jun-
gen'schcn Verzeichnissen aufgeführt finden. Die Namen solcher Per-
sonen sind eingeklammert. Die Zuni-Jungen'schen Verzeichnisse der
Oberstrichter und der gemeinen weltlichen Richter befinden sich
in dem mit Nr. 25 bezeichneten Quartbande der auf dor Stadt- Biblio-
thek aufbewahrten Uffcnbach'schcn Manuscriptc. Das eine steht dort
S. 442—450 und hat die Ueberschrift „Verzeuchnuss der Obersten
Richter zu Frankfurt (supremi Apparitores, Fiscalcs), ein ansehul.
Digitized by Google
- 219 -
Amt vor Alters." Es geht bis 1693. Das andere steht dort S. 450
folg., geht bis 1523 und schliesst mit den Worten : NB. Ist zu wissen
dass dieses für Zeiten ein adeliches Amt gewesen, aber nachmahlen
sonderlich nach dem Jahr 1450 und folgendes ie länger ie mehr in
Abgang kommen, also dass heut zu Tage solche Richter meisteDthoils
nichtswürdige liederliche versoffene Vögel sind, quantum mutati ab
illis! O temporal o mores! Von wem diese beiden Verzeichnisse
verfertigt wurden, ist Herrn Dr. Kriegk unbekannt geblieben, er
erklärt sie aber für ebenso mangelhaft und voll von Fehlern, wie die
Lersner'schen. Auf mein Ansuchen hat er mir nach eingeholter Ge-
nehmigung der Archivs -Deputation mit grosser Freundlichkeit, wie
ich hier dankbar anerkenne, diese Beine mühevolle Arbeit behufs des
Abdrucks zur Verfügung gestellt, da ihm die Zeit mangelte, selbst
deren Druck zu besorgen. Auch mir war es nicht möglich, alle diese
Verzeichnisse zu bearbeiten, sondern ich musste mich auf die Heraus-
gabe der drei wichtigsten beschränken. Ich habe hierbei die jahr-
weise Aufzeichnung verlassen und die Namen der einzelnen Beamten
nach dem ersten Jahre, da sie vorkommen, geordnet Von den urkund-
lichen Belegstellen habe ich nur eine kleine Zahl beigefügt: wer
dieselben vollständig kennen lernen will, möge das Manuscript des
Herrn Dr. Kriegk selbst einsehen. Meine eigenen wenigen Zusätze
sind mit eckigen Klammern bezeichnet
Dr. Euler.
Digitized by Google
- 220 -
I. Hauptleute.
Sch Uttel in, Edelknecht
In seiucm Dieoatbrief von Craat Barth, verpflichtet er sich zum
Dienst mit 15 Helmen, davon zwei Schätzen sein sollen. Lers-
ner IL, 1, 546 nennt ihn Schuttelina.
(Henrich Faut von Schwalbach.)
Nach Lersner 1. I. der sich jedoch bloa auf einen Verbandbrief
desselben stützt.
Michel der Hauptmann. Vgl. Bechenbuch f. 25.
Eckil von Hatzfeld.
Nach dem Rechenbuch f. 17 erhält er S. a. Kur. .Magd. Zah-
lung „von siner Houblmauschaft wegin."
(Merkel von Bonames und Herman von Heyn,
Edelknechte.)
Nach Lersner L I. der sich aber blos auf eine Stelle besieht,
wonach jener mit 2, dieser mit 3 Pferden der Stadt für Geld
gedient hatte.
(Gumprecht von Hohenfeld, Edelknecht)
Nach Lersner 1. L der sich aber blos auf einen Verbnndbri ef
desselben stützt
Ruprecht Ulnor, Edelknecht
Auch 1372 und 1373. Lersner 1. i. gibt seine Soldbedingungen
an, I. 422 nennt er ihn Rupr. Ulner von Dieburg. Im Rechen-
buch von 1371 f. 29. 47. heisst er „ R. Ulner der houbtman."
Iu seinem Dienstbrief von Galli 1372 wird er auf ein Jahr lang
Ortwyn Cloppel und Henne Fyckel.
Auch 1375. Rechenbuch von 1375 f. 81 S. ante nativ. Chr
sagt: 10 Pf. Ortwyne Cloppel alft he woil czwey jare mit Hen-
nen Fyckel haubtmann waz gewest.
Johann von Carbon, Edelknecht.
Nach seinem Revers von Simon und Jud. 1375 ist er von diesem
Tage auf ein Jahr „diener und heubtman" von Frankfurt
geworden. Im Beedbuch der Oberstadt von 1376 f. 27 heisst
er „Henne von Garben der houbtman".
Digitized by Google
- 221 -
Heinrich von Morle genannt Beheim, Edelknecht
Nach dem Rechenbucbe fol. 64 unterhandelte man S. post invent.
Crucia mit ihm „umb daz er der stede houbtman solde sin."
Ebenda f. 80 erhält er Albani seinen noch zu verdienenden
Vierteljahrsold von 200 Gulden. Ebenda f 82 8. p. omn. Sanct.
dankt er ab.
Winther v on Vilmar.
Auch 1877 und vielleicht 137a Sein Dienatbrief ist datirt II. p
Urban! 1376. Im Rechenbuche von 1378 f. 79 Vig. Pentec
heisat es : „Winther von Vilmar 180 fl. 20 fl. von ergeninge wegin
siner hengste und pherde in syner houbtnmnschaft."
Johann von Widdel (und Heilmann von Spire.)
Rechenbuch f. 48. S. a Viti : „20 fl. Johanne von Widdel vmb daz
ho cyne czyt von der stede wegen von des Rads geheisae
gereden hatte alß eyn houptmann mit Heilmanne von Spire.'4
Wigand von Hunspach, Edelknecht.
Auch 1380 und 1381 laut aeiner Dienstbriefe von Galli 1379
und Galli 1380. Sein Abdankebrief ist datirt craat. Galli 1381.
Im Rechenbuche von 1379 f. 45 heiast es S. a. Gregotii 1380:
„4 fl. virzerte Wygand der bouptman und die Diener, als sie
vbirdaig in der meas vff dem Moyne hilden."
Heinrich von Beldersheim, Edelknecht.
Laut seines Bestallungsbriefes von dorn. a. Elisab.
(Johann Herr zu Rodenstein.)
Nach Lersner's Angaben II, 2, 547 zu schliessen.
Henne Fickel der Alte von Klopheim, Syfr. Fickel
und Wynther von Wasen.
Im Rechenbuche von 1388 f. 108, S. p. Viti (20. Juni) steht:
„60 fl. Hennen Fickeln dem alden unde Syfr. Fickeln, alss sio
bysher der stede Haubtlude gewest sin, wan in dez befalen
ward." Ib. 86. S. ante Petri et Pauli (27. Juni) „200 fl. Wynther
von Wasen , alß er eyn jar schultheiße unde der stede Heubt-
man waz , daz jar uzging uff Nativ. Joh. neist vergangen." —
In einer Urkunde von Concept. Mar. 1389 leistet Henne Fickel
von Klophcim der Alte als früherer Frankfurter Hauptmann
und Amtmann zu Bonames Verzicht
Wynther von Wasen und Ditmar von Girmße.
Im Rechenbuch von 1389 f. 116, S. p. Margar. (17. Juli) heisat
es: „84 fl Wynther von Wasen vor eynen Hengest, den yme der
Raed schankete, daz er sieh der Heubtmannscbaft underzoch in
dem kryge zusschen Herren unde Steden." Ib. f. 118. S. p.
Aegidii (4 September) „Ditmar von Girmßc 100 fl., als er der
stedte Heubtmann ist gewest." Im Copialbuch von 1383 steht
Nr. 215. die Verpflichtung des Rathcs gegen den ala Haupt-
mann und Marschalg der Stadt angenommenen Dytmar von
Digitized by Google
- 222 -
Ginnße vom 15. Man. - Lersner I., 422 sagt: 1389. Philips
Brede r Hauptmann bei der Cronberger Schlacht &c. Copial-
buch von 1333 f. 126 Bteht ein von Crast. Matbiae 1390
datirter Verzichtbrief des „Winther vom Wasin Edelknecht*
als gowesener llauptmann der Stadt Frankfurt.
1390 (Henne von Fleckenstein.)
Nach Lersner I, 1, 422.
1391 Johnn von Haczfelt.
Laut Rechenbuch von 1390 f 83 8. p. Matbiae (25. Februar)
1391 erhält Johan von Haczfelt eine Zahlung als ersten halben
Jahrsold, „den er als ein beubtman mit 6 bengisten und pherden
verdienen sal.a — Sein Dienstentlassungsbrief ist darirt von
S. p. Andreae 1391.
1394 (Bertram von Vilbel)
Nach Lersner I, 422 und H, 1, 548.
1394 Gilbrecht Rietesil.
Hauptmann bis 1398. Ein Reisigen Dienstbrief von Johann Bapt.
1344 ist besiegelt von dem festen Edilnmann Gilbr. Rietesil
houbrmann zu Fr. Nach dem Rechenbuche von 1395 f. 63. 66
erhält Gilbr. Rietesil der honbtman S. p. Michael und S. a.
Walpurg 1396 seinen halben Jahrsold. Ein Verzichtbrief von
S. p. Exalt 1397 wird von Jnngher G. Rietesil als hauptmann
versiegelt. Nach dem Rechenbuch von 1398 f. 79 erhält er
8. p. Conv. Pauli 1398 seinen Jahrsold als Hauptmann.
1399 Heinrich von Grcfenhayn genannt von Czichterß-
hasen, Edelknecht
Im Rechenbuch von 1398 f. 83, 8. p. Gregorii 1399 heisst es:
„80 fl. Heinrich von Grefenheym geschenkt, als er eczliche
czyt die heubtmannschafft virwesen hat." — Unter den Dienst
briefen befindet sich ein 8. a. Cantate 1399 ausgestellter Ver-
zichtbrief des „Heinrich von Grofenheyn gSd von Czichterß-
husen"' welcher „eczliche czyt ir (der Stadt) heubtmanachaft
virwesen hatte." War nach Rachtungen Nr. 325 (v. 19. Aug.
1402.) armiger.
1399 Eckard Rietesil.
Auch 1400-1402. Laut Rechenbuchs von 1400 f. 80 leiht man
8. a. 81xti ;Geld dorn Eckard Rietesil der stede heuptman vff
einen solt Ib. £ 83 8. p. Thomae: „fl. 150 Eckard Rietesil
und han yme da myde sinen solt von ef m jar bezahlt als er der
stede heubtman gewest ist*
1400 Heinrich Flemyng.
Nach dem Rechenbuche f. 80 erhalt S. p. Kilian Heinrich
Flemyng ein Geschenk von fl. 11 „als er von des Rads befelnift
wegen die heuptmanschafft virwesfcn hat". Als Hauptmann
erscheint er urkundlich noch 1403, 1404 und 1406. Im enteren
Digitized by Google
- 223 —
1411
Jahre wird ein Reisigendicnstbrief besiegelt von „den
und festen Hern Rudolff von Sassinhusen ritter Schultheiß zu
Frankfurt und junghern Heinrich Flemyng heubtman daselbis."
Im lezteren Jabr untersiegclt er am 9. Juni eine Urfehde des
Diele Rüting.
140,; Herman von Rodinstein.
Nach dem Rechenbuche von 1402 f. 71. erhält er 8. a. Perpetuae
1403 Geld auf sohlen Sold „uff das jar als er hie wonen
sal der stede heubtman czu sin." Lersner n, 1, 549 führt ihn
schon zum Jahre 1402 auf und heisst ihn Ritter. Nach den
Rechenbüchern wird er noch 1404 und 1405 als Hauptmann
besoldet.
Heinrich Gcfnge.
Nach dem Rechenbuche f. 94 erhält S. p. Galli „Heinrich Gefuge
der stede heubtmann 350 fl. von diesem ersten jar." Lersner
1. 422 nennt ihn schon bei dem Jahre 1406, ebenso II. 356 für
das Jahr 1412 mit Unrecht.
1412 Bechtram von Velwyl.
Nach dem Recbenbucbe von 1411 f. 96 erhalt er Doroth. 1412
halben jarsold als er mit 5 pherden der stede
zu sin verdienen sal und gin sin jare sn Joh. Criso-
stomi" (27. Januar). Er war noch 1413 und 1414 Hauptmann,
wohnte im Krachbein. Im BOrgermeister-Botenbuch von 1414
steht f. 14 gegen Ende des Bucha, also in den ersten Monaten
von 1415, „9 heller czum Goltatein dem burggraven czu wissen
czu tun, daz Bechtram nomme heubtman wer,,.
1415 Hans Borner von Lare.
Im Rechenbuche f. 80, 8. a. Martini heisst es: „90 fl., als man
Hans Berner von Lare gegeben hat uft* solichc hundert und
fünft" gülden, als er vor hatte, als er czu der stede heubtmann
mit drie pherden gewonnen was und man nn einen andern
honbtman gewonnen hat und auch mit Hanß vorg. von nuwens
überkomen, also das er nu hie mydo sins lösten halben jarsoldes
in sim ersten jar bezalt sal sin." Ib. hatte es f. 78., 8. post
Corporis Chr. geheissen : „105 fl. Hans Bemer von Lare sinen
halben iarlon , als er halb virdient hat und noch halb virdienen
sal mit drie pherden nach lüde sins brieffs."
(Cune von Scharppenstcin.)
In einem Schreiben von Sonnt vor Georg. 1415, welches f. 102
des Copialbuchcs von 1371 ff. steht, setzt König Siegmnnd der
Stadt Frankfurt diesen Mann zu ihrem Hauptmann.
14! > Endres Slcifferia, Edelknecht, auch Endres SIcyfraß.
Sein Dienstrevers als Hauptmann ist von Exaltat. Crucls 1415
datirt Laut Rechenbuch f. 78 S. p. Albani erhalt er „seinen
ersten virteil jarlon" mit fl. 55. Ebenso 1416 — 1418.
1415
Digitized by Google
- 224 —
1427
I4is Ulrich Hanffei.
Laut Rechenbuch f. 76 erhält er S a. Vincula Petri 14 Pf. 15 ft
als seinen verdtnten mantsold von drin pherden als mit ime
geredt ist, nn Vinter die henbtmnnschafft czu verwesen, dar
er auch von diesem mande eczliche czyt getan hat Auch
1419 erhält er seinen Sold.
Iii ' Winther von Redeinheim.
Sein Dienstbrief v. Servatii 1419 verpflichtet ihn mit drei Henk-
ten und Pferden und zwei Knappen der Stadt zu dienen. Als
Hauptmann erscheint er urkundlich noch 1420 — 1427. Lant
Rechenbuch von 1426 f. 72 werden Vig. Pasch. 1427 an Heinrich
von Redelnheim fl. 40 bezahlt .,von Winthers eins broders selireu
wegen als der halbe verdinte jarsolt die heubtmansehaft czn
verwesen als derselbe Winther abeging". Daraus folgt, das«
Winther im Februar 1427 starb. [Vgl. auch Dorf und Schloa»
Rödelheim S. 27.J
Johann Rübesanien von Merenberg, oder Jungher
Johann von Merenberg genannt Rubesam.
Laut Rechenbuch f. 54 erhalt Crast Job. Bapt. bei der Bezah
hing der gegen die Hussiten ausziehenden Söldner auch Johann
Rübesamen der Hauptmann seine Zahlung. Er kommt noch
1428—1430 urkundlich als Hauptmann vor.
1430 Gerlach von Londorf.
Laut Rechenbuch von 1429 f. 59 S. p. Purif. 1480 wird Gerlach
von Londorf der neue Hauptmann besoldet. Er bleibt dann
Hauptmann bis 144a Im Bürgermeisterbuch von 1438 f. 60
(Epiph. 1439) heisst es: „dem heubtman die heubtmanscharTt
aber drie jare czucznsagen doch mit unterschiede als der Brief
usswiset." Man scheint jedoch bald nachher über die Anstellung
eines andern beratben und die nachfolgend Genannten ins
Auge gefasst zu haben. Es heisst nemlich im Burgermstrb.
1439 f. 34 (ni p. Matth.) „uuib eynen heubtman Diederich
Proroheim, Clas Wolffskelej, Wenczel von Cleen, Friederich
Wolffskel, Erasmus Forstmeister." Ebendaselbst f. 41 (in p.
Dionys) heisst es dann „der houbtman ist wider gewonnen
6 jar und sal man im jars diess 6 jar uss iglichs 350 fl geben
und darnach alle jar sin lebtag 20 fl. und daruff sin brief czu
machen." Aber es blieb auch nicht bei diesem Vertrage. Im
Rechenbuche von 1440 heisst es schon f. 72 S. p. Undecim
inil. virg „20 fl. Gerlach von Londorf dem alden beubtmann,
dnromb er der Stadt verbuntlich ist." Im Bärgermeisterbuch
f. 16 und 18 (V. p. Alb. und V. p. Pet und Pauli) wird be-
schlossen, einen nenen Hauptmann zu wählen, f. 30 (V. p.
Assumt ) steht: „den dienern sagen, Hennen von Buchen als
eym heubtman gehorsam sin". Der alte Hauptmann aber kommt
noch bis 1447 vor und wird zu mancherlei Besorgungen ge-
Digitized by Google
- 225 —
1440
1440
1442
144»
1448
1450
1451
braucht: 1441 wird er z. B. zum Märkerding geschickt, 1443
soll er zu dem von Königstein reiten. Auch wird er 1442 zum
Hirscbeasen geladen. Alt bedeutet hier so viel wie gewesen.
In einem Rathsschreiben von 1447 heist es „Gerlach von Lon-
dorf der vormals unser heubtman gewest ist und noch in unser
etat wonende ist".
Henne von Buchen. Nur provisorisch, vgl. oben.
Apel von Wijcrs.
Auch 1441 und 1442. Lersner I 423 nennt ihn Apel von Ebers-
berg gen. Weyers.
Johann Mönch von Buchsock oder Buseck.
Im Rechenbuch von 1442 f. 71 S. a, Galü erhält „Job. Mönch
der nuwe heubtman" seinen Monatasold. Ein von III p. Elisab.
1442 datirter Verbundbrief ist gesiegelt von „Jungh. Johan Mönche
von Buchsecke dem jungen heubtmann«. Er wird auch Henne
Mönch genannt, irrig heisst ihn Lersner I. 423 Heinrich. Er
bleibt Hauptmann bis 1445. Laut Bürgermstrbuch 1445 f. 31
bedenkt man sich Laurentii um einen Hauptmann, f. 32 schreibt
manVp. Laur. dem Caspar von Rosenbach die Haaptmannschaft
ab, f. 53 V a. Galli spricht man mit Wenzel von Cleen wegen
der Hauptmannschaft
Wenczel von Cleen.
Im Rechenbuch von 1445 f. 74 erhält er als neuer Hauptmann
S. p. Luciae seinen Sold. Er bekleidet die Stelle bis 1447, da
ihm der Rath „von seiner fehede wegen Urlaub geben hat".
Auf dem letzten Blatte des Bürgcrmstrb. von 1445 werden elf
genannt, die sich um die Hauptmannschaft beworben haben.
Ludwig Brant von Buchsecke oder Buseck.
Im Bttrgermstrbuche f. 61 Stephani heisst es „den heubtman
bescheiden und mit yme folnenden". Man hatte also fast ein
volles Jahr keinen Hauptmann. Als Jungher Ludwig besiegelt
er V. p. Elis. 1449 einen Dienstentlassungsbrief. Im Jahr 1450
S. a. Miserio. heisst es im Reebenbuebe, der Rath habe ihn
verabschiedet
Wenczel von Cleen.
Laut Bürgermstrbuch f. 23 (III a. Magdal.) soll mit ihm geredet
werden wegen der Hauptmannschaft: ib. f. 25 (V p. Magd.)
leistet er den Eid.
Henne Schenck von Sweinßberg der Elter, Edel-
knecht.
Sein Dienstbrief ist V p. Matth, datirt Er bleibt Hauptmann
bis S. a. Oculi 1454. In dem Bürgermstrbuche sind 7 Bewerber
um die Stelle angegeben: erst im folgenden Jahre wurde Otto
Winters, dem man zuerst f. 16 IH p. Joh. Bapt die Haupt-
IV. 15
Digitized by Google
1455
14G2
1 4(39
1400
1471
1479
mannschaft abgeschlagen hatte, angenommen Lersner I. 423
gibt an, 1454 habe Philips Rabenold um die Haiiptmannaatelle
angehalten.
Otte Winthers oder Winters.
Das Bürgermstrbuch f. 26 (III p. Jacobi) sagt: .Otto Winten
mit 3 pherden umb 200 fl. uff das meiste fnr eynen heuptmao
ufznnemen so lange dem Kate eben ist". Sein Dienstbrief ist
von IV p. Jac. 1455 datirt. Er bleibt Hauptmann bis 1462 and
erhält da S. a. Barth, seinen Monatssold. Ks heiast dal>ei im Reeben«
buohe, sein Monatssold sei ihm voll bezahlt worden, weil man
ihm dies zugesagt habe, als man ihm Urlaub gab, obgleich er
noch 8 Wochen zu dienen gehabt habe. Während seiner Dienst-
zeit gab es manche Irrungen mit ihm und 1459 berieth der
Rath ernstlich, um einen Edcln zum Hauptmann zu haben. Dem
Hennen Mönchen schrieb er die Hauptmannschalt ab, dem Hannsen
Walborn ebenso mit freundlichem Dank und beschloss Hannscn
Waltmann anzunehmen BUrgermstrb. f. 32. 36. 40. Lersner I. 423
fuhrt 1458 neben Ott Winter auch Daniel von Muders-
bach, Hauptmann und Ritter an.
Hamm an Waltmann.
Sein Dienstbrief ist S. p. Martini datirt Er erhält monatlich
41 8 40 ß 7 heller. Lersner I. 423 heisat ihn irrig Heinrich W.
Er bleibt Hauptmann bis Ende 1468.
Gottfried Fleckenbühel.
Laut Rechenbuchs f. 39. 42 (S. p. Assuint. und S. p. Lnoiae)
war er Verweser des Amtes.
Michel Herr ztt Bickenbach.
Er erhält S. a. Oculi zum erstenmal seinen Lohn und bekleidet
die Stelle bis zu seinem Tode 1471. Nach Lersner 11, 5, 510
starb er fer. II p. Paech. (15 April\
Gernant von Swalbach.
Er erhält Matth, seinen ersten Monatssold von 31 ff 3 heller,
wonach er am 20. Aug. zum Hauptmann ernannt worden war
und bleibt es bis S. p. Martini 1479. Neben ihm werden 1474
Diele Contze und 1475—1479 sowie noch weiter bis 1481
Ulin Hub er von Appenczelle als der laufenden Knechte Haupt-
mann oder als „der 6tede heubtinan zu fussc* erwähnt.
Jacob von Cronberg.
Er wird laut Bürgormstrhuch f. 49 Vig. Concept. Mar. zum
Hauptmann mit fl. 400 Jahrgelt angenommen. Lersner II, 1, 550
gibt die Mitbewerber an. Seine Besoldung dauert bis S. p.
Miseric. 1482. Lersner erklärt jedoch Henne Iiiedesel für den
Hauptmann von 1480.
Digitized by Google
- 227 -
1483 Conrad von Swapach.
Nach dem Bürgermstrb. f. 5 wurde er fer. V infra Octav. Pen-
tt-cost. zum Hauptmann angenommen. Nach dem Rechenb.
f. 39 wurden zu einer nicht angegebenen Zeit dieses Jahrs
„Conr. von Swapach als ein heubtman der reysigen und ülin
von Appenczelle als eyn heubtman der Fussknechte" zum
Kaiserl. Kriegszuge gegen die Ungarn abgeschickt. Conrad
bleibt Hauptmann bis 1485, als Hauptmann der Fussknechte
wird um 1483-1486 Ulin Hey er genannt
1485 Friedrich von Felß oder FeilU, Feilsch.
Das Rechenbuch f. 54 sagt S. p. Walp. „12 ß hat vertzert
friedr. von Filsch als der heubtman biere worden ist" Er blieb
es bis er 1500 abdankte. Sein Dienstrevers als Hauptmann der
Frankfurter im Zuge nach Flandern ist Montag nach Cantate
1488 ausgestellt, der fflr den Reichskrieg gegen die Schweizer
und den grauen Bund am Montag nach Exaudi 1499. Sein
Dienstentlassungsbrief ist datirt 13. Juni 1500. Lersner I. 423
führt für 1487 Jost Freund als Hauptmann an. Als Haupt-
mann Aber die laufenden Gesellen oder Fussknechte erscheint
yon 1488—1500 Meister Peter von Weißkirchen Schirr-
meister oder Peter Schirr m ei ster: letzteres ist Amtstitel.
1500 Johann von Cune genannt More.
Er trat nach Rechenb. f. 114 am 14. Juli in Dienst
II. ßtadtadvocaten, Stadt-Proeuratoren, Syndiker.
1301 (Nyclaweß oder Claweß Buch.)
Im Rechenbuche von 1361 f. 24 „Ny clause Buche umb koste
und alß he die stad virantwortet hat an geistlichem Gerichte eczwy
lange czijL" Ebenso Rechenb. 1362 f. 30 „4 ff clawess Buche
alse he vnser burger am geistlichen gerichte verantwortit hat".
Ebenso 1363 f. 25 25 ß Niel. Buche, daz be den sang gewann.
Es kommt dann 1366—1369, 1371 in den BeedbUchern Clawes
der procurator vor. Im J. 1372, 1373 u. 1376 wird dort Cla-
wes von Vrsele der procurator genannt [Es ist wohl immer
derselbe Mann.]
13G5 (Conrad Worstebendil.)
Im Rechenbuch 1365 f. 11 „4 ff Worstebendil procurator com-
spens. et laboribus difendendo nos". Ebenso 1366 f. 47 „9 groß
Worstebendil alß von des Sangis wegen". Auch 1367 erwähnt,
dann wieder 1381-1383.
13G7 i Dyletnann „der stad procurator".
Laut Rechenbuchs f. 25 erhält er 1 ff „gein Menze umb
15*
Digitized by Google
- 228 —
den sang." In den Jahren 1368 nnd 1369 werden ihm je 4 H
seines Amtes wegen ausgezahlt In den Beedbüchern kommt er
noch bis 1371 vor.
Iii) Graman.
Lant Rechenbuchs von 1868 f. 22 werden S. p. Oct Epiph. 1369
sechs Gulden Graman procuratori nostro ausgezahlt. Nach dem
Rechenbuche von 1370 f. 54 war dies sein halber Jabrealohn.
Er kommt auch 1871 vor.
1370 Der rode Syfrid.
Es werden laut Rechenb. f. 29 dem roden Syfrid 27 fi. ge-
geben, „als he defense getan had an dem geistlich gericht czu
vUnfmalen". Im Rechenbuch von 1371 heisst er Syfrid de
Roden procurator noster. Er kommt bis 1382 vor, da es im
Reebonbuche f. 98 S. ante Laur. heisst: „Syfr. dem Roden 4 ti
czue phenniglone und 3 flf vor eynenrogk und istdamidde sines
loncs alß he der stede procurator waz, biss uff diess daig cxn
male beczalet." Im Jahr 1377 wird er nach Oppenheim, nach
Orba und dreimal nach Worms gesendet Im Rechenb. von
1378 f. 42 heisst es: „10 fl. Syfride Phurruz genant dem
Roden von der Juden wegen sache czu schriben und dieselben
sache czu Rome czu bestellen." Im Rechenb. von 1381 f. 49
wird er Syfrid Porrez genannt.
1372 Hermann von Orba oder Urba „der stede paffe".
Derselbe, oft nur Heister Hermann genannt, kommt in den
Rechenbüchern bis 1399 vor und erhält regelmässig seinen
Jahrcslobn. Orth Anm. Forts. IV. 296 führt eine Stelle aus
seinem Bestallungsbriefe von 1375 an, in welchem Hermann
an den Baumgarten von Orba, ein Licentiat im geistlichen
Rechte, Pfaffe oder Diener der Stadt wird. Lersner I. 276
hält den Magister Hermann von Orbe und den Hermann zum
Baumgarten irrig für zwei verschiedene Personen. In einer
Urkunde von Montag nach Martini 1380 (von diesem Jahre ist
das Rechenbuch nicht mehr vorhanden) sind in einer Sache
Rathleute für Frankfurt ,.meyster Ucrman von Orbe und mey-
stcr Niclas Mylwar." (Senckenb. sei. VI. 618. 625. Lersner II,
1, 333) Fichard (Archiv 1. 369) erklärt darauf sie beide für
Advokaten der Stadt.
s ' (Heinrich Auspurg.)
Kommt mit der Bezeichnung procurator in den Beedbüchent vor
bis 1375.
1373 Johannes Andernach.
Im Rechenb. f. 59 S. ante Jacobi. heisst es : „4 flf Andemache
als he die staid verantworte, da Czigeler der Procurator im ge-
fengnisse laig." Er erhält seinen Jahriohn bis 1375.
Digitized by Google
- 229 -
1373 Czigeler der Procurator. (Vgl oben.)
1375 Clawes Glockencr.
Kommt im Beedbuch mit der Bezeichnung procurator vor:
ebenso 1382, 1391, 1392, 1394 als Clas Gluckener, 1385 blos
als Clas procurator.
1378 (Johannes Turrifex procurator de Fridebcrg.)
Kommt im Beedbuch der Niederstadt von diesem Jahre f. 14 vor.
l.'JHl Peder von Tryre oder von Trier.
Erhält als procurator der Stadt laut der Rechenbücher seinen
Jahrlohn bis 1394. Im Beedbuch der Niederstadt von 1380 f. 4
wird er Peter Treverensis genannt.
1382 Johannes Ful.
Wird im Beedbuch der Niederstadt von 1382 f. 4 als procurator
aufgeführt In die Dienste der Stadt trat er 1395. Sein Dienst-
brief „ir procurator und diener czu sin" ist datirt von VI
p.Nativ.Mariae(9 Septbr.) und seinen ersten Monatslohn mit 4
Gulden empfing er S. a Urbani 1396. Seine Abdankungs-Urkunde
ist datirt von VI post Mar. Magd. 1400.
1391 Johannes von Geilnhuaen.
Wird in dem Beedbuch der Oberstadt f. 18 und ebenso in dem-
selben von 1392 f. 36 als procurator aufgeführt. Ebenso kommen
im Beedbuche der Oberstadt von 1391 auf f. 24 Auspurger
procurator (statt dessen stehet im Beedbuche von 1392 f. 16
„Arnspurger procurator mortuus est"), f. 31PeterBlatze pro-
curator, f. 36 Heinrice von Aschaffenburg proc. und im
Beedbuch der Niederstadt von 1391 f. 17 Johannes proc.,
in dem von 1392 f 16 Joh. von Hirsfeldeu proc, in dem
von 1394 f. 13 Johannes proc. vor. [Alle diese Procuratoren
stataden wohl nicht in den Diensten der Stadt. Vielleicht ist der
zuletzt dreimal genannte Johannes identisch mit dem Johannes
Fule.]
1399 Heinrich Weider.
Sein Dienstbrief, der Stadt Procurator und Diener zu sein, ist
datirt vom IV a. Anton. In Orth Anm. Forts. IV. 297 ist der
Aufang seiner Bestallung abgedruckt Im Rechenbuche von 1398
f. 82 (S. p. Purine. 1399) heisat es: „han die Rechenmeister ge-
geben 8 fl. Heinr. Weider eim proenrator seinen halbin jarlon
den er virdienen aal, als in der Rat ein jar gewonnen hat um
16 fl.* Laut der Rechenbücher erhält er seinen Gehalt bis 1404
und von 1406—1440. Im lezteren Jahre starb er: im BOrger-
meisterbuch wird f. 24 bemerkt, dass am 26. Juli Meister Hein-
rich's Begängniss statt finden werde. Seit 1403 wird er Meister
genannt So wird nach dem Reebenbuche von 1403 f. 39 Aegidii
„Johannes Mynczeuberg der procurator"* nach Mainz geschickt
um „meister Heinr. Weider, Heinrich schriber und Dilman dem
Digitized by Google
- 230 -
ricbter Mathys thoino von Berlin, Johanne» Kistenor und SitYid
dem schribcr" in einer gerichtlichen Sache zu dienen. An den
Dienstbrief des Wundarztes Hartmatm Esel von Invent Cruc. 14U7
hängt „Meister Heinrich Welder der stede Fr. Advocat" sein
Siogel an. In einer von Senckenberg Selccta VI. 649 niirgetheil-
ten Urkunde von Dienst vor Mar. Magd. 1412 kommt vor .Meister
Henrich Weltir ihr (d. h. der Stadt Fr.) stadtpfafiV. Lersner L 276
sagt: 1416 Doctor Henrich Welder, Advocat
1399 Nicol aus Dringstobo.
Sein Dienstbrief, der Stadt Procnrator und Diener zu sein, ist
S. a. Valent 1399 ausgestellt: An demselben Tage erhält ex
seinen ersten halben Jahreslohn „als er virdionen aal- mit vier
Gulden ausgezahlt Diese Gehaltszahlungen dauern bis 1409.
1410 Andreas Kunig oder Konig.
Sein Dienstbrief als des Raths Procnrator und Diener ist III a
Purif. 1410 ausgestellt Er empfängt nur zweimal einen halben
Jahressold.
1411 Johannes Jsenslegil.
Sein Dienstbrief ist von Oct. Epiph. 1111 datirt. Seine Anstel-
lung dauerte bis an seinen Tod 1432.
1434 Meister Diedrich oder Diether Frideriei, von Alczey.
Im BQrgermeisterbuch d. J. f. 20 steht III a. Galli „Meister
Dietr. uff Donrstag vur den Rad czu bescheiden denoit czu tun".
Im Rechenb. 1434 f. 66 (s. a. Judica 1435) heisst es .40 fl.
meister Diether Frideriei sinen halben verdinten jarlon sider
Nativ. Mar. verdint, der stede advocate und jurist rr.u sin.* An
den Dienstbrief de8 Studtachreibers Bechtetih enne hat „Dietherus
Frideriei von Alczey, in decretis licentiatns, der vorg. myner lieben
herren advocate" sein Siegel angehängt. Seit 1439 heisst er in
den Rechenbüchern gewöhnlich nur Meister Dietrich von AlczeL
Er bekleidet sein Amt bis an seinen Tod 1460. Leisner I. 276
sagt: Dietrich von Altzey, patricius licentiatns f 146o,
5 Oct
1434 Johannes Schurgc.
Sein Dienstbrief als des Raths Procurator und Diener ist von 1434
ohne Tagesdatum. Sein Jahrgehalt betrug fl. 14. Er sUrb
1438.
1438 Johannes Sobernheym.
Sein Dienstbrief ist v. Galli 1438. Im J. 1440 wurde er ent-
lassen.
1440 Johannes Dube.
Im BUrgermstrb. f. 40 Francisci beiast es: „Job. Düben j»rs
umb 18 Gulden uffuemen czu eym procura torLa Er wird 1443
entlassen.
Digitized by Google
- 231 -
Meister Johann Qwentin, auch Joh. Qwentin von Or-
tenberg, oder Johann zum Lemchin, oder Johann
von Ortenberg zum Lemchin, oder Johann Or-
tenberg oder Johann von Ortenberg.
Sein Dienstbrief (Ich Joh. Qwentin licentiatus in decretis des
Rads procurator und diener) ist von S. a. Michael 1443 datirt.
Er blieb im Dienste bis 1362. Im Bürgermstrbuche d. J. f. 36
steht (III ante Michael) „meister Joh. czum Lemchin orlanp
geben und sich gütlich vom yme sliessen."
(Mag. Johann im Steinhaus, licent debretorum, Syn-
dicus.)
Nach Zum Jungen und Lcrsner I. 277, welcher ihn auch patricius
nennt und hinzufügt, er sei 1470 gestorben.
(Dr. Georg von Ergersheim, Syndicus.)
Nach Zum Jungen und Lersner I. 276, der ihn auch Patriciua
nennt.
(Dr. Heinrich Degen, Syndicus.)
Nach Zum Jungen und Lersner I. 276.
(Dr. Conrad Huracrey, Syndicus.)
Nach Lersner I. 276 und Zum Jungen, der zufügt, „ist ein
Humbracht von Geschlecht gewesen*.
Meister Conrad Schonberg.
Das Rechenb. von 1459 f. 73 sagt: „25 fl. meister Conrad Schon -
berg sin sture von sym ersten halben jarlon sider Walpurg als
der Rad mit im Überkommen ist, im 200 fl. czu sture czu geben,
Doctor und des Rads Diener zu werden/ Zum Jungen und
Lersner I. 276 führen ihn als Syndicus auf und geben ihm den
Titel Doctor sowie den Namen Schönberger. Er bekleidete die
Stelle bis an seinen Tod. Im Rechenb. von 1463 steht fol 76
(S. post Marci 1464) „43 U 14 ß. meister Conrad von Schonberg
hussfr. von 19 wochen nach anczale sines jarlons von Michael
bis uff Samstag vor Fastnacht."
(Dr. Ludwig zum Paradeiß, Syndicus.)
Nach Zum Jungen und Lersner L 276, der ihn Patricius nennt.
Meister Sixtus Meyer.
In seinem Dienstbrief von IV p. Pasch. 1463 nennt er sich
„Sixtus Meyer von Swebischen Wyrde," in den Rechenbüchern
heisst er in der Regel nur Meister Sixtus und wird bald der stedo
procurator, bald der stede oder des Rates Syndicus genannt
Er blieb im Dienste bis an seinen Tod 1493.
(Berthold Happe.)
Im Rechenb. von 1464 f. 48 ist die Rede von einer Sendung nach
Nürnberg „von Bertbold Happe unsers Procurator» wegen," es
Digitized by Google
r
- 232 —
14G5
1467
1473
1478
1481
1482
1482
1484
1491
1493
könnte dies auch wobl nur bedeuten, des in Frankfurt
gerten Procuratora.
Meister Jorg oder Jorg Pfeffer.
Im Bürgermstrb. von 1464 f. 46 (III p. Sebaat 1465) heisat es:
Mit Doctor Peffern ist überkommen jars umb die fl. 150 uffveraclir.
als andere vor ime und dass er verwilligunge von unsern Herreu
von Mencze erlange. Er blieb der Stadt Advocat bis 1467.
Doctor Johann Gelthua.
Im Biirgermsterb. von 1467 f. 41 (V p. Calixti) steht: „Doctor
Gelthuss 3 jare uffnemen iglich jar umb fl. 120/ Lersner I. 276
nennt ihn Patriciua. Er blieb der Stadt Advocat bis an seinen
Tod 1480.
Doctor Ludewig Paradis.
Im BUrgermstrbuch f.[29 (Vp. Exalt. Crncia) heisst es: „Doctor
Ludewig 4 jare offnemen jerlich umb fl. 130 und yne fryen in
maas Doctor Gelthus." Er blieb der Stadt Advocat bis 1484.
(Doctor Nie olaus von Heinibach genannt Schönwet-
ter, Syndicus.)
Nach Zum Jungen und Leraner I. 276, der ihn als Patriciua
bezeichnet.
Meister Johann Reyse, oder Reise.
Im Bürgermstrb. f. 35 (V p. Leonhardi) steht: „meister Job.
Reyse ist vier jare offgenomen idesjare umb 80 fl." Er blieb der
Stadt Advocat bis 1493.
(Meister Alb recht Mynsinger, Syndicus.)
Nach Zum Jungen und Leraner I. 276.
(Doctor Johann von Glauburg, Syndicus.)
Nach Zum Jungen und Lersner I. 276, der ihn Patriciua nennt
und sagt, er sei am 22. Mai 1499 gestorben.
Heilmann Procurator.
Wird im Bürgermstrb. f. 18 erwähnt
(Adam Gelt hausen, Syndicus.)
Nach Zum Jungen und Leraner I. 276, der ihn Patriciua nennt.
Doctor Adam Heinbach oder Dr. Adam Schönwetter
von neynbach.
Im Bürgermstrbuch f. 63 (III p. Omn. Sanct.) ateht: „Dr. Adam
Heinbach umb 80 fl. 4 jarlang uffnemen." Er war noch 1500
der Stadt Advocat. Im Bürgermstrb. von 1497 f. 9 (III p. Trio.)
heisst ea: „Dr. Adam Schünwetter uff 6 oder 10 Jare uffnemen
zu eynem advocaten und jars 100 und 20 Gulden für seinen Ion
geben." Leraner I. 276 heisst ihn Patricius und sagt, er sei am
25. December 1519 gestorben. Vgl. auch Lersner II. 13L [Er
-
Digitized by Google
— 233 —
war bei Abfassung der Reformation von 1509 thätig, Thomas
Oberhof S. 98.]
(Mg. Fridrich von Altzey, Syndicus.)
Nach Zum Jungen und Lersner I. 276, der ihn Patricia« nennt
und sagt, er aci 1525 gestorben.
Meister Eberhart Rosen acker von Wertheini.
Im BUrgermatrb. f. 64 (V p. Simon et Jud.) steht : „ Als meister
Eberharten um dass sindicat bitt, nffcznnemen, dwile Doctor
Ludwig inen berompt togelich und geschickt sy, 6 jare lang dass
jare 21 Gulden." Sein Dienstbrief als des Raths Procurator und
Diener ist vom Dienstag nach Allerheiligen 1494. Er war noch
1500 im Amt.
(Dr. Georg von Hall genannt Pfeffer, Syndicus.)
Nach Zum Jungen und Lersner I. 276, der ihn Patricius nennt
(Dr. Philips Siegwein zum Schönstein, Syndicus).
Nach Zum Jungen und Lersner I. 276, der ihn Patricius
und sagt, er sei 1514 gestorben.
(Dr. Jacob Kühhorn oder Kuehorn, Syndicus.)
Nach Zum Jongen und Lersner I. 276, der ihn Patricius
III. Oberstricliter.
1314 (Conradus de Gladio.)
Nach dem Zum Jungen'schen Verzeichniss. In Böhmer Cod. 200
kommt er 1291 als judex vor.
1342 Dylo Keppeler.
Wird in dem Gerichtsbuche von 1342 f. 23 als „Ubirstcr recher"
genannt. Ebenso in dem Gerichtsbuche von 1343 f. 23. Lersner
führt 1344 Thiele genannt Keppcler und sein Gesind an. Zum
Jungen nennt ihn 1348 Diele Keppelcr, Conrads von Soltzbach
Edelknechts Schwager; ejus uxor Seitzel von Sultzbach. Dann
kommt er 1350 nach dem Insatzbuch II. 28a vor, während ihn
die Gerich tsbücher von 1350, 1351 und 1352 nur judex nennen.
Das Ger.-Buch von 1354 f. 7b heisst ihn wieder Tylen Keppler
obirste werntlichen ryhter czu Fr. Er kommt noch 1356, 1357,
1361, 1362 (Senckenberg selecta I. 259), 1368, 1371 vor. Bios
als Richter wird er in den Ger.-Btichern von 1346, 1347 und 1348
bezeichnet. So auch 1364 in einer Urkunde über einen Pacht
zu Haussen und bereits 1334 in Böhmer Cod. 530. [Von
ihm hat das s. g. Keppler Höfeben an dem P (anreisen
Namen. Vgl. Dorf und Schloss Rödelheim S. 8 ]
Digitized by Google
- 234 -
-
1343 (Petrus do Sweinheim.)
Nach dem Zum Jangen'scben Yen. In dem Insatzbucbe II.
fol. 10b kommt er 1344 als Bichtor vor and so noch weiter
bis 1349.
1389 Johann von Rossingen, auch Hans von Rüssingen.
Laut seiner Besiegelung eines Briefs in dem Bache Ober die
Cronenberger Schlacht vom VI p. Jacobi 1390 Er kommt anch
1391 (im Rechenbucbe f. 64b), 1392 (Böhmer Cod. 768) and 1304
(Thomas Oberhof 370) vor.
1398 Endris.
Gerichtsbuch f. 64. 72. [Wohl identisch mit dem von Lersner
1399 genannten Cydris von Schweinheim.]
1400 Diclraann Gast.
Gerichtsbuch f. 18. Er kommt auch 1401, 1403, 1406, 1409-
1414 vor. Im Rechenbuche 1415, f. 42 Petri et Pauli beisst er:
„Diltnan der oberste richter selgc" und ibid. f. 46 S. a. Martini
erhalten seine Wittwe und seine Tochter ein Geschenk zum Dank
für seine Verdienste.
Peter von Geilnhuscn, auch Peter genannt Vor-
kauf f von Geilnhusen.
Notar. Instr. vom 30. Mai 1415 in Uglb. A. 61. Gerichtabucb f. 28.
Zum Jungen führt ihn schon zum Jahre 1405 an. In den Ge-
richtsbflehern kommt er noch 1416—1420 vor. In dem Becdbuch
der Niederstadt von 1420 wird Grede des obersten richtera Peters
von Geinhussen selgen dochter aufgeführt.
Heile Happe.
Gerichtsbuch f. 52. Nach dem Rochenbuch von 1422 f. 58 war
er S. ante Albani gestorben.
Hcinczc oder Heinrich Schiltknecht
Gcrichtebuch f. 44. Kommt noch 1423 -1427 vor. Zum Jungen
sagt: Junckber Heintz Schildknecht, ein Geschlechter.
(Johann von Eichen.)
Nach Lersner. Als Richter kommt Henne von Eychen von
1420-1434 vor.
Engel Knottel.
Nach einem von ihm ausgestellten Verbundsbriefe II p. Jacobi.
Heinrich vom Ryne, auch vom Rine, vom Rhein.
Gerichtsbuch f. 67. Kommt auch 1429-1432 vor. Lersner führt
ihn schon 1427 und noch 1443 auf. Fichard zählt ihn an dem
Patrizier-Geschlechte von Rhein.
Johann Liechtenstein oder Johann von Liechten-
stein.
Nach dem Reebenbache von 1433 f. 58 b S. a. Servatii erhält
1415
1420
1422
1434
1427
1428
1433
Digitized by Google
235 -
Joh. Liechtenst. seinen verdienten Monatssold mit einer GJene
rals er nu vom Solde und czum obersten richtcr ampt kommen
ist*. Er wird noch 1434, 1436-1440, 1442-1446 genannt.
Zum Jungen bezeichnet ihn als einen Geschlechter.
1443 (Schell Henningen.)
Nach Leraner.
3 117 Peter Cule.
Nach dem Bürgermeisterbuche von 1446 f. 96 war III p. Judica
1447 der oberste Richter gestorben. Dort werden auf dem zweit-
letzten Blatte die Bewerber um seine Stelle genannt und da von
diesen P. Cule die meisten Punkte hat, so wurde also dieser
gewählt. Im Bflrgermeisterbuch von 1417 beisst es f. 3 (V p.
Cantate) gerade zn : Peter Culen czum obersten richter uffnemen.
Er kommt schon seit 144*2 unter den weltlichen Richtern vor
und wird auch Peter Kulusen genannt Er blieb oberster Richter
bis 1470, da er V p. Erhardi verabschiedet wird. Bürger-
mstrbuch von 1469 f. 50. Zum Jungen nennt ihn Peter von Kühl,
nobilis und bemerkt, er habe Alters halber resignirt.
1470 Wilhelm von Schonberg oder Sehonenberg.
Er wird laut Bürgermstrbuchs von 1469 f. 50 im Jahr 1470
V p. Erhardi zum obersten Richter ernannt „und sal seinem
furfarn die woche 1 ort geben und man sal yme den heller leisten
dwile sin furfar lebetu. Er kommt dann von 1471—1486 vor.
Zum Jungen nennt ihn nobilis. In dem Beedbuch der Niederstadt
von 1477, I. f. 67 stehet Wilhelm von Sehonenberg oberst rich-
tcr, ibid. II. f. 52 aber Wilhelm von Sehonenberg seligen witwe
oberster richter. [Haben vielleicht Vater und Sohn gleicbeu
Namens das Amt bekleidet?]
1471 Joist von Hoenatcin.
Im Gerichtsbuche f. 82 (IV p. Elisab.) heisst es: Joisen von
Hoenstein itzt oberstem werntlichen rijchter. Im Jahr 1447
wurde er laut Bürgermstrbuchs f. 5 zum Richter aufgenommen
und ihm der Stab geliehen. Er kommt als Richter noch bis
1484 vor.
1487 Conrad von Swapach.
Das BUrgermstrbuch von 1487 f. 80 (Vig. Aesumt.) sagt: „Swa-
pachen, mit dem reden, wil er das oberst richter ampt nemen
mit sinen gefeilen und darezu 10 fl. oder 20 achtel Korns, sal
tun wycker Frosche " Sein Dienstbrief lautet von III p. Assurat.
Nach dem Rechenbuch von 1488 f. 81 (Vig. Barthol ) erhält
Conrad von S. 10 fl. jährlich vom obersten Richteramt. Er ist
der erste oberste Richter, der einen Gebalt bezieht Er blieb es
bis 1496, da es im Rechenbuch f. 127 Donnerstag nach Matth,
heisst, er habe sein Amt aufgegeben.
Digitized by Google
- 236 -
1493 (Johann Rutlinger.)
Soll nach Zorn Jungen gleichzeitig mit Conrad von Swapach in
diesem Jahre oberster Richter gewesen sein.
1496 Gerlach Moller, zur alten Wage.
Nach dem Bflrgermstrbuch von 1495 f. 125 wird er V p. 5Ii
aeric. «um obersten Richter ernannt und ibid f. 132 als solcher
III p. Jub. beeidigt Sein Dienstbrief hat gleiches Datum. Vgl
Archiv N. F. III. 136. Er ist noch 1500 im Dienste und be-
siegelt Dienstag nach Lfitare eine Urfehde als Jungher Q. Moller.
Digitized by Google
Ludwig von Hftrnlgk.')
Ein Charakterbild aus der Geschichte der Medicio.
Von Dr. Wilhelm Stricker,
Arzt lo Frankfurt a. M. «
Ludwig Hörnig k, ans Darmstadt stammend, war geboren zu
Frankfurt a. M. 1600. Andre geben Darmstadt oder Leipzig an. Er
studirte zu Giessen Medicin, wo er Schüler des Gregor Horst war,
ging hierauf nach Italien und hörte in Padua den Adrian Spiegel;
in Strassburg wurde er zum Dr. med. promovirt und am 1. Juni 1625
in Frankfurt als Arzt aufgenommen, auch 1628 Comes palatinus, wo-
mit der Adel verbunden war. Fr wurde 1635 Physicus Ordinarius in
Frankfurt, 1638 Dr. jur. in Marburg. Bei dieser Gelegenheit schrieb
er: de regali postarum jure, welche Dissertation er später vermehrt
als eigenen Tractat herausgab. Das Jahr 1643 wurde für seine hiesige
Wirksamkeit verhängnissvoll. Als Aufscher bei der Bereitung des
Theriak warf er den Apothekern Betrug hinsichtlich der bei dessen
Bereitung gebrauchten Ingredientien vor. Dies geschah in einer
eigenen Schrift: „Gründliche Antwort auf die Frage: Ob die Com-
position und Präparation der Artzneyen den Materialisten und Trochisten
zu gestatten sey? Dess falsches und betrugs halben so sich eine ge-
raume Zeithero eingeschlehTet männiglich zum Unterricht und warnung
trewmüthig publiciret durch Ludwig von Hörnigk, beyder Rechten
und der Artzneyen Doctorem auch Com item Caes. palatinum. Ge-
druckt im Jahr Christi 1643. 27 S. 4°." Da ihn darauf sämmtliche
Materialisten als Aufseher bei der Bereitung des Theriaks perhorres-
*) Zuerst gedruckt in Virchow's Archiv f. patholog. Anat. etc. Bd. 41, S. 293,
hier in erweiterter Form mit Benutzung des Handexemplars von G. A. Schenck
Merkwürdigkeiten der Stadt Wissbaden, F. a. lt. 1732, 4°, welches sahireiche
handschriftl. Zusätze des Verf. enthält Dessen Benutzung verdanke ich der Güte
des Vorstandes des bistor. Vereins f. Nassau.
Digitized by Google
— 238 -
cirten, weil sie in Ute injuriarum mit ihm sich befanden „"wegen aus-
gegossener Injurien und weil er uns dermassen an unserer Ehren und
wohlhergebrachtem gutem Leumuth höchst verletzlicher Weise ange-
zapffet", so wird im Senat am 10. Juni 1643 beschlossen: man soll
die Aufsicht über die Theriaksbereitung den zwei Coilegen Hörnigk's:
Weikard und Peter de Spina allein übertragen. Nun kommt
Hörnigk sogleich um seine Entlassung ein; diese wird ihm am
20. Juni zwar bewilligt, „zugleich aber beschlossen, weil er in seiner
Bittschrift einen wohllöblichen Schöffenrath etwas hitzig und anzügig
angreiffet, ihn auf die bürgerliche Custodiam zu setzen, auf seine
Deprecation, auch fürstliche und kaiserliche Intercession wird er
jedoch mit der Verhafftung verschonet, auch auf seine Bitte in sein
Amt wieder eingesetzet." (Frankfurter Medicinalacten.) Nicht auf
lange. Schon im October 1643 wird er in das Hospital gesetzet,
„weil er nicht allein Theobald Krafft mit Schlägen aus seiner
Sterbebehausung vertrieben, sondern auch die derowegen gesetzte
Strafe nicht bezahlen wollen". (Lersner, Frankfurter Chronik.
II. Thl. 2. Buch. S. 224.) Er wurde seines Amtes nun entsetzt. Im
nächsten Jahre finden wir den unruhigen Mann in der benachbarten
gräflich Solms'schen Residenz Rödelheim als gräflichen Rath, Amt-
mann und Arzt, auch als fürstlich pfalz-veldentzschen Rath. Auch
dort bewährte sich sein unfriedlicher Charakter; er fing Händel mit
der Geistlichkeit an und es kam zu einem langwierigen Process, der
bis an den k. Reichshofrath gelangte. Wahrscheinlich, um seine Sache
besser" betreiben zu können, begab er sich 1647 nach Mainz und
gleich darauf nach Wien, wo er öffentlich zur katholischen Kirche
übertrat. Er lobte als kaiserlicher Rath und kurinaynzischer Hofrath
als kaiserlicher Büchercommissarius seit 1655 in Frankfurt, wo er
1667 starb. Andre nennen Mainz als den Ort seines Todes. Dieser
Uebertritt zur kathol. Kirche scheint ihn mit seinen Bekannten und
Verwandten entzweit zu haben. Dr. Johannes Schroedcr, 1600
bis 1664 , widmet dem Hörnigk einen Ludus poeticus de peste,
welcher dessen Schrift: de peste vorangedruckt ist, und nennet ihn
dabei affin is suus clarissimus. Dieser Schröder war der Schwager
der Aerzto Joh. Wilh. Hochstadt, ^ 1669, und Joh. Ludwig Witzel,
•f 1692, alle drei waren Physici und Schwäger des Predigers Wald-
schmidt (vcrgl. Mittheilungen III. 303), welcher später gegen Hör-
nigk's „zwanzig Ursachen, warum er katholisch geworden" 1649 po-
lemisch auftrat. Waldschmidt soll ein Studiengenosse und vertrauter
Freund des Hörnigk gewesen sein. — Die Vielseitigkeit dieses Dr.
philoB., jur. et med. spiegelt sich auch in seinen Schriften ab.
Digitized by Google
- 239 -
Diese sind soweit nicht oben schon erwähnt (die mir vorliegenden
mit * bezeichnet) folgende:
1. Medicaster Apclla oder Judenartzt. Strassburg 1631. (Von
dem Inhalt dieses Buches, welches mir jetzt gerade nicht zur Hand
ist, kann man sich einen Begriff machen aus dem, was zu No. 3, 4
u. 5 Uber dessen Judenhass gesagt ist)
*2. Schwalbacher Saur- unndt Prodel-Brunuen- Beschreibung
Ludovici vonn Hörnigk Com. Pal. Caes. und Medici zu Frank-
furt am Mayn. 1632.
(Kupfertitel). Dieser Text bildet so zu sagen das Herzschild
von vier Bildern ; oben sieht man, wie aus den mit Holzgittern um-
gebenen und bedeckten Brunnen das Heilwasscr geschöpft und fort-
getragen wird; links steht ein Cavalier mit Federhut, gesticktem
Kragen, geschlitztem Wamms, das Trinkglas in der Hand; rechts die
entsprechende Dame ; in der linken hält sie den Spazierstock, welchen
demnach nicht Kaiserin Eugenie in Schwalbach eingeführt, in der
rechten eine Schachtel mit Pastillen, welche man zur Verbesserung
des Geschmacks nach dem Mineralwasser zu essen pflegte, wie es
S. 51 des Tractats heisst: „Zimet- und Aniss-KUchlein, Fenchel,
Kümmel, Nägelein, Coriander, Citronen- oder Pomerantzenschelffen,
Ingber etc." Unten endlich sieht man die ganze Badegesellschaft
beiderlei Geschlechts unter einer schattigen, von steinerneu Säulen
getragenen Laube, am Brunnen versammelt, trinkend und plaudernd.
Das Buch von 240 S. 8. ist der Königin Eleonora von Schweden
zugeeignet und enthält im Anhang griechische, französische, italieni-
sche und deutsche Gedichte. Von den letzteren mag hier eine kurze
Probe stehen :
Es werden da geheylt viel der Beermutter Schmertzen,
Wann sie aufsteigt und dringt über sich nach dem llcrtzcn,
Wie auch derselbigen Geschwulst und Apostcm,
Auffblähung, Abweichen, und was mehr gleichet dem.
Wann ihr Monatlich Blum verstopftet und verhalten,
Wann sie unmässig Heuest bey jungen oder alten,
Wann sie anfängt zu schwärn, oder inen macht verdrnss
Die Erstickung der Muttr, wie auch der weisse Fluss.
So helffen diese Wasser nach allem Lust und Sinne,
Wann man sie ordentlich trinkt und badet darinne.
Zu der Unfruchtbarkeit seynd sie auch offt probirt,
Wicwol allein das Wassr solches nit operirt.
Was die Cur betrifft, so soll man sie aussetzen, wann sich Come-
ten und viel Finsternussen sehen lassen, auch wann böse und unglück-
haffte Aspecten, Zusammenkunft!, Gegenschein etc. der Planeten sich
eräugen. Wer die Cur drei Wochen braucht, der soll am 1. Tage
Digitized by Google
— 240 -
2, am 4 Tage 6, am 8. Tage 10, vom 10. bis 14. Tage 12, am 16.
Tage 10 und am 21. Tage 4 Gläser trinken. — Spätere Ausgaben
dieses Buches erschienen zu Frankfurt* 1640 und zu Mainz * 1658.
*3. In ähnlicher Weise angeordnet ist der Titel von: „Wiss-
bades beschreibung Ludovici von Hörnigk Rom. Kayas. Mav.
undt Fürstl. Veldentz. Rahts, Com. Pal. C. und Med. D. ordinarii zu
Franckfurt am Mayn. 1637." 106 S.
Das obere Bild zeigt 5 badende Männer im Vollbad, deren einer
an einer Stange Turnübungen macht; eine auf einen Stein gestellte
Sanduhr dient zur Berechnung der Zeit, welche Hörnigk für den
ersten Tag auf l/t, für den zweiten auf */4, für den dritten auf 1,
für den vierten auf 1*/*» für den fünften auf l8/*, für den sechsten
Tag auf 2 Stunden, für den achten Tag auf 2!/t, für den zehnten
auf 2, den vierzehnten auf 1 Stunde*) festsetzt Die beiden seitlichen
Bilder zeigen Löwenköpfe, welche das Mineralwasser in ein Becken
ergiessen, das untere stellt Wiesbaden dar, von Mauern und Thürmen
umgeben und in der Gegend des Kochbrunnens von dichten Wolken
verhüllt. Das Buch ist dem firzbischof von Mainz Anselm Casimir
zugeeignet
Die Vorrede beginnt mit den Worten: „Ich werde eusserlich
berichtet, dass etliche Wurmbrändte von mir ausszugeben sich nicht
geschewet, als solte ich das Wissbad in einigerley Weise verachtet
haben. Nun ist aber dieses ihr Vor- und Aussgeben ein lauterer
Auffschnitt etc." Demzufolge ist das Buch ein beständigser Lobsalm:
die Einwohner seynd gute, redliche unnd diensthefftige Leuth, die
Lufll ist gesund, das Brod so gesund, dass man bei der Abreyse
gern davon mitnimmt, das Wasser heilt Krankheiten, deren blosse
Aufzählung auf S. 15 eine ganze Seite einnimmt und unter denen
auch Schwindsucht, verlorene Mannheit und Taubheit nicht fehlen.
Krankengeschichten werden ebenso wenig vermisst, als Bade- Gebete
und Ausfälle gegen Winkel- und Judenärzte. Als Badehäuser
werden S. 8 ff. angeführt: der Gülden Adler, Hirsch, Krone, Bär,
Helm, Bock, Rindsftiss, Spiegel, Rose, Blume, Schwan, Glocke, En-
gel etc., deren viele und zwar unter dem alten Namen, noch fort-
bestehen.
*4. Politiamedica| oder | Boschreibung dessen was | die Me-
dici, sowohl ins geinein als auch verordnete Hof- Statt- Hospital-
*) Bei der vierwöchigen Cur stieg auf der Höhe der Cur, am 13. bis 16. Tag,
die Badezeit auf 3 Stunden, um am 28. auf V* Stunde verkürzt zu werden. Medi-
cinisebe Moden!
Digitized by Google
- 241 —
und Pest-Medici, Apo!theker, Materialisten, Wundarzt, Barbiercr,
Fcldtscheror, | Oculisten, Bruch- und Steinschneider, Zuckerbecker, |
Krämer und Bader, | Dessgleichen j Die obriste geschwohrne Frawen,
Hebammen, | Unterfrawen und Krankenpflegern, | Wie nicht weniger
j Allcrhandt unbefugte betriegliche und angemaßte Aerzte, | darunter
i4lte Weiber, .Beutelschneider, Crystallenseher, Dorffgeistliche, | .Ein-
siedler, Fallimentirer, Öauckler, 7/arnpropheten, Juden, Aalberärtzt,
Zand Istreicher, Afarckschreyer, JVachrichter, Ofenschwärmer, Pseudo-
Paracel sisten , Quacksalber, Rattenfänger , Segenssprecher, Teufeis-
bander, | Unholden, TTaltheinzen, Ziegeuner etc. | So dann endlichen:
| Die Patienten oder Krancke sclbstcn zu thun, und was allerseits
hierunter in Obacht zu nehmen, | Allen Herrn-Höfen, Republicken,
und Gemeinden zu | sonderbahrem Nutzen und guten \ Auss Geist-
und Weltlichen Rechten, Polizey-Ordnungcn und andern | bewehrten
Schriften zusammen getragen, | Durch Dr. L. v. H., etc. Franckfurt
am Hayn, Bey Clemens Schleichen und Mitverwandten. 1638. 222
S. 4°. ohne Titel, Vorrede und Register. (Neue Ausgabe *1645, un-
verändert, nur mit anderem Titel. Das AB C der Medicaster
(Capitel 18) erschien auch noch besonders. Die erste Ausgabe ist
dem Rath von Frankfurt, die zweite aber dem Kurfürsten von Trier
zugeeignet. Das Jahr 1643 lag ja zwischen beiden !) Die Mittheilung
des Titels überhebt uns einer ausführlichen Besprechung dieses selt-
samen Buches. In derselben Ordnung, wie auf dem Titel verzeich-
net, sind die Gegenstände im Buch in 19 Capiteln abgehandelt, kurze
Satze, mit gelehrten Anmerkungen. Einen grossen Theil (S. 52-114)
nimmt bei dem Abschnitt von den Apothekern ein Verzeichnis:» der
officinellen Mittel ein mit leeren Columneri zum Einschreiben des
Preises. Mitunter entfaltet H. einen ganz ergötzlichen Humor. So
erzählt er (Pol. med. S. 171): „Man lieset von des Constantinopolcta-
nischen Kaisers Palaeologi, der zehn ganze Monat an einer schweren
kalten melancholischen Krankheit gelegen, Ehcgeniahl, dass ihr von
einer alten Griechin heftig gerathen worden, wenn sie ihren Herrn
gesund haben wollte, ihn wöchentlich zwei bis dreimal zu erzUrnen,
darauf sie ihn nicht nur wöchentlich, sondern fast täglich zwei bis
dreimal erzürnt und ihn also gesund gemacht und lange Zeit gesund
erhalten. Wenn aber dieses Zornmittel jederzeit rathsam wäre, hilf
lieber Gott, wie wenig Männer würden krank seyn !" — Ueberau* gibt
ein fanatischer Judenhass in dem Buche sich kund. Im Register
heisst es: Judenärzt seynd diebisch — vermessene Betrieger — in
Gottes Wort verbotten zu gebrauchen — in Gottes Bann und Fluch
— abergläubisch — Mörder etc. Die allezeit denkenden und im
IV. 16
Digitized by Google
— 242 —
Leben geschulten Judenänste mochten einem Buchgelehrten wie H,
freilich besonderen Neid durch ihre Erfolge einflössen. Diese todt*
ßuchgelehraamkeit tritt nirgends abschreckender hervor, als in dem
Werke :
*5. Würg -Engel: Von der Pestilentz | Namen, Eygenschaffi
Ursachen, Zeichen, Präservation , Zufällen, Curation etc. j Theil»
auss | Vornehmer Theologorum, Berümbter Juristen, J Fürtrefflicher
Medicorum, Erfahrner Politicorum, | Kluger Physicorum, Beglaubter
historicorum, | Sinnreicher Poeten, und Anderer Gelährten, herrlichen
Schrifften: Dannenhero Männiglichen, wess Standte oder Profes- |sion
er ist, in- und ausserhalb Pestzeiten, nutzlich zu lesen: | Theüs auss
Eygeucr Erfahrung, und in verschiedenen Pestilentzen continuirter
fleissigster Auffmerkung : | In 500 Fragen | Mit besonderem Fleias
fürgebildet durch L. v. H. etc. Franckfurt am Mayn, Bei Christoph
Le Blon 1644. 4°. Ohne Titel, Vorrede, Dedication u. Register
932 S.
(Diess Buch ist dem Grafen Anton Günther zu Oldenburg und
Delmenhorst zugeeignet. Vorgesetzt ist des Verf. 's Bildniss, um
welches eine Randschrift läuft, welche nebst seineu anderen uns be-
kannten Titeln als Dr. dreier Facultäten, als Pfalzgraf, kaiserl., pfäl-
zischen und solms'schen Rath, ihn auch als Praefectus Rödelheimensis
auffuhrt und ihm von dem Kupferstecher Sebastian Furck zu
Frankfurt zugeeignet ist. Gegenüber steht ein zweiter Kupferstich :
beim Schein eines auf ineinandergewundenen Füllhörnern stehenden
Lichtes präaentirt der geflügelto Todes- oder Pestengel, mit geflamm-
tem Schwert in der Rechten, mit der Linken einen Schädel dem Be-
schauer, während von der anderen Seite her ein Skelet eine Tafel
mit dem abgekürzten Titel des Buches auf einen Sarg hebt.)
Man sollte denken, dass ein Arzt, welcher, wie er in der Vor-
rede erziildt, selbst zweimal die Pest gehabt und als Physicus An-
ordnungen zu ihrer Abwehr zu treffen berufen war, aus eigner Er-
fahrung irgend eine Mittheilung zu machen hätte. Aber nein ! Die
einzige Erfahrung, welche er mitthcilt (S. 235, Frage 168) ist, dass
Pestsüchtige ihm referirt, sie hätten da oder dort ein blau Schwefel-
fläinmlein oder Lichtlein gesehen, worüber er einige schale Spässe
macht. Selbst hinsichtlieh der 250. Frage (S.380): Was einer Obrig-
keit obliege, wann die Pest einreissen will? deckt er sich hinter
fremdem Schild mit den Worten: „Dieweilen in diesen beschwer-
lichen Zeiten man bissweilen denen, so die Warheit geigen, die Fidel
umb den Kopff schlägt, so will ich für meine Person, was einer
Obrigkeit in Pestzeiteu obliege, nicht melden, sondern selbige (die
Digitized by Google
- 2*3
Obrigkeit) allein andere vornehme Medicoa hören und was ihnen oder
ihrem Gebiet erspriesslieh, daraus nehmen lassen."
Dagegen muss sich Hörnigk wahrhaft Jean Pani sche Collecta-
neen angelegt haben, und je karger er mit Aussprechen eigner
Meinung ist, desto unerschöpflicher erweist er sich mit Mittheilung
dessen, was Andere gesagt haben. Gelegentlich der 65. Frage (S. 126):
„Welcher Gestalt ein Mensch die Pest dureh Forcht, Schrecken und
Einbildung bekommen könne?" fliesseu in breitem Strome alle Ge-
schichten von Monstrositäten durch Versehen der Schwangeren da-
hin. Die 161. Frage lautet: „Was von den Lufftzeichen, Wehe-
klagen, Prodigiis, Sterngeschossen, Leichenspiele der Kinder etc. zu
halten sey?" und die Antwort: dieses alles seynd Zeichen einer
künfftigen Pest. Ebenso ist die Antwort auf die folgende Frage:
„Was von den Cometen zu halten?" — Sehr lang ist die Antwort
auf die 186. Frage: „von der geistlichen Diät gegen die Pest" aus-
gefallen. Mit einem gewissen frostigen Humor werden dabei folgende
Rccepte empfohlen.
Rep. Protectionis divinae ünc. vj
Meriti Christi libr. ij
Gratiae Dei libr. j
Verae contritionis Unc. viij
Salvificae fidei libr. j
Dilectionis Uoc. vj
Patientiae
Perseveratitiae ä» libr. j
M- ft. Electuarium; und so geht es seitenlang weiter, und wiederholt
nochmals bei der 372. Frage (S. 713). Die 248. Frage (S. 378) un-
tersucht, ob es nützlich sei , dass ein Mensch seinen eigenen oder
auch wohl frembden Harn wider die böse Lufft trinke? Die 423.
Frage lautet: „Was von der Erd- und Wasscr-Cur, so Fioravan-
tus beschrieben, zu halten?" Diese Cur besteht darin, den Kranken
bis zum Hals in die Erde zu begraben und 12—14 Stunden darin zu
lassen. Fioravanti lobt an diesem Mittel die Wohlfeilheit und fin-
det es ganz rationell, weil die Erde alle Dinge zu reinigen pflegt.
Fioravanti empfiehlt auch das Meerwasser, 3—4, auch wohl 10 — 12
Stunden darin zu bleiben. Das ist doch selbst unserem leichtgläubi-
gen Hörnigk zu stark; aus Fioravanti's Schriften sähe man, dass
er zwar in etlichen Stücken eine ziemliche Erfahrung gewonnen habe,
aber auch ein gewaltiger Aufschneider und Prahler sei, der oft ein
liederlich nichtswerthig Ding für das köstlichste Sccretuin rühmt. Er
raeint, Fioravanti habe diese Mittel nur empfohlen, um die vier
Elemente voll zu machen, denn Luft und Feuer seien als kräftige
16*
Digitized by Google
— 244 -
Mittel gegen die Pestilentz anerkannt In der 330. Frage sagt er
Folgeudes von der Polypharmacie seiner Zeit, in der er selbst sosehr
befangen war: „Gar zu grosse und lange Recepte taugen oft wenig,
und habe ich newlich zwei lange Recept gelesen, das eine hat 125
Stück, das ander 117. Ich wollte aus den ersten 40 Stücke lesen,
auss den andern 20, und die übrigen lassen hinwandern. Man rindet
aber noch längere Recepte von 2 oder 3 hundert ingredientibu», da-
rüber einer leicht ein Voraitum bekommen könnte."
Die 364. Frage verneint die Behauptung: „Dass der Böcke Ge-
ruch eine sonderliche Kraflt habe, dem Pestilentzischen Gifft zu wi-
derstehen." Es heisst da: „Laurentius Joubcrtus gedenket dieses
Pestmittels auch und spricht: Es seyen etliche von Averroe be-
wogen worden, Zeit grassirender Pest, offtmale einen Bock zu be-
rühren, und an demselbigen zu riechen: an welchem Orth oder Glied
dess Bocks, meldet er nicht, ich aber halte darfür, es seye dasjenige
gemeinet, welches am meynsten und Stärkesten riechet, stelle es den-
jenigen, so gern riechen, frey, wo sie den Bock beriechen wollen."
Die 498. Frage endlich untersucht, was von dem Schmatzen der
Todten in Gräbern, Poltern, Todtentänzen, Geheul u. s. w. zu hal-
ten. — Der bekannte Judcnhass des Autors macht sich in dem Buche
vielfach geltend. Im Register sind folgende Stellen citirt: Juden
vergingen die Brunnen — haben unterm Schein der Artzney viel
Christen ums Leben gebracht — warnen selbst vor Judenärtzten —
Judcnärtzte besuchen gar selten Pestsüchtige — Seynd hurtig den
schwängern Huren zu helffen, — Meistenteils ungelehrte Eselsköpffe
— Sehen mehr auf Gelt als der Patienten Gesundheit etc.
Die anderen Schriften des Verf. sind: Tractatus de commissariis
et commissionibus. — Stella notariorum, 1645. — De Rcgali postarum
jure. — Beständige in jure et facto festgegründete Abfertigung,
Nürnbergischer vermeinter Refutation, das kaiserl. freye Postwesen
betreffend. — Epistola de qualitate camphorae (in Greg. Horst observ.).
Zwanzig Ursachen, warum er katholisch geworden 1649. — Uebersetzung
aus dem Italienischen von Petr. Rostini Tractat von den Fran-
zosen, endlich ist er Verf. des Liedes: „Mein Wallfahrt ich vollen-
det hab' !"
Hörnigk scheint uns für die Medicin des siebzehnten Jahrhun-
*) Leonardo Fioravanti von Bologna, „ein übelbcrfichtigter Abentheurer,
der sich durch Empfehlung von Arcanis und zahlreiche verworrene Schriften be-
kannt gemacht hat." Haser.
Digitized by Google
245
derte von typischer Bedeutung zu sein. Er ist ja nicht ein „Narr
auf eigne Hand", sondern Alles, was er vorbringt, belegt er durcli
berühmte Scribenten. Die Mehrzahl der Aerzte des 17. Jahrhunderte
habe ich auf Grund der Durchsicht zahlreicher Schriften aus dieser
Zeit in der Einleitung zu meiner Analyse vonEttner's medieinischen
Romanen (in Virchow Archiv Bd. XXXVII. S. 131) zu schildern
versucht. Die dort entworfenen Züge treffen auch bei Hörnig k zu:
die wüste zusammengelesene Gelehrsamkeit , die Unselbständigkeit
des Urtheils, der blinde Autoritätsglaube, das Vertrauen auf wunder-
wirkende componirte Formeln, der Mangel jeder anatomischen und
physiologischen Grundlage, an deren Stolle einige chemiatrische Re-
densarten gesetzt werden. Die polyhistorische Richtung der Studien
Hess den Uebergang zu anderen Fächern leicht zu und so finden wir
im 17. Jahrhundert eine Reihe vonAerzten, welche auch auf anderen
Gebieten des Wissens sich hervorgethan. Wir nennen nur die her-
vorragendsten :
1. Theophrast Renaudot, geb. 1584 zu Loudun in Poitou,
erfand in Frankreich die Journalistik, die Leihhäuser und Nachwei-
sungsbureaux. Den von ihm 1631 gegründeten Mercure fran<;ais re-
digirte er bis zu seinem Tode 1653; sein Sohn Isaak, ebenfalls Arzt
in Paris, setzte ihn bis 1680 fort.
2. Thomas Reincsius, geb. 1587 zu Gotha, Dr. med. Basil.,
gräfl. reussischer Leibarzt, Inspector und Prof. des ( ymnasiums
in Gera, dann fürstl. .Leibarzt und Bürgermeister zu Altenburg, als
kursächsischer Rath f in Leipzig 1667, schrieb über punische Sprache,
gab den Petronius heraus und sammelte antike Inschriften.
3. Joh. Jac. Chifflct (Schiffle?), geb. zu Besancon 1588,
Physicus und Bürgermeister seiner Vaterstadt, Leibarzt K. Philipp IV.
von Spanien, -{- 1660, schrieb viele Abhandlungen über französische
Geschichte, lothringisches Staatsrecht, Genealogie etc.
4. Martin Curcau de la Chambre, 1594-1669, französ.
Leibarzt, schrieb viele Abhandlungen Über Kritik uud Moral.
5. Claude Pe rra u lt, 1613—1688, Arzt, Mathematiker, Musiker
und Architekt, übersetzte den Vitruv ins Französische.
6. Samuel Sorbiere, 1615— 1670, schrieb über die englische
Revolution und übersetzte die Utopia des Thomas Morus und
den Tractat des Crellius: „de causis mortis Jesu Christi" ins Fran-
zösische.
7. Peter Petit, geb. 1617 in Paris, Arzt daselbst, f 1687,
gab Gedichte heraus.
Digitized by Google
246 -
8. Karl Patin, geb. 1633 in Paris, f 1693 als Professor der
Medicin in Padua, schrieb Vieles über Münzkunde.
9. Bernardino Ramazzini, aus Carpi bei Modena, geb. 1633.
Prof. in Modena und Parma, f 1714, einer der wichtigsten Epidemio-
graphen seiner Zeit, setzte aus Versen des Virgil ein Gedicht de
hello Siciliae (1677) zusammen.
10. Jacob Spon, 1647—1686, Arzt in Lyon, verfasste eine
Beschreibung seiner antiquarischen Reise nach Griechenland und der
Levante und schrieb eine Geschichte von Genf. *)
*) Für das sechszehnte Jahrhundert hat eine derartige sehr interessante Zu
sainmenstellong gemacht C. F. Reusinger in seiner gelehrten Abhandlung zum
fünfzigjährigen Doctorjubilaeura des Geh. Obcrmcd.- Käthes Hieronymus Wald
mann: Commentatio de Joachime Cureo. Marburg 1853. 4".
Digitized by Google
- 247 -
Miltlieiluiigfu ober eheliches Güterrecht,
mit besonderer Hinsicht auf fränkisches und Frankfurter Kocht,
von Dr. L. II. Euler.
I.
Schon eine lange Reihe von Jahren ist verstrichen, seitdem ich
einige Abhandlungen über eheliches Güter- und Erbrecht veröffentlicht
habe. Das Bestreben, mich mit dem Frankfurter Kecht in dieser
Lehre vertraut zu machen, hatte mich allmählig zu einer eingehenden
Untersuchung des ehelichen Güterrechts in Deutschland überhaupt
geführt und ich gelangte immer mehr zu der Uebcrzeuguug, dass
sich eine genügende Erkenntnis» desselben nicht erlangen lasse, wenn
man nicht das Recht der deutschen Hauptstämme unter Berücksich-
tigung der verschiedenen Zeiträume gesondert erforsche. Die Werke,
welche damals (1834) als die bedeutendsten in dieser Lehre galten,
beriefen sich auf die Rechtsquellen ohne genaue Unterscheidung der
Zeiten und Länder, und stellten aus einzelnen meist dem Zusammen-
hang entrissenen Sätzen der verschiedenartigsten Rechtsquellen für
die einzelnen Arten und Formen des ehelichen Güterrechts ein System
zusammen, das dann wieder zur Erläuterung und Ergänzung der ein-
zelnen Statutar- und Partikularrech tc dienen sollte, aber gerade we-
gen dieser Vermischung heterogener Bestandtheilc seinen Zweck nicht
erfüllen konnte. Doch war auch bereits die Bahn zu einer wissen-
schaftlicheren Behandlung gebrochen. Unter der Annahme, dass die
eheliche Gütergemeinschaft das eigentümliche Wesen des deutschen
ehelichen Güterrechts sei, standen sich früher eine vorzugsweise
römisch-rechtliche Auffassung, welche soweit möglich die Grundsätze
der societas dabei anwendete, und eine germanistische entgegen, welche
dem Verhältniss ein Gesammteigenthum unterstellte. Letztere An-
sicht war besonders in den Werken von Lange (Rechtslehre von
der Gemeinschaft der Güter unter den deutschen Eheleuten, Baireuth
Digitized by Google
- 248 -
1766) , Schcrcr (die verworrene Lehre der ehelichen Gg. systema-
tisch bearbeitet, 2 Tbl. Mannh. 1799) und Danz (Handbuch des heu-
tigen deutschen Privatrechts, fortgesetzt von Griesinger) vertreten,
welche , in der Praxis grosses Ansehen genossen, während dem namentlich
Fischer (Geschichte der tcutschen Erbfolge, 2 Tbl. Mannh. 1778)
die Idee des Gesanimteigenthunis in gelehrter Weise zu begründen
versuchte. Hasse aber hatte in seinem trefflichen Beytrag zur
Revision der bisherigen Theorie von der ehelichen Gg. nach deut-
schem Privatrecht (Kiel 1808) die juristische Unmöglichkeit eines
solchen Gesaminteigcnthums (condominium plurium in solidum) nach-
gewiesen und dadurch die Rechtshistoriker genöthigt, wenn sie nicht
seiner eigenen Annahme, dass die Khegattcn als eine juristische Per-
son aufzufassen seien, folgen wollten, eine andere Grundlage des
deutschen ehelichen Güterrechts aufzusuchen. Dies musstc zu einem
Zurückgehen auf die Quellen des Rechts führen und so entstanden —
freilich erst nach einem längeren Zwischenraum, während dem [ab-
gesehen von dem was Eichhorn in seinem grossen Werke über die
deutsche Rechtsgeschiehte leistete] die wissenschaftliche Bearbeitung
dieser Lehre fast ganz ruhte, gleich als ob sie sich von dem Hasse'-
schen Angriffe erst wieder erholen müsste — fast gleichzeitig meh-
rere werthvolle Untersuchungen Uber das eheliche Güterrecht einzel-
ner Städte, wie von Cropp über Hamburg 1830, von Behn über
Lübeck 1830, von Uonandt und Berck über Bremen 1830 und
1832, dann von Deiters die eheliche Gg. nach dem Münster'schen
Provinzialrccht (Bonn 1831) u. s. w. Die Residtate nun, die grade
in diesen Werken aus der genauesten Durchforschung einzelner Stadt-
rechte sich ergaben, zeigten deutlich, wie auf dem Wege, den ich für
den richtigen erkannt, voranzukommen sei: es konnten vereinzelte
Quellen CMtate, wie sie in Scherers Buch reichlieh gegeben sind oder
sich noch in G. Phillip's Lehre von der ehelichen Gg. (Berlin 1830)
finden, nicht genügen, sondern es war die Aufgabe, jede einzelne
Recht8quellc nach ihrer Entstehung, in ihrem Zusammenhange mit
verwandten Rechten und in ihrer Entwicklung zu untersuchen.
In der Jugend fürchtet man sich nicht vor weitausschenden Plä-
nen. Bald war mein Entschluss gefasst, ein umfassendes Werk über
die Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland auszuarbeiten
und ich ging mit Eifer an die Vorbereitungen dazu. Vor Allem
machte ich mich mit den Quellen und der Literatur möglichst be-
kannt, sammelte eine grosse Anzahl von Stadt- und Landrechten
(deren Zusammenzubringen viel Zeit und Mühe kostete, da die alten
Ausgaben bekanntlich nur schwer in einiger Vollständigkeit zu be-
Digitized by Google
- 249
kommen sind), durchforschte die Urkundensammlungen, legte nach
Böhmers Beispiel ausführliche Regcsten an und entwarf danach den
Plan. Ich nahm 4 Perioden an; die erste, die Periode der Volks-
rechte, sollte das eheliche Güterrecht der ältesten Zeit darstellen, die
zweite sollte das Mittelalter bis zur Reception des röm. Rechts um-
fassen und in drei Abtheilungen das sächsische Land- und Stadtrecht,
das fränkische Recht und das süddeutsche Recht behandeln, die dritte
war bestimmt, die Gestaltung des ehelichen Güterrechts unter dem
Einfluss des römischen Rechts und die Ausbildung der gemeinrecht-
lichen Doctrinen zu zeigen, die vierte endlich, die kritisch historische,
sollte mit Hasse's oben bemerktem Werke beginnen und den jetzigen
Standpunkt der Wissenschaft schildern. Daran sollte sich als codex
diplomaticus ein Abdruck der wichtigsten Quellen in chronologischer
Ordnung anreihen, da es mir zweckmässiger schien, die einzelnen
Gesetze, Rechtsbüchcr u. s. w. vollständig so weit sie diesen Gegen-
stand betreffen zu geben, anstatt sie in Form von Belegstellen zu
den einzelnen Punkten zu zerreissen, so dass man sich erst mühsam
wieder aus diesen vereinzelten Bruchstücken ein Bild des Ganzen
zusammen suchen muss. Endlich sollte ein möglichst vollständiges
Verzcichniss der Literatur beigefügt werden.
Die Herausgabc des von dem Bürgermeister Thomas hinterlassenen
Werks über den Frankfurter Oberhof gab mir 1841 die Veranlassung,
nach mehrjähriger Unterbrechung dieser Studien aus den gemachten
Vorarbeiten ein kleines Schriftchen unter dem Titel „Die Güter- und
Erbrechte der Ehegatten in Frankfurt am Main bis zum Jahre 1509
mit Rücksicht auf das fränkische Recht überhaupt" als einen rechts-
geschichtlichcn Versuch zu veröffentlichen. *) Mein Bestreben war zu
zeigen, dass in allen fränkischen Gegenden Deutschlands zu dieser
Zeit ein gleiches eheliches Güterrecht galt und dass dieses von dem
Rechte des Sachsenspiegels (welches man gewöhnlich als den Aus-
druck des gemeinen deutschen Rechts im Mittelalter ansah) wesent-
lich abwich, indem es keine blos äusserliche sondern auch eine
innere Vereinigung des ehelichen Vermögens unterstellte. Icfi wies
nach, dass das Freiburger Stadtrecht, die Landrechte von Jülich und
Berg, das Bamberger Recht (das durch die verdienstvolle Arbeit
«) Beinahe gleichzeitig erschienen die trefflichen Untersuchungen von Pauli
Uber die ehelichen Erbrechte nach lübischem Rechte (Lab. 1840) und von Wäch-
ter über das ältere Ehegüterrecht in Wtirtemberg (im ersten Theile seines Hand-
buchs des in W. geltenden Privatrechts, Stuttg. 1839). Leider war mir letzteres
Werk unbekannt geblieben.
Digitized by Google
250 -
Zöpfls 1839 grade bekannt geworden war) und das Frankfurter
Recht in allen wesentlichen Beziehungen übereinstimmten, und
bezeichnete dies Güterrecht als das System der gesammten
Hand.
Die kleine Schrift fand in- und ausserhalb Frankfurt s nur geringe
Beachtung. Sic wurde zwar als eine fleissige Arbeit anerkannt (z. B.
Heidelb. Jahrb. 1842 N. 5, kritische Jahrb. 1842. S. 949), aber die
ihr zu Grunde liegende Ansicht blieb unerwähnt und ein Recensent
in dem Archiv des historischen Vereins ftlr Unterfranken (Bd. 7,
Heft 2, Würzb. 1842, S. 190) war nicht abgeneigt, darin nur eine
unfruchtbare Antiquitätenspielerei zu erblicken.
Dies hielt mich jedoch nicht ab, meinen Plan weiter zu verfolgen
und 1842 in der Zeitschrift für deutsches Recht VH. 80 eine kleine
Mittheilung über das Kölner Recht und die gesammte Hand im
Elsass, sowie 1846 in Band X. einen grösseren Aufsatz über „die
Fortbildung und Gestaltung des fränkischen ehelichen Güterrechts
seit dem Eindringen des röm. Rechts" zu geben, in welchem ich die
eheliche Gg. und namentlich die oft als altfränkisch bezeichnete Errun-
geuschafts-Gemeinschaft als ein Product dieser späteren Zeit nach-
zuweisen suchte. Dank der grossen Verbreitung dieser treffliehen
Zeitschrift, deren Eingang man bedauern muss, blieben meine Arbei-
ten nicht unberücksichtigt und — wie ich wohl nicht ohne einige
Genugthuung sagen darf — auch nicht ohne Einfluss auf die fernere
Behandlung der Lehre vom ehelichen Güterrecht. Denn es ist seit-
dem immer mehr anerkannt worden, dass bei Darstellung des älteren
(•beliehen Güterrechts das Recht der verschiedenen deutschen Stämme
zu trennen sei und dass dem fränkischen Rechte nicht mindere Be-
achtung gebühre als dem sächsischen, von dessen Auffassung es sich
wesentlich unterscheide. Zwar hat Gerber in den Betrachtungen
über das Güterrecht der Ehegatten nach deutschem Rechte (in seinen
und Jherings Jahrbüchern Bd. I. Jena 1857 S. 238) und in seinem
System des deutschen Privatrechts die Gütereinheit auf Grund-
lage des Sachsenspiegels ftlr die eigentliche Form des deutschen
mittelalterlichen Güterrechts und gegenüber der als eine spätere Ver-
irrung betrachteten Gütergemeinschaft für die regelmässige Grund-
lage auch des jetzt geltenden Rechts erklärt, jedoch hält er es nicht
für unzulässig, daneben eine grössere und zum Theil selbständige
Gruppe aufzustellen, welche in dem Begriffe des fränkischen Recht*
zusammengefasst werden kann; wenn schon er annimmt, dass das ältere
fränkische Recht der gesammten Hand noch innerhalb der Sphäre der
Idee der Gütereinheit liege und gerade nur, weil dasselbe nicht zu einer
Digitized by Google
251 -
ruhigen Ausbildung gekommen, sondern in willkührlicher Weise seit
dem 16. Jahrhundert meist in allgemeine oder Errungenschafts-Gg.
umgestaltet worden sei, es unterlässt das fränkische Recht als eine
geschlossene Gruppe bis zur neueren Zeit fortzuführen. (Privatrecht
8. Aufl. §. 227.) Dagegen hat P. Roth „Uber Gütereinheit und
Gütergemeinschaft'' (in dem Jahrbuch des gem. deutschen Rechts,
her. von Becker und Muther Bd. III. 1869. S. 313) nicht uur wie-
derum die Ansicht verfochten, dass das im fränkischen Rechte ent-
wickelte System der gesammten Hand mit Verfangenschaft von dem
System der Gütereinheit, wie es Gerber als gemeines Recht des
Mittelalters hinstelle (d. s. von einer blos äusserlichen Vereinigung
des ehelichen Vermögens) völlig verschieden sei, sondern er ist noch
weiter gegangen und hat nachzuweisen gesucht, dass nicht nur in
den fränkischen Gegeudcu, sondern auch in den übrigen nicht säch-
sischen Theilen Deutschlands im Mittelalter dasselbe Recht der ge-
sammten Hand gegolten habe, so dass eben das Recht, welchem
Gerber ein so grosses Geltungsgebiet vindizire, sich nur auf das ost-
falischc Sachsen beschränke. Ja im Anschluss hieran hat A. Häncl
„die eheliche Gütergemeinschaft in Ostfalen" (Zeitschrift für Recbts-
Geschichte lr. Bd. 1861 S. 273) sogar den Nachweis zu liefern unter-
nommen, dass selbst in dem Territorium, was als Ostfalen im engern
Sinne bezeichnet wird, nach den alten Rechten der Städte, nament-
lich Goslar's und Braunschweig's, das System der gesammten Hand
gefunden werden müsse. Ausgehend von dem Ergebnisse meiner
Forschungen hat A. Schwarz „die Gütergemeinschaft der Ehe-
gatten nach fränkischem Rechte" (Erlangen 1858) die Güterordnung
der gesammten Hand als die geraeinsame Grundlage des fränkischen
mittelalterlichen Rechts dargestellt und in dem Werke von G. Sand-
haas „Fränkisches eheliches Güterrecht" (Glessen 1866) liegt
der Anfang einer ausführlichen Darstellung der ehelichen Güter-
und Erbrechte nach den deutschen Rechten fränkischer Wurzel
vor uns.
Die Pflichten meines Berufs haben mir nicht die Müsse gelassen,
die mit so grossem Eifer begonnenen Arbeiten fortzusetzen und ich
musstc mich darauf beschränken , den Forschungen Anderer auf dem
mir lieb gewordenen Arbeitsgebiete zu folgen. So hat namentlich das
Werk von Sandhaas mein höchstes Interesse erregt und die Freude
an diesem Denkmale der fleissigsten und gewissenhaftesten Forschung
wurde nur durch den Schmerz getrübt, dass ein frühzeitiger Hingang
den Verfasser an der Vollendung seines grossartig angelegten Unter-
nehmens verhindert hat. Mit nicht geringerem Vergnügen aber hat es
Digitized by Google
252 —
mich erfüllt, dass die Idee des Werkes, welche mich schon vor 30
Jahren beschäftigte, jetzt in der „Geschichte des ehelichen Güter-
rechts in Deutschland" von R. Schröder ihre Verwirklichung findet.
Auf den ersten Theil, die Zeit der Volksrechte, (Stettin 1863) ist ao
eben (Stettin 1868) des zweiten Theils (die Zeit der Rechtsbücher
enthaltend) erste Abtheilung gefolgt, mit dem Separat-Titel „das ehe-
liche Güterrecht in Süddeutschlaud und der Schweiz im Mittelalter".
Der Verfasser geht nämlich auch von der Ansicht aus, dass sich das
Recht dieser Zeit nur bei einer Sonderung der deutschen Stämme
richtig darstellen lasse und so soll sein zweiter Theil in 3 Abtbei-
lungen das schwäbisch-bairische, das fränkische und das sächsisch-
friesische Recht behandeln. In dem süddeutschen Rechte findet er
zwar auch mit P. Roth das Recht der gesammten Hand und viel-
fache Spuren der Verfangenschaft, aber er identificirt es doch nicht
mit dem fränkischen Rechte, sondern hat selbst einen Theil der süd-
deutschen Lande, „die zalilreicheu Pflanzstätten des fränkischen Rechte
im alemannischen Lande, besonders in der Schweiz" in die zweite
Abtheilung verwiesen.*) Seine dritte Abtheilung aber hat bereit»
einen trefflichen Vorläufer in F. v. Martitz „das eheliche Güter-
recht des Sachsenspiegels und der verwandten Rechtsquellen" (Leip-
zig 1867) erhalten. In diesem mit grossem Fleisse und wahrhafter
Eleganz gearbeiteten Werke3) wird nach einer ausfuhrlichen Einlei-
tung über die Quellen des sächsischen Rechts und dessen örtliche Be-
grenzung die geschichtliche Entwicklung des ehelichen Güterrechte
nach seinen beiden Richtungen als Land- und Stadtrecht gegeben und
in letzter Beziehung namentlich hervorgehoben, einestheils, dass in
den meisten Städten, die in dem Gebiete des Sachsenspiegel-Rechte
lagen, in Folge der Germanisation der sächsischen Marken durch
westfälische, fränkische und niederländische Colonisten schon frühe
das eheliche Güterrecht sich abweichend von dem sächsischen ge-
staltete, indem es bald die westfälisch-niederländische Halbtheilung,
bald das fränkische Drittentlieilsrecht aufnahm, anderntheils, dass in
vielen Städten, in welchen ursprünglich das sächsische Güterrecht
galt, ja in Magdeburg selbst allmählig die Halbtheilung und gesammte
Hand eindrang.
2) Von besonderem Interesse sind seine Untersuchungen über die Mor^en^xt*-
im süddeutschen Rechte. Vergl. auch Kraut in der Besprechung dieses Buchs
in den GÖttingcr gelehrten Anzeigen 1868 S 1641.
3) Vgl. darflber auch R. Sohra in den Gottinger gelehrten Anzeigen. 1867.
8. 1900.
Digitized by Google
- 253 -
Das Ergebnis« dieser neueren Forschungen endlich hat jetzt
P. Roth in einer „Gütereinheit und Gütergemeinschaft" überschrie-
bcnen Anzeige der obenerwähnten Arbeiten von Schröder, Häncl und
Sandhaas, sowie der Gosen'schen Schrift (vgl. hier unter IV) in der
kritischen Vierteljahrsschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft,
Bd. 10 S. 109 (Münch. 1868) zusammengefasst Er hat es als eine
vollkommen erwiesene Thatsache constatirt, dass in den Ländern
des fränkischen Rechts, nach der Bezeichnung des alten Reichsrechts,
niaulich nicht nur in Franken, sondern auch in Schwaben, Baiern
und Oestreich, nicht das Recht des Sachsenspiegels, die s. g. Güter-
einheit, sondern die gesammte Hand mit Verfangenschaft die Grund-
lage des ehelichen Güterrechts bildete und erachtet damit die von
manchen neueren Schriftstellern aufgestellte Behauptung, dass die
Gütereinheit als das gemeine Recht des Mittelalters anzusehen sei,
für den grösseren Thcil der deutschen Länder als eine grundlose
Hypothese beseitigt. Ja selbst Westfalen und der von Hänel speziell
als Ostfalcn bezeichnete Theil des Sachsenlandes muss von dem
Rechtsgebiet der Gütereinheit ausgenommen werden. Damit verbindet
dann Roth eine kurze aber lichtvolle Darstellung des Systems der
gesaramten Hand.
Warum ich nun nach so langer mehr als 20jähriger Pause es
mir erlaube, nochmals einen Aufsatz über eheliches Güterrecht zu
veröffentlichen, hat seinen Grund darin, dass der Vorstand der juri-
stischen Gesellschaft dahier einen Bericht über den „Entwurf eines
Gesetzes über das Güterrecht der Ehegatten im Bezirk des Justiz-
Senats zu Ehrenbreitstein" wünschte, da dieser Entwurf auch für
Frankfurt von Bedeutung werden könne, und ich auf sein Ansuchen
das desfallsige Referat übernahm. Ich verband damit einen Bericht
über den gegenwärtigen Stand der Forschungen auf dem Gebiete des
ehelichen Güterrechts und was ich so in mehreren Sitzungen der
Gesellschaft vorgetragen habe, ist in den gegenwärtigen Mittheilun-
gen, freilich in theilweise geänderter Form, wiedergegeben.
n.
Die Aufgabe, welche Sandhaas in seinem obenerwähnten Werke
lösen wollte, war die Darstellung der ehelichen Güter- und Erbrechte
nach den deutschen Rechten fränkischer Wurzel, und zwar sollte
ebensowohl die älteste Gestaltung und weitere Entwicklung, als auch
die dermalige unter dem Einflüsse des römischen Rechts entstandene
Ausbildung dieses Instituts dargestellt werden. Obwohl aber der Ver-
Digitized by Google
- 254 -
fasser zehn Jahre hieran arbeitete, so konnte er bei seinem frühzei-
tigen Ende doch nur den kleineren Theil seiner Aufgabe erledigeu.
Die Dogmatik dos heutigen Rechts konnte er gar nicht mehr bear-
beiten, von der Geschichte hat er nur das ältere Recht und da» mitt-
lere noch zum Theil behandelt. Das Werk, wie es jetzt vorliegt, gibt
also weniger wie sein Titel besagt, hat aber auch als Bruchstück
noch grossen Werth und enthält glücklicher Weise wenigstens die
vollendete Schilderung zweier Institute, die zu den wichtigsten der
ganzen Lehre und nicht blos dem Gebiete der Geschichte angehöi^n,
das Verf an genschaftsrecht uud da« Gru ndtheilrecht Denn
ersteres hat noch vor wenigen Decennien in der preussischen Rhein-
provinz zu grossen Streitigkeiten Veranlassung gegeben und letzteres
ist sogar noch heutigen Tages in verschiedenen fränkischen Gegen-
den in voller Geltung.
Dem geschichtlichen Theile seines Werkes legte Sandhaas fol-
genden Plan zu Grunde. In dem ersten Titel wollte er die älteste
Gestaltung des ehelichen Güter- und Erbrechts darstellen, wie sie in
den Rechtsdenkmälem zur Zeit des alten Frankenreichs enthalten
ist, der zweite Titel sollte das mittlere Recht bis zur Reception der
fremden Rechte, und der dritte die Umbildung durch den Einflu&s
des fremden insbesondere römischen Rechts behandeln. Der zweite
Titel sollte im ersten Capitel von der Einigung des Vermögens der
Ehe im Ganzen, im zweiten von den der Ehe eigentümlichen Ver-
mögensarten handeln. Das erste Capitel aber sollte wieder in 3 Ab-
schnitte zerfallen , für welche die Verhältnisse bei Auflösung der Ehe.
die Verhältnisse während der Ehe und das eheliche Schuldenwesen
bestimmt waren, von denen aber nur der erste Abschnitt vorliegt,
während alles andere fehlt. Auf den ersten Anblick erscheint nun
diese Anordnung unlogisch und wunderlich, da man eigentlich erwar-
ten sollte, dass umgekehrt mit dem Rechte der bestehenden Ehe
der Anfang hätte gemacht werden sollen. Aber grade für den ge-
schichtlichen Theil ist sie gerechtfertigt, da die Entwicklung des ehe-
lichen Güterrechts wesentlich von der Art und Weise ausging, wie
bei Auflösung der Ehe der überlebende Ehegatte sich mit den Kindern
oder mit den Verwandten des verstorbenen auseinandersetzte.
Das Werk beginnt mit einer Uebersicht der Quellen, welche 32
enggedruckte Seiten einnimmt und den Beweis liefert, welch unge-
heures Material hier — noch neben der Literatur — verarbeitet wer-
den musste. So umfassend aber auch dies Verzeichniss der Quellen
ist, welche sich beinahe sämmtlich auch in meiner Büchersamm-
lung befinden, so sind dem Verfasser immerhin noch einzelne ent-
Digitized by Google
- 255
gangen. 4) Aus dieser Uebersicht geht zugleich der territoriale Umfang
des fränkischen Rechts hervor. Dasselbe, dessen Kenntnis* für die älteste
Zeit uns die Lex Salica, die Lex ripuaria und die s. g. Ewa Cha-
mavorum neben den Capitularien, Formeln und Urkunden vermitteln,
zerfällt nämlich für die spätere Zeit in 3 grosse Parthien, in die franzö-
sische, in die flandrisch-holländische und in die deutsch-fränkische. Die
ersten beiden sind von Sandhaas nicht weiter berücksichtigt worden,
da er eben nur das deutsch-fränkische Recht im Auge hatte. Dies
aber begreift:
1) Ostfranken, d. h. den Mittel- und Obermain, namentlich Bam-
berg, Nürnberg, Würzburg.
2) Mittelfrauken, d. h. den Untermain und Mittelrhein, namentlich
Mainz, Worms, Oppenheim und insbesondere Frankfurt, dessen
*) Zur Vervollständigung mögen daher nachstehende Nachrichten dienen:
Colmar. Die Statuten, nach dem Schluasedict Freitag 11. Janaar 1593 erlassen,
sind sine loco et anno in Folio gedruckt, aber nicht gleichzeitig, da sich in
dem Texte einige spätere Rathschlüsse von 1G00 etc. befinden. Ein Exem-
plar dieses seltenen Buchs besitzt die Darmstädter Bibliothek X. 2115., ich
selbst konnte nur eine schöne alte Abschrift erlangen.
Eberstein, Grafschaft; die 1508 von Graf Bernhard von E. und Markgraf Phi-
lipp von Baden gemeinschaftlich erlassene Landesordnung ist als Urkunde 38
bei Krieg von Hochfelden, Gesch. der Grafen von E., Carlsruhe 1836, abge-
druckt. Das Ehegüterrecht wird darin nicht behandelt, wohl aber „recht
und gewonheit der Verfangenschaft'' darin erwähnt.
Elsa ss. Ancien statutaire d'Alsace ou recueü des actes de Notoriete fournis en
1738 et 1739 snr les Statuts us et coutames do cette province, publie par
Mr. d'Acon de Lacoutrie. Colmar 1825. Ein für die Kenntniss des Elsässer
ehel. Güterrechts unentbehrliches Buch.
Nassau. Gerichtsordnung der Graveschaft Nassaw, gedr. sine loco et anno in
folio, dann gedr. Wormbs 1535. fol. Sie ist von den Grafen Wilhelm zu
Catzenellenbogen und Dietz, Ludwig zu N. -Saarbrücken und Philipp zu
N -Wiesbaden und Idstein zwischen 1516 und 1535 erlassen. Beide Drucko
sind sehr selten. Wiederholt in E. Münch, Gesch. von Nassau- Oranien, Thl. 3.
Zwcibrttcken. Ich besitze eine „Undergerichts- Ordnung Unser Johannsen Pfalz-
braven bei Rhein, Herz, in Bayern, Graven zu Veldenz und Sponheim" 1678,
4°., welche offenbar das Vorbild der Sponbeimer Untergerichts-Ordnung von
1578 ist , da diese von demselben Pfalzgrafen Jobann in Gemeinschaft mit
Markgrafen Pbilib von Baden erlassen wurde.
Baden. Der Marggraffschafft Baden statnten nnd Ordenungen in Testamenten
Erbfellen und Vormundschafften. In fine: Gedruckt und vollendet in der
löblichen statt Baden durch Reinharten Becker burger zu Strassburg vff
vnsor lieben frawenAbent prosentationis 1511. kl. Fol. Ein Exemplar dieses
seltenen Drucks befindet sich auf der Stuttgardter Bibliothek und habe ich
mich aus dessen Einsicht überzeugt, dass es allerdings mit den Statuten
der Herrschaften Lore und Mahlberg von 1566 ganz übereinstimmt
Digitized by Google
- 256 -
Rechtszeugnisse unbedingt die Hauptquelle für das mittlere
Recht sind,
3) Westfranken, d. h. den Niederrhein, also Köln, Jülich, Berg,
Cleve, Trier, Geldern', Limburg, wozu noch einzelne französi-
sche und niederländische Gegenden kommen, welche sich im
späteren Mittelalter nicht der in Frankreich und in Flandern -
Holland, sondern der im deutschen Franken vorherrschenden
Richtung anschlössen, wie Artois, Brabant, Lothringen, Lüttich,
Luxemburg u. s. w.
4) Alt-Hessen.
5) Elsass, Burgund und einen Theil von Schwaben, namentlich
Altwürtemberg und Altbaden.
In dem ersten Titel, der also das älteste Recht behandelt,
gibt Sandhaas die Darstellung des s. g. Mundialsystems oder der
äusseren Gütervereinigung in der Hand des Ehemanns. Hervorzu-
heben ist dabei seine Ansicht über die eheliche Errungenschaft iu
dieser ersten Periode. Bekanntlich wird schon in den ältesten Quel-
len eine solche erwähnt und der Ehefrau der dritte Theil daran zu-
gewiesen. Es wurde dies bisher zumeist als ein Erbvortheil der
Wittwe und der Ehemann als der alleinige Eigenthümer alles dessen
angesehen, was er und seine Frau in der Ehe erarbeiteten. Sand-
haas aber ist der Meinung, dass auch schon während der Ehe die
eheliche Errungenschaft den Gegenstand einer wahren Gemeinschaft
zwischen den Ehegatten gebildet habe (S. 83), während er freilich
auch zugibt, dass das ältere Recht sich dieses Princips in seiner gan-
zen juristischen Schärfe nicht bewusst gewesen sei.») Ausserdem be-
tont er mit Recht den Einfluss, welchen die unter den Ehegatten sehr
üblichen gegenseitigen Vergabungen von Todeswegen auf das Güter-
recht hatten und begründet (S. 104) daraus den Unterschied zwischen
dem späteren französischen Güterrecht, welches sich der gesetzlichen
Form des alten Rechts namentlich in der Ausbildung des Witthuma
oder douaire anschloss, und dem späteren deutsch-fränkischen Rechte,
welches die zuerst auf den ausdrücklichen Vergabungen beruhenden
Erb- und Leibzuchtsrechte des tiberlebenden Ehegatten in gesetzliche
verwandelte und damit sowohl eine Gleichstellung der Verfügungs-
rechte des Mannes über seine eigenen und die Güter der Frau ab
5) Auch Schröder I. 84 findet in dieser tertia collaborationig, die er mit der
Morgengabe in Verbindung bringt, die erste Spur einer Gütergemeinschaft. Es
bedarf aber dieser Punkt doch noch näherer Untersuchung. Bedenken gegen die
Annahme einer Gg. finden sieh im lit. Centralblatt 1064 Sp. 1843 ausgesprochen.
Digitized by Google
— 257
auch eine innigere Vereinigung' des gesammten ehelichen Vermögens
schon während der Ehe herbeiführte.
Der zweite Titel behandelt das mittlere Recht und zwar, wie
schon gesagt, im ersten Abschnitt die Verhältnisse bei Auflösung der
Ehe. Sandhaas hat es nun nicht für zweckmässig erachtet, die ein-
zelnen Rechte und Statuten überhaupt nach den dann eintretenden
Normen zu gruppiren, so dass man gleich ersehen könnte, was die-
selben lüerüber bei beerbter und unbeerbter Ehe bestimmen und wie
sie danach zu einander gehören, sondern er hat es vorgezogen, die
bei beerbter und unbeerbter Ehe eintretenden Verhältnisse getrennt
zu behandeln. Während dadurch — und weil nun auch die Beleg-
stellen aus den einzelnen Rechtsquellen getrennt vorkommen — der
Charakter der letztern sich der leichteren Einsicht entzieht,Tiat diese
Methode doch den Vortheil, jede einzelne Gestaltung des Rechts in
allen ihren Details vor die Augen zu fuhren. Zuerst beschäftigt sich
nun Sandhaas mit dem seltneren aber einfacheren Verhältnisse, dem
Falle der unbeerbten, d. h. kinderlosen Ehe. Hierbei (S. 125)
unterscheidet er drei Formen oder Gruppen. Der tiberlebende
Gatte wird nemlich entweder Alleinerbe des verstorbenen in dessen
gesaramtem Nachlass, was vor Eindringen des römischen Rechts
die Regel in dem ganzen östlichen Franken, in Althessen und Alt-
wtirtemberg , im Elsass und in den schwäbiBch-burgundischen Gegen-
den bildete. Oder der tiberlebende Gatte erhält die Mobilien und den
Immobiliar-Errungenschafts-Antheil des verstorbenen zum Eigenthum,
an den zugebrachten Liegenschaften desselben aber nur Leibzuchts-
rechte. Dies ist das Recht im mittleren Franken, namentlich in Frank-
furt. Oder drittens der conjux superstes erbt nur die Fahrnisa
des verstorbenen und erhält die Leibzucht an dessen Antheil der er-
rungenen so wie an dessen eingebrachten Liegenschaften. Dies
war mit seltenen Ausnahmen im ganzen westlichen Franken der Fall.
Von ganz besonderem Interesse ist hierbei in Beziehung auf das
mittelfränkiache und speziell das Frankfurter Recht die Erörterung
der Frage, ob das Leibzuchtsrecht des überlebenden Ehegatten sich
auf alle inferirten Liegenschaften des verstorbenen erstrecke oder sich
nur auf diejenigen beschränke, welche der Verstorbene durch Erb-
schaft erworben habe, so dass dessen andere in die Ehe eingebrachten
Immobilien dem überlebenden Gatten eigentümlich anfielen. Da in
den Frankfurter Urkunden die hinterfälligen Güter zumeist auch als
altes Erbe bezeichnet werden, so habe ich s. Z. die Ansicht ver-
treten, dass unter den hinterfälligen Gütern nur solche Liegen-
schaften zu verstehen seien, welche durch Familien -Erbgang er-
IV. "
Digitized by Google
- 258 -
worben worden. Es war nach meiner Ansicht gerade nur die Eigen-
schaft eines Gutes als eines alten Familien-Besitzes, welche dessen
Uebergang aus der Familie verhinderte. Wenn aber ein Gatte vor
der Ehe Güter selbst erkauft oder auf sonstige Weise erhalten, nicht
aber von Verwandten ererbt hatte, so fielen diese nach Beinern kinder-
losen Tode an den überlebenden Gatten und nicht an die Ver-
wandten. Dies ist jetzt anders ; der Begriff von altem Erbe existirt
nicht mehr bei uns, sondern ist in dem der Immobiliar-IUaten auf-
gegangen, aber auf die frühere Zeit kann daraus kein Schluss gezo-
gen werden. Andere Juristen, namentlich Wächter (Handbuch des
iu Würtemberg geltenden Privatrechts), haben indessen die entgegen-
gesetzte Meinung verfochten, Sandhaas aber hat sich (S. 148) nach
ausführlicher Erwägung aller einschlagenden Momente ihnen nicht an-
geschlossen, obwohl er zugibt, dass eine vollkommen sichere Entschei-
dung bei der Beschaffenheit der Rechtsquellen kaum thunlich sei
Und ich inuss gestehen, dass, so sehr ich für Frankfurt von der Rich-
tigkeit meiner Ansicht überzeugt bin, es mir doch ebenso möglich
erscheint, dass an andern Orten diese Besckräukung auf ererbtes Gut
nicht -bestanden hat oder schon frühe weggefallen ist. Den Schluss
dieses Unterabschnittes (von S. 208—260) bildet eine eingehende Be-
trachtung über die Beschaffenheit der Leibzucht oder des Beisitzes
des überlebenden Ehegatten, und die Verschiedenheit dieses Rechtes
von dem römisch rechtlichen UsusfructusJ, wie dann derj LeibzUchter
im Falle echter Noth selbst zur Veräußerung berechtigt war (S. 222).
In dem zweiten Unterabschnitt, dem noch übrigen umfassenderen
Theile seines Buchs, behandelt Sandhaas den häufigeren und wich-
tigeren Fall der beerbten Ehe. Wenn nemlich bei dem Ableben
des einen Gatten Descendenz vorhanden ist, soll nach dem fränki
scheu Rechte des Mittelalters entweder Verfangenschaft oder Grund-
theilung oder die b. g. gesetzliche Einkindschaft eintreten.
Obwohl aber Sandhaas in seiner Darstellung diese dreifache Gestal-
tung der Erb Verhältnisse coordinirt, so verkeimt er doch nicht, dass
nur die Verfangenschaft das eigentlich fränkische Recht, räumlich
über alle fränkischen Gebiete — in Städten und auf dem Lande — aus-
gedehnt (S. 257—271) und schon in den ältesten Quellen dieser Pe-
riode enthalten ist. Die beiden andern Formen sind zwar auch schon
vor dem Eindringen des römischen Rechts in einzelnen fränkischen
Gegenden vorhanden (so findet sich im 14. Jahrhundert das Grcmd-
theilrecht im östlichen Franken und in einem Theile von Würtem-
berg, die gesetzliche Einkindschaft aber tritt später im östlichen
Franken an dessen Stelle), aber es sind nur Modifikationen des alten
Digitized by Google
- 259
Recht», hervorgerufen durch da« Bedürfnis», die unläugbaren Härten
und Nachtheile de» ursprünglichen Rechtes zu mildern und dasselbe
mit den theilweise geänderten Verhältnissen der späteren Zeit in Ein-
klang zu bringen.*)
Die Verfangenschaft erscheint nemlich allerdings als ein so eigen-
thümliches und das eheliche Güterverhältniss so wunderlich gestalten-
des Institut, das» man weder die mancherlei Ausgleichungs- Versuche
auffallend finden noch es den späteren Romanisten verargen kann,
wenn sie es als einen unnatürlichen und dem wahren Rechte wider-
strebenden Gebrauch bezeichnen.
Das deutsche Vcrf angenschaftsrecht 7), bestand nun im
Wesentlichen darin, das» bei dem Absterben des einen Gatten —
wenn die gesammte Hand zerbrochen war — die sämmt-
lichen ehelichen Immobilien, gleichviel woher sie stammten, den
Kindern anfielen, d. h. es wurde denselben das Eigenthum aller dieser
Liegenschaften fUr den Fall des Todes des überlebenden Ehegatten
in der Art gesichert, da»s dieser zur Veräusseruug derselben, Notli-
fälle ausgenommen8), ohne Einwilligung der Kinder nicht schreiten
konnte. Diese Liegenschaften hiesaen dann verfangene, zu einer
Hand erstorbene, einhändige Güter. Der überlebende Ehegatte
erhielt dagegen neben dem freien Eigenthum an sämmtlichen ehe-
lichen Mobilien die lebenslängliche Leibzucht an den Immobilien und
brauchte selbst bei zweiter Ehe mit den Kindern nicht abzutheilen.
Heirathete er aber, so verlor er das Recht, in Nothfällen diese ver-
fangenen Güter anzugreifen, und wurden in dieser zweiten Ehe
Kinder erzeugt, so hatten diese an die Verfangenschaft der ersten
Ehe gar keinen Auspruch, umgekehrt aber hatten die Kinder erster
Ehe auch durchaus keinen Antheil an den Liegenschaften der zweiten
Ehe, vielmehr fielen diese ebenso wieder ausschliesslich als ver-
fangenes Gut an die Kinder zweiter Ehe. Dazu gehörte also nament-
lich auch der Immobiliarerwerb, den der parens superstes in seinem
Wittwenstande gemacht hatte und über den er auch während des
Wittwenstandes frei verfügen konnte. Starb daher der conjux binubus
c) Ich habe daher in meinen früheren Arbeiten, indem ich von den Modifica-
tionen des alten Rechtes sprach, eine besondere Darstellung des Gruodtheilrochts
nicht gegeben und verdanke nun dem Werke von Sandhaas die Einsicht, das*
dies Recht von grösserer Bedeutung war als ich annahm.
') So heisst es Sandhaas, um die Einwirkung französischer oder flandrisch-
hol I »indischer Kcchtssitte auszuschliessen, S. 261.
*) Hier war aber ein besonderes Verfahren vorgeschrieben, S. 330.
17*
Digitized by Google
- 260 -
in zweiter Ehe zuerst, so nahm der zweite Gatte alle Mobilien an
sich, die Kinder erster Ehe erhielten die verfangenen Liegenschaften
erster Ehe ausgehändigt und den Kindern zweiter Ehe wurden die
Liegenschaften zweiter Ehe vorbehaltlich der Leibzucht ihres parens
verfangen. Waren also in einer Ehe zufälliger Weise keine Liegen-
schaften vorhanden, so erhielten die Kinder bei einer solchen Ver-
theilung schlechthin nichts. Starb aber der conjux binubus nach
seinem zweiten Gatten, so wurden die Mobilien und was etwa in dem
zweiten WTittw erstände an Immobilien erworben war, zwischen den Kin-
dern beider Ehen getheilt.
Das sind naturlich nur die Grundzüge des Verfangenschaftsrechts
wie es sich in seiner regelmässigen Gestalt zeigt, denn in einzelnen
Rechten kommen auch Abweichungen vor. Das Detail aber wird von
Sandhaas ausführlich erörtert und es lässt sich daraus ersehen, zu
welchen Zweifeln und Verwicklungen dieses Recht häufig genug An-
lass gab. Beispielsweise mögen hier die Fragen angeführt werden,
ob die Eltern diese Ansprüche oder Wartrechte der Kinder beschränken
oder aufheben könnten (S. 275), ob Güter, an denen der eine Gatte
nur Wartrechte hatte, bei Auflösung der Ehe auch den Kindern ver-
fangen wurden und dem Leibzuchtsrechte unterlagen (S. 315), ob
Liegenschaften, die dem Gatten in der ersten Ehe als verfangenes
Gut anfielen, in der zweiten Ehe aber erst wirklich in seinen Besitz
kamen, nun den Kindern erster oder zweiter Ehe gehörten (S. 415),
ob, wenn ein wartberechtigtes Kind starb, sein Wartrecht nur auf
seine Geschwister oder auch auf den überlebenden parens überging
(S. 303), ob die Kinder über ihr Wartrecht verfügen, beziehungs-
weise die Güter bei Lebzeiten des Leibzttchters und unbeschadet
der Leibzucht veräussern durften oder nicht (S. 346) u. s. w. WTie
schwierig die Entscheidung solcher Fragen sein musste, ergibt sich
aus der Untersuchung, welche sich bei Sandhaas S. 443 — 457 über
das Prinzip des Instituts der Verfangenschaft findet. Es handelt sich
darum, welches Recht dem überlebenden Gatten, welches den Kindern
an den verfangenen Gütern zustand, d. h. ob die Kinder sofort Eigen-
thümer dieser Güter wurden oder nur gesicherte Successionsrechte
erhielten, ob also der überlebende parens nur Niessbrauch daran
hatte oder das Eigenthum. Nur wenige Rechtsquellen sprechen
sich hierüber bestimmt aus, die Gelehrten aber wollen entweder
zwischen den Gütern des verstorbenen und jenen des überlebenden
Gatten unterscheiden und wenigstens das Eigenthum der letzteren
dem superstes zuschreiben, oder sie erklären die Kinder für Eigen-
thümer aller verfangenen Güter oder sie sind grade der umgekehrten
Digitized by Google
- 261 -
Ansicht und meinen, dass dem überlebenden Gatten das Eigenthum
an denselben ohne Ausnahme zustehe. Während die meisten und
darunter alle älteren Germanisten der zweiten Ansicht folgen, hat
sich Sandhaas nach dem Vorgänge von Stockmanns für die erste
entschieden, aber seine Gründe haben mich nicht überzeugt. Grade
das Princip der gesammten Hand — die Verschmelzung aller Güter zu
einer Masse — scheint mir nicht vereinbarlich mit einer solchen
nachträglichen Sonderung.
Wie man sich nun auch den Ursprung des Verfangenschaftsrechts
vorstellen mag — Sandhaas S. 458 hält es für den gewohnheitsrecht-
lichen Niederschlag des Inhalts der Eheverträge — , es musste häufig
die Verhältnisse der Bctheiligten sehr ungünstig gestalten, indem bald
der überlebende Gatte durch das Festlegen der Liegenschaften bc-
nachtheiligt, bald in Ermanglung von Immobilien däs Erbrecht der
Kinder gefährdet wurde. Es machte sich daher schon frühe und vor
dem Eindringen des römischen Rechts das Bestreben geltend, durch
mancherlei Bestimmungen ein Correctiv für diese Missstände zu schaffen.
So wurden in manchen Rechten im Interesse der Kinder gewisse
Mobilien für immobil erklärt (S. 391), die Ansprüche der erstehelichen
Kinder auf die Immobilien der ersten Ehe im Interesse der zweit-
ehelichen Kinder beschränkt (S. 409), die Verfangenschaft im Interesse
des überlebenden Gatten für einzelne Arten von Liegenschaften be-
seitigt u. s. w. Offenbar demselben Bestreben verdankt auch — wie
schon bemerkt — das Grundtheilrecht seine Entstehung (S.595).
Dasselbe tritt nemlich in der Regel erst bei der zweiten Ehe
des Uberlebenden Gatten ein: bis dahin bestand Verfangenschafts-
recht, d. h. die sämmtlichen Immobilien waren den Kindern verfangen
und superstes hatte daran die Leibzucht, sowie das Eigenthum der
Mobilien, zu deren Veräusseruug er nur nach einzelnen Statuten nicht
befugt war. So wie aber superstes wieder heirathet, muss er das ge-
sammte eheliche Vermögen und was im Wittwcnstande dazugekommen,
mit den Kindern theilen, was nach den einzelnen Rechten bald nach
Köpfen, bald nach bestimmten Quoten geschieht, und was nun die
Kinder bei dieser Theilung erhalten, gilt nicht blos als ihr Antheil
an dem Nachlasse des verstorbenen parens, sondern auch als Abfin-
dung von der Erbschaft ihres überlebenden parens, sowohl zu Gunsten
der Stiefgeschwister und des Stiefparens, als auch insofern, dass der
parens binubus darüber frei verfügen kann (S. 544), wenn etwa die
zweite Ehe kinderlos bleiben und er auch den zweiten Gatten über-
leben würde. Grade dieser völligen Auseinandersetzung wegen wird
hier von einer Grundtheilung gesprochen.
Digitized by Google
- 262 -
Auch von diesem Institute gibt nun Sandhaas von S. 463 — 595
eine detaillirte Darstellung unter Hervorhebung der mannigfachen Ver-
schiedenheiten, welche sich in den einzelnen Statuten finden. So er-
halten bald der superstes, bald die Kinder einen Mobiliar- Voraus, nach
manchen Statuten wird auch das selbständige Vermögen der Kinder
mit in die Gmndthcilung hineingezogen (S. 483, 521), in der Regel
haben nur die Kinder das Recht auf die Theilung bei zweiter Ehe
des parens zu dringen, während andere Statuten es auch dem letzteren
gestatten, überhaupt oder bei zweiter Ehe die Theilung vorzunehmen
(S. 503); endlich wenn die Gmndtheilung unterlassen worden war,
lassen bei dem Tode des conjux binubus einzelne Statuten eonse-
quenter Weise die Auseinandersetzung nach den Grundsätzen de» Ver-
la ngenschaftsrechts geschehen, andere haben für diesen Fall besondere
Bestimmungen getroffen, wie namentlich das Würzburger Recht, an-
dere lassen das gesetzliche Einkindschaftsrecht eintreten.
Auch dieses Recht ist nur eine Modification des Verfangenschafta-
rechts und wird daher z. B. von Wächter auch nur mit diesem Namen
bezeichnet. Ebenso wie schon frühe die nachtheiligen Folgen des
Verfangenschaftsrechtes durch die s. g. Einkiudschaftsverträge be-
seitigt wurden, so wurden solche auch an manchen Orten üblich, an
denen das Grundtheilrecht galt, weil dasselbe — namentlich wo sich
der überlebende Gatte mit einem blossen Kopftheile begnügen niusste
— nicht minder drückend war, und so wurde zuletzt in diesen Gregen-
den das gesetzliche Einkindschaftsrecht eingeführt. Hiernach
braucht superstes bei zweiter Ehe keine Gmndtheilung vorzunelunen,
sondern er hat den erstehelichen Kindern einen s. g. Voraus zu be-
stellen, welchem unter Umständen ein Vorbehalt für den zweiten
Gatten oder dessen Kinder entspricht, und wenn er stirbt, gebühren
dann den Kindern aus beiden Ehen gleiche Erbrechte an dem ge-
sammten erst- und zweitehelichen Vermögen. Kommt es aber nicht
zu einer zweiten Ehe, so bleibt es in der Regel ganz bei den Be-
stimmungen de« Verfangeuschaftsrechts. Auch hier gibt n in Sand-
haas S. 596—701 eine genaue Darstellung und hat wiederum eine
Menge Verschiedenheiten nach den einzelnen Statuten aufzufuhren.
So ist z. B. an manchen Orten nur dem überlebenden Manne dies
Einkindschaftsrecht zugestanden, während die Frau zur Gruudtheilung
vcrpflichlot ist
Den Schluss des Werkes bilden einige Beilagen, welche die un-
gemeine Sorgfalt beurkunden, mit welcher Sandhaas sich der Quellen-
Analyse hingab : eine Darstellung der Verhältnisse bei Auflösung der
Ehe nach den oberhessischen Stadt- und Amtsbräuchen, und die
Digitized by Google
- 263
Uebersicht der ehelichen Erb- und Leibzuchtsrechte in Ober- und
Niederlothringen.
Sandhaas hat in seinem eben besprochenen Werke das 8. g.
kleine Kaiserrecht unter die Quellen des mittleren fränkischen
Rechts nicht aufgenommen, jedoch hat er sich melirfach (S. 145. 204.
271. 700) auf dasselbe bezogen und namentlich angegeben, dass es
in seiner ursprünglichen Fassung reines deutsches Verfangenschafts-
recht statuire, womit er denn auch den fränkischen Ursprung dieses
Rechtsbuchs anerkennt. Gleichzeitig hat Julius von Gosen in
seiner Inauguralabhandlung „das Privatrecht nach dem kleinen Kaiser-
rechte" (Heidelb. 1866) nicht nur über das Alter und die Heimath
dieser Rechtsaufzeichnung gehandelt, sondern auch das darin ent-
haltene eheliche Güterrecht als fränkisches Recht genau erörtert9).
In erster Beziehung spricht er sich dahin aus, dass das Kaiserrecht
spätestens in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in dem fränki-
schen Hessen entstanden und in dem fränkischen Theile von Mittel-
deutschland noch bis zum Ausgange des Mittelalters benutzt worden
sei. Man wird ihm hierin unbedingt zustimmen können, obwohl mir
für seine Angabe, dass es auch in Frankfurt im Gebrauch gewesen
sei, noch keinerlei Beweis aufgestosseu ist und ich überhaupt be-
zweifele, dass es eine grosse practische Anwendung gefunden habe.
Schon der Umstand, dass es in den ersten Zeiten der Druckerei nie-
mals gedruckt wurde, während doch andere Rechtsbücher häufig im
Drucke erschienen, lässt schliessen, dass es schon frühe in Vergessen-
heit gerathen oder nur in einem sehr beschränkten Kreise gebraucht
worden ist Aber auch der Character des Rechtsbuchs führt auf
dasselbe Ergebniss. Denn dasselbe, welches in auffallender Weise
den Kaiser hervorhebt und den ganzen Rechtszustand auf ihn zurück-
führt (eine Auffassung, die in solchem Umfang niemals practisch
war), erscheint nicht sowohl als eine Zusammenstellung geltender
Rechtssätze durch einen gerichtskundigen Mann, als vielmehr wie der
Versuch eines theoretischen Lehrbuchs, in dem der Verfasser sich be-
») Endemann, der durch seine Ausgabe de« Kayserrechts (nach der Hand-
schrift von 1372 in Vergleichung mit andern Handschriften nnd mit Anmerkungen,
Cassel 1846) dieses Rechtsbuch zuerst eigentlich benutzbar gemacht, hat auch
nicht einmal die leiseste Andeutung, dass hier ein Recht mit Verfangenschaft
vorliege.
Digitized by Google
- 264 -
müht, eine Uebersicht des Rechtewesens aufzustellen. Und obwohl
er hierbei von einem rein weltlichen Principe ausgeht, so möchte er
doch wohl ein Geistlicher gewesen sein. Darauf deutet wenigstens
die Art seiner Citate hin; nirgends beruft er sich auf einzelne be-
stimmte Gesetze oder Gebräuche, sondern die feierliche Formel „denn
es steht geschrieben" nmss immer aushelfen. Was dann die Dar-
stellung des ehelichen Güterrechts im Kaiserrechte betrifft, so unter-
scheidet Gosen S. 108 zwei Systeme desselben; nach dem einen
bleiben die Ehegatten trotz der äusserlichen Vereinigung des Ver-
mögens die Eigenthümcr ihrer eingebrachten Güter, nach dem zweiten
erscheint das beiderseitige Vermögen als eine einzige Masse, an
welcher, als Einheit gedacht, jedem der beiden Ehegatten Eigenthum
zustehet, was jedoch S. 132 nur als Miteigenthum zu ideellen Theilcn
aufzufassen ist. Das erstere ist der Fall, wenn ein Wittumsvertrag
errichtet wurde, durch den der Frau für den Todfall des Mannes
eine lebenslängliche Versorgung — und zwar nur an liegendem
Gut — bestellt wird10), im andern Falle, wenn kein Wittum be-
stellt worden, tritt das Recht der gesammten Hand mit Verfangen-
schaft ein. In dieser Annahme stimmt also Gosen mit Sandhaas
Überein und obwohl in dem Kaiserrecht der Ausdruck „Verfangen-
schaft" nicht vorkommt, so ist doch die Sache seihst vorhanden 11 ).
Ja, Sandhaas S. 700 hat bei der grossen Schärfe, mit der er die
Quellen prüft, in dem Kaiserrechte je nach den verschiedenen Texten
sogar eine doppelte Auffassung der Verfangenschaft gefunden; wäh-
rend nach der ursprünglichen Textirung in II. 97. 102 die sämmt-
lichen Liegenschaften den Kindern verfangen waren, haben einzelne
jüngere Handschriften durch Einschaltung weniger Worte den Sinn
geändert und eine Beschränkung der Verfangeuschaft bewirkt Doch
möchte ich nicht, wie Sandhaas, hierdurch die Vcrfangenschaft auf die
errungenen Güter beschränkt sehen; mir scheinen diese Einschal-
tungen nur den Zweck zu haben, die eigenen Immobilien des tiber-
lebenden parens von dem Bande der Verfangenschaft zu befreien.
Gosen ist auf die Bedeutung dieser Einschaltungen nicht aufmerksam
geworden, obwohl er die Frage, ob das Rechtsbuch die verfangenen
,0) Man wird hierbei an den Gegensatz erinnert, welcher nach den späteren
Stadtrechten, z. B. der Nürnberger Reformation, (vergl. Zeitschrift fttr deutsches
Recht X. 19) zwischen den Eben mit Gcding und den ungedingten oder versam-
meten Ehen obwaltet.
«•) K. Maurer in der Anzeige dieses Bucha in der krit Vierteljahrssehrift
IX. 101. 107, will nich,t unbedingt zustimmen.
Digitized by Google
- 265 -
Güter als Eigenthum der Kinder oder des überlebenden Ehegatten
ansehe, nicht unerörtert gelassen hat12). Wenn aber Gosen meine
Auffassung, dass man in der früheren Zeit den Kindern an den ver-
fangenen Gütern nur das Recht des verstorbenen parens eingeräumt,
später aber Eigenthum daran zugestanden habe, auch für Frankfurt
bestreitet, und den überlebenden Ehegatten als Eigenthümer betrachtet,
so übersieht er, dass die Reformation von 1509 meine Ansicht be-
stätigt, und dass nach deutschem Rechte auch der blose Leibzüchter
zu einer Veräusseruug bei rechter Noth berechtigt war.
IV.
Die von mir 1841 gegebene Darstellung des älteren Frankfurter
Rechts ist durch die neueren Arbeiten von Schwarz, Roth und
Sandhaas als richtig bestätigt worden und nur über einzelne
Nebenpunkte wurden abweichende Ansichten ausgesprochen. So hat
z. B. Sandhaas S. 365 meine Annahme, dass der Uberlebende
Gatte als Leibzüchter an den binterfalligen Gütern Sicherheit dafür
auf Verlangen habe leisten müssen ( S. 53) , bestritten und wie ich
zugebe, mit gutem Grunde. Wie aber diese Güterordnung der ge-
sammten Hund, welche ich S. 80 als eine Rechtsgemeinschaft zwi-
schen den beiden Gatten als verschiedenen Rechtssubjecten aber Theil-
nehmern zu ideellen Theilen an dem einen Rechtsobject der ver-
einigten Gütermas8e bezeichnet habe, und ob sie in dieser Weise auf-
zufassen sei, haben Schwarz und Roth nicht näher erörtert Letzterer
erachtet S. 355 die Bestrebungen, das Rechtsverhältniss zu formuliren,
— es als societas, juristische Person, communio juris oder Gesammt-
Eigenthum aufzufassen, für bedeutungslos, wie in ähnlicher Weise
»Stern an n (das Güterrecht der Ehegatten im Gebiete des Jüt'schen
Low, Kopenhagen 1857, S. 5 bis 7) alle diese Versuche einer festen
Begriffsbestimmung verwirft, um schliesslich die Gatten als Rechts-
subjecte der gemeinschaftlichen Vermögensmasse, aber ohne ideelle
und ohne reelle Antheile, zu erklären — wobei man dann freilich mit
Friedlieb (in s. Anzeige in den Jahrbüchern für Landeskunde der
Herzogth. Schleswig - Holstein und Lauenburg, Bd. 2, 1859, S. 311)
fragen muss, wie dies überhaupt möglich sei. Schwarz aber, der
>*) Seiner Ansicht, dass sich Ober diese Frage überhaupt kein allgemeines
Princip aufstellen lasse, vielmehr die Auffassung nach Orten und Gegenden ver-
schieden gewesen sei, stimmt auch Roth in der krit Viertel}. X. 180 bei.
Digitized by Google
t
- 266 -
•
in §. 33 die rechtliche Natur der fränkischen allgemeinen Gg. be-
handelt und die verschiedenen oben erwähnten Auffassungen zurück-
weist, weil sie ohne Rüchsicht auf das frühere Recht der gesammten
Hand aufgestellt worden seien, beschränkt si<$h darauf S. 106 diesem
Recht den Begriff des römischen Miteigentums für ganz fremd zu
erklären und S. 15 das Wesen der gesammten Hand nach ihren ein-
zelnen Wirkungen zu zeigen. Es ist daher doppelt zu bedauern,
dass Sandhaa« in seinem Buche nicht soweit gekommen ist, sich dar-
über zu äussern.
Dass die Güterordnung der gesammten Hand mit Ver-
fang e lisch aft in Frankfurt bis zum Jahre 1509 bestanden habe
und erst durch die Reformation von diesem Jahre beseitigt worden
sei, ist eine anerkannte Thatsache. Jedoch lässt sich nicht bezwei-
feln, dass schon vorhor, wie dies z. B. auch bei den letztwilligen
Verordnungen der Fall war, manche römisch-rechtliche Anschauungen
sich geltend machten, und dass es an Bedenken über die Statthaftig-
keit einzelner dem römischen Rechte direct zuwiderlaufender Gewohn-
heiten nicht gefehlt hat, zeigen die Rathsprotokolle aus jener Zeit
Schon 1498 wird beschlossen, den Schöffen zu sagen, nachdem man-
cherlei Gebrechen an Rechten lange Zeit geschwebt und wider das
Recht gebraucht wird, dass Bie mit Rath der Gelehrten eine Refor-
mation und Ordnung den Rechten gemäss für Hand nehmen sollten **).
Denn unter diesen Rechten wird eben nur das römische Recht ver-
standen, dessen Anerkennung als gemeines geltendes Recht bereits
durchgedrungen war. **) Selbst die bekanntesten Sätze des alten Ehe-
Güterrechts mussten nochmals besonders als alte Gewohnheit bezeugt
werden, und auch dies schützte sie nicht immer vor dem Schicksal,
als wider das Recht laufend von den gelehrten Verfassern der Refor-
mation beseitigt zu werden. Zum Beweis dient nachstehender Ein-
trag *») in dem sogenannten Bürgermeisterbuche des Jahres 1506
und flg., Folio 84:
Feria secunda post Vincent
Item uff montag Sant Paulus tag conversionis anno XVe.
septimo *•) sint Schöffen und Rathspersonen jnn der Ge-
«3) Vgl. Lersner Frankf. Chr. Thl. II. S. 148. Thomas Oberhof S. 97.
") Vgl. C. A. Schmidt die Receptioo des röm. Rechts in Deutschland.
Rostock 1868. S. 217.
'») Herr Archivar Dr. Kriegk hatte die Freundlichkeit, mich auf denselben
aufmerksam zu machen.
**) Also 25. Januar 1507, was auch der zweite Wochentag nach St Vincent ist
■
Digitized by Google
- 267
meyn ,T) vß Hinderlichem Befelh de» Rats samentlich verbotten ge-
west vnd vnder anderm vmbfrage bescheen vnd sunderlich uff diese
zwen nachgeschrieben artikcl die eynem iglichen Ratsfreunt mit-
sampt anderen drien Artikeln guter Zyt da vor heym gegeben sin
sich dar vff haben zu bedenken vnd was ir eyner vss crfarung ni^
wissen soliches by den alten verstendigen vßerhalb Rats wes inen
davon wissen sin erlernen. Item der erat artikel ob eyn offenbarlich
kondich vnd notoria gewonheit si das das lest vnder zweyen eluten
lebende, zwischen welchen keyn verschreibung ufgericht oder Testa-
ment gemacht ist, one vnderscheit alle fareud hab jne Erbschaftsweise
erobert auch jm fal so keyn ligend güter sunder alleyn farende hab
vnd jnn abstigender Linien Kinder furhanden sind.
Der ander ob auch eyn offenbarlich gewonheit ay das das lest-
lebende one alle vnderscheit by den ligenden gutcren Eynen bysess,
hab mitsampt aller nutzung vnd niessung sin leptage lang, on an-
gesehen die erben jnn abstigender Linien.
Daruff ist eynhelliglich durch den mererteil des Rats beschlossen,
diese zwen Artikel wo nit sunderlich verschribung oder testament uff-
gericht sin das die bcmelten Artikel irs Inhalts jun dieser Stat Franck-
furt also von alter vnd lenger dann menschen gedenken geübt und
hergebracht sien, haben falle etwan fiel gesehen jnn beredung der
Ehe die bemelten Artikel für eyn gewonheit von den alten hören
furwenden die sie auch etwan dick selbst vff den Hochzyten zu
machen furgewent haben und also jnn gemeyner Vbung vnd gebruch
allenthalben jnn dieser Stat gewest das bis itzt nyemant dar widder
gehandelt hat
Es lässt sich nemlich nur annehmen, dass diese genaue Erkundi-
gung nach dem Recht des überlebenden Gatten auf die sämratliche
Fahrnis* und den lebenslänglichen Beisitz an den Liegenschaften,
selbst wenn Kinder vorhanden, den Zweck hatte, diese alte Gewohn-
heit zu retten. Aber in Betreff der Fahrnis» gelang dies doch nicht.
Die Absicht der Reformation von 1509 ging nicht dahin, das bis-
herige Recht, — die alten Gewohnheiten und Uebungen, welche bis
dahin nicht „beschrieben" waren und daher zu „viel Irrthum und Zwi-
speltigkeit" Veranlassung gaben, — aufzuzeichnen, sondern es sollte der
Rechtszustand dem gemeinen Rechte oder dem gemeinen kaiserlichen
Rechte gemäss geordnet und die alten Gebräuche „der doch eins
teyls jetzundt on vnderscheidt für ontUglich angesehen werden" sollten
") D. h ohne die 3te Bank
Digitized by Google
>
- 268 -
beseitigt, oder doch nur noch in so weit bestätigt werden, als sie sich
mit dem kaiserlichen Rechte vereinbarlich zeigten. In der Lehre vom
ehelichen Güterrechte rührte dies zu einem gänzlichen Umstoss des
alten Systems der gesammten Hand, an dessen Stelle zwar nicht un-
bedingt das römische Dotalreeht, aber doch eine damit verbundene
Neubildung gesetzt wurde. Dies geschah indessen nicht durch eine
systematische Aufstellung des neuen Rechtes, sondern es wurden die
einzelneu alten Bräuche, die den Rechten ungemäss befunden waren,
abgeschafft und was an deren Stelle treten sollte, wurde jeweilig bei-
gefügt. So wurde im Titel de testamentis der bisherige Brauch, dass
die Eltern einander in ihrem Testament sich geerbt und ihre Kbder
darin mit nichts bedacht haben, aufgehoben und bestimmt, dass die
Eltern „uach vermöge der Recht" ihre Kinder zu Erben machen
oder enterben müssten. Im Titel de bonis cedendis uno ex conjugi-
bus praemoriente wurde der bisherige Irrthum, dass auch die liegen-
den Güter des Lctztlebenden den Kindern einhändig geworden, ab-
gethan und dagegen dem Letztlebenden die Macht gegeben, über
diese Güter zu disponiren nach seinem Willen und vermöge der
Recht. Im Titel de successione conjugum in bonis simul apportatis
wurde nach einer Bestimmung, welche Güter fortan in Frankfurt fur
unbeweglich und für beweglich zu erachten seien, dem überlebenden
Gatten bei beerbter Ehe die Hälfte der Fahrniss des Verstorbenen,
bei kinderloser Ehe die ganze Fahrniss sammt dem Beisitz an dem
auf die Kinder oder Erben gefallenen übrigen Einbringen des Ver-
storbenen zugewiesen. Der folgende Titel de bonis constaute matri-
monio quaesitis erklärt das in dor Ehe erworbene Gut für beiden
Eheleuten gemein und soll dasselbe bei Auflösung der Ehe halb auf
die Kinder, halb auf den letztlebenden Gatten, bei kinderloser Ehe
aber ganz auf den letzteren fallen, wenn der zuerst sterbende nicht
anders verfügt hat. Im nächsten Titel de debitis ante matrimonium
vel eo eonstante contractis per superstitem solvendis wird das ehe-
liche Schuldenwesen geordnet. Wenn der letztlebcnde Gatte den
Ususfruct an den hegenden Gütern und die ganze Fahrniss erhält,
musste er auch alle vor und in der Ehe gemachten Schulden bezah-
len, will er sich aber dieser Vortheile entschlagen, so hat er nur die-
jenigen Schulden zu zahlen, die ihn selbst betreffen. Hatten die Ehe-
gatten vermischte Güter, so muss in diesem Falle der letztlebende
bei Gericht um Absonderung seiner Güter bitten, doch gilt dies nur
von den Eheleuten, die nicht Handel oder Kaufmannschaft trieben,
denn sonsten soll auch die Frau in ihren zugebrachten Gütern und
ihrer Zugift (dos oder parafernalia) keinen „vßzug" haben, da hier
Digitized by Google
- 269 -
beide Gatten in solidum haften. Weiter wird im Titel de litteria do-
talibus bestimmt, dass inskünftig die Brutlaufbriefe sich nur ad dotem
et donacionem propter nuptias das ist zu beiden Zugiften erstreit -
ken sollen: wird darin auch über andere Güter ein Gcding gesche-
hen, so wird dies erst durch den Tod — wenn es also nicht bei Leb-
zeiten widerrufen worden — bekräftigt. Endlich hebt der Titel de
liberis ex diversis matrimoniis proereatis den bisherigen Brauch auf,
dass die ersten Kinder alle liegenden Güter an sich genommen haben
und fuhrt die Erbfolge nach Ordnung gemeiner Rechten ein.
Mit diesen einzelnen Anordnungen war also die bisherige ge-
dämmte Hand und die Verfangenschaft, obwohl diese Benennungen
gar nicht vorkommen, vollständig beseitigt. Wie in vielen späteren
Rechten des mittleren und westlichen Frankens ist auch hier das ge-
meine Gut auf die eheliche Errungenschaft beschränkt worden, wäh-
rend dem die von den Gatten eingebrachten Güter deren Sondereigen-
thnm bleiben. Dass aber damit für die Güter der Frau das römische
Dotalrecht eingeführt worden, lässt sich nicht behaupten. Zwar kann
ich der Meinung von C. Malss (zum Güterrecht der Ehegatten in
Frankf. 1863 S. 5) nicht beistimmen, dass die Verfasser der Refor-
mation, weil sie die Dos und ihre Privilegien nur so beiläufig er-
wähnen, nicht die vollkommen bewusste Absicht gehabt hätten, das
römische Dotalrecht einzuführen, sondern nur die römische Terminologie
gelegentlich und unwillkührlich angewendet hätten. Denn die Doctores
juris, denen die Abfassung der Reformation aufgetragen war, gingen
ersichtlich von der Ansicht aus, dass das gemeine kaiserliche Recht
— das römische — selbstverständlich das geltende sei und sie sahen
es so sehr als die Grundlage ihrer Arbeit an, dass ihnen der Bezug
darauf im Allgemeinen genügte und eine Aufnahme der einzelnen
Detailbestimmungen ganz unuöthig schien. Aber die Praxis folgte
nicht der Theorie : die alte Auffassung, dass in der Ehe alle Güter
zu dem gemeinschaftlichen Gebrauche der Ehegatten bestimmt seien,
Hess sich durch den römisch rechtlichen Unterschied der Dotal- und
Paraphernal-Güter der Frau nicht beirren nnd so kann man mit
Malss 8. 9 allerdings sagen , dass durch die Reformation nur ein
nach deutschen Anschauungen abgeartetes Paraphernal.- System her-
gestellt worden sei. Es war dies auch nicht eine Eigenthüinlichkeit
des Frankfurter Rechts, sondern wie namentlich Fr. Rath mann
(einige Worte über eheliches Güterrecht nach heutigem gemeinen
Rechte in Deutschland, Chemnitz 1859) nachgewiesen hat, ist über-
haupt in Deutschland das reine römische Dotalsystem nicht Rechtens
geworden. Während das römische Recht mir zwei Klassen des
Digitized by Google
— 270 -
Frauenguts kennt, dos welche gesetzlich in das Eigenthum des Mannes
übergeht, und parapherna, woran gesetzlieh gar keine Rechte an den
Mann übergehen, woran aber die Frau dem Manne mancherlei Be-
fugnisse der Verwaltung und Benützung einräumen kann, wurde in
Deutschland eine Dreitheilung des Frauenguts üblich; nur die
s. g. bona receptia, Spill- oder Einhandsgüter, welche die Frau sich
speziell vorbehielt, kamen nicht unter die Hand des Mannes, alle ihre
anderen Güter, gleichviel ob bona dotalia oder paraphernalia, kamen
aber darunter und der Unterschied zwischen diesen beiden verschwand
oft gänzlich. Grade dieses Verhältniss ist es, was die Reformation
Fol. 25 mit dem Ausdruck „vermischte Güter" bezeichnet, d. h. e*
war dann das sämmtliche Gut der beiden Ehegatten mit alleiniger
Ausnahme der Spillgüter in der Hand des Mannes so vereinigt und
vermischt, dass es nach Aussen Dritten gegenüber als eine Masse
Wie schon bemerkt, unterscheidet die Reformation von 1509 nur
zweierlei Gut der Eheleute, die von ihnen in die Ehe eingebrachten
oder darin ererbten Güter, welche Eigenthum des einzelnen Gatten
bleiben (abgesehen von den Rechten des Ehemannes an den Illaten
der Frau) und die den Ehegatten gemeinschaftliche Errungenschaft.
Die Reformation weicht darin von manchen andern fränkischen Rech-
ten ab, welche auch die eingebrachte Fahrniss als ein Gemeingut be-
trachten und somit eine s. g. Particular-Gg. statuiren. Während nun
aber die meisten Rechte, welche gleich der Reformation nur eine
Errungenschafts-Gemeinschaft kennen, auch bei Auflösung der Ehe
und bei der ehelichen Erbfolge nur zwischen den inferirten und den
errungenen Gütern unterscheiden, ohne deren Qualität als liegend oder
fahrend zu beachten, (vgl. meinen Aufsatz Über die Fortbildung
und Gestaltung des tränk, ehel. Güterrechts, in der Zeitschrift fur
deutsches Recht X. 46 und H. C. Kurz das churf. Mainz'sche Land-
recht, Aschaffenb. 1866) hat die Reformation die Erbfolge in die ein-
gebrachten Güter verschieden angeordnet, je nachdem diese in Liegen-
schaften oder in Fahrniss bestehen, und sie lässt diese verschiedene
Vererbung nicht nur wie einige Rechte (Zeitschrift X. 55) bei kinder-
loser Ehe eintreten, sondern auch bei beerbter Ehe. Die Reformation
steht in dioser Auffassung eigentlich allein, wie ich in der Zeitschrift
X. 67 bereits hervorgehoben habe, denn selbst das diese Auffassung
theilende churpfalzischo Landrecht ist dem Frankf. Rechte nur nach-
gebildet, und sie nähert sich damit, indem sie die inferirte Fahrniss
bei Auflösung der Ehe in gleicher Weise wie die Errungenschaft be-
handelt, so sehr den Rechten der Particulargütergemeinschaft, dass
Digitized by Google
- 271 -
ihr auch schon durante matrimonio eine solche zu unterstellen ver-
sucht wurde, wie andererseits in Rechten mit Particular - Gg. auch
nur eine Errungenschafta-Gg. gefunden werden wollte.
Ich kann nicht umhin hier des schönen und lehrreichen Aufsatzes
von E. Hoff mann über die Schuldenzahlung bei der particulären
ehelichen Gg. (in dem Archiv für practische Rechtswissenschaft Bd. 2,
Marburg 1854, S. 191 flg.) zu erwähnen. Der Verfasser behandelt
hier grade die späteren fränkischen Rechte und unterscheidet drei
Classen derselben, je nachdem sie entweder alle Mobilien unöV die
errungenen Immobilien oder nur die Errungenschaft gemein werden
lassen oder aber neben der Errungenschaft auch eine besondere Ver-
erbung der eingebrachten fahrende Habe des zuerst sterbenden Ehe-
gatten statuiren. Zu dieser letzteren Classe rechnet er das Frank-
furter Recht, aber auch das Solmser Landrecht und tadelt mich S. 247,
weil ich es zur ersten Classe gezählt habe, ohne dass mich jedoch
seine Gründe überzeugt hätten «).
Die erneuerten Frankfurter Reformationen von 1578 und 1611
haben den Character des 1509 geschaffenen Rechts im Wesentlichen
nicht geändert, sondern geben nur ausführlichere Bestimmungen und
grösseres Detail, aber es lässt sich nicht sagen, dass sie dadurch ein
einheitlicheres Ganze geschaffen oder die mancherlei aus'der Vermischung
des] nationalen und des fremden Rechts entstandenen Misständc be-
seitigt hätten. Auch die einzelnen später erfolgten Verordnungen
haben hier nicht viel geholfen.
Die erneuerte Reformation handelt im dritten Theil von „Ehe-
beredungen, Heuratsbrieffen, Eheleuten, Einkindschaften und was
denen anhängt". Aua den 10 Titeln dieses Theils ist Folgendes
hervorzuheben.
**) Die Solmser Landordnung enthält keine Bestimmung Uber das während
der Ehe geltende Güterrecht, sondern handelt Theil II, Titel 28 nur von Erbschaft
Manns und Weibs gegen einander. Hier aber wird in §. 5 und 6 die eingebrachte
und errungene Fahrniss nicht getrennt und es ist daher von manchen Gelehrten
für das Solmser Recht eine Gemeinschaft der Mobilien und der Immob - Errungen-
schaft Angenommen worden. Ich habe mich dieser Ansicht Roge schlössen, weil
ich im Zweifel denjenigen Güterstand statuire, der am wenigsten von dem alten
frankischen Recht abweicht. Umgekehrt erblicken Andere darin nur eine Err.-
Gemeinschaft, weil diese weniger von dem gemeinen romischen Recht abweicht
Wie Roth und Meibom kurhessisches Privatrecht I. 381 bezeugen, hat sich
dafür auch die Praxis in Kurhessen entschieden. In Nassau ist dies auch der Fall.
In gleicher Weise wird in der Praxis auch die Nassau-Katzenellenb. Landesord-
nung anfgefasst, vgl. Pinders im neuen Archiv für Preuss. Recht, IV. 308.
Digitized by Google
Der 2. Titel läset es dabei bleiben, dass die Ehen mit Geding.
d. h. mit Bestimmung der Zugift oder Ehesteuer, und der Wider-
legung geschlossen werden können, doch sollen Erbschaften nicht
durch Eheberedungen vermacht und derartige Bestimmungen erst
dann für kräftig gehalten werden, wann sie unwiderruflich durch den
Tod bestätigt sind (§. 5). Was aber die Ehegatten zur Zugift oder
Widerlegung au liegenden Gütern oder Gülten einander zubringen,
sollen sie zu veräussera nicht Macht haben (§. 9).
"Der 4. Titel bestimmt, dass ein Ehegatte, der aus vorderer Ehe
Kinder hat, seinem zweiten Gatten nicht mehr als ein Kindestheil
vermachen darf (§. 2) und vor der Hochzeit seine und des verstor-
benen Güter (§. 6) inventiren lassen soll.
Der 6. Titel verordnet, dass wenn zwei Gatten in stehender Ehe
liegend Gut mit einander kaufen, dieses ihnen gemein und die Währ-
schaft deswegen ihnen beiden sämmtlich geschehen soll (§. 1). Nur
wenn ein Gatte mit eigenem Geld — er habe dies erobert, ererbt,
oder aus seinen anerstorbenen liegenden Gütern erlöst — liegende
Güter erwirbt, sollen sie ihm allein gehören (§. 2). Aber die ge-
meinen Güter wie die Güter die einem Gatten allein zustehen, sollen
nur mit Willen beider Gatten veräussert werden (§. 3, 4).
Der 7. Titel behandelt die Schulden der Eheleute. Das Letzt-
lebende, das den Bcisess der liegenden Güter und dazu die ganze
oder halbe fahrende Habe eigenthümlich erhält, solle alle Schulden
vor oder in der Ehe oder wie sonst gemacht, voll bezahlen (§. 2).
Will es sich dieser Vorthoile ganz entschlagen, so hat es nur die
Obligationes und Schuld verschreibungen , die ihn mit besagen, zu sei-
nem Theil zu bezahlen (§. 3). Will es aber den Beisess und die
halbe Fahrniss nicht zusammen, sondern deren nur eins annehmen,
so ist es auch an des Verstorbenen Schulden nur pro rata betheiligt
(§. 4). Ein solcher Verzicht und die Separation der vermischten Güter
muss aber vor Ablauf des Dreissigsten vor Gericht geschehen (§. 8 ).
Dazu sind auch nur Eheleute berechtigt, die keine Kaufhändel,
Handthierung oder anderes Gewerbe betreiben (§. 11). Eheleute, die
einen gemeinen Handel treiben oder offene Wirthschaft halten, müs-
sen in solidum die Schulden, die sie mit einander gemacht, bezahlen
(§. 12) und die Frau hat wegen ihrer Zugift, der Widerlegung oder
anderer eingebrachten Güter keinen Vorzug (§. 13). Wenn aber der
Mann ohne sein eheliches Weib handelt, sollen deren Güter, es sei
dos oder paraphernalia, für des Mannes Schuld nicht verhaftet sein,
falls das Weib rechtzeitig die Mittel der Renunciation und Separa-
tion braucht (§. 18). Auch Handwerker, Weingärtner u. dergl. haben
Digitized by Google
— 273 -
diese beneficia nicht (§. 20, der in der Ref. von 1578 fehlt). Was
hierin auf den Todesfall angeordnet ist, gilt auch im Falle eines
Concurscs während der Ehe (§. 21). Der ausfuhrliche 10. Titel von
Einkindschaften ist längst veraltet.
Im fünften Theil beschäftigt sich sodann die Reformation mit
den Erbschaften ausserhalb Testamentes.
Hier wird im ersten Titel (§. 6 — 11), von der Succession der Kin-
der aus unterschiedlichen Ehen, nochmals die Abschaffung des alten
Missbrauchs (d. h. der Verfangenschaft) bestätigt und den Kindern
erster Ehe ihr väterliches oder mütterliches Erbgut gewahrt.
Der 4. Titel handelt von Erbschaft der Eheleute in den Gütern,
die sie zusammenbringen oder die ihnen in stehender Erbe anerster-
ben. In Ermanglung von Heirathsbriefen und Kindern erhält der
Letztlebcnde den Bciscss an allen liegenden Gütern des Erstverstor-
benen sein Lebenlang , aber alle zugebrachte und ererbte Fahr-
niss desselben erblich zum Eigenthum (§. 3) wie denn schon in Theil
2, Titel 3 und Theil 3 Titel 3 §. 4 ausführlich angegeben ist. welche
Güter in Erbschaften für liegend zu erachten seien. Hinterlässt aber
der erstverstorbene Gatte eheliche Kinder, so erhalten diese seine
liegenden Güter und die Hälfte seiner fahrenden Habe, während die
andere Hälfte dem überlebenden Gatten zufallt, nebst dem lebens-
länglichen Beisess an dem, was seine rechten Kinder von ihrem ver-
storbenen parens ererbt haben (§. 4—7).
Im 5. Titel wird von Erbschaften der Eheleute in den Gütern,
so sie in stehender Ehe bei einander samptlich erzeugen und erobern,
gehandelt Zuerst wird in §. 2 bestimmt, was Errungenschaft sei, nem-
lich solche Güter, „welche zwei Eheleute in stehender Ehe bei einander,
soi es durch ihr eins (doch dass dcsselbig Ehegemächt keinen eigenen
sondern Handel fiihre) oder sie beide mit ihrem mühsamen Fleiss, gute
Haushaltung und fürsiehtige Geschicklichkeit über dasjenige, was sie
beiderseits zusammengebracht haben, durch den Segen Gottes erobern
und an sich bringen." Doch durften die Eheleute auch ihr Sondergut
gemein machen (§. 7). Sind nun keine Kinder vorhanden, so sollen
diese liegenden und fahrenden errungenen Güter dem lctztlebenden
Ehegatten eigenthümlich zufallen und bleiben (§. 9), sind aber Kin-
der vorhanden, so sollen diese Güter halb auf die Kinder halb auf
den letztlebenden Gatten erblich versterben und fallen, vorbehältlich
des letzteren Beisess an dem Theil seiner Kinder (§. 10).
Weiter wird im 6. Titel verordnet, dass diese Erbgebühr nur
dann stattfindet, wenn die Eheleute treulich bei einander bleiben, und
im 7. Titel, dass kein Gatte dem andern diese Gebühr imd was etwa
IV. 18
Digitized by Google
274 —
in den Ehepactcn bestimmt sei, aus gcfasstcr Gräme letztwillig ent-
ziehen dürfe, docli jeder Garte die Macht habe, Uber seine zuge-
braehten Güter und seinen halben Theil der errungenen Güter nach
seinem Gefallen zu tcstiren.
Den Beschluss macht der 8. Titel von dem ,,Usufruct und Beisel,
so der letztlebend Ehcgemahel vermög dieser Reformation behelr
Insbesondere wird hier dem Nutzniesser auferlegt, auf Verlangen
Caution zu leisten und die hinterfall igen Güter zu inventiren.
Zu diesen Bestimmungen der Reformation kommen nun noch ein
gemeiner Bescheid des Raths vom 24. Juni 1734, wonach die Be
sehaffenheit der zugebrachten Güter, ob sie mobil oder immobil seien,
juxta tenipus illationis beurtheilt, und wenn zugebrachte Gilter in der
Ehe veräussert wordeu sind, ohne dass bei Auflössung der Ehe dafür
Ersatz geleistet werden könne, der Verlust vermög der allhier ge-
wöhnlichen societafis bonorum conjugalis gemeinschaftlich, d. h. nach
Hälften getragen werden soll (Beyerbach Sammlung der Verord-
nungen der Rciclist. Fr. I. S. 70), ein gemeiner Bescheid voiu
21. Sept. 1758 über die Entziehung oder Schma'lerung der Statut
gebühr (ib. 1. S. 73), wonach ein Ehegatte über das Eigenthum an
seinen Liegenschaften, Uber die seinen Kindern heimfallende halbe
Fahrnis» und seine Errungenschaftshälfte verfugen kann, die Concurs
Ordnung vom 10. Januar 1837 (Gesetz-Sammlung V. 248), welche der
Ehefrau eines Falliten gestattet, ihre noch vorhandenen in die Ehe
eingebrachten Güter aus der Gantmasse zu separiren und sie im
Uebrigeu wegen ihres unter der Verwaltung des Ehemannes stehen-
den Vermögens und der Widerlage in die 6. Rangclasse locirt unter
der in der Reform. I. 49 §. 5 ausgesprochenen Voraussetzung (das*
sie nemlich mit ihrem Manne keinen gemeinen Handel etc. getrieben
und ihm nicht durch üppiges Wesen zu seinem Verderben geholfen
hat), endlich das Gesetz vom 5. Novemb. 1850 Uber die Gleichstellung
der Ehefrauen im Güterrechte (Gesetz-S. X. 343). Hiernach steht
allen Ehegatten olme Unterschied des bürgerlichen Gewerbes das
Recht auf Absonderung der Güter zu, jedoch bleiben für dessen Gel-
tendmachung im Uebrigcn die gesetzlichen Fristen und Vorscliriften
fortbestehen. Ehegatten, welche eine Handlung für gemeinschaftliche
Rechnung betreiben wollen, haben sich nach dem Haudels-Gesetz-
bucho zu richten: ist es ein sonstiger Geschäftszweig, so müssen sie
eine Erklärung desfalls ausstellen, die auf dem Protest-Coraptoir auf-
zubewahren ist.
Dies sind also im Wesentlichen die Materialien, aus welchen das
System des Frankf. ehelichen Güterrechts errichtet werden soll. Es
Digitized by Google
275
beruht in erster Linie auf dem Unterschied der eingebrachten und
«ler errungenen Güter. In Beziehung auf letztere aber zeigt sieh eine
zweifache Auffassung. Bekanntlich richtete Rieh in früherer Zeit die
Eigenschaft eines Gutes als errungen eben nur nach dem Umstände,
oh dasselbe in der Ehe erworben war; für den Begriff der Errungen-
schaft kam es nicht darauf an, ob das Vermögen durch irgend einen
Erwerb- Act vermehrt worden und noch weniger wurde sie darnach be-
rechnet, ob schliesslich nach Abzug der beiderseitigen Hinten noeh
etwas weiteres vorhanden war, vielmehr war die Thatsaehe entschei-
dend, dass ein neues Vennögensstück erworben wurde. Es ist diese
natürliche Auffassung der errungenen Güter sehr begreiflieh , wenn
man bedenkt, dass es sich dabei nur um Liegenschaften handelte,
denn das rechtliche Schicksal der Fahrhabe war, gleichviel ob infe-
rirt oder errungen, so sehr dasselbe, dass auf diesen Unterschied
nichts ankam. Ob aber eine Liegenschaft ererbt oder in der Ehe er-
worben war, blieb allen Interessenten auch ohne Inventar leicht im
(iedächtniss und hatte überdies seine grosse Bedeutung Tür die näch-
sten Verwandten. Es änderte auch daran nichts, ob das neue Gut
aus dem eingebrachten Baarvcrmögcn des einen Gatten oder selbst
aus dem Erlöse eines eingebrachten Immobile angeschafft worden war.
Nur alhnählig drang das Surrogat-Princip ein, so dass wenigstens
das für ein inferirtes Immobile neu angeschaffte auch ohne besondere
Verabredung an des ersteren Stelle trat. Diese Auffassung ist z. B.
in der chur-cöllnischen Rechtsordnung von 1063 ausgesprochen
(vgl. meinen Aufsatz in der Zeitschrift X. 41) und gilt noch heutigen
Tages in der Grafschaft oder dem Veste Recklinghausen. Obwohl
nemlich dies Vest in Westfalen liegt, so bildete es doch einen Be-
standtheil des Erzstifts Cöln*und erhielt dadurch auch das fränkische
Recht, wie es im Erzstifte Cöln galt. Die Recklinghäuser (ig. nähert
sich daher der hiesigen in vielen Punkten und die Darstellung der-
selben — welche zuletzt A. ('. Welt er in seinem „Handbuch über
das eheliche Güterrecht in Westfalen" (Paderborn 1861) S. 118—135
gegeben hat — ist auch für das hiesige Recht von grossem Interesse.
Die Reformation von 1500 steht nun offenbar auf demselben Stand-
punkt und in Thl. III., Titel 6 der ern. Ref. blickt noch deutlich
dieselbe Auffassung durch. Aber sie ist in Thl. V, Tit. 5 und noch
bestimmter in dem gemeinen Bescheid von 1734 verdrängt worden
durch die Characterisirung der Errungenschaft als des bei der Tren-
nung der Ehe über die beiderseitigen Illaten hinaus noch vorhandenen
Vermögens, womit dann an Stelle eines einfachen thatsächlichen Ver-
hiiltnisses eine künstliche Etatwirthschaft mit Abrechnungsverfahren
18*
Digitized by Google
- 276 —
getreten ist, wie Gerber (Jahrbücher I. 250) richtig bemerkt In
Beziehung auf diese Errungenschaft besteht daher zwischen den Ehe-
gatten, wie der oben erwähnte Bescheid von 1734 sagt, eine societa?
bonorum conjngalis zu gleichen Theilen und es ist diese Bezeichnung
dahin zu verstehen, dass diese societas nicht schlechthin nach den
Vorschriften des römischen Rechts zu beurtheilen, sondern durch den
Zweck der Ehe modificirt ist. Daraus folgt, dass kein ehelicher s*-
cius auf Realthcilung klagen oder seinen Antheil eigenmächtig an
einen Fremden veräussern kann. Es liegt hier ein Miteigenthuro
zweier in einer organischen Verbindung, in einer Genossenschaft ste-
hender Personen vor (wie sich Scheele syst Darstellung der Lipp-
städter Gg. Lippst. 1857 S. 6 ausdrückt), und es ist nicht uöthig.
diese Besonderheiten mit Malss (Zum Güterrechte der Ehegatten in
Fr. Zweiter Beitrag 1863 8. 15) aus einem Gesammteigenthum herzn
leiten. Von einer ehelichen Errungenschaft, als einem Activ-SaJdo.
kann daher eigentlich nicht die Rede sein, so lange die Schlussbilanz
der Ehe nicht gezogen ist (Malss 1. 1. 16) und es steht damit in
Widerspruch, wenn die in einer Ehe vorhandenen Güter im Zweifel
als errungene angesehen werden. Aber ein solcher Nothbehelf ist
nicht zu entbehren, wenn es an den erforderlichen Grundlagen fehlt.
Eine Etatwirthschaft, mit Abrechnungen und Bilanzen, ist nemlich
ohne Inventarien nicht möglich, solche sind aber in Frankfurt weder
bei Eingehung der ersten Ehe vorgeschrieben oder üblich, noch wer-
den sie durchgängig bei Eingehung einer zweiten Ehe errichtet, da
die dcsfallsigc Vorschrift der Reform, in Beziehung auf den pater
binubus schon längst ausser Gebrauch gekommen. (VergL Souchav
Anmerk. zur Reform. S. 603.) Wirklich genaue Theilungs-Reeesse
können daher auch nur in den wenigsten Verlassenschaftssachen er
richtet werden, mit Hülfe jenes Nothbehelfs werden sie zumeist com-
promissartig angefertigt. Doch mag sich dies ausgleichen mit den
Nachtheilen oder Unzuträglichkeiten, die gar manchmal die durch eine
Inventarisation erzwungene Blosstellung der Vennögensverhältnis?e
im Gefolge haben könnte. Wreit schwieriger scheint mir die Recht-
fertigung eines neuerdings aufgekommenen Verfahrens, wegen der
Schulden eines Ehegatten dessen ideelle Hällte an den in der Ehe
erworbenen Liegenschaften während der Ehe zwangsweise zu ver-
äussern. Denn dies Verfahren, was sich nur an den obengeschilderten
alten Begriff errungener Güter anlehnen könnte, steht doch im offen-
baren Widerspruch mit dem neuen Begriff der ehelichen Errungen-
schaft als eines Activ-Saldo's bei Auflösung der Gg. Wo liegt dann
die Gewissheit, dass ein solches in der Ehe errungene Grundstück
Digitized by Google
wirklich z. B. dem Ehemann zur Hälfte gehört, da noch nicht einmal
feststeht, ob Uberhaupt eine eheliche Errungenschaft vorhanden ist?
Ich kann mich hier dem nicht anschliessen , was Malss (zum Güter-
recht der Ehegatten, dritter Beitrag, das System des ehel. Schulden-
wesens, Fr. 1853, §. 12—23) ausführt
Was sodann die eingebrachten Güter der Ehegatten anlangt, so
ist das deutsclircchtliche Princip (vgl. oben S. 269) in soweit durch-
gedrungen , als der Unterschied zwischen bona dotalia und parapher-
nalia nicht mehr bestehet, i9) vielmehr, wie namentlich die Concurs-
ordnung zeigt, in dem allgemeinen Begriff des unter der Verwal-
tung des Mannes stehenden Frauenguts aufgegangen ist Eine dos
im römisch rechtlichen Sinne kann allerdings noch bestellt wer-
den, aber es pflegt so wenig zu geschehen als die Bestellung einer
Widerlage.
Das Verhältniss während der Ehe beruht noch auf der altfrän-
kischen Grundlage. Während der Ehemann als Haupt der ehelichen
Genossenschaft (denn auf die alte Mundial - Gewalt kann man dies
jetzt nicht mehr wold zurückführen) die Verwaltung des gesammten
eingebrachten und errungenen ehelichen Vermögens hat80), und die
darin befindlichen beweglichen Gegenstände ohne Zuziehung seiner
Frau veräussern kann21), ist er nicht berechtigt, liegende Güter ohne
die Einwilligung und Mitwirkung seiner ^Ehefrau zu veräussern, sie
mögen nun von ihm oder der letzteren eingebracht oder errungen sein.
Der Ehefrau dagegen stehet nur, soweit es die Besorgung der Küche
und des Haushalts mit sich bringt, eine Verfügung über das eheliche
•9) Vergl. auch was Evclt das eheliche Güterrecht S. 10 von den Ansichten
der preuss. Gerichte über diese Frage sagt.
w) Ee ist dies Verhältniss, wie oben bemerkt, als Güter vermisch ung be-
aeiebnet und entspricht dem, was Runde (deutsches ehel. Güterrecht. Oldenb.
1841 S. 74) eine formelle eigentümliche Gg. nennt
") Bezüglich der beweglichen Dotalsachen sagt dies die Reformation aus-
drücklich. Vgl. Sonchay Anm. 390. Aber auch hinsichtlich der übrigen lllaten
der Frau laset es sich nicht I cstrciten und ebensowenig scheint mir das Bedenken
begründet, welches Bender ilandbuch des Frankfurter Privatrechts S. 63 bezüg-
lich dos ehemännlichen Verwaltnngsrechts äussert. Die Ehefrau kann gegen eine
üble Verwaltung des Mannes Hülfe bei den Gerichten suchen und wenn der Mann
nicht mehr solvent ist, Separation beantragen, aber ihre von ihm veräusserten
Mobilien kann sie nicht vindiciren. Auf ihre Spillgüter hat dies natürlich keine
Anwendung und es lässt sich auch wohl behaupten, dass die zu ihrem leiblichen
Gebrauch bestimmten Dinge, wie ihre Kleider, Wäsche u. dgl. nicht einseitig von
dem Hanne veräussert werden dürfen.
278 -
Vermögen zu. Au* dem Wesen der Ehe folgt, dass die Benutzung
des ehelichen Vermögens auch der Ehefrau gebührt. Die eben In
sehriebeno Stellung de» Ehemannes bringt es nun mit sich, dass er
es auch vorzugsweise ist, der das eheliche Vermögen mit Schnlderj
beschweren kann. Es fragt sich also, in wie weit die Ehefrau per
sönlich oder ihr Vermögen für diese Schulden verhaftet sind. Mab-
(a. a. O. S. 015) unterscheidet die zum Zwecke der Ehe gemachten
Schulden von den Sonderschulden, die ein Gatte einseitig oder welch«
beide Gatten gemeinschaftlich für andere Zwecke contrahiren und
behauptet, dass beide Gatten für die eigentlichen Eheschulden solida
risch verhaftet seien, was zwar die Reformation nicht ausdrücklich
sage, aber aus dem Entwicklungsgange unseres Rechts folge. Auch
diese Ansicht kann ich bezüglich der Ehefrau nicht theilen. Die
Frau haftet für die Elteschulden, die der Mann persönlich oder dir
sie innerhalb des ihr zugewiesenen Wirkungskreises contrahirt, weder
persönlich noch in solidum, noch mit ihren Illaten, wenn sie nicht aus-
drücklich die Mithaftung übernimmt. Mir scheint dies grade aus dem
Stillschweigen der Reformation, welche doch sonst die Sol idarverbind
lichkeit der Frau in einzelnen Fällen erwähnt, ebenso hervorzugehen,
als wie aus dem Einfluss, welcher dem römischen Rechte in dieser
Lehre eingeräumt wurde. Die Bedeutung der privilegia dotis et illa-
torum, sowie das beneficium separationis würde so gut wie aufge-
hoben sein, wenn die Frau damit nur die Befreiung von den Sonder-
schulden des Mannes (ibid. S. 45) erlangen sollte.
Der Unterschied zwischen den liegenden und fahrenden Gütern,
welcher während der Ehe in Beziehung auf die Veräusserungsbefug-
niss des Mannes hervortritt und hier seineu guten Grund hat, wird
auch bei der ehelichen Erbfolge beobachtet und gehört da nicht zu
den Vorzügen des hiesigen Rechtes. Wenn nach dem alten Rechte
der überlebende Gatte die fahrende Habe erhielt und darüber ak
Mobiliarerbe frei verfügen konnte, so richtete sich dies nach der Be-
schaffenheit der einzelnen Gegenstände, wie sie eben in dem Zeit-
punkt der Auflösung der Ehe vorhanden waren. Der gemeine Be-
seheid von 1754 setzt dagegen fest, dass die Eigenschaft der einzelnen
Vcrmögeusstückc bei dem Einbringen in die Ehe auch bei deren
Trennung massgebend sein solle: es kann daher ein Ehegatte z. B.
nicht mehr eigene fahrende Habe hinterlassen, als er eingebracht hat
und wenn er während der Ehe eine Liegenschaft veräussert hat, so
wird deren Erlös bei der Auflösung der Ehe als immobil angeseh- n.
Es liegt auf der Hand, dass bei dem Mangel von Eingangs -In ven-
tarien hier Anlass zu Zweifeln und Zwistigkeiten genug geboten ist.
Digitized by Google
- 279 -
Uobrigens ist das hiesige Recht auch dem allgemeinen Gang der
Entwicklung, die Eigenschaft des liegenden Guts mancherlei an sich
beweglichen Gegenständen beizulegen, sie zu immobilisircn , um das
Erbrecht des überlebenden Gatten im Interesse der Kinder zu be-
schränken, gefolgt, und hat daher nicht nur jährliche Renten, Gülten,
verpfändete Schulden u. dergl., sondern in Erbschaftsfallen auch die
Handelsgüter für unbewegliche Güter erklärt.
Die Reformation spricht zwar auch da, wo sie dem überlebenden
Gatten seinen Anthoil au der Errungenschaft zuschreibt, von einem
„cigenthümlich zufallen und erblich aufersterben", allein es ist nicht
streitig, dass der überlebende Gurte die halbe Errungenschaft jure
communionis und nicht als Erbe erhält. Ebenso ist der Beisess
desselben an dem auf die Kinder oder sonstige Erben des verstor-
benen fallenden Nachlasse nicht als ein von der Reformation gewährter
Erb vortheil, sondern als Folge des ehelichen Güterverhältnisses anzu-
sehen und kann daher von dem überlebenden Gatten nur in so weit
angesprochen werden, als ihm überhaupt die s. g. Statutgebühr zu-
kommt. Ist ihm z. B. in dem Ehe vertrage anstatt der portio statutaria
eine bestimmte Geldsumme oder Rente zugewiesen, so kann er den Beisess
auchnicht seinenKindern gegenüberals ein elterliches Recht beanspruchen.
Das eheliche Schuldenwesen bei Auflösung der Eho endlich hat
sich in mancher Beziehung anders gestaltet, als wio es die Reforma-
tion anordnet. Auch hier wirkt der Unterschied zwischen dem lie-
genden mid fahrenden Gute bedeutond ein. Denn der §. 2 Tit. 7
Theil IV. der Ref., wonach der Statutarerbe alle Schulden zahlen soll,
ist nie practisch geworden, sondern die Immobiliarerben müssen auch
die Immobiliar-Schulden übernehmen (Souchay Anm. S. 025). In
dem alten Recht war dies anders, der Mobiliarerbe konnte da wohl
zur Zahlung aller Schulden verpflichtet werden, weil es Immobüiar-
schulden im jetzigen Sinne nicht gab, da bei Bestellung eines Zinses
oder dem Verkauf einer Rente aus einem Immobil das später s. g.
Obereigenthum desselben an den Zins- oder Renten -Berechtigten
überging.
Die Reformation ging von der Ansicht aus, dass nur die Ehe-
frau an der Errungenschaft Theil nehmen solle, welche bei einein
etwaigen Verluste auch dafür aufzukommen habe. Sic sagt (Thl. III.
Titel 7 §. 17) „Und dieweil das Weib in solchen gemeinen Händeln
in gleicher Gefahr und Verlust stehen muss, so ist auch billig, dass
ihr aus solchem Handel aller Gewinn auch gleich zustehe." Geringe
Leute, die Leib an Leib, Gut an Gut heiratheu (III, 1 §. 3), Hand-
werker und Weingärtner (III, 7 §. 20, V. 5 §. 6), Eheleute, die «inen
Digitized by Google
280
gemeinen Handel treiben oder die Wirthseliat't halten (III, 7 §. 12j,
erringen mit einander und haften gleichmässig für die Schulden, ohne
dass sie das beneficium separationis hätten. Wemi aber ein Ehe-
gatte allein Ilandthierung oder Kaufmannschaft treibt, so fallt sein
Gewinn nicht in die Errungenschaft (V. 5 §. 5), dagegen steht aber
dann der Frau das Hecht der Renunciation und Separation zu Rettung
ihres Vermögens zu. Ganz gegen die Worte und den Gebt der
Reformation hat sich daher die (von Souchay Anm. S. 909 flg. mit
Hecht bestrittene) Uebung geltend gemacht, dass die Frau auch an
dem Handelsgewinn des Mannes Thcil nehme, ohne ihr Separations-
recht einzubüssen, wenn der Handel des Mannes nicht ausdrücklich
als ein Sondergeschäft desselben erklärt worden Bei. Denn dadurch
ist die Frau eines Handelsmanns in eine bevorzugte Stellung gegen-
über den Frauen anderer Geschäftsleute gekommen, welche ihr das
Gesetz nicht einräumen wollte 22). Das Gesetz vom 5. Nov. 1850 hat
nun allerdings alle Ehefrauen im Güterrechte gleichgestellt und hat
damit dies Missvcrhältniss zwischen Bethciliguug an der Err- und
Vcrrungenschaft verallgemeinert. Aber es hat auch durch Beibehal-
tung der für die Geltendmachung des Absonderungs-Rechts bestehenden
gesetzlichen Vorschriften einen neuen MisBStand geschaffen. Während
nemlich bisher einzelne Classen von Frauen (der Wirthe, Handwer-
ker etc.) unbedingt von dem Separationsrechte ausgeschlossen waren,
gleichviel ob sie ausserhalb der Haushaltung in dem Geschäfte mit-
thätig waren oder nicht, so werden sie jetzt nur von dieser Rcchts-
wohlthat ausgeschlossen, wenn man ihnen eine solche Mitthätigkeit
in dem Geschäfte speziell nachweisen kann18). Das Ergcbniss ist
also, dass z. 13. die Ehefrau eines Wirths oder Handwerkers, welche
sich um das Geschäft ihres Mannes nicht bekümmert, für dessen Schul-
den nicht haftet, ohne dadurch ihren EmingcnBchaft-Anthcil einzubüssen,
dass sie aber ihr eingebrachtes Vermögen auf das Spiel setzt, so wie
sio sich beigehen lässt, dem Manne in seinem Geschäfte Hülfe zu
leisten. Eine Reehtsverbessemng ist daher in diesem letzten legis-
latorischen Werke nicht wohl zu erblicken.
u) Wenn aber der Ehemann in einer Handels Gesellschaft stehet und das Ver-
mögen seiner Fran in dieselbe einbringt, so ist nach den Bestimmungen des all
gem. deutsehen Handels Gesetzbuch» §. 110. 122 dies Vorrecht jetzt sehr gefährdet.
») Mal 8 8 zum Güterrechte III. 14 ist zwar der Meinung, dass das Gesetz
diese Bedingung grade abgeschafft und nur die Praxis sie wieder eingeführt habe.
Dann müsste ich die Praxis, die er lobt, anklagen. Aber die erwähnte Beibehal-
tung der früheren Vorschriften spricht gegen seine Ansicht.
Digitized by Google
281
V.
Es ist eine bekannte Thatsache, dass in Deutschland auf keinem
Theilo des Rechtsgebicts eine so grosse Verschiedenheit und Mannich-
faltigkeit, aber auch vielfach eine so grosse Unklarheit und Verwir-
rung gefunden wird, wie in der Lehre von dem ehelichen Güter-
rechte. Der Widerspruch, in dem hier das römische Recht mit den
nationalen Ansichten sich befindet, die Ausdauer, mit welcher das
Volk an seinen hergebrachten Gewohnheiten selbst in Einzclnheitcn
fest hielt und die Notwendigkeit, dieselben möglichst zu schonen,
tragen hieran die Schuld. Nicht selten wichen auch die Gerichte in
der rechtlichen Auffassung der Verhältnisse von einander und von
der im Leben herrschenden Uebung ab , so dass Theorie uud Praxis
nicht im Einklänge standen. Deswegen machte sich häufig das Bc-
dürfniss geltend, theils diesen Ungewissheiten überhaupt, theils den
vielerlei Abweichungen, welche oft in den Rechten der zu einem Ge-
biete gehörenden Orte hervortraten, auf dem Wege der Gesetzgebung
ein Ende zu machen. Was in früheren Zeiten in dieser Hinsicht
geschah, soll hier nicht erwähnt werden. Noch mehr, wie früher ist
jetzt das Streben darauf gerichtet, mit Benutzung der Ergebnisse,
welche die neuen wissenschaftlichen Forschungen auch in dieser Lehre
erzielt haben, das eheliche Güterrecht von der Herrschaft bioser Ge-
wohnheiten zu befreien und auf fester Grundlage in consequentcr
Ausbildung zu ordnen. Diesem Streben verdanken die verschiedenen
Entwürfe zu Gesetzen über das eheliche Güterrecht ihre Entstehung,
welche theils als Privat- Arbeiten von einzelnen Gelehrten ausgegangen,
theils von Seiten der Regierungen veröffentlicht worden sind , um die
Stimmen sachverständiger Leute zu vernehmen, ehe es zum wirk-
lichen Erlasse des Gesetes kam. So wurde im Königreich Würtem-
berg durch das Justizministerium der Entwurf eines Gesetzes über
die eheliche Gg. mit Motiven durch den Druck (Stuttgart 1840) zur
allgemeinen Kenntniss gebracht, der im Anschlusa an das, bestehende
würtemb. Recht namentlich die Errungenschafts - Gemeinschaft be-
handelte. Besondere Beachtung verdient sodann der Gesetzes - Ent-
wurf über die Vermögensverhältnisse der Ehegatten unter Lebenden
und auf den Todesfall, welchen der Oldenburgischc Ober-App.Gcrichts-
Präsidcnt C. L. Runde als dritten Theil seines Werks über deut-
sches eheliches Güterrecht (Old. 1841) mit grosser Sorgfalt und Sach-
kenntniss nach dem Bedürfniss der Länder sächsischen Rechts ausge-
arbeitet hat. Derselbe lässt die Eheleute in dem Eigenthum nach
Digitized by Google
- 282 -
getrennten Gütern leben, gibt aber dem Eheinanne, dem der eheliche
Erwerb allein gehört, Nießbrauch und selbständige Verwaltung an
dem gesammten Vermögen seiner Frau. Es ist dies das System der
Gütervereiniguug, welches er als das ursprunglich deutsche Recht au-
erkeunt. Vor Kurzem ist nun auch der Entwurf eines Gesetzes über
das eheliche Güterrecht auf Grund der bayerischen Statutarrechte
von Otto von V öld er ndorff (Erlangen 1867) erschienen. Da in
Baiern das Verhältniss des gesonderten Vermögens als Dotalrecht
(d. h. nicht als reines römisches Dotalrecht, sondern als deutsches
lllatenrecht) mit der deutsch rechtlichen Modifikation der Mobiliar-
und Errungenschafts-Gemeinschaft ebenso sehr verbreitet ist als die
allgemeine Ggcraeinschaft , so ist in diesem Entwürfe Rücksicht auf
diesen doppelten Güterstaud genommen ; die Ehegatten lebeu iu dem
Güterstandc des gesonderten Vermögens, wenn sie nicht durch Ehe-
vertrag festsetzen, dass sie in Gg. leben wollen (Art. 1. 7. ). In dem
erstercu Güterstandc soll nun der Ehemann zum Vormunde der Frau
werden (Art. 11.), die Verwaltung und den Niessbrauch an dem Ver-
mögen der Frau (mit Ausschluss ihres Sonderguts) haben (Art 25),
und zur Veräusserung der eingebrachten beweglichen Sachen der
Frau befugt sein (Art. 27.), eingebrachte Forderungen und Schuld-
briefe auf deu Inhaber oder auf den Namen der Frau aber darf er
ohne deren Zustimmung nicht eediren, verkaufen oder aufkündigen
( Art. 28.), zur Veräusserung eingebrachter Liegenschaften der Frau
bedarf er ausserdem noch der Einwilligung eines ausserordentlichen
Vonuunds (Art 29.). Für Schulden, welche die Frau ohne Zustim-
mung des Mannes contrahirt, haftet weder ihr Eingebrachtes noch ihr
Sondergut (Art 37.); wenn aber Mann und Frau ein öffentliches
Gewerbe treiben oder der Mann allein ein Kauf- oder Banquierge-
sehäft betreibt, soll die Frau für alle Geschäftsschulden solidarisch
mit ihrem Eingebrachten wie mit ihrem Sonderguto haften (Art. 42).
Tu der Ehe erwirbt die Frau dem Manne (Art. 18. ), bei Auflösung
der Ehe aber wird die Errungenschaft (d. h. was nach Abzug der
beiderseitigen lila ton und der gemeinschaftlichen Schulden übrig
bleibt) besonders vererbt. Bei dem Güterstandc der Gg. wird das
gesammte Vermögen der Gatten dergestalt ein Gut, dass kein Gatte
mehr mit Wirkung sagen kann, „dieses oder jenes ist mein" (Art. 51 ),
vielmehr steht das Eigenthum an der Gg. nur der Ehegenossenschaft
zu (Art. 76.) : über die Fahrnis* kann der Mann selbständig verftigeu :
über Liegenschaften, Forderungen und Schuldbriefe auf den Inhaber
oder auf Namen aber müssen beide Gatten gemeinsam verfugen
(Art 77.). Stirbt der eine Gatte, so wird das Vermögen der (ig.
Digitized by Google
- 283 -
Alleineigenthuin des Ucberlcbcnden , es mögen Kinder da sein oder
nicht (Art. 93). Aber bei zweiter Elio muss er zwei Dritttheile des
Vermögens, wie es bei dem Tode des andern Ehegatten vorhanden
war, den Kindern hinausgeben (Art. 98). Eine Kritik der Einzeln-
heiten dieses Entwurfs, dessen Grundzüge ich hier hervorgehoben
habe, würde zu weit führen; er enthält zwar manche gute Bestim-
mungen, wozu ich namentlich zähle, dass die Errungenschaft bei dem
Güterstande des getrennten Vermögens während der Ehe nicht als
eine besondere Masse betrachtet wird ( es ist dies meines Erachtens
auch der Standpunkt der Volksrechte, welche der Ehefrau nach Auf-
lösung der Ehe einen Tlicil der errungenen Güter zuweisen, aber
kerne Err.-Gemcinschaft kenneu), im Allgemeinen jedoch kann ich
dem Lobe nicht beistimmen, was ihm im liter. Centraiblatt (1867,
Sp. 577) gespendet wird, und kann nicht glauben, dass* ein Gesetz
dieser Art sich im Leben bewähren würde. Die Qualiticiruug des
Ehemannes als Vormund der Frau entspricht nicht der heutigen
Stellung der Frauen, und die Zuziehung eines ausserordentlichen Vor-
munds ist eine ganz überflüssige Formalität Die Beschränkung des
Art. 28 ist störend und ungenügend , da der Mann doch berechtigt
erscheint, solche Forderungen einzuziehen, wenn sie von dem Schuld-
ner selbst zurückbezahlt werden. Ein Grund, wesshalb die Frau
eines Bauquiers für dessen Gesehäftschuldcu solidarisch gar mit ihrem
Sondergute haften soll, ist nicht ersichtlich. Das Eigcuthiun der Ehe-
genossenschaft bei der allgemeinen Gg. ist ein doctrinärer Begriff
ohne alle practische Bedeutung und nur ein anderer Name für das
Gesammt-Eigenthum, was sich in Art. 51 ganz nach des alten Lauge
Beschreibung vorfindet.
Mit ganz besonderem Eifer war man in Preussen unter dem
Ministerium des Herrn von Kamptz bemüht, das in den einzelnen
Provinzen, Gebieten und Städten geltende zumeist auf Gewohnheit
und alten unvollständigen Statuten beruhende eheliche Güterrecht in
präciscr Formulirung der einzelnen Rechtsnormen zusammenzustellen
und zu klarer Anschauung zu bringen. Es erschien eine ganze Reihe
von Entwürfen der einzelnen Provinzial- und Statutarrechtc, welche
mehrfach berathen und revidirt nicht nur eine treffliche Uebersicht
des geltenden Rechts darboten, sondern auch hinreichendes Material
gewährten, um unter Beseitigung oft unbedeutender Difformitäten und
gleichgültiger Spezialitäten, aber mit Erhaltung dessen, was aus volks-
tümlicher Rechtsentwicklung hervorgegangen und den Bedürfnissen
des Lebens entsprechend sich gestaltet hat, allmählig zu einer ein-
heitlichen Rechtsbildung zu gelangen. Ein Verzeichniss dieser Ent-
Digitized by Google
— 284 -
würfe gehört nicht hierher, nur beispielsweise hebe ich den Entwurf
einer Verordnung über das Provinzial-Familien- und Erbrecht für die
Kurmark und die Neumark Brandenburg (Berlin 1838 und revidirt
1841), den revidirten Entwurf des Prov.-Rechts des Ftirstenthums
Münster (Berlin 1836), des Fürstenthums Paderborn (Berlin 1831),
des Herzogthums Cleve ostseits des Rheins und der Grafschaften
Essen, Werden und Elten (Berlin 1837), das Particularrecht der
Grafschaften Wittgenstein (Berl. 1837) hervor.
Aus solchon Vorarbeiten, als Frucht langer und vielseitiger Be-
rnthungen ist das Gesetz vom 16. April 1860 über das eheliche Güter-
Recht in der Provinz Westfalen und den Kreisen Rees, Essen und Duis-
burg hervorgegangen. **) Die Provinz Westfalen ist aus 29 verschie
denen Landcstheilen zusammengesetzt und in ihr *) galten nicht nur
vier verschiedene Systeme des ehelichen Güterrechts, das gemeinrecht-
liche Dotalrecht (zumeist im Horzogthum Westfalen), das Dotalrecht
des allgem. preuss. Landrechts (in Corvey, Tecklenburg, Essen und
an manchen andern in der ganzen Provinz zerstreut liegenden Orten),
die Partieular-Gg. (in Recklinghausen, Werden, Siegen, Wittgenstein, —
alles Gebiete des fränkischen Rechts) und die allgemeine Gg. (in
Münster, Minden, Paderborn, Cleve, Söst, Dortmund, Duisburg —
überhaupt in 17 Landcstheilen), sondern innerhalb dieser Systeme gab
es wieder die mannichfachsten Abweichungen, nicht selten an ganz
nahe bei einander liegenden Orten. Dazu gesellte sich noch eine grosse
Unsicherheit in dem, was wirklich geltendes Recht war, theils weil
die Grenzen der einzelnen früheren Territorien unsicher geworden
waren, theils weil Zweifel obwalteten, welches Güterrcchtssystein in
einzelnen Gebieten die Regel ausmache, theils weil der materielle In-
halt der einzelnen Rechte unklar war und von den verschiedenen Gc-
u) Dies Gesetz hat schon verschiedene Bearbeitungen gefunden, von J. Evelt
das eheliche Güterrecht in der Provinz Westfalen nach dem Gesetz vom 16. April
1860, (Pndcrb. 1861), von S. Sutro unter gleichem Titel (Münster 1861), von
II. Geck die eheliche Gg. ein Coramentar zu dem Gesetze vom 16. April 1860
(Soest 1861), von A. C. Weiter Handbuch über das eheliche Güterrecht in West-
falen (Paderb. 1861). Letzteres Werk gibt cino ausführliche Darstellung des frü-
heren und jetzigen Rechts. Der Verfasser des dritten Buchs H Geck hat auf dem
dritten deutschen Juristentag (in Wien, 1862) den Antrag gestellt, ein gemeinsa-
mes Güterrecht für ganz Deutschland anzustreben und die eheliche Gg. als das
der deutschen Ehe ontsprochendsto System anzunehmen. Aber der Antrag ging
nicht durch Vgl. Verhandlungen des dritten d. Juristentags II. 203.
») Zuzüglich der 3 genannten Kreise, welche zur Rheinprovinz gehören.
Digitized by Google
- 285 -
richten verschieden aufgefasst wurde. 26) Diesem chaotischen Zustande
machte nach dem dringenden Wunsche des Landes — dem auch mit
der Codification der einzelnen Statuten nicht gedient war — das obcn-
gedachte Gesetz, dessen erste Anregung in das Jahr 1845 zurückgeht,
ein Ende. Dasselbe führte für den ganzen bezeichneten Ländcr-
Complex (von dem wunderlicher Weise in Folge der Opposition der
Majorität des Herrenhauses nur diejenigen Landestheile des Herzog-
thums Westfalen ausgenommen sind, in welchen bisher das Dotal-
recht galt) ein einheitliches provinzielles System der allgemeinen Gg.
ein, dem die Bestimmungen des allg. Landrechts über Gg. zur Unter-
lage dienen. *7)
Nach diesem Gesetz gebührt nun dem Ehemann allein die Ver-
waltung des gemeinschaftlichen Vermögens, alle von ihm gemachten
Schulden sind für dasselbe verbindlich und er kann ohne Einwilligung
der Frau über alle Gegenstände, selbst über die Liegenschaften ver-
fugen und sie veräussern: nur darf er ohne solche Einwilligung Im-
mobilien oder die gesammten Mobilien oder einen aliquoten Theil
derselben nicht verschenken, auch keine sogenannte Uebertrags-
verträge abschliessen (§. 3). Bei unbeerbter Ehe kann jeder Gatte
für sich allein über die Hälfte des gcmeinschaftl. Vermögens von
Todeswegen wegen verfügen, bei beerbter Ehe können die Ehegatten
dies mir gemeinschaftlich thun. Nur die sofortige Schichtung kann
jeder Gatte allein anordnen (§. 6). Ab intestato aber behält der
überlebende Gatte die eine Hälfte des gcmeinschaftl. Vermögens als
sein Eigenthum: die andere Hälfte bildet den Nachlass des ver-
storbenen und wird nach den Vorschriften des allg. Landrechts ver-
erbt: soweit er nicht an Kinder aus früherer Ehe des verstorbenen
Gatten fällt, hat der überlebende daran den Niessbrauch auf Lebens-
zeit (§. 7). Mit den miabgefuiidenen eigenen Kindern setzt der über-
lebende Gatte, es sei Vater oder Mutter, die Gemeinschaft fort, er hat
nicht nur den Niessbrauch des ganzen gemeinschaftl. Vermögens,
J6) So nahm z. B. das Appell. -Gericht in Paderborn für die dortige Gg. das
Consolidations-, das Obertribunal aber das Condominal-Princip an. Vgl. Evelt
S. 3. In Werden nahm seit 1849 das Obergericht eine Todttheilung an, die Unter- .
gerichte blieben bei der früheren entgegengesetzten Ansicht. Geck Gg. S. 48.
lT) Einzelne Gebiete haben damit allerdings ein von ihrem bisherigen ganz
verschiedenes Recht erhalten, im Allgemeinen wnrde aber doch auf das bestehende
Recht Rücksicht genommen. In Schlesien geschah dies gar nicht: dorten bestanden
64 verschiedene Particularrcchto Aber eheliches Güterrecht und diese wurden
sämmtlich durch das Gesetz vom 11. Juli 1845 beseitigt, welches für alle von
dem 1. Januar 1846 an geschlossene Ehen das allg. Landrecht einführte.
Digitized by Google
- 286 -
sondern auch die Verwaltung«- und Verftlgungsrechtc , wie sie nach
§. 3 dem Manne während der Ehe zustehen: dagegen fällt Alle»,
was er irgendwie erwirbt, in die Gemeinschaft, von dem Erwerbe der
Kinder aber nur der Ertrag ihrer Beihülfe in dem elterlichen Ge-
werbe oder Haushalte (§. 10). Die Wittwe kann ihren späteren Er-
werb gegen die Ansprüche der Gemeinschafts Gläubiger durch ge-
richtliche Hinterlegung eines Inventars sichern (§. 12). Der über-
lebende Gatte darf jederzeit die vollständige Auseinandersetzung mit
den Kindern (Schichtung) verlangen (§. 13): er muss sie vornehmen,
wenn der verstorbene Ehegatte sie letztwillig angeordnet hat so wie
wenn er zur andern Ehe schreitet (§. 14). Die Schichtung geschieht
nach dem Zustande, in dem sich das Vermögen nun befindet, also ex
nunc (§. 15).
Ob dieses neugeschaffene Recht sich in praxi bewahrt oder etwa
zu seiner Abwehr eine Vermehrung der Eheverträge veranlasst hat.
ist mir nicht bekannt. Mit der communio prorogata werden sich wohl
auch die Gegenden befreunden, die sie bisher nicht kannten, da die-
selbe, als ein Sitzen auf Gedeih und Verderb, dem Wesen einer allg.
Gg. entspricht. Bedenklich scheint mir das Veräusserungsrecht , wel-
ches dem Manne und resp. dem parens superstes selbst über Immobi-
lien eingeräumt ist und welches das allgemeine Landrecht nicht kennt.
Ich kann in dieser Erweiterung nicht mit Geck (Gg. S. 18) eine dem
natürlichen und gesetzlichen Berufe des Mannes entsprechende Stel-
lung finden und Evelt S. 54 sucht bereits nachzuweisen, dass der
Mann wenigstens nicht Über das ganze Vermögen auf einmal im
Wege lästigen Vertrags unter Lebenden verfügen dürfe. Wo aber
der Ehemann die Einwilligung der Frau bedarf und ohne dieselbe
handelt, ist seine Handlung ohne alle rechtliche Wirkung und nur
ein etwa dabei vorkommender Betrug etc. könnte ihn zu einer Ent- '
Schädigung verpflichten.
VI.
Das eben besprochene Gesetz vom 16. April 1860 sollte nicht
ohne Nachfolger bleiben. Achnliche Zustände wie sie in der Provinz
Westfalen vorhanden waren bestehen in dem Bezirk des .Justizsenats
zu Ehrenbreitstein und zur Beseitigung derselben soll ein Gesetz über
das Güterrecht der Ehegatten erlassen werden. Dieser Bezirk ist
nemlich aus einer grossen Zahl kleinerer Gebietsteile zusammen-
gesetzt, und obwohl das eheliche Güterrecht in denselben, auf der
gemeinsamen Grundlage de« fränkischen Rechts beruhend, nach dem
Digitized by Google
- 287 -
Eindringen des römischeil Rcehts sich überall zu der s. g. particu-
lären Gg. ausbildete, so hat es sich doch in den einzelnen Gebieten,
die unter verschiedener Landeshoheit standen und ihre besondere
Gesetzgebung hatten, in abweichender Weise entwickelt. Nicht nur
gilt in einigen die blose Err.-Gemeinschaft, in andern die Gemein-
schaft der Mobilien und der Immobiliar-Errungenschaft, sondern auch
unter den Rechten derselben Art herrscht wieder im Einzelnen selbst
in wichtigen Punkten eine erhebliche Verschiedenheit So gelten in
diesem kleinen Bezirk, abgesehen noch von einzelnen Gewohnheiten
und Special-Verordnungen, neun verschiedene Statuten. Die früher
zu Kurköln gehörenden Landestheilc richten sich nach der kurkölni-
schen Rechtsordnung von 1663. die früher zu Kurtrier gehörenden
nach dem Trierer Landrecht, in der vormaligen Grafschaft Sayn-
Altenkirchen gilt das in dem s. g. Lamprecht'schen Statute aufgezeich-
nete Gewohnheitsrecht Während diese drei Rechte eine Gemeinschaft
der Mobilicn- und der lnimob.-Errungcnschaft festsetzen, gilt eine
blose Err.-Genieinschaft in der Stadt Wetzlar nach dem Mainzer
Landrecht von 1755, in den vormaligen Grafschaften Solms nach dem
Solmscr Landrechte von 1571, in dem früher Nassau- Weilburg'schen
Amte Atzbach nach einem dem Solmscr Landrecht im Allgemeinen
conformen Gewohnheitsrecht, in den früher zur Grafschaft Sayn-
Hachenburg gehörigen Ortschaften nach dem Hachenburger Statut,
in deii vormaligen Grafschaften Wied nach der durch Gewohnheit
reeipirten Nassau-Katzenellenbogen'schen Landesordnung und in dein
Stadtbezirke Bendorf nach einem besondem Gewohnheitsrechte 28 ).
Und auch über die einzelnen Statute fehlt es bei deren lücken-
hafter, oft unklarer Fassung nicht an Zweifeln und an abweichen-
den Ansichten der Gerichte. Die hieraus entspringenden Miß-
stände waren so fühlbar, dass schon 1837 der Entwurf eines ge-
meinsamen Provinzialrechts für diesen Bezirk ausgearbeitet wurde,
der überall die blose Err.-Gcmeinschaft einzuführen beabsichtigte,
aber nicht zum Gesetz erhoben wurde. Erst 1863 wurde dies Werk
wieder aufgenommen. Im Juli d. J. veranlasste die k. Regierung eine
Confcrenz von Gerichtsmitgliedern und Vertretern der Stadt- und
Landgemeinden dieses Bezirks, um über ein neues Güterrcehts-Gcsetz
für denselben zu berathen. In dieser Conferenz sprach man sich
gleichmässig gegen die Einfuhrung des Dotalrcchts (wie es das preuss.
IH) Ilierüber vgl. Schmitthcnner deutsches Güterrecht der Ehegatten in
bes. Anwendang auf den k. preuss. Ostrhein-Bezirk. Neuwied 1842. Hertel
Rechtsverfassung der ostrhein. Landestheilc, in Kaiuptz Jahrbüchern. Bd. 20.
Digitized by Google
- 288 -
allgem. Landrecht normirt hat) und der allgemeinen Gg.. aus, auch
die Mose Err.-Gemeinschaft wurde nicht beliebt, obwohl z. B. die
Vertrauensmänner aus dem Kreise Wetzlar sich nur schwer zur
Aufhebung derselben entschlossen, sondern die Gemeinschaft der Mo-
bilicn und der Immob.-Errungenschaft vorgezogen, namentlich auch
aus dem Grunde, weil dieselbe bereits in dem gross ten TheiJe der
Rheinprovinz nach dem Code gilt Das Resultat der Bcrathung war
ein Gesetzes-Entwurf, der 1865 dem Abgeordneten- und dem Herren-
Hause vorlag, 1866 dem ersteren wieder vorgelegt und an eine auf
Grund des Beschlusses desselben vom 13. November 1866 besonders
gewählte Commission zur Begutachtung verwiesen wurde. Diese Coin-
mission theilte zwar die Ansicht der Staatsregierung, dass nicht etwa
durch eine Zusammenstellung der einzelnen jetzt geltenden Rechte,
sondern nur durch die Einfuhrung eines einheitlichen ehelichen Güter
rechts eine Abhülfe der bisherigen UebelstHnde bewirkt werden könnt»,
aber sie erachtete den Zeitpunkt für den Erlass eines solchen Ge-
setzes nicht geeignet, weil auch in den von Prcussen neu erworbenen
Ländern, in Nassau, Kurhessen, Frankfurt a. M. und in den von
Hesscn-Darmstadt abgetretenen Landestheilen zumeist particulare
Gg. gelte , w) weil auch in diesen Ländern ein Einschreiten der
Gesetzgebung wünschenswert h scheine und weil daher ein gemein
saraes Gesetz für sämmtlichc Theilc Prcussens, in denen bisher eine
particulare Gütergemeinschaft gegolten habe, zweckmässig sei, hierzu
aber eine Theilnahme der Abgeordneten der neuen Landestheile an den
«) Der Bericht fuhrt darüber folgendes an: in Bezug auf das eheliche Güter-
recht sei durch Verordnung vom 5. Juni 18 IG fiir das ganze Hcrzogthntn NassiD
das Soltn»er Landrecht eingeführt, welches nur die blose Gemeinschaft der En-,
kenne; in den von Hessen-Dannstadt abgetretenen Landeathcilen gelte überall
nach einer landesherrlichen Verordnung vom 2. März 1793 eine blose Err. -Gemein
schaft; nach der Frankfurter Reformation gelte bei Haadwerkslcuten, Weingmrfc»-
arbeitern, Taglöhnern und sonstigen geringen Leuten allgemeine Gg., wogegen bei
habhaften Leuten nur eine Err.-Gemeinschaft Platz greife; in dem ehemaligen Kor
hessen gelte Err -Gemeinschaft in Althessen, im Rechtsgebiet der Solmser Landes-
ordnung, d. h. im Fürstenthum Hanan, und im Rechtsgebiet des Mainzer Land-
rechts. Dabei ist jedoch die Angabe bezüglich Frankfurts unrichtig; hier gilt
auch fiir Handwerker und geringe Leute, obwohl sie das beneficium renunciationis
nicht hatten, keine allgemeine, sondern nur Err.-Gemeinschaft. Wenn nerolich auch
unvermögende Personen, die nichts zusammenbringen, ohne Geding Leib an Leib,
Gut an Gut mit einander heirathen, so soll es doch mit dem, was sie in stehen-
der Ehe erwerben mögen, grade wie bei andern Ehegatten gehalten werden.
Ref. III. 1. §. 3: 4. Das ganze Vermögen solcher Leute besteht dann eben in
Errungenschaft! Bezüglich dos Solmser Rechts vgl. oben Note 18.
Digitized by Google
- 289 -
Berathungen über dieses Gesetz erfordert werde. In dem Berichte
der Commission wurde namentlich hervorgehoben, dass in diesen
neuen Landestheilen beinahe durchgängig die Mose Err.-Gemein-
schaft gelte, dass voraussichtlich die Vertreter derselben sich gegen
die Einführung einer Gemeinschaft der Mobilien- und der Immob.-
Errungonschaft aussprechen würden und dass es daher unräthlich sei,
jetzt dieses letztere Güterrecht in den alten Landestheilen einzuführen,
während in den neuen ein anderes gelte und wahrscheinlich geltend
bleibe. Da die alten und die neuen Landestheile nicht scharf von
einander abgegrenzt seien, sondern vermischt unter einander lägen,
so werde dadurch von Neuem der Missstand hervorgerufen, dass in
demselben Bezirke bei gleichen Verhältnissen ein verschiedenes liecht
gelte, und die Rechtsunsicherheit geschaffen, dass man wieder fragen
müsse, welches Recht an jedem einzelnen Orte gelte. Von Seiten der
Regierung wurde zwar erklärt, dass sie das neue Gesetz nicht dem-
nächst auch in den neuen Landestheilen einzuführen beabsichtige,
sondern dort mit Aenderungen in der Gesetzgebung in Bezug auf
das eheliche Güterrecht nur vorgehen werde, wenn die neuen Landes-
theile den Wunsch danach ausdrücklich aussprächen. Die Commission
beharrte jedoch einstimmig auf ihrer Ansicht und beantragte am 8. Januar
1867 die Ablehnung des Gesetz-Entwurfes, womit das Abgeordneten-
Haus einverstanden^war.
Weitere Schritte in dieser Angelegenheit sind noch nicht ge-
schehen, es stehet jedoch zu erwarten, dass sie nicht lange beruhen
werde und dass auch die neuen Landestheile bald in die Lage kommen
werden, sich über die Frage auszusprechen, ob ein gemeinsames
Gesetz über eheliches Güterrecht und welche Gestaltung des letzteren
wünschen8werth sei.
Der erwähnte Gesetz-Entwurf, der einestheils vielfach den Be-
stimmungen des Code civil folgt und sich anderntheils denjenigen des
Gesetzes vom 16. April 1860 thunlichst anschließt, zerfällt in 3 Titel,
deren erster von der gesetzlichen Gg., der zweite von der vertrags-
mäßigen Abänderung der gesetzlichen Gg. handelt und der dritte die
Uebergangs- und Schlussbestimmungen enthält80).
Der erste Titel zerfallt wieder in 7 Abschnitte. Der erste ent-
hält die allgemeinen Bestimmungen. Nach §. 1 soll, wie schon ge-
>°) Er ist in den Anlagen zu den stenographischen Berichten Aber die Ver-
bandlungen des Hauses der Abgeordneten während der I. Session der Legislatur-
Periode 18G6-1867 sammt den Motiven und dem Bericht (Nr. 88 der Drucksachen)
abgedruckt und verdiente diese werthvolle Arbeit wohl eine weitere Verbreitung.
IV. 19
Digitized by Google
- 290 -
sagt, unter den Ehegatten, die ihren ersten Wohnsitz nach Einge-
hung der Ehe im Bezirke des Justiz - Senats zu Ehrenbreitstein
nehmen, eine Gemeinschaft der Mobilien und der Inimobi-
liar-Errungenschaft stattfinden. Der zweite Abschnitt handelt
von dem Aktiv-Bestände der Gg. Zum Sondergute eines Ehegatteu
gehören nach §. 4 nur die unbeweglichen Sachen, welche er bei
Eingehung der Ehe besitzt oder während der Ehe durch Erbschaft,
Vermüchtniss oder Schenkung erwirbt Der Grundsatz der Surrogat«?
ist in §. 7 aufgehoben : das Aequivalent einer während der Ehe ver-
äusserten Sonderguts-Sache fällt in die Gemeinschaft. Welche Ver-
mögensstüeke aber zu den unbeweglichen, welche zu den beweglichen
Sachen gehören, wird durch die Grundsätze des gemeinen ltecht?
bestimmt. Ausstehende persönliche Forderungen, auch wenn sie ver-
zinslich oder durch Hypothek oder Eigenthums -Vorbehalt gesichert
sind oder in Immobiliar-Kaufgeldern bestehen, werden jedoch zu den
beweglichen Sachen gerechnet. Auch gilt alles Vermögen, welches
die Eheleute bei Auflösung der Gg. besitzen, so lange für eheliche
Err. bis das Gegentheil erwiesen ist (§. 10). Der dritte Abschnitt
handelt in §. 11 — 29 sehr ausführlich von dem Passiv- Bestände der
Gg. Hervorzuheben sind die Bestimmungen, dass alle Schuldeu,
welche während der Ehe von dem Ehemanne allein, oder von der
Ehefrau in ihrem häuslichen Wirkungskreise oder von ihr im Interesse
der Gemeinschaft oder im Sonder-Interesse des Ehemannes in dessen
Auftrag oder mit dessen Genehmigung contrahirt werden, Gemeinschafts-
schulden sind (§. 16), dass für die Schulden, welche die Ehefrau in
ihrem persönlichen Sonder-Interesse oder im Interesse ihres Sonder-
guts mit Genehmigung des Mannes contrahirt, dem Gläubiger das
Gemeinschaftsvermögcn, die Person imd das Sondergut der Ehefrau,
ja 'sogar Person und Sondergut des Ehemannes verhaftet sind, wenn
letzterer sich nicht gegen die Selbsthaftung ausdrücklich verwahrt
(§. 17), dass aber Schulden, welche die Ehefrau ausserhalb ihres häus-
lichen Wirkungskreises ohne Auftrag oder Genehmigung des Mannes
contrahirt, für beide Ehegatten unverbindlich sind (§. 18). Wenn die
Frau gemeinschaftlich mit dem Manne handelt, oder sich mit Geneh-
migung desselben oder ftir ihn verbürgt, kann sie sich auf die Vor-
schriften über die Intcrccssioncn der Weiber nicht berufen (§. 20).
Der Abschnitt IV. betrifft die Verwaltung der Gg. und die Disposi-
tionen der Ehegatten unter Lebenden. Dem Ehemanne allein ge-
bührt nun die Verwaltung des gemcinschaftl. Vermögens und des
beiderseitigen Sonderguts. Er kann ohne Einwilligung der Ehefrau i
über alle zu dem gemeinschaftl. Vermögen gehörenden Gegenstände
Digitized by Google
— 291 —
verfügen, Immobilien veräussern, alle Kapitalien einziehen, auch wenn
sie auf den Namen der Ehefrau allein lauten, u. s. w. Nur darf er •
ohne die Ehefrau nicht über die gemeinschaftlichen Immobilien, über
das gesammte bewegliche Vermögen oder einen aliquoten Theil des-
selben unentgeltlich verftlgen (§. 30). Auch bedarf er die Zustimmung
der Ehefrau zur Veräusscrung oder Belastung der zu deren Souder-
gut gehörigen Immobilien. Ueber sein Sondergut aber steht ihm freie
Verfügung zu (§. 31). Die Ehefrau dagegen kann ohne Zustimmung
des Mannes nur innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises über be-
wegliche Sachen disponiren (§. 33). Der fünfte Absclinitt, von der
Auflösung der Gg. während der Ehe, gestattet der Ehefrau (abge-
sehen vom Falle des Concurses §. 47) die Vermögens- Absonderung
zu verlangen, wenn wegen der Unordnung, in welcher sich die An-
gelegenheiten des Ehemannes befinden, ihr in die Gemeinschaft einge-
brachtes Vermögen oder ihre sonstigen vermögensrechtlichen An-
sprüche, namentlich ihr Antheil am Erwerb der Ehe oder ihr Lebens-
unterhalt gefährdet sind (§. 42). Diese Absonderung kann aber nur
nach stattgehabtem Beweisverfahren durch gerichtliches Urtheil er-
folgen (§. 43). Der Abschnitt VI. handelt von dem Erbrechte der
Ehegatten und der Blutsverwandten derselben. Bei dem Tode des
einen Gatten bildet sein Sondergut und die Hälfte des Gg.-Venuögens
seinen Nachlass (§. 48). Bei beerbter Ehe fällt letztere Hälfte seinen Kin-
dern, sein Sondergut zu einem Viertheil, oder wenn eins oder mehr Kin-
der vorhanden, zu einem Kindstheile dem überlebenden Ehegatten, im
Uebrigen den Kindern zu. Der überlebeude Ehegatte setzt jedoch mit
den Kindern die Gg. fort, sofern nicht von dem Verstorbenen die sofor-
tige Auseinandersetzung letztwillig angeordnet worden ist (§. 50).
Während dieser fortgesetzten Gg. hat der überlebende Gatte rück-
sichtlich des gemeinschaftlichen Vermögens und des auf die Kinder
vererbten Sonderguts des verstorbenen Gatten alle diejenigen Dispo-
sitionsrechte, welche während der Ehe dem Ehemannc zustanden
(§. 55). Der überlebende Ehegatte kann jederzeit die vollständige
Auseinandersetzung mit den Kindern vornehmen, bei Eingehung einer
zweiten Ehe muss er es thun (§. 60) und die Kinder können sie ver-
langen, wenn der parens superstes unter Curatel gestellt wird oder
solche Umstände eintreten, welche den Verlust der väterlichen Ge-
walt nach sich ziehen oder die Ehefrau nach §. 42. 47 zur Vermö-
gens-Absonderung berechtigt hätten (§. 61). Bei unbeerbter Ehe er-
hält der überlebende Ehegatte seine Kleidungsstücke, Bette und Leib-
wäsche sowie die zur Einrichtung ihrer Wohnung dienenden Möbel
und Hausgeräthschaften zum Voraus (§. 70) und erbt ein Drittel oder
19*
Digitized by Google
- 292 -
die Hälfte des Nachlasses, je nachdem er mit Ascendenten, Geschwi-
stern und Geschwisterkindern oder mit andern Verwandten de» ver-
storbenen Gatten concurrirt (§. 71). Dabei bleibt ihm der lebens-
längliche Niessbrauch an den Erbtheilen seiner Miterben (§. 72). Auch
wird er Alleinerbe, wenn keine Verwandten des verstorbenen bis zum
sechsten Grad vorhanden sind (§. 71). Jeder Gatte kann einsehig
Uber sein Sondergut und seinen Antheil am Gg.-Vermögen letztwillig
verfügen: tritt der überlebende Gatte die Erbschaft aus einem
wechselseitigen Testamente an, so kann er auch von seinen eigenen
darin getroffenen Verfügungen nicht wieder abgehen (§. 74). Dir
Hälfte des gesetzlichen Erbtheils und bei unbeerbter Ehe auch der
lebenslängliche Niessbrauch wird als Pflichttheil angesehen (§. 75t.
Der Abschnitt VII. endlich beschäftigt sich mit der Vermögens-
Auseinandersetzung. Die Gg. -Masse und das Sondergut müssen sich
wegen etwaiger Bereicherungen des einen aus dem andern Ersatz
leisten (§. 77). Dabei gehen die Ersatzansprüche der Ehefrau an*
dem gemeinschaftlichen Vermögen denen des Mannes vor und sub-
sidiarisch haftet auch das Sondergut des Mannes dafür (§. 78). Ein
Verzicht eines Gatten auf die Gemeinschaft zum Nachtheile Anderer
findet nicht statt. Doch kann die Ehefrau durch die Errichtung eine*
Inventars binnen drei Monaten von Auflösung der Gg. an sich der
Haftimg für die Gemeinschafts-Schulden Uber ihren Antheil an der
Gg. hinaus entziehen (§. 82).
Der Titel II. haudelt in 4 Abschnitten von den Heiraths -
Verträgcn, durch welche das gesetzliche Güterrecht der Ehegatten
abgeändert werden kann, von der allgemeinen Gg. und Err.-
Gemcinschaft, falls diese laut der Eheverträge gelten sollen, und
von den bei Ausschliessung jeder Gg. eintretenden Rechtsverhalt-
nissen.
Der dritte Titel hebt die s. g. Nachtheile der zweiten Ehe (§. IGT) .
die Emkindschafts- Verträge (§. 106), die Beschränkungen der Schen-
kungen unter Ehegatten (§. 108) auf. Die Bestimmungen des ge-
meinen Rechts über den Erbschafts-Erwerb der Kinder unter väter-
licher Gewalt (sui heredes) sollen fortan auf alle Erben Anwendung
finden (§. 107). Der Ehemann und beziehungsweise der überlebende
Gatte hat bei dem gesetzlichen Niessbrauch keine Caution zu stel-
len (§. 109).
Betrachtet man nun diesen Gesetzes-Entwurf an sich, so lässt sich
nicht verkennen, dass er, wie auch die beigefügten ausführlichen Mo-
tive darthun, mit grosser Sorgfalt und mit einer auch das geringste
Detail beachtenden Genauigkeit ausgearbeitet ist. Will man sich für
Digitized by Google
- 293 -
den Güterstand der Gemeinschaft der Mobilien und der Immobiliar-Err.
entscheiden, so kann man sich im Allgemeinen mit den darin enthal-
tenen Bestimmungen einverstanden erklären. Doch schliesst dies nicht
aus, dass man in einzelnen Punkten sich zu Bedenken und Aende-
rungen veranlasst finden mag. Hierher gehört zuerst die überaus be-
vorzugte Stellung, welche dem Ehemanne eingeräumt wird, und durch
welche die Rechtsfähigkeit der Frau in einer mit den jetzigen An-
sichten kaum zu vereinbarenden Weise beschränkt erscheint. Die Be-
rufung auf die Mundialgewalt des Mannes kann dies nicht rechtfer-
tigen. Der Grundsatz des alten fränkischen Rechts, dass in wichtigen
Angelegenheiten und namentlich bei Veräusserung von Liegenschaf-
ten, selbst wenn sie dem Ehemanne allein gehören, nur die gesammte
Hand handeln solle, ist wohl ohne hinreichenden Grund aufgegeben.
Bei der Beschränkung des Sonderguts auf Liegenschaften, die heut
zu Tage nur in seltenen Fällen den Hauptbestandteil eines Vermö-
gens bilden, und bei dem Wegfall der Dotalprivilegien ist die Ehe-
frau mit ihrem Vermögen beinahe völlig in die Hand des Mannes ge-
geben und das ihr im Titel I. Absch. V. eingeräumte Recht, eine
Vermögens- Absonderung zu verlangen, bietet ihr nur einen sehr ge-
ringen Schutz. Denn sie kann diese erst verlangen, wenn sich die
Angelegenheiten ihres Mannes schon in Unordnung befinden, sie muss
dann noch ein Beweisverfahren veranlassen, ein gerichtliches Urtheil
erwirken, dessen Rechtskraft abwarten, und es dürfte, bis dies Alles
geschehen, nur in den wenigsten Fällen von ihrem Anthcil an dem
Gg.-Vermögen etwas übrig bleiben. Auch der §. 41, welcher der Ehe-
frau einen gesetzlichen Pfandrechts- Titel an den zum Sondergut
ihres Ehemannes gehörenden Immobilien wegen aller ihr bezüglich
ihres Sonderguts zustehenden Ersatz-Ansprüche gewährt, kann bei
dieser doppelten Beschränkung nicht viel helfen. Die Motive des Ent-
wurfs, welche die Stellung der Frau während der Ehe als eine „durch-
aus untergeordnete, mehr passive" bezeichnen, erkennen zwar an,
dass das Gesetz der Frau ein Mittel gewälircn müsse, den Verlust
ihres Vermögens und ihrer Subsistenz abzuwenden, wenn der Mann
einen sie gefährdenden Gebrauch von seinen ausgedehnten Dispositions-
Befugnissen mache. Aber was ihr hier das Gesetz gibt, ist zu dem
beabsichtigten Zweck nicht ausreichend. Mit diesen Anordnungen
über die Verwaltung der Gg. hängen die Bestimmungen über das ehe-
liche Schuldenwesen genau zusammen. Denn es sind desswegen alle
Schulden, welche der Mann allein contrahirt, Gemeinschaftsschulden und
mithin auch aus dem eingebrachten Mobiliarvermögen der Frau zu
bezahlen. Die Vorschriften des Entwurfs über das eheliche Schulden-
Digitized by Google
- 294 -
wesen, welche in den Motiven nach einer sehr guten Schilderung der
betreffenden Bestimmungen der verschiedenen Statuten ausführlich be-
gründet werden, sind überhaupt sehr complicirter Art, aber es ist die»
bei dem gewühlten Güterrecht, wobei immer drei Vennögensmas*eD
coneurrireu und dabei noch die schwierige Unterscheidung von Mobi
liar- und Imraobiliarschulden obwaltet, hier so wenig zu ändern , als
bei der Auseinandersetzung der Gg. Mit Recht bemerken die Motive,
der Begriff der Gemeinschaftsschulden sei vielfach dahin missverstan-
deu worden, dass man jeden der Ehegatten dafür zur Hälfte mit sei-
ner Person und seinem Sondergute verhaftet angesehen habe, weil die
eheliche Gemeinschaft irriger Weise als eine Art von Societät ange-
sehen und das Verhiiltniss der Ehegatten zu einander und zu den
Gläubigern nicht aus einander gehalten worden sei. Wie weit ein
Ehegatte dem Gläubiger persönlich und mit seinem Vermögen ver-
haftet sei, bestimme sich nur nach den allgemeinen Gnmdsätzen des
Obligationenrechts: dass der Schuldner als Ehegatte in einer Gg.
lebe, ändere an seinen .persönlichen Verpflichtungen nichts, sondern
verschaffe dem Gläubiger nur noch weitere Befricdigungs-Objecte. Kr
könne nämlich nun das Geineinschafts- Vermögen als Exccutions-Objeet
angreifen, und zwar das gesaramte, nicht blos den Ideal-Antheil des
Schuldners daran.
Ebenso sehr dem fränkischen Rechte widersprechend ist sodann
die communio prorogata, welche der Entwurf aus dem Gesetze für
Westfalen herüber genommen hat. Während grade der Erwerb de*
Wittwoustandes nach fränkischein Rechte dem parens superstes aus-
schliessüch gehörte, soll danach jeder solcher Erwerb, welcher durante
matrimonio in die Gg. gefallen wäre, auch in die fortgesetzte Gg.
fallen ; von Seiten der Kinder dagegen nur der Ertrag ihrer Beihülfe
in dem elterlichen Gewerbe oder Haushalt. Es wird jedoch das Be-
denken, dem Güterstande der partikulären Gg. das fremdartige Insti-
tut der prorogata einzufügen, durch die Vorschrift des §. 60 gemindert,
wonach superstes jederzeit deren Aufhebung verlangen kann und so
wird es immerhin der Erfahrung überlassen bleiben können, ob sich
diese Einrichtung in der Praxis bewährt oder nicht.
Was nun die Stellung Frankfurts insbesondere zu diesem Ent-
würfe anlangt, so tritt hier die Frage in den Vordergrund, ob es sein
althergebrachtes Güterrecht der blosen Err.-Gemeinschaft gegen den
Güterstand der Gemeinschaft der Mobilien- und der Immob.-Errungen-
schaft aufgeben solle.
Dass das Frankfurter Güterrecht an mancherlei Mängeln leidet
und mehrfacher Verbesserung fähig ist, geht aus der obigen Schilde-
Digitized by Google
- 295 -
rung desselben hervor. Wie es aber nun einmal von Alters herge-
bracht ist, entspricht es den hiesigen Verhältnissen und es wird nur
in sehr seltenen Fällen durch Ehe vertrage abgeändert. Eine Vertau-
schung desselben mit einem andern Güterstando wird daher keines-
wegs gewünscht werden. Nur ganz wesentliche Vorzüge des letz-
teren könnten dazu Veranlassung geben. Solche aber sind in der
Gemeinschaft der Mobilien- und Immob. - Errungenschaft nicht zu
finden. Denn beide Güterrechtssysteme stimmen grade in" den Haupt-
punkten tiberein, d. h. in der Aufstellung der drei verschiedenen
Gütermassen und in der Unterscheidung des liegenden und fahrenden
Guts. Ich würde, wenn ein neues Güterrecht eingeführt werden
sollte, lieber zu dem altfränkischen Rechte der gesammten Hand oder
allgemeinen Gg. zurückkehren oder für das System der Vermögens-
trennung stimmen. Der eheliche Erwerb, wie er zumeist von dem
Manne herrührt, würde diesem allein gehören und die Frau, der ihr
eingebrachtes Vermögen unter der Verwaltung des Mannes unge-
schmälert bliebe, würde bei Auflösung der Ehe durch angemessene
Erbvortheile für ihre Beihülfe zu entschädigen sein.
Hiernach kann es kaum zweifelhaft sein, dass Frankfurt dem
Entwürfe zuzustimmen keinen Grund hat und dass vielmehr sein Be-
streben dahin gehen müsste, an der Mosen Err. -Gemeinschaft festzu-
halten, zudem da, wie schon der Bericht der Comraission richtig be-
merkt, dieselbe beinahe durchgängig in den neuerworbenen Gebieten
herrscht und es mithin viel zweckmässiger wäre, dass der ohnehin
kleinere Theil des ostrheinischen Bezirks, in welchem dies nicht der
Fall ist, hierin sich dem in weit grösserem Umfange geltenden Rechte
anschlösse.
Indessen könnte man auch auf der andern Seite sagen, dass
grade, weU die Systeme der Errungenschaft- und der Particular - Gg.
im Wesentlichen auf derselben Grundlage beruhen und während der
Dauer der Ehe nicht viel von einander abweichen, die Annahme des
letzteren Gtiterstandes auch keine grossen Inconvenienzen mit sich
führen dürfte und dass, wenn nur dadurch in einem grösseren Gebiete
eine Rechts-Einheit erzielt werden könnte, dieses offenbaren Vortheils
wegen auch Frankfurt auf sein bisheriges Recht verzichten solle.
Würde aber diese Voraussetzung eintreten, so müsste der vor-
liegende Entwurf doch in wesentlichen Pünkteu modifizirt werden,
wenn nicht bei den meisten Ehen begüterter Leute durch Ehever-
triige ein abweichendes Recht begründet werden soll. Zu den be-
reits oben überhaupt geltend gemachten Bedenken treten dann noch
weitere hinzu. In dem ganzen Bezirke, für welchen -dieser Entwurf
Digitized by Google
296 -
ursprünglich bestimmt war, findet sich mit Ausnahme von YVetxln
kein grösserer Ort und es ist begreiflich, dass ein für eine vorzugv
weise ländliche Bevölkerung berechnetes Gesetz den Bedürfnissen ebtr
städtischen Einwohnerschaft nicht tiberall entsprechen kann. Eben**
ist aber auch bekannt, dass umgekehrt ein Ehe-Gtiterrecht , welche*
sich in den Städten bewährt, auch auf dem Lande nicht nachtheiLg
wirkt81). Wenn daher auf dem Lande der Begriff der Immobüb
auf die wirklichen Liegenschaften beschränkt werden kann, so ist dir«
in einer Handelsstadt nicht thunlich und die in Frankfurt geJteadt
Immobilisirung gewisser Forderungsrechte, namentlich der Hypotheken
und der mit hypothekarischer Sicherheit versehenen Werthpapiere
(vgl. oben S. 279) wäre daher in den Entwurf an Stelle des §. 10 aunro
nehmen. Es kommt hierbei weniger darauf an, ob ein Gegenstand wirk
lieh unbeweglich ist, als darauf, dass der Grundstock des Vermögen*,
die Basis, auf welcher der Familien -Wohlstand beruht, die mit der
lmmobiliarqualität verbundene festere Stellung einnehme. In den
Städten aber bildet Haus und Hof nicht diesen Grundstock wie aut
dem Lande. Ebenso wäre der Grundsatz der Surrogate in §. 7
wieder herzustellen. Sodann mttsste, wie schon oben bemerkt, die
Ehefrau theils ihrer ganz untergeordneten Stellung entnommen, theil*
für ihr in die Ehe gebrachtes Vermögen besser gesichert werden.
Es liegt ein Widerspruch darin, auf der einen Seite die Frau als mit-
thätig bei dem ehelichen Erwerbe und daran betheihgt anzusehen,
auf der andern Seite sie allen rechtlichen Einflusses auf die Erhaltung
des ehelichen Vermögens zu berauben, ebenso wie sie auf der einen
Seite von jeder Theilnahme an der Disposition über das gemeinschaft-
liche auch ihr Mobiliar - Einbringen umfassende Vermögen auszu
Bchlicssen und sie auf der andern Seite ohne genügende Sicherheit
für dasselbe zu lassen. Es ist in Frankfurt wie in andern Handels-
städten immer darauf gesehen worden, das Vermögen der Frau vor
den Wechselfällen des Handels thunlichst zu schützen und in diesem
st) Gerken Aber die eheliche Gg. des Erwerbs in der Grafschaft Wittgen
stein (Neues Archiv für preuss. Recht Bd. XII. Armbarg 1847. S. 408) bespricht
das nach der Witgenst. Gerichtsordnung von 1569 geltende Güterrecht. Er be-
merkt, dass diese Erwerbs Gg. nur auf wirklich gemeinschaftliche Arbeit gebt?,
was der Richter, Advokat, Arzt erwerbe, sei daher kein acquistas conjugalis: die
ganze Gerichts- Ordnung sei nicht fiir die Beamten n. s. w., sondern für die Bauen
gegeben und passe für sie. Aber, was Gerken nicht wusste, diese Gerichts-
Ordnung ist in der fraglichen Materie eine beinahe wörtliche Wiederholung der
Frankfurter Reformation. Vgl. Zeitschrift für deutsches Recht 3L 58.
Digitized by Google
- 297 -
Vermögen bei Unglücksfällen einen Anhalt für die Familie zu schaffen.
Den Gläubigern, die dies Verhältniss kennen, und sich, wie die Er-
fahrung zeigt, wenn sie bei ihrer Geschäftsverbindung mit dem Manne
auch auf das Vermögen der. Frau rechnen, durch besondere Ueber-
einkunft mit der Frau zu sichern wissen, geschieht damit kein Un-
recht Die Frauen, denen man im fränkischen Hechte seit Jahrhun-
derten bei der gesammten Hand eine Mitwirkung einräumte, sind
heut zu Tage zu derselben nicht weniger befähigt wie früher. End-
lich wäre die prorogata zu beseitigen, da diese auf ganz anderen Vor-
aussetzungen beruht, als wie sie in den grösseren Städten anzunehmen
sind. Bei den Ackerbürgern kleiner Orte und bei den Bauern in
Westfalen, woher diese prorogata stammt, ist es allerdings die Regel,
dass die Kinder in dem elterlichen Geschäfte oder Haushalte eine
solche Beihülfe leisten, die nach dem Tode des einen parens als Aus-
gleichung dafür sich ansehen lässt, dass der tiberlebende Gatte seinen
gesammten Erwerb des Wittwcnstandes in die fortgesetzte Gemein-
schaft einzuwerfen hat Bleiben ja dort selbst die nachgebornen Ge-
schwister, wenn der Bauerhot dem Acltesten zufällt, meistens auch
auf dem Hofe und gewähren in ihrer Arbeit die Gegenleistung für
den Unterhalt und die einstige Aussteuer, die sie aus dem Hofe empfangen.
Dass aber die erwachsenen Kinder in den Städten in dem Hause dos
verwittweten parens bleiben und miterwerben, ist ein seltener Fall.
Die prorogata könnte hier nur eingeführt werden, um beinahe immer
durch Testamente oder alsbaldige Schichtung beseitigt zu werden.
Bei meinem Vortrage über diesen Entwurf im Kreise der juri-
stischen Gesellschaft wurden neben den allgemeinen Grundsätzen des-
selben auch die einzelnen Bestimmungen eingehend besprochen: dar-
auf auch hier einzugehen und das Ergebniss der Berathung in der
Form eines Gcgen-Entwurfs, wie ein solcher von einem andern Mit-
glied der Gesellschaft vorgelegt wurde, zusammenzufassen, schien
nicht am Platze, sondern mag einer spätem Zeit vorbehalten bleiben.
Digitized by Google
- 298 -
Urkunden
zur Geschichte der Familie Frosch
and Ihrer Besitzungen,
initgothcilt von Dr. L. H. Eulcr.
I.
1324. (1. Deoember.) Herr Ulrich von Hanau verkauft den Hof zu
Riedern an Albrecht sum Esslingen
Wir Ulrich Herre zu. Hanowe, vndt Agnes vnser elicbe
Vrowe, bekennen vffentliche mit dieseme geinwortigen Brieue allen
den die nu sint oder vmmer hernoch konient, die in sehn oder horent
lesen, daz wir mit gesamter hant mit beradene rade, mit vorbedachtem
müde vnndtmit rade vnser frtinde hau verkaufftrec' tliche ondt redeliche
vnsern Hob zu Rydern der da ist gelegen by der stat zu Francken-
vord an dem Maine, mit ackern, mit velde, mit wisen, mit walde,
mit wasser, mit weide, vnd mit den wisen die zu Seckebach sint ge-
legen, die da sint achte Morgen, vndt mit allem dem, daz in den Hob
gehöret, versucht, oder unversucht, css heisse wie es heisse, oder lige
wo es lige, den bescheiden luden Albrechte zum Eßlingcr, Ka-
therinen seiner ehlichcn wirtcn vndt iren erben, burgern zu Francken
vord , zu rechtem Eigen cwiclich zu besitzene, vmme Sechzehenhundert
phunt haller, geng vnd gebe die sie vnss an gereideme gelde hant
gezalt vndt bezalt, vndt gutlich gewert, vndt han daz gelt in vnsern
nutz gewant, mit vmer freunde rade; Auch geloben wir den vorge-
nanten Albrcchten und sinen erben, daz wir oder vnser erben sie
an dem Hobe vndt an allem dem gude, daz darinnen gehöret niemer
sulln gehindern, an keinen enden, oder mit keinen dingen, die in
schodelich oder leit sin, dan wir sulln sie eren vnd furdern an allen
enden, also ferre als sie is an vns suchen vndt gerochen, vndt verzihen
auch alles des rechtes vndt alles dez dinstes, den wir an dem vorge-
Digitized by Google
— 299 —
nanten Hobe vndt an allem dem gute daz darum gehöret bizher haut
gehat, vndt hau wir den vorgenanten Hob, vndt alles daz gut daz da-
i-inn gehöret vf gegeben vndt virzigen, als gewonlich ist in dem Lande,
-Aoich erkennen wir vns, daz wir den Somer, den wir von dem
Ttyche bizher han gehat zu lehen, den Somer den lihen wir dem vor-
genanten Albrecht, Katherinen siner elichen wirten, vndt allen iren
erben sunen vndt dochtern zu glicheme teile von vns vndt vnseren
erben zu rechtem lehen ewicliche zu besitzene. Zu orkunde vnd vester
stedekeid aller dirre dinge, so han wir vnser Ingesigele an diesen
Brief gehangen, der Brief ist gegeben nach Götz geburte dreyzen-
liundert Jar, in dem vier vndt zwentzigsten Jar, an dem neisten dage
nach sante Andreas dage des Heiligen Aposteln.
Aus dem Original im Archiv des heiligen Geist Hospitals. Die zwei Siegel,
das Heitersiegel Ulrichs uod das seiner Gemahlin, eine stehende Dame zwischen
zwei Wappenschildcbcn zeigend, hängen stark beschädigt an. Der Hot Rie-
dern, 1193 von Kaiser Heinrich VI. dem Schnlthcissen Wolfram von Frankfurt
geschenkt (Böhmer Cod. 19), war 1230 an das Kloster Arnsburg gekom-
men (ib. 53) und dieses hatte ihn 1321 tauschweise an Herrn Ulrich von
Hanau gegeben (Arnsb. Urk. Buch her. von Baur Nr. 534). Vgl. Bat-
tonn örtl. Beschreibung I 235. Die vorstehende Urkunde ist aus v. Fi-
chard's Zusätzen zu Battonn I. 260 erwähnt, aber der Zuname Albrechts
irrig zum Esselmyir genannt. Bald darauf kam der Hof in den Besitz der
Frosche und Bpäter an das h. G. Hospital.
H.
1342. (31. Ootober.) Urtheil Aber die von Katharine zum Bebstock
an Wioker Frosch gemachte Schenkung.
Wir der Scbultheiz und die scheffen zu Frankinford irkennen uns
uffinliche an dysem bryfe, das meister Wyk er Froschs Senger
zu Sant Bartholomcc zu Frankinford qwam für uns und nam sich an
eyner gyfft die ime geton bette Katherine zu dem Rebestocke
mit willen und virhengnizse Johannis Froyschis itztund ires
elichen wirtes Solicher gude alse uf sie irstorbin were noch ires
ersten mannis tode Hertwins Seigen zu dem hohenhus von
Alheide selgin irer Bwestir, und stalte meyster Wycker das an uns
die scheffen das wir dar ubir sulden ein recht sprechen, ob die gyfft
macht hette. Die gifft virsprach Rylind dochter etz wanne Hertwins
zu dem hohenhus und Käthe rinen der vorgenant und sprach:
sie hofte bryfe und kundschaft zu brengene das Katherine die vorge-
nant ir mudir die gud ane irc hand nicht virgyfften mochte, sint die
gud noch in ire hand nicht komen werin wand Hcrtwig Wizse sinen
lypzucht daran haben sulde. Da ubirqwamen wir die scheffen mit dem
Digitized by Google
- 300 -
urteile das die gyflft macht bette, wand die gud uf ^Catherinen alsu
virfallen werin da» sie die gud gebin luochte weme sie wulde, Hert
wige Wizsen sine« rechtin an siner lypzucht und an siner gyfft der
gude ejn teyl der er sich beidir virmaz un verlustig, es enwere ckn
das Rylind bryfe und kundschaft brechte und bewysete warum die
gyfft nieht macht sulde haben, und sasten des meyster Wyckere und
Rylinde ire rechtlichen tage zu dren virzehen nachten uz. Der tage
wartctin sie und yschcn ie von eyme tage zu dem andirn ire recht-
lichen tage, da cnbrochte Rilind keine kundschaft die sie adir yman
helfen mochte und brochte bryfe. Die bryfe teileten wir die acheffen
mit dem urteile das sie nicht macht enhetten, und geviel meyster
Wyckere das urteil, das er mit der eygintschaft der gude tun und
lazsen mochte noch allen synen willen alse mit synem eygen gude
Des sprach mcister Wicker zu Hertwige Wrizsen dem vorgenant um
die nemelichen gud das er ime die gud lizse lygen und in dar an
nicht enirrete unde um die schare die er siddir Alheiden selgen tode
der vorgenannt davon uff hette gehaben. Des sint meyster Wicker
und Hertwig lypliche gutliche und gentzlichc gerichtit um alle die
stucke sache und anspräche mit ir beidir vronde rade mit ir beidir
wizsen und willen, mit willen und virhengnizse Johanis Froyschis
und Katherinen siner clichen wirten der vorgenant. Also das Hert-
wig sol haben und blyben ewecliche by dem huse und gesczse zu
demc Rebestocke hindene und vorue da er itzund inne wonit und
by achte marken geldis und zwein kappengeldis die hernach sten*
geschrebin, mit namen seste halbe mark geldis uf dem Roeinbome,
zwo mark geldis und zwene kappengeldis uf dem newen huse vor
dem nürnberger höbe das Heile Starkerad hat gebuwet und drinne
wonit, und eyne halbe mark geldis hindene an Zilinanne in der Lu-
prandisgazsen, und uf das hus und gesezse hindene und vorne, zu dem
Rebestocke und uf die achte mark geldis und zwene kappengeldis hat mei
ster Wycker luterliche und geutzliche virtzegen. So sal meister Wycker
habeu und blyben ewecliche by allen den guden mit namen by der
phening gulde in der Stad zu Frankinford, by dem h >be lande
wysen und walde und was darzu gehorit by dem nidirn holtze da«
etzwanne was Alheide selgen zu dem Rebstocke der vorgenant»
und by den guden zu Bruningysheim zu Erlebach zu Friedeberg zu
Zilsheim zu Burlachen zu Prumenheiin zu Sodeu zu Hohenstad zu
Hoberade und by allen den lyginden guden es sy an phenninggulde
an komgulde an lande an wysen an wyngarten an walde wy ez sy,
besucht und unbesucht das Alheid selge gelazsin hat, und da by Hert-
wig von irin wegin gesezsen hat ane das hus und gesezsc hindene
Digitized by Google
- 301 -
und vorne zu dem Rebestocke und die achte mark geldis und zwene
kappen geldis alse vor Stent geschrebin, und sal meistcr Wyker itzund
in gewerde und nutz der gude dredin da Hertwig sinen lypzucht
by gesezsen aulde haben, alse er sich virmaz und des ime ein teil
vergyfFtit waren von Alheide der vorgenant alse er sich auch virmaz,
und hat Hertwig uf die gud und uff die lypzucht der gudeallis sines
rechtin das er daran haben mochte lutirliche und gentzliche virzegen,
und sullen jr y glicher by Byrne teile der gude ewecliche blyben
sitzinde und mögen myde tun und laszen gyfften und gebin adir vir-
koufFen wy sie lustit ane alle anspräche hindirfal und widdirredde
Johannis Froyschis Katherinen siner elichen wirten und Rilinde der
vorg. und irer erben und eyues yglichen ane alle argelist und ge-
verde. Wers auch das meyster Wycker adir Hertwig von todis
wegen abegyngen und die gud nicht virgyfften virkeufften adir vir-
lyhen, so sal meyster Wyckers gud uf sine neysten erben vallen und
Hertwigis gud uf sine neyste erben vallen und den ewecliche bliben.
Und ich Wycker Froyschs vorg. irkennen mich das ich Hertwige
han ufgegebin und gebin ime uff mit dysem geynwortigen bryfe und
virzihen auch lutirliche uf das hus und gesezse zu dem Rebestocke
uf die achte mark geldis und zwene kappen geldis afee vore Stent
geschrebin yme und synen erben adir weme er sie gyfffcet virkouffet
oder lylict ewecliche zu habenc und zu besizene ane alle anspräche
myn Wyckerz myner erben und eynis iclichen. Und ich Hertwig
irkennen mich das ich han meister Wyckere ufgegebin und gebin ime
uff in dysem bryfe und virzihen lutirliche uff alle die lyginden gud
die Alheyd selge gelazsen hat und die ich von iren wegen hatte und
drinne saz und uff die gyfft und uf den lypzucht der gude mit dysem
geinwortigen bryfe ime und sinen erben ewecliche zu habene und zu
besitzene ane alle anspräche myn Hertwigis miner erben und eynes
iclichen, ane uff das hus und gesezse zu dem Rebestocke uff die achte
mark geldis und die zwene kappen geldis alse vor stent geschrebin.
Auch irkennen ich mich Wycker vorg. was dysis vorgeschrebin gudis
das mir in dysir vorgeschr. richtunge wurden ist, inpflichtig ist zu
Frankinford und von aldir hcre zu Frank, bedde und sture hat ge-
gebin, das sal auch vorwert bedde und sture gebin alse andire bür-
gere gud dut das zu Frank, ist gelegin. Zu Urkunde dyser dinge
und zu vestir stetikeid son han wir meyster WickerFroyschs und
Johann Froyschs unsir ingesigel zu der stede zu Frank, ingesigel
und zu Hertwigis ingesigel an dysen bryf gehangen der ich Kathe-
rine mit in gebrochen, und wir der schultheizse und die scheffen zu
Frank, irkennen uns das alle dyse vorgesclu*. stucke vor uns geur-
Digitized by Google
teilit gerichtit gebandilt und irgangen eint alse vorgeschr. Btet und aucL
mechtig sint und da» sie auch ewecliche stete und vestc werdin ge^
haldin und von nymanne zubrochin ensullen werdin, so han wir
unser Stede ingesigel zu meyster Wyckerz und Johannis Froyschis
und zu Hertwigis ingesigeln an dysen bryf gehangen, und Gyple
von Holzhusen ein scheffln zu Frank, des da sitzit zu gerichte an
des schultheizsen stad zu Frank, irkennen mich das alle dyse vor-
geschr. stuke vor mir alse vor dem Amt manne geurteilit gerickh
gehandilt und irgangen sint und auch mechtig sint und von nymanne
zubrochin ensullen werdin und ewecliche stede und veste sullen wer-
din gehalden, und des zu vestir stedekeid so hau ich min ingesigel zu
der stede zu Frank, zu meyster Wykerz Johannis Froyschs und
Hertwigis des vorg. ingesigel an dysem bryf gehangen, das ich Hert-
wig für mich und Elsen myne eliche wirten an dysem bryf han ge-
hangen, und ich Else irkennen mich, dass alle dise vorgeschr. stucke
mit myme guden willen und virhenguizse sint geschehen und verzihen
darufF lutirliche und gentzliche mit dysem geinwortigen Bryfe nndir
Hertwigis myniB huswirtis ingesigel des ich mit ime gebrucheu. Ge-
gebin da man zalte nach gots geburte Drutzchenhundirt iar in dem
zwey und virtzegisten iare an allir heylegin abinde.
Nach einer vom Original genommenen Abschrift des Herrn v. Fichar-l
Es ist diese Urkunde, abgesehen von ihrer Bedeutung Air die Geschichte
der Familie Frosch, auch desshalb von Interesse, weil sie eine Frage ent-
scheidet, die in dem fränkischen Rechte der gesammten Hand zu den strei-
tigen gehörte. Es fragt sich nemlich, ob wenn dem Erben Güter anfidlen,
an denen dem überlebenden Ehegatten des Erblassers die Leibzucht gebührt,
der Erbe ( Anwärter) wärend der Dauer dieses Leibzuchtsrechts bereits über
seine Rechte an diesen Gütern verfügen kann. Wie Sandhaas fränk. ehe-
liches Güterrecht 8. 225. 228 zeigt, gewähren einzelne Quellen dem An-
wärter diese Befugniss, andere nicht. Nach Frankfurter Recht aber hatte
er diese Befugniss, selbstverständlich ohne Nachtheil für die Rechte de«
Lc'ibzüchters. Katharine von dem Rebstock hatte die hinterfälligen Güter
ihrer Schwester Alheidis nach dem Tode ihres ersten Mannes Hertwin zo
dem Hohenhaus, im Wittwenstande , ererbt und konnte daher ohne Rück
sieht auf Rilinde die Tochter aus ihrer ersten Ehe darüber verfügen. Aber
Alheid's hinterlassener Ehemann Hertwig Weiss hatte noch die Leibzucht
daran und desswegen glaubte Rilinde, dass ihre Mutter dieses Verfügungs-
recht doch nicht habe, es sei dann mit ihrer Hand, d. h. Zustimmung. Du
Gericht war jedoch anderer Meinung und wies die Klage ab, da RiUnde
weder die Geltung eines anderen Rechtes durch Kuntschaft nachweisen, noch
eine besondere desfallsige Bestimmung durch Urkunden darthun konnte.
Auch die Bestimmung der Gerichts-Termine nach Nächten ist zu bemerken,
sowie dass die Gülten unbedingt zu den liegenden Gütern gerechnet werden.
Von fahrender Habe ist keine Rede, denn diese hatte Hertwig Weiss geerbt.
Digitized by Google
- 303 -
III.
1343. (26. October.) Der Btadt Frankfurt Schenkung eines Bau-
platzes an Wicker Frosch.
Wir die Burgermeister die Scheffen und der Rat zu Frankinford
irkennen uns uffcnliche an dysem bryfe ajlen die die in sehind odir
horind lesen, das wir mit beradem mude, durch god und durch nutz
unsir Stede und armer lüde han virhengit und virhengen mit dysem
geinwortigen bryfe dy hovestad vor Buckinheimer thore
zusehen der nuwen muren und dem burgraben dy da stozsit an das
porthu» desselbin Buckinheimer thoris zu der linketon hand als man
in die stad get, mit namen von dem porthus an bis an das Eyduch
das da durch get, dem erbarn manne meyster Wyckere Froysche
Sengere zu Sant Bartholomee zu Fr. zu eyme spydal sychen und
andir arme lüde da inne zu haldene und zu eyner ewigen mezse und
zu andir me gehusc und notdorfft die dar zu gehorind zu machenc
und zu bestellene ewicliche mit synen erben adir andirs wy he wil
adir kau und ez allirbest und godeliches bedunckit ane argelist und
geverde ; wirz auch das andirz yman me ewige mezse dar mechten
die mochten auch die mezse die sie mechten bestellen wy sy luste,
meyster Wyckers und des Spydalis an svme rechtin unschedelich und
unverlustig. Auch sal alle die gulde und gud, die zu dem Hpydale
gegebin gesest odir gemacht wirt adir itzund ist, die inpfliehtig und
bedehafft sint, dem Ryche dynen und bedde und sture gebin, als andir
bürgere gud dut, das zu Fr. ist gelegen. Wers auch, das andirs
yman me da uzwerter icht me wulde machen adir buwen ob ez ime
virhengit wurde, der mag auch das bestellen wy in lustit ane ge-
verde. Auch ensal man da obewendig dar erden keinen thurn adir
kein gewelffe buwen adir machen, ez ensy dan mit unBirme des Radis
rade und willen. Zu urkund dysir dinge han wir unsir Stede inge-
«igel an dysem bryf gehangen. Actum et datum anno dorn. MCCCXLIII
feria quinta post undeeim milium virginum.
Nach der von dem Original im KatharineuKloster genommenen Abschrift
des Herrn von Fichard.
Digitized by Google
— 304 -
IV.
1346. (1. Mai.) Schenkung des Wicker Frosch an das neue Spital
zum h. Kreuts.
In Godes Namen. Amen. Ich Wycker ein Schulmeister zu
Saut Stephan zu Meintze, Sun Heylmans seligen Froysches.
etzwanne eins Scheden zu Frankenfurt, dem Got gnade, bekennen
mich an disem brieve, daz ich durch Gottes willen und mins vadern
egcnante und Elzbet seligen Sele miner müder und aller miner
alt vordem und aller gelaubigen Sele willen und Gode und seiner lie-
ben müder und allen heiligen zu lobe und zu eren und sunderlicb
dem heiligen Crutze und der heiligen Junkfrawen Sant Kathrinen
han gegeben und geben an disem brieve dem nuwen Spidale
zu Fr. vor Buckenheimer dore gelegen, den ich egenanter Schul-
meister mit miner koste und arbeide und mit minem gude han gc machet
und gebuwet den Syechen daselbes zu irer nerunge und notdurft alles
daz gud, daz hernach stet geschriben. Zum ersten fimftzig phuut
heller geldes di mir gebent der Convent und daz Clostcr von B Ur-
nen b ach graez ordens alle jare uf Sant Martins dage als die briefe
besagent die dar über sint gegeben. Anderwerb sechtzig phunt heller
geldes die ich han gekauffet umbe den Stift von Meintze mit minem
eygen gude und ist man die gulde antheizzige worden S y f r i d
Froysch minem bruder, einem Scheffen zu Fr. als auch die brieve
sagent die dar über gemachet sint. Und wie wol die brieve im
sagen so ist die gulde doch min, als auch der selb Syfrid min bruder
daz hernach erkennet under sinem eigen ingcsigel. Item alles min
gut daz ich zu Bruningesheim han, ersuchet und unersuchet, daz
Wentzel Kirchdorffer itzunt inne hat und mir alle jare da von gibet
nun und funftzig achteil korngeldes, vier achteil weiszes, zwei achteil
erweiz, ein summerin linsen frankenfurter maszes und ein halb deil
was in einem garten wechset und auch das hauwe zu male daz uf
miuer wisen wechset daselbes. Item nun Schilling und dry heller
geldes und ein hun ierlicher gulde die man mir zu Vurlachen gibet
uf Sant Martins dage und ander alles min gut daselbes zu Vurlachen
daz ich han vererbet umb zehen achteil korngeldes tranken!", maszes,
die man antwurten sal zu Fr. zusehen den zwein unser frawen dagen
uf denselben Spidale. Item min gut zu Zilsheim das ich geluhen
han LuchtcwiBzcn umbe nun achteil korngeldes frankf. maszes die
man auch antwurten sal zu Fr. uf den selben Spidale. Item vier
achteil korengeldes uud nun koelsch penninge geldes, das korn zu-
Digitized by Google
- 305 -
>ohen den zwein unser frawcn dagen und daz gelde uf Sant Martina
Inge das gibet Peder Knauf von einer hübe landes zu Hohenstat.
Item drithaib achteil korngeldes auch frankf. maszes daz da gibet
llcnnekin Gold stein zusehen den zwein unser frawen dagen von
hinein hove und gude zu Nider Kode. Item zehen achteil koren-
j^eldes auf minem hove und allem minem gute zum Heb stocke by
dem nider n Holtze. Auch sal man wizzen daz daz gut zu Bru-
ningesheim gibet vier mark peiininkgeldes uf den Stift zu Sant
r,yenhart zu Fr. zu einer vicaryen alle jare zusehen den zwein unser
frawen dagen und gibet auch drittenhalben pennink zu der parre zu
Bnmingesheim und zu der parre zum Haue sechsdcnthalben pennink
uf Sant Martins dage. Alle dise vorgeschriben stucke die han ich
vorgenanter Schulmeister gedan mit beradem mude und mit wizzende
und willen hern Hey Im ans des pharrers zu Fr. und des vorgenan-
ten Syfrid Froysches miner brudere und Sifrid Weiders mins
swagers. Und zu Urkunde und stedikeit discr vorgeschriben gift und
stucke han ich der Schulmeister disen brief gegeben besigelt mit
minem ingesigele und han gebeden die erbarn herren die geystlichen
riclitcre des heiligen Stuls zu Meiutze, daz Bie irs gerichtes ingesigele
zu merer sicherheide an disen brief auch gehangen hant. Auch han
ich gebeden min brudere und Syfricd Weider minen swager die vor-
genanten, und die erbarn herren, hern Reynhart Dechan des stifte«
zu Sant Bartholomeus und hern Heinrich Dechan des Stiftes zu
unser frawen und Sant Georien zu Fr. daz sie zu raerrem gezu-
knusse und Urkunde aller diser Dinge ire ingesigele auch an disen
brief gehangen han. Und wir die richtere des heiligen Stuls zu
Meintze bekennen an disem brieve daz wir durch bete des erbem
mannen meister Wyckers Schulmeisters des vorgenanten zu merre
Sicherheit aller diser dinge unsers gerichts ingesigel mit warer wiz-
zende an disen brief gehangen han. Auch bekenen wir Reynhart
und Heinrich Dechan egenant, daz wir auch durch bede des erbarn
mannes des Schulmeisters vorg. unser ingesigel an disen brief gehangen
han. So bekennen wir der pharrer, Syfrit Froysch und Syfrit Wei-
der egenant an disem brieve daz unser bruder und myn Syfrid Wei-
ders swager, der Schulmeister vorg. alle dise vorgeschriben dink ge-
tan hat mit unser wizzende und willen, und bekennen ich Syfrid
Frosch egenant sunderlingen , wy wol die brieve der sechtzig phunt
geldes mir und minen erben steen, als hie vor geschriben ist, so ist
doch dicsclb gulde des Schulmeisters mins bruders und nit min noch
miner erben, wan der selb Schulmeister sin eygen gelde umb die-
selben gulde gantz und garwe betzalt und gap, und nit ich. Und
IV. 20
Digitized by Google
- 306 -
(User dinge zu Urkunde warhude und merre sicherheide han wir drye
auch unser ingesigel durch bete des selben Schulmeisters an disen
brief gehangen. Diser dinge sint gezuge und warn auch da byc die
erbern lüde her Kune von Frideberg, her Kunrat Boltz mul
her Heinrich Lamperter vicarien des vorg. Stiftes zu Sant Bar
tholomeus, her Cunrat von Heidelberg und her Dy et rieh von
Wetzlare prysterc gesellen des vorgenanten pherrers zu Franken-
furt und Syfrit Bcrtholdes seligen sun von Walcustadt , etswannt-
eins Scheffen zu Frankenf. und ander erber lüde vil. Diz geschah
und wart diser brief gegeben zu Frankenfurt uf Sant Walpurg dagv
des iars da man zalt nach Christes geburt Dusent jarc druhundert
iare und in dem sechs und viertzigsten iare.
Nach einer ans dem Originale im Katharinen-Kloster genommenen Ab
schrift des Herrn von Fichard.
V.
1353. (Mai.) Schenkung des Wicker Frosch an das Katharinen-
Kloster.
In Godis namen amen. Ich Weycker ein Schulmeister zm-
St. Stephan zue Mentz Son Hey Im an n seligen Froysches etswan
eins scheffen zue Frankenfurt dem god gnade, bekennen mich an
diesem brive, daz ich durch Gotes willen und meines vader egenant
und Elisabeth seliger sele meiner müder und aller meiner altvor
dem und aller glaubigen sele willen und Gode und seiner lieben
müder und allen Heiligen und sonderlichen der heiligen Jungfrawen
Sant Katharin zue Lob und zue eheren han gegeben und geben an
diesem briefe dem newen cl oster zu Frankf. vor Bockenheimer dor
gelogen in der newen Stat, daz man weyhen sol in der vorg. Jung-
frawen eher Sant Katharinen, daz ich egenanter Schulmeister mit
meiner kost und arbeyt und mit meym gude han gemachet und ge-
bawet, den Jungfrawen daselbs zue irer nahrung und notturft alles
das gud daz hernach geschrieben stet Zu dem ersten das gud zue
Breun gisheim das ich verlihen umme sechtzig achtel korns vier
achtel erwez und sechs achtel weitzes imd ein simmeru linsen. Von
demselben gude gibt man zu einer vicareyen zue S. Georgien
zue Fr. vier margk pfenning alle iar zuscheu zweyen frawen-
tagen Assumptio und nativitas. Anderwerbe geben ich dem vorg.
closter daz gud zu Petterwyl daz ich geluhen han Herolde
und Güldenere, Herolde virdehalb hübe um virtzig achtel korns
und zwolff achtel wcytzes und umme zwo gense und zwey hunere, und
Digitized by Google
- 307 -
dem Güldenere eyn hübe um dreytzehen achtel koras ohn eyn aim-
mern, und um drey achtel waizaeB franken furter mazaea. Item sechs
mark pfenning geldes uff S. Walpurgen tag die do gibt Arnold ge-
nannt zum Home von sinera huae uf dem Rozaebuhel daz da
was der alten Buraey aterin. Item vonff phunt heller ohn einen
Schilling heller geldea uff S. Mertins tage daz da gibt Gunderade
Schurgen von irem hua gelegen an Arnoides hus vorgenant und
was auch der alten Bumeyateren. Item zwo mark pfenning geldes uf
der Gunderaden hua uffe dem Roazbuhel oben am Brunenfels ge-
legen und gibet die gulte uf des heiligen Christes dag Else etzwan
eliche wirten Syfried seligen Froyschea dem Got genade. Item
drei Schilling penning gibt auch Fraw Else Froyachen von eim hua
under den Linwedern gelegen uf S. Martins tage. Item Clara
Rulcmannin gibt funfzehen Schilling coehcher von eim hove gele-
gen by den wyazen frawen und heizact Semmelers hove uff S. Wal-
purge dag, und gibt auch ein kappen uff S. Mertena dag von dem-
selben hove. Item ein virdung pfenning gibet Henekin Dozaen bru
der von ainem huB daz do heizaet zue dem gülden rade und liget
uff dem Samstag8berge by dem craniche an dem hua zur dauben
uf S. Jacobs dage. Item sieben Schillinge penninge neun huner und
einen Vierden zal ockers (?) in dem dorff zue Bru chke bell uff
S. Mattheus dage. Item einen kappen gibet alle jar uff S. Mertina
dage Hennekin Glockenere und Elizabeth sine fraw von Breunges-
heira von einem garthen, lit daaelbs uazwendig dea dorffia by dem
alden Humbrachte. Item hundert phunt heller geldes die ich han ge-
kauffit umb die Stat zu Frankenford umb zwölff hundert phund hel-
ler zue widerkauff als die brieff besagend die darüber under der-
selben stede ingesiegel aint beaigelt und wurd die gülte wider-
gekauffit, ao aol daz cloater daz gelt oder wer ein furmunder
ist wider an gulte legin dem cloater. Auch behalden ich Weycker
Schulmeister vorgenant mir die gantz mugede und macht diewyl
daz ich lebin, daz ich pflegir und furmunder sol und wil sin
des vorg. closters und des gutes und gulte die derzue gehorind adir
noch zugehorinde wurden, und alle die gude und gulte die ich darzue
gegebin und gemacht han adir noch gebin wurde, daz ich die gulte
und gude mag und wil aetzin dem cloater und den jungfrawen zue
nutz zu vallende zu allen den geziten ala mich lustet und wie mich
duncket daz ez allerbest sy, und auch wie ich die furmunderschafi
und die gulte und gude bestellin und setzin aftcr minem tod zue be-
leiben und daz mit minen brieven beachriben geben, also sol ea
ewiglichen bliben und gehaldeu werden. Mehr erkennen ich mich
20*
Digitized by Google
- 308 -
Weyckcr Schulmeister ehegenant was dieser vorgeschr. gulte und
gude inpflichtig ist zue Frankenfiird, daz die gude und gulte bedde
und stewer sollen geben und dem Riehe dienen, so das not ist, ab
andere burger von iren gulten und guden tun, die zu Fr. inpBichti*
und gelegen sin. Zue gezughiss und urkund dieser vorgeschr. din£
hnn ich Wycker Schulmeister zue St. Stephan zu Mentz vorg. ge-
beten die erbarn wysen lute, die burgermeistere die scheffon und den
rat zu Frankenford, daz sie irer Stede zu Fr. grosz ingcsigel an die-
sen brief han gehangen. Und wir die Burgermeistere die »ebeffee
und der rat zu Fr. erkennen uns, daz wir unser Stede grosz inge-
sigel durch bedde willen hern Wyckers Schulmeysters zu 8t Stephan
zu Mentz vorg. an diesen brief han gehangen. Gegeben und ge
Beliehen, da man zaltnach Godis geburte Dritzehen hundert iar dar
nach in dem dry und fünfzigsten iarc an dem neysten frytag nach
des heiligen St. Urbans dage.
Nach der von einer — in der Sprache verdorbenen — Archival-Copie d«
Katharinen-Klosters genommenen Abschrift des Herrn von Fichard.
VL
1353. (Mai.) Schenkung des wicker Frosch an das neue Spital
mm h. Kreutz.
In Godis namen amen. Jch Wiek er ein Schulmeister zu Saut
Stephan zu Mentze son Hei Im an seligen Froysches etzwanne
eines Scheffen zu Frankenford deine God gnade, bekennen mich au
dysera bryfe daz ich durch Godis willen und mynes vader egenante
und Eltzebeth seligen sele myncr müder und aller myner altvor
dem und allir gleubigen sele willen und Gode und Syner üben run-
der unde allen heilegin und sundirlichen deme heilegin Crutze zu lobe
und zu erin han gegebin und gebin an dyseiu bryfe dem uuwen
Spital zu Frankenford vor Buckinheimir dor gelegin in der nuweu
stad, den ich egenante Schulmeister mit miner koste und arbeydt
und mit niyme gude han gemachet und gebuwet den Sychen dasei-
bis zu irre narunge und notdorfft, allis das und das hernach stet ge-
schrebin. Zu dem ersten den hoff genant zu dem Rebestocke ge.
legin by demenidern holtze zusehen Fr. und Redilnheim und allis
das gud das darzu gehorit virsucht uud unvirsucht, ez sy an ackern
wiesen wazsern weiden fiBcherien wy mau ez nennen mag davon man
mir gibit alle iar zwene myne hoferaanne Fritze und Dyle ierliche
uzgenommeu myne scherTerie myne fiseherie myne erlin daselbis wer
und seszig aohteil kornis alle iar tzuschen den zwein frawen dageu
Digitized by Google
- 309
aaaumpcio und nativitas, und dau von dem andirn lande daseibiß ge-
legen, daz da was Herman Dozscn do von man irae und vini
Lysen einer elichun liusfrawen die wile sie lebin alle iar sal gebin
virtzig achteil kornis Frankenfurter mazses, und wan sie beide dot
sin, so 8«il dasselbe gud ledig sin dem Spital alse dy bryfe besagen
die undir der Stede ingesigel zu Fr. darüber sin gegebin. Item andir*
werbe so gebe ich dem seibin Spital nun achteil korngeldis gelegin in
dem dorfte und marke zu Zilsheim die do gibit Jacob der aide von
Xilsheim von einer halben und ein vierteil einer hübe doselbis gelegin
und hat auch dar für zu undirphande gesazt eynen morgen sincs lan-
dis, der do ligit by den drin morgin landis Hern Rudolfis eines
rittera von Sassinhusen die do heizet der Scheferstein. Item dritte-
halp achteil kornis die mir gibet Hennekin Goldstein von symo hofe
und lande zu Nyddir Rode hinsit Meynis gelegin. Item vyer ach-
teile korngeldis zu Hoen Stadt gelegin die do gibit Contze Grumme
und Petze sin husfrawe von einer halben hübe landis doselbis gele-
gin die etswan was Hillen genant der Knouffen und auch nun kölsche
pheninge die sie auch gebin von eyme hofe da selbis gelegin by
Herman Kusers hofe obewending drane und hant dafür zu under-
phande gesast eynen halben morgen wingarten gelegin by deme scl-
bin hofe. Item vyer mark pheninge gcldis die hernach Stent geschre-
bin die Hern Conrade Boitzen sine lebtage sullen gefallen. Zum ersten
eyne halp mark phenninge die do vallende ist uf 8t. Mertins dag;
von eyme huse daz do liget by Burnheimer porten i nnowendig der
alden Stadt, daz etawanne was Pedirs eines beckers. Item dry Schil-
linge phenninge und ein hun daz do gibet auch uff sant Mertins dag
Berchtold Oleyers erben von ayme huse gelegin by Burnheimer por-
ten. Item dry Schillinge heller die do gibit auch uf Sant Mertins dag;
Fritze von Basele der Cremer von eyme huse by den predigern ge-
legin hinder dem hofe der etzwanne waz Hern Volradis eyns ritters.
Item zwey hunre geldis die do gibet Lotzen selgin eines scherers
wirten undir den drezselern auch uf Sant Mertins dag von irme huse
gelegin bie Berward selgin dem becker. Item vonff Schillinge phen-
ning gcldis die do gibet auch uff Sant Mertins dag Hartmud ein
schuchwurte von Selgenstad von eyme huse in der vargassen gelegin
bie den Juden. Item dry Schillinge phenninge geldis und ein hun
daz do gibit Henne Rodeheimer und Lutze sin husfrawe von eime
huse in der Cruchengazse gein irme huse ubir da sie inne wonen
auch uff Sant Mertins dag. Item nun lichte phenninge und ein hun
daz do gibit Ruprecht Crebezser auch uff Sant Mertins dag von syme
huse gelegin in der deinen gazsen bindir dem huse daz do heizset
Digitized by Google
- 310 -
Erlebach. Item nun Schillinge lichter phenninge und zwei hunre die
do gibit auch uff Sant Mertins dag Thomas oleier von »yme buse
gelegin in Didcrichs gaszen by Hillen von Buchen. Item sehs Schil-
linge phenninge gcldis und ein hun daz da gibit Siepele zu dem Kol-
man uff Sant Mertins dag von Byrne hus gelegin bie den predegern.
Item eylff schil. phenninge ane fonffthalbe phenninge und dan dry
cappen und zwey hunre die do gibit auch uff Sant Mertins dag: Ger-
hard ein gertener Emerichcn son und Hennekin sin swager von einre
hofestad und husern und von eime morgen garten die do gelegin
sind an der Velwilre strazse. Item sehs schil. phenninge und ein hun
die do gibit auch uff Sant Mertins dag Jungfrawe Klse ein
bekine, swester Hern Johans Cappelans eins herren Sant Johann
Ordens von zwein morgen garten und von dem buwe der druff ist
gemacht gelegin obewendig der Clappergazsin. Item sibendehalben
pheninge und einen phenning und einen cappen daz do gibit Heintze
Zchender und sine ganerbin uff Sant Mertins dag von eyme hofe
huse und garthen in der nuwen stad gelegin nnd1 waz hie vore Fritzen
Zchenders irs vaders. Item vonffzehen kölsche und ein hun von cvmc
halben morgen garthen gelegin by Engilmndc die do gibit uff Sauf
Mertins dag Heintze Kniribcl, Dufels swager. Item einen schil. phen-
ninge und zwey hunre die do gibet von irme hofe und gesesse gele-
gin uff dem Steinwege Pedir Eckcrmans eyden etswanne knecht
der dutzschen herren und Henne Wirbel ein metzeler uff S. Mertins
dag. Item nundehalben schil. phenninge und andirhalbcn phenuing
eine gans und ein hun von scstehalben morgen wiesen zu Rozbach
gelegin die do gap Arnold Slag von Rozbach und sine erben nach
ime adir seszehenden halben Shilling heller dar vore uff S. Mertins
<lng. Item nun kölsche die do gibit Gudele husfrawe etswanne Hein-
richs genant Hurros von Seckebach uff S. Mertins dag von eynem
morgen wingarten in Seckebach gelegin by dem burnen der do heiszet
die Eyduche. Item sestenhalben schil. lichter phenninge und eyne gans
die do gibit uff unser frawen dag Assumpcio Jungfrawe Else ein be-
kine vorgenannt von zweien morgen garthen und den husern die
druff sint gebuwet gelegin in der Klappirgazsen. Item hundirt phunt
heller geldis die ich hau gekaufft um die Stad zu Frankinford zu
widdirkouffe umme zwelff hundirt phund heller alse die bryfe besagin
die darubir sint gegebin under der seibin stedo ingesigcl und wird
die gulde widdir gekaufft so sal der Spital adir wer sin furmunder
ist das geld dem Spitale widir anlegin an gulde. Auch behaldin ich
Wycker Scholmeister vorgen. mir die ganzen mugede und macht die
wile das ich pleger und furmunder sal und wil sin des egenanten
Digitized by Google
ftpitalis und des gudis und guido die darzu gohorind adir noch zugc-
horindo wurden, und alle die gud und gidde die ich darzu gegebin
und gemacht han adir noch gcbinde wurde, das ich die guido und
gud mag und wil setzen den Sychen zu nutze zu vallende zu allen den
gezitcn alse mich Iustet und wy mich dunket das es allirbest sy, und
auch wy ich die furmundirschaff und die guido und gud bestellen
und setzen afftir myme tode zu blibene und das mit mynen bryfen
besebribin gebin also sal es ewicliche bliben und gehalten werden.
Mc erkennen ich mich Wycker Schulmeister egenante was disir vor-
geschr. gulde und gud inflichtig ist zu Fr. das die guido und gud
bedde und sture sollen gebin und dem Riehe dienen so des nod ist
alse andir bürgere von irme gude und guido tun, die zu Fr. inpflich-
tig und gelegin sink Zu gezugnizso etc.
Nach einer vom Original genommenen Abschrift des Herrn von Fichard.
Der Schlüge ist dem der vorhergehenden Urkunde gleich.
vn.
1359. (Hai 6.) Wicker Frosch's »weite Dotation des Katharinen-
klosters.
Judices 8. Mnguntine sedis recognoseimus, quod coram nobis
constitutus honorabilis et peritus vir Dominus Wickerus Scholasticus
ecclesie S. Stcphani Mogunt. recognovit et recognoseit, professus est
et profitetur, quod inter alia bona plura, cum quibus mouasterium mo-
nialium S. Katherine et hospitale S. Crucis pauperum et infirmorum
hospitalis B. Marie fratrimi ord. Theuton. in Frankenfurd in novo
opido ibidem suis sumptibus edificata alias dotavit, specialiter et no-
rainatim bona et redditus annuos subscripta et subscriptos pro dote
eorundom monasterii et hospitalis et suBtentacione monialiura paupe-
rum et infirmorum ad mouasterium et hospitale predicta deputavit et
assignavit, et ex nunc iterum ad superhabundantem cautelam eisdem
monasterio et hospitali donacionc vera et irrevocabili inter vivos sub
nostro et testium subscriptorum testimonio dat, deputat et assignat et
predictam donationem alias factam innovat. Primo cur i am suam die-
tam zum Rebstocke prope Franckonford quasi ad spatium dimidii
miliaris sitam cum universis et singulis bonis agris paseuis piscinis
pratis nemoribus et aliis suis pertineneiis universis, de quibus quidem
curia bonis et pertineneiis predictis singulis annis nunc eisdem mona-
sterio et hospitali redditus ducentorum octaliura siliginis mensure
franck. presentuntur et dari consueverunt , et pro tanta summa et
maiori eadem bona sunt locata et comunitcr locari poterunt et con-
- 312 -
suevcrunt. Item curiam suam in villa Brunnisheyin «inoiliter pr*>\*
Frankenford ad spaeium dimidü miliaris sitam cum agris prati* <■
pascuis et alüs suis pertineneiis in terminis dicte ville sitis, que
dem curia et bona pro pensionc annua sexaginta octaJium siligiz^
mensure predicte vel circa est locata et comuniter pro taiita suuuiu
vel maiori poterit locari. Item curiam suam in villa Pctirwyl pr*»p>
Frank, ad spacium duorum miliarium sitani, süniliter cum
pratis agris et aliis suis pertineneiis in terminis ville ejus>dcm »it.*
que quidem curia bona et pertinencia pro annua peusione similiur
sexaginta octalium siliginis dicte mensure sunt locata et pro taxtu
sununa comuniter solent et poterint locari. Item quoque duos man»'^
terrae arabilis in villa Übernerlcbach et cius terminis sitos, qu.
pro annua pensione triginta duoruin octalium siliginis dicte meDsurr
sunt locata et pro tanta summa comuniter poteruut et solent locar
Item unum mansum in villa N y derne r lebach et eius termini»
situm, et aliura mansum in villa Budinsheim et eius terminis situir
qui duo raansus pro annua pensione triginta octalium siliginis sunt
locata et pro tanta summa comuniter solent et proterint locari. Item
redditus annuos tricentorum florenoram auri de Florencia boni pon
deris et legali» per eundem Dominum Scholasticum apud consules et
alios opidanos dicti opidi Frank, pro quatuor milibus et quingenti*
florenis auri emptos et comparatos. Item redditus annuos quadragiut*
florenonun de domo dicta zu Lewcnstein in dicto opido sita ce-
dentes. Item redditus annuos viginti octo florenorum de domo dit ta
zu Limpurg similiter in eodem opido Frank, sita cedentea. S;dvi*
aliis pluribus pensionibus bladi et censibus pecuniariter minutia in di-
versis locis sitis et per dictum Dominum Scholasticum ad monastcriuin
et hospitale predicta deputatis. In quoruni omnium testimooium pre-
sentes litteras sen presens publicum instruruentum per Gerhard um
Ulrici notarium publicum subscriptum scribi feeimus et preniis&a omni«
et singula in banc publicam formam redegi mandavimus et sigilli nostre
Sedis feeimus appensione muniri.
Acta sunt bec in civitate Moguntina in ambitu dicte eedesie
S. Stephani Mogunt Anno nativitatis Domini millesiino trecentesimo
quinquagesimo uono, indictione XII, pontificatus sanetissimi in Chrinto
patris ac Domini Innocentii divina Providentia pape VI anno »eptimo,
die VI raensis Maji, hora dici vesperis pulsatis. Preseutibus honesta»
et discretis viris Godfrido de Ossinheim, canouico eccl. S. t>te
pbani predicte, Jacobo dicto Gulpher, Amclungo de Woltfhaii.
presbyteris vicariis scu capellanis monasterii moniah'um in Dalea
extra muros Mogunt. Johanne de Frideberg, Arnoldo dicto
Digitized by Google
— 313 -
F r asi e n clericis Mogunt. et Johanne dicto Hasinbard cive Mogunt.
et aliib personis tidc dignis ad premissa vocatis et rogatis.
Et ego Gcrhardus Ulrici de Frisinga clericus Moguntinus, publicus
impcriali auctoritatc notarius, prcmissis omnibus et singulis presens
intcrfui eaque sie fieri vidi et audivi. Idco hoc instrumentum publi-.
cum exinde confeci, manu mea propria scripsi signoque mco solito et
consueto signavi requisitus et rogatus in testimoninm omnium pre-
misBorum.
Nach einer von Herru von Fichard genommenen Abschrift.
VIII.
1363. (6. August ) Testament des Wicker Frosch.
vMit den in den Noten bezeichneten Abweichungen des zweiten Testament» vom
28. September 13G3.)
In nomine Doniini Amen.
Quia nichil cercius morte et incereius die et hora mortis,
ideo ego "Wickerus de Frankin ford Scholastieus ecclesie S. Ste-
phani Mognnt. volens quoad disposicionem ultimc mee voluntatis ta-
lem incertitudinem diei *) mortis prevenire meam idtimam voluntatem
dnxi disponendam et ordinaudam ac ordino et dispono in hunc modum.
In primis si aliqua invenirentur debita quod non credo, illa om-
nia persolvantur.
Item debitum michi pro expensis in causa quac inter Dominos
Emschonem de Lorche et capitulum et canonicos ecclesie Mog. ex
una, et me Wickernm Scolasticum predietnm parte ex altera verte-
batur in curia roinana, michi adiudicatum, lego Domino meo G. ar-
chtepiscopo Mogunt. et volo quod ultra predietnm debitum manufide-
les mei sibi tradunt quinquaginta florenos2) quos siiniliter sibi lego.
Item decem maldra siliginis et novem solidos Halensium anuuos
in Burlach ecclesie mee »S. Stephani 3) alias resignata et resignatos
scilicet IUI maldra pro pane ad cantandum Autyphou „Haee est dies"
etc. cum illis reditibus novem solidomm. Residua sex maldra lego pro
anniversario divino dicte mee ecclesie singnlis annis peragendo.
«) et bore.
») auri.
3) Maguntie.
Digitized by Google
Itcin tria volumina biblie, *) decretum, rosarium, summam ho-
»tiensem, novcllam Johannis Andree super decretalibus et super sexto.
ut fict una liberia, prout manufidelcs mei hic in Moguntia deputati
de hoc sunt informati.
Item lego debita in quibus michi officiati, scilicet Theodericus
Bcrnse, Starkardus8) et Gotzo tenentur et annum grade mee
dicte mec ecclesic pro prcsenciis ad septimum meum peragendum
cmcndis, et ducenta raaldra siliginis pauperibus dandis prout manufi-
delcs meoB hic in Moguntia deputatos scilicet dominos Jobanne in
cantorem, Conradum de Wiis canonicum et Zulouem vicarium
informavi et eos exceutorcs ad faciendum premissa deputavi.
Item octo*) lectos cum octo linteaminibus et IUI cooptoriis et Uli
pulvinaribus et IUI eussinis7) et IUI cassis argenteis lego Johanni
Welter et Wigeloni fratribus, avuneulis meis, et ctiam brcviariuui
raeura et übrum missale, ita quod eosdem libros non alienent, specu-
lum reddant fratri mco.
Item lego ecclesic S. Bartholome*! Frank, pro prcscncia ad festuin
beatc Anne matris Marie cum cantu ipsius historie solempniter pera-
gendum, redditus duarum marcarum denariorum. Item redditus uniu>
marce denariorum pro anniversario meo et parentum ineorum et oni-
nium amicorum et8) benefactorum meorum siugulis annis perageudum.
Item lego Kathoriuc matri Cuntzelini de Pingwia sex libramm
halensium reditus ad tempora vitae suae, scilicet quaJibet septimana
IUI temporum per mcos executores sive manufidelcs XXX solido*
solvendos de bonis monasterii et hospitalis ad vitam suam et non
ultra et ultra premissa decem libros halensium in parato.
Item lego avunculo mco Jacobo Clabelauch dicto •) redditus
novem marcarum denarionim super domum zu Lichtenberg et sex
marcarum super domum zum Clobclauch cedentes apud dictum
Jacobum sub pacto reempeionis per mc emptos et eciam de
bitum centum librarum halensium nöe quondam Sitzelc Havermenen
michi per euin solvendum, ita tarnen quod si ispum Jacobum sine
liberis seu hcredibus desceudentibus legitimis decedere contingat, quod
dicti redditus novem et sex marcarum ad monastcrium S. Katherine
*) librrnn Rationale.
») dafllr Starckradus.
c) dafür quatuor.
') die 3 letzten Worte fehlen.
*) die 2 letzten Worte fehlen.
») Cläre fratri.
Digitized by Google
et hospitale S. Crucis subscripta et prescripta devolvantur vel pecunia
pro eisdem redditibus si fucrint rccmpti danda vel data dcvolvatur. 10)
Item volo et ordino quod novcm !1) legatarii mei patrui et avun-
culi prescripti et subscripti conjunctim et divisim habeant potestatcm,
illam domum zum Affen dictam sitam inter Judaeos in civitate Ma-
guntinensi, Cläre filie Jekoln Roden pro quingentis libris hal. as-
signatam, si cam sine liberis quod absit decedere contingat, redimendi
cum summa quingentarum libramm halensium, quia ita fuit condie-
tmn et ordinatum quando mater dictc Cläre ipsi Jcckclino fuit de-
sponsata.
Item omnia alia bona mea mobilia et immobilia praeter jam superius
disposita et ultra alia bona redditus et pensioncs seu alias res quascunque
prius dudum dictis monasterio et hoapitali per me donatas et assignatas,
et cum quibus bonis cadeni monasteriura et hospitale per me sunt
dotata, que in suo robore volo permanere, lego et relinquo monaste-
rio et hospitali predictis. «)
Item disposicionem et administrationem «•) commisi et in scriptis
coramitto plenam et liberam quinque patruis meis et AI heidi »orori
mee ac Jacobo Clobelauch et Johanni Wclder et Sifrido
juniori suo fratri secundum ordinem regendi gubemandi et confesso-
rem deputandi 14) de consilio magistre, et eidem confessori singulis
annis XL talenta halens. qualibet septimana quatuor tempomm decem
talenta pro victu et necossariis suis quamdiu confessor fuerit..15)
Item sex monialibus in Dif feudal pro co quod vigilias tnielii
dicant per annum integrum, qualibet septimana sex solidos bal. dan-
dis et similiter tantum sex monialibus in Hymeltal et pro fabriea
ibidem XX libros halens. in parato.
Item ultra alias pecunias et res Jacobo Klobelau eh, Cläre zum
Stralenbcrg ejus sorori pro suis liberis, W i g c 1 o n i scolastico, II c i 1 m a n n o
ejus fratri, Johanni, Wickcro et Katlierine fratribus, Johanni,
Wigeloni et Sifrido juniori fratribus dietis Wcldir seu quibusdam
ex üs donatas et assignatas dono assigno seu lego eisdem decem personis
i0) Zusatz : Item Elizabeth filie quondam Heilinanni Clobelauch ad maritandam
eam lego centum libros hal. per manufideles meos sibi dandos et solvendos. Item
Else moniali in Himmeltal lego X libros hal.
") novem fehlt
») Diese ganze Stelle fehlt.
») claustri et hospitalis predictorum sitoruro in Frank.
»♦) et ctiam removendi.
»*) dandi.
- 316 -
redditus centum florenorum quos opidum Wctflar, item reddüus cen-
tum florenonim quos opidum inGruncnberg solvere annuatim tene-
tur intcr eos dividcndos equaliter quam diu vixerint, et postquam
unus vel plures ex illis decem decesscrint, tunc pars decedentis, scilich
XX flor. redituum predictorum debet divolvi ad monasterium et hospi-
talc predicta, et item de omnibus decem personis prcdictis quousqae
oinncs mortae fiierint.
Item de lego et assigno de illis centum librie hal. quos opidum
Frankenford in die S.Martini singulis annis solvere tenctur Sifrido
Wcldir seniori XL etWickero Froisch patruo mco, ut eo fideliu*
monasterium et hospitale rospieiant et custodiant ac defendant, XX
libros dumtaxat, et residuas XL uni confessori singulis quatuor tem-
poribus X ministraudas, ita quod XL Sifridus et Wickerus XX sol
vendos capiant ad tempora vite et non ultra, et post mortem cuius-
libet eorum devolvantur ad monasterium et hospitale predicta.
Item euilibet ex decem personis prcdictis pro administratoribu*
deputatis II cassas argenteas de meis melioribua.
Item de domo quam Mctta soror mea inhabitat ac bonis in
Sossenheim ac domo zum Wolffe disponatur prout oretenus dictos ad-
ministratores intbrmavi et specialiter Alhcidin sororem mcain, scu in
seriptis sub sigillo mco dabo ordinatum.
Item omnia alia et singula bona mea sive mobilia et iminobilia
quibuscunque pensionibus censibus ac pecunia scu aliia rebus con-
sistencia ultra boua 16) donata vel 1T) legata iam prescripta vel sub*
scripta dono seu lego predictis decem administratoribus et Alheidi
sorori mee, prcdictis monastcrio et hospitali perpetuo dandis et
assignandis.
Item Friderico Cantori Aschaffenburgensi etiam duas caasaa
argenteas ut suis consiliis et auxiliis assistet quotiens requiritur per
ineos manutideles, pro defonsione monastcrii et hospfttalis et eorum
bonis. ,8)
Item si quis predictarum decem personarum scilicet Cläre et
aHorum novem manuHdelium et aliorum administratorum non provi-
deret fideliter, monasterium et hospitale seil, impediret, volo quod sua
pars sibi donata seu legata auferatur ab illo et sibi non cedat
") assignata sive.
»") Dieser Absatz folgt nach der obigen Verfügung über die silbernen Gefäße.
Digitized by Google
317 -
Item ducentum Octalia ailiginia in Francoford recipienda in uauin
pauperum et infirmoram atatim post obitum meuui infra duoa menaea
dandoB.
Item Bertoldo Herden19) de Geinhusen conaanguinco meo
XX libros in parato et Johann! Hasiubardo similiter XX libros
post obitum meum in parata peeunia lego dandos et »olvendoa per
meos exccutores seil. Alheidim, Jacobum, Johannein et Wiekeruin,
et reservo michi potestatem niutandi si voluero et aliter disponendi
et revoco alia omnia alias per me disposita et eciam alios executores
ai quos disposui nisi in quantuni michi in preaenti iustrumento con-
tinentur. *)
Item alia vasa mea argentea aeu deaurata volo quod aoror mea
et Jaeobua, Joannes et Wickema reeipiant et prout eoa informavi
aeu adhuc intbrmabo disponant et eadem die diatribuant. 21)
Item Katherine Lüben heimer moniali monasterii monialiuni
in Fraiikenford X libros hal. ut anirae niee recordetur et eciam ad
unum anuum aibi et adhuc tribua monialibua aingulia septimanis qua-
tuor aolidos hal. dandos ut duas vigiliaa omni die due ex eia aimul
unam et alle due similiter unam legant devote et morose.
Item quod in monaaterio meo aingulia annia conventua omni aepti-
mana devote et moroae ac verbia integria et integre proferendis per-
petue pro aalute anime mec ac parentum et ainicorum meorum et
oninium illarum personarum, a quibua bona quocumque per venera nt
dictia monaaterio et hoapitali aasignata per me veldonata et qui me-
rito orationum predictaram vel quarunicunque aliarum per dietum con-
ventuni faciendarum debent esse partieipes, legant vigiliaa.
Itom ordinibua in Moguntia et in Frankenford cuilibet una libra
hal. ut quilibet conventua devote legat aemel vigiliaa in auo conventu
et quilibet frater miaerere et de profundia.
Item aepulturam meam lego in Frankenford in loco amicia meia
aaaignato. 22
Item lego crueiferia in Maguncia duo talenta. 23j
'*) Herden fehlt.
w) fehlt von et reservo an.
Jl) Dieser Absatz folgt auf das Legat an den Cantor Friedlich.
") Dieser Absatz fehlt.
l3) Ebenso. Dagegen folgt: Itein lego fratribns ordinis S. Johannis Jerosalem.
hospitalis B. Mariac in Frankford deceni Horas hal. Itein lego fratribns Teutonicis
et ejnsdeua ordinis in Magnncia S. Jnannis Jerosal. dno talenta halens.
Digitized by Google
- 318
Item X floreni domino Coraiti de Rienccke poat mortem meam
reddantur immediate. **)
Actum anno a nativitate Domino Millesimo Trecentesimo sexa-
gesimo tertio, sexta die mensis Augusti, Indictione prima, pontificatus
sanctissimi in Christo patris et domini nostri Domini Urbani dirina
Providentia pape quinti anno priino, hora diei predicte quasi nona vel
modicum postea in curia habitacionis supradicti Domini Scolastici,
presentibus Johanne Holtz de Fraucoford vicario eclesie S. Marie
ad gradus Mog. Amelungo de Wolffhayn rectore scolarium dicte
eclesie S. Stephani Mog. Bertoldo Herden de Geilenhuscn, J o-
hanne Hasinbardo civi Mog. et Domicclle Alheidi sorori
dicti Domini scolastici ad premissa pro testimouio vocatis et rogatis. *s)
Et ego Conradus de Treysa clericus Mog. diöcesis publicus im-
periali auetoritate notarius, quia disposicioni ordiuacioni legacioni do-
nacioui ceterisque singulis premissis, dum sie ut premittitur agereutur
et fierent, una cum testibus loco die et hora predictis successive prae-
sens interfui et cum eisdem testibus ea sie ficri vidi et audivi, ideo
hoc presens publicum instrumentum exinde confeci quod manu mea
propria scripsi ac signo meo solito signavi, requisitus desuper in testi-
monium evidens premissorum.
Nach einer Abschrift des Herrn von Fichard. Dies Testament zeigt
den Reichthum des Scholasters Wicker. Zu bemerken ist die Stiftung einer
Liberei oder Bibliothek, obwohl der Bücher, die der wegen seiner juristi-
schen Kenntnisse hochgeachtete Scholaater besass, nicht gerade viele sind.
Der Spiegel, den sein Bruder erhalten soll, ist wahrscheinlich aaeh ein Bach.
Der Septimns ist der siebente Tag nach dem Tode, an welchem die Seelen
messen für den Veratorbenen stattfanden. Die eassas argenteas, deren Wycker
mehrere vermacht, ist v. Fichard geneigt für silberne Becher zu halten. In
der Stelle, dass die Vigilien morose gelesen werden sollen, bemerkt er nach
Dufresne gloss »cum niora et non superticialiter."
14 ) Zugefügt ist hier die nnter 22 ausgelassene Stelle: et reservo michi etc.
as) Der Schluss des zweiten Testaments lautet: In quonira oranium et singu-
lorum evidens testimonium hoc presens instrumentum per Conradum de Treysa
notariuro publicum infrascriptum sub testimonio testium subscriptorum publica«
preeepi et mei sigilli appensioni communivi.
Datum et actum Maguncie in curia habitacionis mei Wickeri Scholastik
prt dicti anno a nativ. Domini M. C C. C. sexagesimo tertio indictione — anno primo
die vicesima octava mensis Septembris hora quasi prima presentibus bonorabilibus
et discretis viriB Conrado de Wiis canonico ecl. St. Steph. Mog. Johanne
Boltz de Frankford vicario ecl. S. Marie ad gradus Mog. et Araelungo rec
tore scolarum dicte ecl. S. Steph. Mog. ac Johanne Ilasinbardo civi Mog.
testibus ad premissa vocatis specialiter ac rogatis. Et ego Conradus sqq.
Digitized by Google
- 319 -
IX.
1364. (2t August.) Elisabeth Frosch erkauft einen Zins.
In dei nomine amen. Per hic presens publicum instrumentutu
cuneti» pateat evidenter . . . Anno ab anno incarnationis ejusdem
millcsimo trecentesirao LXIIII 0 XXI die mensis Augusti hora nona
vel quasi in nova civitate Frankinford raoguntinc dioecesis in mei
notarii publici et testium requisitorum presencia in domo habitacionis
Elv zabet dicte Frosch in et . . . . ejusdem presencialiter con-
stituti H e n n o dictus Breydclere ortulanus et Katherina ejus uxor
pro sc et suis hcredibus communicata manu, unanimi consensu et
voluntatc justo venditionis tytulo vendiderunt dicte Domino E 1 y -
zabet, die raense et hora predictis, Indictione II pontificatus sanc-
tissimi in Christo patris ac Domini nostri Domini Urbani, divina fa-
vente clemencia pape quinti anno ... II in dicta domo ipsius Elyza-
beth Froschin in Frankinford dicte mog. diocesis, perpetui annui
census duarum librarum hallensium usualium et dativorum singulis
annis dand. et presentand. in die beati Jacobi apostoli praefate do-
mine Elyzabet Froschin vel cui legaverit deputaverit ac donaverit
cen8um jam {nunc memoratum, de bis agris ac ortorum, pratis hic quis-
quis sitis in terminis ortorum juxta Frankinford prope duo jugera cum
dimidio sita ante silva et dicitur das borinheymer rod juxta
Wismudum de Brcydinloch et Hennonem filium Wikirlini et solvent
prope XXXII solidos hallensium et duas metzas papaveris, et ibidem
versus antiquam viam ad fylwil tria quartalia sita sunt prope Dynam
di et am Blumin. Item yn dim lehmin Rode, yn dim lynde in
illa terra seu ortis olym qui fuerunt Hcrmanni dicti Clobelauch unum
jugerum prope dictam Dytzelerin, quod solvit prope XV solidos hal-
lensium cum siraerino papaveris. Item due pariter sitc sunt juxta
paseuis dictis die Pingistweydc ex una parte et ex alia Wigilonem
dict. Rode. Reliqua pars sita est yn dem bruche prope Herman-
nuin generum quondain Ellerti pcllificis et ctiam solvunt census. Et
Iii due . . . pignore obligate sunt pro ampliori dicti census iirmitatc.
Acta sunt anno domini indictione pontificatu mense die hora et
loco predictis, adstantibus discretis viris Wygand Urselere, Nicholao.
Breydclere, Hennanno genero quondam Ellerti pellificis, Johanne dicto
Olingenere et aliis fide dignis ad prcinissa vocatis.
Et ego Johannes Wiruhcri de Wetflaria clericus Trevir. Diocesis,
imperial! auetoritate notarius publicus quia dietomm perpetnorum red-
/
Digitized by Google
dituum recognitioni vendicioni et resignacioni libere ac . . . una com
prenotatis testibus presens interfui eaque hic fieri vidi et audivi ide-
in haue publicam formam redegi meoquc consueto siguo signavi
requisitus.
Nach der von dem stellenweise sehr beschädigten Originale geoorame
nen Abschrift des Herrn v. Fichard. Zu bemerken sind die Angaben d«
Oertlichkeiten in der Ostgegend der Stadt. Das Bornheimer Rod wird vot
Battonn örtl. Beschreibung, der in §. XXII. seiner Einleitung (I. 228) vw>
den hiesigen Gegenden unter dem Namen Rod handelt, nicht erwähnt. Dn
Leimenrod (I. 231) lag am alten Fricdberger Wege. Die Pfingstweide ist
mir urkundlich noch nicht früher vorgekommen. Unter dem Bruch ist wohl
der Metzgerbruch zu verstehen.
X.
1387. Versatzbrief Ober den freien Stnhl nnd das Sqjtloss zu
Padberg.
Ich Fryderich von Papberg, Gotschalg und Fryde-
rieh sine sone irkennen uns mit disem bryve vor uns und unsir
Erben, daz wir unsir geryehte und fryen Stul zu Papberg
und unsir Sloesz daselbis, daz man nennet daz nuhus, hau virsaszt
und virsatzen den erbarn mannen Jonge Froesch Schcffen zu
Franckenford und Conrad von Glauburg burger daselbis , daz
sie sich darusz und dannitde soln und mögen behelffen und weren,
und ir yclich besondir wieder allirmenlichen, der sie wulde viranreeh
ten, datz sich an den fryen Stuel gehicsche, und soln und woln sie
darzu »ehUren schirmen und getrulieh behulffen sin zu dem rechten,
und hau daramb von yn empbangen eyn nemlich sonic geldis der wir
gutlich sin bclzalt, und sagen sie der quit und lois mit dieszem brieve.
Auch soln wir noch unsir erben den vorgenant unsir Stuel und Sloe«z
von yn nit lösen, die wile sie leben ; worde auch ir eyner odir sie
beyde an eyn andir frygerieht und Stuel geheiseben da sie sich nit
virantworten künden, so mag yrer frunde evner denselben der sie
oder yn geheiachen hette, wieder heischen an den megenanten unszem
fryen Stuel und daz tun als dike dcs| noid ist, und sinen frund da-
mitde von unrecht entledigen, den wir aber suln schüren schirmen
und behulffen sin als es vor ludet. Dis alles wir obgeuant globui in
guden truwen an eits statt stede und vestc zu haldene ane argelist.
bose funde und geverdc. Mit orkunde myn Frydcrichs ingesz vor
mich und myn erben Ich Gotschalg vor mich vor Fridcrieh miuen
brader durch sine betde und vor unszer erben an dieszen briev ge
Digitized by Google
- 321 -
hangen , dass ich Fryderich erken und also mit yine herane ge-
brochen. Geben ain Mantag vor Sant Albanstag anno dorn, mille-
sinio CCC° LXXX septimo.
Nach der von dem Original genommenen Abschrift des Herrn von Fi-
chard, aus dessen beigefügten Bemerkungen Ober diese in mancher Hin-
sicht interessante Urkunde ich Nachstehendes entnehme. Die hier genannten
Herren von Papberg Bind die von Padberg, denen die Herrschaft und
das Gericht Padberg im Hereogtfmm Westfalen gehörte. Hier liegt am
Fnsse des Berges, auf welchem das alte Schloss Padberg steht, das Dorf
gleichen Namens und in demselben ein Schloss, welches das neue Hans
genannt wird, wie das andere das alte Haus. B Uschi ng Erdbesohr. VL
636. Diese Herrschaft war eine Freigrafscliaft und der Ort Padberg einer
der Freistflhle des heimlichen Gerichts. Berck Gesch. der westfäl. Fem-
gerichte 226. Es hatte sich schon Johann von Padberg von K. Karl IV.
zu einem Freigrafen ernennen lassen , aber der Kaiser widerrief 1360 diese
Ernennung, da nicht ihm sondern allein dem Erebischof von Köln das Recht
zustehe, Freigrafen im Herzogt h. Westfalen zu ernennen. Glafey auced.
423. Wie die Urkunde zeigt, verliehen die von Padberg ihren Schutz gegen
andere Freistühle um Geld, es war dies aber der Verfassung der westfäl.
Gerichte entgegen und hatte kein Freigraf das Recht, Einzelne auf alle
Fälle gegen das Gericht in Schutz zu nehmen und Ladungen von andern
Freistühlen ab an den seinigen zu ziehen. Ein solcher Missbrauch war ohne
Zweifel die Veranlassung, dass bereits 1385 K. Wentzel in einem an den
Landgrafen Hermann von Hessen erlassenen Befehl Freigrafschaft und Stuhl-
gericht Paschberg wegen des von Fridrich von Paschberg, dessen Sohn
Friedrich und ihren Voreltern verübten Unrechts für aufgehoben und wider-
rufen erklärte. Kopp die Verfassung der heiml. Gerichte 369. Dass sich
die Herren von Padberg an diese Verfügung nicht kehrten, beweist obige
Urkunde, K. Wentzel sah sich 1392 geeöthigt, seinen Befehl an Herzog
Otto von Braunschweig zu erneuern. Kopp 67. — Jetzt gibt J. S. Sei-
bertz in dem Urkundenbuche zur Landes- nnd Rechtsgeschichte des Her-
zogtums Westfalen (3 Bande, Arnsburg 1843-1864) zahlreiche Urkunden
über Padberg, darunter Nr. 876 auch die Urkunde König Wentzels vom
22. Juli 1387, vorin derselbe die Freigrafschaft oder Stillegerichte aufhebt,
deren sich Friedericus de antiqua domo de Pathberg eigenmächtig ange
maast hatte - St. Alban ist der 21. oder 22. Juni.
XL
1393. (22. Oct) Währbrief Uber den Tausch eines Zinses nnd der
Besserung des Hauses zum alten Frosch.
Wir die Bürgermeister, Scheffeno vnd Rad zu Franckenftlrd ir-
kennen vns offenlich mit diesem briefe, daz vor vtib stunden an vnscr
geinwortikeid Jacob Klobelauch der junge, vnser mydscheffin
vnd Radgeselle vnd Hille sin eliche husfraüwe uff ein syten vnd Else,
etzwan eliche husfraüwe Sifrid Weiders selgen, dem god gnade,
IV. 21
Digitized by Google
- 322 -
uff die andir syten, von des vorgenanten Sifrids selgin, iret vnd ir
kinde wegin, nach Rade der seibin kinde frttnde von vatir vnd von
müdir, mit namen Johann Froischs des alden, Junge nfroschi
vnsir mydacheffin vnd Radgesellcn, Johan Froschs de« jungen,
Wickirs vom sale vnd Hennen zu hanaüwe, vnd irkanten
»ich offinberlieh, daz sie mit gar wol vorbedachtem be rädern müde
eynmüdiclichen rechtlich vnd redelich eins wessils vnd kttdis über-
komen sin vnd han auch den wessil vnd küd vor vns getan vnd
geoffint in aller der maße als hernach geschribn sted, mit namen so
han Jacob vnd Hille vorgenant der egenantcn Elsen vnd
iren erben gegeben vnd geben auch vor vns uff, tzwo marg
gel des jerlichir ewigir gülde, die alle jar gefallen uff sand inertins
tag vnd sin gelegen uffe eime hüse vnd gesesse gelegen
vuder den bendern, hinden gein dem holderbaum über, da
Engelmar, ein bendir itzund inne wonet, vnd han Jacob
vnd Hille vorgenant uff die obgenanten tzwo marg geldis vor vn*
luterlichen vnd gentzlichen virtzegen, auch so had dargein Else
vorgenant von iren vnd der vorgenanten ir kinde wegin den egenan
ten Ja cob vnd Hillen siner elichen hnsfrauwen vnd iren erben ge-
geben vud gab auch vor uns uff, die besscrunge vnd alle
rechte der husünge vnd gesess, hindene vnd vorne, obin vnd
vnden vnd waz dartzu gehöret, als verne daz ged, vorn an biz
hinden geyn der stede Franckenfttrd ringmüre n geyn dem
meyne gelegen zttsschen Rulinen wyßen, vnsirn mydschelnii
vnd Radgesellen, vnd der vorgenanten Elsen gesesse, dar
gelegin ist gein dem Affin übir, vnd ged daz vorgenant
huß vnd gesesse vorn zu gein dem Grael des vorgenanten
Jacobs gesesse übir vnd stoßit hinden gein der stede
Franckenfurd Ringmüren an dem meyne, als vor irlüdt, vnd
gebe die vorgenante hussünge vnd gesess vnd waz dartzu gehöret zu
zinse funff marg geldes vnd vier Schillinge heller geldes den lüden,
die den zins da uffe han. Auch irkanten sich vor vns die obgenan-
ten parthij daz beredt wer umb die mtiren die zusschen dem obge-
nanten hüse vnd gesesse, gein dem Grael ubir gelegen, vnd der vor-
genanten Elsen hüs vnd gesess gein dem Affin übir gelegin uffged.
daz sie die uff ir beider Kost mit wenden obin vz vnd auch süst in
büwe halden sollen und auch darzu büwen iglichs vff siner svten
vnschedelig des andir teil vnd den wassir gang iglichs uff siner ayten
vz filren solin ane geverde, vnd daz auch keins der vorgenanten
partij keinerlei lichte uff daz andir inleiden oder machen sülle durch
die müren vnd wende oler darobe in inkeine wvse. So umb daz
Digitized by Google
- 323 -
-
wendichin, daz binden uff der stede Franckenrard Ringmüren ged,
daz aal keine der vorgenanten parthij vff büwen, iz sy denn inwendig
iglichs traüffe, als der begriffen hette, vnd haid Else vorgenant uff
die besserünge vnd alle rechte der vorgenanten husünge vnd gesesae
binden vnd vorne, obin vnd vnden vnd waz dartzü geborit luterlich
vnd gentzlieli virtzefcin. Auch had vor vns Else vorgenant vnd
dartzü Wickir vom Salc den vorgenanten Jacob vnd Hillen vnd iren
erben gesprochen vnd machten sich in vor vns rechte sachwalder,
virunscheidoulich ir iglichs, vttr volber Sifrid, Irmelin vnd Wickir,
geschwisterde der vorgenanten Elsen kinde, die noch vnder iren
jaren sin vnd nit virtzeglet, also wami dieselben drü viruntzcglet
kinde zu iren jaren komen vnd vertzelglet werden, daz sie dann zu
dem vorgenanten knde vnd wessel iren güden willen vnd virheng-
nisse tün sullen vnd auch virtzihen in allir der maße als Else vorge-
nant getan had, als vorgeschreben stet, vnd wann daz geschieht, daz
sie dan darnach bchafft süllen vnd Wüllen sin, vür werschafft vnd
vür alle rechte anspräche jar vnd tag nach der stede recht vnd ge-
wonhaid hie by vns tzü Frauckeufürd. Hie by Bin gewest Gipel zum
Ebir, Heinrich von Holtzhusen Scheffeue vnd Ruprecht Byße vnd
andir erbere lüde. Des tzü orkunde so hau wir der vorgenanten
vnser stede Ingesigel durch irer beider syten bede willen an diesen
brieff tün hencken. Datum Anno domini millesimo trecontesimo nona-
gesimo tertio, quarta feria proxima post Luce Ewangeliste.
Nach der von Horm Pfarrer Dr. Steitz gefertigten Abschrift des Ori-
ginals im Besitze des dermaligen Hauseigentümers. Eine spätere Aufschrift
lautet: Ein Mauer zwischen dem alten Frosch vnd dem Groll betreffint. 1393.
XII.
1398. (4. Juni.) Verleihung einer Pfründe im Katharinen-Kloster
an Gude von Galdenburg.
Wir Else froschin die vorstern , ich Jacob clobelauch
vnd ich Johan frosch, Scheffen zu Franckfurd, furmunder des
closters vnd Couuentes zu Santc Katheriuen, gelegin in der nuwen-
stad zu Franckfurd an bockenhemir porten, irkennen vns offenliche
rayt disem bryffe für vns vnd vnser nachkommen, daz wir luter-
lichen dorch got dorch sin werde müder Jungfrauwe Marien vnd
dorch der reine jungfrauwe sante Katheriuen willen han gcreycht vnd
geben myt orkunde dis briffes Gudegin wyl heims dochter von
Oaldinburgen itzund wonhafft zur Fankfurt in dein huse genant
21»
Digitized by Google
324 -
zum äffen eyn pründe in dem vorgenant closteren santc Katherinen.
Des hat Wylhelm obgenant sich myte vns als von des vorgenantes
closters vnd Conuentes wegen gutlich vnd gentzliche gerächt vnib
daz erbeteil, daz vff Gudegin vozgenant von ir mader selgin, Gud-
degin zeyssolffen, der Got gnade, irstorben ist, adir nach von
ire siten vnd von Wylhelme obgenant, irme vater, adir von ymand
anders vff irsterben mochte, also daz Wylhelm obgenant vor des sel-
ben kindes irbeteyl hat gegebin zwey hundert gülden bereit guter
frankfurter werungo, die wir von yme inpangen vnd in des vorge-
nanten clostere notze vnd notdorfft gewant han, herumbe so hat Gu-
degin des vorgenanten kint vnd wir die meystern, Jacob vnd Johan,
vormundere des ogenanten closters vnd conuentes vnd der Conuent
gemeynlich virziegen vnd virzihen myt disem geynwortigen bryffe
vor vns vnd vnsere nachkommen Iuterlich vnd gentzlich vff alles Erb,
irbeteil daz Gudegin dem vorgenanten kindc, vnd dem closter vnd
conuent vorgenant von des selben kindes wegen fallen mochte, nach
des obgenanten Wylhelms dode, adir wo von je andirs herkommen
mochte, an wilcherley gut daz were der Gudegin vorgenant; vnd
wir von des vorgenanten cloBters und Conuentes wegen, adir wer zu
den zeiden des vorgenanten closters vnd conuentes vormunder were
adir ymant andirs von Wylhelme obgenanten, noch von andern sinen
kindern irbeteil nimmer mer geheyschen fordern suchen noch an-
sprechen sollen in dekeynerleye wys myt dekeyner hande suchen geyst-
licheu adir werntliche, und daz wir Else die meystern, Jacob vnd
Johan vorgenante adir wer zu der zcyd vormunder wer, nach Gude-
gin egenant, nach dez closter, nach der conuent gemeynlich zu dem
irbeteil, als vorgelut hat, koinerley fordemnge nach rechte inhan noch
haben sollen in dekeynewys ane alle geuerde. Des zu vrkunde vnd
vesten stedekeit han wir Else die meystern vnd der conuent ge-
meynlich des vorgenanten closters vnd conuentes santc Katherineu
Ingesigcl an diaem bryff gehangen vnd ich Jacob clobellach vnd ich
Johan frosch furmondere des vorgenanten closters vnd conuentes
irkennen vns vnder des vorgenanten Conuentes Ingesigel aller dieser
vorgeschrebin dinge. Datum Anno salutis millesiino trecentesimo
nonagesimo octauo in vigilia Sancti Bonifacij.
Nach der Abschrift, welche Herr Pfarrer Dr. Steita von dem Originale
genommen hat
Digitized by Google
- 325 -
XIII.
1405. (81. Ho?.) Währbrief über das Haus zum alten Frosch.
Wir die Burgermeister Scheffcno und Rad tzu Franckenfurt Er-
kennen oftiulich mit diesem briofe, daz vor vns an unßer geinwort-
keit stunden Else etzwan elichc husfrauwo Sifrid Wclders seligen
tzu dieser tzyt clich husfrauwe Conrad Frytags vnd Sifrid ir Son,
vnd erkanten sich daz sie mit vorhedachtem beraden mude verkaufft
betten vnd gaben auch vor vns vff Henne Hern Wilhelms von
Calden berg geseßen tzum Affen elichem son vnd sinen erben die
besserungo des huses vnd hoffe vnd geseßis mit irer tzugehorunge
genant zumaldenfroisch, gelegeu tzuschen Bechtolt Hellern vnserm
ratgesellen vnd Jockel Klobelauchs husen gein dem äffen vber vmb
viertzig gülden guter franckenf. werunge vnd gäbe das vorg. huß
— tzu tzinsc dry inarg gelts ewiger gulte vnd tzwolff gülden gelts wyder-
kauff den luden die den zinß daruff hau.
[Die Verkäufer machen sich weiter rechte Sachwalder für Werschuift
J.U* und Tag, namentlich auch NamcnB des Wicker, der Else und Sifricd
Weldere andern Sohnes, der zur Zeit nicht inheimisch war.]
Hicby sin gewest Gerbrecht von Glauburg Hermann Burggreve
Schcffenc, Bochtolt Heller vorg. vnd andere erbare lüde. Des tzu
vrkunde han wir der vorg. vnscr Stcde Ingcsigel — an diesen brieff
tun hencken. Datum anno domi MCCCCV« feria secunda ante Eli-
sabeth.
Von dem Perg. -Original in dem Archivo des Vereins. Das Stadtaiegel
XIV.
1406. (12. Mai.) Reversbrief über den Verkauf des Hauses »um
alten Frosch.
Ich Conrad Frytag, Burger zu Franckenfurd bekennen vnd
tun kunt offenlichen mit diesem brieffc also, als Else myn cliche
husfrauwe, etzwan eliche husfrauwe Sifrid Weldcrs scl-
gin, vnd Sifrid ir son virkaufft vnd uffgegeben han Hennen,
herrn Wilhelms von Caldcnburg geBessin zum Affen eli-
chem Son, vnd sinen Erben die besserungo des hofes vnd gesesses
mit irer zugehorunge genant tzum AI den froisch, gelegin
zusschen Bechtold Heller vnd Jekeln Klobelauch gein
dem Affen vbir, vmb vierezig gülden, als daz der brieff mit der
Stede Franckenfurd grossem Ingcsigel besigelt, darüber gegeben
Digitized by Google
- 326 -
eigentlicher vsswyset. Des bekennen ich Conrad vorgenant, daz der
vorgeuant virkauff, vffgifft vnd virezig myn guder Wille, Wissen vnd
verhengnisse ist vnd will das auch vür mich vnd myn Erben stede
vnd feste haldcn ane alle argelist vnde geverde, vnd des zu vrkunde
vnd fester stetikeid hau ich Conrad vorgenant myn eigen Ingesigel
an diesen brieff gehangen. Datum Anno domini millesimo qua-
dringentesimo sexto, ipsa die Seruatij episcopi.
Nach einer von Herrn Pfarrer Dr. Steitz genommenen Abschrillt des
Originals im Besitz des llauscigenthtlmers.
XV.
1407. (23. Sept.) Währbrief Aber das halbe steinerne Haus zum
alten Frosch.
Wir die Bürgermeister scheffene vnd Rad zu Franckenfurd ir-
kennen vns vffenlichen — daz vor vns stund — Gcrlach von Er-
gersheim vnd irkante sich offinbarlich, also als Fritze vnd George
von Ergersheim sine gebrudere vormals Johann Frosch Annen siner
elichen husfrauwen vnd iren erben daz halbe steinen Huß gnand
zum aldon frosch gelegen geiu dem gesesse zum alten Wiedel
vbir oben vnd vnden binden vnd vorn virkauftt vnd uffgegeben haben
vnd auch daruff virziegen, vnd sie vnd Johann von Ergirsheiin ir bruder
vnser ratgesello darzu gesprochin haben vur den egen. Gerlach iren
bruder der zu der tzyd vnder sinen jaren were vnd nit virtziegbar,
also wenn er zu sinen jaren qweme daz er dann auch daruff ver-
tzihcn sulde — des bekanto Gerlach vorg. — daz der egen. verkauft
vffgiflt vnde vertzieg sin gude wille vnd verhengniße sy — . Hieby
sin gewest Erwin Hartrad, Brant Klobelauch Scheffene Johann von
Ergersheim vnd ander erbare lüde.
[Folgt die Besiegelungs-Angabe.]
Datum anno Dmi M CCCC0 septimo feria sexta ante Michahelis
Archangeli.
Aus dem Perg.-Original im Archive des Vereins. Das Stadtsiegel hängt an.
Digitized by Google
- 327
XVI.
1419. (6. Dec.) Jungo Frosch, Wicker Frosch sein 8ohn und dessen
Hausfrau Else bestätigen und erneuern den eingerückten Reversbrief
des Jungo Frosch, Ton 1397, dass das Schloss Biedern ein offen
Hans der Stadt Frankfurt sein solle.
Ich Junge Frosch vndt ich Wicker »in son vnd ich Else
desselben Wickers eliche hußfrauwe Bürgere zu Franckenfurd, Er-
kennen vndt tun kund uffinJich mit diesem brieffc, also als ich Junge
vorgnt. mich für mich myne erben vndt nachkomen, von des huses,
hoffis, graben vndt vmbfang vor Franckenfurd gelegen zu Riedern
als es uff die zyt waz odir vurwerter gebuwet wurde verschrieben
vndt versiegelt han, den Ersamen wisen luden, dem Rade vndt der
Stad zu Franckenmrd nach lüde des brieffis, der von worten zu Wor-
ten hernach geschrieben steet, vndt also anhebit,
Ich Junge Frosch scheffen zu Franckenfurt bekennen vndt
tun kunt uffentlich mit dießeni brieffe, vur mich myn erben
vndt nachkommen vmb solich myn huß hoff, graben vndt vmbfang
vor Franckenfurd gelegen zu Riede rn, des verschriben vndt ver-
binden ich mich vur mich myn erben vndt nachkommen mit
dießem brieffo den Ersamen wisen dem Rade vndt der Stad zu
Franckinfurd daz ich myn erben vndt nachkommen oder nymands
anders von vnßern wegen dazselbe huß, hoff, graben vndt vmb-
fang als es itzunt ist, odir vorwerter da gebuwet wirt, nommer
ensollen noch enwollen vß des Rades vndt der Stcde Francken-
furd, odir irer Burgen* daselbis hant virsetzen virkeuffen oder
sust anders virußern noch in keins vßmerkers hant wenden odir
keren ane alle geuerdc, sundern es also bestellen vndt halden, als
veere vns crafft vndt macht getragen mag ane alle geuerde, daz
der Rad odir die Stad zu Franckenfurd ire Bürgere byseßen odir
die iren, odir die In zu uerantworten steen, nommer daruß odir
dar inn beschediget werden, vndt auch daz es des Rades vndt der
Stad zu Franckenmrd vndt der iren, als von des Rades vndt der
Stedo wegen vorgnt. vffen sin zu allen iren noden sich daruß
vndt dar inn zu beheiffen ane widerredde myn, myner erben vndt
nachkomen vndt anders eins iglichen von vnßern wegen, vndt
auch ane kost vndt schaden des Rades vndt dor Stcde Francken-
furd vorgnt sie teden es dann mit willen gerne. Auch weres
daz der Rad zu Franckenfurd vorgnt jemand in daz vorgntc
Sloß lochten, die sulden auch beschedenlich da ligen vndt vß
Digitized by Google
- 328 -
vndt in wandern, weres abir daz sie mir da icht zubrechen
odir ctzeten, daz sulde ich den Burgermeistern zu Franckenfurd
die uff die zyt Burgermeistere weren vurbrengen, vndt die sulden
mir dann von den, die mir den schaden getan betten, darvmb
helffen vnd widerfarcn lassen als recht ist Des zu Vrkuude vndt
fester stedikeit, so han ich Junge vorgnt myn eigen Ingesiegel
für mich myn erben vndt nachkomen an diesen brieff gehangen.
Datum Anno Domini Millesimo trecentesimo nonagesinio septimo,
feria quinta post Jacobi Apostoli.
Vndt wand nu daz egnt huß, hoff, graben vndt vmbfang wir
Junge Wicker vndt Else vorgnt itzunt jnne han, hervmb so verschri-
ben, bekennen vndt verbinden wir vns für vns vnße erben vndt nach-
kommen mit diesem brieffe, also daz wir, vnße erben vndt nachkom-
men alle vndt igliche diese vorgnte artikele als die in dem vorgnt n
brieffe begriffen sin, vndt geschrebin steen, steede veste vndt vnver-
bruchlich Halden sollen vndt wollen vndt bestellen gehalden werden
vndt darzu auch besunder, daz wir odir vnße erben odir nyniands von
vnßern wegen in dem vorgentn huse, hofe graben vndt vm fange als
die itztunt sin, odir vorwerter gebuwet odir gemacht werden, kei-
nen vßman wer der sy, odir die sinen nit cnsollen noch enwollen
da enthalden, odir daruß odir dar jn lassen ryden odir geen noch sich
zu behclffen, odir vffenunge da tun in keine weise, Auch wie dicke
daz egnt huß, hoff, graben vndt vmbfang zu Riedern, als die itztuud
sin, odir vorwerter gebuwet vndt gemacht werden, vß einer hant io
die ander verendert werden, in willcher maße vndt wiße daz geschieht,
also dicke sollen der odir die, in der hende sie kommen vndt ver-
want werden, dem Rade vndt Stad zu Franckenfurd von nuwen ver-
schriben vnverzogenlich ane geuerde so sie des begehren alle vndt
igliche vorgeschrib. stücke punete vndt artikele stete, feste vndt vn-
verbruchlich zu halden, in allir der masse als der vorgente brieff des
abeschrifft hievorn geschriben steet das wisset, vndt auch als in diesem
brieffe von nuwem begriffen ist vndt geschriben steet, und sich üi
keine wise darwider setzen odir behelffen ane alle argeliste vnd
geuerde, vndt weres sache daz jemand« were, der solicher verschri-
bunge nit tun wulde vndt dem uachgeen als vorgeschrieben steet,
Bcmptlieh odir besunder, so han wir vns für vns vnße erben vndt
nachkommen virwillkort vndt virschriben, vndt verwilkorn vns mit
diesem briefc, Also daz dan der Rad zu Franckenfurd von der-
selben JStede wegen sich des vorgentn huses hoffes vndt grabcu zu
Riedern, als die itzund sin odir vorwerter gebuwet vndt gemacht wer-
den mit irem begriffe vndt vmbfange vndirtziehen, vndt in ihre hant
Digitized by Google
- 329 -
vndt gewalt nemen mögen, vndt die bestellen vndt jnne behalden vur
sich aelbis, odir die zubrechen, odir sust damyde zu tun vndt zu las-
sen wie sie gelüstet Des zu vrkunde, vndt festir stedikeit, so han
ich Junge Frosch vorgnt myn cygen Jngeß vur mich Wicker my-
nen son Elsen sin eliche hußfrauwe für sie vnße erben vndt nach-
kommen, an diesen Brieff gebangen. Des Ingeaiegels ich Wicker
vndt ich Else sin eliche hußfrawe vns mit dem vorgentn Jungen
Frosch vnßem vater vndt sweher zu dieser zyt wißentlich heran ge-
bruchen vndt bekennen jn darvmb gebeten hau. Datum Anno Do-
mini Millesimo Quadringentesimo deeimo nono, ipsa die saneti Nicolai
Episcopi.
Aas dem Perg.-Originsl im Archive des h. Geist-Hospitals.
XVII.
1442. (7.December.) Urtheilsbrief über das halbe Theil des Stein-
hauses neben dem Frosch.
Ich Johann Palmstorffer Scheffenc vnd in diser zyt Schultheis
vnd wir mit namen Johann von Ockstat Walther von Swartzenbcrg
Johann von Glauburg Johann Monis Sifrid Burggreffe Hennrich Ap-
penhoymer Erasmus Kemercr und Johann Wiße zu Leweusteyn auch
Scheffene zu Francki\u*t Erkennen — mit diesom brioffe das uff den
nesten samstag vor Sant Urban dag in dem jare — 1440 vor vns in
die Kadstobc zu Frankf. glicher Wisc als an offen gericht komen
sin Wicker Froisch, Johann Froisch sclgen son vnser mit Schef-
fene uffeyn vnd Dorothea von Holzhusen zu diser zyt Johann
Froische etzwan vnsers mit Scheffone selgen Witwe uff die ander
parthien, vnd nam da der egen. Wicker gein der vorg. Dorothcen
siner geswihen for vnd ließ ercelen : nachdem vormals die husunge
vnd hoff zum Froische mit dem halbentcile des Steynen
huses daran gelegen, nach Inde eins testaments darüber besagende,
besest vnd verschrieben were das iß alle wege uff den eldesten
personen irs Stammes von den Froischen mans personen
von eym uff den andern gefallen sulde, darumb Johann Froische sin
bruder ir hußwirt seiger er vnd andere irc geschwisterde als sie dan
ires vaters selgen gude mit eyn geteilet betten der cgen. husunge zum
besten in geinwortigkeit irer frunde von des andern halbentcils we-
gen des vorg. Stcynhuses an dem egen. hoffe vnd huse, nemlich off
dem orte gein Agnes Glauburgern hoffe über gelegen, in der teilunge
raiteyn vberkommen vnd beredt were, das auch je der eldestc von
Digitized by Google
- 330 -
maus personeil viider yuo der Froischen das egen. halbeteile hiwes
sin lebetagc haben vnd das von des erben der iß also gehabt bette
mit einer soraine die da beredt were losen suldc, und nachdem der
vorg. Johann Froische sin bruder ir hußwirt seiger dasselbe halbeteile
huses in solicher massen sin lebetage mit dem huse vnd hoffe zum
Froische und dem andern halbenteile gehabt bette, So sprach er ir
zu vnd fordert an sie naehdem er nu der eldeste Froische des Stam-
mes were yne zu dem halbenteile lassen zu komen, als er hoffte das
sie billig thun sulde nach dem er ir irbudig were die svmme als be-
redt were ußzurichten; darzu die vorg. Dorothea antwurt vnd fur
sieh stalte das sie von irem hußwirt selgen nye gehört bette vnd ir
auch selber nit wissentlich were das iß von des halbenteils wegen des
egen. Steinhuses yt beredt were in niassen der egen. ir swager fur-
neme, so hette sie mit dem vorg. jrem hußwirt sin lebtage uß vnd
syder her das egen. halbeteile desSteynen huses bcseßelieh herbrach1
by gudem gericht anc alle rechtlich anspräche Wickers vorg. vnd
andere eins iglichen da by sie hoffe auch furder zu hüben; vnd nach
anspräche vnd antwurte han wir obgen. Schcffenc mit orteil gewiset :
Drede die egen. Dorothea dar vnd swore uff die Heiligen, das sie von
irem hußwirt selgen nye geliert hotte vnd ir auch selber nit wissent-
lieh were das soliche beredunge von des egen. halbenteils des stey-
nen huses wegen in massen Wicker obgen. furuani, ju der teilunge
vor der verschriebungo irs fruntsebaffts briffs yt gescheen were, nach*
dem sie dan in irer antwurte einen beseße furnamc, das sie den bil-
lich by solichem beseße blibe, Wicker wuldc dan erwisen als recht
were das solichs in massen er in siner anspräche furname von des
halbenteils wegen des egen. Stcyncnhuses jn der deilunge vor der ver-
schribunge des frundsehafffcs brieffcs also beredt worden were, doch wie
viel der soinine were damit es zu losen were yne beyden irs rechtes
vnbenomnicn, vnd als Wicker vorg. sich daruff vermaß zugewisen
nach lüde des ortels vnd sin getzugen nante vnd beyde parthien vnd
die gezugen darnach uff den nesten mitwochen nach vnser 1. trauwen
dag coneepeionis nest darnacli vor vns an des Kichs gerichte vorg.
quamen vnd nach sage vnd verhorunge derselben gezugen vff den eyd
vnd also hoch und durc man soliche gezugnissc an des Bichs gerichte
zu Fr. pfleget zu fragen vnd zu verhören vnd das zu ortel ge«a*t
wart, So han wir o^g. Scheffene mit orteile gewiset: dreden Wicker
vnd die geezugen darnach denu iß eygen vnd erbe antreffe vnd swo-
ron off die Heiligen, obe Dorothea sie das mit willen nit erlassen wulde,
was sie da gesaget betten das das wäre vnd gerecht were das dan
der egen. Wicker sie gewiset hotte das er sin billig genösse, der eyde
Digitized by Google
- 331 -
Dorothea sie mit willen erlassen hat. Item nach soliehcn ergangen
sachcn als beyde partien eczlicher massen jn gespenne waren wie viel
der sommc werc damit das egen. halbeteile zu losen stunde, so wil-
ligte die vorg. Dorothea, beueme sich Wicker vff den eydt den er
dem Rade getan hette das iß nit me were dan anderthalbhundert
gülden so wuldc sie iß daby lassen bliben, darufT Wicker in solicher
maßen mit sym eyde berechtet das iß anderthalbhundert gülden were
vnd nit me, doch als etzlicher maßen in der kundschafft geludet hatte
das auch in der teilunge beredt were daB man die buwe die zu not-
torfft des egen. halben steynen huses getan weren mit den audert-
halb hundert gülden abclcgen sulde vnd als Dorothea etzliche zinsc
davon lingenommen hette Wicker zugehorende, han wir obg. Seheffenc
ano ortcl zusehen yne mit ir beyder siten willen beredt das Dorothea
dieselben zinsen nemlich acht gülden Wickern gebeu hat so hat er
ir für die buwe seß guldeu geben, Vnd nach soliehcn ergangen sachcn,
so forderten beyde obgeschr. partien diewile es ey^en vnd erbe an-
treffe ob man ir iglichera des dan yt billich einen brieff von gericht
wegen geben sulle , also han wir obg. Scheffenc vnterwiset vnd ge-
heißen Johann Palrastorffer vnsern mit Scheffenc czu dieser zyt Schult-
heis, das er iglicher partio des billich einen brieff von gericht wegen
geben sulle, doch mit behcltniß vnd vnschedelich dem Riehe dem
Rade vnd der Stadt zu Fr. an iren dinsten gnaden vnd fryheiden.
Das zu Urkunde han ich Johann Palmstorffer myn Ingcsigcl von ge-
richtes regen vnd von geheiße myner mitschaffeue an diesen Brieff
gehangen. Datum anno domiui MCCCG0 secundo teria sexta post
diem s. Lucie et Otilie virginum.
Aus dem Pergara.-Original im Archive des Vereins. Das Siegel des
Schultheissen hängt an. Die Urkunde gewährt ein interessantes Beispiel
eines s. g. Seniorats, das sich wunderlich genug neben dem Hause zum
Frosch nur auf die Hälfte des daran stossenden Steinhauses erstreckte, so
dass erst eine weitere Vereinbarung den jeweiligen Senior berechtigte, die
andere Hälfte mit einer bestimmten Summe von des verstorbenen Seniors
Erben einzulösen. Zu bemerken ist, dass das Gericht nur dann dieser Ver-
einbarung einen rechtlichen Werth beilegt, wenn sie vor der Errichtung des
Frundschafrsbriefs, d. h. des Ehe Vertrags zwischen Johann Frosch und Do-
rothea Hoizhausen geschehen sei. Denn später hätte sie nur von beiden
Ehegatten mit gesammter Hand geschehen können.
Digitized by Google
332
XVIII.
1482. Vereinbarung der Gebrüder Wicker, Johann und Jorge
Frosch über ein väterliches Kapital von fl. 1200.
Ich Wicker Frosch der Junge Oudcchin sin oliche huß-
frauwe eynß Ich Johann Frosch Cristina sin cliche hußfrawe
des andern vnd Ich Jorge Frosch vnd Ennehin sin cliche hußfr.
des dritten teiles, gebruder vnd gcswyen Burger zu Frankenfort
Bekennen vnd tun kunt öffentlich mit diesem brieff Als der Ersame
wisc Wicker Frosch der aide Schöffen vndt Radtinann zu Fr.
vnser freuntlichcr lieber Vatter vnd Swechcr iozt by sinen gesunden
dagen — von dem sinen uß cygencr bewegniß — vns egen. drien clichen
gemaheln sinen sonen vnd snorchen zwol ff hundert gülden, das
sin iglichem soue vnd siner hußfrauwen vorben. vierhundert gülden
in geld guter franckenf. werunge mit solichom bedinge vorreden vnd
vnderscheiden als hernach geschr. steet, zu vnd über solich er
lieh vnd, -redelich zugifft der heiligen Ec so er vnser yedem hievor
nach lüde siner hinlichs brieff bewißt, williglich zu vnserm nutze vnd
gepruche gegeben heit, d;iß wir jme billichen dank sagen — , neme-
lich vnd also ob es wero daß vnser vorgen. gebruder eyucr oder merc
one cliche libs erben abegehen werde davor got sy, so suldc nach
deß oder derselben dott sin cliche gelassen witwe obe er die jm
leben hinder jme verließe, by den egomeltcn 400 gülden, so irem ab-
gegangenen hußwirt seligen von sinem vatter wie' obstet gegeben
sin, jre leptage uß sich der nutzung davon zugepruchen jnn bcset>
haben vnd so sie dan auch mit tode verscheyden were oder daß
vnser egen. gebruder eyner one cüch libserben abeginge vnd sin
elich geniahcl ehe dan er verscheyden wero so sollen uff stunt solich
egen. 400 gülden widder uf den vorgen. Wicker Frosche den alden vn
sern vatter vnd swechcr ob er noch in leben were oder nach sinem dode
vff vns andere vorben. sine sonc oder vnser elich libserben die vnscre?
namens vnd Stammes weren vnd solichs erleben, hinder sich erben
vnd gefallen
[Wonach sich dann die drei Bruder und ihre Frauen zu richten versprechen J
Des zu Urkunde so han wir egen. Wicker Johan vnd Jorge ge
brüder iglichcr sin Ingesiegel für sich sine egen. elichc hußfrauwe
vnd erbeu an diesen Brieff gehangen, der bcsigelunge wir obgen.
Gudechin Cristina und Ennehin hirjnne iglich mit irem egen. lie-
ben hußwirt sich wissentlichen bekennen vnd gepruchen, vnd zu
merer Sicherheit so han wir ietztben. dry frauwen den vorg.
Digitized by Google
- 333
Wicker Fröschen den alden vnsern lieben Swecher vnd Herchin mit
fliße gebeten, daß er sin eigen Ingesigel zu forderst by der vorg.
vnser lieben hußwirte siner sone Ingesigele für vns auch hat an
diesen brieff gehangen. Der besigelunge ich Wicker der aide obgenant
also von der egen. miner lieben sone hußfrauwen und snorchen bede
wegen bekennen gothan han doch mir suß vnschedelich vnd sin der
brieff dry der iglich verg. parthie eyn hat. Datum anno dmi
viertzehenhundert achtzigk vnd zwey jare uff mandag nach Sant Bar-
tholomeus des heiligen Aposteln dag.
Nach dem pt-rgam. Orffinal im Archive des Vereins. Die 4 Siegel bangen
wohlerhalten an.
1489. Letzter Wille Wilhelms von Caldenberg und seiner Haus-
frau, insonderheit das Haus zum alten Frosch betreffend.
Ich Wilhelm von Caldenberg vnd Ich Catherinichin
von Hengsperg, sin eliche Hußfrauwe, Burgere zu Franckenfurt,
bekennen vns öffentliche inn vnd mit diesem brieffc, das wir betracht
vnnd zu hertzen genommen han die gutwillige fruntschafft vnd ge-
horsame bewisung, so vnnser eins dem andern mit vnverdrossen
willen biss anher bewiset vnd getan hat, auch hinfur in friedsamer
eindrechtigkeit zu tun verhoffen, vnd haben darumb mit woll vor-
bedachtem beradem mude einhelliglichen recht vnd redelich vnnser
Ordennung, besetzung und letzten willen getan vnnd gemacht, ordenen,
setzen, machen vnd tun des inn und mit Crafft diss briefs, wie das
nach der Stede Franckenfurt herkommen, fryheit oder recht aller best
Oafft vnnd macht haben sal vnnd mag. Also zu welcher zyt Got
der Almechtig iß fugett, das vnser eins zu erst von todes wegen ab-
gangen ist, des vns got der Herr nach vnser beider seien heyle gue-
diglich gefristen wolle, so solle das leste lebende vnnder vns beiden
by allen vnnd iglichen vnnseren guttern, so wir von beiden teyln zu
samen innc die Ee bracht, by ein getzugt vnnd ererbt haben, von wel-
cher siten die herkommen weren, es sien eigen, erbe, ewig oder wid-
derkauffs gulte vnnd farende habe, wenig oder vil, inn oder ußwendig
Franckenfurt, wie die naraen haben, nichts vßgenommen, wo vnnd
an welchen enden die gelegen sin, gerawelichcn vnd vnuerschalden
hüben sitzen, nie!3en, vffheben vnnd gebruchon vnnd doniit tun vnd
laißen, die gifften geben, besetzen vnd bescheiden wemc, wohin
vnnd wie demselben lcstlebende eben vnnd fuglich ist, on intrag vnnser
erben vnnd sust allermenlichs, doch vßgescheiden die husung,
Digitized by Google
- 334 -
hoff vnnd stalle hinden vnd forne, mit irem begriff, rechten vnnd
zugehorungen, genant zum alten Frosche, gelegen zusehen
dem grael vnd Ilerman von Zypern gein dem Affen vnd
Bußen vber, stoiße hinden vf der Stede mure gein dem
meyne; auch das hußzum Affen vorgenant gein dem itz-
gemelten Hus zum Alten Frosche vber, welche zwey Hu-
sere mir Wilhelmen von mynen Eltern seligen ange-
fallen vnd worden sin. Dieselbe zwey husere das Iestlebende
inn gewonlichem buwe vnd besserung, als zu Franckenfurt recht vnnd
gewonheit ist, halten solle; dartzn solle das leatlebende vnnder vnn*
beiden nach des ersten abgang etwas von vnnd vß vnnser beider ge-
laißen narung des ersten abgegangen seien zu trost inn gottes ere
geben vnnd wenden vnnd bescheiden, in maißen vnnser eins von dem
andern zu tun vnd zu gescheen begert Vnnd wann dann das-
selbe Iestlebende vnnder vnns beiden auch von tode*
wegen abgegangen ist, alsdann von »tun t an sollen die
obgemelten zwey Husere zum Alten frosche vnnd zum
Affen, gein e inande r über ge 1 egen , erst erben , werden
vnnd gefallen vff Cunradt Wißen zu lewenstein, Agne-
sen von Hcngsperg siner elichen hußfrauwen, vnnsern
lieben swager vnnd geswyhen vnnd swester vnnd iren eli-
chen libs erben, also das der Sargstein by dem Borne inne dem hus
zum Alten frosche, auch alle bencke, schencke vnnd vßziehende
laden, so inne der stoben gein dem Borne über sin, dartzu der grois
kleider schancke inne der Meyn kammern genant zum Einhorne mit
aarapt dem keasel vnnd allen blyen kästen vnnd roren zn der Bat-
stoben dienend vnabgetan bliben vnnd den vorbestympten Onnradcn
Agneßen vnnd iren elichen libs erben werden vnd folgen sollen, mit
geding vnd vnnderscheit, so das Iestlebende vnnder viins von todes
wegen abgangen, der falle obgeschriebener maiß gescheen iat vnnd
Cunradt, Agnes oder ire erben obgemelt sich solcher zweyer husere
angenommen vnnd vnndertzogen haben, alsdann vnnd nit ehe sollen
sie verbonden vnnd pflichtig sin vßznrichten, zn geben vnnd zu be-
tzalen Arn ölten von Glauberg, Otilieu Brunchin Bmn seligen
dochter, siner elichen hußfrauwen vnd iren erben ein male dryhun-
dert gülden gutter Franckenfurter werunge oder an wert nach rede-
liche achtunge, inn maißen wir der genanten Otilien inn vertru*
wung der Ee vß besonnder gonstiger fruutsebaft vnnd mit gutem
willen zu heymstuer vnnd berednus driihundert gülden naeh
vnnser beider abgang vnnd nit ehe zn werden vertrost vnnd ver
spruehen haben. Ob auch die gedachten zwey husere zum Alten
Digitized by Google
- 335 ~
frosche vnnd zum Affen durch vnglugiliehe zufalle oder von fuers
noden, das got versehe, by des lestelebende leptage schaden nemen
würden, so soltc das leste lebende nymants davon enichc crstatung
oder abetrag zu tun nit pflichtig sin, vnnd ich Wilhelm von Calden-
berg obgenant behalte mir doch gantze mogende vnnd macht diese
vorgeschrieben Ordennung, besetzung vnnd bescheit zu mvnnern, zu
nieren, zu andern einteils oder zu male abe zutun, wann oder welche
zyt mir eben vnnd fuglich ist on Intrag des gedachten Catherinehill,
myner hußfrauwon, vnnser erben vnnd sust allermenlichs , doch in
diesen vorgeschrieben Artickeln mit beheltenis vnnd vnschedelich dem
Riehe, dem Rate vnd der Stadt zu Franckenfurt an iren gunsten,
gnaden vnnd freyheiten. Hie by sint gewest die ersamen Hern
Walthcr von Swartzenberg, Daniel Brommen, Scheffenc zu Francken-
furt vnnd Peter Herbstein Radtinan doselbst, für den wir obgenanten
elude soliche vnnser Ordennung, besetzung vnd bescheit gemacht
han, vnd han des zu orkunde beidesampt vnnd vnnser iglichs besonn-
der mit flys gebeten die vorgenanten Schelfen vnnd Ratman zu
Franckenfurt, das ir iglicher sin eigen Ingesigel an diesen brieffe
gehangen hait, vnnd wir obgenanter Walther von Hwartzenberg, Da-
niel Brommen vnnd Peter Herbstein bekennen vnns öffentlichen inne
vnnd mit diesem briefc, das die vorgenauten Wilhelm vnd Katherin-
chen von Hengspcrg sin elichc hußfrauwe ire ofdennung, besetzung
vnnd bescheit für vnns als obgeschrieben steet, getan vnnd erkannt
haben, vnd han des zu orkunde vnd bekenntnis vnnd vmb irer beiden
flyßigen bete vnnd begerung willen vnnser iglicher sin eigen Inge-
siegel an diesen brieffe tun hencken. Datum Montags nechst nach
Sant Marcus des heiligen Evangelisten tag, Anno domini millesinio
quadringentesiino octuagesimo nono.
Die Aufschriii lautet: Dieß ist der besaß als vuß myn swager Wyl-
helm von Caldenberg gesaszt bat das Hüft zum alten Frosch vnd das
Huß zum Affen gen diesem Huße über zum alten Froscb. — Nach der Ab-
schrift, welche Hr. Pfarrer Dr. Steitz von dem Originale genommen.
XX.
1529. (19. Janaar.) Tauschbrief über einen Zins auf dem Hause
zum alten Frosch.
Wir der Rath zw Franckennfurt bekennen öffentlich vnnd thun
kunt aller menniglich mit diesem brief, das vor vnns erschienen sein
(Jon rat Weiss vnnser mitscheffeu vnnd Ratgesell von sein vnd
Digitized by Google
— 336 -
vonn wegen Philipsenn Wissen vnsers Ratgesellenn seines bruders,
sodan Contz Gütz vnnser burger, vnnd Mathis Schlickart als anwalt
der wirdigenn vnd andechtigenn Abbetissin vnnd des gantzen conuen-
tes des jungfrauwenclosters zw Padcshawscn n laut eines gewalt-
briefs der vor vnns verlesen wardt vnd erkanten sich offenberlichen,
das sie die vorgenante Weissen gebrudere vnd die .Tungfrawen zw
Padcshawscn sich eins kaufs vnd wechseis mit willen vnd wissen des
benanten anwalts vnd Contz Götzen vereinigt haben, also das Mathis
der anwalt die funftenhalben gülden gelts, so die Jungfrawen zw
Padeshawsen auf dem haus zum frosch genant zum äffen
auf Sanct Martinus des heilligen bischofs tage fallend gehabt haben,
inen den Weissen zugestellt vnd vbergeben, auch daruf lutherlich vnnd
gentzlich vertziehenn hat. Dagegen gedachter Conrat Weiss den be-
nanten Jungfrawcn Funftenhalben gülden geltz jerlicher ewige* gul-
tenn, so er jerlichs auf dem gclthausB, da Contz Götz innwonet,
fallend gehabt, zugestellt, vnd vbergeben, doch das dicselbigen nun
hienfuro ablosig sein sollen, vnd hat auch darauf lutherlich vnd gentz-
lich vertzichen, also das die bemelten Jungfrawcn soliche funftenhal-
ben gülden gelts auf dem gelthawss nun hienfuro zw ieder zeit, so
die fellig sein, aufhebenn, innemen vnd damit thun vnd lassen sollen
vnd mögen als mit anderen iren cigenn gutteren on Intrag sein Con-
rad Weissen, seiner erben vnd sunst allermenniglichs. Des zu Ur-
kunde haben wir vnnser Stcdc Inngesicgel vmb der benanten Weissen
gebrudere vnd Mathis Schlickarts als anwalt der gedachten Abbatissin
vnnd Conucnt zu Padeshawsen bethe willenn an diesen brief thun
henckenn. Datum auf Dinstag nach Anthony. Anno domini mille-
simo quingentesimo vigesimo nono.
Nach der Abschrift, welche Hr. Pfarrer Dr. Steiti von dem Original (je-
nomraen.
■
Druckfehler.
P. lt, Z.25 t. o. statt Manereinganjre* Hei ManernmiranKes
» 24, ► 10 v. o. ► Zimmer lie« Zinnen.
► 24, » 13 v. o. • hinter liea hinten.
► 24, • 17 v o. » TierccklK«« Iii» viel eckiges.
• 89, » 4 v. o. ► andere lie« an andern.
» 46, » 7 v. o. * Staat* re gel lies M aa ire<jel.
► W», »26 v. o. » hcaehafti*cn llei bcachid Igen.
» 67, » 2 v. o. • wat lies Wat.
• 132, ► 1.1 t n. ► Helfenberg; liea Reifen at ein
»138, •> 6 v. u. » DreWorf liea Dridorf.
Digitized by Google
Digitized by Google